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Das Licht der Finsternis

von

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17. Januar 1995

Hui, das ist also meine neue FF. ^^ Würd mich freuen, wenn ihr Kommentare dalasst, damit ich weiß, wie es euch gefällt. ^.~

Viel Spaß beim Lesen. =)
 

Sie presste sich die Hand auf den Mund, um nicht laut zu schluchzen. Angst hatte sie. Große Angst. Über den Boden schlich ein Blutrinnsal auf sie zu. Ihre Augen waren weit aufgerissen, als ihr Vater tot auf den Boden sank, neben ihre Mutter. Das Monster beugte sich über ihren Vater und sah plötzlich auf. Sie hielt den Atem an, als das Monster sie ansah. Langsam kroch es über den Boden auf sie zu. Das Blut ihrer Eltern klebte an seinen Lippen, als auf einmal die Tür aufflog und das Monster innehielt. Es blickte zur Tür und etwas funkelte in seinen Augen, was sie sich nicht erklären konnte. Nur noch Zentimeter trennten sie von dem Monster, doch auf einmal schien es gar nicht mehr an ihr interessiert zu sein. In einer einzigen Bewegung stand es auf und ihre Augen flackerten zur Tür rüber. Jemand stand dort. „Was willst du?“, sagte das Monster mit der schönsten Stimme, die sie je gehört hatte. „Meine Rache“, flüsterte der Ankömmling mit einer ebenso wundervollen Stimme und ging ein paar Schritte ins Zimmer. Weil sie unter dem Bett lag, konnte sie nur seine Füße beobachten. „Was? Etwa weil ich diese Versager hier umgebracht habe?“ Ein grimmiges Knurren kam von dem, der gerade gekommen war und er ging in die Hocke. Das Monster ebenfalls. Kurz darauf schienen sie sich anzuspringen und dass ein Kampf im Schlafzimmer ihrer Eltern tobte, wusste sogar sie. Sie zitterte am ganzen Leib, bis das Monster förmlich in Stücke zerrissen wurde. Sie beobachtete aufmerksam, wie der Fremde die Stücke einsammelte. Seine Hände wiesen nicht den kleinsten Kratzer auf, waren dafür jedoch fast weiß. Sie war noch klein, aber sie wusste, dass das unnatürlich war.

Der Fremde trug die Stücke hinaus und kurz darauf hörte sie das Knistern von Flammen. Der Fremde kehrte zurück und legte sich vors Bett, stützte den Kopf auf die Arme und lächelte sie an. „Magst du nicht hervorkommen? Der Boden ist doch sicherlich sehr unbequem.“ Sie schüttelte den Kopf. „Du brauchst keine Angst zu haben. Der böse Mann ist jetzt weg. Er ist gegangen.“ „Wer bist du?“, hauchte sie leise und ihr Atem hinterließ kleine Wölkchen in der kalten Nachtluft, die ins Zimmer kam. Draußen fiel Schnee.

Der Fremde sah sie aus goldenen Augen heraus immer noch freundlich an. „Mein Name ist nicht wichtig. Ich bin ein Freund von deinem Papa.“ Er streckte vorsichtig eine Hand nach ihr aus, berührte sie jedoch nicht. Sie merkte, dass er jetzt Handschuhe trug. „Komm.“ „Ich habe Angst“, flüsterte sie leise. „Ich weiß, aber ich verspreche dir, du brauchst keine Angst mehr zu haben. Ich werde auf dich aufpassen.“ Vorsichtig robbte sie unter dem Bett hervor und er half ihr auf. „Du bist aber ein hübsches Mädchen“, sagte der Mann und ging vor ihr in die Hocke, um sie besser ansehen zu können. Sie blickte verlegen auf den Boden und er nahm ihre Hand. „Sie sind auch sehr hübsch“, nuschelte sie und er lachte. „Das sagen viele. Komm nun mit. Ich bringe dich zur Polizei.“ Sie schüttelte heftig den Kopf und stemmte ihre kleinen Füße in den Boden. Obwohl es für den Mann kein Problem gewesen wäre, sie trotzdem mitzunehmen, blieb er stehen und sah sie fragend an. „Ich will nicht zur Polizei.“ „Hör zu, Kleine. Du kannst nicht hier bleiben, das wäre zu gefährlich. Aber du kannst auch nicht mit mir kommen.“ „Warum nicht?“, nörgelte sie. „Weil du in ständiger Lebensgefahr bist. Du musst an einen Ort, wo du vor allem in Sicherheit bist.“ Zitternd nickte sie. Sie konnte diesem Mann nicht gut widersprechen. Er war so freundlich. Und sie viel zu schüchtern.

Er ging mit ihr los, doch irgendwann wurde sie müde und er hob sie hoch. Ihm fiel eine Kette ins Auge, die sie um den Hals trug. Sie legte ihren Kopf in seine Halsbeuge und spürte die Kälte seiner Haut durch die Jacke hindurch. Oder war das die Kälte des Schnees?

Vor der Polizei ließ er sie sanft auf den Boden gleiten und sah sie an, nachdem er sich versichert hatte, dass sie nicht im Schein einer Laterne standen. „Pass auf, du gehst da gleich rein und sagst, dass ein böser Mann deine Eltern umgebracht hat. Wenn sie dich nach deinem Namen fragen, nennst du ihn ihnen, aber wenn sie dich fragen, wie du hierher gelangt bist, dann musst du sagen, du bist allein gekommen. Du darfst niemals jemandem etwas über mich erzählen.“ „Wieso?“, wollte sie wissen und er drückte zärtlich ihre Hand. „Weil ich sonst große Probleme bekomme, verstehst du?“ Sie nickte und wollte gerade losgehen, als er sie noch einmal an der Schulter berührte. Irritiert drehte sich das kleine Mädchen um. „Was auch immer du tust, Kleine, pass immer auf dich auf und erinnere dich an mich, okay?“ Sie nickte lächelnd. „Versprochen.“ Sie mochte den Mann, ohne zu wissen warum. In mehreren Jahren würde sie wissen, dass Kinder es spürten, ob ihr Gegenüber gut oder böse war – das war genauso wie bei Hunden. Doch an diesem Winterabend interessierte sie das nicht. Sie mochte den Mann und damit war die Sache für sie erledigt. Punkt.

Sie ging zur Polizeistation, öffnete die Tür und der Mann beobachtete sie. Er empfand große Bewunderung für das kleine Mädchen, mehr, als er gedacht hatte. Obwohl man ihre Eltern vor ihren Augen ermordet hatte, war sie nun so stark und tat, was ein Fremder ihr sagte. „Bleib auf der Hut, kleine Frau“, flüsterte er in die Nacht, bevor er in eben dieser verschwand. Für das Mädchen würde er nur eine schwache Erinnerung bleiben, er jedoch würde sie nie vergessen.
 

„Niemand kann sich erklären, wie das Mädchen dies überlebte. Die Polizei geht davon aus, dass sie sich möglicherweise im Haus versteckte, während der Mörder ihre Eltern tötete. Momentan läuft eine landesweite Fahndung nach dem Täter und das Mädchen wurde in einem Pflegeheim untergebracht…“

Der Mann schaltete den Fernseher aus und sah zu seinem Sohn, der auf dem Boden spielte. Er spielte mit einem Spielzeugmotorrad und sah dann seinen Vater an. „Was ist los, Daddy?“, fragte er und sein Vater lächelte. „Nichts, mein Junge.“ „Aber du siehst so wütend aus.“ Der Mann lächelte immer noch. „Keine Sorge, Jacob. Ich bin nicht auf dich wütend.“ „Auf wen denn dann?“ Der Junge stand auf und ging langsam auf seinen Vater zu. Dieser staunte über den Scharfsinn seines Sohnes, war der doch erst vier. „Das ist nicht so wichtig. Ich muss jetzt telefonieren, in Ordnung? Spiel solange weiter. Ich bin gleich wieder da.“ Der kleine Jacob nickte und ging wieder zu seinem Motorrad. Billy Black seufzte. Sein Entschluss hatte festgestanden, als die Sprecherin ihre Stimme erhoben hatte. Er würde das Mädchen retten. Doch was war geschehen, dass sie den Angriff eines Vampirs überstanden hatte?

Heute, 1. Juli 2006

Der Flieger landete mit drei Stunde Verspätung und dementsprechend eilig hatte ich es, als ich endlich in die schwüle Luft außerhalb des Flughafens trat und ein Taxi heran winkte. Ich hatte nur eine Tragetasche als Gepäck dabei, schmiss sie auf den Sitz neben mir und sagte zu dem Fahrer: „Bringen Sie mich nach La Push und es ist mir scheiß egal, ob die Ampeln rot sind oder ob es ein Tempolimit gibt.“ Der Fahrer verstand die Drohung, als ich ihm ein Bündel Geld in die Hand drückte. Es war mir nicht wichtig, dass es zu meinem in Afrika hart erarbeiteten Geld gehörte. Hauptsache war doch, ich war so schnell es ging wieder bei meinen Liebsten.

„Darf ich fragen, wo Sie herkommen?“, fragte der Taxifahrer und musterte mich über den Rückspiegel. „Raten Sie doch“, grinste ich ihn an und er schien meinen Launen nicht ganz zu trauen. „Hm… Antarktisexpedition?“, schlug er vorsichtig vor. „Möp! Falsch! Côte d’Ivoire. Elfenbeinküste.“ Ich war mir sehr sicher, dass der Taxifahrer sich bemühte, nicht loszulachen. Schließlich fragte er: „Haben Sie die Zeit dort nur im Haus verbracht?“ „Nein, mein Lieber“, antwortete ich ruhig und seufzte. „Selbst im Haus wird man da braun. Aber ich werde seit meinem zehnten Lebensjahr systematisch nicht mehr braun. Sehen sie sich das mal an. Bei mir könnt man meinen, durch meine Adern fließe kein Blut mehr. Schlimm, ne?“ Der Taxifahrer nickte staunend. „Lassen Sie mich jetzt mal kurz raten“, sagte ich und legte meinen Kopf auf die Rückenlehne des Beifahrersitzes. „Als ich ins Taxi stieg, da dachten Sie doch, ich wäre eine Leiche, oder?“ Der Taxifahrer schluckte bei dem bedrohlichen Unterton in meiner Stimme. Hach, wie ich es liebte, Leuten so Angst zu machen. „Nun ja… Sie sehen nicht so aus, als bekämen Sie viel Sonne ab… und Ihre Haare…“ Ich nickte wissend und lehnte mich zurück. „Nur damit das klar ist, die sind von Natur aus so! Allerdings bin ich kein Albino“, erklärte ich und wickelte mir eine der fast weißen Strähnen um den Finger.

In La Push angekommen, roch ich noch immer die Schwüle in der Luft – wie sehr ich sie doch vermisst hatte –, aber weder regnete es noch war eine Wolke am Himmel zu finden. Ich holte meine Tasche vom Sitz, winkte dem Taxifahrer munter hinterher, als dieser so schnell wie möglich die Flucht ergriff, und sah mich um. Nichts hatte sich verändert in den letzten anderthalb Jahren. Nichts. Ich grinste breit und musste mich beherrschen, um keinen Luftsprung zu machen. Ich hatte nicht erwartet, dass sich etwas änderte. Nicht im Geringsten. La Push war nun einmal ein kleines, verschlafenes, ermüdendes, am Arsch der Welt liegendes, Dauerregen habendes Kaff. Hier passierte halt nie etwas. Und wenn ich meine nie, dann ist das auch so. La Push war einfach… langweilig. Ich wartete seit zehneinhalb Jahren darauf, dass hier etwas passierte. In neun von diesen zehneinhalb Jahren war ich enttäuscht worden.

Ich war eineinhalb Jahre weg gewesen, war wieder gekommen und La Push sah so aus wie an dem Tag, als ich es das erste Mal gesehen hatte – also wieder eine Enttäuschung, jedoch war ich ja dieses Mal cleverer gewesen und hatte erst gar nicht darauf gewartet, womit es also eigentlich doch keine Enttäuschung war.

Ich erinnerte mich noch gut daran, an meinen ersten Tag. Es gab nur zwei Unterschiede zwischen dem La Push heute und dem La Push damals: damals lag Schnee und vor dem Haus der Uleys stand eine Tanne, die dort heute nicht mehr stand. Sie wurde gefällt, als ich acht war.

Vor genau diesem Haus stand ich jetzt. In meinem Bauch tobten die Schmetterlinge und warteten nur darauf, dass ich die Fassung verlor, doch so cool es nur irgendwie ging, drückte ich die Klinke runter, trat ein und rief: „Cassie ist wieder da!“ Ich verstummte und lauschte, aber im Haus tat sich nichts. Die Schmetterlinge verzogen sich auf meinen Befehl hin und ich ließ die Tasche fallen. „Sam?“, fragte ich unsicher und machte einen Schritt ins Haus. „Ist irgendein Arschloch zu Hause?“, fluchte ich und stampfte mit dem Fuß auf den Boden. Ich verschränkte die Arme, trat gegen die Tasche, knallte die Tür zu und marschierte dann zur Treppe, um mich zu setzen. „Das kann doch nicht wahr sein!“, schrie ich das Haus an.

Ich schimpfte und fluchte, aber das Haus wollte nicht ausspucken, wo sie alle hin verschwunden waren und ich gestand mir ein, dass sich noch etwas verändert hatte: Normalerweise war immer jemand im Haus.

Während ich auf der Treppe saß, kam mir der Gedanke, dass ich vielleicht hätte Bescheid sagen sollen, dass ich zurückkehrte. Man rechnete frühestens in einem halben Jahr mit mir. Mein Austausch sollte so lange gehen, aber spontan, wie ich war, hatte ich mich dazu entschlossen, ein halbes Jahr früher nach La Push zurückzukommen. Irgendetwas hatte mir gesagt, dass ich möglichst schnell hier sein musste. Dass ich gebraucht wurde.

‚Und wie ich gebraucht werde’, dachte ich grimmig. „Deshalb ist ja auch niemand zu Hause!“, schimpfte ich und schlug das Treppengeländer, das eigentlich nichts dafür konnte, dass niemand da war, aber es bekam es trotzdem ab. Ich seufzte, als ich daran dachte, was das Geländer und ich schon alles zusammen durchgemacht hatten. Ich war auf ihm heruntergerutscht, hatte mich an ihm festgeklammert, wenn ich eine Stufe übersah…

„Cassie?“, fragte jemand irritiert und ich ließ das Geländer, das ich in eine Umarmung verwickelt hatte, los, um aufzusehen – wenn man schon von niemandem begrüßt wurde, musste man wenigstens das Treppengeländer begrüßen, nach alldem, was wir gemeinsam erlebt hatten. Ich nickte unsicher.

„Du hast dich aber verändert…“

Ein Riese stand in der Tür, da war ich mir ganz sicher. Ein ganz großer Riese mit einer gewissen Ähnlichkeit zu Sam. Schwarzes Haar, braun gebrannt. Ähnlich halt.

Der Riese ging an mir vorbei in die Küche und ich erkannte nun doch, dass es Sam war. Schockiert sprang ich auf. „Was machst du denn eigentlich hier? Müsstest du nicht in Afrika sein und fleißig Französisch lernen?“, fragte er. Stress schwang in seiner Stimme mit. „Erstens, wie wäre es mal mit: ‚Hallo, Cassie! Wie schön dich zu sehen – nach eineinhalb Jahren!’? Zweitens, ich hatte Heimweh – und wehe du lachst jetzt. Drittens, seit wann rennst du mit freiem Oberkörper herum?“ Sam sah mich kurz gelangweilt über die Schulter an, während er etwas im Kühlschrank suchte. „Hallo, Cassie. Wie schön dich zu sehen – nach eineinhalb Jahren.“ Ich sah ihn schief an. „Du lachst nicht, weil ich gesagt hab, ich hätte Heimweh, obwohl ich vor meiner Abfahrt hier rumgetönt hab, ich würde nie Heimweh kriegen.“ „Na und? Soll vorkommen, dass man sich irrt. Irren ist menschlich.“ „Aliens, gebt mir Sam wieder“, flüsterte ich mit übertriebener Ehrfurcht, aber er ging nicht darauf ein, holte sich schließlich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, setzte sich und trank direkt aus der Flasche. „Hol dir ein Glas, du Schwein“, grummelte ich und ließ mich auf den Platz ihm gegenüber sinken. Er holte sich natürlich kein Glas.

„Also, wo sind die anderen?“, fragte ich darauf begierig, alle wieder zu sehen. „Was weiß ich. Billy ist wahrscheinlich beim alten Quil, Paul und Jared unterwegs, Quil und Embry sind vielleicht am Strand…“ „Und Leah?“, fragte ich, wohl wissend, dass ich in ein Wespennest stach. „Keine Ahnung“, grummelte er. „Seth?“, versuchte ich es und er zuckte mit den Schultern. „Du bist echt begeistert, deine Adoptivschwester wieder zu sehen“, knurrte ich und er sah mich an. Vor Schreck kippte ich fast vom Stuhl. In seinen Augen schien Feuer zu lodern. „Hör zu, Cassie, in den letzten eineinhalb Jahren hat sich hier einiges verändert. Jared hat sich Hals über Kopf in Kim verliebt, Jake wurde seit zehn Tagen nicht mehr gesehen, Billy ist fertig mit den Nerven, Leah geht uns allen so was von auf den Keks, das glaubst du nicht, und Harry ist an einem Herzinfarkt gestorben.“

Ab „Jake wurde seit zehn Tagen nicht mehr gesehen“ bekam ich nichts mehr mit. Sams Worte klangen wie das Rauschen von Wasser in meinen Ohren. „Jake wurde was?“, flüsterte ich und meine Stimme klang auf einmal ganz anders. Heiser. Sam nickte bedrückt. „Tut mir Leid, ich hätte dir das anders beibringen müssen, ich weiß, wie sehr du ihn magst…“ Ich lachte. „Jake ist verschwunden und du machst dir darum Sorgen, dass Jared sich verknallt hat?!“ Ich sprang auf und biss mir auf die Lippe. „Das kann doch nicht dein Ernst sein…“ Sam sah mich von unten herauf an, sein Finger kreiste über dem Flaschenhals. Minutenlang sahen wir uns so an, versuchten herauszufinden, was im Kopf des anderen vor sich ging, doch keiner von uns kam zu einem Entschluss, was der andere dachte. „Ich hoffe wenigstens, ihr habt Jake als vermisst gemeldet.“ „Nein, Jake ist aus freien Stücken gegangen, wir wollten ihn aufhalten, aber es war sein Wunsch, allein zu sein.“ „Allein zu sein?! Und dann bleibt er zehn Tage weg?! Das glaubst du doch wohl selber nicht!“ Ich schrie. Ich wollte nicht schreien. Ich wollte Sam nicht anschreien. Aber ich schrie trotzdem.

„Cassie, du warst lange Zeit nicht hier. Du weißt nicht, was er durchgemacht hat. Wenn du es wüsstest, würdest du verstehen.“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“ „Das Mädchen, das er mehr liebt als sein Leben, ist im Begriff den Typen zu heiraten, den Jake von allen am meisten hasst.“ „Mein Gott! Das passiert!“, schrie ich. „Sie liebt Jake. Sie hat es ihm vor zwei oder drei Wochen gesagt.“ Ich erstarrte. „Warum heiratet sie dann einen anderen?“, fragte ich wieder in normaler Lautstärke. „Weil sie den auch liebt.“ „Was ist das denn für eine Tussi?“ „Wir können froh sein, dass sie sich endlich entschieden hat. Wir alle hatten uns zwar gewünscht, dass sie sich für Jacob entscheidet, aber so sollte es wohl nicht sein. – Jetzt setz dich wieder, verdammt noch mal!“ Widerwillig tat ich, was er sagte. Er hatte etwas Dominantes in seiner Stimme. Geflucht hatte er schon immer gern – von ihm hatte ich es immerhin gelernt – aber das Dominante war nie so ausgeprägt da gewesen. „Wie alt ist die denn, dass die schon heiratet?“, wollte ich wissen und versuchen, das ganze vernünftig zu sehen. „Achtzehn. Im September wird sie neunzehn, aber sie wollen noch im August heiraten. – Sie haben jedem von uns eine Einladung geschickt.“ „Wie unsensibel“, grummelte ich. „Ist sie wenigstens nett? Hatte Jake einen Grund, sich in sie zu verlieben?“ Er nickte. „Ein recht nettes Mädchen. Zurückhaltend, ein wenig tollpatschig. Schafft keine zehn Meter ohne Unfall.“ „Oh mein Gott.“ Ich rollte mit den Augen.

„Wie geht es Emily?“, fragte ich langsam, eigentlich nur, um das Thema zu wechseln und Sam zuckte mit den Schultern. „Wie soll es ihr gehen? Ganz gut halt. Du kennst sie noch gar nicht, könnte das sein?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, vorletzten Januar warst du noch mit Leah zusammen. Mum hat mir aber von dem schrecklichen Unfall erzählt.“ Sam wurde blass. „Ja, der Unfall…“ „Aber sie hatte wohl richtig Glück. Wenn man von einem Bären angegriffen wird, kann das tödlich enden.“ „Ja“, murmelte Sam, plötzlich ganz kleinlaut. Keine Dominanz mehr in der Stimme. „Gibt es noch etwas, das ich wissen muss?“, fragte ich unsicher und er schüttelte den Kopf. „Nein, wenn du willst, stell ich sie dir morgen vor.“ Ich nickte und stand auf. „Ich sollte auspacken.“ Ich war bereits wieder auf dem kleinen Flur, als ich Sam aufspringen hörte. „Dein Zimmer ist jetzt woanders“, erklärte er und klang ein wenig peinlich berührt. „Was soll das heißen?“ „Nun ja… wir haben dich erst in einem halben Jahr wiedererwartet…“ „Sam“, sagte ich drohend und baute mich vor ihm auf – war jedoch immer noch zwei Köpfe kleiner als er. „Weißt du, wir haben neulich ein wenig umgeräumt… und da fiel einiges an, wo wir nicht wussten, wo wir’s hintun sollen.“ Sprachlos klappte mir der Kiefer runter. „Du kannst mein Zimmer solange haben“, versuchte Sam die Situation zu entschärfen, aber ich rannte schon die Treppe hoch, drei Stufen auf einmal nehmend.

Ich kreischte, als ich sah, dass mein Zimmer bis oben hin mit Möbeln voll gestopft war. „Habt ihr in ganz La Push umgeräumt? Und wie definierst du überhaupt umräumen? Das heißt normalerweise Dinge von einem Platz zum anderen Stellen und nicht Dinge am Ende übrig haben!“ Sam kratzte sich verlegen am Kopf. „Wie gesagt, fürs Erste kannst du mein Zimmer haben. Dann schlaf ich solange bei Emily.“ Ich lehnte meinen Kopf gegen den Türrahmen und schlug immer wieder mit der Stirn gegen das Holz, bis Sam seine Hand dazwischen hielt. „Hast du Fieber?“, fragte ich genervt, als ich die Hitze bemerkte, die von ihm ausging und er zog seine Hand schnell zurück. „Nein.“ „Wehe dein Zimmer ist nicht aufgeräumt oder ich finde auch nur ein Krabbelviech“, sagte ich bedrohlich und er hob schnell meine Tasche hoch, die er hoch getragen hatte und öffnete die gegenüberliegende Tür. „Ich trommle heute direkt die Jungs zusammen, damit wir spätestens morgen damit anfangen, dein Zimmer aufzuräumen“, schwor er mir und stellte meine Tasche auf sein Bett. Wenigstens hatte sich sein Zimmer nicht verändert. „Ist schon gut“, meinte ich besänftigt und ließ mich aufs Bett sinken. „Lässt du mich ein wenig allein? Der Flug war anstrengend, ich konnte so gut wie nicht schlafen.“ Sam nickte und verließ das Zimmer. Ich stellte mich kurz vor den Spiegel, löste die Spangen im Haar und warf mich dann in Klamotten aufs Bett. Kaum hatte ich die Augen geschlossen, fiel ich in tiefen Schlaf.
 

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Hey, also Kommis wären nicht schlecht, damit ich weiß, wie die Geschichte ankommt. ^.~

Lg, Kirschengift =)

Zeiten ändern sich

Jemand warf einen Schatten auf mein Gesicht und ich öffnete die Augen. „Guten Morgen, Schlafmütze“, sagte dieser jemand mit einer Bärenstimme am Fenster und ich erkannte vage meinen großen Bruder. „Hab ich solange geschlafen?“, fragte ich und setzte mich auf. „Ja, Mum freut sich wie verrückt, dass du aufgewacht bist. Sie hat Frühstück gemacht.“ Ich lächelte. „Das ist lieb von ihr. Ich komme sofort runter.“ Sam drehte sich zu mir um und sein Blick war wie versteinert. „Bitte, Cassie, erwarte nicht, dass alles da weitergeht, wo es vorletzten Januar aufgehört hat. Die Zeiten haben sich geändert.“ „Was soll das heißen?“ Er lehnte sich gegen die Wand. „Das soll heißen, dass hier kaum noch etwas ist, wie es einmal war. Du solltest hin und wieder einen Gang runter schalten und nicht sofort aus der Haut fahren, wenn dir etwas komisch vorkommt oder jemand mal ein wenig unhöflich ist, okay?“ Ich nickte und versuchte genau das, was er mir gerade geraten hatte. Nicht aus der Haut zu fahren, denn im Moment klang er alles andere als höflich. Er lächelte „Machst du gut…“ Damit verschwand er nach unten.

Ich stand auf und zog mir schnell frische Kleidung an, band die weißblonden Haare zusammen und betrachtete mich kurz im Spiegel. Ich hatte mich irgendwie verändert. Meine Haut war noch bleicher geworden und meine Augen hatten einen sanften Honigton. Obwohl… die Farbe erinnerte eher an einen Topas. Ich schlug mir kurz auf die Wangen, aber der gewünschte Effekt blieb aus. Keine Rotfärbung.

Ein wenig deprimiert stieg ich die Treppenstufen runter, als ich meine Adoptivmutter unten stehen sah. „Mum!“, begrüßte ich sie, sprang ihr in die Arme und umarmte sie. „Cassie, wie schön dich zu sehen“, flüsterte sie mir ins Ohr und drückte mich an sich. „Ich freu mich so“, antwortete ich und dann hielt sie mich kurz ein wenig auf Abstand, um mich anzusehen. „Ist dir nicht gut? Du bist so blass.“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich hab dir doch erzählt, dass ich einfach nicht braun werde.“ Ihre Augen weiteten sich ein wenig. „Aber dass das so schlimm ist…“ Ich zuckte mit den Schultern. „Sam hat gesagt, du hast Frühstück gemacht?“ Sie schien das Blitzen in meinen Augen zu sehen. „Ja, und ich habe auch deine geliebten Pfannkuchen gemacht.“ Wie ein Wirbelwind schoss ich an ihr vorbei und setzte mich neben Sam. Mum tat mir etwas auf und schnell schlang ich den Pfannkuchen runter. Sam aß in derselben Zeit fünf. Ich sah zum Herd und dort stand eine Platte mit einer Menge von Pfannkuchen, die eine Großfamilie versorgen konnte. „Wer soll das denn alles essen?“, fragte ich geschockt und Sam antwortete: „Ich?“ Ich lachte. „Als ob!“

Aber meine Augen weiteten sich immer mehr, je mehr Sam aß und je mehr der Stapel schrumpfte, am Ende blieb einer übrig. „Hast du einen Bandwurm?“, wollte ich verblüfft wissen, aber er schüttelte den Kopf. „Das ist mein normales Frühstück.“ Jetzt war es soweit – meine Augen fielen mir fast aus dem Kopf. „Das ist doch nicht normal“, flüsterte ich Mum zu, die kicherte. „Tja, das haben wir auch eine Zeit lang gesagt. Mittlerweile haben wir uns dran gewöhnt.“ „Wir?“, fragte ich und sie sagte: „Die anderen. Old Quil, Billy, Harry und Sue Clearwater.“ Ich staunte. Was hatten die denn damit zu tun? Natürlich, im Reservat lebten die Familien eng zusammen, aber so eng, dass die Frühstückssitten der Kinder besprochen wurden?

Vor dem Haus hielt ein Auto und kurz darauf sprang die Tür auf. „Heyho!“, rief jemand und ich drehte mich strahlend um. „Quil! Embry!“, rief ich und sprang auf. Die beiden blieben überrascht stehen. „Cassie?“, fragte Embry und ich stellte fest, dass die beiden genauso gewachsen waren wie mein Bruder. „Bingo!“ Ich lief auf sie zu und Quil nahm mich in den Arm. „Wie geht es dir? Und was machst du überhaupt hier?“ „Ich hab’s nicht mehr an der Elfenbeinküste ausgehalten und mein Französisch is allmählich gut genug! Ich wollte euch wieder sehen. Und es geht mir gut“, quasselte ich drauf los und musterte die beiden. „Ist hier irgendeine Seuche ausgebrochen, oder warum sind auf einmal alle so groß?“ Die beiden tauschten viel sagende Blicke mit Sam, aber schließlich sagte Mum: „Ach was, die Jungs werden einfach erwachsen.“ Wir setzten uns an den Tisch und Quil und Embry aßen die letzten Pfannkuchen.

„Ich hab das von Jake gehört“, sagte ich und die beiden sahen auf. „Ja“, sagte Embry langsam. „Ich verstehe das nicht“, erklärte ich und sah sie an, während Mum den Tisch abräumte. Ich hatte zuvor angeboten, ihr zu helfen, aber sie hatte sich vehement dagegen gewehrt.

Bevor jemand etwas erwidern konnte, ging die Tür wieder auf und schon stand jemand in der Küchentür. Sam und die anderen beiden sahen überrascht auf und ich drehte mich um, um zu sehen, wer da war. Als ich Paul in die Augen sah, knurrte er. Erschrocken wich ich zurück. „Paul“, zischte Sam mahnend. Pauls Blick suchte den von Sam. Ein wenig ängstlich sah ich Paul an. „Was gibt es, Paul?“, fragte Sam ruhig. „Kann ich dich kurz sprechen – unter vier Augen?“, bat Paul und warf mir einen Seitenblick zu. Sam erhob sich und verließ mit Paul das Haus.

Von Paul hatte es kein Hallo gegeben, kein Wie geht es dir?, kein Was machst du denn hier? gegeben. Nur ein Knurren. Wie von einem Hund.

Fragend sah ich Quil und Embry an, die sich jedoch in Schweigen hüllten. Zum dritten in Mal in der kurzen Zeit öffnete sich die Tür und an den leichten Schritten erkannte ich, dass es dieses Mal keiner der Jungs war. Ich drehte mich um und bekam einen mehr oder weniger großen Schreck. In der Küchentür stand ein hübsches Mädchen mit dunklen Augen und ebenso dunklem Haar. Aber die rechte Hälfte ihres Gesichtes sah völlig zerfetzt aus. Rote Linien, Narben zogen sich über die Haut, aber es sah so aus, als wären sie schon verheilt.

Ich brauchte einige Momente, in denen wir uns anstarrten und den anderen erschrocken betrachteten. Ich wusste nicht, wieso sie erschrocken war.

Mum wuselte auf sie zu und nahm ihr den Korb ab, den sie in der Hand hielt. „Vielen Dank, Emily. Ich habe schon auf dich gewartet.“ „Du bist Emily?“, fragte ich vorsichtig und sie nickte. „Und wer bist du?“ „Cassie. Ich bin Sams Schwester.“ Ich stand auf, um ihr die Hand zu reichen und zögerlich nahm sie sie. Fürchtete sie, ich könne ihre Haut verätzen? Doch als wir uns berührten, entspannte sie sich sichtbar und setzte sich lächelnd auf den Stuhl neben meinem. Auch ich setzte mich wieder. „Sam hat mir schon viel von dir erzählt.“ „So? Hat er?“ Ihr Finger malte Kreise auf die Tischplatte, während sie mich wesentlich freundlicher musterte. Ich bemühte mich, ihr das nicht gleichzutun, allein, weil sie es sonst möglicherweise falsch deutete. „Ja. Er hat sich schon sehr auf deine Rückkehr gefreut. Aber wolltest du nicht erst in einem halben Jahr wiederkommen?“ Ich nickte. „Ursprünglich ja, aber ich wollte unbedingt meine Familie und die ganzen Chaoten wieder sehen.“ „Chaoten, ja, so kann man sie in der Tat nennen.“

Wenn Sam sich wirklich so gefreut hatte, warum hatte ich das Gefühl, dass er nicht sonderlich begeistert war. Mum schien wirklich die einzige zu sein, die sich einfach freute. Sogar Quil und Embry schienen ein wenig auf Abstand zu gehen, auch wenn sie versuchten, sich das nicht anmerken zu lassen.

„Und du hast also das Herz meines Bruders erobert?“, fragte ich. „Ja, so kann man es wohl sagen.“ Wir unterhielten uns ein wenig, bis Mum sich zu mir umdrehte. „Würdest du bitte nach La Push fahren und ein paar kleine Besorgungen für mich erledigen?“ „Klar“, antwortete ich und sie sagte: „Kann einer von euch sie vielleicht fahren?“ „Mum, ich kann Auto fahren“, widersprach ich und dachte an meine Zeit an der Côte d’Ivoire. Mein Gastvater hatte es mir beigebracht, aber Mum wollte davon nichts hören. „Du bist gerade sechzehn und hast keinen gültigen Führerschein. Ich möchte nicht, dass meine Tochter gleich an ihrem ersten Tag von der Polizei nach Hause gebracht wird.“

Embry erklärte sich einverstanden mich zu fahren und auch in Port Angeles zu warten. Auf einkaufen hatte er jedoch eher weniger Lust, sodass er in einem Café wartete. Ich hetzte durch die Innenstadt von Port Angeles, denn Port Angeles war ganz anders als La Push. Hier veränderte sich ständig etwas. Und so kam es, dass ich erst nach einer ganzen Stunde den gesuchten Laden fand. Ich öffnete die Tür und prallte gegen etwas Hartes. Kurz darauf spürte ich den harten Boden unter mir und mein Hinterkopf pochte. Das würde eine Beule geben…

„Pass doch auf!“, begann ich zu fluchen, doch als ich aufsah, blieben mir die Worte im Hals stecken. Ein Mann, schöner als jeder andere, stand dort und sah mich entschuldigend an. Sein blondes Haar glänzte golden und seine Augen hatten einen ähnlichen Farbton wie meine. Als sähe man flüssiges Gold fließen. Oder vielleicht doch ein Topas? Schwer zu sagen…

„Tut mir wirklich Leid“, entschuldigte er sich und seine Stimme klang wunderschön. Er reichte mir seine Hand und half mir hoch, ließ mich jedoch schnell wieder los. Hatte ich es mir nur eingebildet, oder waren seine Hände eiskalt? „Geht es dir gut?“, fragte er und mir entging nicht, wie er mich musterte – was war heute nur los?! „J… ja“, stammelte ich. „Tut mir Leid, ich habe Sie nicht gesehen“, entschuldigte ich mich rasch, aber er hob beruhigend die Hände. „Nein, ich hätte besser aufpassen sollen.“ Ich konnte diesem Mann seltsamerweise nicht widersprechen, als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte. Der Mann sah die Person hinter mir verwundert an. „Komm, Cassie“, sagte Embry kühl. „Du solltest doch ein paar Besorgungen machen.“ Ich nickte langsam, konnte den Blick aber nicht von diesem Mann abwenden. „Dr. Cullen“, murmelte Embry dem Mann zur Begrüßung zu und zog mich in das Geschäft. Ich sah ganz automatisch über meine Schulter zu dem Mann und merkte, dass auch er mich Stirn runzelnd ansah. Doch dann drehte er sich um und ging. Ich befreite mein Handgelenk aus Embrys unnatürlich festem Griff und fragte: „Wer war das?“

„Nicht so wichtig.“

„Aber du kennst ihn.“

„Ja, und?“

„Also, wer war das?“

„Ist das denn so wichtig?“

„Ich will wissen, wen ich umgerannt habe.“

„Er heißt Carlisle Cullen, arbeitet im Krankenhaus von Forks und wenn du weißt, was gut für dich ist, hältst du dich von ihm und seiner Familie fern, zufrieden?“

„Warum?“

„Weil diese Familie im Reservat nicht willkommen ist. Du müsstest dich daran erinnern, dass die Alten ziemlich wütend waren, als sie vor drei Jahren in die Gegend kamen.“

„Aber… ich verstehe nicht… weshalb hatten Billy, Old Quil und Harry Clearwater etwas gegen sie?“

„Das kann ich dir nicht sagen.“

Wir blieben vor einem Regal mit Cornflakes stehen. „Geht es dir gut?“, fragte er skeptisch und schien mich von Kopf bis Fuß mit seinem Blick zu untersuchen. „Ja, wieso sollte es mir nicht gut gehen? Und wo bist du überhaupt so schnell hergekommen?“ Ich sah ein, dass ich ihn nicht weiter löchern konnte. Embry schwieg, während er mich einfach umdrehte und meinen Hinterkopf untersuchte. „Es geht mir gut“, wiederholte ich gereizt und dachte an Sams Worte. Du solltest hin und wieder einen Gang runter schalten und nicht sofort aus der Haut fahren… Ich zwang mich zur Ruhe. „Embry, was ist hier los?“, fragte ich und atmete tief durch, als ich ihm wieder in die Augen sah. „Was sollte hier los sein?“ „Spiel hier nicht den Unwissenden. Irgendetwas ist passiert und ich will wissen, was es ist“, beharrte ich, als wir durch die Reihen gingen, die Liste für Mum abarbeitend – es war erstaunlich, wie viel Embry tragen konnte, ohne etwas fallen zu lassen. „Jake ist verschwunden“, sagte er trocken. „Das weiß ich.“ Ich biss mir auf die Lippe und dachte verzweifelt wieder an meine Wut, um nicht an Jacob erinnert zu werden. „Cassie“, versuchte Embry mich zu beruhigen, der merkte, wie sehr Jakes Verschwinden mich mitnahm. Seit dem gestrigen Tag hatte ich den Gedanken verdrängt, dass ich ihn nicht in seiner Werkstatt finden sollte, wenn ich ihn suchen würde. Er schaffte es, mich trotz der ganzen Sachen, die er trug, in den Arm zu nehmen. „Jake wird wiederkommen. Ganz sicher.“ „Was ist das nur für ein Mensch, dass sie ihn so kalt liegen lässt?“, fragte ich leise, aber Embry antwortete nicht. Er strahlte nur Wärme aus.

Musterung

So, nach einer gefühlten Ewigkeit habe ich wieder Internet und das heißt, ich kann wieder ein neues Kapitel hochladen. =)

Viel Spaß beim Lesen.
 

Am Abend überraschten mich Sam, Paul und Jared mit einem aufgeräumten Zimmer, auch wenn Paul mir immer noch abweisender gegenüber stand als die anderen. Ich sagte ihnen nicht, was mich sorgte, auch nicht, als Jared spürte, dass mir etwas auf der Seele lag und ging stattdessen mit ihnen runter zum Strand, wo wir eine bunt durcheinander gewürfelte Meute trafen. Embry und Quil waren da, ebenso Emily, Seth, Leah und die dreizehnjährigen Brady und Collin. Außerdem war da noch ein Mädchen, das Jared sofort umarmte und noch ein paar andere aus dem Reservat, mit denen ich nie so viel zu tun gehabt hatte, wie mit meinen Jungs. Jared zog mich am Arm zu dem fremden Mädchen und sagte: „Cassie, das ist Kim, meine Freundin. Kim, das ist Cassie, Sams kleine Schwester.“ Kim sah einen Moment lang sehr irritiert aus und ich fragte mich, was ich heute an mir hatte, dass sich alle so komisch verhielten, wenn sie mich ansahen – die Kassiererin im Laden ausgeschlossen. „Sie ist seine Adoptivschwester, deshalb sehen sie sich nicht ähnlich“, erklärte Jared, der ihren Blick wohl anders deutete als ich, aber ich war mir sicher gewesen, sie hatte sich mehr gefragt. „Ich bin kein Albino“, fügte ich lächelnd zu seiner Erklärung hinzu. Sie kicherte. „Tut mir Leid, wenn ich vielleicht ein bisschen gestarrt hab. Aber du bist so… blass.“ „Ja, das höre ich oft. Als Gott die Farbe verteilt hat, war ich wohl mit dem Hund Gassi gehen.“ Jared grinste breit. „Als sie nach La Push kam, hatte sie eine annähernd normale Hautfarbe und hellbraune Haare. Wenn man das heute jemandem erzählt, lacht er dich aus.“ Ich nickte seufzend. „Tja, bei mir geht die Farbe aus. Wirklich deprimierend. Sechzehn und graue Haare.“ „Weiß, Kleine, weiß“, korrigierte Quil und legte einen Arm um meine Schulter. Ich boxte ihm in die Seite, was er scheinbar überhaupt nicht mitbekam.

Der Abend verging schleichend. Jeder wollte wissen, wieso ich früher nach Hause gekommen war und wie es in Afrika gewesen war und ich war am überlegen, ob ich vielleicht eine Erklärung aufzeichnen sollte, um sie abzuspielen, wenn mich wieder jemand danach fragte. Letztendlich erklärte ich es allerdings doch jedem einzeln.

Als wir irgendwann an einem Lagerfeuer saßen, die Wellen sanft rauschten und der Himmel immer noch klar war, wurde es still. Jared hatte einen Arm um Kim gelegt, die bereits ein wenig döste, Sam und Paul unterhielten sich leise, Leah saß ein wenig abseits und starrte aufs Meer. Emily hatte schon lange die wenigen Essensreste zusammengepackt und saß nun mit Brady und Collin zusammen, denen sie Geschichten erzählte. Sie hatte eine ruhige, angenehme Stimme, es fiel leicht ihr zuzuhören. Schließlich stand sie mit ihnen auf und verabschiedete sich. Sie nahm Collin und Brady mit.

Ich lehnte mich an Quils Schulter und sah in die Flammen, während ich mit meiner Kette spielte. Mir wurde mit der Zeit immer wärmer, aber ich bewegte mich keinen Zentimeter.

In den Flammen sah ich das Gesicht dieses Arztes. Irgendetwas hatte er, das mich erinnerte. Aber an was? Woran erinnerte er mich? Wenn ich an ihn dachte, hatte ich einen süßlichen Duft in der Nase, aber den hatte er auch gehabt. Außerdem erinnerte ich mich an Schnee. An Schnee und etwas Rotes, das sich auf mich zu bewegte. Und Kälte. Kälte, die ich durch eine Jacke hindurch spürte. Eine sanfte Stimme flüsterte mir ins Ohr: „Pass auf dich auf.“

Ich fuhr erschrocken hoch und spürte eine Hand im Rücken. „Hey, was ist los?“, fragte Sam besorgt. Verwundert sah ich mich um. Nur noch Jared, Paul, Quil, Embry und Sam saßen am Lagerfeuer. „Wo sind die anderen?“ „Weg“, erklärte Jared. „Du bist eingeschlafen.“ Sam sah immer noch besorgt aus. „Ich habe nur schlecht geträumt“, murmelte ich. „Und wovon?“, fragte Quil neugierig. „Ich weiß nicht genau… es war ganz komisch…“ Ich fröstelte und Embry rutschte näher, um mich in den Arm zu nehmen. Alle Augenpaare waren auf mich gerichtet. Die Augenpaare meiner beiden besten Freunde und die meines Bruders und seiner beiden besten Freunde. Wie oft hatten wir so am Strand gesessen? Zu siebt. Mit Jake. In klaren Nächten hatten wir Sternbilder gesucht…

„Es war nur ein Albtraum“, beruhigte Embry mich. „Ich weiß“, flüsterte ich. „Aber ein seltsamer Traum. Es fühlte sich so echt an, versteht ihr?“ „Und was war es?“, wollte Sam wissen. Misstrauisch sah ich ihn an. Warum war er so interessiert an meinem Traum?

„Ich… bin mir nicht ganz sicher. Es war kalt und Schnee fiel. Jemand war bei mir, ein Mann glaube ich. Er flüsterte: ‚Pass auf dich auf’. Und dann bin ich aufgewacht. Ist eigentlich gar nicht so schlimm…“ Jared und Paul tauschten Blicke, dann stand Sam auf. „Wir sollten nach Hause, Cassie. Du solltest schlafen.“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich will noch ein wenig bei euch bleiben. Ich habe euch solange nicht gesehen. Ich habe das Gefühl, euch gar nicht mehr richtig zu kennen.“ Sam harrte einen Moment stehend aus, dann setzte er sich wieder. Das Lagerfeuer war schon verlischt, die Glut glühte lediglich noch ein wenig. „Also ich denke, es ist an der Zeit, dass wir mal wieder die alten Geschichten herauskramen“, schlug Embry vor und Jared stöhnte. „Nicht schon wieder… die kennt jeder von uns zur Genüge.“ „Aber ich hab sie schon eine Ewigkeit nicht mehr gehört“, erhob ich Einspruch und Embry grinste zufrieden. „Also, wer erzählt?“, fragte er und es sah mehr so aus, als wolle er sagen: ‚Fang an zu erzählen, Sam’, denn sein Blick lag auf meinem Bruder, als wäre es das selbstverständlichste der Welt. Sam zögerte, als überlege er, ob er die Geschichte wirklich erzählen sollte, dann setzte er sich in den Schneidersitz und beugte sich ein wenig vor.

„Schon vor vielen, vielen Jahren, lang bevor unsere Großeltern lebten, war dieses Land im Besitz der Quileute. Aber oftmals wurde es heimgesucht von Räubern und Piraten. Unsere Ahnen hatten kein leichtes Leben, doch sie wussten sich zu helfen. Sie wussten, wie sie ihre Feinde in die Flucht schlagen konnten…“

Aufmerksam lauschte ich der Geschichte. So wie Sam sie erzählte, hatte ich sie noch nie gehört. Er erzählte von den kalten Wesen, den Vampiren, als wäre er dabei gewesen, als die Werwölfe gegen sie kämpften. Als hätte er es erlebt.

Wir verbrachten noch Stunden am Strand, als hinter uns auf einmal die ersten Sonnenstrahlen die Erde berührten. Ich schwankte einen Moment, als ich aufstand, die Müdigkeit nagte an mir, aber Embry fing mich auf und gemeinsam fuhren wir nach Hause. Sam verfrachtete mich in mein Bett, deckte mich zu und schon schlief ich.

Wenige Stunden später öffnete ich die Augen, Sonnenlicht fiel ins Zimmer. Müde raffte ich mich auf, zog mich an und stolperte die Treppe runter in die Küche. Niemand war da, was mich nicht sonderlich verwunderte. Wahrscheinlich schlief Sam und Mum besuchte jemanden.

Ich machte mir schnell etwas zu essen und verließ dann das Haus. In meiner Tasche befand sich ein Regenschirm, Geld und etwas zu trinken. Ich wollte nach Port Angeles, um mir mal einen Laden näher anzusehen, den ich am gestrigen Tag entdeckt hatte.

Etwas raschelte im Gebüsch und ich fuhr herum. Nichts war zu sehen. Ich ging weiter. Wieder ein Rascheln. „Embry! Quil! Kommt raus! Mich könnt ihr nicht erschrecken!“, brüllte ich genervt, aber nichts regte sich. Unsicher ging ich weiter. Das Rascheln begann wieder, aber ich ging weiter, warf Blicke nach rechts und links, bis ich die Bushaltestelle erreichte. Der Bus würde in fünf Minuten da sein. Das Rascheln war wieder vorbei.

Ich machte mich hier selbst wahnsinnig.

Als der Bus kam, stieg ich ein, löste ein Ticket und setzte mich in die letzte Reihe. Für einen Moment glaubte ich, etwas im Wald zu sehen, aber ich schien mich zu täuschen.

In Port Angeles angekommen, fand ich den Laden auf Anhieb. Es war ein alter Laden, der stark an ein Antiquariat erinnerte. Voll mit Büchern über Vampire, Werwölfe, Feen, Elfen, Einhörnern und anderen Fabelwesen. Ich mochte solche Geschichten und das Geschäft kam mir vor wie das Paradies persönlich. Ich nahm ein Buch aus dem Regal, schlug es auf und es war nur das erste von etwa hundert, die ich mir an diesem Tag ansah. Am Abend verließ ich den Laden mit drei Büchern und schlenderte noch ein Weilchen an der Promenade entlang. Der nächste Bus würde erst in einer Stunde kommen… Die Sonne ging noch nicht unter, dafür war es zu früh – selbst wenn hätte man es aufgrund der Wolken nicht gesehen. Gerade mal sieben Uhr.

Ich hatte im Laden ein wunderbares Buch gefunden. Ein Menschenmädchen verliebte sich in einen heroischen Vampir und trotz aller Widerstände verliebte er sich auch in sie. Aber die bösen Mächte wollten sie nicht in Frieden lassen und setzten alles daran, sie auseinander zu bringen.

Die Promenade füllte sich allmählich mit Pärchen, die ausgehen wollten. Ich lehnte mich an die Brüstung und sah aufs Meer.

Jacob… den ganzen Tag hatte ich nicht an ihn denken müssen. Was er wohl jetzt tat? Früher waren wir oft mit den Jungs in Port Angeles gewesen. Ich schwor mir selbst, dass ich diese Tussi zerreißen würde, wenn sie mir unter die Finger kommen würde.

Jemand tippte mir auf die Schulter und ich drehte mich um. Ein Mädchen mit braunem Haar und schokoladenfarbenen Augen stand vor mir. Ihr Gesicht war herzförmig und freundlich. Sie war wahrscheinlich so ein oder zwei Jahre älter als ich, aber es würde mich wundern, wenn ihr das auffallen würde. Die meisten Leute wollten mir nicht glauben, dass ich erst sechzehn war. Meistens schätzte man mich auf achtzehn …

„Entschuldigung, du hast nicht zufälligerweise jemandem gesehen, der ungefähr so groß ist? Außerdem hat er auch ganz helle Haut und etwa die gleiche Augenfarbe wie du. Seine Haare sind so kupferrot“, plapperte sie drauf los. Leicht verwirrt sah ich sie an, bevor ich langsam den Kopf schüttelte. Sie verschränkte die Arme und sah sich um. „Wo ist er nur?“, murmelte sie. Auf einmal schienen ihre Gedanken zu mir zurückzukehren. Sie riss die Augen auf und musterte mich. Warum in aller Welt starrte mich jeder so entsetzt an, wenn er mir begegnete?!

„Was ist?“, fragte ich sie zickig und sie zuckte zusammen. „Sorry. Ich war in Gedanken. Du siehst Bekannten von mir ähnlich“, erklärte sie langsam, dann reichte sie mir ihre Hand. „Mein Name ist Bella. Bella Swan.“
 

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Das war's für heute. Wie hat es euch gefallen? ^^

Isabella Swan - Unbekannt und doch nicht fremd

Es geht weiteeeeeer... xD

Vielen, vielen Dank für die Kommis! =)
 

Ich schlug ein. „Cassie.“ „Wohnst du hier in Port Angeles?“, fragte sie neugierig und ich schüttelte den Kopf. „Ne, war nur einkaufen. Ein paar Straßen weiter gibt’s so einen Laden mit Vampirbüchern bis unter die Decke“, lachte ich. Ihre Augen weiteten sich wieder ein wenig. „Interessierst du dich für Vampire?“ „Ja, Vampire, Werwölfe… ich bin fasziniert von ihnen.“ Sie lächelte freundlich und meinte dann: „Nettes Parfüm hast du… sehr süß.“ Ich nickte, unsicher, ob Bella noch alle Tassen im Schrank hatte. „Hey, hast du Lust mit mir was trinken zu gehen?“ Normalerweise hätte ich jetzt auf der Stelle gesagt Warum nicht?, aber das tat ich nicht. Ich zögerte, bevor ich sagte: „Warum nicht?“

Bella kannte Port Angeles scheinbar recht gut, denn sie führte uns schnurstracks in ein kleines Café, von dem aus man einen guten Blick auf den Strand hatte. „Wen hast du denn eben gesucht?“, fragte ich und sie zuckte mit den Schultern. „Meinen Freund. Wir sind mit seiner Schwester hier, aber plötzlich waren die beiden weg und wie ich sie kenne, stellen die mal wieder irgendeine Dummheit an, die sie mir dann als Überraschung präsentieren wollen.“ „Und du willst sie nicht davon abhalten?“ „Wieso sollte ich? Die beiden haben schon schlimmeres angestellt.“ Sie schüttelte sich, als habe sie grausige Erinnerungen.

Ein Kellner kam und wir bestellten beide eine Cola. „Sucht dein Freund dich denn nicht, wenn du hier bist?“ „Ja, aber die beiden finden mich schon. Weißt du, wir haben scheinbar ein Gespür füreinander. Ich find ihn inmitten einer fremden, italienischen Stadt, er findet mich in meinem alten Ballettstudio, obwohl ich in ganz Phoenix hätte sein können.“ Ich lächelte. „Das muss Liebe sein.“ „Ja…“ Sie senkte den Blick.

„Du sagtest eben, du wohnst nicht in Port Angeles…?“, wechselte sie das Thema und ich nickte. „Ich bin gerade von einem Austausch zurückgekehrt, obwohl das Wort Austausch ein bisschen falsch ist. Ich bin zwar da hingefahren, aber es kommt niemand hierher, du verstehst?“ Bella nickte. „Klingt interessant. Wo warst du denn?“ „Côte d’Ivoire oder auch Elfenbeinküste. Wunderschön dort.“ Sie musterte mich wieder ein Weilchen, dann meinte ich: „Du wunderst dich, warum ich kein Stück braun bin, richtig? Das wüsste ich auch gern. Aber ich werd seid Jahren nicht mehr anständig braun. Seitdem sehe ich aus wie eine Leiche.“ Sie lachte und ich lachte auch. „Und wo kommst du her?“, fragte ich, nachdem wir uns wieder gefangen hatten. „Forks.“ „Kenn ich“, grinste ich. „Gehst du auch auf die Forks High School?“ „Auch? Du etwa auch?“, wollte sie wissen, aber ich schüttelte den Kopf. „Ich nicht, aber eine Bekannt von mir. Glaub aber nicht, dass du sie kennst. Sie ist wahrscheinlich zwei Stufen unter dir oder so… Du bist siebzehn, oder?“ „Achtzehn“, verbesserte sie mich und warf ihr Haar nach hinten. Über ihr Gesicht legte sich kurz ein unzufriedener Schatten, als wäre ihr dieses Alter alles andere als Recht.

Ich legte den Kopf ein wenig schief, als die Kellnerin kam und die Gläser mit der bräunlichen Flüssigkeit auf den Tisch stellte. Bella lächelte freundlich und sah mich dann wieder an. Sie nahm einen Schluck von der Cola und als ich es ihr gleichtat, schien sie ein wenig enttäuscht zu sein. Irgendwie war sie mir unheimlich… und ich fühlte mich pudelwohl in ihrer Gegenwart.

„Und wie alt bist du?“, fragte sie, damit das Gespräch nicht verebbte. „Sechzehn“, erklärte ich und sie sah nicht sehr überrascht aus. „Sechzehn, soso…“ „Und was führt dich nach Port Angeles, wenn du in Forks lebst?“, wollte ich wissen und ihr Blick verfing sich an einem Bild an der Wand. Ein Paar auf einer Parkband. „Ein bisschen shoppen. Alice war der Meinung, ich hätte das nötig.“

Alice… seine Schwester?

„Wieso nötig?“

„Ich musste mich von einem sehr guten Freund abwenden, weil er absolut nicht mit meinem Freund, Edward, einverstanden war. Ich musste mich entscheiden…“ Sie seufzte. „Oh, das tut mir Leid.“ Sie schaffte ein leichtes Lächeln. „Das braucht es nicht. In den letzten eineinhalb Jahren ist so viel in meinem Leben passiert. Irgendwie habe ich das Gefühl, es musste darauf hinauslaufen.“ „Magst du es mir vielleicht erzählen?“, bot ich an und fragte mich, warum ich das tat. Wer erzählte schon einer Wildfremden, was in seinem Leben alles schief gegangen war? „Ich würde es gern jemandem erzählen, egal wem ehrlich gesagt, aber ich kann nicht – sonst säßen wir hier noch in drei Tagen!“ Sie lachte schwach und ich sah sie aufmunternd an. „Vielleicht kannst du ja noch einmal mit diesem Freund reden.“

„Nein, ich glaube nicht. Zwischen uns ist herrscht Funkstille. Mein Vater sagt, er spreche in letzter Zeit mit niemandem. Unsere Väter kennen sich…“

„Aber das heißt doch, es geht ihm auch mies!“

„Ja, das heißt es, aber ich habe eine Entscheidung getroffen und die kann ich nicht mehr rückgängig machen.“

Sie sah aus dem Fenster und sprang auf. „Tut mir Leid, aber ich muss los. Dahinten ist mein Freund.“ Sie kramte in ihrer Tasche nach Geld und legte es auf den Tisch. „Wenn du mal wieder Lust auf eine Cola hast, ruf bei der Polizeistation Forks an. Die sollen dir die Nummer von Chief Swan geben. Er ist mein Vater.“ Mit einem Lächeln verschwand sie aus dem Café und ein wenig durcheinander blieb ich noch ein Weilchen sitzen. Bella Swan. Irgendwas sagte mir der Name, aber ich wusste nicht, was es war. Ich stützte den Kopf in die Hände und starrte auf die Maserung der Tischplatte. Ich hätte in Côte d’Ivoire bleiben sollen. Da hatte ich Freunde, die sich normal verhielten und ich wurde nicht immer und überall an etwas erinnert, das ich nicht einordnen konnte.

Bei einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass ich mich beeilen musste, um meinen Bus nicht zu verpassen und nicht noch eine Stunde zu warten. Schnell kippte ich die Cola runter und zahlte.

Auf dem Weg zur richtigen Bushaltestelle geriet ich ins Grübeln. Sam hatte Recht gehabt, es hatte sich scheinbar mehr in La Push verändert, als ich gedacht hatte. War das schon immer so gewesen und es fiel mir jetzt nur auf, weil ich nicht da gewesen war? Auch wenn sie versuchten, sich normal zu verhalten, war ich mir sicher, dass Quil, Embry, Sam und all die anderen ein Geheimnis vor mir hatten. Aber was? Meine Jungs hatten sich verändert. Sie waren größer, sahen erwachsen aus. Wenn Sam etwas sagte, schienen sie darauf zu hören und ihr Appetit war schon fast besorgniserregend. So etwas kannte ich sonst nur aus dem Fernsehen von Fresssüchtigen – aber danach sahen sie nun wirklich nicht aus. Stattdessen schienen sie vor Kraft und Energie zu trotzen. Dadurch, dass sie fast durchgängig ohne T-Shirts rum liefen, hatte man ja eine ganz gute Sicht auf ihre Muskeln…

Ich lehnte meinen Kopf an die Wand hinter mir und bemerkte Bella zwischen all den Menschen auf der anderen Straßenseite. Ein Mädchen hatte sich bei ihr untergehakt, ein Junge ging neben ihnen her. Selbst auf die Entfernung konnte ich erkennen, dass die beiden wunderschön sein mussten – allein schon, weil sich ständig Passanten nach ihnen umdrehten. Bella entdeckte mich auch und winkte. Ich winkte zurück. Der Junge, wahrscheinlich dieser Edward, sah zu mir herüber und irgendwann drehte sich auch seine Schwester, ein kleines, schwarzhaariges Mädchen, zu mir um. Ich lächelte – auch wenn sie das garantiert nicht sahen – und stand dann auf, weil mein Bus kam. Ich stieg ein und war mir sicher, dass ich Bella mal anrufen würde. Obwohl ich sie nicht kannte, kam es mir vor, als verbinde uns etwas.
 

„Was ist los, Edward?“, fragte Bella ein wenig verängstigt. Alice und er standen konzentriert neben ihr, keiner von beiden sagte etwas. Schließlich löste sich Edward aus seiner Starre. „Ich kann ihre Gedanken nicht lesen…“ „…und ich nicht in ihre Zukunft sehen“, murmelte Alice und sah fassungslos zu Boden. „Also ist sie ein Vampir?“, wollte Bella wissen. Diesen Verdacht hatte sie, seitdem sie sie das erste Mal richtig angesehen hatte. „Ich weiß es nicht. Auf den ersten Blick sieht es danach aus. Sie ist viel zu blass für einen Menschen und sie hat die gleiche Augenfarbe wie wir. Aber wenn sie einer ist, dann müsste sie uns als Vampire erkannt haben und…“ Er schüttelte den Kopf. „Das ist kompliziert.“ Bella sah ihn schief an. „Wäre es nicht kompliziert, bräuchte ich nicht eure Hilfe.“ Alice konzentrierte sich noch immer, aber schließlich seufzte sie. „Das ist mir noch nie passiert. Nur wenn Werwölfe im Spiel sind…“ Sie stockte. „Wo ist der Bus hingefahren?“ Edward zuckte mit den Schultern und schon zogen er und Alice Bella über die Straße. Gierig warfen sie einen Blick auf den Fahrplan und Bella flüsterte, was alle drei lasen. „20.05 Uhr – La Push.“ „Edward verschränkte die Arme. „Was sollte ein Vampir in La Push wollen?“ Alice schlug sich gegen die Stirn. „Sie ist kein Vampir, Edward! – Und wenn sie einer ist, wird sie dort sofort auseinander genommen und wir müssen von hier fort, weil sie denken, wir haben den Vertrag gebrochen.“ Die beiden sahen sich erschrocken an. Bella spürte ein leichtes Ziehen am Arm, schon standen sie vor Edwards Volvo. „Du musst so schnell wie möglich hinter diesem Bus her!“, kommandierte Edward. „Bis zur Grenze begleiten wir dich und wir werden dort auch auf dich warten, wenn du wiederkommst, aber wir müssen wissen, ob sich gerade ein Vampir auf dem Weg nach La Push befindet.“ Bella verschränkte die Arme und weigerte sich. „Wieso sollte ein Vampir den Bus nehmen?“, fragte sie verzweifelt und Edward antwortete ruhig und einfühlsam: „Aus dem gleichen Grund, aus dem ich einen Volvo fahre, Bella. Bitte, tu es für uns. Du weißt, dass Alice nicht sehen kann, ob Werwölfe angreifen.“ Bella sah ihn lange an, sah dann zu Alice und sprang hinters Steuer des silbernen Autos. „Nun gib schon den Schlüssel her“, fluchte sie, Tränen standen ihr in den Augen. Sie wollte nicht nach La Push. Wollte nicht in Jacobs Nähe. Wollte nicht in die Nähe des Rudels. Aber sie wusste, sie hatte keine andere Wahl, wenn sie ihre Familie retten wollte. Sie drückte das Gaspedal durch und hatte den Zug schnell erreicht. Gott sei Dank gab es nur eine Straße, die nach La Push führte. Sie kurbelte das Fenster runter, als Edward neben ihr erschien. „Sie ist noch im Bus“, erklärte er ihr und sie nickte. „Okay. Aber ich fahre nur so weit es geht, ja?“ Edward sah, wie sehr sie zitterte und legte seine Hand auf ihre. Er wusste, was er von ihr verlangte. Er hatte sie in einem Zustand erlebt, in dem er sie nie wieder sehen wollte. Er wollte nicht, dass sie litt.

„Ist in Ordnung.“
 

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Während Cassie weiter um die Cullens herumschlittert, würde ich mich voll über eure Kommis freuen. =)

Ich hoffe es hat euch gefallen. :)

Die Vergangenheit

Danke für eure Kommis! =)

@ Essi: Hui, ich habe schon darauf gewartet, dass jemand den Gedanken äußert, sie könne ein Vampir sein. ;) Aber vor allem würden doch die Werwölfe was merken, oder nicht? ;)
 

Die Sonne stand noch immer hoch am Himmel – jedoch hinter einer dicken Wolkenschicht versteckt, als ich in La Push aus dem Bus stieg und den Entschluss machte, möglichst schnell meinen Führerschein zu machen. Dank meiner bereits vorhandenen Fahrpraxis dürfte das ja nicht sehr lange dauern. Als ich die Haustür öffnete – sie war übrigens so gut wie nie abgeschlossen –, begrüßte mich das totale Chaos. Die Couch war umgeworfen worden, ein Schrank lag auf dem Boden, der Tisch war in zwei geteilt worden. „Was zum…?“, murmelte ich, brachte den Satz jedoch nicht zu Ende. Schnell eilte ich in die Küche, die ebenso zerstört war. „Mum?! Sam?!“, schrie ich durchs Haus und rannte die Treppe hoch, sah in jedes Zimmer, doch hier war alles in Ordnung. „Sam?!“, schrie ich noch mal, als keine Antwort kam. „Mum?! Ist irgendjemand hier?!“ Panik machte sich in mir breit und ich rannte zurück in den Eingangsbereich, der direkt ans Wohnzimmer anschloss. Hier stand nichts mehr gerade. Als hätte eine Bombe eingeschlagen. Seltsamer Weise kam mir der Anblick bekannt vor und das machte mir noch mehr Angst. Was war nur passiert?

Zitternd verließ ich das Haus und rannte zum gegenüberliegenden Haus. Es war das Haus der Calls. „Embry?“, rief ich, als ich hineinrannte, doch niemand meldete sich. Dieses Haus war nicht verwüstet, aber ebenso ausgestorben.

Ich versuchte es in den Häusern meiner Freunde, aber niemand war da, schließlich fiel mir Billy Black ein, der Mann, dem ich es zu verdanken hatte, dass ich hier leben durfte. Mein Schicksal hatte ihn wohl irgendwie berührt – ein Mädchen, dessen Eltern von einem Serienmörder getötet wurden –, sodass er mit Mum sprach, die mich sofort adoptieren wollte.

Ich rannte so schnell es ging und meine Lunge schmerzte bereits, die Tasche mit den Büchern schlug gegen meine Beine, aber ich hielt nicht an, um zu verschnaufen. Ich riss die Tür auf und sah Billy mit einem braunhaarigen Mann ein Baseballspiel sehen. Billy sah mich erschrocken an, der Fremde schien nicht weniger verwundert. „Cassie, was ist los?“, fragte Billy besorgt und rollte auf mich zu. Ich schnappte nach Luft und stützte mich mit den Händen auf meinen Knien ab. „Zuhause… das Wohnzimmer… und die Küche“, keuchte ich. Billy verstand nicht – klar, wenn man bedachte, dass ich wahllos Nomen durch die Gegend warf. Der Fremde stand auf und führte mich langsam zum Sofa rüber. „Setz dich erstmal, Mädchen“, sagte er einfühlsam. „Cassie“, begann Billy noch einmal und ich atmete einmal tief durch. „Als ich nach Hause kam, waren das Wohnzimmer und die Küche völlig verwüstet, Billy.“ Er riss die Augen auf und der Fremde richtete sich auf. „Soll ich meine Kollegen verständigen, Billy?“, fragte er, ich verstand nicht, was er meinte. Billy schüttelte langsam den Kopf. „Nein, ich denke, das ist nicht nötig. – Wo sind deine Mutter und Sam?“ „Ich weiß es nicht. Niemand war im Haus. Ich hab’s bei Embry und Quil probiert, aber die schienen auch nicht da zu sein…“ Billy nickte und sah dabei seltsam beruhigt aus. „Keine Sorge, Cassie, es wird ihnen gut gehen.“ Er drehte sich zu dem Fremden und sagte: „Charly, es wäre mir recht, wenn du niemandem davon erzählst…“ „Aber, Billy!“, unterbrach ich ihn, doch er hob die Hand und brachte mich so zum schweigen. „Wir klären die Sache so.“ „Es könnte ein Verbrechen stattgefunden haben“, erwiderte der Mann, aber Billy schüttelte den Kopf. „Nein, keine Sorge. Wir werden keine Polizei brauchen.“ „Wie du meinst“, sagte der Fremde und schien Billys Urteil zu trauen. Billy rollte zum Telefon und sagte dann noch zu dem Fremden, bevor er die Nummer wählte: „Ich fürchte, hier wird es gleich hektisch. Fahr lieber nach Hause, deine Tochter wartet sicherlich schon mit dem Essen.“ Der Mann nickte. „Ist wahrscheinlich besser so. Sag mir Bescheid, wenn ich etwas tun kann.“ „Mach ich.“ Der Mann verließ das Haus und Billy wählte eine Nummer. „Hol dir etwas zu trinken, Cassie. Du musst Durst haben“, murmelte er mir zu und meine Beine bewegten sich mechanisch zu dem Schrank mit den Gläsern. „Sue? Ich bin es, Billy. Sag, sind Sam und seine Mutter vielleicht bei dir? … Und was ist mit Leah und Seth? … Nein? … Hm. … Ja, am besten kommst du vorbei. … Cassie ist hier. … Das Haus der Uleys ist scheinbar verwüstet. … Das wäre gut. … Mhm. … Gut, dann bis gleich.“ Billy drehte sich zu mir um, nachdem er aufgelegt hatte. „Deine Mutter ist bei Sue Clearwater. Sue wird deiner Mutter erklären, was vorgefallen ist und dann kommen, um dich abzuholen. Ihr übernachtet heute bei ihnen.“ „Was ist mit Sam?“ ‚Und wieso wollte Billy wissen, ob Leah und Seth zu Hause waren?’, führte ich den Satz in Gedanken weiter. „Wir wissen es noch nicht, aber wir finden ihn.“ „Was ist, wenn ihm etwas passiert ist?“, schluchzte ich und versuchte, ruhig zu bleiben. „Sam kann auf sich aufpassen. Es wird ihm gut gehen.“ „Aber…“ „Cassie!“, würgte er mich erzürnt ab. Mit ruhigerer Stimme wiederholte er: „Er kann auf sich aufpassen.“ Jedes Wort sprach er mit Nachdruck und sah mich dann freundlicher an. „Morgen früh wird alles wieder so gut wie normal laufen, Kleine.“ „Ist das ein Versprechen?“, fragte ich leise und er nickte lächelnd. „Das ist es. – Übrigens, schön dich mal wieder zu sehen.“ Ich musste leise lachen. „Ich weiß, ich hätte früher vorbeikommen sollen, aber irgendwie…“ „Schon gut, Cassie. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.“ Ich nahm einen Schluck Wasser und stellte das Glas dann auf die Anrichte. Nun war es doch so langsam an der Zeit, dass die Sonne unterging…
 

Die Sonne ging tatsächlich unter, als ich mich im Gästezimmer der Clearwaters auf dem Bett zusammenrollte. Es war nicht die Uhrzeit, zu der ich normalerweise schlafen ging, aber der Schlafmangel der letzten Nacht und die Geschehnisse des Tages hatten mich ausgelaugt. Meine Finger zitterten leicht, wenn ich daran dachte, was geschehen war. Mum war noch unten bei Sue, aber Sam war noch immer nicht zurückgekehrt. Doch bevor ich mir wieder darum Gedanken machen konnte, überrannte mich der Schlaf…
 

Ich wachte auf, weil jemand eine Tür zuknallte. Jemand schimpfte und dann herrschte Ruhe. Ich stand auf und tapste durch die Dunkelheit zur Tür, auf den Flur und einige Stufen die Treppen runter. Im Wohnzimmer brannte Licht und ich hockte mich auf eine der Treppenstufen. Zwischen den Stäben des Geländers hindurch sah ich in das erleuchtete Zimmer. Quil Senior, Billy, Sue, Mum, Sam, Embry, Quil, Paul und Jared saßen dort. Paul hockte zwischen Jared und Sam, deren Mienen blanke Wut spiegelten.

„Wir hätten damit von Anfang an rechnen müssen“, sagte Quil Senior und sah Paul an. Überhaupt schien jeder Paul anzusehen. „Ich bitte dich, Quil“, wandte Mum ein. „Wir haben sie solange nicht gesehen, nur auf Fotos und du weißt sehr genau, wie Fotos die Wirklichkeit verändern. Wir konnten nicht ahnen, dass sie ihnen so ähnlich sieht.“

Lange nicht gesehen? Sprachen sie etwa von mir?

„Meint ihr, damals ist noch mehr vorgefallen?“, fragte Jared und beugte sich ein wenig vor. „Sie weißt zumindest keine Bissspuren auf. Das hatten wir ja sofort überprüft“, murmelte Mum.

Bissspuren?

„Das ist mir klar. Aber ich meine… noch etwas anderes. Vielleicht ist etwas passiert, von dem wir nichts wissen.“ Billy sah ihn lange an, dann sagte er schließlich: „Möglich wäre es natürlich, aber was sollte das sein?“ Jared antwortete nicht, sondern schien nachzudenken. „Die entscheidende Frage ist doch: wie hat sie das damals überlebt?“, sagte Quil Senior. Alle nickten zustimmend. Sam räusperte sich. „Früher, da hatte sie hin und wieder Albträume.“

Okay, sie sprachen von mir.

Ich strengte ich mich an, Sam nicht zu verfluchen, wo er doch versprochen hatte, es niemandem zu erzählen, wenn ich nachts in sein Bett gekrochen war, weil ich nicht mehr einschlafen konnte, aber es fiel mir schwer. Nur die Anspannung meines Körpers half mir, die Ruhe zu bewahren. Worum ging es hier? Wussten die anderen mehr, als sie zugaben?

„Worum ging es da?“, fragte Sue. Mum sah sehr verwundert aus, natürlich, davon wussten auch nur Sam und ich – zumindest bis zu diesem Moment, in dem er acht Leuten davon erzählte. „Ich bin mir nicht mehr ganz sicher. Es ist immerhin schon lange her… aber sie träumte davon, dass ein Monster in das Haus ihrer Eltern kam und ihre Eltern tötete. Sie dachte immer, dass sie den angeblichen Mörder ihrer Eltern so sah.“ „Das, was wir und alle anderen ihr erzählten“, fuhr Billy nachdenklich fort und ich wich vor Schreck an die Wand zurück. Was sie mir erzählten? Was sollte das heißen? Meine Eltern wurden von einem Serienmörder getötet, der bis heute nicht gefasst worden war. Das war so! Da gab es nichts dran zu ändern. Ja, es war tragisch! Aber ich hatte es überwunden!

„Ging der Traum noch weiter?“, fragte Quil Senior. „Ja. Plötzlich tauchte jemand auf, der das Monster tötete und sie aus ihrem Versteck holte. Sie sagte, sie hätte nie jemand gesehen, der schöner wäre.“

Ich verschränkte die Arme, wusste nicht, ob ich beleidigt oder geschockt sein sollte. Schließlich entschied sich mein Unterbewusstsein für Schock, schließlich ging hier etwas vor, was man mir verheimlicht hatte. Wenn ich etwas hasste, waren es Geheimnisse – und wenn der Eisdiele im Sommer das Zitroneneis ausging, aber das gehört hier jetzt nicht rein.

„Dieser Mann brachte sie schließlich zur Polizei“, endete Sam. „Glaubst du, dass sie von dieser Nacht geträumt hat? Als der Vampir ihre Eltern tötete?“, fragte Embry und ich riss die Augen auf.

Vampire? Waren hier denn nun alle verrückt geworden? Oder war das nur ein Nickname, den sie für den Mörder meiner Eltern hatten? Ja, so musste es sein… Vampire, ha! Die gab’s doch nur in Büchern.

„Möglich.“ Sams Blick war fest, er sah nicht wahnsinnig aus. Embry ebenso wenig. Auch die anderen schienen noch alle Schrauben fest sitzen zu haben. „Wenn der Mann so wunderschön war… war er vielleicht auch ein Vampir“, kombinierte Quil und ich schüttelte den Kopf.

Scheinbar war Vampir doch kein Nickname, schließlich war es unsinnig, dass man seit neuestem Serienmörder Vampire nannte und vor allem, dass Serienmörder andere Serienmörder umbrachten, um deren Opfer zu retten.

„Was sollte das für einen Sinn ergeben? Vampire töten keine anderen Vampire, um deren Opfer zu retten“, widersprach Billy. Die Jüngeren schwiegen. Ich war zu einer Salzsäule erstarrt.

„Wie auch immer. Wir sollten morgen darüber sprechen. Heute ist schon zuviel passiert“, schlug Sue vor. Mum und die anderen nickten. „Gut, Jared, Sam, bringt Paul nach Hause“, sagte Quil Senior mit seiner eindrucksvollen Stimme. „Und, Paul“, fügte Billy hinzu, „kontrollier dich besser. Es reicht, wenn die Uleys nun eine neue Küche und ein neues Wohnzimmer brauchen.“ Paul nickte unsicher.

Er hatte all das angerichtet? Das war doch unmöglich!

„Hört zu, wir alle wissen, dass Cassies Eltern nicht so starben, wie wir es ihr gesagt haben, aber dass ein Vampir sie gerettet hat, ist so wahrscheinlich wie dass Jacob morgen vor der Tür steht“, wiederholte Billy noch einmal und die Gruppe erhob sich. Sue und Mum brachten die anderen noch zur Tür, während ich zitternd auf der Treppe saß. Niemand hatte mich entdeckt und damit das auch so blieb, schlich ich so schnell es ging zurück in mein Zimmer.

Vampire? Waren jetzt alle verrückt? Es gab keine Vampire! Aber Vampir war auch kein Nickname für Serienmörder…

Ich hörte die Tür unten ins Haus fallen und öffnete dann das Fenster. Niemand war unten auf der Straße zu sehen. Ich schwang rasch meine Beine aus dem Fenster und versuchte möglichst geräuschlos an der Dachrinne anzukommen. Ich sprang und landete gewohnt elegant auf der staubigen Erde. Wie oft war ich schon so abgehauen?

Dann begann ich zu rennen. Barfuss. Ich rannte, als ginge es um mein Leben, aber das war nicht so. Ich rannte und rannte, bis ich den Sand des Strandes unter meinen Füßen spürte. Ich war da. Am Meer.
 

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Ich freu mich wieder sehr auf eure Kommentare und Rückmeldungen. ;)

Verlorenes Vertrauen

Das Meer fuhr mir durchs Haar und ich atmete die salzige Luft in tiefen Zügen ein. „Jacob“, flüsterte ich. Es war, als stände er bei mir. Wie an meinem letzten Abend. Wir beide standen gemeinsam und allein im Mondlicht. Wir hatten Neumond gehabt…

Wir trugen dicke Winterjacke und Kapuzen, weil es aus Strömen goss. Die Wellen trafen weiß auf den Strand, schäumten immer wieder. Sie peitschten gegen die Felsen und in der Ferne sah man Akalat, wie es die Quileute nannten. Auch bekannt unter den Namen „Top of the Rocks“ und James Island. Schwach, aber noch erkennbar. Umhüllt von Nebelschleiern. Auch wir hatten im Nebel gestanden. Eine Stunde verbrachten wir so, schweigend. Dann hatte Jake sich zu mir umgedreht und gesagt: „Ich werde dich vermissen.“ Und ich hatte geantwortet: „Ich dich auch.“ Dann hatten wir uns auf einen angespülten Ast gesetzt und uns leise unterhalten. Mitten im Regen. Es war ein besonderes Gespräch für uns. Nicht nur, dass wir uns geplante zwei Jahre lang nicht sehen sollten, nein, meine Eltern waren vor genau zehn Jahren umgebracht worden und wir sprachen ewig darüber, was wir seit jener Zeit alles erlebt hatten. Als wir um sechs Uhr morgens aufstanden, um zurückzugehen, waren wir nass bis auf die Knochen gewesen und Sam hatte mich zu Hause erwartet. „Wo warst du?“, hatte er gefragt. Ich hatte nicht geantwortet, ihm nur einen Kuss auf die Wange gedrückt und war ins Bad gegangen, um mich aus den nassen Sachen zu schälen. Eine Stunde Schlaf hatte ich am Ende gehabt, bevor wir zum Flughafen aufbrachen. Mum, Sam und ich. Ich stieg damals ins Flugzeug, ohne zu wissen, was auf mich zukommen sollte. Andere Menschen, Kulturen und andere Sprachen. Das war es im Endeffekt. Und noch so vieles mehr. Neben Französisch hatte ich noch Abé gelernt, eine Sprache der Einwohner dort. Aber was nützte mir all das, wenn Jake nicht hier war? Jake, der mich verstand wie kein anderer? Jake, der mir zuhörte wie kein anderer? Jake, der mir so wichtig war wie kein anderer? Jake, dem ich vertraute wie keinem anderen? Jake, den ich liebte wie keinen anderen?

„Warum bist du gegangen? Warum hast du mich allein gelassen? Warum bist du nicht da, wenn ich dich brauche?“, fragte ich in den Wind. Er erfasste mich von hinten und schien mich zum Meer schieben zu wollen, doch ich bewegte mich nicht.

Warum?
 

Ich aß ein wenig, stand auf und verließ das Haus. Ohne ein Wort. Ich verließ das Haus, sprach mit niemandem, ging nach Hause, holte mir eine Tasche und Geld, fuhr nach Port Angeles. Ich verbrachte den ganzen Tag dort. Kehrte am Abend zurück. Sprach wieder kein Wort. Wir saßen gemeinsam mit Sue und Seth vorm Fernseher, Mum und ich, aber ich sagte nichts. Ich konnte nicht mit diesen Lügnern sprechen. Mum und Sue hatten mir all die Jahre etwas vorgelogen. Meine Eltern waren nicht von einem Serienmörder umgebracht worden. Aber von wem dann? Was war damals geschehen?

Natürlich merkten sie, dass ich schwieg und sie fragten, aber ich antwortete nicht. Ausdruckslos starrte ich sie an.

Irgendwann stand ich auf, es war etwa sieben Uhr, und ging in die Küche. Langsam griff ich nach dem Telefon und dem Telefonbuch, suchte die Nummer des Polizeireviers in Forks raus. Ich musste mit jemandem reden. Mit jemandem, bei dem ich mich wohl fühlte und der mich nicht die letzten zehn Jahre lang betrogen hatte. Mit jemandem wie Bella.

„Polizeirevier Forks?“, meldete sich die Stimme eines Mannes und ich holte tief Luft. „Hier spricht Cassie Uley…“
 

„Ich hoffe, ich habe nicht gestört“, murmelte ich, als wir auf einem Felsen an der Promenade saßen, aber sie schüttelte den Kopf. „Ach, was! Ich hab mich gefreut, dass du angerufen hast. Unser Gespräch gestern wurde ja ziemlich abrupt unterbrochen. Sorry noch mal.“ Ich winkte ab. „Kein Problem. – Waren das gestern dein Freund und seine Schwester?“ Sie nickte. „Ja, Alice und Edward. Alice ist meine beste Freundin und wie eine Schwester für mich, obwohl wir uns erst etwa anderthalb Jahre kennen.“ „Ihr scheint euch wohl wirklich gut zu verstehen.“ Sie lächelte. „Ja, so könnte man es sagen.“

Es versetzte mir einen Stich. Ja, Embry, Quil und ich hatten uns auch gut verstanden. Trotzdem hatten sie mir nicht gesagt, was los war. Wenn nur Jake da wäre… Ihm könnte ich alles anvertrauen.

„Was ist los?“, fragte Bella, die scheinbar gemerkt hatte, was mit mir los war. „Nichts“, flüsterte ich, aber sie schien mir nicht wirklich zu glauben. „Sicher?“ Ich seufzte. „Ach, irgendwie lief gestern Abend alles schief. Ich komm nach Hause, das Haus sieht aus wie sau und am Ende muss ich feststellen, dass man mich eine halbe Ewigkeit angelogen hat“, murrte ich. Sie zog die Augenbrauen hoch. „Was ist passiert?“ „Ich bin adoptiert worden, als ich noch nicht ganz fünf war. Man sagte mir, meine Eltern wären ermordet worden und jetzt? Jetzt weiß ich nicht mehr, was ich glauben soll. Wahrscheinlich ist meine Familie einfach übergeschnappt, aber was erzähl ich dir das? Du willst dir sicherlich nicht meine Sorgen und Probleme anhören.“ Sie rückte ein wenig näher und legte einen Arm um mich. Sie schien ein wenig überrascht zu sein, als sie mich berührte, aber ich beachtete es nicht weiter. „Wenn du mit jemandem reden willst, ich kann zuhören.“ „Das ist lieb von dir, aber…“ Ich hielt inne und sah über meine Schulter. Ich fühlte mich plötzlich beobachtet…

„Hast du etwas?“, wollte Bella wissen und sah sich auch um. Ich kniff die Augen ein bisschen zusammen, aber ich konnte niemanden erkennen, der uns ansah. „Nein, ich hatte nur gerade so ein komisches Gefühl…“ Ich zwang mich dazu, wieder zum Meer zu sehen und fragte Bella dann leise: „Glaubst du daran, dass es Übernatürliches gibt? Also… solche Dinge wie…“ „…Vampire?“, ergänzte mich Bella und wich ein Stück zurück. „Ja, genau… Vampire, das wollte ich sagen.“ „Warum nicht?“, meinte sie freundlich und legte den Kopf ein wenig schief. „Warum sollte es keine Vampire geben?“ Sie hatte leichte Grübchen, als sie lächelte. Sie war niedlich. Klar, das klang grad komisch, aber es war so. Sie wirkte glücklich, auch wenn man spürte, dass sie sich mit ihrem besten Freund gestritten hatte. „Wie stellst du dir sie vor? Stellst du sie dir schön vor?“, fragte ich und beobachtete die langsam untergehende Sonne. Es war schon spät. Neun Uhr war schon durch.

„Oh, ja, sehr schön sogar“, antwortete Bella wie aus der Kanone geschossen. Ich sah sie irritiert an und sie errötete leicht. „Du weißt schon, was ich meine“, zwinkerte sie und ich nickte. „Wie kommst du darauf, Cassie?“ „Ich weiß nicht… – Meinst du, Vampire töten andere Vampire?“ Bella nickte. „Warum nicht?“ Ich wusste, wie bescheuert diese Unterhaltung war. Es gab keine Vampire. Trotzdem unterhielten wir uns darüber. „Auch um Menschen zu beschützen?“, fragte ich und Bella sah mich an, als hätte ich ihr gerade eine höhere Offenbarung mitgeteilt. Ich schlang die Arme um meine Beine und blickte sie weiter an. „Ja, auch daran glaube ich.“

Gemeinsam sahen wir uns den Sonnenuntergang an, bis die Sonne um kurz vor zehn endgültig im Meer versunken war. „Ich mag Sonnenuntergänge“, flüsterte Bella. Auf einmal hörten wir eine wunderschöne Stimme rufen: „Bella!“ Wir drehten uns beide um und Bella stand auf. „Emmett! Rosalie! Was macht ihr denn hier?“, lachte sie und ich stand auch schnell auf – scheinbar Bekannte von ihr. Der Junge war groß, hatte etwas von einem Bären und grinste breit, während er winkend auf uns zukam. Das Mädchen war zierlicher, blond und wirkte ein wenig missmutig. Was beide gemeinsam hatten, war die auffällig blasse Haut und die unglaublichen Augen. Wie Topase. Wie es bei mir war…

Bella und ich kletterten zurück vom Felsen auf den Weg und die beiden standen nun vor uns. „Cassie, das sind Rosalie und Emmett, Geschwister von Alice und Edward.“ Ich musste mich zusammenreißen, nicht die Stirn zu runzeln. Wenn man davon absah, dass sie die gleiche Haut, Schönheit und Augenfarbe hatten, sahen sich die vier überhaupt nicht ähnlich. Außerdem hatten sie alle ein ähnliches Alter…

Emmett schlang einen Arm um Rosalies Hüfte und es nagte sehr an meiner Selbstbeherrschung. „Dr. Cullen und seine Frau haben fünf Kinder adoptiert“, erklärte Bella, die scheinbar meine Gedanken lesen konnte. Ich nickte bloß, bis mir auffiel, welchen Namen sie gebraucht hatte. „Dr. Cullen?“, wiederholte ich ungläubig. Rosalie nickte. „Unser Adoptivvater. Du kennst ihn?“ Es fiel mir schwer, vernünftig mit ihr zu reden. Ich hatte noch nie ein Mädchen gesehen, dass hübscher war. „Ja, erst vor kurzem. Ich bin in ihn hineingelaufen“, gestand ich mit hochrotem Kopf und die beiden traten unauffällig einen Schritt zurück, was ich mir nicht erklären konnte, aber ich störte mich nicht weiter daran – jeder in meiner Umgebung benahm sich seit neuestem seltsam, warum die beiden also nicht auch?

„Nun, wie dem auch sei. Bella, wir wollten dich abholen“, sagte Rosalie und ich musste mich bemühen, sie nicht die ganze Zeit über anzustarren. Bella runzelte die Stirn. „Warum? Ist etwas passiert?“ Emmett schüttelte mit dem Kopf. „Ne, aber Edward hat uns darum gebeten. Er schafft es nicht. Wir bekommen übrigens Besuch.“ Bellas Augen wurden zu schmalen Schlitzen. „Besuch?“ „Besuch“, bestätigte Emmett. „Ist das gut oder schlecht?“ „Wie man’s nimmt“, lächelte Rosalie und in ihren Augen blitzte etwas auf. Ich spürte, wie Bella sich neben mir ein wenig verkrampfte. „Na gut, nix dagegen. Sehen wir uns wieder, Cassie?“, fragte sie mich und ich nickte. „Sehr gern, Bella.“ „Gibst du mir deine Telefonnummer?“ „Klar, hast du einen Zettel?“ Emmett hielt mir so schnell Stift und Papier hin, als hätte er gewusst, was ich sagen würde, bevor ich es ausgesprochen hatte. „Danke“, nuschelte ich mir in meinen nicht vorhandenen Bart und krickelte die Nummer auf den Zettel. „Das ist in La Push“, sagte ich und deutete auf die Vorwahl. „Ich weiß, mein Vater hat dort einen sehr guten Freund.“ „Kenn ich diesen Freund vielleicht?“, fragte ich lächelnd und sie zuckte mit den Schultern. „Möglicherweise… Billy Black?“ Das Lächeln gefror mir auf den Lippen.

Billy Black. Der Mann, der mich hierher geholt hat. Der Mann, der mich über einen Zeitraum von zehn Jahren belogen und betrogen hatte. Der Mann, der mein Vertrauen mit Füßen getreten hatte. Der Mann, den ich nun für wahnsinnig hielt, weil er von Vampiren sprach.

„Kennst du ihn?“, fragte Bella, als ich sie sekundenlang anstarrte. „Ja“, flüsterte ich. „Er ist ein Freund der Familie.“ Ich biss die Zähne zusammen, so fest es nur ging. Bella schien zu merken, dass das momentan kein gutes Thema für eine Unterhaltung mit mir war und umarmte mich kurzerhand. „Ich ruf dich die Tage an, ja?“ Wie betäubt bewegte sich mein Kopf auf und ab. „Ist gut.“ Bella lächelte mich noch einmal an und sagte dann: „Wir sehen uns.“ Sie ging mit Rosalie und Emmett weg, während ich in eine andere Richtung ging.

Ich stellte mich an die Promenade und stützte mich am Geländer ab, während ich zum Horizont blickte. Billy Black. Ich hatte ihm immer vertraut. Ihn immer respektiert und wertgeschätzt. Ihn nie frech behandelt.

Auf einmal spürte ich einen festen und kalten Händedruck auf meiner Schulter. Erschrocken wirbelte ich herum und sah in Augen, die mich erzittern ließen.
 

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Hui, wer das wohl ist?^^

Kommis?

Alan Alexis Ayden Adams

Voran einmal: eine Alliteration ist zum Beispiel "Milch Macht Müde Männer Munter", also wenn die Anfangsbuchstaben gleich sind.^^
 

„Cassidy Hayes?“, fragte mich mein Gegenüber mit der wunderbarsten Stimme, die ich je gehört hatte. Meine Finger blieben nicht ruhig, ebenso wenig der Rest meines Körpers. Nicht nur, dass der Fremde mit mir sprach, nein, er kannte auch den Namen, der auf meiner Geburtsurkunde stand. Den Namen, den ich trug, bevor ich adoptiert wurde.

Ich brauchte meine ganze Selbstbeherrschung, um zu nicken. Vor mir stand Adonis persönlich. Er hatte weiße Haut, Augen, die aussahen, als schwimme flüssiges Gold in ihnen, Schönheit, die von nichts auf der Welt zu übertreffen war. Er gehörte nicht hierher nach Port Angeles. Er gehörte auf die Laufstege und Bühnen der Welt. Er gehörte zu den umfeierten Popstars – nur dass er tausend Mal schöner war.

Er verneigte sich leicht und sagte leise: „Folge mir bitte.“ Ich war unfähig, ihm zu widersprechen, sodass ich tat, was er mir sagte. Er führte mich in eine Seitengasse und hätte mein Gehirn noch funktioniert, wäre ich ihm nicht gefolgt, aber es funktionierte nicht. So standen wir da und er verbeugte sich ein weiteres Mal – dieses Mal richtig. „W… wer bist du?“, stammelte ich. „Alan Alexis Ayden Adams“, stellte sich der Fremde vor und richtete sich wieder auf. „Sag nichts, ich bin mir der Alliteration bewusst.“ Ich wusste in dem Moment nicht einmal mehr, was überhaupt eine Alliteration war, also nickte ich einfach nur. Wo hörte bei diesem Namen Vorname auf und wo fing der Nachname an?

„Alan Alexis Ayden ist mein Vorname, du kannst mich aber ruhig Alan nennen“, sagte Alan und lächelte, als hätte er meine Gedanken gelesen. Er hatte feine Gesichtszüge, ein Gesicht, das eher länglich als breit war und schmale Lippe. Der Bogen seiner Augenbrauen ließ sein Gesicht ernst wirken. Sein kurzes braunes Haar stand im Kontrast zu seiner nahezu weißen Haut und seine Augen funkelten wie Sterne in diesem Gesicht, das von einer alten Narbe auf der linken Wange geziert wurde. Er war groß, mindestens 1,80 m. Ich war gerade mal 1,70 m.

„O… okay“, brachte ich mühsam hervor und konnte den Blick nicht abwenden. Es war, als hätte er mich hypnotisiert. „…Alan“, fügte ich schnell hinzu und hätte mich am liebsten umgedreht und mir den Schädel eingeschlagen, damit ich zurück in die Realität komme, aber das hätte ja geheißen, dass ich den Blick abwenden müsste und das wollte ich wirklich nicht. Ganz im Gegenteil. Ich wollte ihn bis zum Ende meiner Tage ansehen und ich war fest davon überzeugt, dass er ein Engel war.

„Cassidy, geht es dir gut?“, fragte er und ich nickte mit einem seligen Grinsen, als hätte ich irgendwelche sinneserweiternden Drogen genommen. Alans wunderbaren Augenbrauen zogen sich zusammen und er sah mich besorgt an. „Jap, aber Cassie reicht“, seufzte ich und der letzte Rest Verstand sah ein, dass ich besser den Blick abwandte, sonst würde mich dieser Engel auf Erden garantiert für durchgeknallt halten. Ich wollte auf den Boden sehen, aber irgendwie suchte ich ihn im Himmel und fand ihn nicht. Schließlich erinnerte ich mich daran, dass der Boden unter mir war und starrte peinlich berührt auf meine Füße. Er trug im übrigen Schuhe aus feinem Leder.

„Cassie?“, fragte Alan noch einmal und leise flüsterte ich: „Ja?“ Meine Stimme war hoch, als hätte ich Helium genommen. „Vergiss das atmen nicht“, hörte ich ihn schmunzeln – wie lieblich es klang… „Cassie, atmen“, erinnerte er mich noch einmal und ich schnappte nach Luft. Langsam sah ich auf und musste die ganze Zeit daran denken, dass er auch bloß ein Mensch war, damit ich nicht weiter mit dem Gedanken spielte, einem Engel wie ihm einen Schrein zu bauen, um ihn zu verehren. Das Denken funktionierte wieder besser, seitdem ich weiter atmete und Alan sah mich forschend an, als wolle er herausfinden, was in meinem Kopf vorging. Tja, wenn er es herausfinden sollte, wäre es nett, wenn er es mir sagen könnte, ich hatte nämlich nicht die geringste Ahnung.

„Cassie…“ – Er schien meinen Namen wohl zu mögen, so oft wie er ihn sagte.

„Bist du es wirklich?“, murmelte er und ich sah ihn irritiert an. „Na ja… also… eigentlich… heiße ich Cassie Uley… a… aber… früher… da… da hieß ich… Hayes.“ Warum konnte das Mundwerk nicht so funktionieren, wie ich es wollte?! Es wäre nämlich viel angenehmer, wenn ich mich nicht wie der letzte Dorftrottel benehmen würde. Flüssige Sätze, das wäre mal eine Idee. Sollte ich in nächster Zeit in die Tat umsetzen…

„Cassie Uley… mir gefällt Hayes besser“, antwortete er und lächelte.

Nein, Cassie, jetzt sieh ihm nicht in die Augen!’ Gerade noch rechtzeitig sah ich wieder auf den Boden.

„Cassie“ – schon wieder nannte er meinen Namen – „ich habe dich gesucht.“

Okay, irgendwo war hier sicherlich eine verstecke Kamera angebracht. Ein Gag von Quil und den anderen. Garantiert!

„Ich habe dich schon lange gesucht“, wiederholte er, während ich unauffällig Ausschau nach der Kamera hielt. „Du bist deiner Mutter wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten. Natürlich, sie hatte längst nicht so eine helle Haut und hatte auch nicht solche Haare, aber ihr hattet die gleichen Züge.“ Ich sah ihm nun doch in die Augen, aber meine Gedanken fixierten sich jetzt völlig auf meine Mutter. Was sollte das heißen?

„Ja, ich hatte mit ihnen zu tun“, sagte er seelenruhig und ich sah ihn abschätzend an. Er konnte höchstens zwei oder drei Jahre älter sein als ich, wie konnte er sie kennen oder sich so gut an sie erinnern? Seine Hand schnellte nach vorn und griff nach einer Strähne. Er ließ sie zwischen seinen Fingern hindurch gleiten und seufzte, als er dabei leicht meine Wange berührte. Er fühlte sich kalt an. Dann zog er seine Hand zurück und verneigte sich ein wenig. „Wir sehen uns wieder, Cassie. Das schwöre ich dir.“ Ich blinzelte nur einmal, doch schon war er verschwunden. Ich rieb mir die Augen, aber es war, als wäre er nie da gewesen. Nur die Stelle, an der seine Hand meine Wange berührt hatte, schien nun in Flammen zu stehen. Das Blut rauschte mir in den Ohren, als mein Herz wieder begann zu schlagen. Ich hatte das Gefühl, es hätte in der Zeit des „Gesprächs“ stillgestanden.

Alan Alexis Ayden Adams.

Hm… war Alexis nicht ein Mädchenname?
 

„Nein, Alexis ist ursprünglich ein Männername, aber neuerdings ist er als Mädchenname verbreiteter“, erklärte mir Emily noch ein wenig verschlafen. Wir saßen in ihrer Küche, sie hatte bereits geschlafen, als ich bei ihr an der Tür geklopft hatte. Selbstverständlich war es unhöflich, Leute um kurz vor zwölf aus dem Bett zu holen, wenn sie einen langen Tag gehabt hatten, aber ich hatte mit jemandem reden müssen und Emily war die einzige gewesen, die mir eingefallen war. Mit Mum und Sam konnte ich nicht reden, schließlich machte ich bei ihnen noch einen auf stumm, aber mit Embry oder Quil wollte ich auch nicht sprechen. Irgendwann war mir Emily in den Sinn gekommen und sie hatte mir freundlich die Tür geöffnet – wenn auch ein wenig müde. Aufgeregt hatte ich ihr von Alan erzählt und mit jedem Wort war sie neugieriger geworden.

„Da hast du wirklich jemanden außergewöhnlichen getroffen“, lächelte sie mich freundlich an und ich nickte. „Ja, ich sag’s dir, Emily, er ist atemberaubend – im wahrsten Sinne des Wortes.“ „Hast du dich etwa in ihn verliebt?“, wollte Emily wissen, aber ich schüttelte den Kopf. „Ich bin oberflächlich, aber doch nicht so.“ Sie atmete erleichtert aus und ich rührte in dem Kakao, den sie mir gemacht hatte.

„Das ist wirklich nett, dass du dir Zeit nimmst. Mitten in der Nacht…“ „Ist doch kein Problem. Du bist Sams Schwester und außerdem kann ich dich wohl kaum einfach so draußen stehen lassen. Da braut sich etwas zusammen“, murmelte sie mit Blick aus dem Fenster. „Ein Gewitter ist im Anmarsch.“ Ich folgte ihrem Blick und merkte, dass der Mond hinter einer dicken Wolkenschicht verschwunden war.

„Emily? Dürfte ich heut Nacht vielleicht hier schlafen? Ich mag nicht nach Hause…“ Ich sah Emily flehend an und sie lächelte. „Klar, du kannst auf dem Sofa schlafen, wenn es dir nichts ausmacht.“ „Nein, Sofa ist voll in Ordnung.“ Sie nickte. „Wir dürften die gleiche Größe haben. Ich hol dir einen Schlafanzug von mir.“ „Danke, das ist lieb.“ Sie stand auf und verließ den Raum, während ich gedankenverloren aus dem Fenster sah. Alan Alexis Ayden Adams. Ein wunderschöner Name. Für einen wunderschönen Menschen.

Als ich eine Stunde später auf der Couch lag und in den Himmel sah, ließ ich die letzten Tage Revue passieren. Es war wie damals, als ich in Côte d’Ivoire ankam. Alles war neu, alles fremdartig. Denn so kam mir La Push vor. Äußerlich hatte sich nichts verändert, aber innerlich hatte sich meine einst heile Welt um hundertachtzig Grad gedreht. Sie hatten mich all die Zeit angelogen. Und warum musterten mich alle erst, wenn sie mich trafen? Meine Freunde, der Doktor, Bella, Rosalie und Emmett…

Zudem… ich hatte zuvor noch nie jemanden getroffen, der genauso blass war wie ich. Der sogar noch ein wenig weißer schien. Und jetzt? Die Familie Cullen und dieser Alan… Sogar die Augenfarbe – auch wenn ich die bei Edward und Alice nicht kannte. Und wie sah Mrs. Cullen aus? Wahrscheinlich auch so. Bella hatte von fünf Kindern gesprochen. Wie war also Nummer Fünf? Schon seltsam, ich hatte mein Leben lang niemanden getroffen, der so aussah und dann gleich eine ganze Familie? Durch Adoption? Sammelte dieser Dr. Cullen etwa solche Kinder? Wenn ja, ich würde mich freiwillig bei ihm melden. Ich wollte nicht länger bleiben. Nicht solange man mich hier anlog.

„Lügner“, grummelte ich und zog mir die Decke über den Kopf. „Ihr seid alle Lügner…“
 

Emily Young hatte nicht lauschen wollen, aber nun war es geschehen. Sie dachte nicht mehr daran, sich etwas zu trinken zu holen und ging zurück in ihr Zimmer, nahm das Telefon und wählte die Nummer ihres Verlobten. „Sam? Ich bin es… Tut mir Leid, wenn ich dich wecke…“ Sie lauschte seiner Stimme, dann sprach sie weiter. „Cassie ist hier. Sie wollte nicht nach Hause. Ich dachte, sie hätte vielleicht keine Lust, nass zu werden, sollte es gleich anfangen zu regnen, aber eben hat sie im Schlaf gesprochen oder so.“ Sie wusste, dass Sam ihr nun seine ganze Aufmerksamkeit schenkte. Da war es egal, dass er erst vor einer halben Stunde nach Hause gekommen war, weil Paul sich in letzter Zeit nicht unter Kontrolle hatte. „Sie sagte: ‚Ihr seid doch alle Lügner.’ Ich dachte mir, das solltest du wissen, weil sie sich doch so seltsam benimmt. Vielleicht hat sie irgendetwas mitbekommen.“ Sam schwieg eine ganze Weile, dann sagte er mit fester Stimme: „Ich werde morgen mit ihr reden.“ „Aber sie sagt doch nichts!“, erwiderte Emily und dachte an das schlafende Mädchen in ihrem Wohnzimmer. Cassie tat ihr Leid. Dass sie heute gleich drei Vampiren begegnet war und am Vortag auch noch zweien, verschwieg sie Sam lieber. Nachher käme der große Bruder durch… Emily wollte gar nicht wissen, was dann geschah. Großer Bruder und Werwolf? Das könnte eine brenzlige Mischung werden. Sie dachte an jenen Nachmittag zurück, an dem er einmal die Kontrolle verloren hatte, und schauderte. Sie konnte mit ihren Narben leben, aber nicht mit der Erinnerung an die Angst, die sie damals durchlebt hatte.

„Emily?“, fragte Sam und holte sie zurück in die Realität. „Ja?“ „Hast du mir gerade zugehört?“ „Nein“, gestand sie. „Nun, du hast jedenfalls Recht. Reden bringt vielleicht wirklich nichts. Ich sollte mit Quil und Embry sprechen. Vielleicht ist ihnen etwas aufgefallen.“ „Mach das.“ „Danke, dass du mir Bescheid gesagt hast und dass du dich um sie kümmerst.“ Emily setzte sich und sah schweigend aus dem Fenster. Schließlich sagte sie: „Ich liebe dich, Sam.“ „Ich liebe dich auch. Mehr als mein Leben“, antwortete er und sie legten auf. Emily ließ sich aufs Bett sinken und versuchte sich den Vampir vorzustellen, den Cassie ihr beschrieben hatte. Ja, wenn er so aussah, wie sie ihn beschrieben hatte, musste er tatsächlich einem Engel gleichen, doch sagte man das nicht von allen Vampiren?

Außerdem… Gott schickte seine Engel nicht auf die Erde. Hierhin kamen nur jene, die ihn verraten hatten.
 

Er versicherte sich gerade, dass die Decke sie warm hielt, als Bella die Augen aufschlug. Er hatte gar nicht gemerkt, dass sie wach gewesen war, sie wurde immer besser darin, ihm etwas vorzumachen. „Hey“, hauchte er in ihr Ohr und küsste sie sanft. „Was kommt für Besuch?“, fragte sie und er seufzte. Sie hatte ihn den ganzen Abend mit dieser Frage gelöchert. „Rosalie und Emmett hätten das nicht erwähnen sollen“, murrte er und strich ihr durchs Haar. „Was kommt für Besuch?“, fragte sie noch einmal und Edward haderte mit sich selbst. In wenigen Minuten würde er sich dafür verachten, dass er es ihr sagte, aber schließlich sagte er es doch: „Ein Vampir ist in Port Angeles. Scheinbar schon seit einiger Zeit, Alice hat ihn in einem kleinen Apartment gesehen, das so aussah, als wäre es schon länger bewohnt. Wir wissen natürlich nicht, wann das Gesehene eintrifft, aber wir denken, dass es bald geschieht.“ Bella war in seinen Armen ruhig geworden. Für einen Moment dachte Edward, sie wäre zu ruhig und möglicherweise wieder eingeschlafen, aber dann fragte sie: „Wisst ihr, was er vorhat?“ „Nein, wir sind uns nicht einmal sicher, ob er weiß, dass wir hier sind.“ Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust und flüsterte: „Ich habe keine Angst. Und wenn er die Hochzeit sprengen will… mein Gott, dann tut er das halt. Uns bringt nichts mehr auseinander. Es wäre nur schade für Charlie…“ Edward sah sie lange an. Er war sich sicher, dass sie nicht log. Dieses Mal machte sie ihm nichts vor.

Edward selbst machte sich jedoch um etwas ganz anderes Sorgen. Cassie. Mehr hatte er nicht. Nur den Namen und Bilder aus Emmetts und Rose’ Gedanken, sowie das Bild, das er von ihr hatte, als er sie über die Straße hinweg gesehen hatte. Mittlerweile waren sie sich sicher, dass sie kein Vampir war, allein durch die Tatsache, dass sie die Höhle des Löwen – La Push – überlebte und Carlisle sich sehr sicher war, dass sie keiner war. Wie sich herausgestellt hatte, waren sie sich bereits einmal begegnet. Er meinte, sie hätte trotz eines süßlichen Parfüms nach Werwolf gerochen. Rosalie und Emmett hatten dies untermauert. Es sei ihnen schwer gefallen, nicht die Nase zu rümpfen, außerdem floss durch ihre Adern Blut und sie war warm. Aber warum sah sie aus wie ein Vampir? Warum konnte Alice nicht sehen, was sie tat? Selbst wenn sie weit entfernt von den Werwölfen war, konnte sie nicht sagen, was sie im nächsten Moment tun würde. Und Edward selbst, er konnte ihre Gedanken nicht lesen. Langsam begann er sich Sorgen zu machen. Er hatte immer gedacht, Bella sei einzigartig. Aber diese Cassie schien sie zu toppen.

Und dann tauchte sie gleichzeitig mit dem fremden Vampir auf. Möglicherweise gehörten sie sogar zusammen. Sie mussten wissen, wer Cassie war, aber wie konnten sie das herausfinden? Sie konnten unmöglich nach La Push und er wollte es Bella nicht zumuten.

Scheinbar hatte sich irgendwer gegen die Cullens verschworen, so kam es Edward vor. Er wusste, dass Bella Cassie mochte und er würde sie nicht von ihr fernhalten, aber er würde auf sie aufpassen. Er würde Bella ganz sicher nicht aus den Augen lassen. Die Gefahr war zu groß. Er war bloß froh, dass Victoria nicht mehr war…
 

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Jop, Eddie kann froh sein, dass er die schon erledigt hat.^^

Kommis?

Wiedersehensfreude

Drei Wochen vergingen. Drei Wochen, in denen ich schwieg. Drei Wochen, in denen ich nur mit wenigen sprach, doch mit denen dafür umso mehr. Ich lernte Emily kennen. Lernte sie schätzen und lieben. Sie war wie die große Schwester, die ich nie gehabt hatte – egal, wie kitschig das klang. Sie kümmerte sich um mich, aber sie wusste auch, dass ich sie nur besuchte, wenn ich mir sicher war, dass niemand sonst da war. Das war meistens abends. Ich schlief häufig bei ihr. Sehr häufig. Häufiger bei ihr als bei mir.

Aber da gab es auf einmal noch einen Menschen in meinem Leben. Bella und ich trafen uns beinah täglich in Port Angeles, hin und wieder in Forks und einmal in Seattle. Ich hatte mittlerweile den Führerschein und Sams altes Auto, sodass es kein Problem war, zu Bella zu fahren, wann immer ich wollte.

Bei ihr fiel es mir leicht zu reden, ich konnte ihr alles erzählen. Alles. Selbst wenn Edward und Alice dabei waren. Ich konnte kaum glauben, wie perfekt die beiden waren. Sie sahen aus wie Topmodels, waren intelligent und zudem nett und zuvorkommend – und verschwiegen.

Bella und ich lagen in ihrem Garten auf einer Decke und fingen die letzten Sonnenstrahlen an diesem späten, ungewöhnlich guten Sommerabend auf. „Schade, dass Edward plötzlich abgesagt hat“, murmelte ich und Bella nickte. „Ja, da hab ich schon einmal sturmfrei, weil Charlie bei Billy ist und dann das.“ Sie stöhnte und nahm einen Schluck von dem frisch gepressten Eistee. Ich setzte mich auf und sah sie an. „Übrigens, danke, dass ich kommen kann, wann ich will.“ Sie lächelte mich an. „Ist doch kein Problem. Ich hab zwar keine Ahnung, worum es in dem Streit mit deiner Familie geht, aber wenn ich dir helfen kann…“ „Das tust du“, unterbrach ich sie und legte mich wieder neben sie. Sie stützte den Kopf auf die Hand und musterte mich.

„Und du wirst wirklich nie braun?“ „Nö. Irgendwie nicht. Ich komm mir ganz komisch vor in La Push…“ Sie lachte. „Kann ich mir vorstellen. Früher dachte ich immer, ich wäre blass, dabei lebte ich in Phoenix, aber dann traf ich Edward und seine Familie und nahm alles zurück. Und jetzt bist du da. Verrückt…“ Sie schüttelte nachdenklich den Kopf.

„Hast du eigentlich diesen Alan mal wieder gesehen?“, fragte sie und sah so aus, als würde sie die Antwort kennen. Und sie kannte die Antwort. Wäre ich ihm begegnet, hätten sie und Emily sofort davon erfahren. „Nein, leider nicht.“ „Der Typ hat sich echt komisch benommen“, dachte sie laut und ich nickte. „Irgendwie schon. Aber im Nachhinein wundert’s mich, dass er nichts mit Edward und seiner Familie zu tun hat. – Wahrscheinlich glitzert der Typ auch noch in der Sonne…“ Bella verschluckte sich an einem Schluck Eistee und ich schlug ihr sanft auf den Rücken, während sie nach Atem rang. „Glitzern? Wie kommst du darauf?“, würgte sie hervor und ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, kam mir grad so in den Sinn. Ich meine, das fehlte jetzt noch. Vampire zerfallen in der Sonne zu Staub, er glitzert.“ Sie lachte erstickt. „Stimmt…“ Sie atmete einmal tief durch, als sie wieder Luft bekam. „Ja, das fehlte echt noch.“ Sie sah hoch zu ihrem Fenster und ich folgte ihrem Blick. „Ist da etwas?“ „Nein… sag mal, was hältst du davon, wenn wir Edward und Alice besuchen? Dann siehst du gleich mal, wo sie wohnen. Das Haus ist wirklich wunderschön.“ „Können wir“, murmelte ich unsicher und sie sprang auf. „Aber nicht, dass wir stören“, meinte ich unsicher, sie winkte ab. „Unsinn! Ich bin Edwards Verlobte! Wir stören nicht.“ Ich erschrak. „Ihr seid verlobt?“ „Ja, habe ich das nicht erwähnt?“ Ich schüttelte den Kopf. „Na ja… jetzt weißt du’s ja. Ich hätte dich sowieso bald zur Hochzeit eingeladen.“ „Wann findet die denn statt?“ „12. August. Ich hoffe du hast noch nichts vor.“ Ich schüttelte wieder den Kopf.

Spätestens in diesem Moment hätte es bei mir klick machen müssen. Genug Informationen hatte ich. Sie war achtzehn, heiratete im August und kannte Billy Black, den Vater von Jacob Black. In diesem Moment hätte ich merken müssen, dass sie das Mädchen war, in das sich Jake verliebt hatte. Das Mädchen, das ich am liebsten umbringen würde. Doch zu Bellas und meinem Glück klickte es bei mir nicht…

Wir setzten uns gerade in Bellas Transporter, als ein VW in die Straße einbog und Bella erstarrte. Ich sah an ihr vorbei und erkannte das Auto auf den ersten Blick. Meine Beine glitten wieder aus dem Auto heraus und ich stellte mich daneben. Ich klammerte mich an die Autotür, sonst hätten meine Beine nachgegeben. Das Auto hielt vor dem roten Transporter und nun konnte ich auch erkennen, wer hinter dem Steuer saß – auch wenn ich es schon vorher gewusst hatte. Der Fahrer stieg locker aus, sah Bella kurz an und nickte ihr zu. „Hallo, Cassie. Schön dich zu sehen“, lächelte er mich schließlich an und breitete die Arme für mich aus.

Einen Moment lang konnte mein Körper sich nicht bewegen, dann sprang ich ihm in die Arme und Tränen rannen über meine Wangen. „Jake“, flüsterte ich immer wieder und sah schließlich hoch in sein Gesicht. Er musste knapp zwei Meter groß sein und so legte ich den Kopf in den Nacken. Er sah gut aus. Er hatte markante Züge bekommen und kurze Haare. Er sah aus wie auf den alten Bildern von Billy früher. „Hey, was hast du denn?“, fragte er einfühlsam und nahm mein Gesicht in seine großen Hände. „Nichts, ich habe dich nur furchtbar vermisst“, schluchzte ich und er nahm mich wieder in seine Arme. „Woher wusstest du, dass ich hier bin? Und wo warst du überhaupt?“, fragte ich leise. Nicht einmal Emily wusste, wo ich tagsüber war. „Erstens Intuition und zweitens bin ich wieder da, das sollte dir doch genügen, oder?“, grinste er mich an und ich drückte mich noch fester an ihn. „Oh, Jacob…“ „Ist ja gut, Cassie“, beruhigte er mich. „Ich verschwinde schon nicht wieder. Aber jetzt lass uns zurück nach La Push – und schnür mir nicht die Luft ab.“ Ich nickte begeistert. „Bella, entschuldigst du mich? Wir besuchen sie ein anderes Mal, ja?“ Bella war kreidebleich und als sie sprach, war ihre Stimme dünn. „Klar. Ein anderes Mal…“ Ich kehrte schnell noch einmal zu ihr zurück und umarmte sie. „Ich komme sehr gern zu eurer Hochzeit“, flüsterte ich ihr ins Ohr und sie lächelte schwach, als ich sie ansah. „Bis dann“, trällerte ich, noch immer mit einem von Tränen überströmten Gesicht. „Bis dann“, antwortete sie trocken und ich sah zu meinem Wagen. „Den hol ich morgen ab, wäre das okay?“ „Natürlich…“ Schnell sprang ich zu Jacob ins Auto auf den Beifahrersitz und strahlte ihn an. „Wo warst du?“, fragte ich, als er den Motor startete und geheimnisvoll sah er mich an.

Hätte ich in den Rückspiegel gesehen, hätte ich bemerkt, dass Edward plötzlich neben Bella stand, sie an sich drückte und hochhob, während sie wie eine Puppe dem Auto hinterher sah. Sie war völlig erstarrt. Aber ich sah nicht zurück. Jake ebenso wenig. Erst drei Wochen später würde ich erfahren, was hier ablief…

Ich versuchte während der ganzen Fahrt herauszufinden, wo Jacob gewesen war, aber er sagte keinen Ton. Er legte nur einen Arm um mich, zog mich an sich und legte sein Kinn auf meinem Kopf ab. „Sei einfach ein bisschen still, okay, Cassie? Ich möchte mit dir einfach ein bisschen die Stille genießen – so wie früher.“ Ich antwortete nicht. Mein Schweigen war meine Antwort.

Wir erreichten schnell La Push. Zu schnell. Jacob schien es eilig zu haben. Er sprang vor unserem Haus aus dem Auto und langsam stieg ich auch aus. Ich wollte eigentlich gar nicht hierher, aber Jake legte einen Arm um meine Schultern und zog mich wie selbstverständlich mit ins Haus. Natürlich, es war selbstverständlich für ihn. Er wusste ja nichts davon, dass ich nicht mehr mit Mum und Sam sprach, wenn ihm nicht jemand davon erzählt hatte.

Er öffnete die Tür und rief: „Wir sind wieder da!“ Mum kam die Treppe runter und blieb in zwei Meter Entfernung von mir stehen. „Gehen wir hoch, Jake?“, fragte ich leise, aber er schüttelte mit dem Kopf. „Ach, was, lass uns doch hier unten bleiben. Die anderen kommen auch gleich.“ Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass ich mit ihm allein sein wollte. Aber ich wusste überhaupt nicht, wie ich mich verhalten sollte…

So kam es, dass ich eine halbe Stunde später neben ihm auf dem Sofa saß, umringt von Quil, Embry, Sam, Jared, Paul, Mum, Sue, Leah, Emily, Billy und Quil Senior. Bis auf Leah und Emily gehörten sie alle zu den Verrätern. Aber wer konnte mir sagen, dass Leah es nicht auch wusste? Dass sie mich nicht auch all die Jahre belogen hatte? Wer konnte mir das sagen?

Jake erklärte, er wäre in Kanada gewesen, um sich abzuregen, mehr sagte er nicht. Er forderte die anderen auf zu erzählen, was hier passiert war, aber angeblich war nichts Besonderes geschehen, wenn man davon absah, dass ich zurückgekehrt war. Jake schien mit der Antwort zufrieden zu sein und sah die anderen musternd an. Es ging auf Mitternacht zu. Ich hatte das Gefühl, fliehen zu müssen, aber meine Beine bewegten sich nicht. Warum sollten sie auch? Hier gab es keine Gefahr für mich.

Paul stand ruckartig auf und verließ das Haus, wir anderen sahen ihm hinterher. „Was ist los?“, fragte Emily leise, aber niemand antwortete. „Ich könnte ein wenig frische Luft vertragen“, sagte Jacob und streckte sich. „Embry, Quil, kommt ihr mit raus?“ Ich sah ihn mit großen Augen an, aber er ignorierte mich. Wahrscheinlich wollte er mit den beiden ein wenig allein sein. Verständlich… Männersachen klären und so… Da hatte die beste Freundin nun einmal nichts zu suchen – ob sie nun dazugehörte oder nicht.

Als Jacob das Haus verlassen hatte, stand auch ich auf und ging in mein Zimmer. Ich sah aus dem Fenster und nahezu fluchtartig verließen auch Sam, Jared und Leah das Haus. Sie rannten in den nahe gelegenen Wald, riefen sich Dinge zu, die ich nicht verstand und nur Momente später hörte ich das Heulen eines Wolfes. Was geschah hier?

Ein Rascheln im Schrank ließ mich herumwirbeln. Was war denn das gewesen?

Leise schlich ich auf den Schrank zu und riss ihn mit einem Ruck auf. Sofort stieg mir ein süßlicher Duft in die Nase und benebelte meine Sinne. Aber ich war viel zu angespannt, sodass die Wirkung mich nur kurzfristig entspannte. Ich sah in goldene Augen, die mich anstarrten, deutlich ertappt. „Alan“, quietschte ich und wusste nicht, was ich fühlen sollte. Freude über das Wiedersehen oder Schock, weil er in meinem Kleiderschrank war. Seine Hand schnellte vor, drehte mich herum und presste sie auf meinen Mund, während er mich in den Kleiderschrank zog und sich die Tür schloss. „Kein Ton“, warnte er leise, als die Tür aufging. Zitternd blieb ich ruhig. Es war nicht unbedingt Angst, die mich zum zittern brachte, vielmehr seine Kälte. Im Gegenteil, ich fühlte mich wohl, als er mich berührte, auch wenn es sich zuerst angefühlt hatte, als schieße jemand tausende von elektrischen Stößen durch meinen Körper.

„Cassie?“, fragte Mum, aber ich antwortete nicht, obwohl Alans Hand langsam von meinem Mund glitt. „Hm, vielleicht ist sie im Bad“, hörte ich Sue überlegen. „Ich mache mir Sorgen um sie. Mehr als um Sam, obwohl er es wohl wesentlich schwieriger hat…“, sagte Mum noch, dann fiel die Tür ins Schloss. Ich spürte, wie die Anspannung aus Alans Körper wich und befreite mich aus seinem Griff. Ich holte tief Luft, während ich aus dem Kleiderschrank auf mein Bett stolperte. Noch eine Sekunde länger und sein Duft hätte mir das Bewusstsein geraubt. Alan folgte mir aus dem Schrank raus und legte mir wieder seine Hand auf den Mund – und ja, ich fühlte mich sehr unwohl, als er sich über mich beugte und mir dann auch noch den Mund zu hielt. „Bitte, sei still“, hauchte er und ich nickte zaghaft. Er stand auf, zog die Vorhänge zu und schloss das Fenster. „Sind alle Wölfe aus dem Haus?“, fragte er leise und schloss die Tür, zog sogar den Schlüssel ab. „Wölfe? Was für Wölfe?!“, zischte ich und richtete mich wieder auf, strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Die Werwölfe, welche denn sonst?“ Ich konnte kaum glauben, was er da gesagt hatte.

Werwölfe?

„Ticken jetzt alle Leute aus, die ich kenne?!“, fluchte ich, aber er legte beruhigend seine kalten Hände auf meine Schultern, wieder kam es mir vor wie ein elektrischer Schlag. „Ganz ruhig, Cassie… du willst damit sagen, du weißt nichts?“ Er sah irritiert aus. „Gar nichts?“ Immer noch ahnungslos und ihn für unzurechnungsfähig haltend sah ich ihn an. „Wovon sprichst du?“ Er seufzte und ließ den Kopf hängen. „Ich sehe, ich muss dir noch einiges erklären. Aber hier geht das nicht. Deine Freunde kehren bald zurück und wenn sie mich hier finden, reißen sie mich zweifellos in Stücke… Hättest du etwas dagegen, wenn ich dich kidnappe?“
 

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Doofe Frage... Wer hat schon etwas dagegen, wenn man gekidnappt wird... *kopfschüttel*

Kommis?^^

Vampirgeschichten

„Das ist Entführung! Ich hoffe, das weißt du!“, zischte ich wütend, versuchte verzweifelt, mich aus seinem Griff zu befreien. „Nicht wirklich, ich habe ja gefragt, ob du etwas dagegen hättest.“ „Und ich hab ja geantwortet!“, keifte ich, während er mit mir auf den Armen das Dach hinunterging und schließlich wie eine Katze auf dem Boden landete. „Ich hab nämlich etwas dagegen!“ Er lief gemütlich mit mir zur Hauptstraße, setzte mich in ein Auto und ehe ich mich versah, saß er hinter dem Steuer. „Morgen darfst du wieder nach Hause“, sagte er, als er die Straße Richtung Port Angeles entlang bretterte. „Wie nett von dir“, giftete ich ihn an, aber er schien mich glorreich zu ignorieren. „Wovon hast du eben gesprochen?“, fragte ich freundlicher. „Die Tonlage gefällt mir besser“, sagte er und sah mich aus den Augenwinkeln heraus an. „Ich habe von Werwölfen gesprochen.“

„Das weiß ich.“

„Du glaubst nicht an Werwölfe, richtig? Genauso wenig, wie du wahrscheinlich an Vampire glaubst?“

„Nein, wieso sollte ich? Sie sind Gestalten aus Horrorfilmen und Büchern. Mehr nicht.“

„Sicher?“

„Natürlich!“

Ich verstand den Sinn dieses Gespräches nicht, aber ich ahnte bereits schlimmes. In meinem Magen machte sich ein beunruhigendes Gefühl breit. Warum führten mich in letzter Zeit alle Gespräche zu Vampiren?

Er lächelte mich überaus freundlich an und setzte einen verführerischen Blick auf, aber ich rückte zurück und sagte drohend: „Ich warne dich. Das zieht bei mir nicht.“ Alan lachte, lenkte den Wagen auf den Seitenstreifen und hielt kurz darauf. Langsam beugte er sich zu mir vor und ich wich immer weiter zurück, stieß jedoch schließlich gegen die Tür. „Sicher?“, fragte er und die Alarmglocken schrillten in meinem Kopf. „Atmen!“, schrien sie, aber ich ignorierte sie völlig. Er kam immer näher, bis er sich wieder hinters Lenkrad setzte und weiterfuhr, als wäre nichts geschehen. Atemlos starrte ich ihn an. „Ich mache dir einen Vorschlag. Du begleitest mich heute in mein Apartment nach Port Angeles, du hörst dir meine Geschichte an und morgen früh bringe ich dich zurück. Abgemacht? Es wird deine Entscheidung sein, ob du mir glaubst.“ Ein wenig widerwillig nickte ich. „Okay.“

Den Rest der Fahrt schwiegen mir, was wohl daran lag, dass ich aus dem Fenster sah und Angst um mein Leben bekam. Alan fuhr schnell. Zu schnell. Viel zu schnell! Aber ihn konnte ich auch nicht ansehen. Schließlich wollte ich so tun, als wäre ich sauer auf ihn, weil er mich einfach entführte, aber letztendlich war das freilich sinnlos. Jemand wie er durchschaute mich wahrscheinlich im Bruchteil einer Sekunde.

Meine Wut klang auch so schnell ab, wie sie gekommen war. Nicht einmal meine Angst konnte das gute Gefühl in mir vertreiben. Es fühlte sich wunderbar an, ihn neben mir zu wissen. Es war, als wärme er mein Herz, obwohl er so kalt war. Ich lächelte mein Spiegelbild in der Fensterscheibe an. Warum war ich so glücklich? Warum hatte ich das Gefühl, dass ich mich noch nie zuvor so vollständig gefühlt hatte? Wer war Alan?

„Cassie, wir sind da“, sagte Alan und hielt. Ich stieg aus und sah mich um. Wir standen vor einem Haus mit mehreren Apartments und nachdem er aufgeschlossen hatte, ging er bereits die ersten Stufen der Treppe hoch, bevor er innehielt. „Wir sollten den Fahrstuhl nehmen“, meinte er und so warteten wir, bis der Fahrstuhl kam. Wir schwiegen beide, doch schließlich plingte der Aufzug und die Türen schoben sich auf. Alan ließ mir den Vortritt und drückte schließlich auf den Knopf für den fünfzehnten Stock, das oberste Stockwerk. Da hatte er ernsthaft zuerst zu Fuß hochgewollt?! Das musste ein Scherz gewesen sein…

Der Fahrstuhl brauchte nicht lange, bis er oben war, aber das Schweigen war ohrenbetäubend. Lauter als jedes Heavy-Metal-Konzert.

Schließlich machte der Fahrstuhl wieder das gleiche Geräusch wie zuvor und er zückte seinen Wohnungsschlüssel. Er betrat die Räume zuerst und schaltete das Licht an. Ich war inzwischen an ihm vorbeigegangen und sah mich staunend um. Er lebte in einem riesigen Loft mit Decken, so hoch, dass ein Riese hier rein passte. Vier, vielleicht fünf Meter. Das Loft hatte eine Fensterfront und man konnte auf ganz Port Angeles hinabblicken. Küche, Wohn- und Esszimmer waren in einem Raum, nur durch Bücherregale voneinander getrennt, die auch bis an die Decke reichten. An der Wand des Wohnzimmerbereiches hingen Regale mit CDs und DVDs. Im Essbereich hingegen hingen Bilder. Links von mir waren vier Türen.

„Gefällt sie dir?“, fragte Alan und ich nickte sprachlos. „Setz dich. Möchtest du etwas essen? Oder trinken?“ Ich schüttelte den Kopf und ließ mich auf das karmesinrote Sofa sinken, das gut in ein altes Herrenhaus gepasst hätte.

„Also, was wolltest du erzählen?“, fragte ich schließlich, als ich mich wieder daran erinnerte, wie man sprach und sah ihn an. Er setzte sich mir gegenüber und schob in Gedanken versunken die CDs herum, die dort lagen. „Ich muss dich vorher darum bitten, dass du unser Gespräch vertraulich behandelst. Du darfst niemandem davon erzählen.“ „Einverstanden.“ Er atmete tief durch und sah auf die Stadt, die ruhig dalag. Schlafend.

„Nun, dass du nicht an Vampire und Werwölfe glaubst, weiß ich mittlerweile, aber wenn ich dir einen Rat geben darf… du solltest diese verkrampfte Haltung ablegen. Sie bringt dich hier nicht weiter.“ Ich fragte mich, was er meinte, dann suchte sein Blick meinen. „Du glaubst wahrscheinlich auch nicht an Übernatürliches, nicht?“ Ich brauchte nichts zu erwidern, er kannte die Antwort. „Du solltest aber daran glauben. Gut, wir sind nicht unbedingt übernatürlich, wir existieren ganz normal, genauso wie alle anderen Lebewesen auch und wir sind auch kein Ergebnis eines gescheiterten Experiments, aber Menschen sind wir auch nicht.“ „Wovon zum Teufel sprichst du?“, fragte ich und konnte ihm nicht mehr folgen. „Ich bin ein Vampir, Cassie. Und deine Freunde, die Jungendlichen von La Push, sind Werwölfe. Allesamt. Deshalb wollte ich nicht, dass wir dort bleiben. Vampire und Werwölfe sind Todfeinde. Wir stoßen uns gegenseitig ab. Ihre Körper glühen, unsere sind kalt – und besonders gut riechen tun sie auch nicht. Tut mir Leid, wenn das drastisch klingt, aber du stinkst fürchterlich nach ihnen. Ich wäre in diesem Schrank fast wahnsinnig geworden.“

„Du hast einen Sprung in der Schüssel“, murmelte ich und zeigte ihm den Vogel. „Wirklich?“, fragte er. „Wie erklärst du dir dann, dass ich Dinge bewegen kann, ohne sie anzufassen.“ „Das will ich sehen“, lachte ich und er deutete auf den Vorhang. „Pass gut auf.“ Er sah mich an, aber plötzlich begann der Vorhang sich zu bewegen und surrte über die Gardinenstange. Nachdem der Vorhang an der einen Seite angekommen war, surrte er zurück. „Da gibt es sicherlich einen Trick“, behauptete ich und wusste, dass ich log. „Okay, geh zum Bücherregal, such dir ein Buch aus und ich lasse es auf den Tisch fallen.“ Automatisch erhob ich mich und ging zu einem der Regale. „Dorian Gray“, sagte ich, als ich das Buch entdeckte und auf einmal bewegte es sich, kam aus der Reihe hervor und schwebte einen Moment lang vor meinem Gesicht, dann näherte es sich Alan und fiel vor ihm auf den Tisch. „Bist du jetzt bereit, dir meine Geschichte anzuhören und sie auch zu glauben?“, fragte er, ohne mich anzusehen und zitternd setzte ich mich wieder, was er als Ja auffasste. Er tat einige tiefe Atemzüge, bevor ich wieder seine wunderschöne Stimme hörte – mit einem Klang tiefer Trauer.

„Es war etwa ein Monat vor meinem achtzehnten Geburtstag, als ich nachts aufwachte. Die Tiere waren unruhig und ich hörte Geräusche im Haus. Mein Vater war ein reicher Seemann und auf Reisen. Er hatte meine Mutter, meine drei Schwestern, meinen Bruder und mich mit dem Personal zurückgelassen und weil mein Bruder jünger war als ich, trug ich alle Verantwortung in jener Nacht. Wie gesagt, ich hörte jene Geräusche und stand auf. Ich verließ mein Zimmer und begegnete meinem zwei Jahre jüngeren Bruder. Ich fragte ihn, was los sei, aber er wusste es nicht. In dem Zimmer unserer Schwestern, Zwillinge, hörten wir ein leises Ächzen und wir sahen uns an. Wir hatten keine Ahnung was los war, aber wir spürten Angst in unseren Adern fließen. Die Luft schien im ganzen Haus still zu stehen. Der Hund im Zwinger bellte und die Nachtigall schwieg. Kein Blatt regte sich im Wind…“

Seine Stimme wurde immer leiser und sein Blick fixierte einen Punkt vor sich. Warum erzählte er mir all das? Sollte ich das überhaupt glauben? Als ob meine Freunde Werwölfe wären… Am vernünftigsten wäre es gewesen, wenn ich jetzt gegangen wäre. Ich konnte mir nicht erklären, warum ich es nicht tat.

„Mein Bruder und ich gingen zur Zimmertür unserer Schwestern und lauschten. Schritte. Schwerer Atem. Wir stießen die Tür auf und ich erinnere mich noch, dass etwas Weißes auf uns zurauschte. Mein Bruder sackte tot neben mir zusammen, bevor wir kapierten, was geschah, und ein Mann baute sich vor mir auf. Er sah gut aus. Weiße Haut. Das Gesicht des Prinzen, von dem meine Schwestern immer geträumt hatten. Rote Augen. Blut im Wundwinkel. Ich werde dieses Gesicht nie vergessen. Ich werde diesen Moment nie vergessen. Meine Schwestern lagen in ihren Betten. Es sah so aus, als schliefen sie friedlich, aber auf ihren Laken waren große Blutflecken. Sie waren tot. Mein Bruder lag ebenfalls tot neben mir auf dem Boden. Man konnte ihm noch die Angespanntheit ansehen. Wenigstens hatte niemand von ihnen gelitten. Sie alle waren friedlich im Schlaf gestorben. Etwas in mir sagte, dass meine Mutter, meine dritte Schwester und die Angestellten auch schon tot waren. Ich war als letzter übrig. Und es stand noch immer vor mir. Dieses Wesen… Es sah mich an. Von oben bis unten. Schließlich sagte es: ‚Du bist kräftig. Du hast einen wachen Blick. Du hast keine Angst im Angesicht des Todes.’ Seine Worte brannten sich in meine Erinnerung, aber er hatte Recht. In dem Moment hatte ich keine Angst und heute weiß ich auch wieso. Menschen haben Angst, wenn sie etwas verlieren können. Aber damals konnte ich nichts mehr verlieren. Meinen Vater vielleicht, aber der war weit weg. In Sicherheit.

Der Hüne fuhr fort: ‚Was hältst du davon, wenn ich dich zu etwas besserem mache? Etwas, das stärker und intelligenter ist, als es ein Mensch sein kann?’ Es war eine rhetorische Frage, aber ich antwortete trotzdem: ‚Nein. Ich will kein Monster werden.’ Trotzdem näherte er sich mir immer weiter und ich war wie eingefroren. Ich konnte mich nicht bewegen. ‚Mach dich auf Schmerzen gefasst’, murmelte er und schon spürte ich seine Zähne an meiner Kehle.“

Er langte über den Tisch zwischen uns, nahm meine Hand und zog mich sanft zu sich rüber. Seine Worte hatten jegliche Abwehr in mir auf ein Minimum reduziert, sodass ich um den Tisch herum ging und mich neben ihn setzte. Ich war gewillt, ihm alles zu glauben.

Er neigte den Kopf zur Seite, sodass ich eine sichelförmige Narbe an seinem Hals sehen konnte. „Da biss er mich.“ „D… darf ich?“, flüsterte ich und hob die Hand. Er nickte. Langsam ließ ich meine Finger an seinem Hals hoch gleiten und berührte ein wenig ängstlich die Narbe. Er zuckte zusammen, entspannte sich jedoch sofort wieder. „Tut mir Leid“, murmelte ich und zog den Bogen mit dem Finger nach. „Die Verwandlung zu einem Vampir ist sehr schmerzhaft. Sie dauerte zweieinhalb Tage bei mir. Bei anderen dauert es länger. Drei Tage sind normal, aber glaub mir: du bist um jede Sekunde, die sie weniger dauert, froh.“ „Wie fühlt es sich an?“, wollte ich wissen und betrachtete die Narbe aus jedem möglichen Winkel. „Das kannst du nur nachempfinden, wenn dein Körper schon einmal vollkommen in Flammen stand. Das Gift rast durch deine Adern zum Herzen und verteilt sich von dort im ganzen Körper. Es verbrennt dein Blut, härtet deinen Körper. Du wirst zu etwas anderem…“ „…einem Vampir“, beendete ich seinen Satz und schluckte. Obwohl es mir unglaublich vorkam, glaubte ich ihm. Bedingungslos.

„Der Vampir, der mich verwandelte, hieß Alastair. Er brachte mir die Grundlagen des Vampirdaseins bei. Er half mir dabei, meine übermenschlichen Kräfte zu kontrollieren und mehr über meine besonderen Talente herauszufinden. Als Mensch hatte ich schon besondere Fähigkeiten gehabt, wenn ich mich stark genug konzentrierte, konnte ich Dinge bewegen. Nur Zentimeter, aber ich konnte es. Ich hielt es geheim. Niemand wusste davon. Heutzutage rennt man Mentalisten ja förmlich nach, aber damals… Man hätte mich sonst auf dem Scheiterhaufen als Hexer verbrannt. Darauf war ich nicht sehr scharf.

Mit Alastair entwickelte ich diese Fähigkeit so weiter, dass ich mich nicht einmal mehr stark konzentrieren muss, um Dinge zu bewegen.

Und Alastair brachte mir das Jagen bei.“

Ich schluckte. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Wenn Alan ein Vampir war, dann musste er sich von Blut ernähren. Oder nicht? Automatisch sah ich mich um, aber Alan legte seine Hand an mein Kinn und sorgte dafür, dass ich ihn wieder ansah. „Ich werde dir nichts tun“, sagte er und ich konnte nicht anders, als ihm zu vertrauen. Ich hatte sowieso keine Chance. Alan war schneller und stärker als ich.

„Ich blieb nicht lange bei ihm. Nur anderthalb Jahre. Gerade lange genug, um alles zu lernen. Lange Zeit blieb ich allein, doch schließlich schloss ich mich einer Gruppe von Vampiren an. Sie waren stark, intelligent und vor allem erfahren. Ich fühlte mich gut in ihrer Mitte, denn sie sorgten dafür, dass ich lernte, was ich noch nicht wusste. Fast zwei Jahrhunderte verweilte ich bei ihnen, aber ich war nicht erfüllt. In mir existierte noch immer der junge Mann, der seine Familie verloren hatte und sich gegen dieses Schicksal wehrte. Er war nur noch ganz schwach da, heute bin ich über den Verlauf meiner Geschichte froh, aber damals… da fühlte es sich noch anders in mir an. Ich machte mich auf die Suche, ohne wirklich zu wissen, was ich suchte. Aber ich war mir sicher, dass ich es finden musste. Sonst würde ich zu Grunde gehen. Während meiner Reise traf ich auf einen anderen Vampir. Ich habe ihm viel zu verdanken. Mehr als Alastair. Er zeigte mir einen anderen Weg. Eine andere Art der Nahrung. Tierblut. Wir verbrachten einige Zeit miteinander und ich berichtete ihm von meiner Suche und meinen Erfahrungen. Ich war etwas mehr als drei Jahrhunderte älter als er, aber ich bewunderte ihn. Er war anders als die Vampire, denen ich zuvor begegnet war. Man kann ihn schlecht mit Worten beschreiben. Er war schlichtweg unglaublich. Wir verbrachten viel Zeit gemeinsam, sprachen viel über die Welt und Dinge, die eigentlich niemanden interessierten.

Kurz darauf trennten wir uns wieder und ich setzte meine Suche fort. Aber unsere Wege sollten uns wieder zusammenführen. Fast hundert Jahre später traf ich ihn wieder. Er hatte mittlerweile ein paar Vampire um sich versammelt und er hatte sich verliebt. Bei unserem Treffen damals brachte er seine Gefährtin mit und sie berichteten mir von den Dingen, die sie erlebt hatten. Sie erzählten mir von Werwölfen, denen sie auf ihrer Reise begegnet waren und ich war mehr oder weniger geschockt. Bis zu diesem Moment hatte ich daran geglaubt, dass wir Vampire an der Spitze der Nahrungskette ständen – wie viele Vampire es heute noch denken. Im Grunde sind wir wohl ziemlich von uns selbst eingenommen.

Wenige Tage später verließ ich die Gegend wieder, ohne die anderen Vampire kennen zu lernen, mit denen er reiste. Sechzig Jahre vergingen, in denen die Einsamkeit mich immer mehr zerfraß, bis ich einen Vampir traf, der auch goldene Augen hatte. Weißt du, man kann Vampiren ansehen, ob sie Menschen- oder Tierblut trinken.“

„Woran?“, fragte ich und spürte meine Hand nicht mehr, was mir aber so gut wie gar nicht auffiel – meine Hand hatte seine umschlossen.

„Trinker von Menschenblut haben rote Augen. Trinker von Tierblut goldene.“

„Verstehe.“

„Ich traf Michael vor einem halben Jahr. Wie gesagt, er ernährte sich auch von Tierblut und ich kann ehrlich behaupten, Vampire mit goldenen Augen sind umgänglicher als Vampire mit roten. Rotäugige sind meist aggressiver…

Michael und ich verstanden uns auf Anhieb gut und es stellte sich heraus, dass es der gleiche Vampir war, der uns verwandelt hatte. Alastair. Michael muss etwa drei Jahrhunderte älter sein als ich. Dementsprechend alt war Alastair. Bis man jemanden gezielt verwandeln kann, können Jahrhunderte vergehen. Man muss sich in Selbstbeherrschung trainieren und das kann sehr lange dauern.

Michael erzählte mir von einer alten Geschichte aus Maine. In Sherman Mills hatte ein Vampir ein Haus überfallen.“

Er wartete ab, um meine Reaktion zu sehen und er sah sie. Das letzte bisschen Farbe entwich meinem Gesicht und ich rückte automatisch zurück. Meine Hand ließ die von Alan los.

Ich war in Sherman Mills geboren worden.

„Der Vorfall ereignete sich im Januar 1995. Eine Familie sollte abgeschlachtet werden“, fuhr er schließlich fort. „Michael kannte die Familie und hatte eine Vorahnung, dass etwas geschehen würde. Er machte sich auf den Weg zu dem Haus, aber er kam zu spät. Alexandre, ein uralter Vampir, hatte bereits die Eltern getötet und wollte sich nun die Tochter vornehmen.“

Ich wich soweit zurück, dass ich fast vom Sofa fiel und wollte mir die Ohren zuhalten, aber es ging nicht. Meine Hände gehorchten mir nicht mehr. Ich wollte nicht hören, was er sagte. Ich wollte nicht glauben müssen, dass meine Eltern von einem Vampir ermordet wurden. Dass mein Traum Realität war.

„Michael tötete Alexandre und rettete das Mädchen. Er wollte weiterhin auf das kleine Mädchen aufpassen, aber sie wurde von jemandem adoptiert, der Bescheid wusste. Ihre Spuren wurden verwischt, damit niemand sie fand. Michael versuchte, sie zu finden, doch jeder Ansatz einer Spur endete in einer Sackgasse. Ich mochte Michael und deshalb gab ich ihm ein Versprechen. Ich versprach ihm, die Tochter von Joseph und Mary Hayes zu finden und ihr alles zu erzählen. Aber als ich sie fand, fand ich sie umgeben von Werwölfen, die sie bis zum Tode vor mir beschützen würden. Ich musste sie irgendwie von dort weglocken. Kurzerhand legte ich eine falsche Spur für die Wölfe und entführte sie.“

Tränen liefen über meine Wangen. Meine Eltern. Getötet von einem Vampir. Und dann hatte man mich vor meinem Lebensretter versteckt. Man wollte mich beschützen? Dachten sie, ich könne nicht selbst auf mich aufpassen? Gut, ich war erst fünf gewesen, aber warum entriss man mich dem Mann, der meine Eltern hatte retten wollen?!

Ich zuckte zusammen. Sie wussten nicht, was damals vorgefallen war. Der einzige Hinweis war mein Traum…

Alan kam langsam näher und wischte mir die Tränen weg. Es war, als schieße man mir tausend kleine Stromstöße unter die Haut. Das Gefühl begann mir zu gefallen, trotz des Schmerzes, den ich jetzt empfand.

„Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht zum weinen bringen“, flüsterte er und zog mich an sich. Ich spürte seine Kälte, aber diese Nähe… sie tat gut. Unendlich gut. Gierig atmete ich seinen Duft ein.

„Ich weine gar nicht“, demonstrierte ich schwach. „Ich musste mein Versprechen einlösen. Ich musste dir sagen, was geschehen war, damit Michael eines Tages seinen Frieden finden kann. Er will nicht mehr als das Wissen um dein Wohlbefinden“, fuhr er unbeirrt fort.

Er schaute mich aufmerksam an. „Ich sollte dich nach Hause bringen“, murmelte er, aber ich schüttelte den Kopf. „Nein, bitte, gib mir Zeit, das sacken zu lassen. Bring mich nicht wieder sofort zu diesen Lügnern, die mir von alldem Jahre lang nichts erzählten.“ Er seufzte. „Okay. Es ist noch recht früh. Ich mach dir etwas zu essen und dann schläfst du ein bisschen, in Ordnung? Um halb sechs wirst du wieder zuhause sein. Rechtzeitig bevor deine Familie aufsteht.“ „Danke“, sagte ich leise und er stand auf, um in den Bereich der Küche zu gehen. Ich rollte mich wie eine Katze auf dem Sofa zusammen und starrte das rote Polster der gegenüberliegenden Couch an. Vampire. Werwölfe. Alan. Meine Freunde. Feinde. Tausend Worte schwirrten durch meinen Kopf. Alles schien auf einmal Bedeutung zu haben.

Alans Rückkehr aus dem Küchenbereich bekam ich nicht mehr mit. Der Schlaf hatte mich überrannt.
 

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So, jetzt weiß sie alles. Na ja... fast...^^ Ein paar Kleinigkeiten fehlen wohl noch... xD

Probleme

„Weiter kann ich dich nicht bringen. Die Wölfe sind immer noch auf der Hut und sie würden es mitkriegen, wenn ich noch näher käme. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn du laufen musst.“ Mein Kopf bewegte sich von allein hin und her.

„Alan…“

„Ja?“

„Welche Merkmale haben Vampire und Werwölfe? Wie kann ich erkennen, ob mir einer gegenüber steht?“

„Wir riechen süßlich und sind sehr blass, weil in unseren Adern kein Blut mehr fließt. Wir sind kalt, das weißt du ja schon. Wenn wir in die Sonne gelangen, glitzern wir am ganzen Körper, der wahre Grund, warum Vampire das Haus tagsüber oft nicht verlassen. Als ich dich neulich ansprach, hatte ich auch damit gewartet, bis die Sonne untergegangen war. Außerdem wirken wir auf euch sehr schön. Ich glaube, das hast du an mir auch schon gemerkt.“

Unsicher nickte ich. Und ob ich das gemerkt hatte.

„Deshalb haben dich deine Freunde auch so seltsam gemustert.“

„Du weißt davon?“

„Ich weiß mehr, als du denkst. Aber sieh dich einmal aufmerksam an. Du siehst aus wie ein Vampir und mit süßlichem Parfüm…“ War das grad ein Geständnis, dass er dachte, ich wäre gut aussehend?

„Werwölfe sind anders. Ihr Körper glüht und sie gehören alle zu den Quileuten. Es liegt ihnen im Blut. Ich an deiner Stelle würde keinen von ihnen reizen. Sonst verwandelt er sich nachher noch und bringt dich um.“

Plötzlich erschien Emilys Gesicht vor meinem inneren Auge und Sams Reaktion, als ich die Bärenattacke erwähnt hatte. „Oh mein Gott“, hauchte ich und fragend sah Alan mich an. „Es ist schon einmal passiert“, murmelte ich. „Emily… Sams Verlobte. Ihr Gesicht wurde angeblich bei einem Bärenangriff zerstört.“ Alan nickte. „Gut möglich, dass es dein Bruder war.“ Er legte mir eine Hand die Schulter. „Keine Sorge. Er wird dir nichts tun, solange du aufpasst. Verhalte dich weiterhin ganz normal.“ „Okay.“ Ich öffnete die Autotür, aber bevor ich aussteigen konnte, hielt er mich auf. „Cassie, du solltest duschen und deine Kleidung waschen. Sie werden riechen, dass du direkten Kontakt mit einem Vampir hattest, wenn du das nicht tust. Nimm das geruchsstärkste Shampoo, das du hast, tust du das?“ „Ja“, antwortete ich langsam. Ich sah ihn noch einmal an und küsste ihn auf die Wange. „Danke für alles.“ Schon war ich ausgestiegen und ging die Straße nach La Push runter, ohne sein verdutztes Gesicht zu sehen. Zehn Minuten, dann würde ich da sein, wenn ich ein wenig joggte.

Ich hörte, wie Alan Gas gab und davon raste. Wieder einmal fuhr er viel zu schnell.
 

Edward war froh, dass Bella dieses Treffen annähernd gut überstanden hatte. Sie hatte stundenlang kein Wort gesprochen, doch nachts hatte sie ihn plötzlich darum gebeten, sie auf die Lichtung zu bringen. Dort hatten sie die Nacht verbracht und immer wieder zwischen den Wolken Sterne entdeckt.

„Und was wollt ihr heute machen?“, fragte Charlie, der heute erst später zur Arbeit musste. „Cassie holt heute ihren Wagen ab. Sie wurde gestern von Jacob abgeholt“, antwortete Bella, als wäre nichts passiert. „Oh Mann, Cassie, sie hat sich ganz schön verändert“, seufzte Charlie und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Sie saßen zu dritt in der Küche, während draußen der Regen mal wieder gegen die Fensterscheibe trommelte. Gestern Abend hatte noch die Sonne geschienen und jetzt? Jetzt war es das typische Wetter in Forks…

„Ich weiß nicht“, erwiderte Bella. „Ich kannte sie vorher nicht.“ „Hast du auch wieder Recht. Sie ist ja auch zwei Jahre jünger und sie war auch ziemlich lange weg. Ich glaub, sie reiste an dem Tag ab, an dem du nach Forks kamst…“, dachte Charlie laut und ignorierte Edward momentan einfach. Dieser stand am Fenster und sah in den Garten. Es machte ihm nicht viel aus, ignoriert zu werden. Nicht im derzeitigen Moment. Er sorgte sich immer noch wegen des fremden Vampirs. Jasper stellte schon seit zwei Wochen ganz Port Angeles auf den Kopf, aber der Vampir versteckte sich gut. Hin und wieder halfen auch die anderen, je nachdem, wer Zeit hatte. Aber die Hochzeit spannte Alice voll ein, auch wenn sie Bella versprochen hatte, nichts zu großes zu machen. Rosalie und Emmett konnten nur abends suchen, da sie offiziell gar nicht in den Staaten waren. Eigentlich sollten sie in Oxford studieren. Jasper studierte offiziell auch, aber der war längst nicht so weit entfernt. Angeblich machte er sein erstes Jahr in Seattle, um Alice nah zu sein. Esme und Carlisle mussten arbeiten. Somit war Jasper weit gehend auf sich allein gestellt. Edward diente als Bellas persönlicher Bodyguard im Schatten. Und das Rätsel um Cassie Uley beziehungsweise Hayes hatte er auch noch nicht gelöst, obwohl er sie immer genau beobachtete, wenn sie mit Bella zusammen war.

„Woher kennst du Cassie?“, fragte Bella ruhig. „Du weißt, dass die Uleys sie nach dem Tod ihrer Eltern adoptiert haben?“, erkundigte sich Charlie und Bella nickte. „Billy sorgte damals indirekt dafür, dass sie nach La Push kommt. Er erzählte Mr. und Mrs. Uley von den Geschehnissen in Maine und schon war das Mädchen adoptiert. Sie verstanden sich ganz gut und außerdem ist sie die beste Freundin von Jacob. Ich begegnete ihr also häufiger, wenn ich Billy besuchte. Ein, zwei Mal kamen die beiden auch mit zum angeln.“

„Ach so…“

„Und was hast du heute vor, Edward?“, fragte Charlie und Edward war ehrlich überrascht. Seitdem Charlie von der Verlobung erfahren hatte, hatten die beiden kaum miteinander gesprochen. Edward hatte ernsthaft befürchtet, Charlie könnte ihn tatsächlich umbringen. Dutzende von Mordszenarien hatten sich in seinem Kopf abgespielt und es war klar gewesen, wen er lieber an Bellas Seite gesehen hatte. Jacob Black. Wenn er wüsste, wie es zwischen den beiden wirklich stand…

„Nun, gleich fahre ich mit Bella zu mir, übergebe sie dann an Alice und hoffe, dass sie die Brautkleidanprobe ohne einen Nervenzusammenbruch überlebt.“ Charlie lachte und Edward versuchte verzweifelt herauszufinden, was sich in seinem Kopf vorging, aber er konnte seine Motive nicht erkennen. Momentan schien er sich einfach zu freuen, dass seine Tochter jemanden gefunden hatte, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte. „Ich denke schon, dass sie das überstehen wird“, meinte Charlie und betrachtete seine Tochter, die mal wieder soweit in Gedanken versunken war, dass sie weniger als nichts mitbekam. „Sie kennen Alice nicht. Wenn man ihr ein bisschen freie Hand lässt…“ Edward machte eine skeptische Miene. „Ach was, Bells wird das schon schaffen. Wovor ich an deiner Stelle Angst hätte, wäre der Hochzeitstanz.“ Edward grinste. Das war nun wirklich sein geringstes Problem…

Das Grinsen gefror ihm im Gesicht, als er den Hauch eines Gedankens bei Charlie wahrnahm. Das konnte jetzt nicht Charlies Ernst sein…
 

Ich tat, was er mir gesagt hatte und nahm ein Shampoo, das stark nach Blumen roch und schrubbte mich ab, bis sich meine Haut rötete – dazu benötigte es schon ein einiges. Ich stieg aus der Dusche und wickelte mich in ein Handtuch. Meine Klamotten befanden sich schon in der Wäsche. Es war das erste, was ich getan hatte.

Ich verließ das Badezimmer und sah Sam an meiner Zimmertür stehen. „Du warst früh wach“, sagte er und schien gar nicht mit einer Reaktion zu rechnen, denn er erschrak, als ich antwortete: „Ich konnte nicht schlafen.“ Ich ging an ihm vorbei in mein Zimmer und stellte mich ans Fenster, wo ich meine Haare trocken rubbelte. „Jacobs Rückkehr scheint Zeichen und Wunder zu wirken“, vermutete Sam. „Wahrscheinlich.“ Ich sah zum Spiegel und drehte mich schließlich zu Sam um. Er hatte die Arme verschränkt und lehnte am Rahmen. „Ich sehe schon sehr komisch aus, nicht wahr? So ganz blass.“ Er nickte. „Es gibt selten Leute, die so blass sind…“ „Stimmt. Ich kenn sonst auch nur die Cullen-Familie.“

Und dies war wieder einer dieser grandiosen Momente, in denen es nicht klick machte, obwohl es hätte klick machen müssen. Aber nein. Bei mir machte es nicht immer klick. Damit machte es schon zum weiten Mal in zwölf Stunden nicht klick. Das war wohl Rekord.

„Jacob kommt nachher zum Frühstück“, sagte Sam und musterte mich. „Du siehst müde aus. Willst du nicht doch noch ein wenig schlafen?“ „Nein, ich geh heute einfach früher ins Bett“, murmelte ich und bemerkte erste Regentropfen auf der Fensterscheibe. „Lässt du mich allein? Ich würde mich gern anziehen.“ Sam verschwand und schloss die Tür hinter sich.

Als ich eine halbe Stunde später beim Frühstück mit Sam, Mum und Jake in der Küche saß, musste ich mich zusammenreißen, nicht die ganze Zeit über zu gähnen. „Du siehst müde aus“, erwähnte nun auch Jake und nahm mein Gesicht in seine Hände. „Du solltest schlafen.“ „Hab ich ihr auch schon gesagt. Sie will nicht“, murmelte Sam und nahm sich seinen zehnten Pfannkuchen. Wenigstens konnte ich mir jetzt dieses erstaunliche Essverhalten erklären. Aber Jake… ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Dass er mir nichts sagte, verletzte mich wahrscheinlich am meisten. Wir waren doch immer unzertrennlich gewesen.

„Bringst du mich heute nach Forks, Jake?“, fragte ich ihn, als der Tisch abgeräumt war. Ich wollte ihm zumindest eine Chance geben. „Ich will zu Bella und auf dem Rückweg dann meinen Wagen mitnehmen. Aber Bus fahren nervt…“ Jakes Augen flackerten zur Pinnwand, aber schließlich sagte er: „Okay.“ Begeistert strahlte ich ihn an und so fuhren wir fünf Stunden später los.

„Sag mal, glaubst du eigentlich an Werwölfe und Vampire, Jacob?“, wollte ich wissen. „Nein, wieso sollte ich?“, fragte er. „Na ja… wegen den Geschichten vielleicht. Ich meine, diese kalten Wesen sind doch Vampire, oder nicht?“ Jake sah mich skeptisch an. Hoffentlich ahnte er nichts. „Schon, aber du weißt doch, ich habe nie an diesen Quatsch geglaubt.“ „Trotzdem wollen sich einige von uns nicht mehr im Krankenhaus von Forks behandeln lassen, weil Dr. Cullen dort arbeitet“, wandte ich ein. „Woher weißt du das?“ Alan. Aber das konnte ich schlecht sagen. „Ist mir mal so zu Ohren gekommen.“ Immer noch sah er mich skeptisch an.

Übrigens war das eben wieder einer dieser phänomenalen Momente, in denen ich kein klick hörte. Ich meine, meine Werwolf-Freunde hielten ja nur die Freunde von Bella für Vampire… Kein Grund, das auch zu glauben.

Langsam wurde ich mir selbst unheimlich. Lief ich mit Scheuklappen durch die Gegend?

„Wir sind da“, murmelte Jake und ich stieg aus. „Danke fürs Bringen“, lächelte ich und war insgeheim sauer, dass er mir nichts gesagt hatte. Aber er sollte Zeit kriegen. Schließlich war er doch mein Jacob… „Pass auf dich auf“, verabschiedete er sich. Ich verstand nicht, was er damit meinte, hielt es aber für eine typische Floskel.

Jake fuhr weiter und mir entging der Schatten auf seinem Gesicht. Stattdessen bemerkte ich, dass mein Wagen zwar an der Straße stand, Bellas Transporter aber fehlte. Stattdessen stand dort ein silberner Volvo, den ich Edward zuordnete. Ich ging zur Tür und klingelte. Nicht wenig überrascht war ich, als mir Edward öffnete. „Hey, Cassie“, begrüßte er mich und ließ mich rein. „Ist Bella nicht da?“, fiel ich mit der Tür ins Haus. „Nein, sie und Alice probieren noch das Hochzeitskleid an. Ich weiß nicht, wann sie wieder kommen. Charlie war so nett, mich rein zu lassen.“ „Oh“, machte ich. „Aber ich bin mir sicher, wir können gemeinsam auf Bella warten“, lächelte Edward und mir fiel auf, dass er irgendwie fertig wirkte. Als hätte er einen richtigen Horrortrip hinter sich. Als ich das erwähnte, seufzte er und ließ sich aufs Sofa sinken. „Charlie meinte, mal mit mir reden zu müssen“, erklärte er leicht genervt. Ich kicherte und setzte mich in den Sessel. „Worüber?“ „Bella und ich heiraten, kannst du dir das nicht denken? ‚Ich möchte, dass meine Tochter glücklich wird, Edward. Mach sie nicht unglücklich’“, ahmte er seinen zukünftigen Schwiegervater nach. „Verständlich. Jeder Vater will doch, dass seine Tochter glücklich wird.“ Edward sah mich leidend an. „Du hast natürlich mein Mitleid“, beteuerte ich glucksend.

Bella und Alice kamen eine halbe Stunde später. Alice grinste ihren Bruder breit an, welcher irgendwie unzufrieden wirkte. „Hallo, Cassie“, begrüßte Bella mich herzlich. „Wie geht es dir?“ „Ganz gut, ein bisschen müde“, murmelte ich. Edward lachte. „Ich dachte, sie schläft gleich auf dem Sofa ein.“ „Haha“, sagte ich und streckte ihm die Zunge raus. „Also, was machen wir?“, fragte Bella, als wir nach draußen sahen. Es regnete ziemlich stark, also fielen jegliche Aktivitäten draußen flach. „Wir könnten Karten spielen“, schlug Alice vor und Edward und Bella schüttelten den Kopf. „Ich bin für ein Spiel, bei dem Alice nicht mit einer Garantie von 100% gewinnt“, meinte Bella. Fragend sah ich sie an. „Alice gewinnt jedes Kartenspiel“, erklärte sie und ich nickte. „Wir könnten erstmal in mein Zimmer gehen“, befürwortete Bella und wir nickten. Man musste ja nicht immer etwas tun. Man konnte ja auch einfach mal reden.

„Cassie, nimm das jetzt bitte nicht falsch auf, aber ich glaube, du solltest nach Hause fahren. Wenn’s noch später wird, schläfst du nachher am Steuer ein“, empfahl Alice, als ich mal wieder gähnte. „Vielleicht hast du Recht.“ „Komm, ich bring dich zur Tür“, sagte Bella und stand auf. „Ne, ich find schon allein raus“, entgegnete ich schlaftrunken und winkte ihnen, als ich die Tür hinter mir schloss. Ich rieb mir die Augen, als ich das Gefühl hatte, das meine Sicht verschwamm und klammerte mich ans Treppengeländer. Auf einmal übersah ich eine Stufe und stolperte über meine eigenen Füße. Plötzlich näherten sich die Stufen meinem Gesicht mit einer rasenden Geschwindigkeit und mir wurde schwarz vor Augen.
 

________

Ich kann das Wort "klick" bald nicht mehr sehen! -.- Kapier's endlich, Cassie!!!

Vielleicht ist der Klick-Schalter kaputt... *nachschauen geht*
 

Öhm, joah^^ Wie fandet ihr's?^^

Vampire über Vampire

Mal schauen, ob der Klicker endlich wieder funktioniert...^^
 

„Klarer Fall von Übermüdung“, hörte ich eine angenehme Stimme sagen. „Sie sollte die Nacht zur Beobachtung hier bleiben, sie hat eine Gehirnerschütterung, aber sonst wird sie bald wieder fit sein. Der Arm ist lediglich stark geprellt. Sie ist erstaunlich. Bei solchen Treppenstürzen haben sich manche schon umgebracht. Mit einer Gehirnerschütterung und einer Prellung kommt sie echt noch gut weg.“ Eine Hand strich immer wieder über meinen Handrücken. Sie war heiß. Sehr heiß. „Hauptsache, sie wird wieder gesund“, sagte Mum. Was war denn überhaupt los? Meine Augenlider fühlten sich so schwer an… Warum konnte ich sie nicht öffnen?

„Sie sollten nach Hause gehen, Mrs. Uley, Jacob. Sie wird nicht schneller wieder aufwachen, wenn sie da sind.“ „Wir werden sie kaum in der Nähe eines Blutsaugers allein lassen“, feuerte Jacob.

Blutsauger? Was sollte das heißen?

„Ich bitte Sie, Jacob. Es bringt nichts, wenn Sie morgen auch vor Müdigkeit eine Treppe runterfallen und dann auch hier liegen. Sie sollten nach Hause fahren, schlafen gehen und dann können Sie von mir aus morgen früh wieder kommen.“ Die angenehme Stimme war nach wie vor freundlich, ließ aber keine Widerrede zu. Jemand hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. „Lass dich nicht beißen. Reicht, wenn du aussiehst wie ein Vampir. Musst nicht noch unbedingt einer sein“, flüsterte Jacob und er war es, der meine Hand streichelte. Da war ich mir sicher. Aber er ließ sie los und Mum strich mir noch einmal das Haar aus dem Gesicht. Die Berührung ihrer Hände ist ganz einzigartig. Ich erkannte sie unter tausenden heraus.

„Jacob“, zischte eine Stimme an der Tür. „Reiß dich zusammen.“ Sam… Scheinbar hatte Jacob etwas getan, was ich nicht sehen konnte. Ich konnte nicht einmal den kleinen Finger bewegen…

„Wenn Sie ihr nur ein Haar krümmen, Dr. Cullen“, drohte Jake und die Tür schloss sich, die Stimmen wurden leiser.

Blutsauger… blasse Haut… goldene Augen… ungewöhnlich gutes Aussehen… endlich kam das lang ersehnte klick. Dr. Cullen war ein Vampir. Und seine Familie auch. Sie alle waren Vampire. Blutsauger. Aber sie ernährten sich von Tierblut. Das hatte mir Alan beigebracht.

Ich erlangte wieder Kontrolle über meinen Körper und setzte mich ruckartig auf. Ich war in einem Krankenhauszimmer. Soweit so gut. Dr. Cullen war ein Vampir und scheinbar der behandelnde Arzt. Auch nicht sonderlich beunruhigend. Ich war eine Treppe runter gefallen. Noch akzeptabel. Mein Schädel brummte. Gar nicht gut.

Ich hörte, wie sich Stimmen meinem Zimmer näherten. Edward redete leise auf jemanden ein. Ich fackelte nicht lange, legte mich wieder hin und tat schlafend.

Die Tür quietschte ein wenig, als jemand sie öffnete. „Ich habe ihr Blutproben entnommen und einfach komplett geröntgt. Auf den Röntgenbildern ist nichts auffällig“, erklärte Dr. Cullen. „Die Blutproben werden noch nicht analysiert, das kann noch bis morgen früh dauern.“ Jemand setzte sich auf den Stuhl, auf dem zuvor noch Jake gesessen hatte. „Warum kann ich sie auch nicht sehen?“, fragte Alice leise. Scheinbar war sie es gewesen, die sich gesetzt hatte. „Dann wäre sie nicht die Treppe gestürzt…“ „Wir können vielleicht froh sein, dass sie gestürzt ist. So können wir herausfinden, ob vielleicht in ihrem Blut etwas anders ist.“ „Aber das ist es bei mir doch auch nicht“, sagte Bella. Sie stand ziemlich weit entfernt. Klang zumindest so. „Aber vielleicht bei ihr“, widersprach Dr. Cullen. „Wenigstens sind die Flohtaxis weg“, brummte jemand, dessen Stimme ich nicht wirklich erkannte. Vielleicht war es Emmett. Ich hatte eher weniger mit ihm zu tun. Er studierte in Oxford und er und Rosalie kamen jedes zweite Wochenende angeflogen. Eine Tatsache, die ich nicht verstand. War doch total umständlich…

„Armes Mädchen“, sagte eine freundliche Stimme nah bei mir. Sie klang voller Liebe. „Irgendwie läuft hier derzeit alles aus dem Ruder.“ „Wie meinst du das, Esme?“, fragte der Arzt. „Erst Bella, dann dieses Mädchen… so viele Menschen werden in letzter Zeit mit rein gezogen.“ „Recht hast du… aber noch können wir sie davor beschützen…“ Ich wollte weiter zuhören, aber die geschlossenen Augen machten mich zusätzlich müde, dass ihre Stimmen nur noch dumpf an mein Ohr drangen, bis sie ganz verschwanden. Ich schlief ein.
 

Als ich die Augen wieder aufschlug, war es still. Unendlich still. Aber ich war nicht allein. Jemand stand am Fenster, mit dem Rücken zu mir, doch die schwache Silhouette reichte mir, um zu wissen, wer da stand. „Alan“, murmelte ich und er drehte sich um. „Du bist wach“, stellte er fest. „Wie viel Uhr ist es?“, fragte ich und griff mir an den Kopf. Mit dem rechten Arm. Der linke fühlte sich an, als hätte ihn eine Dampfwalze überrollt. „Drei Uhr nachts.“ Ich rieb mir verschlafen die Augen und er setzte sich zu mir. „Mach mal Licht an, ich sehe ja gar nichts“, beschwerte ich mich leise und er gehorchte. „Was tust du eigentlich hier?“, fragte ich und versuchte die Freude darüber zu verbergen. „Ich habe mir Sorgen gemacht. Und bevor du fragst, woher ich es überhaupt weiß: ich geb’s zu, ich beobachte dich.“ „Du tust was?“ Eiskalt hatte er die hocherfreute Flamme in mir erlöscht. „Ja. Wenn du’s so willst, bin ich sozusagen ein Stalker. Aber keine Sorge, ich bin ein völlig ungefährlicher Stalker.“ „Wenn man davon absieht, dass du ein Vampir bist und auf Blut stehst“, knurrte ich und er klappte das Kopfende vom Bett ein wenig hoch, damit ich mich anlehnen konnte. „Tja… aber du musst zugeben, ich bin ein recht anständiger Vampir. Es gibt ja auch Vampire, mit denen man einfach nicht vernünftig reden kann.“ „Hast du schon erwähnt…“ Er lächelte, als er mich ansah. „Du hast mir einen echten Schreck eingejagt. Ich meine, ich stand mit meinem Auto am anderen Ende der Straße und plötzlich kommt der Krankenwagen.“ „Tut mir Leid. Ich hab’s garantiert nicht extra gemacht…“ Er grinste jetzt. „Habe ich auch nicht erwartet. – Da kommt jemand“, zischte er, schaltete das Licht aus, klappte mein Kopfende wieder nach unten und war plötzlich verschwunden. „Alan?“, fragte ich in die Stille hinein. „Sei still!“ Ich war versucht, unters Bett zu sehen, aber die Tür ging schon auf. „Cassie, du bist aufgewacht“, sagte der Arzt, der den Raum betrat. „Dr. Cullen“, murmelte ich. Seine weiße Haut und die goldenen Augen schienen in der Dunkelheit zu leuchten. Die Augen wurden zu leichten Schlitzen. „Stimmt etwas nicht, Doktor?“, fragte ich besorgt und betete, dass er Alan nicht entdecken würde. „Nein, ich war nur einen Moment verwirrt“, sagte Dr. Cullen und kam auf mich zu. „Stört es dich, wenn ich das Licht anmache. Ich müsste dich kurz untersuchen.“ „Nein, kein Problem…“

Er sah mir mit einer kleinen Taschenlampe in die Augen und fragte: „Weißt du, was passiert ist und wo du bist?“, fragte er. „Ja, im Krankenhaus… ich glaube, ich bin die Treppe runterfallen.“ „Richtig, Alice, Edward und Bella haben den Krankenwagen gerufen. Du bist scheinbar im Stehen eingeschlafen und die Treppe war im Weg.“ Er schmunzelte, während er mich weiter untersuchte.

„Scheiße!“

Ich riss die Augen auf und Dr. Cullen ließ die Hand sinken. Er legte den Kopf schief. „Cassie, liegt da jemand unter deinem Bett?“, fragte er, wie es nur Väter konnten. „Ich nehme an, Sie glauben es mir nicht, wenn ich sage, dass ich Bauchrednerin bin?“, presste ich zwischen den Zähnen hervor, aber Alan rollte sich bereits unter dem Bett hervor. „Schon gut, Cassie. Es ist okay. Ich kenne Carlisle.“ Er stand auf und Dr. Cullen wirkte plötzlich blasser als jemals zuvor. „Alan“, wisperte er. In seiner Stimme lag blankes Entsetzen. „W… was tust du denn hier?“ Alan setzte sich wieder auf den Stuhl und suchte meinen Blick, bevor er antwortete. „Ein Krankenbesuch, sieht man das nicht?“ „Um drei Uhr nachts?!“ Das Entsetzen wich langsam aus der Stimme des Arztes und er beobachtete mich sorgfältig. „Warum denn nicht?“ „Könnte ich dich bitte allein sprechen?“, forderte Carlisle, das Ausrufezeichen in seiner Stimme war nur schwer zu hören. Es klang stark nach einem Befehl. Weiterhin sah Alan nur mich an, was mich so langsam deutlich aus der Fassung brachte. Wenn er mich noch länger beobachten würde, sollte mein Gehirn mal wieder aussetzen…

„Alles, was du mir zu sagen hast, kann sie auch hören.“

„Sicher?“

„Sehr sicher, sie weiß Bescheid.“

„ALAN!“

Der Ausbruch des Arztes hatte mich von Alans Blick losgerissen und ich sah nun Dr. Cullen an. Dessen Aufmerksamkeit gehörte nun jedoch völlig Alan. „Das kann doch nicht dein Ernst sein! Man müsste meinen, in sechshundert Jahren wärest du annähernd vernünftig geworden und würdest unsere Gesetze respektieren, aber nein! Der Herr muss jedem dahergelaufenen Mädchen“ – ah, so wurde ich also bezeichnet. Sehr nett, sehr nett. – „gleich die Wahrheit über uns erzählen! Hast du überhaupt noch alle Tassen im Schrank? Ist bei dir mal etwas kaputt gegangen?!“ Alan sah ihn gleichgültig an. „Warum sollte es so sein? Dann hättest du doch auch eine Schraube locker – wenn wir schon bei so herrlichen Metaphern sind.“ Und ich fand, dass beide einen Sprung in der Schüssel hatten im Moment. „Bei euch lebt auch ein Menschenmädchen. Dieser Edward… er ist doch eines deiner Familienmitglieder, nicht? Die Antwort kannst du dir sparen, ich kenne sie. Es wäre zu unwahrscheinlich, dass gleich zwei Vampirfamilien hier leben.“ Dr. Cullen nickte. „Und warum weiß sie nun davon?“, fragte er bitter und Alan warf ihm bloß einen kurzen Blick zu. Ein Blick, unter dem ich kleiner geworden wäre, aber der Arzt schien bloß an dieser kalten Bedrohung zu wachsen. „Warum weiß euer Mädchen davon?“ „Sie ist mit Edward verlobt“, mischte ich mich ein, um Bella in Schutz zu nehmen. Alan sah mich kurz an und es lief mir eiskalt den Rücken runter, sodass ich zurückwich, wobei ich mich mit dem Arm auf dem Bett abstützte. Ich zog die Luft durch die Mundwinkel an, als sich ein höllischer Schmerz in meinem Arm ausbreitete. Dr. Cullen zuckte sofort und hob langsam meinen Arm. „Was ist los?“, fragte er, aber ich schüttelte nur den Kopf. „Nichts“, keuchte ich. „Hab mich nur dumm angestellt…“ Langsam glitten die Hände des Arztes von dem Verband und er murmelte: „Cassie hat gesagt, was es zu sagen gibt. Edward und Bella lieben sich und Bella fand es heraus. Mittlerweile sind die beiden verlobt und Bella wird eine von uns werden. Aber du weißt, was die Volturi mit Cassie machen werden, wenn du sie nicht verwandelst?“

Die Volturi? Was sollte das heißen?

„Ja.“

Dr. Cullen und Alan sahen sich lange an. Es war, als würden sie ohne Worte diskutieren, den anderen mustern.

„Sieh sie dir an. Glaubst du etwa, sie ist ein normaler Mensch?“, fragte Alan schließlich ruhig. „Nein, ist sie nicht“, beantwortete er auch sofort seine eigene Frage. „Cassidy Hayes sieht aus wie ein Vampir, riecht wie ein Vampir und ist immun gegen die Fähigkeiten der Vampire. Kein Vampir kann sie aufspüren und sie lebt unter Werwölfen. Glaubst du, jemand wie sie ist ein normaler Mensch?“ „Ihr Name ist Cassidy Uley“, widersprach sein Gegenüber, der scheinbar nicht wusste, was er sonst sagen sollte. Alan schüttelte den Kopf. „Cassidy Hayes.“ Jetzt sahen beide mich an. „Reicht nicht einfach Cassie?“, fragte ich kleinlaut und sie wandten ihre Blicke wieder ab. „Ich möchte dich morgen bei mir sehen. Wir leben ein wenig außerhalb von Forks, wenn du dich auf deine Sinne verlässt, wirst du es ohne weiteres finden. Zwölf Uhr mittags. Ich erwarte dich.“ Dr. Cullen ging zur Tür, als Alan noch einmal die Stimme hob. „Was ist, wenn ich nicht komme?“ Der Arzt hielt inne. „Wenn du nicht kommst, werde ich Aro, Marcus und Caius Bescheid geben. Verlängere ihr Leben wenigstens noch etwas, wenn du ihr Todesurteil schon einfach so unterschreibst.“

Der Befund

Die Tür gab kein Geräusch von sich, als sie geschlossen wurde und Stile einkehrte. „Was soll das heißen?“, fragte ich nach einigen Momenten der Stille. „Mein Todesurteil?“ Alan starrte auf seine Hände, dann flüsterte er: „Das oberste Gesetz für jeden Vampir ist, unsere Existenz geheim zu halten. Menschen, die von uns wissen, müssen entweder zu Vampiren gemacht werden oder sterben.“

Mein Mund fühlte sich seltsam trocken an und ein ersticktes Lachen verließ meine Lippen. „Das ist nicht dein Ernst.“ „Leider doch.“ Ich schwang die Beine auf dem Bett und ging zum Fenster, fühlte die kalte Fensterbank an meiner Handfläche, als ich mich leicht abstützte. „Soll das heißen, du klärst mich auf, ohne mir vorher die Risiken und Nebenwirkungen zu erklären?“, kreischte ich panisch und wirbelte herum. „Das kann doch nicht dein Ernst sein! Ich will leben, verdammt noch mal! Du kannst doch nicht einfach so darüber entscheiden! Weißt du, jetzt wird mir klar, warum die Werwölfe was gegen euch haben! Seid ihr eigentlich alle so rücksichtslos?!“ „Cassie! Beruhig dich!“, herrschte er mich an und stand vor mir, bevor ich sah, dass er aufstand und fing meinen wild in der Luft herum gestikulierenden Arm ein, um ihn an meine Brust zu drücken. Mein Herz schlug wie wild und für einen Moment hatte ich das Gefühl, seine Augen würden dunkler werden, aber es war wohl nur Einbildung. „Ich will mich aber nicht beruhigen!“, schluchzte ich und spürte, wie die Anspannung aus meinem Körper wich, als er mich an sich drückte und ich die Kälte durch seinen dünnen, mausgrauen Pullover spürte. „Es tut mir Leid“, murmelte er. Ich schüttelte den Kopf. „Lässt du mich bitte allein?“, murmelte ich in einem Ton, der Widerspruch nicht duldete. Er ließ mich langsam los und war verschwunden, ehe ich blinzeln konnte.

Zitternd ließ ich mich an der Wand hinunter gleiten und verbarg das Gesicht in den Armen, die ich auf den Knien abstützte. Mein Arm tat auf einmal nicht mehr weh. Er war unwichtig geworden. Was war mein linker Arm gegen die Tatsache, dass ich sterben sollte? Entweder sterben oder ein Vampir werden. Ich wollte keins von beiden. Sterben sowieso nicht und Vampir… das hieße, dass mich meine Freunde verstoßen würden, oder? Würde es nicht so sein? Sie hassten Vampire. Paul hatte mich ja schon angeknurrt, als ich bloß so aussah wie ein Vampir. Wie würde er erst reagieren, wenn ich einer war? Und Jacob? Nein, da war ich lieber tot, als von ihm verachtet zu werden. Jacob zu verlieren… das wollte ich mir nicht vorstellen. Jake und ich waren doch schon von klein auf unzertrennlich gewesen… aber wenn ich nun ein Vampir werden würde…

Nein, da war der Tod wirklich die bessere Perspektive. Für Jake würde ich sterben…
 

„Miss Uley!“, kreischte eine hohe Stimme und frierend schlug ich die Augen auf. „Was tun Sie denn dort unten?! Sie holen sich ja noch den Tod! Hopp, hopp, stehen Sie auf! Also wirklich, einfach auf dem Boden zu nächtigen! Ohne Decke…“ Jemand zog mich am Arm hoch und ich brauchte einen Moment, bis ich verstand, was geschah. Schon saß ich auf dem Bett und die Schwester fühlte meine Stirn. „Hm… Sie scheinen wenigstens nicht unterkühlt zu sein…“, murmelte sie sich zurecht, während ich aus dem Fenster starrte. Alan. Dieser miese Haufen Dreck! Wie konnte er einfach so über mein Schicksal entscheiden?! Natürlich, mir war es mehr als recht, zu wissen, was mit meinen Freunden los war, aber dafür war ich nicht bereit zu sterben! Ich hatte doch auch vorher damit leben können. Irgendwann hätte es mich zwar wahnsinnig gemacht, aber ich war lieber wahnsinnig als tot. Und tot war ich auch noch lieber als Vampir.

Jemand kam in den Raum und die Krankenschwester schaute auf. „Ah, Dr. Cullen, guten Morgen. Stellen Sie sich vor, das Mädchen hat auf dem Boden geschlafen. Ich dachte, Sie wollten stündlich nach ihr sehen?“ Dr. Cullen nickte gedankenverloren, während er langsam auf mich zuging. „Ja, das hatte ich ursprünglich vor. Aber als sie erst einmal wieder aufgewacht war, wollte ich sie schlafen lassen“, sagte er mit einer Stimme, die der Schwester eine Gänsehaut bescherte. „Selbstverständlich, ganz Ihrer Meinung“, stammelte sie. „Könnten Sie uns bitte allein lassen? Ich muss mit Miss Uley sprechen“, bat der Arzt höflich und die Schwester verschwand ohne jeglichen weiteren Kommentar. Dr. Cullen setzte sich auf einen Hocker mit Rollen, näherte sich dem Bett und sah mich prüfend an. „Tut dir noch etwas weh?“, fragte er mich und sein Blick ruhte auf meinem Arm. Ich bewegte ihn leicht und schüttelte den Kopf. „Wenn es dir nichts ausmacht, röntge ich dich noch, dann denke ich, kannst du deine Familie anrufen.“ „Sie meinen die Flohtaxis?“, fragte ich herausfordernd und er nickte. „Ja, entschuldige bitte Emmetts Ausdrucksweise. Er ist nicht sehr gut auf Werwölfe zu sprechen.“ Ich zuckte mit den Achseln. „Röntgen Sie mich.“ Er stand auf und führte mich hinaus, unzählige Gänge entlang. „Hast du Kopfschmerzen?“, fragte er.

„Nein.“

„Tut dir sonst etwas weh? Irgendetwas?“

„Nein.“

Er machte sich Notizen in meiner Krankenakte.

„Ich habe dir Blutproben entnommen, weil ich gern herausfinden möchte, ob du irgendetwas an dir hast, das unsere Kräfte blockiert, nun, da du die Wahrheit weißt, denke ich, kann ich dir das erzählen.“

„Was gefunden?“, fragte ich missgelaunt. Er nickte. „Du hast einen Stoff im Blut, den ich noch nicht einsortieren konnte. Ich hab schon einiges gesehen, aber so etwas noch nie.“

„Aha.“

Schweigend gingen wir weiter, bis wir vor einem Raum ankamen, der ein Warnzeichen an der Tür hatte. Achtung, Röntgenstrahlung. Dr. Cullen führte mich hinein und ein anderer Arzt nahm sich meiner an. „Guten Morgen“, begrüßte er mich freundlich, während er eine Bleischürze hervorholte, unter deren Gewicht ich überrascht in die Knie ging. Der junge Arzt grinste. „’Tschuldigung, aber ich liebe diese Reaktion bei Patienten“, schmunzelte er und schob mich an ein Gerät. „Was soll ich röntgen, Chef?“ „Arm“, kam die knappe Antwort. „Okidokeli, Chef.“ Der Mann brachte also meinen Arm in Position und verschwand dann. Die Geräte begannen zu surren und sich langsam zu bewegen und die Bleischürze wurde mir langsam unangenehm. Sie drückte schwer auf meinen Schultern.

Schließlich war alles vorbei, der junge Arzt nahm mir den Mantel aus Blei ab und ich fühlte mich ungewohnt leicht. Der Arzt und Dr. Cullen studierten meine Röntgenbilder eingehend, bis ich den Arzt, der mir die Bleischürze umgelegt hatte, murmeln hörte: „Bist du dir sicher, dass da gestern noch etwas zu sehen war?“ Der Vampir unter ihnen lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein, vielleicht wurden die Bilder verwechselt. Ich bringe Cassie dann mal zurück in ihr Zimmer, damit sie ihre Familie anrufen kann.“ Ich folgte Dr. Cullen ohne Widerworte und wir schwiegen, bis Dr. Cullen der Meinung war, mir sagen zu können, was los war.

„Dein Knochen sieht aus wie neu“, erklärte er nachdenklich. „Kopfschmerzen?“ „Nein.“ Er notierte etwas in der Akte, während wir weiter den Gang entlang eilten. Er ging ziemlich schnell. Ich konnte ihm kaum folgen.

Wir können uns sogar so schnell bewegen, dass es für das menschliche Auge nicht mehr erkennbar ist…

Das hatte Alan gesagt. Der Mörder. Wie viele Menschen hatte er wohl in den Jahrhunderten getötet, in denen er sich von Menschenblut ernährte? Er hatte gesagt, er ginge etwa alle drei Wochen auf Jagd, im Jahr war das etwa siebzehn Mal. In vierhundert Jahren also fast siebentausend Mal. Mir wurde übel. Der Arzt blieb stehen. „Was ist los?“ Ich hielt kurz inne, um meinen Würgreflex zu kontrollieren und flüsterte dann: „Nichts, es geht mir gut.“ Dr. Cullen sah mich misstrauisch an, begleitete mich dann jedoch weiter in mein Zimmer. „Wenn du willst, lasse ich deine Mutter anrufen, dann kannst du dich schon umziehen. Deine Kleidung liegt im Schrank.“ Ich nickte und zog mich rasch um, nachdem er das Zimmer verlassen hatte. Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Kurz vor acht. In vier Stunden würde sich entscheiden, ob Alan bereit war, mein Leben zu verlängern oder nicht.

Ohne lange zu überlegen, verließ ich mein Zimmer, meldete mich bei einer nett wirkenden Ärztin ab und entschloss auf dem Parkplatz zu warten. Kurz vor dem Ausgang, stieß ich gegen etwas Hartes, was mich zu Boden warf. „Oh, tut uns Leid“, entschuldigte sich eine vertraute Stimme und jemand reichte mir eine Hand. Ich sah auf. Bella. Ohne ihre Hand anzunehmen, stand ich auf. Scheinbar hatte ich Edward umgerannt.

„Ist etwas passiert?“, fragte Bella, als ich sie und Edward ausdruckslos anstarrte. Ich lächelte freundlich. „Nein, es ist nichts. Was macht ihr hier?“ „Bella fand deinen Stunt gestern so lustig, da war sie der Meinung, sie müsse heut auch mal eine Stufe übersehen“, murmelte Edward verstimmt und Bella grinste. Sie zeigte mir ihren Ellenbogen. „Ist gar nicht schlimm. Mir war danach nur ein bisschen schwindelig und na ja… Edward befürchtet ja immer gleich das Schlimmste – als ob er nie stolpern würde.“ ‚…was er garantiert nie tut’, ergänzte ich ihren Satz in Gedanken. Edward zuckte mit den Schultern. „Wenigstens falle ich nicht durch irgendwelche Fenster.“ Bella räusperte sich merkbar. „Und du? Wurdest du entlassen?“ Ich nickte. „Ja, bin wieder fit. Sag mal, hat jetzt eigentlich schon jemand den Wagen abgeholt?“ „Sam war gestern Abend noch mit Jared da“, erzählte Bella, als Edward leicht an ihrem Arm zog. „Wir müssen jetzt aber hoch. Carlisle wollte sowieso noch mit Edward sprechen.“ Sie verabschiedeten sich und ich winkte, während sie in den Fahrstuhl stiegen und die Türen sich schlossen.

Ich konnte mir denken, worüber Carlisle mit ihnen sprechen wollte. Darüber, dass die kleine Cassie einfach so in die Falle des bösen Vampirs Alan getappt war, als er ihr seine Geschichte erzählt hatte. Am liebsten hätte ich mir ohne Unterbrechung dafür den Arsch versohlt, aber ein letzter Funken Verstand hielt mich davon ab.

Eine halbe Stunde stand ich im Bushäuschen, um mich vor dem Regen zu schützen, bis ein Volkswagen vorfuhr. Ich öffnete geschwind die Tür und fragte grinsend: „Nimmst du mich mit?“ Der Fahrer wiegte den Kopf ein wenig hin und her, als suche er nach einer Antwort, dann sagte er: „Wo musst du denn hin?“ „La Push?“ „Okay, kannst mitkommen.“ Lachend ließ ich mich neben Jacob fallen. Werwolf hin oder her. Er war mein bester Freund und wenn er sich hin und wieder in ein pelziges Untier verwandelte, war mir das auch egal. „Wie geht es dir?“ „Joah, ganz okay halt“, antwortete ich und beobachtete den Regen, der an die Seitenfenster prasselte. „Ich mein… den Umständen entsprechend…“ Jake nickte lächelnd. „Und sonst? Tut dir noch etwas weh?“ Ich schüttelte den Kopf. „Dann ist ja gut.“ Er zerstrubbelte mir die Haare, ohne den Blick von der Straße abzuwenden. Seine Hitze war im ganzen Auto zu spüren.

Ich lehnte den Kopf an und sah weiter raus. Fast siebentausend Menschenleben… die Werwölfe hingegen. Sie schützten die Menschen. Jake war mein bester Freund. Ich war mit ihm und den anderen aufgewachsen. Alan dagegen? Ich kannte ihn doch erst seit wenigen Wochen. Wieso tat es nur so weh, wenn ich an ihn dachte? Warum glaubte ich, dass uns so viel Unausgesprochenes verband? Und warum zweifelte ich mit jeder Sekunde weniger daran, dass er zu den Cullens gehen würde? Um zwölf Uhr… er würde dort sein. Das wusste ich. Er musste einfach gehen.

Ich hatte meinen Arm auf die Lehne gelegt. Meine Finger zitterten deutlich. Jake schien es zu ignorieren, aber ich konnte das nicht. Obwohl mein Puls ganz ruhig war und darauf vertraute, dass Alan gehen würde, fürchtete ich mich davor, er würde es doch nicht tun.

„Hey, hast du etwas?“, fragte Jake. „Nein, mir ist nur kalt“, murmelte ich, um das Zittern zu erklären. Er legte einen Arm um mich und zog mich an sich. „Immer noch?“, grinste er. „Nein, danke“, flüsterte ich und tatsächlich ließ das Zittern nach. Selbst wenn Alan nicht gehen würde, Jake würde mich nie allein lassen. Er würde immer auf mich aufpassen. Da war ich mir sicher.

Aussprache

Alan fand die versteckte Auffahrt ohne weiteres und bog ab. Sein Wagen glitt sanft über den unebnen Weg und er dachte an die neuen Stoßdämpfer. Kurz bevor er in die Gegend gekommen war, hatte er sie einbauen lassen. Sie waren perfekt für seinen nagelneuen Mercedes SLR Coupé. Es war die Jungfernfahrt des Wagens. Er hatte ihn erst vor einer Stunde vom Autohaus abgeholt.

Zwischen den Bäumen erschien ein hübsches Haus mitten im Wald. Er hörte einen nahen Fluss und Bewegungen im Haus. Natürlich, es war kurz vor zwölf. Es wäre dumm von Carlisle, wenn er nicht da wäre, wobei er Alan doch extra herbestellt hatte.

Er parkte den Coupé schwungvoll vor dem Haus und stieg aus. Bevor der Regen seine weiße Haut überhaupt berühren konnte, stand er bereits unter dem Vordach und ein junges Mädchen öffnete ihm. Ihr schwarzes Haar war kurz und stachelig, zeigte wirr in alle Richtungen und ihre goldenen Augen ruhten geduldig auf ihm. „Alan?“, fragte sie und er nickte. Sie öffnete die Tür ganz und ließ ihn rein. „Freut mich dich kennen zu lernen“, sagte sie freundlich und schwebte vor ihm her. „Mein Name ist Alice, ich bin Carlisles Tochter.“ „Freut mich“, murmelte er bloß. „Wo ist er?“ „Oben. Ich bring dich zu ihm.“ Sie führte ihn eine Treppe hoch und öffnete schließlich eine Tür. Alan sah Bücherwände, Gemälde, eine große Fensterfront und einen schweren Schreibtisch, hinter dem ein Vampir mit blondem Haar und dunkelbraunen Augen saß. Die Anspannung war ihm im Gesicht abzulesen. Bei den Regalen stand noch ein weiterer junger Mann, den Alan genauso wie das Mädchen kannte. Sie waren beide bei Cassie gewesen, als sie vom Krankenwagen abgeholt worden war.

Alan und Carlisle nickten sich zur Begrüßung zu und Carlisle deutete auf den freien Stuhl vor dem Tisch. Alan ließ sich nieder und Carlisle und er sahen sich lange an. „Das ist Edward, mein Sohn und längster Begleiter. Alice ist meine Tochter.“ „Wie geht es Esme?“, fragte Alan. „Ganz gut. Sie arbeitet im Moment, sonst wäre sie wahrscheinlich hier.“ Alan sah sich Edward genau an. Er schien jünger als er selbst zu sein. Edward starrte Löcher in die Luft und schien Alan völlig zu ignorieren. Das Mädchen lehnte sich lächelnd an eine der Wände.

„Hör zu, Alan, ich bin nicht daran interessiert, das Mädchen an die Volturi weiterzugeben. Ich möchte nicht zum Mörder werden, das weißt du. Das wollte ich nie“, begann Carlisle, aber Alan unterbrach ihn sofort. „Ja, und ich verstehe dich durchaus. Ich bin gold geblieben, wie du siehst.“ Carlisle legte die Fingerkuppen aneinander. „In der Tat. Vor sechzig Jahren hattest du ernsthafte Probleme. Ich muss zugeben, ich habe dich unterschätzt.“ „Das haben viele“, quittierte Alan Carlisles Aussage leichtfertig.

„Nun, trotzdem möchte ich gern wissen, warum du es ihr gesagt hast“, erklärte Carlisle und lehnte sich zurück. Alan tat es ihm gleich und schlug die Beine übereinander. „Ich habe vor etwa einem halben Jahr einem Vampir ein Versprechen gegeben, das Mädchen zu finden und ihr alles zu erklären. Ich werde mich wahrscheinlich in den nächsten Tagen auf die Fährte dieses Vampirs begeben, um ihm zu berichten.“ „Wer ist dieser Vampir?“ Carlisle warf seinem Sohn einen kurzen Blick zu, dann betrachtete er wieder Alan. Der fuhr unbeirrt fort.

„Sein Name ist Michael. Er ist ein Menschenfreund und rettete Cassie vor elf Jahren. Ihre Eltern wurden damals getötet.“ „Warum?“ Alan hob unwissend die Hände. „Ich weiß es nicht.“ Wieder ein kurzer Blick zu Edward. Alan lächelte. „Keine Sorge, ich werde dir nichts vorenthalten, Carlisle. Dein Lügendetektor wird nichts finden.“ Carlisle sah ihn sprachlos an. „Ich bitte dich. Deine Familie ist größer, warum nur diese beiden? Edward kann Lügen aufspüren, Gedanken lesen… etwas in der Art. Und Alice… sie wird auch irgendeine besondere Fähigkeit haben, die dir hilft zu durchschauen, ob ich lüge oder nicht. Ich bin sechshundert Jahre alt, mein Lieber, du musst schon stärkere Geschützte auffahren, um mich zu täuschen.“ „Ich gebe zu, du hast mich durchschaut“, gestand Carlisle und stand auf, um aus dem Fenster zu sein. „Ich habe dir nicht getraut, dafür entschuldige ich mich, aber ich komme einfach nicht umhin, mich zu fragen, wieso gerade sie. Cassie ist kein normales Mädchen, wie du schon ganz richtig festgestellt hast. Als sie gestern im Krankenhaus ankam, machte ich zwei Röntgenaufnahmen im Abstand von zehn Minuten. Auf der ersten war deutlich ein Haarriss zu erkennen, auf der Zweiten kaum noch was. Edward sagte mir, ihr Arm hätte unnatürlich unter ihr gelegen, ihr Arm war gebrochen. Warum also verheilen Wunden bei ihr so überaus schnell?“ „Ein Einzelfall?“, hakte Alan nach, aber Carlisle erwiderte: „Ich habe ihre alten Akten angefordert. Kein Einzelfall. Vor fünf Jahren wurde sie bereits einmal eingeliefert. Sie war in einen Autounfall verwickelt gewesen und kam als Notfall an. Zwei Tage später konnte sie das Krankenhaus wieder verlassen – topfit. Außerdem habe ich mich ein wenig bei den örtlichen Ärzten umgehört, sie war nie in Behandlung. Irgendetwas ist in ihrem Blut.“ „Hast du eine Blutprobe genommen?“ Carlisle nickte. „Ich habe auch etwas gefunden, allerdings etwas, das ich noch nie zuvor gesehen habe.“ Er kehrte zurück zu seinem Schreibtisch und griff nach einem Stift und einen Zettel, um den Blutbestandteil skizzenhaft zu notieren, während Alan sich ihm langsam näherte. „Edward, komm du auch mal her. Dein Medizinstudium liegt kürzer zurück“, murmelte er und Edward ging langsam auf ihn zu. Edward und Alan sahen beide Carlisle über die Schulter, während Alice sie neugierig beobachtete. „Nein, so etwas ist mir noch nie untergekommen“, resignierte Edward nach kurzer Zeit fieberhaften Nachdenkens und Alan nahm den Zettel hoch und hielt ihn gegen das Licht, als könne ihm das Papier so das Geheimnis offenbaren. Er kniff die Augen zusammen, doch helfen tat dies auch nicht, bis er langsam begann, den Zettel in der Hand zu drehen. „Das ist unmöglich“, hauchte er. „Das war wirklich in ihrem Blut?“ „Ja, kennst du es?“ Alan nickte langsam und träge, während Edward kaum seinen Gedanken folgen konnte. Tausende Bilder blitzten vor seinen Augen auf. Bilder eines Lebens, das nun sechshundert Jahre währte und schon viel gesehen hatte. Er blendete Carlisle, Alice und sich selbst völlig aus, um Alan zu folgen und wich zurück, als die Bilder abrupt endeten. „Was war das?“, keuchte er nach dem letzten Bild. Es war ihm heiß und kalt den Rücken hinunter gelaufen. Alan starrte noch immer auf den Zettel mit Carlisles Zeichnung. Plötzlich drehte er sich zu Carlisle um, sein Blick stand in Flammen. „Ich werde jetzt jagen gehen. Danach wirst du auch mir eine Blutprobe entnehmen und sie untersuchen.“ Mit diesen Worten war er verschwunden und ließ Edward, Alice und Carlisle stehen. Er raste durch den Wald, griff sich ziellos mehrere Rehe, bis er spürte, dass sein Körper nicht mehr viel Blut aufnehmen konnte. Er wischte sich einen Blutstropfen vom Mundwinkel und lächelte. Michael war gar nicht so naiv gewesen, wie er ausgesehen hatte…

Er kehrte ins Haus zurück, wo er die drei Vampire vorfand, wie er sie verlassen hatte. „Ich bin bereit, und du?“ Carlisle schüttelte den Kopf. „Was soll das? Wie soll ich dir Blut abnehmen? Keine Nadel der Welt dringt durch deine Haut.“ Alan schnaubte. „Ich dachte, du würdest dein Hirn benutzen, Carlisle. Beiß mich doch einfach.“
 

Ich starrte lange an die Decke. Sehr lange. Womöglich zu lange. So lange, dass mein Gehirn aufweichte. Irgendwann stand ich nämlich auf, verließ das Haus und setzte mich in Sams alten Wagen. Dröhnend sprang er an und ich drückte das Gaspedal durch. Zu schnell fuhr ich über die Landstraße und war in kürzester Zeit in Port Angeles.

‚Was tue ich hier überhaupt?’, fragte ich mich, als ich den Wagen in der Nähe des Hochhauses parkte und abschloss. Mein Verhalten war völlig unlogisch, kompliziert, unnatürlich und vor allem war es eines: unvorhersehbar. Ich hatte ja nicht einmal selbst damit gerechnet, dass ich das nun tat. Trotzdem trugen mich meine Füße durch den Regen. Die Mütze tief ins Gesicht gezogen, sah ich kaum, wo ich hinging, fand mich schließlich jedoch trotzdem vor dem gesuchten Gebäude ein. Ein Mann verließ gerade das Haus und ich schlüpfte durch die Tür. Der Fahrstuhl kam schnell und brachte mich in die Etage unter dem Dach, wo ich einige Zeit nervös vor der Tür stand. Unter mir bildete sich langsam eine Pfütze. Es war völlig hirnrissig, dass ich hier war. Was sollte mir das bringen? Gar nichts, wenn man es genau nahm. Ich lief dem Scharfrichter direkt in die Arme. Ich zählte wohl zu den dümmsten dummen Menschen, denen man begegnen konnte. Ja, ich denke, das traf es. – Denn immerhin klopfte ich an die Tür eines Vampirs, der mich zum Tode verurteilt hatte.

Die Tür wurde langsam geöffnet und Alan erstarrte in der Bewegung. „Cassie“, murmelte er. Er hatte ein Pflaster am Hals und seine Augen waren dunkler als sonst. Er war hungrig.

Ich atmete tief durch, bevor ich an ihm vorbeiging. „Ich muss mit dir sprechen“, erklärte ich. Er schloss die Tür hinter mir und sah mir in die Augen. Ich hielt Stand. „Ich dachte, du wärest für immer gegangen“, flüsterte er. „So kann man sich täuschen“, lächelte ich unsicher und beobachtete die Regenschleier vorm Fenster. Der Regen bildeten einen leichten Nebel über der Stadt, sodass man nur noch die höheren Häuser erkennen konnte und die Fabriken am Stadtrand. „Ich bin froh drüber, möchtest du etwas trinken?“ „Nein“, antwortete ich knapp. Alan ging zum Fenster und ich setzte mich unsicher auf eines der roten Sofas, nachdem ich meine Jacke ausgezogen hatte. „Worum geht’s?“ „Kannst du dir das nicht denken?“, fragte ich und versuchte, ihn nicht unbedingt anzusehen. Auf dem Tisch lag immer noch Dorian Gray. „Ich war bei Carlisle. Wir haben miteinander gesprochen und er wird den Volturi nicht Bescheid geben.“ „Die Volturi?“ Alan betrachtete immer noch die Stadt, die Hände in den Hosentaschen. „Sozusagen unsere königliche Familie. Sie sind schon sehr alt und sorgen dafür, dass die Gesetze eingehalten werden. Vampire, die sich nicht an die Regeln halten, werden ausgelöscht.“ „Du hast dich nicht an die Regeln gehalten“, murmelte ich und er lachte schrill. „Das tun die wenigsten und da die Volturi schlecht jeden umbringen können, töten sie nur die, die schwerwiegende Regelverstöße begehen. Wenn man sich zum Beispiel in Volterra, ihrer Stadt, als Vampir offenbart, sollte man nicht an ein Leben in der Ewigkeit glauben.“ „Aber mich würde man töten?“ Er zuckte mit den Achseln. „Wahrscheinlich. Wenn du nicht eine von uns wirst.“ „Aber ich will kein Vampir sein!“, schrie ich. „Ich will nicht, dass mich meine Freunde verstoßen! Ich möchte kein ewiges Leben führen!“ Alan blieb ganz ruhig. „Ich denke nicht, dass du ein Vampir werden musst. Wenn du nicht von Vampiren gefunden werden willst, wirst du auch nicht gefunden. Ich habe ja bereits gesagt, dass du für uns nicht aufspürbar bist.“ „Wie kommt das?“ Ahnungslos sah er mich an. „Ich könnte dir jetzt tausend verschiedene Theorien aufzählen und ich glaube nicht, dass eine einzige richtig wäre. Vielleicht bist du Trägerin irgendeines seltsamen Genes, vielleicht ist die Gegend auch einfach Anziehungspunkt für Menschen, die anders sind.“ Ich verschränkte die Arme. „Was soll das heißen?“ „Lange Geschichte“, murmelte er und winkte ab. Mein Blick war immer noch fordernd, aber er ignorierte es.

„Du gehst doch sicherlich auch zur Hochzeit von Bella und Edward, nicht wahr?“ Ich nickte. „Warum?“ „Ich habe heute ebenfalls eine Einladung erhalten. Ich würde gern mit dir hingehen. Natürlich nur, wenn du willst.“ Die Röte schoss mir ins Gesicht und ich ließ den Kopf hängen, obwohl er es bestimmt gesehen hatte. „Also… ich…“ „Ja?“ Seine Stimme war leise, als er direkt vor mir stand. „Ich würde sehr gern mit dir zur Hochzeit gehen“, nuschelte ich und drehte mich zur Tür um, doch bevor ich sie öffnen konnte, donnerte er seine Hand dagegen und senkte seinen Kopf zu meinem Ohr hinab. „Sagst du den Wölfen, dass du ihr Geheimnis kennst?“ Ich schüttelte paralysiert den Kopf. Seine Finger nahmen eine Strähne von mir in die Hand und er roch an meinem Haar. „Braves Mädchen. Ich halte es nämlich für äußerst unklug, ihnen zu sagen, dass du mit dem Feind befreundet bist.“ „Ich denke nicht, dass man schon davon sprechen kann, dass wir Freunde sind“, schluckte ich. „Und Edward und Bella? Die Wölfe werden es auch nicht gern sehen, dass du sie magst.“ „Ich habe bisher noch nichts gesagt und werde nichts sagen“, murmelte ich und drehte mich um. „Was hast du da gemacht?“, fragte ich und deutete auf seinen Hals. Erst jetzt bemerkte ich, dass das Pflaster genau über der Narbe war. „Nicht so wichtig“, lächelte er. Ich versuchte, ihn mit meinem Blick zu durchbohren, aber dabei kam ich mir nur jämmerlich vor. „Du solltest jetzt nach Hause. Der Regen wird schlimmer.“ Er entspannte sich und öffnete die Tür. Ich trat zurück und stand im Flur. „Bis dann“, flüsterte ich und verschwand auf der Treppe. Erst zwei Stockwerke tiefer erinnerte ich mich an den Fahrstuhl…
 

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Wieder mal was neues von mir. ^^ Ihr dürft euch aussuchen, auf wen sich der Kapiteltitel bezieht, Carlisle-Alan oder Alan-Cassie.^^

Bella und Jacob

Huhu.^^ Bin wieder da. xD
 

Edward sah aus wie ein junger Gott, während er nervös vorm Pfarrer auf und ab tigerte. Emmett beobachtete ihn dabei belustigt, bis Carlisle Edward eine Hand auf die Schulter legte und er tief durchatmete. Er merkte, wie ich ihn ansah und lächelte schwach. Es war ihm anzusehen, dass es ihm lieber wäre, tausend Tode zu sterben, als noch eine Minute länger zu warten. Plötzlich versteifte er sich und wir drehten uns alle zur Tür um. Rosalie und Alice schwebten herein. Ihre Kleider aus Organza und fließendem Satin waren in einem sanften Dunkelrot gehalten und trägerlos. Sie trugen kleine Blumensträuße und schließlich führte Charlie seine Tochter hinein. Bella lächelte, als sie Edward ansah, der einfach nur dastand, die Hände schienen wie Blei an seinem Körper zu hängen. Es war ihm nicht zu verübeln. Bella war wunderschön.

Ihr Kleid mit Korsage hatte ein sanftes Weiß mit dunkelroten Akzenten. Es fiel weich und weit, ihr Gesicht war hinter einem Schleier verborgen. Langsam hakte sie sich bei ihrem Vater unter und Renee schluchzte in der ersten Reihe, als Bella und Charlie den Gang entlang schritten und Charlie sie Edward übergab. Es schien ihm schwer zu fallen, sie fort zu geben. Fort, in eine andere Familie, ohne zu wissen, dass er sie je wieder sehen würde. Bella hatte es mir erzählt. Ihr Vorhaben und Edwards daran geknüpfte Bedingung der Hochzeit. Doch mit der Zeit hatte sie sich wohl immer mehr mit dem Gedanken anfreunden können, damit ihren Freunden und ihrer Familie endgültig Lebe wohl sagen zu können. Am gestrigen Tag war sie sogar schon richtig nervös gewesen.

Edward und sie wandten sich nun dem Reverend zu, Edward in einem weißen Anzug mit ebenfalls roten Akzenten, wie unter anderem einer Rose im Nadelloch.

Der Reverend begann mit seiner Rede und mein Puls schlug, als wäre es meine Hochzeit. Alan, der neben mir saß, legte seine Hand beruhigend auf meine. Ich lächelte ihn unsicher an. Dann folgten wir weiter der Trauung. Obwohl Alan von Edward eingeladen worden war, hatte er sich mit mir auf Bellas Seite gesetzt – aus welchem Grund auch immer.

„Sollte jemand etwas gegen diese Verbindung haben, so solle er jetzt sprechen, oder für immer schweigen“, sagte der Reverend und Stille trat ein. Spannendes Warten lag in der Luft, Warten, das in allen romantischen Filmen enttäuscht wurde. Ich war mir sicher, dass dies ein romantischer Film wäre, nach alledem, was Bella und Edward durchgemacht hatten. In einer ewigen Nacht hatte Bella mir ihre Geschichte erzählt. Wie sie Edward kennen gelernt hatte, wie sie von James gejagt worden war, warum Edward sie für einige Zeit verlassen hatte, wie ein Freund ihr half wieder auf die Beine zu kommen und wie sie letztendlich wieder mit Edward zusammenkam, bis hin zu dem Tag, an dem sie ihre Hochzeit beschlossen. Sie hatte den Teil übersprungen, als sie Victoria besiegten, aber sie hatte mir versprochen, das irgendwann zu wiederholen.

Plötzlich knallten die Türen der Kirche auf und es war, als hätte die im Vorraum stehende Person nur auf ihr Stichwort gewartet. Mir stockte der Atem, als ich ihn erkannte. Jacob war nass vom Regen und marschierte auf den Altar zu. Im ersten Moment war ich verwirrt, wusste nicht, was geschah, aber dann gab es das Klicken, auf das ich anderthalb Monate gewartet hatte.

Bella.

Bella war das Mädchen, das Jacob verletzt hatte. Das Mädchen, das ihn hängen ließ, um einen anderen zu heiraten.

Edward.

Meine Hände ballten sich zu Fäusten, als Jacob an mir vorbeiging, ohne mich zu sehen. „Bella! Tu das nicht!“, bat er in einem Ton, der stark an einen Befehl erinnerte. Bella wich mit aufgerissenen Augen zurück und Edward schob sich leicht dazwischen. „Du solltest gehen, Jacob“, zischte er. „Aus dem Weg“, knurrte Jacob zurück und Gäste und Reverend hielten den Atem an. Jasper stand auf und Emmett spannte sich an, sie näherten sich Jake jedoch nicht. „Bella, bitte…“ Jacobs Ton war flehend, aber Bella schüttelte verstört den Kopf. „Nein“, wisperte sie. „Es ist zu spät. Ich habe mich entschieden. Das habe ich schon vor langer Zeit getan.“ Auch Jacobs Hände wurden nun zu Fäusten und er zitterte am ganzen Körper. Dann schlug er Edward nieder und stürmte aus der Kirche. Noch bevor die Türen hinter Jacob zu fielen, sprang ich auf und rannte ihm hinterher. Ich verfolgte ihn bis zum Wald, gab mir nicht die Mühe, über Pfützen zu springen und lief ihm einfach nur hinterher, doch ich verlor seine Spur. Eine Kleiderspur führte tiefer in den Wald, doch an ihrem Ende erwartete mich kein Jacob. Ich ließ den Kleiderhaufen, den ich eingesammelt hatte, fallen und ließ mich auf die Knie sinken. Warum hatte ich es nicht vorher gemerkt? So vieles sprach dafür, dass Bella Jacobs mysteriöses Mädchen war, aber ich hatte es nicht gesehen. Ich hatte nicht auf den Namen auf der Einladung geachtet, hatte nicht daran gedacht, dass Edward als Vampir garantiert zu den Wesen gehörte, die Jacob am meisten hasste. Ich hätte es doch merken müssen! Ich vergrub das Gesicht in den Händen und weinte. Ich weinte, weil es mir schlecht ging, weil ich dumm war und weil mein bester Freund unglücklich war – und ich hatte weiterhin gelacht, als wäre nichts. Jacob war wie immer gewesen, als er zurückgekehrt war. Doch ich hätte wissen müssen, dass alles nur Fassade war. Eine perfekte Fassade!

Es war nie sonderlich häufig vorgekommen, dass ich tatsächlich aus Kummer weinte. Meistens regte ich mich nur so auf, dass mir die Luft wegblieb und ich deshalb schluchzte, aber immer war Jake da gewesen, der mich beruhigt hatte. Es kam häufiger vor, dass ich aus Freude weinte. Zum Beispiel als Jake nach Hause gekommen war.

Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Ich sah auf, aber als ich Alan sah, war ich enttäuscht. Er strich mir das Haar aus der Stirn und hob mich hoch, ohne zu fragen. Während er mich durch den Wald trug sah ich nur ihn und spürte auch nur seine Kälte und den Wind, der außerordentlich zugenommen hatte. Wenige Sekunden später nahm er wieder ab und Alan sah mich an, während er immer weiter ging. Er sagte nichts, drückte mich schützend an sich, damit der Regen mich nicht so berührte. Auf einmal lag ich in meinem Bett und rollte mich zusammen. Er ging vor dem Bett in die Hocke. Sein Mund öffnete sich, aber ich verstand nicht, was er sagte. Schließlich stand er auf und war schon verschwunden. In der Ferne glaubte ich, erneut ein Wolfsheulen zu hören.
 

„Es tut mir leid, Kleines… So furchtbar leid… ich wollte dich nie verletzen. Ich hätte es dir sagen müssen. Aber ich konnte nicht. Ich war zu feige. Ich wollte nicht vor dir schwach werden. Ich muss doch auf dich aufpassen. Da darf ich mir keine Schwäche leisten. Verzeih mir bitte ein letztes Mal.“
 

Ich blinzelte, bis ich mich an das Licht gewöhnt hatte. Meine Haut war straff um die Augen, ich musste geweint haben. Der letzte Tag lag verschwommen in meinen Erinnerungen. Ich sah nur einzelne Bilder.

Langsam richtete ich mich auf und bemerkte, dass ich einen Schlafanzug trug. Jemand hatte mich also umgezogen… Ich schlurfte hinunter ins Wohnzimmer, nachdem ich das Fenster geöffnet hatte, begegnete aber niemandem. Niemand war da. Verschlafen ließ ich mich aufs Sofa fallen und legte den Kopf in den Nacken. Ich war mir sicher, dass ich zwischendurch einmal aufgewacht war und Jacob zugehört hatte, wie er sich bei mir entschuldigte.

Zur Krönung des ganzen hatte ich einen seltsamen Traum gehabt. Nur eine Stimme und ein wunderschönes, männliches Gesicht, das alt und erfahren wirkte, ohne so auszusehen… Ich schloss die Augen und versuchte mich daran zu erinnern, was der Mann gesagt hatte, aber ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Irgendetwas von einem Zeichen… oder? Doch, je länger ich darüber nachdachte, desto sicherer wurde ich mir, dass der Mann von einem Zeichen gesprochen hatte. Ein Zeichen, das mich binden sollte. Binden… woran?

Ich schüttelte den Kopf. Es gab Wichtigeres, um das ich mich nun kümmern musste. Viel Wichtigeres. Jacob und Bella. Bella und Jacob. Aber auch Edward und Bella. Und Bella und Edward. Ich runzelte die Stirn. Warum hatte mir Jacob nichts gesagt, als er mich und Bella sah? Und immer wieder stellte ich mir die gleiche Frage. Warum hatte ich es nicht bemerkt? Dass es Bella war? Dass er nicht darüber hinweg war? Dass sein Lächeln eine Lüge war?
 

Ihr Atem war ruhig, als Esme ihr gleichmäßig durchs Haar strich. Sie hatte die halbe Nacht geweint, bis sie schließlich vor Erschöpfung eingeschlafen war. Edward hielt sie im Arm, sein Blick war leer, er schien nicht wirklich anwesend. Alice beobachtete ihn beunruhigt, während Rosalie in der Küche war und einen Tee aufsetzte. Jasper und Emmett sicherten die Umgebung. Eine weitere Störung durch Werwölfe wollten sie nicht riskieren. Charlie war früh aus dem Haus gegangen, um das eine oder andere zu organisieren, in dem guten Wissen, dass Esme und Edward da waren. Gemeinsam mit Carlisle sprach er nun mit dem Reverend. Es musste geklärt werden, was nun geschah. Dass Bella und Edward heiraten würden, war wie ein ungeschriebenes Naturgesetz. Sie gehörten zusammen wie zwei Puzzleteile.

Plötzlich stand Edward auf und Alice und Bella zuckten zusammen. Er legte Bella sanft auf ihr Bett und war im nächsten Moment verschwunden. Alice sah Esme einen kurzen Augenblick lang an, bis diese nickte und schon hatte sie sich an seine Spur gehängt.

Rosalie kam mit einem dampfenden Tee hoch und sah sich um. „Wusste ich doch, dass ich etwas gehört habe“, murmelte sie und sah aus dem Fenster, durch das Emmett gerade hereinkam. „Was ist los? Alice und Edward sind gerade wie besessen an uns vorbeigerast“, brummte er, als Rosalie das Tablett auf Bellas Schreibtisch abstellte. „Ich weiß es nicht“, sagte Esme langsam. „Edward ist aufgesprungen und weg war er. Alice ist hinterher.“ Emmett nickte. „Sie hat Jasper mitgenommen, um Edward notfalls beruhigen zu können.“ Rosalie ging wortlos auf Emmett zu und untersuchte sein Gesicht sorgfältig. „Alles verheilt?“, fragte Emmett und sie nickte. „Kein Kratzer mehr“, nuschelte sie und setzte sich dann geschmeidig neben die schlafende Bella. Emmett ließ sich auf dem Boden nieder und Esme musterte ihren Sohn. Er wirkte nicht so, als hätte er sich letzte Nacht einen Kampf mit einem wütenden Werwolf geliefert. Alles war wieder verheilt, jeder Kratzer, und gejagt hatte er in der Zwischenzeit auch wieder, sodass seine Augen wieder in ein sanftes Gold getaucht waren. Selbst das Jagdfieber war ihm kaum noch anzusehen. Auch Rosalie wirkte den Umständen entsprechend munter. Es war mitten in der Nacht gewesen, als zwei Werwölfe aufgetaucht waren und Emmett, Jasper, Rosalie und Alice verschwunden waren. Scheinbar hatte es jedoch lediglich eine kleinere Rangelei gegeben, nachdem Carlisle den Rudelführer verständigt hatte. Edward war zu diesem Zeitpunkt bereits zu einer Salzsäule erstarrt.

Bella schlug auf einmal die Augen auf und Rosalie drückte sie sanft wieder in die Kissen, als sie sich ruckartig aufsetzte. „Ganz ruhig, Liebes“, flüsterte Esme ihr ins Ohr. „Es ist alles in Ordnung…“ Bella richtete sich auf – nun langsamer und lehnte sich gegen die Wand. Zitternd suchte sie den Raum mit den Augen nach Edward ab, doch als sie ihn nicht entdeckte ließ sie den Kopf hängen. „Was hab ich getan?“, flüsterte sie. Es war das erste, was sie sagte, nachdem Jacob aus der Kirche gerannt war. Bevor Esme überhaupt reagieren konnte, rückte Rosalie an sie heran. „Du hast gar nichts getan, Bella. Du bist nicht an alldem schuld. Jacob trifft die Schuld. Er kannte deine Entscheidung und hätte er sie akzeptiert, wäre das alles nicht geschehen.“ Bella zog die Decke bis unters Kinn und Rosalie wischte sanft eine einzelne Träne fort. Esme drückte Bellas Hand und Emmett kniete vor dem Bett. „Aber… Edward“, schluchzte sie. „Mach dir um den keine Sorgen“, meinte Emmett. „Alice und Jasper kümmern sich um ihn.“ Sie presste die Lippen zusammen. „Was ist mit Cassie?“ Esme sah sie verdutzt an. Scheinbar wusste nicht einmal Bella, warum sie sich ausgerechnet jetzt nach Cassie erkundigte, obwohl die beiden sich noch gar nicht so lange kannten.

Schließlich zuckte Esme mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Alan hat sie im Wald aufgelesen und zurück nach La Push gebracht.“ Bella nickte. Man hatte ihr Alan vor einiger Zeit vorgestellt. „Geht es ihr gut? Und Jacob?“ „Wir wissen es nicht“, murmelte Esme und reichte Bella den nicht mehr ganz heißen Tee. Er hatte jetzt die richtige Temperatur, dass sich Bella nicht die Zunge verbrannte. „Danke“, sagte Bella leise und lächelte unsicher. Vormachen konnte sie niemandem etwas.
 

Die Tür ging auf und ich hob den Kopf. Sam kam triefend vor Nässe, nur mit einer Jeans bekleidet rein und ging an mir vorbei, ohne mich zu bemerken. Rasch stand ich auf und folgte ihm in die Küche, wo er sich auf einen Stuhl fallen ließ und aus dem Fenster starrte.

„Sam?“, fragte ich unsicher und er drehte sich abrupt um. „Ach, du bist es“, seufzte er, als hätte er ein Monstrum erwartet. „Was ist passiert?“, fragte ich leise und setzte mich ihm gegenüber.

„Nichts, Kleine. Ich bin nur… vom Regen überrascht worden.“

„Red keinen Müll. So wie der Himmel aussieht, regnet es schon eine halbe Ewigkeit.“

„Cassie“, stöhnte er und stützte den Kopf erschöpft in die Hände. „Warum bohrst du immer so viel?“ Ich senkte den Blick, als er aufsah. „Weil ich Bescheid weiß“, flüsterte ich so leise, dass ich mich selbst kaum verstehen konnte. Jetzt war sowieso schon alles zu spät. Es war egal, ob Sam wusste, dass ich es wusste oder nicht.

„Was weißt du?“, fragte er und er konnte den Schrecken in seiner Stimme nicht verbergen.

„Ich weiß, dass du ein Werwolf bist.“
 

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Na, das nenn ich doch mal ein Ende, oder? xD

Ein leeres Apartment

„Du machst Witze. Ich bin doch kein Werwolf!“, bestritt Sam meine Theorie, aber das Entsetzen war ihm anzusehen. Wer mochte mir das erzählt haben? Die dreckigen Vampire? Ja, wahrscheinlich dachte er so.

„Ich habe vor einiger Zeit einen Vampir kennen gelernt, der mich in alles einweihte. Und ich weiß auch, dass meine Eltern von einem Vampir ermordet wurden und ein anderer Vampir mich rettete.“

Sam stand auf und ging zum Fenster. „Du spinnst dir da etwas zusammen. Du hast uns wahrscheinlich belauscht, als wir darüber sprachen, was mit deinen Eltern geschehen war, nicht wahr?“ „Nein, ich weiß es. Alan hat mir alles erzählt. Ich weiß auch, dass die Cullens Vampire sind und Bella in einen Vampir verwandelt werden will und sie würde sich jetzt schon in der Verwandlung befinden, wenn Jacob die Hochzeit nicht gestört hätte. Ich weiß, dass Jacob Bella liebt und ihr mir alles verheimlicht habt. Ganz La Push hat ein Spiel mit mir gespielt, schließlich bin ich nur die dumme, kleine Cassie…“ Meine Stimme wurde wieder lauter. Warum brachte Sam mich nur immer dazu, die Wände hochzugehen? „Mit mir könnt ihr es ja machen! Niemand hielt es für nötig, mich einzuweihen. Alan, er war der einzige, der mir alles erzählte.“ Ich war zwar sitzen geblieben, hatte die Hände allerdings vor mir gefaltet und presste sie aneinander. „Das ist nicht wahr“, erwiderte Sam. „Verdammte Scheiße! Es ist wahr!“, schrie ich. Sam knallte die Hände auf den Tisch und sah mich durchdringend an, aber mein Blick hielt seinem schon seit langem Stand. Ich war kein kleines Mädchen mehr.

„Hör zu, Cassie, glaubst du, es gefiel mir, meine kleine Schwester anzulügen? Glaubst du, Quil und Embry hatten ihren Spaß dabei? Oder Jacob… denkst du etwa, er fand es lustig, als er zu Bella wollte und dich vorfand? Er hatte zwar gehört, dass du wieder da warst, aber niemand konnte ihm sagen, wo du warst. Stell dir vor, wie er sich gefühlt hat. Er sieht seine große Liebe, sie lacht und sie redet leichtfertig mit seiner besten Freundin!“

Ich stand auf, drängte mich an ihm vorbei und ging die Treppe hoch. Sam rannte mir hinterher. „Cassie! Du musst uns verstehen! Du warst nicht lange weg, als ich begann mich zu verwandeln und nach und nach folgten die anderen. Wir alle müssen diese Verwandlung durchmachen!“ Ich drehte mich rasend um. „Ja! Genau! Alle! Nur ich nicht! Weil ich hier nicht hingehöre! Ich gehöre nach Sherman Mills und wenn nicht ein Vampir gekommen wäre, um meine Eltern zu töten, hätte ich euch nicht die Bohne interessiert!“ Sam starrte mich entsetzt an. „Das ist nicht wahr“, flüsterte er. Ich fragte mich, wie oft er das heute schon zu mir gesagt hatte. „Du bist meine kleine Schwester, das bist du seit dem Tag, an dem das Auto vorfuhr, in dem du saßest und schließlich klein und zerbrechlich ausstiegst.“ „Ach ja? Du hast mich also lieb? Du willst mich nicht verlieren?“, fragte ich bitter und immer noch wütend. „Ja“, flüsterte er. „Dann solltest du doch glatt dem Vampir dankbar sein, der meine Eltern ermordet hat, schließlich wäre ich sonst gar nicht hier, nicht wahr?“ Sam schüttelte fassungslos den Kopf. „Wie kannst du…?“ Ich sagte nichts, ging weiter die Treppe hoch und verbarrikadierte mich in meinem Zimmer. Langsam ließ ich mich an der Tür hinunter gleiten und betrachtete das offene Fenster, durch das die feuchte Luft langsam hereindrang. Die Fensterbank war nass. Hoffnungslos stand ich auf und öffnete meinen Kleiderschrank, obgleich ich mir völlig bewusst war, dass Alan wohl kaum zwischen meinen Kleidern stehen würde. Nach kurzem Zögern zog ich mir den Schlafanzug aus und schlüpfte in Jeans und T-Shirt – warm war es immerhin. Ich wusste nichts mit mir anzufangen. Streit mit dem Bruder, Unwissen über das Wohlbefinden des besten Freundes und verlorenes Vertrauen in eine gute Freundin. Was für ein Dilemma… und was tat ich? Ich starrte die Tür meines Kleiderschranks an. Besser ging’s ja kaum.

Jemand pochte leise an der Tür. „Cassie?“, fragte Embrys vertraute Stimme. „Was?!“, keifte ich wütend zurück und nahm mich sofort zurück. „Hey, lass mich bitte rein.“ Widerwillig ging ich zur Tür, schloss sie auf und Embry schlüpfte durch den schmalen Spalt, gefolgt von Quil. „Was wollt ihr?“, fragte ich, nachdem die Tür wieder geschlossen war. „Uns entschuldigen“, gestand Quil kleinlaut. „Wir hätten es dir sagen müssen, aber irgendwie… weißt du, das ist halt nicht so leicht gewesen für uns zu Beginn. Und dann kommst du zurück und hast dich so verändert. Du bist richtig erwachsen geworden… und im ersten Moment sahst du aus wie ein Vampir.“ Ich ließ den Kopf hängen. „Aber… warum habt ihr es mir denn nicht danach gesagt?“ Embry ließ sich aufs Bett sinken und sah aus dem Fenster hinaus in den Regen. „Jacob war fort. Du warst plötzlich wieder da. Ein Mensch wollte Vampir werden. Du sahst aus wie einer. Und jedes Mal, wenn wir uns verwandeln, hören und spüren wir den Kummer der anderen und dann auch noch Leahs ständige Vorwürfe Sam gegenüber. Wir waren hoffnungslos überfordert.“

„Du hast einen Vampir kennen gelernt?“, fragte Quil aus höflichem Interesse. Ich war mir sicher, dass er den Vampir am liebsten in der Luft zerfetzen würde. Ich nickte. „Alan hat meinem Retter von damals versprochen, mich zu finden und mir alles zu erzählen.“ Quil und Embry wechselten Blicke. „Du magst ihn?“ „Ja. Er ist mir wichtig.“ Das schien nicht die Antwort zu sein, die die beiden sich gewünscht hatten. Doch sie lächelten. „Na dann“, murmelte Quil.

„Was ist mit Jake? Wie geht es ihm?!“, platzte es aus mir heraus. Embry sah mich besorgt an. „Er weiß nicht, was er denken soll. Letzte Nacht ist viel passiert.“ „Erzählt es mir“, forderte ich und lehnte mich gegen die Kommode.

„Nachdem Jake die Hochzeit gesprengt hatte, scheint wohl ziemliche Verwirrung ausgebrochen zu sein. Bella hat keinen Ton mehr raus gebracht und als Jacob sich verwandelt hatte, wurde Paul, der am Rande von La Push patrouillierte, sofort aufmerksam. Er missverstand Jakes Gedanken allerdings und dachte, die Cullens hätten auf der Hochzeit die Kontrolle verloren. Er und Leah machten sich sofort auf den Weg dorthin und nun ja… die Cullens waren nicht sonderlich begeistert. Einige von ihnen haben sich verteidigt, während die anderen versuchten, die Hochzeitsgesellschaft zu beruhigen und nach Hause zu manövrieren. Charlie, Bellas Vater, war völlig geschockt, dass Jake die Hochzeit geplatzt hatte und ist direkt zu Billy gefahren, um mit ihm zu sprechen. Die Gäste bekamen Gott sei Dank nichts von uns mit. Das wäre auch noch zu schön gewesen. Dr. Cullen verständigte sofort Sam, der Paul und Leah zurückpfiff.“

„Dr. Cullen?“, hakte ich nach. Beide nickten. „Vor etwa zwei Monaten waren ziemlich viele neugeborene Vampire in Port Angeles unterwegs, die hinter Bella und den Cullens her waren. Weil sie auch eine akute Bedrohung für die anderen Menschen darstellten und die Vampire uns um Hilfe baten, halfen wir ihnen. Seitdem herrschte Waffenstillstand. Der Doktor und Sam sind beide Anführer der Parteien und nun ja… Manchmal haben wir das Gefühl, es fehlt nur noch, dass sie sich zum Kaffeekränzchen treffen. Verstehst du, beide wollen nur das Beste für ihre Gruppe und solange sich die Vampire an die Regeln halten, werden wir sie nicht angreifen, deshalb hat der Doktor Sam angerufen. Sie haben gegen keine Regel verstoßen.“

„Jake fühlt sich schuldig“, schloss ich. Wieder ein Nicken. „Gestern war er allein unterwegs und scheinbar sind da die Pferde mit ihm durchgegangen. Dass Bella Edward heiratet… und danach zum Vampir werden will… Unvorstellbar für ihn und er meinte, ehe er sich versah, stand er plötzlich vor der Kirche, in der die Trauung stattfinden sollte. Er sagte, er hätte dich gar nicht gesehen. Er erfuhr erst später, dass du bei der Hochzeit warst, aber seltsamer Weise lagst du im Bett, schlafend. Deine Mutter hat dich umgezogen und gewaschen, du sahst aus, als hättest du dich im Schlamm gewälzt.“

„Ich habe versucht, Jake zu folgen. Habe seine Klamotten eingesammelt, wollte ihm hinterher. Aber ich fand ihn nicht. Ich glaube, Alan hat mich hierher gebracht.“

„Dieser Vampir?“

„Ja. Was geschah dann?“

„Nichts weiter. Jake kehrte zurück und erfuhr, wie wir dich vorgefunden haben. Er wusste sofort, was los war. Er hat eine ganze Stunde an deinem Bett gesessen und dich angestarrt.“

„Wo ist er jetzt?“

„Zu Hause. Vielleicht solltest du zu ihm. Er macht sich ohnehin schon schwere Vorwürfe wegen Leah und Paul. Ich glaube, es würde ihn erleichtern, wenn du zu ihm kämest.“

Ich nickte und stieß mich von der Kommode ab. „Danke, dass ihr da wart.“ Ohne ein weiteres Wort rannte ich aus dem Zimmer, schnappte mir die Regenjacke vom Haken und verließ das Haus.

Ich war trotz Regenjacke nass bis auf die Knochen, als ich bei Jacob ankam und hechtete unter das Verandadach, wo ich mir schnell die Regenjacke von den Schultern streifte und schließlich das kleine Haus betrat. Ich hang die Jacke auf und rief: „Jake?“ Lautes Poltern war zu hören und kurz darauf riss Jacob seine Zimmertür auf. „Cassie“, keuchte er. Als wäre nie etwas passiert, grinste ich ihn an und fragte: „Wann hast du eigentlich das letzte Mal an deinem Auto rumgeschraubt? Mir wäre grad danach.“
 

Die Dunkelheit war gerade dabei Port Angeles zu verhüllen, als ich in die Stadt fuhr, Jake saß neben mir und schien sich in einem Zwiespalt seines Gewissens zu befinden. Einerseits wollte er den Vampir kennen lernen, den seine beste Freundin so schätzte, andererseits hasste er Vampire. Ich hingegen freute mich schlichtweg, dass er bereit war, mit ihm zu sprechen und dass Jake dadurch auch Ablenkung von Bella hatte.

Als wir ausstiegen, hörte der Regen endlich auf und wir liefen im Slalom über die Straße, um nicht in die ganzen Pfützen zu treten. „Hier wohnt er?“, fragte Jake und blickte an dem Hochhaus hoch. „Ja, ganz oben.“ „Aha.“ Ich klingelte, doch niemand öffnete. Verwirrt klingelte ich noch einmal, als die Tür von innen geöffnet wurde. Eine junge Frau drängte sich von uns vorbei und wir schlüpften ins Haus. „Bist du dir sicher, dass er da ist?“ „Eigentlich schon.“ Wir nahmen den Fahrstuhl nach oben und Jakes Hitze breitete sich schnell in der kleinen Kammer aus. Er selbst schien es gar nicht zu merken, aber ich war froh, als wir zurück ins kühle Treppenhaus gelangten. Ich klopfte an Alans Wohnungstür, die von allein aufging. Unsicher traten wir ein und ich sah mich um. Die Wohnung war verlassen. Keine altertümlichen Möbel, keine Regale voller Bücher oder CDs. Der Blick in die Küche war frei und alle Geräte waren verschwunden. „Nein“, hauchte ich und stolperte vor. Riss die angrenzenden Türen auf. Suchte verzweifelt nach einem Hinweis, was geschehen sein könnte, doch ich fand nichts. Keine Spur. „D… das ist unmöglich“, japste ich nach Luft und meine Lungen schienen sich zu weigern, Luft aufzunehmen. „Er kann nicht weg sein! Er hätte es mir doch gesagt!“ Ich rannte zurück in den Wohnbereich, wo Jake noch immer wartete, sichtlich verwirrt. „Was meinst du?“ „Siehst… siehst du das denn nicht?! Nichts… keine Möbel… keine Bücher… nichts…“, stammelte ich und drehte mich um meine eigene Achse. „Er… er hat hier gewohnt. In dieser Wohnung. Da standen Regale mit ganz vielen Büchern… Alles von Shakespeare und Oscar Wilde. Er liebt Klassiker. Und Schiller. Oder Faust von Goethe. Sogar Mark Twain. Und da… da waren seine ganzen CDs. Viel Klassik, aber auch expressionistisches, Schrott, wenn du mich fragst, aber er mag es. Aber auch modernes. Rock zum Beispiel… Dort, da hang ein Bild… Die Toteninsel… von Arnold Böcklin. Er… hat mir davon erzählt… dass es fünf Versionen gibt…“ Jake legte seine Arme um mich und drückte mich fest an sich. „Ganz ruhig“, murmelte er mir ins Ohr und ich rang verzweifelt nach Luft. „Er hat hier gewohnt“, flüsterte ich. „Ich glaube dir doch“, antwortete er leise. „A… aber wo ist er hin?“, wollte ich wissen. „Ich weiß es nicht“, versuchte er mich zu beruhigen. „U… und was ist… we… wenn ihm etwas passiert ist?“ „Dann wären doch noch seine Sachen hier. Er ist weiter gezogen. Das machen Vampire. Sie bleiben nie sehr lange an einem Ort…“ „Aber warum?“ Verzweifelt sah ich mich um. Starrte an die nackten Wände. „Dieser Arsch kann doch nicht einfach gehen, ohne sich zu verabschieden…“ Jake strich mir durchs Haar und führte mich langsam aus der Wohnung. „Lass uns zurück nach La Push…“ Seine Stimme war angenehm beruhigend, doch ich war viel zu aufgewühlt, dass Alan einfach verschwunden war. Er hätte sich wenigstens verabschieden können.

Ungläubigkeit

Die Lichter von Port Angeles rasten hinter dem Fenster vorbei und wurden schnell weniger. Jake verließ die Stadt so schnell es ging und schnell erreichten wir La Push. Vor unserem Haus hielt er den Wagen. „Du solltest dich ausruhen und eine Nacht darüber schlafen. Morgen sieht alles schon wieder ganz anders aus“, munterte Jake mich auf und ich nickte. „Ja, wahrscheinlich. So wird es sein.“ Wir stiegen aus und Jacob brachte mich noch rein. Er sprach kurz mit Sam, während ich bereits die Treppe hochging. „Er ist weg“, hörte ich Jake leise sagen, doch dann fiel die Tür hinter mir zu und ich warf mich aufs Bett, nachdem ich mich umgezogen hatte. Betäubt sah ich an die Decke.

Warum war Alan gegangen? Und warum hatte er mir nichts gesagt?

Stunden lang lag ich dort und sah hoch zur Decke, an der noch leuchtende Sterne aus Kindertagen festgeklebt waren. Jake, Quil, Embry und ich hatten sie eines Nachmittags dort befestigt und davon geträumt, was wir später machen würden. Jacob wollte Rennfahrer werden. Embry hatte schon immer den Traum Lehrer zu sein und Quil wollte einen auf Indiana Jones machen und die Welt entdecken. Ich wollte immer Boxerin werden, damit die Jungs verstanden, dass sie nicht mehr auf mich aufpassen mussten. Ständig schien ich den Beschützerinstinkt in ihnen zu wecken.

Als der Morgen graute und der dunkle Himmel aufhellte, fielen meine Augen endlich zu, doch ich schlief unruhig. Wälzte mich von einer zur anderen Seite, schlug um mich und öffnete betäubt die Augen, als die Wolkendecke aufbrach und das Sonnenlicht für einen kurzen Moment ins Zimmer fiel.

Jemand saß auf meiner Kommode und ich rollte vor Schreck aus dem Bett. Müde zog ich mich hoch. „Jake“, seufzte ich. Er grinste mich an. „Guten Morgen, Sahneschnecke.“ „Idiot“, brummte ich und taumelte schlaftrunken zur Kommode, schubste ihn runter und grummelte: „Dreh dich um.“ Jake tat widerwillig, was ich gesagt hatte, während ich den Schlafanzug gegen Jeans und Shirt tauschte. „Was hast du heute vor?“, fragte Jake und plötzlich spürte ich, wie gezwungen er sich benahm. Sein Lächeln log noch immer. „Ich möchte die Cullens besuchen“, sagte ich und hockte mich zu ihm auf den Boden. „Du willst nicht, dass ich dort hingehe, nicht wahr?“ „So kann man es auch sagen“, flüsterte er. „Ich hasse sie.“ Ich legte meine Hand an seine Wange und er drückte sie an sich. „Dieses eine Mal muss ich gehen. Danach werde ich sie nie wieder sehen.“ Jacob zog mich in seine Arme. „Es ist besser, wenn Werwölfe bei Werwölfen und Vampire bei Vampiren bleiben.“ „Aber ich bin doch gar kein Werwolf“, murmelte ich an seine Brust. „Aber ein Rudelmitglied. Du gehörst zur Familie.“ Ich wand mich aus seinen Armen und zerwuschelte ihm das Haar. „Am besten fahr ich sofort los.“ „Bleib nicht zulange weg“, bat Jake leise. „Ich beeile mich.“

Jake ging mit mir runter und ich schnappte mir das Sandwich, in das Sam gerade reinbeißen wollte. „Danke, Brüderchen“, flötete ich, während ich hinauslief und Jake bärenartig lachen hörte.

Ich schwang mich hinter das Steuer des alten Opels von Sam und gab Gas, während ich auf dem Sandwich rumkaute.

Es bestand dringender Klärungsbedarf. Tausend Fragen schwirrten durch meinen Kopf. Wo war Alan? Wussten die Cullens etwas? Und vor allem: was sollte nun mit Bella und mir passieren? Bella war das Mädchen, dass Jacobs Herz auseinander genommen hatte. Wie konnte ich darüber hinwegsehen? Ich wollte sie nicht als Freundin verlieren, sie war mir wichtig – sehr wichtig sogar – aber ich konnte nicht einfach weitermachen. Sie hatte die ganze Zeit gewusst, wie ich zu Jake stand, dass er mein Herz und meine Seele war, seit wir fünf Jahre alt waren. Dass sie mir die Wahrheit vorenthalten hatte, fühlte sich an, als ob sie mich verraten hätte.

Ich brauchte ewig, bis ich die Auffahrt fand und als ich das große Haus am Ende entdeckte, rutschte mir das Herz in die Hose. Womit sollte ich anfangen?

„Hallo, Edward, ist Bella zufällig bei euch? Ich möchte sie zusammenstauchen und dann wüsste ich gern, ob ihr etwas über diesen dämlichen Vampir aus Port Angeles wisst, der einfach so verschwunden ist.“

Nein, das war wohl nicht die richtige Lösung.

Ich parkte den Wagen vorm Haus und trat fast in eine tiefe Pfütze. Mit einem Quietschen sprang ich gerade noch darüber hinweg und schloss mit langem Arm die Fahrertür, bevor ich zum Haus balancierte, bemüht, in keine Pfütze zu treten. Schwach klopfte ich schließlich an der Haustür und es dauerte überraschend lange, bis sie geöffnet wurde. Mrs. Cullen sah mich erschrocken an. „Cassie, Liebes, was tust du denn hier?“ „Ich möchte mit Ihrem Mann sprechen.“ Mrs. Cullen schien nervös zu sein. Sie warf immer wieder schnelle Blicke über die Schulter, die ich zwar kaum bemerkte, mir aber nicht einbildete. „Tut mir Leid, das ist gerade ganz schlecht. Er hat gerade zu tun.“ Misstrauisch sah ich sie an. „Es geht um Alan.“ Sie seufzte. „Warum konnte nicht einer meiner Söhne öffnen?“, fluchte sie leise. „Komm rein.“ Ich ging schnell an ihr vorbei, bevor sie es sich anders überlegte. Fragend sah sie mich an. „Er ist weg“, sagte ich kurz und sie nickte. „Das wissen wir.“ „Schön und gut, aber – was?! Sie wissen das?!“ Ruhig nickte sie wieder. „Ja, er hat es uns erzählt.“ „Warum hat er mir dann gar nichts gesagt?“, fragte ich mehr mich selbst als Mrs. Cullen, aber sie antwortete: „Uns hat er gesagt, er hätte mit dir gesprochen. Nach der Hochzeit. Aber möglicherweise… Argh! So ein Mist! Ich wusste, dass Carlisle etwas vergessen hat!“ Ungläubig stierte ich sie an. Ich hatte es noch nie erlebt, dass dieser Vampir fluchte. Im Gegenteil… sie war das Schneewittchen aus den alten Stummfilmen. Schneewittchen fluchte doch nicht einfach so…

„Carlisle?“, rief sie die Treppe hoch und kurz darauf stand ihr Gatte vor ihr. Er wirkte gehetzt – was garantiert nicht am laufen lag. „Was ist los?“ „Hast du nicht etwas vergessen?“ Sie deutete mit einer kurzen Kopfbewegung auf mich und er stöhnte. „Oh, nein… Cassie… das tut mir so leid.“ „Super, Reue ist immer gut, was genau tut Ihnen leid?“ „Esme, kannst du es ihr erklären, ich muss wieder hoch. Sie ist ein bisschen aufgeregt.“ Den letzten Satz fügte er leise hinzu, aber ich verstand ihn trotzdem. Absicht von ihnen?

Esme führte mich in die Küche und bat mich, mich zu setzen. „Hör zu, Liebes, Alan hat dich im Wald gefunden, als du ziemlich niedergeschlagen warst.“ Ihr Blick war weich, als sie sich auf den Stuhl mir gegenüber setzte. „Nachdem er dich in dein Bett gelegt hat, spürten ihn auf einmal die Werwölfe auf und er hatte keine Zeit mehr zu warten, bis du wieder völlig bei Bewusstsein warst. Er konnte es dir nicht mehr erklären, aber uns sagte er, er hätte dir gesagt, dass er für einige Zeit fort müsse und er bat Carlisle, dafür zu sorgen, dass du auf jeden Fall Bescheid weißt. Aber nach dem ganzen Stress mit der geplatzten Hochzeit…“ Sie seufzte resigniert. Ich senkte den Blick. „Okay, Alan war das eine… aber das andere… Bella… sie… hat Jacob getötet.“ Ich wählte das letzte Wort ganz bewusst und Mrs. Cullen sah auf. Sie schien zu verstehen, was ich meinte. „Er ist nicht mehr der Alte und das hat nichts damit zu tun, dass er nun ein Werwolf ist – zumindest nicht direkt. Ich meine… ach, Mann!“ Ich blinzelte erste Tränen fort, um die Fassung zu wahren. Mrs. Cullen wollte meine Hand nehmen, aber ich zog sie weg. „Wegen Bella ist mein bester Freund, mein ein und alles, am Boden zerstört. Ich hasse sie dafür, aber wenn ich dann an die letzten Wochen denke… dann kann ich nicht glauben, was geschehen ist. Sie hat es ja nicht extra gemacht oder so. Sie kann ja nichts gegen ihre Gefühle machen, aber… warum ausgerechnet Jacob und Edward? Sie muss ihnen nicht nur über den Weg laufen, nein, sie muss sich auch in beide verlieben und…“ Ich schnappte nach Luft. „…und dann bin ich wieder sauer auf sie, ich weiß nicht warum. Doch im nächsten Moment erinnere ich mich schon wieder an all ihre guten Seiten und denke mir, mein Gott, wie kann ein solch liebevoller Mensch, jemandem absichtlich etwas Böses tun? Wie kann man ihr nicht verzeihen? Wie kann man ihr lange böse sein? Und dann verzeihe ich ihr innerlich – bis ich Jacob wieder begegne. Ich habe das Gefühl, innerlich vollkommen zerrissen zu sein.“ Ich schlang die Arme um mich und sah aus dem Fenster.

„Möchtest du mit Bella sprechen?“, fragte Mrs. Cullen und ich nickte. „Ja, bitte, Mrs. Cullen. Ich muss mit ihr reden.“ Mrs. Cullen stand auf und winkte mir, ihr zu folgen. „Du kannst mich übrigens Esme nennen“, lächelte sie mich an, als wir einen Flur im oberen Stockwerk entlang gingen. Wir passierten gerade ein altes Holzkreuz, das an der mit Holz verkleideten Wand befestigt war. „Okay… Esme.“

Esme führte mich noch eine weitere Treppe hinauf und schließlich hielten wir vor einer mahagonifarbenen Tür. „Das ist unser Gästezimmer“, erklärte Esme auf meinen fragenden Blick hin und öffnete langsam die Tür. „Stören wir?“, fragte Esme, ich selbst konnte nicht in den Raum sehen. „Ich denke, Cassie und Bella sollten vorher noch miteinander sprechen.“ Irgendetwas geschah scheinbar im Raum, denn Esme zögerte einen winzigen Augenblick, bevor sie die Tür weiter öffnete und mich hineinließ. Als ich an ihr vorbei ging, spürte ich ihre kalte Ausstrahlung, die so wenig ihrem Wesen widersprach. Bella saß im Pyjama in einem Sessel, in dem sie klein und zierlich wirkte. Sie hatte die Beine angezogen und ihr Blick weilte in der Ferne. Alice saß gemeinsam mit Jasper auf dem Bett, das im Raum stand, Rosalie und Emmett standen am Fenster. Dr. Cullen stellte etwas an Geräten ein, die am Bett standen. „Wo ist Edward?“, hörte ich Esme leise fragen – ich hatte nur Augen für Bella. „Er holt Schmerzmittel. Ich musste ihn ein wenig ablenken“, antwortete der Arzt leise und ich spürte seinen Blick auf mir, ging aber langsam auf Bella zu.

„Hey“, murmelte ich und sie zuckte zusammen. Erschrocken sah sie sich um, bis sie mich entdeckte. „Cassie…“ „Wir müssen reden“, erklärte ich und ihr Blick wanderte zu den Cullens, die im nächsten Moment verschwunden waren. Unten fiel eine Tür ins Schloss. „Ich hoffe, sie sind irgendwo im Wald… und nicht in Lauschnähe“, lächelte Bella leise. „Was geht hier vor?“, fragte ich neugierig und betrachtete die Geräte, die ich aus dem Krankenhaus kannte. „Ich werde in zwei Stunden verwandelt. Dann wird mich Edward beißen.“ Unsicher lächelte ich sie an. „Dann geht dein Wunsch in Erfüllung.“ „Ja.“ Sie klang nachdenklich, als freue sie sich nicht wirklich darüber, die Ewigkeit mit Edward zu verbringen. „So ist das nicht“, sagte sie ruhig. Scheinbar konnte sie meine Gedanken lesen. „Ich freue mich, sehr sogar, aber nun kriege ich doch ein wenig Angst. Ich werde nie wieder zurückkönnen. Sobald meine Verwandlung abgeschlossen ist, werden wir von hier verschwinden. Ich werde eine zu große Gefahr für die Menschen hier sein. Ich will kein Monster werden…“ Ich nickte verständnisvoll. Wer wollte das schon? „Wir waren heute mit Renee, Esme, Charlie und Carlisle im Standesamt und haben geheiratet… Edward und ich.“

„Wozu ist der ganze Kram hier?“

„Carlisle war der Ansicht, dass man mich betäuben könnte, damit ich nicht so viele Schmerzen habe. Er ist sich aber nicht sicher, ob es wirklich funktioniert.“

„Deshalb soll Edward Schmerzmittel holen.“

„Genau.“

Ich setzte mich aufs Bett, wo zuvor noch Alice und Jasper gesessen hatten und sah sie an.

„Ich weiß, warum du hier bist“, sagte sie langsam und ließ den Kopf hängen. „Um mir die Freundschaft zu kündigen und ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich das bedaure, aber du hast Recht. Ich war nicht fair zu dir.“

„Bella…“

„Nein, lass mich ausreden. Ich hätte es dir sagen müssen. Aber ich kann dich beruhigen, du wirst mich ja heute das letzte Mal sehen.“

„Das finde ich auch sehr schade.“

Sie stutzte und schaute mich verwirrt an. „Was soll ich sagen, Bells? Du bist mir wichtig. Ich könnte dich umbringen, weil du Jake verletzt hast, aber du liebst ihn wahrscheinlich genauso wie ich. Nur auf eine andere Weise. Aber wenn ich dich da so sitzen sehe… dann wird mir klar, dass ich dich sehr vermissen werde.“ Bellas Augen weiteten sich. „Ist das dein Ernst?“ „Ich fürchte schon. Du musst irgendetwas an dir haben…“, überlegte ich laut und sie lachte still. „Die Worte aus deinem Mund zu hören, beruhigt mich irgendwie.“ Ich stand auf und reichte ihr meine Hand. „Lass mich dich noch einmal umarmen, solange du noch warm bist.“ Sie grinste und fiel mir in die Arme, ohne vorher richtig aufzustehen. Ich hatte plötzlich das Gefühl, mein Körper stände in Flammen, doch ehe ich überhaupt einen Gedanken daran verschwenden konnte, war das unheimliche Gefühl schon wieder verschwunden und Bella flüsterte mir ins Ohr: „Danke.“

Ich drückte sie leicht von mir weg und sah in ihre schokobraunen Augen, solange ich noch eine Chance dazu hatte. Bald würden sie erst rot sein und sich dann langsam golden färben. Nie wieder würden sie diese Tiefe der Farbe besitzen.

„Ich kann’s irgendwie nicht glauben, dass du bald nicht mehr hier bist. Hab mich schon total an deine Anwesenheit gewöhnt.“ Bella lächelte schief, wie es Edward so oft tat. „Wir können ja telefonieren“, schlug sie vor. „Und wer weiß… vielleicht können wir uns auch mal treffen. In den ersten paar Monaten sollten wir das zwar vermeiden…“ Ich nickte. „Und dann berichtest du mir davon, wie wunderbar das Leben als Vampir für dich ist – auch wenn ich das wahrscheinlich nicht so berauschend fände…“ Ich rollte mit den Augen. Sie kannte meine Gründe gegen das Vampirdasein. Natürlich hatte sie mich gefragt, warum ich das menschliche, vergängliche Leben vorzog. Warum ich Alan am liebsten gekillt hätte, als ich davon erfuhr, dass ich eigentlich nicht lebend aus der Sache heraus kam und noch immer graute es mir davor, was geschehen würde, wenn die Volturi von mir erfuhren.

Ich griff in meinen Nacken, löste den Verschluss meiner Kette. „Die habe ich, solange ich denken kann. Meine Mutter sagt, ich hätte sie schon an dem Tag getragen, an dem ich zu ihnen kam. – Also meine Adoptivmutter…“ Ich nahm Bellas Hand und legte die Kette hinein. Die kleinen, glänzenden Steinchen auf dem kreuzförmigen Anhänger glitzerten im Licht der Deckenbeleuchtung. „Das kann ich nicht annehmen“, sagte Bella, aber ich blieb beharrlich. „Gib sie mir wieder, wenn wir uns das nächste Mal sehen. Sozusagen, als Versprechen, dass wir uns wieder treffen.“ „Aber dazu musst du mir doch nicht so etwas Wertvolles geben!“, widersprach Bella. Ich winkte ab. „Quatsch, das Ding ist alter Plunder.“ „Aber für dich ist die Kette doch wichtig!“ Ich schloss Bellas Hand um die Kette und sah sie aufmunternd an. „Gib sie mir einfach irgendwann zurück.“ Bella schniefte und umarmte mich noch einmal, als plötzlich die Tür aufging. Edward stand dort mit einem Karton. Seine Augen strahlten golden, aber er hatte nicht die gewöhnliche Ausstrahlung. Er wirkte schlaff. Nervös. Möglicherweise aufgeregt. Würde er in den nächsten Stunden einen Fehler begehen, würde er Bella töten.

„Deshalb war es hier so still“, murmelte er und stellte den Karton ab. „Soll ich auch gehen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ist schon gut. Ich wollte gerade gehen.“ Ich ging zur Tür, hielt jedoch noch einmal. „Verabschiedet wenigstens ihr euch von mir?“, fragte ich Edward leise und nickte. „Wir rufen an, bevor wir fahren.“ „Danke“, flüsterte ich und schloss die Tür hinter mir, ging die Treppe runter, den Flur entlang.

Als ich im Auto saß, registrierte ich erst, was mit Bella passieren sollte. Wenn ich Bella das nächste Mal sehen sollte, würde sie ein anderer Mensch sein. Nein, sie würde gar kein Mensch mehr sein. Sie würde ein Vampir werden. In wenigen Stunden würde die Verwandlung beginnen, die mir Alan als schmerzvoll und unerträglich beschrieben hatte.

Zögerlich drehte ich den Schlüssel und startete den Motor. Langsam verschwand das Haus zwischen den Bäumen und ich warf über den Rückspiegel einen letzten Blick auf die anmutige Fassade. Ich sollte es für eine lange Zeit nicht mehr sehen…
 

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Drei Kommis? o.O Das könnt ihr doch besser, oder?

Staub

Die Haustür knarrte leise, als er sie aufstieß. Er roch den Staub und die Modrigkeit dieses Ortes schon an der Haustür. Wie sollte es dann erst in dem Raum sein, in den er wollte? Er ließ sich Zeit mit dem Schließen der Tür. Wollte sich erst an den unangenehmen Geruch gewöhnen, doch aufhören zu atmen wollte er nicht. Er machte kein Geräusch, als er in den Flur trat und sich langsam umsah. Eine Treppe aus marodem Holz führte in das obere Geschoss, das Geländer war mit Staub überzogen. Ebenso jede einzelne Stufe. Er wandte sich zur Seite, sah durch einen Türbogen, in dem sich eine Spinne eingenistet hatte, in ein Esszimmer. Die Polster der Stühle, ehemals bordeauxrot, waren verblasst und der Läufer, der auf dem Tisch lag, ebenfalls. Er durchquerte das Zimmer und gelangte in die Küche. Sie sah dem Raum auf dem Bild noch sehr ähnlich. Hier gab es keine Polster, die ausbleichen konnten. Einzig die Staubschicht. Und ein übler Gestank kam aus dem Abfluss.

Fluchtartig kehrte er zurück auf den Flur und ging durch eine geöffnete Tür ins Wohnzimmer. Die Sofas waren mit weißen Tüchern überzogen, er war sich sicher, würde man sie von ihrem Platz verschieben, würde man merken, wie viel auch der Teppich an Farbe verloren hatte. Im Kamin lag noch eine Mischung aus Asche und Staub, Holz stapelte sich noch immer an der Wand. Auf dem Kamin stand eine alte Uhr, die schon lange nicht mehr tickte. Sie zeigte halb drei an. Er fragte sich, wann sie aufgehört hatte, voranzuschreiten. Wann die Zeit in diesem Haus mit ihr stehen geblieben war. Niemand würde es ihm je sagen können. Niemand war dabei gewesen. Eine alte Frage schoss ihm durch den Kopf. Wenn ein Baum im Wald umfiel und niemand war dabei, um es zu hören, verursachte er dann ein Geräusch?

Verwelkte Blumen standen auf der Fensterbank. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie fortzuräumen, nachdem die Besitzer des Hauses ihr Eigentum verlassen hatten – für immer. Nie würden sie zurückkehren.

Ein Bild hing an der Wand und er strich vorsichtig über die Staubschicht an der Stelle, wo er den Namen vermutete. Ein unbekannter Künstler. Wahrscheinlich mittelklassig. Wie das Gemälde.

Er verließ auch diesen Raum und blieb abschätzend vor der Treppe stehen. Er wagte es nicht, sie zu betreten. Zu porös war sie. Mit einem leisen, kaum wahrnehmbaren Seufzer schien er zu wachsen, doch in Wahrheit verlor er den Boden unter den Füßen und schwebte wenige Millimeter über dem Boden. Am oberen Treppenabsatz fand er den Boden wieder und schritt langsam weiter. Er öffnete die erste Tür auf dem Flur und fand sich in einem Kinderzimmer wieder. Sein Mantel wölbte sich, als ein Luftzug durchs Zimmer ging. Das Fenster stand offen. Zehn Jahre lang hatte es offen gestanden und die Vorhänge sich im Wind blähen lassen. Niemanden hatte es interessiert.

Sein Blick glitt langsam durchs Zimmer. Ein kleines Bett mit einer ehemals rosafarbenen Bettdecke und einem Baldachin, der einst sanft über dem Bett hing und nun vor Staub triefte. Eine kleine Kommode und ein Schrank standen nebeneinander in der anderen Ecke des Zimmers. Den Rest des Zimmers nahm Spielzeug ein. Er näherte sich einem kleinen Puppenhaus. Zwei Puppen saßen an einem Tisch, eine lag in einem Bett und eine andere lag achtlos in einem Zimmer, das sehr nach Wohnzimmer aussah. Die Szene wirkte, als hätte das Kind, das mit ihnen spielte, sie nur kurz zur Seite gelegt, weil die Mutter es gerufen hatte. Gleich würde es zurückkehren und weiterspielen. Elfeinhalb Jahre war es her, dass die Puppen hingelegt wurden. Elfeinhalb lange Jahre. Das Kind war zu einem jungen Mädchen geworden. Auch hier zeugte eine Schicht von Staub von dem Zeitraum eines Jahrzehnts.

Er erhob sich wieder und ging zum Flur zurück. Schloss die Tür vorsichtig und wandte sich der anderen Tür auf dem Gang zu. Ein Geruch stieg ihm in die Nase, der vertraut und fremd zugleich war. Er drückte andächtig die Klinke runter, öffnete die Tür und sah das volle Ausmaß. Blut. Überall Blut. An den Wänden. Auf dem Boden. Auf dem Ehebett. Nur nicht unter dem Bett. Vor seinem inneren Auge sah er dort ein kleines Mädchen liegen. Zitternd und bebend vor Angst. Die Hand vor den Mund gepresst, um die Schreie zu unterdrücken, die ihrer Kehle entfliehen wollten. Ihre Augen waren vor Schreck weit aufgerissen.

Auf dem Teppichboden war eine Stelle ohne Blut. Sie hatte menschliche Umrisse.

Das Blut war tief in den Boden eingezogen, der Geruch unerträglich.

„Du bist gekommen“, sagte eine leise Stimme in einer dunklen Ecke des Raumes. Er sah fort von dem Blut und betrachtete die Gestalt in der Ecke. Die braungoldenen Augen funkelten durch die Dämmerung, die bleiche Haut wirkte richtig an diesem Platz. Die beiden Männer sahen sich lange an. Zwei Untote an einem Ort des Todes. Wer konnte es treffender ausdrücken?

„Selbstverständlich“, antwortete der Ankömmling und der Mann in der Ecke trat ins fahle Licht. Er wirkte leblos. Schatten lagen auf seinem Gesicht. Violette Ringe lagen unter seinen Augen. Die Kleidung war zerschlissen. Sein Gegenüber hingegen hatte die Schultern gestrafft, seine Augen glänzten in purem Gold und seine Kleidung bestand aus einem schwarzen Anzug und einem schwarzen Mantel. Alles in allem wirkte er wie ein junger Prinz, der zu einer Beerdigung gehen wollte, mit ewiger Schönheit gesegnet.

„Hast… hast du sie gefunden?“

„Wäre ich sonst hier?“

„Sicher… du hast sie gefunden. Sag mir, wie ist sie? Sieht sie ihren Eltern – Gott hab sie selig – ähnlich?“

Alan nickte. „Und jetzt werd wieder zu einem ordentlichen Vampir. Ich habe dir Kleidung mitgebracht. Sie liegt im Wagen.“ Der andere nickte und lächelte. „Wie wunderbar. Sie lebt. Sag, geht es ihr gut?“ „Ich denke schon. Sie hat eine gute Familie.“ „Und sie hat nichts mit uns zu tun? Sie wächst wohlbehütet und beschützt auf?“ Alan schwieg eine Weile. „Nein, sie lebt bei Werwölfen und hat sich mit Vampiren angefreundet. Eine Freundin von ihr wurde vor einiger Zeit in einen Vampir verwandelt.“ Der andere Vampir sah ihn entsetzt an. „Aber sie…“ „Nein, sie will kein Vampir werden. Ihre Freunde, die Werwölfe, sind ihr zu wichtig.“ „Dreckige Viecher“, knurrte der Vampir wütend, doch Alan wandte sich schon der Tür zu. „Kommst du nun? Ich mag diesen Ort nicht. Er ist mir unheimlich.“ Der Vampir lachte. „Verständlich! Weißt du, wer sie war?!“ „Sie?“, fragte Alan mit hochgezogenen Augenbrauen. „Ihre Mutter!“ Alan nickte langsam. „Ich denke, ich weiß es.“ „Und dann wunderst du dich, dass du diesen Ort unheimlich findest? Wir Vampire sollten uns von diesen Menschen fernhalten.“ „Trotzdem hast du nach ihrer Tochter gesucht.“ Der andere sah ihn an. Tiefe Traurigkeit lag in seinen Augen. „Ich kannte Mary Hayes sehr gut. Sie war wie eine Schwester für mich und Joseph ein sehr guter Freund. Es war meine Pflicht, ihre Tochter zu beschützen.“ „Nun komm“, nörgelte Alan und der Vampir zögerte, bevor er ihm folgte. Langsam verließen sie das Haus und setzten sich in den Mercedes-Benz. „Meinst du, ich kann sie einmal besuchen? Ich würde sie so gern sehen“, überlegte der Beifahrer und Alan nickte nachdenklich. „Ich denke schon, dass das möglich wäre, aber gib ihr noch ein wenig Zeit. In letzter Zeit ist viel passiert. Sie hat sehr gelitten.“ „Was soll das heißen?“ Alan sah aus dem Fenster. „Sie wird immer wieder verletzt, glaube ich.“

Ihm stieg ein Geruch in die Nase. Leicht modrig. Wie das Haus. Mit einer süßen Note. Wie lange war der Vampir schon in dem Haus gewesen? Wie lange hatte er darauf vertraut, dass Alan das Mädchen finden würde?

„Das arme Mädchen. Aber… hat sie etwas von ihrer Mutter?“ Alan nickte erneut. „Mehr als du denkst, Michael.“
 

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Aloha!

Damit ist wohl eure Frage beantwortet, wohin der liebe Alan verschwunden ist. ;) Und Michaellein durfte jetzt auch seinen ersten richtigen Auftritt feiern und ich hab einen vernünftigen Trailer für die FF gebastelt.

http://de.youtube.com/watch?v=a4r9GlNzEyg

Blubb, das ist er.^^

(Mit fast-offiziellem Cast xD)
 

Und danke an die fleißigen Kommischreiber und die 30 Abonnenten (die sich ja teils eher zurückhalten^^). <3

Ein rabenschwarzer Tag

Vielleicht war es besser so.

Vielleicht war es besser, dass Bella mit den Cullens fort gegangen war, damit hier wieder etwas wie Alltag einkehren konnte. Und vielleicht war es auch besser, dass Alan nicht wiederkam. Wenn das Leben einfach weiterging. Ohne Vampire. Nur mit meinen Werwölfen. So war es einfacher. Paul knurrte mich nicht mehr an, weil ich aussah, wie sein schlimmster Feind, und Jacob, Quil, Embry und ich gingen weiter zur Schule, als wäre nie etwas geschehen.

Zu diesem Schluss kam ich schon wenige Wochen nach Bellas Verlassen, als die Schule wieder begann und ich mit der normalen Welt konfrontiert wurde. Diese andere Welt war um so vieles leichter. Man konnte lachen, leben und traurig sein, wie man lustig war und musste sich nicht die Hälfte der Zeit den Kopf darüber zerbrechen, wie es um die Beziehung zwischen Werwölfen und Vampiren stand.

Nein, beim besten Willen, es war besser so.

Eineinhalb Jahre vergingen. Eine lange Zeit. Eine sehr lange Zeit. Sam hatte doch noch sein Stipendium annehmen können und hatte Emily im letzten Sommer geheiratet. Sogar Leah war gekommen – mit ihrem eigenen Verlobten. Kurz nach dem Verschwinden der Cullens war sie in ihn imprintet. Vor einem Jahr war ich für einige Zeit mit einem Jungen aus dem Reservat gegangen, der noch nichts von den Werwölfen wusste, obwohl er schon fast achtzehn war. Dean.

Wir hielten die Beziehung geheim, aus Angst, Sam könnte ihn möglicherweise umbringen, weil sein Beschützerinstinkt aktiviert wurde, doch als er dann plötzlich zum Werwolf wurde, war’s aus mit der Geheimnistuerei. Jake war damals ziemlich enttäuscht, dass ich ihm nichts erzählt hatte, verstand es jedoch, als er feststellte, dass Sam Dean fast an die Gurgel gegangen war. Heute lachten wir darüber, doch Sam hatte es Dean scheinbar nie verziehen, seine kleine Schwester „angemacht zu haben“. Dean war der letzte gewesen, der zu den Werwölfen gestoßen war. Danach versuchten sich alle zusammenzureißen, um sich nicht mehr zu verwandeln.

Auch Embry imprintete, doch das brachte uns vier nicht auseinander. Wir gingen immer noch überall gemeinsam hin, landeten gemeinsam beim Schuldirektor, wenn wir Mist bauten, und arbeiteten gemeinsam in Jakes Garage. Man bekam uns fast nur noch zu viert zu Gesicht.

„Boah, ne! Ihr Vollidioten!“, maulte ich und schlug die Tür wieder krachend zu, dass die Gläser im Schrank klirrten. Ich stampfte bereits wieder die Treppe hoch, als die Tür wieder aufging. „Aber, Cassie…“ „Nix da! Ich will schlafen!“, schrie ich und ging einfach weiter. Jemand griff nach meiner Hand, doch ich schüttelte ihn ab. „Verpisst euch!“ „Es ist dein Geburtstag! Wir dachten, es freut dich!“ „Tut es nicht!“, schimpfte ich und knallte meine Zimmertür zu. Ich hörte einen dumpfen Aufschrei und schmiss mich zufrieden aufs Bett. Scheinbar hatte Jake nicht damit gerechnet, dass ich die Tür zuschlug und seine Nase hatte Bekanntschaft mit dem Holz gemacht. „Dasch war nisch’ nett“, hörte ich ihn fluchen und kurz darauf ging vorsichtig die Tür auf. „Cassie, Kleine, Süße? Dürfen wir rein?“

„Nein!“

„Bitte…“

Ich sah Embry nicht an. Er sah nur wieder aus wie ein Hund und ich konnte diesem Blick nie lange widerstehen.

„Süße…“

„Nein.“

„Ich hab dich doch lieb.“

„Ich dich nicht.“

„Och…“

„Ich schlafe.“

„Sicher?“

„Ja!“

„Juchhu! Jungs, wir dürfen rein!“, jubelte Embry und ich zog mir das Kissen über den Kopf, als sich die drei zu mir aufs Bett warfen.

Okay, wir gingen immer überall gemeinsam hin, aber ich wollte schlafen! War das denn so schwer zu verstehen? Da weckte man mich allen Ernstes an meinem 18. Geburtstag um fünf Uhr morgens! Das durfte doch nicht wahr sein!

Die Jungs begannen damit, sich fröhlich zu unterhalten, bis ich mich genervt aufrichtete. „Also, was wollt ihr?“ „Dir gratulieren“, erklärte Jake unschuldig und näselte ein wenig. „Übrigens kannst du richtig gut Türen knallen. Seitdem ich ein Werwolf bin, hat’s noch kein Mensch geschafft, mich zu verletzen.“ Er grinste und strich sich über die Nase, die bereits wieder fast verheilt war. Sie hatte nicht einmal richtig geblutet. Ich neigte den Kopf leicht zur Seite. „Super, deshalb weckt ihr mich?“ Unschuldig sahen sich die drei an. „Ja?“, meinte Quil und ich rollte mit den Augen. „Ihr seid ätzend.“ „Danke, du auch!“, riefen sie im Chor. „Ich hätte gar nicht erst aufstehen sollen, als es klingelte“, seufzte ich. „Warum habt ihr überhaupt geklingelt? Wolltet ihr mal höflich sein?“ „Bingo!“ Ich schüttelte bloß den Kopf, stand auf und verließ das Zimmer, die anderen hinterher. „Ihr seid wirklich wie Hunde. Lauft dem Frauchen immer hinterher.“ Die drei grinsten nur. „Wie geht es deiner Mutter?“, erkundigte sich Embry und ich zuckte nur mit den Schultern. „Wahrscheinlich gut. Zumindest habe ich noch nichts anderes vom Krankenhaus gehört.“ „Was ist überhaupt passiert? Du hast es uns immer noch nicht erzählt“, beschwerte sich Quil und holte alles mögliche an Essen aus dem Kühlschrank. Jake rannte plötzlich raus, als hätte ihn etwas gebissen und kehrte mit einem Kuchen zurück. „Den wollten wir dir geben“, erklärte er stolz und gleichzeitig entschuldigend. Skeptisch schaute ich mir den Schokokuchen an. „Kann man den essen?“ Alle drei nickten synchron. „Hat Emily ihn gebacken?“ Wieder nickten sie, dieses Mal beschämt. Ich hingegen lächelte. „Dann kann ich ihn ja probieren…“ „Sehr nett, sehr nett, Cassie“, lobte Quil. „Was? Als ihr mir letztes Jahr einen Kuchen gebacken habt, hab ich mir die nächsten Tage die Seele aus dem Leib gekotzt“, lachte ich und holte ein Messer aus der Schublade, um den Kuchen anzuschneiden. „Wo sie recht hat…“, grinste Embry. „Also, was ist jetzt mit deiner Mutter?“ „Nichts besonderes, ihr ist hier in der Küche schwindelig geworden und hat sich den Kopf an der Anrichte gestoßen. Sie ist nur zur Sicherheit im Krankenhaus geblieben.“ Sie entspannten sich sichtlich. „Wenn ihr etwas zugestoßen wäre, wäre Sam sicherlich auf die Idee gekommen, wir hätten das verbrochen“, seufzte Quil. Ich kicherte. „Ich werde ihr dein Mitgefühl ausrichten, wenn ich sie heute nach der Schule besuche.“
 

Ich schlug mir die Hand vor den Mund und riss die Augen auf. Panisch unterdrückte ich die Schluchzer, die meinen Körper zum Beben brachten wie damals im Wald. Doch die Situation war eine völlig andere. Ich ging in die Knie, weil meine Beine mein Gewicht nicht mehr tragen wollten und Tränen liefen ohne Halt aus den Winkeln meiner Augen.

Die sanften Worte der Ärztin und das Mitgefühl in ihrer Stimme hörte ich nur von Weitem.

Bilder und Gefühle schossen durch meinen Kopf. Bilder und Gefühle puren Glückes. Eines guten Lebens. Einer wunderbaren Vergangenheit. Erster Tag im neuen Kindergarten. Einschulung. Die zärtliche Berührung einer Mutter, wenn sie ihr Kind umarmt, weil es Albträume hatte. Die warmen Hände, die die Tränen des ersten Liebeskummers wegstreichen. Das Lächeln, das aufmerksam den Geschichten der Tochter lauscht. Die Augen, die das Kind immer verstehen. Die ernste Miene, wenn das Kind wieder Ärger bereitet hat. Das Lob, wenn es gut war.

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich dort saß, doch irgendwann legte sich eine Hand auf meinen Rücken und man zwang mich, aufzustehen. Jakes warmer Atem an meinem Hals holte mich langsam zurück in die Realität, als er sich zu mir hinunter beugte und mir in die Augen schaute. „Cassie… hey, hörst du mich?“ Zitternd nickte und er schlang seine Arme um mich. „Es wird alles wieder gut“, flüsterte er mir leise ins Ohr. „Das verspreche ich dir.“ Meine Hände krallten sich in seinen Pullover und ich ließ mich fallen. Ich ließ mich in Jakes Wärme und Güte fallen, die mich auffingen, damit ich wieder auf die Beine kam. So wurde mein Geburtstag zu dem schlimmsten Tag meines Lebens.
 

„Sie wollte aufstehen, aber ihr wurde wieder schwindelig und sie ist wieder hingefallen. Daran ist sie dann gestorben… es gibt da wohl irgendwie so einen Punkt…“

Ich schloss die Augen und atmete tief durch. „Was ist los?“, fragte Jake sofort und nahm mich in den Arm. „Nichts“, murmelte ich und schüttelte den Kopf. „Ich muss mir nur bald Gedanken um Mums Beerdigung machen.“ Embry legte seine Hand auf meine. Obwohl sie sich alle schon lange nicht mehr in Werwölfe verwandelt hatten, waren ihre Körper noch immer heiß. Mit der Zeit hatte ich mich daran gewöhnt…

„Lass dir Zeit. Warte damit, bis du dazu bereit bist. Sam kommt morgen an und dann könnt ihr das gemeinsam machen, okay?“ Ich nickte schwach und band mir den Pferdeschwanz neu. Die Tür flog auf und Jared und Seth stürmten herein. „Wir haben es gerade von Leah gehört“, verkündete Jared und ging vor mir in die Hocke. „Es tut uns so leid…“, flüsterte er und sah mir tief in die Augen. „Schon gut, Jared…“, murmelte ich. Seth, mittlerweile genauso groß war wie die anderen, setzte sich neben Quil aufs Sofa, der bedrückt aussah. Quil war weder mein allerbester Freund wie Jake, noch war er so einfühlsam wie Embry. Er fühlte sich in diesem Moment nutzlos.

Während es draußen langsam dunkler wurde, versammelte sich das halbe Rudel im Haus. Angespanntes Schweigen lag in der Luft. Niemand traute sich, etwas zu sagen. Niemand wollte etwas sagen. Ich war dankbar. Allein wäre ich wahrscheinlich selbst gestorben. Einsamkeit hätte mich umgebracht. Jake wich den ganzen Abend über nicht von meiner Seite. Egal, wohin ich ging, er folgte mir auf Schritt und Tritt, bereit, mich zu stützen, sollte ich zusammenbrechen. ‚Wie ein Hund seinem Frauchen folgt’, dachte ich. Doch ich brach nicht zusammen. Mein Kopf war leer. Mein Gefühl taub. Mum tot. Jetzt hatte ich nur noch Sam. Dad war schon vor langer Zeit gestorben und als Sam zum College gegangen war, hatten Mum und ich aufeinander aufgepasst. Ich hatte immer gewusst, dass ich ihr oft Sorgen bereitete. Wenn sie Anrufe von der Schule bekam, weil ich im Sportunterricht verunglückt war oder mit Quil dem Lehrer einem Streich gespielt hatte. Wenn ich mal wieder abends viel zu spät nach Hause kam, weil ich mich völlig mit Embry verquatscht hatte. Wenn ich mit Jake stundenlang bei Wind und Wetter am Strand war und schließlich drei Tage lang erkältet im Bett lag. All die Sorgen und all ihre Bemühungen… und ich hatte mich nie bedankt. Hatte nie auch nur ein „Dankeschön“ gemurmelt. Alles war selbstverständlich gewesen. Ich hatte nie daran gedacht, was sein würde, wenn sie eines Tages nicht mehr da wäre, denn dieser Tag erschien mir noch so fern.

Emily nahm mich auf der Stelle in den Arm, als sie kam. Sie lebte weiterhin in La Push, auch wenn Sam zum College ging. Sie machte uns allen etwas zu essen und lockerte die Stimmung damit ein wenig auf. Kurzerhand drückte sie mir eine Tasse mit heißem Kakao und Schlagsahne in die Hand und die Wärme war ganz anders als die meiner Wölfe. Ich setzte mich aufs Sofa, zog die Beine an und zog den Reißverschluss der Sweatshirtjacke ganz zu, sodass nichts mehr von dem schwarzen Top zu sehen war. Ich wirkte jedoch nur noch farbloser als sonst. Das Grau der Jacke passte schon fast unnatürlich perfekt zu meiner Hautfarbe und die weißen Strähnen fielen mir immer wieder ins Gesicht. Und immer wieder strich ich sie fort.

Ohne ein Wort zu sagen, beobachtete ich die Welt draußen vor dem Fenster. La Push lag friedlich in der Dämmerung und bot das übliche deprimierende Bild. Regen. Regen über Regen. Regen trommelte an die Fensterscheiben. Regen bildete Pfützen. Regen floss durch die Dachrinnen. Regen sammelte sich in den Regenwasserfässern in manchen Gärten. Es war erstaunlich, wie vielseitig Regen sein konnte. Während ich nach draußen sah, veränderte er sich sogar. Manchmal fiel er wegen dem Wind schräg, manchmal war es windstill und er fiel gerade. Hin und wieder waren die Tropfen groß und schwer, dann klein und leicht.

„Was ist denn da draußen?“, fragte Jared irgendwann, der es sich neben mir bequem gemacht hatte und mich aufmerksam musterte. Seinen dunklen, wachen Augen entging nichts. „Regen“, antwortete ich schlicht und lächelte. Ja, der Regen fiel. Wie jeden Tag. Ihm war es egal…

Ich spürte gar nicht, wie mir wieder die Tränen kamen, bemerkte jedoch die Lichter eines Autos auf der Straße und hörte die Klingel. Verwundert, dass überhaupt jemand klingelte, wo doch niemand in La Push die Haustür abschloss, ging ich zur Tür, die Sicht vor Tränen verschwommen. Meine Hand zitterte, als sie sich auf die Türklinke legte. Ich hatte Angst davor, die Tür zu öffnen, aber warum? Ich wusste, dass ich mich gleich nicht mehr würde beherrschen können, das wusste ich, wie ich wusste, dass die Erde eine Kugel war. Nur wieso? Wieso wusste ich es?

Es klingelte noch einmal und ich spürte Jake einige Meter hinter mir. „Warum öffnest du nicht?“, fragte er ruhig und wollte sich mir nähern, aber ich hob die freie Hand. „Ich schaff das.“ Er wusste sicher nicht, was ich meinte, doch er entfernte sich wieder. Er saß noch nicht wieder, als er sich ruckartig zu mir umdrehte und versteinerte, doch das bemerkte ich nicht mehr. Ich öffnete langsam die Tür und hielt den Atem an. Der junge Mann auf der Veranda hatte mir den Rücken zugedreht, doch ich erkannte ihn auf den ersten Blick. Ich atmete tief ein, zog seinen Duft in meine Lungen und als er sich umdrehte, erfror sein Lächeln.

„Cassie… was?“

Die Tränen überrumpelten mich nun vollständig und ich stolperte nach vorne in seine Arme. Ich spürte plötzlich, wie sehr ich diese Kälte vermisst hatte. Wie sehr ich diesen Freund brauchte. Wie wichtig mir dieser Vampir geworden war. Ich drückte mein Gesicht an seine Brust, ließ mich halten und wollte nur noch an seiner Brust weinen. Zögerlich legte er seine Arme um mich und legte sein Kinn auf meinem Kopf ab. Aus dem Haus hörte ich leises Knurren, doch das war mir egal.

Er war wieder da. Alan war wieder zu mir zurückgekehrt.
 

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fb?

Schweres Herz

„NEIN! DAS KOMMT NICHT IN FRAGE!“

„ER BLEIBT HEUTE HIER!“

„NEIN!“

„DOCH!“

„SAM WIRD IHN RAUSWERFEN, SOBALD ER HIER IST!“

„ACH JA?! DANN KANN ER SEINE KLEINE SCHWESTER AUCH GLEICH RAUSWERFEN!“

„ALS OB DU NOCH VOR DER BEERDIGUNG AUSZIEHEN WÜRDEST!“

„TRAUST DU ES MIR ETWA NICHT ZU?!“

„NEIN!“

„SOLL ICH ES DIR BEWEISEN?“

„DU TUST ES DOCH EH NICHT!“

„SOLL ICH?!“

„MACH DOCH!“

„FEIN!“

„FEIN!“

„DANN MACH ICH DAS!“

„JA! GENAU, VERSCHWINDE! WENN DIR DER BLUTSAUGER WICHTIGER IST ALS DEINE FREUNDE!“

Jacob und ich starrten uns an. „Ist das deine Ansicht? Du denkst, dass er mir wichtiger ist, als du es bist? Gut, dann sage ich dir das jetzt nur einziges Mal.

Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Aber wenn du nicht akzeptieren kannst, dass ich einige Menschen, beziehungsweise Vampire, in meinem Leben brauche, dann kenne ich dich nicht richtig. Der Jake, den ich kannte, war nur um mein Wohl besorgt.“

„Das bin ich auch jetzt noch“, zischte Jake, aber ich hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Lass mich ausreden. Der Jake, den ich kannte, hätte meinem Urteil vertraut und nicht sein eigenes gefällt, obwohl er betreffende Person nicht kennt.“ „Cassie… ich bitte dich…“ Ich schüttelte den Kopf und drehte mich um. „Alan, hilfst du mir packen?“ Alan, blass und stumm, nickte. Ich spürte Jakes Blick auf mir, als wir die Treppen hochgingen. Doch meine Wut war zu groß. Ich würde Jacob heute nicht verzeihen. Vielleicht morgen. Oder übermorgen. Aber nicht heute.

Dank Alans Hilfe war die Tasche in zehn Sekunden gepackt, nachdem ich die Sachen erst einmal alle rausgeholt hatte. Wir wechselten kein Wort, ich wusste nicht, warum er das tat und hatte trotzdem das Gefühl, es zu wissen. Innerlich stellte ich mir vor, wie Alan über die Werwölfe triumphierte und ärgerte mich nur noch mehr, aber Jacob war selbst schuld. Ich wollte nicht gehen. Er hatte mich dazu gebracht.

Als ich die Tasche die Treppe runter wuchtete – ich hatte darauf bestanden sie selbst zu tragen – verfolgten mich die stummen Blicke der anderen. Paul zitterte am ganzen Körper und Jacob hatte eine unnatürliche Hautfarbe angenommen. Emily war die einzige, deren Blick sanft und gutmütig war. Plötzlich zwängte sie sich zwischen Embry und Jared hindurch und fiel mir um den Hals. „Pass auf dich auf, Kleine, ja?“, flüsterte sie mir ins Ohr und ich stellte die Tasche ab, um sie in den Arm zu nehmen. „Versprochen. Ich lass mich nicht beißen. Ich kann sogar einen Werwolf verwunden, da wird ein Vampir wohl nicht so schwer sein…“ Emily kicherte leise und lächelte mich an. „Ruf mich an“, formten ihre Lippen stumm und ich nickte kaum merklich.

Alan hatte bereits meine Tasche hochgehoben und die Tür geöffnet. Ich lächelte ihn an, als ich an ihm vorbeiging und er erwiderte das Lächeln. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ ich das Haus, ohne zu ahnen, welche Auswirkungen das auf mein Leben und das Leben der Quileute haben sollte…

„Deiner?“, fragte ich und deutete auf den eleganten Mercedes-Benz an den Stufen der Veranda – er passte genauso wenig nach La Push wie sein Besitzer. Alan nickte und die Lichter blinkten auf, als er den Wagen per Fernsteuerung öffnete. Er verstaute die Tasche in dem viel zu klein wirkenden Kofferraum, während ich mich schon auf den Beifahrersitz setzte. Ich war fast froh, nicht an Klaustrophobie zu leiden, denn es war ungewöhnlich eng und als Alan einstieg, überlief mich ein kalter Schauer und sein süßlicher Duft lullte mich ein.

Alan fuhr ohne ein weiteres Wort los und schwieg, bis wir die Grenze von Port Angeles erreichten. Ich merkte schon lange, dass er mich aus den Augenwinkeln musterte, auch wenn ich aus dem Fenster blickte. Sein Blick brannte wie Feuer in meinem Nacken.

„Happy Birthday, Cassie“, flüsterte er schließlich und ich lächelte schwach. „Danke.“
 

Alan lebte wieder in dem gleichen Apartment wie vor anderthalb Jahren und er öffnete eine Tür, die in ein gemütliches Zimmer führte. „Das Gästezimmer“, erklärte er und ließ mich allein, damit ich auspacken konnte. Während ich Hosen und Pullover im Schrank verstaute, ließ ich mir durch den Kopf gehen, was überhaupt geschehen war. Alles erschien so unglaublich fern.

Ich hatte Alan gebeten, in La Push zu bleiben, doch plötzlich war Jake dazwischen gegangen und wir hatten angefangen zu streiten. Er meinte, den Vampiren sei es generell verboten, sich im Reservat aufzuhalten, doch ich hatte erwidert, das gelte doch nur für die Cullens. Als ich begann in alter Manier auf Französisch zu fluchen, war auch Jake der Kragen geplatzt. Es regte ihn nicht nur auf, wenn ich schimpfte, wenn ich es auf Französisch tat, ging er immer an die Decke, als gebe es nichts Schrecklicheres. Tatsächlich sprach ich jedoch seit meinem Austausch vor zwei Jahren so fließend Französisch, dass es mir immer noch rausrutschte.

Nun war es eine unausgesprochene Abmachung, dass ich bei Alan blieb, bis ich wusste, was geschehen sollte.

Bald war ich fertig mit auspacken und kehrte zurück in den Hauptraum des Lofts. Alan stand im Küchenbereich vor dem Backofen. „Tiefkühlpizza ist doch okay, oder? Der Supermarkt hatte nichts anderes und ich koche nicht so gut. Ich brauche nicht so viel, du versteht?“ Ich nickte. „Ich habe auch eigentlich keinen Hunger.“ „Du wirst aber etwas essen. Menschen brauchen feste Nahrung und zwar regelmäßig, ich hab vorhin deinen Magen knurren gehört. Klang fast so wie eines von diesen Flohtaxis.“ Ich rollte mit den Augen. „Sei nicht so furchtbar nett.“ „Tut mir leid, bei Hot Dogs kann ich nicht widerstehen.“ Meine Lippen formten sich zu einem Lächeln.

„Was tust du überhaupt hier?“

„Du hast Geburtstag.“

„Letztes Jahr warst du auch nicht da.“

„Aber dieses Jahr wirst du achtzehn.“

„Ach so.“

„Du glaubst mir nicht?“

„Nicht wirklich.“

Er holte die Pizza aus dem Backofen und schnitt sie in gleichmäßige Teile. In der Zwischenzeit suchte ich nach dem Besteck. Die Banalität des ganzen half mir, mich abzulenken.

Dafür, dass Alan nichts brauchte, war Alans Küche perfekt eingerichtet. Ich fand alles – beunruhigend fand ich die dramatisch hohe Anzahl an Messern – nur das Besteck ließ auf sich warten und Alan machte keine Anstalten mir zu helfen. Ich hatte das Gefühl, er verstand mich, ohne dass ich etwas sagen musste.

„Du würdest den wahren Grund ohnehin nicht glauben, also warum sollte ich ihn dir lang und breit erzählen?“, erklärte Alan, als ich das Besteck endlich gefunden hatte und mich an den Esstisch setzte. „Woher willst du das wissen? Ich habe doch auch geglaubt, dass du ein Vampir und die Leute aus La Push Werwölfe sind.“ Ich betrachtete die Pizza misstrauisch. Ich hatte tatsächlich nicht viel Hunger, aber Vampire schienen einen natürlichen Sturkopf zu besitzen. Alan würde solange auf mich einreden, bis ich aß. Äußerst widerwillig nahm ich einen vorsichtigen Bissen. Die Pizza fühlte sich wie Stacheldraht in meinem Hals an.

„Dieses Mal ist das alles ein bisschen anders“, meinte Alan und beobachtete mich. Sein Blick war aufmerksam, als studiere er meine Reaktionen. „Dieses Mal ist das alles ein wenig komplizierter.“ „Ich bin sehr lernfähig.“ Er nickte. „Das weiß ich.

Warum hast du vorhin geweint?“

„Meine Mum ist heut gestorben“, murmelte ich bedrückt und blickte starr auf meine Pizza, als wäre das kreisförmige Muster der ausgelegten Salami höchst interessant. Alan war an meiner Seite, noch ehe ich den Satz zu Ende gesprochen hatte, und legte einen Arm um meine Schulter. „Das tut mir Leid“, flüsterte er. „Nein… geht schon“, schniefte ich und begann wieder mit den Tränen zu kämpfen. Alans Hand fing die ersten salzigen Tränen auf und er umarmte mich sanft, als wäre ich zerbrechlich – was ich wahrscheinlich auch war. „Es geht nicht… das sieht man doch“, murmelte er nur und ich schlang meine Arme um ihn. „Och, hey, jetzt wein doch nicht…“ Seine Stimme klang ungeheuer sanft, als er begann, mir über den Rücken zu streichen. „Ich vermisse sie schon jetzt“, schluchzte ich und meine Finger krallten sich unwillkürlich in seinen Pullover. „Ist gut… Ich verstehe dich…“ Seine Worte waren wie Balsam und ich weinte lange, bis die Tränen versiegten. Die ganze Zeit über spürte ich seine angenehme Kälte, die mich zwar schaudern ließ, mich aber auch in dieser Welt hielt. Nach scheinbaren Stunden konnte ich nicht mehr weinen. Nur noch schluchzen. Alan hielt mich immer noch, hatte mich jedoch aufs Sofa verfrachtet, wo ich mich zusammenrollte und meinen Kopf auf seinen Schoß legte.

„Geht’s wieder?“, fragte er leise und strich mir die Strähnen aus dem Gesicht. Schwach nickte ich. „Danke“, würgte ich hervor. Langsam richtete ich mich auf und sah ihn mit verquollenen Augen an. Er kam mir noch ein wenig verschwommen vor. „Ich glaub, ich sollte ein bisschen schlafen…“, sagte ich leise und Alan nickte. „Mach das.“ Ich stand auf und schwankte einen Moment. Schon hob Alan mich hoch, um mich in mein Zimmer zu bringen. „Ich kann allein laufen“, murmelte ich, doch er ignorierte das einfach und legte mich ins Bett. „Träum süß, Cassie.“ Er strich mir zart über die Wange und ich schloss die Augen, um im nächsten Augenblick tief zu schlafen.
 

„Deine Schule weiß Bescheid. Ich habe angerufen.“

Ich nickte abwesend und starrte weiter hinunter auf die Stadt. Sie lag verborgen im Nebel des Regens und vom fünfzehnten Stock aus waren nur die höheren Häuser der Umgebung zu erkennen. Es war ein normaler Tag in Port Angeles. Es regnete. Draußen. Und in meinem Herzen. Ich saß auf dem Boden und lehnte mich an die Scheibe. In meinem Spiegelbild erkannte ich bloß ein weißes Etwas.

Alan setzte sich neben mich und leistete mir stille Gesellschaft, die ich gebrauchen konnte. Hin und wieder stand er auf, brachte mir etwas zu essen oder zu trinken. Manchmal trank ich etwas, doch essen konnte ich nichts. Ich probierte es, musste mich aber auf dem Klo übergeben. Es ging mir grauenhaft.

„Vielleicht ein Virus“, mutmaßte ich und musste passender Weise wegen etwas aufgewirbelten Staub niesen – wobei ich mich fragte, wo der herkam, so sauber wie Alans Wohnung war, allerdings war Alan nicht dieser Meinung. „Glaube ich nicht. Psychischer Stress ist wahrscheinlicher.“

Erschöpft legte ich den Kopf an die Scheibe und strich mir mit dem Finger über die spröden Lippen. Unglaublich erschien mir, welche Worte sie verlassen hatten. Es gab kein Zurück, das wusste ich und dabei brauchte ich Jake doch nun mehr als zuvor. Und auch Sam…

Ich hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gebracht, als Alan aufsprang und auf die Straße hinabblickte. „Was ist los?“, fragte ich leise und mit brüchiger Stimme. Ich fühlte mich ausgelaugt. „Dein Bruder ist hier“, flüsterte er so leise, dass ich es kaum verstand. „Was?“ „Sam…“ „Ich weiß, dass Sam mein Bruder ist. Aber was tut er hier?“ Ich stand mühsam auf und hatte das Gefühl, Wackelpudding in den Beinen zu haben. „Ich weiß es nicht… Ich kann keine Gedanken lesen, Cassie. – Hey! Das ist mein Auto, das der da zerkratzt!“ Ich sah hinab, doch ich konnte nicht mehr erkennen als zuvor. Alan ballte die Hände zu Fäusten. „Das kann nicht gut gehen. Wir sollten von hier verschwinden.“ „Aber warum? Was hat Sam?“ „Was Sam hat?!“ Alan war fassungslos, dass ich es scheinbar nicht verstand. „Seine Mutter ist tot und seine kleine Schwester hat das Rudel verraten, ist ausgezogen und wohnt bis auf weiteres bei einem Vampir! Und du willst wissen, was er hat?“ Ich runzelte die Stirn. „So, wie du das sagst, klingt’s plausibel.“ Er sah mich an, als wolle er etwas sagen, ließ es jedoch bleiben und schien fieberhaft zu überlegen, wie wir aus der Wohnung kommen könnten. „Was meinst du, benutzt Sam den Fahrstuhl oder die Treppe?“
 

Nervös starrte ich auf die Anzeige. Zehnter Stock. Neunter Stock. Achter Stock…

„Egal, wie sehr du hinstarrst, der Fahrstuhl ist nicht schneller unten“, grummelte Alan leise. „Warum fliehen wir überhaupt?“ „Weil dein Bruder momentan nicht Herr seiner selbst ist und uns beide am liebsten in Stücke reißen würde. Danach würde er mich auf dem Scheiterhaufen verbrennen, damit ich nicht zurückkehre und dich würde er sonst wo beseitigen. Morgen würde ihm all das furchtbar Leid tun – zumindest dein Tod – und er würde sich schreckliche Vorwürfe machen. Ganz einfach.“ Ich schluckte. „So genau wollte ich das nicht wissen“, flüsterte ich.

Vierter Stock. Dritter Stock. Zweiter Stock…

Die Türen öffneten sich gerade, als Alan schon meine Hand packte, mich auf seinen Rücken schwang und los rannte. Ich kniff die Augen zusammen, als die Häuserschluchten an mir vorbeirasten und die Kälte mich zittern ließ. Ich schlang meine Arme so fest um Alans Hals, das ein normaler Mensch keine Luft mehr bekommen hätte, und fühlte den Wind, der mir durchs Haar ging. Ich fror. Ich trug nur eine ausgewaschene Jeans, eine dünne Jacke über einem Pullover und meine Turnschuhe. Stunden vergingen, bis Alan anhielt und mich wieder auf die Beine stellte. Doch ich klappte sofort zusammen, fühlte etwas Kaltes – kälter als Alan – unter mir und konnte mich nicht mehr bewegen. „Tut mir Leid… er hat uns verfolgt. Ich konnte ihn nicht abhängen“, murmelte er leise, als er mir aufhalf und vor meinen Augen begann es wild zu flimmern. „Aber wir sind jetzt da. Hier wird er uns nicht hin folgen, wenn er nicht getötet werden will…“ Seine Stimme war leise und sanft – wie immer, doch sie hatte einen leicht unruhigen Unterton.

Weil ich nicht mehr allein stehen konnte, nahm er mich wieder in seine starken Arme und ich drehte den Kopf leicht zur Seite, um zumindest wage zu erkennen, wo wir waren.

Überall lag Schnee, aber Alan steuerte auf ein schönes Haus zu, das wie ein altes, von ewiger Schönheit ausgezeichnetes Herrenhaus in der Landschaft stand. „Wo sind wir?“, fragte ich zitternd und leise. „In Sicherheit“, sagte er bloß und ich nahm verschwommen eine vertraute Gestalt war, die aus dem Haus kam und unsicher auf den Verandastufen stehen blieb. Ein ferner Ruf drang an meine Ohren.

„Sie sind da!“
 

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Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, kommt der Berg eben zum Propheten. ^-^

Ein neues Zuhause

„Es war unverantwortlich von dir“, höre ich schwach jemanden zischen. „Hätte ich etwa anhalten sollen und uns von Sam in Stücke reißen lassen?“ „Natürlich nicht, aber sie ist völlig unterkühlt und ihr Körper reagiert mit Fieber, sodass sie jetzt fast 41°C warm ist. Noch ein bisschen und die Uleys dürfen zwei Menschen beerdigen!“ „Beruhig dich, Liebes. Es wird ihr bald besser gehen. Die Kleine ist ein Wunder.“ Die dritte Stimme kam mir seltsam vertraut vor und ich bewegte leicht den Kopf zur Seite und öffnete die Augen. „Cassie… wie geht es dir?“ Braune und weiße Schemen waren zu erkennen, nach und nach erkannte ich ein Gesicht, dass mir vor scheinbaren Ewigkeiten vertraut gewesen war. Nun war ich schockiert darüber, wie sehr es sich verändert hatte. „Bella?“, fragte ich unsicher und sie nickte. „Hab mich verändert, was?“ Sie lächelte mich freundlich an. Ihre Stimme klang ganz anders als früher. Erst langsam registrierte ich, was hier grad geschah. „Bella!“, jubelte ich ohne jede Energie und wollte mich aufsetzen, aber sie ließ es nicht zu. Ich schaute mich um und entdeckte nun auch Edward, der hinter Bellas Stuhl stand, und Alan in der Ecke. Ein Schatten lag auf seinem Gesicht, doch als ich ihn anlächelte, atmete er erleichtert auf. Schnell kam er auf mich zu und setzte sich zu mir aufs Bett. „Wie geht es dir?“ „Mir ist ein bisschen schwindelig“, gestand ich und sah aus den Augenwinkeln, dass Edward nickte. „Das ist ganz natürlich bei Fieber, das durch Unterkühlung entsteht. Der Körper wird erst kälter und dann sehr schnell warm. Gesundheitsfördernd ist das nicht.“ Mein Blick suchte den Bellas, die jedoch bloß zufrieden wirkte. Ihre Haut war nicht sehr viel blasser als früher, aber ihre Augen hatten ein ausdrucksstarkes Gold angenommen. „Alice hat gesehen, wie Alan kam und äußerst besorgt war“, erklärte sie mir. „Und weil wir wussten, dass er zu dir wollte, waren wir uns sicher, dass etwas mit dir geschehen ist.“ Verwirrt sah ich sie an. „Alice kann dich selbst doch nicht sehen“, half Bella mir auf die Sprünge. „Ach ja… stimmt“, stammelte ich und griff mir an den Kopf. Er brummte wie ein ganzer Bienenschwarm. „Wo sind wir hier?“, frage ich an Alan gewandt. „Kannst du dir das nicht denken? Wir sind in Alaska bei den Cullens. Ich habe hier einige Zeit verbracht, bevor ich zurück nach Port Angeles wollte und als Sam uns verfolgte war ich der Ansicht, dass du nirgends sicherer wärest als in einem Haushalt voller Vampire.“ Bella grinste. „Meine Rede.“ Ich nickte und fühlte mich auf einmal wieder müde. Im nächsten Augenblick fiel ich in einen heilenden, traumlosen Schlaf…
 

Ein kalter Luftzug ging durchs Zimmer, als ich die Augen das nächste Mal aufschlug. Bella stand in der Tür, die zum Balkon führte und Schnee trieb an ihr vorbei ins Zimmer. „Guten Morgen“, grinste ich und sie drehte sich um. „Du meinst Guten Tag. Wir haben schon drei Uhr.“ Sie schwebte auf mich zu und ließ sich neben mir auf dem Bett nieder. „Wie geht es dir?“ „Wie neugeboren“, strahlte ich. „Vor drei Stunden warst du noch so gut wie tot.“ Sie griff mit ihren kühlen Händen nach meinen. „Deine Hände waren blau, als ihr ankamt.“ „Du siehst gut aus“, lächelte ich sie an. „Danke.“ Sie strich sich eine der braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Du hast dich kaum verändert“, erklärte sie und musterte mich aufmerksam. „Ganz im Gegenteil zu dir. Ich habe dich kaum wieder erkannt. Du siehst aus wie ein waschechter Vampir.“ Sie lachte. „Woran das wohl liegt… Erinnerst du dich daran, was passiert ist?“ „Ja, denke schon. Ich habe mich mit Jake gestritten und bin mit Alan mitgegangen. Als Sam davon erfuhr, war er wohl ziemlich sauer und sah es irgendwie als Verrat an. Er kam nach Port Angeles und Alan brachte uns in Sicherheit – hierher.“ Bella nickte. „Gut.“ Ich lehnte mich an die Wand und zog die Decke bis ans Kinn. „Soll ich die Tür schließen?“ „Nein, die frische Luft tut gut.“ Sie kicherte. „Hattest du auch so eine Heidenangst, als Alan lief?“ „Angst ist ein bisschen untertrieben. Panik trifft es wahrscheinlich besser.“ „Verständlich. Als Edward das erste Mal mit mir auf dem Rücken lief, dachte ich, er rase jeden Moment gegen einen Baum.“ Ich zog nun auch die Beine an und saß im Schneidersitz auf dem Bett. „Ich weiß gar nicht, woran ich gedacht habe. Ich glaube, an alles und an nichts.“ „Wart’s ab. Irgendwann wirst du es lieben.“ Ich rollte mit den Augen. „Nie und nimmer.“

Jemand klopfte an der Tür und kurz darauf kamen Edward und Alice herein. Alice wirkte aufgedreht, während Edward ruhig war und Bella zur Begrüßung einen Kuss aufs Haar gab. „Cassie!“, rief Alice völlig überdreht. „Wie geht es dir?“ „Gut, denke ich.“ Edward grinste mich an. „Schön zu sehen, dass du doch noch menschlich aussehen kannst.“ „Das sagt der Richtige.“ Er räusperte sich vernehmlich und Bella, Alice und ich brachen in Gelächter aus.

„Wo ist Alan?“, japste ich, nachdem wir uns beruhigt hatten. „Er ist mit Carlisle jagen. Die Flucht gestern hat ziemlich an seinen Nerven gezerrt“, antwortete der große, blonde Vampir, der plötzlich in der Tür stand. „Hallo, Jasper“, begrüßte ich ihn. „Hallo, Cassie. – Alice, Edward, Esme will euch sprechen“, erklärt er und Alice zog einen Schmollmund, während Edwards Augen sich zu schmalen Schlitzen verengten. „Komm, Alice, wir sollten gehen“, sagte er langsam und schon waren die drei verschwunden. „Esme will sie gar nicht sprechen“, stellte ich fest und Bella zuckte mit den Schultern. „Ich würde sagen, sie wollten uns noch ein Weilchen allein lassen.“ Ihre Hände griffen in ihren Nacken und kurz darauf baumelte etwas Goldenes vor meinem Gesicht. „Du hast sie die ganze Zeit über getragen?“, fragte ich leise. „Selbstverständlich.“ Sie machte mir die Kette wieder um. Sie war eiskalt. „Jetzt ist sie wieder an ihrem Platz.“ „Nimmst du mich in den Arm?“, bat ich Bella leise und sie zögerte keine Sekunde. Ihre Arme schlangen sich um meinen Torso und ich war erstaunt, wie wenig ihr die Nähe eines Menschen ausmachte. Als ich die Frage laut aussprach, lachte sie wieder. „Weißt du noch, als ich mich einmal in der Küche geschnitten habe? Ich bin fast ohnmächtig geworden. Das hilft mir heute ein bisschen. Das Monster in mir ist ein wenig – wie soll ich sagen? – anders. Außerdem solltest du bald duschen gehen. Du stinkst immer noch nach Wolf, egal, wie lange du mit Alan kuschelst.“ Die letzten Worte ließen mir das Blut in die Ohren schießen. „Wir haben nicht gekuschelt!“, protestierte ich, aber sie legte nur ihren langen Finger auf meine Lippen. „Da ist das Bad, im dritten Schrank von rechts sind die Handtücher und ich geh Rose fragen, ob sie Klamotten für dich hat. Deine eigenen sind in der Wäsche.“ Schmollend verzog ich mich ins Bad und suchte nach einem Handtuch, in das ich mich nachher perfekt einmurmeln konnte.

Als ich erstmal unter der Dusche stand, spürte ich, wie kalt meine Knochen noch waren. Das warme Wasser fühlte sich unglaublich heiß an, sodass ich es schnell kälter stellte, bis ich mich daran gewöhnte. Schließlich drehte ich den Wasserstrahl ab und stieg tropfend aus der Duschkabine. Auf einem kleinen Tischchen lagen ein Bademantel und Unterwäsche mit einem Zettel: Für Cassie. Ich erkannte sofort Bellas Handschrift und trocknete mich rasch ab.

Mit in ein Handtuch eingewickelten Haaren ging ich zurück in mein Zimmer, wo Rosalie bereits auf mich wartete. Sie hatte ihr blondes Haar hochgesteckt. „Bella hat Recht, mittlerweile haben wir wirklich die gleiche Kleidergröße“, lächelte sie. „Hey, Rosalie.“ Sie erwiderte nichts auf die Begrüßung, sondern stand auf und nahm mich an der Hand. „Komm mit. Wir suchen dir etwas zum anziehen.“ Geschwind zog sie mich durchs Haus, während ich ihr unbeholfen hinterher stolperte.

Das Zimmer, das sie sich mit Emmett teilte, bestand auf den ersten Blick aus zwei Möbelstücken. Ein gewaltiger Kleiderschrank aus Eiche und ein Bett, in das zwanzig Leute passten – ebenfalls aus Eiche. Erst auf dem zweiten Blick bemerkte man die Sitzecke und die Tür, die zum Badezimmer führte.

Rosalie stand bereits an ihrem Kleiderschrank, während ich mich noch staunend umsah, und holte etliche Klamotten heraus. „Du bist ziemlich blass, also nehmen wir lieber nichts Schwarzes… Ich kenn das, ich sehe dann immer aus wie eine Leiche – rein technisch gesehen, bin ich das ja, aber man tut, was man kann, nicht wahr?“ Sie plapperte munter weiter, bis ich sie taktlos unterbrach: „Warum machst du das für mich?“ Die eigentliche Frage, die ich stellen wollte, hieß zwar: „Warum bist du so nett zu mir?“, aber Rosalie schien zu verstehen. „Erstens ist das ja wohl ganz selbstverständlich, zweitens reißt mir Bella den Kopf ab, wenn ich es nicht tue und drittens bist du mir einfach sympathisch. Endlich mal ein Mensch, der von uns weiß und nicht darauf brennt, ein Vampir zu werden.“ Ich grinste. „Bella“, murmelte ich. „Weißt du, im Gegensatz zu Emmett war ich zu Beginn nicht sonderlich von meinem neuen Leben begeistert. Auch jetzt hätte ich mich nicht beklagt, wenn ich noch ein Mensch wäre, Kinder bekommen hätte und für einen netten Mann den Haushalt geführt hätte. Das war von Kindesbeinen an mein Traum, aber so wie mein Leben jetzt ist, ist es natürlich auch gut“, warf sie schnell ein, als ich die Stirn runzelte. „Ich konnte Bella nie verstehen, warum sie ihr menschliches Dasein einfach so wegwarf, bis wir eine ganze Nacht lang miteinander gesprochen haben.“ Sie holte eine Jeans hervor und warf sie aufs Bett zu einem ganzen Stapel anderer Klamotten. Mittlerweile standen fast alle Türen und Schubladen offen. „Und jetzt verstehst du sie?“ „Ja, ich habe mich einfach gefragt, ob ich genauso wie sie gehandelt hätte, wenn ich Emmett als Mensch begegnet wäre und ich denke, ich hätte das Gleiche getan.“

Ich seufzte, schnappte mir ein Kissen und warf mich auf die Couch. „Das muss wahre Liebe sein.“ Sie zwinkerte mir zu und fischte einen beigen Pulli hervor. „Der dürfte dir ausgezeichnet stehen. Was meinst du… eine blaue Jeans mit Used-Optik?“ Ich nickte. „Probier’s am besten gleich an. Du musst auch nicht lange mit meinen Klamotten rumlaufen. Alice ist ganz begeistert davon, endlich mal einen vernünftigen Grund fürs shoppen zu haben.“
 

Alice hatte scheinbar mehr als bloß Spaß, als wir den zwanzigsten Laden betraten. Jasper, der ihr folgte, hätte mir Leid getan, wenn er nicht ein Vampir gewesen wäre und dadurch mit übermenschlichen Kräften ausgestattet wäre. Er trug jede Menge Taschen mit Schuhen, Pullovern, T-Shirts, Kleidern, Hosen, Röcken und was Alice noch so gefunden hatte. Ich war mir sicher, dass sie nachher noch einen zusätzlichen Kleiderschrank kaufte. Edward und Alan hatten angeboten, ihm etwas abzunehmen, doch er hatte strickt abgelehnt. Edward und Alan trugen jeweils nur zwei Taschen von Bella und mir und ich überlegte gerade, wie viel Carlisle und Emmett wohl trugen, weil wir uns zum shoppen aufgeteilt hatten. Carlisle war der Meinung gewesen, neun Vampire auf einmal seien zu viel für die unschuldigen Bürger dieser Stadt. So machten sie es wohl immer.

Plötzlich stieß Alice einen spitzen Schrei aus und wir zuckten vor Schreck zusammen. „Was ist los?“, fragte Alan sofort, aber Alice strahlte uns bloß an. „Ist das nicht süß?!“ Jasper seufzte erleichtert, dass nichts passiert war und ging auf sie zu, um seine übliche Rede zu halten.

„Wirklich schön, Alice, aber hast du nicht schon genug?“

Als wir den Laden verließen, hatte Alice dafür gesorgt, dass auch Alan und Edward sich ernsthaft überlegen mussten, wie sie eine weitere Tasche tragen sollten, denn sie hatten zwar noch genug Kraft, aber keine Finger oder Arme mehr, mit denen sie die Taschen festhalten konnten. Auch Vampire hatten nur zwei Arme und zehn Finger…

Alice und Bella unterhielten sich gut gelaunt, als wir die Fußgängerzone entlang gingen und ich drehte mich Edward zu, der noch ein wenig mehr als Alan zu tragen hatte. „Soll ich dir etwas abnehmen?“ „Bloß nicht, solange ich so voll beladen bin, muss ich keine Klamotten anprobieren“, flüsterte er leise und grinste. „Schlawiner“, erwiderte ich und piekte ihn in die Seite, was er wahrscheinlich kaum spürte, obwohl er zurückwich. Wenigstens spielte er diese Spielchen mit…

„Und du, Alan?“, bot ich nun auch dem anderen Vampir meine Hilfe an, doch er achtete gar nicht auf meine Frage, sondern sagte: „Hast du etwas dagegen, wenn wir eine Weile bei den Cullens bleiben?“ Automatisch schüttelte ich den Kopf. „Ich werde wohl in nächster Zeit nicht nach Hause können, also warum nicht? Weiß Sam eigentlich, wo wir sind?“ „Nur ungefähr. Er wird es sich denken können, dass wir bei Carlisle Unterschlupf gesucht haben.“ „Aber er wird sich hier nicht hintrauen“, meinte Jasper überzeugt. „Wir sind zu viele. Natürlich könnte er mit dem ganzen Rudel zurückkommen, aber ich glaube nicht, dass er das tut. Nicht weit von hier lebt noch eine weitere Familie.“

„Du meinst diese Tanya?“

„Ja. Außerdem hat er gar nicht das Recht uns anzugreifen, weil wir nichts getan haben. Bella wurde zwar in Forks verwandelt, jedoch auf ihren eigenen Wunsch hin. Da sind die Regeln ein wenig anders, denke ich.“

Nachdenklich sah ich zum Himmel, der sich drohend auf uns hinabsenkte. Ich wartete schon seit Stunden auf einen Wolkenbruch. „Ich würde gern bei euch bleiben“, entschloss ich und schaute zu Alan, der zufrieden lächelte. Jaspers Lächeln hingegen jagte mir Angst ein. „Was?“, fragte ich, unsicher, ob ich die Antwort hören wollte. „Magst du eigentlich deine weißen Haare?“ Alice und Bella vor uns blieben vor einem Geschäft stehen und in Alice’ Augen blitzte es, als sie sich zu mir umdrehte. Bella kicherte. „Ich hab Angst“, entschied ich spontan, aber Bella kam auf mich zu, nahm meine Hand und führte mich Richtung Geschäft. „Brauchst du nicht. Früher hat Alice das mit mir auch immer gemacht. Sie spielt scheinbar immer noch gern mit Puppen.“ „Aber ich bin keine Puppe“, sagte ich entsetzt und starrte zum Schaufenster. „Och, aber wir müssen das machen, weil die Werwölfe dich wahrscheinlich als vermisst melden werden, damit sie nicht direkt zu uns kommen müssen. Wenn das nämlich die Polizei erledigt, bringen sie sich selbst nicht in Gefahr und Alan können sie später ja immer noch zerfetzen. Wir müssen dich also ein bisschen verändern, weil du ja schon sehr auffällig aussiehst“, sagte Alice, hakte sich bei mir unter und somit hatte ich überhaupt keine Chance mehr zu fliehen. Deprimiert ließ ich mich von ihnen in den Friseursalon ziehen.
 

Im Friseursalon herrschte Schweigen, seitdem wir ihn betreten hatten und ich fürchtete, sie hätten alle ihre Zunge verschluckt, als Alice bezahlte und mich zufrieden ansah. „Erstaunlich, kaum färbt man dir die Haare ein bisschen dunkler, siehst du lebendiger aus.“ „Ein bisschen dunkler?“, fragte ich skeptisch und sah in den Spiegel. Es sah tatsächlich besser aus, als ich erwartet hatte. „Meine Haare sind schwarz, Alice!“ „Ja, toll, nicht? Jetzt können wir im Partnerlook zur Schule.“ „Schule?“ Ich sah auf. „Na klar, glaubst du, wir liegen seit zwei Jahren auf der faulen Haut? Rose, Jazz und Emmett haben ihr Studium abgeschlossen und seitdem gehen wir wieder auf die Schule. Eigentlich wollten Edward und Bella ja zum College, aber na ja… jetzt ist erst noch einmal Schule dran“, erzählte Alice. „Für euch alle?“, fragte ich erstaunt und sie nickten. „Mensch, du hättest damals ihre Gesichter sehen müssen, als wir zum ersten Mal dorthin gingen. Ich bin gespannt, wie sie übermorgen aus der Wäsche gucken, wenn ihr mitkommt.“

„Übermorgen schon?“

„Ja, Carlisle hat dich und Alan angemeldet, wir holen gleich noch die Schuluniform ab.“ Edward lachte auf, als mir vor Entsetzen fast die Augen aus dem Kopf fielen. „Sch… Schul…uniform?“, fragte ich gepresst und Alice nickte. „Keine Sorge, die ist echt süß.“ Ich sprach meine Zweifel nicht aus und war froh, dass meine Gedanken mir gehörten und Edward sie nicht kannte.

Möglicherweise sah die Uniform an Vampiren gut aus, aber was war mit normalen, vollkommen unvollkommenen Menschen?

Neue Herausforderungen – oder auch einfach: Schule!

Alice ließ sich alle Zeit der Welt, während sie mir ein wenig Rouge auftrug. „Muss das alles sein?“ „Zumindest solange, bis wir genau wissen, wie es weitergeht.“ Bella reichte ihr nachdenklich den Lippenstift. „Glaub mir, wenn du fertig bist, erkennst du dich selbst nicht wieder“, versicherte Alice mir. Ich zog nur eine Schnute und zupfte an dem Rock der Schuluniform. „Mir ist jetzt schon kalt“, murrte ich und Alice grinste frech. „Soll ich dich beißen? Dann stört dich die Kälte nicht mehr so sehr.“ „Ähm… nein, danke!“, antwortete ich lachend. Es klopfte an der Tür und nach einem knappen „Herein“ öffnete sie sich einen Spalt breit. Alan sah hinein. Sein Blick blieb auf mir hängen, als er langsam fragte: „Seid ihr bald fertig? Wir kommen sonst zu spät.“ „Gleich“, sagte Alice knapp und Alan lächelte mich noch einen Moment an, dann ging er. „Er mag dich“, stellte Alice kaum hörbar fest. Ich reagierte nicht, sondern musterte Bella. „Was ist mit dir los?“ „Hm?“ Bella sah mich verpeilt an. „Was mit dir los ist…“, half ich ihr auf die Sprünge, aber sie zuckte nur mit den Achseln. „Nichts, hab lediglich ein komisches Gefühl.“ Alice schaute sie seltsam an. „Sicher, dass es lediglich ein Gefühl ist?“ Bella nickte.
 

Eine halbe Stunde später saß ich mit Bella auf der Rückbank des silbernen Volvos. Zwischen uns lagen unsere Taschen, bis obenhin voll gestopft mit Büchern. „Ich war seit sechshundert Jahren nicht mehr in der Schule“, grummelte Alan und Edward lachte. „Dann wird’s wohl mal wieder Zeit.“ Alan rollte mit den Augen. „Was soll mir da denn noch beigebracht werden? Ich weiß alles.“

Ich hörte den beiden nicht länger zu, sondern betrachtete Bella, die aus dem Fenster starrte, als wäre sie gar nicht wirklich im Auto. „Was hast du eigentlich für Fähigkeiten bekommen? Bei unseren Telefonaten hast du nie etwas gesagt“, fragte ich, um sie zurück in die Realität zu holen. „Nichts besonderes“, erwiderte sie. „Das sagt sie immer“, neckte Edward sie. „Ich bitte dich, Edward. Einen Teil meiner Fähigkeiten kann ich nie einsetzen!“ „Die anderen dafür aber rund um die Uhr“, beharrte Edward. Ich runzelte die Stirn. „Was sind das denn nun für Fähigkeiten?“ „Bella kann Wunden und Krankheiten heilen und Carlisle ist der Ansicht, dass sie wahrscheinlich auch Krankheiten diagnostizieren kann, wenn sie irgendwann einmal Medizin studiert hat und die einzelnen Krankheiten gut genug kennt.“ „Das nützt mir aber nichts“, erklärte Bella. „Vampire können sich nicht verletzen und Menschen kann ich auch schlecht helfen, wenn man bedenkt, dass Menschen nichts von uns wissen dürfen. Herausgefunden habe ich es sowieso nur durch Zufall beim jagen, als Edwards Puma plötzlich wieder aufstand, als er gerade dabei war, ausgesaugt zu werden.“ Sie musste unweigerlich grinsen, während ich mich bemühte, nicht loszuprusten. „Und was noch?“, fragte ich, als ich nicht mehr Gefahr lief, laut zu lachen. „Ich kann die Kräfte von anderen Vampiren blockieren.“ „Und du kannst die Gedanken manipulieren“, ergänzte Edward. „Echt?“, staunte ich und Alan setzte sich kerzengerade hin. „Ist das wahr?“ „Jaah“, antwortete Bella lang gezogen. „Aber ich mache das nicht. Zu gefährlich für andere und mich.“

„Wieso gefährlich?“

„Weil ich alle meine Kraft brauche und wenn ich mich dann nicht richtig konzentriere, könnte es sein, dass etwas Gefährliches passiert.“

„Woher wisst ihr das?“

„Carlisle hat mit Volterra telefoniert. Aro war der Ansicht, ich solle möglichst bald zu ihnen kommen, damit sie mich untersuchen können, aber bisher konnten wir uns darum drücken.“

„Wir sind da“, unterbrach Edward sie und ich schaute an Bella vorbei aus dem Fenster.

Die Schule sah aus wie jede andere.

Wir stiegen aus und ich stellte fest, dass man sofort im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, wenn man mit Vampiren unterwegs war. Der Friseursalon war keine Ausnahme gewesen. Er war nur das Vorspiel. Der ganze Parkplatz hielt den Atem an. Jeder Schüler verstummte, der einsame Vogel, der gerade noch sein Lied gesungen hatte, sagte nichts mehr. Sogar der Wind endete mit einem Mal.

„Wie lange geht ihr schon auf diese Schule?“, wollte ich wissen. „Drei Wochen“, sagte Bella und lächelte. „Aber ich fürchte, die gewöhnen sich nie an uns.“ Neben uns parkte Rosalie den BMW und kurz darauf stiegen auch die anderen aus. Edward legte einen Arm um Bella und wie selbstverständlich gingen sie Richtung Schulgebäude. Jasper und Alice folgten ihnen Händchen haltend und Rosalie und Emmett nahmen mich und Alan in ihre Mitte. „Ihr seid übrigens Freunde der Familie aus Frankreich und macht einen Austausch. Und ihr seid wie Bella und Edward siebzehn“, erklärte mir Rosalie leise und am Haupteingang warteten Bella und Edward. „Wir bringen die beiden dann zum Sekretariat wegen den Formularen“, murmelte Edward und Rosalie und Emmett nickten. „Okay, wir treffen uns bei den Spinden.“

Wir betraten die Schule und ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Was von außen aussah, wie eine normale Schule, erschrak mich von innen völlig. Im Groben glich es wohl einer Schule, doch man merkte sofort, dass diese Schule anders war. Alles war sauber, keine Kritzeleien an den Spinden und der Boden sah aus, als wäre eben erst eine Putzkolonne hier gewesen. Die Deckenlampen versprühten ein angenehmes Licht und eine große Fensterfront am anderen Ende der Eingangshalle gab den Blick auf einen zugefrorenen Teich frei. Ich konnte sogar einen kleinen Bachlauf erkennen, dessen Wasser zu Eis geworden war, bevor es endgültig in den Teich gefallen war. „Wow“, brachte ich hervor. „Eine Privatschule“, erklärte Bella schlicht und ging voran durch einen Gang. Plötzlich blieb sie stehen, sodass ich fast in sie hineinlief. „Das ist das Sekretariat“, erklärte sie und klopfte an. Einen kurzen Moment harrte sie aus, dann öffnete sie die Tür und betrat den ungewöhnlich großen Raum. An den Wänden sah ich Regale voller Akten. „Guten Morgen, Miss Stormwight.“ Die Sekretärin sah auf. „Oh, guten Morgen“, erwiderte sie lächelnd und stand auf. „Mein Vater hat gestern mit Ihnen telefoniert“, meinte Edward. „Wegen den Austauschschülern…“ „Aber ja, natürlich!“ Miss Stormwight hatte einen leicht glasigen Blick bekommen, als Edward zu sprechen begann. „Einen Moment. Ich hole Ihnen die Dokumente.“
 

„Vielleicht möchtet ihr euch selbst vorstellen“, schlug der Lehrer vor, den wir in der ersten Stunde hatten. Bella und Edward grinsten uns von ihren Plätzen entgegen und Edward nickte kaum merklich, sodass Alan das Wort ergriff. „Hallo, mein Name ist Alan, ich bin siebzehn Jahre alt und komme aus der Provence in Frankreich.“ Er sah mich aus den Augenwinkeln an und ich atmete tief durch. Ich war keine sonderlich gute Schauspielerin. „Mein Name ist Cassidy, ich bin ebenfalls siebzehn Jahre alt und komme auch aus der Provence.“ Der Lehrer schien sich mehr von den beiden neuen Schülern erhofft haben, entließ uns aber, damit wir uns in die letzte Reihe zu Edward und Bella setzen konnten. Edward wirkte schon jetzt abgrundtief gelangweilt, doch kaum schellte es zum Ende der Stunde, stand er auf und fragte: „Kommt ihr?“ Ich erhob mich und sah mich noch einmal in dem sonderlich gut ausgestatteten Klassenzimmer um, sodass ich ein wenig zurückblieb. Auf dem Flur sah ich mich um und fluchte. Wo waren sie denn nun hin? Planlos sah ich den Gang hinauf und hinab. „Merde!“, schimpfte ich und als mir dann auch noch die Umhängetasche von der Schulter rutschte und sich meine Bücher auf dem Boden verteilten, stöhnte ich nur. „Na super!“ Ich bückte mich, um die Sachen aufzusammeln, als zwei andere Hände hinzukamen. Verwundert sah ich auf und blickte in die schönsten Augen, die ich je bei einem Menschen erblickt hatte. Von so dunklem Braun, dass der Übergang zwischen Iris und Pupille kaum noch zu erkennen war. Seine Bewegungen waren ruhig, gelassen und cool. „Danke“, murmelte ich, als wieder alles eingesammelt war und ich den ganzen Mist wieder in meiner Tasche verstaute. „Kein Problem. Kann ich dir helfen? Du siehst so aus, als wüsstest du nicht, wo du hinmusst.“ Ich nicke mit geröteten Wangen. „Ich hab jetzt Englisch, aber keine Ahnung, wo ich hinmuss. Ich hab getrödelt und scheinbar haben die anderen nicht bemerkt, dass ich nicht mitkam.“ Die letzten Worte sprach ich mit einem leichten Groll in der Stimme. Er lächelte und entblößte dabei eine Reihe strahlender Zähne. Er war groß und schlank und hatte die Haare völlig zerzaust. Mir war schon vorher aufgefallen, dass die Schüler nicht unbedingt bessere Sitten hatten als auf einer normalen Schule. Auch gab es keine strikte Ordnung der Kleider. Manche Jungs hatten ihre Hemden in die Hosen gesteckt, andere trugen nicht einmal die Krawatten. Die einzigen, die ihre Klamotten ordentlich trugen waren die Cullens, Alan und ich. Die Cullens und Alan, weil sie Vampire waren und den nötigen Stil hatten, um eine solche Uniform zu tragen und ich, weil ich es nicht besser wusste.

„Komm doch mit mir mit. Ich nehme an, du hast jetzt bei Morrison?“ Ich warf einen kurzen Blick auf den Stundenplan in meiner Hand und nickte. „Das wäre furcht nett.“ Er lächelt schon wieder. „Mein Name ist übrigens Ian.“ „Freut mich.“

Ian und ich bogen um die nächste Ecke, als schon ein leicht panischer Alan vor uns stand. „Mein Gott, was machst du nur, Cassie?! Kannst doch nicht einfach so verschwinden…“ Ich zog eine Grimasse. „Wer war denn plötzlich weg und hat scheinbar erst fünf Gänge später gemerkt, dass ich fehle, hm?“ Er fasste sich in den Nacken. „Sorry, tut mir Leid, aber du kannst mir doch nicht so einen Schreck einjagen.“ Seine Worte waren nachdrücklich und ich wog den Kopf leicht hin und her. „Ist ja gut… Ich hab’s ja nicht extra gemacht. Ihr wart plötzlich weg und dann ist mir meine Tasche runter gefallen und dann hat mir Ian geholfen und er meinte, er könne mir ja den Weg zeigen, weil er jetzt auch Englisch hat…“ Erst jetzt schien Alan Ian zu bemerken, der wie versteinert neben mir stand. Ich fragte mich, warum ich damals nicht so extrem auf die Vampire reagiert hatte wie die anderen. Okay, mir war die Luft weggeblieben und ja, ich hatte den Boden im Himmel gesucht, aber das war nur kurz gewesen. Nach einiger Zeit hatte ich wieder klar denken können.

„Oh, okay, vielen Dank, Ian“, sagte Alan schnell, legte seine Hand auf meinen Rücken und schob mich den Gang runter. Ich stolperte vor ihm her. „Was soll das?“, meckerte ich, aber er ignorierte mich – wie so oft.

Wir erreichten den nächsten Raum, stellten uns noch einmal vor und ich ließ mich missmutig neben Edward fallen. „Da bist du ja. Wir haben uns Sorgen gemacht“, sagte er und ich grummelte nur etwas vor mich hin, als Ian den Klassenraum betrat. Ich lächelte ihn entschuldigend an, doch er winkte nur ab und zwinkerte.

Der Englischlehrer Mr. Morrison hielt uns wohl für ziemlich bekloppt. Wenn er uns ansprach, sprach er extra langsam, bis Alan ihm völlig ohne Akzent einen vom Pferd erzählte. Seiner Ansicht nach war das Buch, das der Kurs las, völlig veraltet und verstaubt, ohne einen Bezug zur damaligen Realität, es gebe nur eine romantische und verklärte Sicht auf das 18. Jahrhundert wieder und sei überdies auch noch schlecht geschrieben. Er musste es ja wissen…

Mr. Morrison kochte innerlich, doch Alan hatte ihn mit seinem Charme bereits gefangen, sodass er nur nicken konnte. „Ja, auf eine gewisse Art und Weise haben Sie da durchaus Recht, Mr. Lacroix“, sagte er schließlich, als Alan geendet hatte. Alan hatte fast die halbe Stunde gesprochen und jeder hatte gebannt zugehört. Sogar Edward war am Unterricht interessiert gewesen, während ich bockig auf meinem Stuhl saß und möglichst gelangweilt tat. „Und wie sieht es mit Ihnen aus? Wie gefällt Ihnen das Buch, Miss?“, fragte mich Mr. Morrison plötzlich. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ich habe es noch nicht gelesen.“ Mr. Morrison kräuselte die Lippen. „Nun gut. – Miss Swan, würden Sie uns bitte erklären, warum die Hauptperson so sehr auf Rache sinnt?“

Während Bella antwortete, spürte ich Alans Blick auf mir, erwiderte ihn jedoch nicht. Warum verletzte es mich so sehr, dass er mich vergessen hatte?
 

Die Frage ging mir auch in der Mittagspause durch den Kopf, als ich mit ihm und den sechs Cullens in der Mensa saß und aß. Die anderen kamen mir ziemlich unheimlich vor, weil sie nichts aßen, sondern bloß auf ihre Tablettes starrten, als esse sich das Mittagsmenü von allein. „Wie schmeckt das Essen eigentlich für euch?“, fragte ich nach der Hauptspeise und biss in einen Apfel. „Erde. Staub. Schwer zu beschreiben“, antwortete Emmett mit einer hochgezogenen Augenbraue und wandte den Blick nicht von seinem Menü ab. Man könnte meinen, er schaue sich eine Dokumentation über die Nahrungsaufnahme von Fröschen an, so interessiert wirkte er.

Die Mensa war ungewöhnlich still, wenn man bedachte, dass hier eine komplette Schule versammelt war, doch ich schob es auf die Anwesenheit meiner Tischnachbarn, die ihr Essen immer noch anstarrten. „Ihr könntet mal fragen, ob ihr ein extra blutiges Steak bekommt“, grinste ich und Bella und Alice kicherten. „Nur wenn’s Grizzlysteak gibt“, schmunzelte auch Emmett und kurze Zeit später brachen alle in Lachen aus – alle bis auf Alan. Er schien mit seinen Gedanken furchtbar weit weg, denn als ich zu ihm sah, ruhte sein Blick auf einem anderen Tisch, an dem ich Ian sah. Als Ian bemerkte, dass ich ihn ansah, lächelte er. Ich lächelte wieder zurück, stand auf und brachte mit Rosalie mein Essen weg. „Deine Kette gefällt mir gut“, sagte sie, als wir uns auf den Rückweg begaben. „Mir ist sie schon bei Bella aufgefallen.“ „Danke, ich hab sie schon solange ich denken kann“, antwortete ich. Wir setzten uns zurück und nun standen auch Alan und Jasper auf. Sie unterhielten sich zu leise, als dass ich es hätte mitkriegen können.

Während mein Blick durch die Gegend schweifte, fiel mir auf, dass Alice den Blick nun auf Edward geheftet hatte, der leicht die Augen bewegte, während Bella und Emmett in eine hitzige, aber leise Diskussion über Reh- und Grizzlyblut verfallen waren. Ich schaltete das Gezische von den beiden aus und konzentrierte mich auf Edward und Alice. Rosalie saß zwischen ihnen und lächelte mich an. „Ed, Alice, ihr wurdet soeben enttarnt.“ Die beiden sahen erst sie, dann mich an. „Ihr lasst nach“, tadelte Rosalie. „Früher hat niemand mitbekommen, wenn ihr euch so unterhalten habt, und jetzt? Jetzt braucht Cassie gerade einmal dreißig Sekunden.“ Wir grinsten uns an, während Edward und Alice ertappt zu Boden sahen. „Alice“, sagte Edward leise und ich hörte das Lächeln in seiner Stimme, „wir sollten uns mal mit Cassie zusammensetzen.“ Alice grinste. „Hui, ich glaub, von ihr könnten wir viel lernen.“ Die beiden standen auf, um auch ihre Tabletts wegzubringen und Emmett und Bella folgten – immer noch am zischen. „Die beiden sind unmöglich“, seufzte Rosalie. „Meistens kriegt man es kaum mit, wenn sie sich unterhalten.“ „Gerade hast du es mitbekommen“, behauptete ich, aber sie schüttelte den Kopf. „Nur, weil du so konzentriert hingesehen hast. Sonst hätte ich es wahrscheinlich auch nicht bemerkt.“ Alan und Jasper setzen sich wieder zu uns. „Edward und Alice sind mal wieder aufgeflogen“, grinste Rose ihren angeblichen Zwilling an, der leise lachte. „Geschieht den beiden Recht“, grinste er und die beiden unterhielten sich leise. Zu leise für meine menschlichen Ohren.
 

Auf leisen Sohlen ging ich durchs Haus. Ich hatte noch nicht viel Zeit hier verbracht und war gerade auf der Suche nach meinem Zimmer, als ich die Stimmen von Carlisle und Alan hörte. Ich ging zu der Tür und öffnete sie einen Spalt. Als ich verstand, was sie sagten, hielt ich inne und beobachtete die beiden Vampire, die am Fenster standen, mit dem Rücken zu mir.

„Wann willst du es ihr sagen?“, fragte Carlisle mit seiner ruhigen Stimme und drehte den Kopf leicht zu Alan. „Sobald Michael da ist, denke ich. Ich weiß ja selbst nicht genau, was es ist, das da zwischen uns steht. Das kann nur er uns sagen, aber er will nicht mit der Antwort herausrücken“, sagte Alan und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. „Wie du weißt, habe ich versucht, etwas über diesen Stoff herauszufinden. Ich habe mit Aro telefoniert…“

„DU HAST WAS?!“

„Keine Sorge, ich war so diskret wie es ging. Ich habe ihn gefragt, ob er von Verbindungen zwischen Menschen und Vampiren weiß, die nichts mit La Tua Cantante zu tun haben. Aber er kannte nur diese eine Verbindung.“

„Dann muss Michael es uns sagen.“

Ich stieß die Tür weiter auf und sah sie lange an. Beide fuhren herum. „Wer ist Michael?“, fragte ich.

Der Fremde

Hui, danke für die Kommis.^^ Ian ist übrigens ein Mensch. :D Ein stinknormaler Futzimensch... und na ja... Alans Reaktion... die lässt sich vielleicht ja auch so erklären. ;)
 


 

Carlisle und Alan sahen mich entsetzt an, scheinbar hatte ich mitbekommen, was ich nicht hätte mitbekommen sollen. „Und was ist La Tua Cantante?“, fragte ich weiter. „Cassie… das… was machst du überhaupt hier?“ Alan klang zornig. „Ich habe mein Zimmer gesucht“, antwortete ich knapp. „Den Gang runter rechts“, erklärte Alan scharf und Carlisle warf ihm einen enttäuschten Blick zu. „Komm, ich zeige es dir noch einmal“, sagt er freundlich und führt mich freundlich aber bestimmt aus seinem Arbeitszimmer.

„Ich wollte nicht lauschen“, sage ich leise, als wir vor meiner Zimmertür waren, die ich sogar auf Anhieb erkannte. „Das glaube ich dir. Du musst Alan verzeihen. Er ist ein wenig angespannt momentan.“ „Wer ist dieser Michael?“, fragte ich noch einmal und Carlisle sah aus einen Moment aus dem Fenster, als überlege er, ob ich es wissen sollte. „Michael ist der Vampir, der dich damals rettete. Alan hat vor einem halben Jahr wieder mit ihm Kontakt aufgenommen. Er wird bald hier ankommen.“
 

Bella strich mir beruhigend durchs Haar und über den Rücken und Alice hielt meine Hand, als wir auf dem Boden in meinem Zimmer saßen und die Tränen hemmungslos liefen. Ich konnte mich nicht mehr beruhigen und schluchzte schon seit einer halben Stunde. Die beiden waren rettungslos überfordert.

„Was ist denn los?“, fragte Bella sanft und klang nicht ungeduldig, obwohl sie schon häufiger gefragt hatte. „N… nichts“, japste ich nach Luft und wischte mit meiner freien Hand die Tränen fort. „Ich hab… nur vorhin… daran… daran gedacht, dass… meine Mutter wahrscheinlich schon… beerdigt wurde“, schluchzte ich und wieder übernahmen mich die Tränen. Ich hatte schreckliche Gewissensbisse, weil ich sie alle einfach allein gelassen hatte. Sam, Jake, Embry, Quil und all die anderen. Und weil ich Mum nicht beerdigen konnte. Ich hatte mich am Morgen so schlecht gefühlt, dass ich nicht zur Schule konnte. Esme hatte mich entschuldigt, obwohl sie wusste, dass ich nicht krank war. Sie meinte, Carlisle würde mir schon ein Attest ausstellen. Und das am zweiten Tag…

Als Alice dann nach der Schule nach mir hatte sehen wollen, hatte ich bereits auf dem Boden gekauert.

„I… ich brauch… f… fr… frische Luft“, stammelte ich und stand wackelig auf. „Sollen wir mitkommen?“, boten Alice und Bella sofort an, doch ich schüttelte den Kopf. „Ich… k… komm schon zu Recht…“ Alice stand auf und hielt mich zurück. „Pass auf dich auf, ich kann nicht sehen, ob dir etwas passiert“, drängte sie und ich nickte zitternd. „O…okay.“

Ich lief aus dem Zimmer und fand auf Anhieb die Haustür. Mein Orientierungssinn war mies. Sehr mies.

Ich nahm meine Jacke von der Garderobe, schlüpfte in meine Stiefel und trat hinaus in die beißende Kälte. Wir hatten den zwanzigsten Februar. Bald würde meteorologischer Frühlingsbeginn sein, aber davon spürte man hier noch nichts. Der Schnee flog mir ins Gesicht, verfing sich in meinen Wimpern und schmolz auf meiner Haut. Ich verbarg mein Gesicht halb in der Jacke und steckte die Hände in die Hosentaschen. Die Tränen gefroren auf meinen Wangen, aber das war mir egal. Blind ging ich Richtung Stadt und versuchte, meine Gefühle zu beruhigen.

Ich merkte nicht, dass ich einfach so über eine Straße ging, sah jedoch auf – von einer unsichtbaren Kraft getrieben – und entdeckte das Auto. Es kam immer näher und ich sah noch einmal alles an mir vorbeirasen. Mein ganzes Leben. Alle geliebten Gesichter. Meine Wölfe. Die Vampire. Die vage Erinnerung an meine Eltern. Ich stieß einen spitzen Schrei aus und riss die Arme hoch, um wenigsten meinen Kopf zu schützen. Das alles dauerte nur Bruchteile von Sekunden, doch plötzlich hörte ich Reifen quietschen und das Auto prallte mit einem lauten Knall in die Schaufensterscheibe eines Geschäfts. Einen Moment lang legte sich Stille über die Straße, doch dann stürmten Menschen an mir vorbei und ich starrte fassungslos auf den qualmenden Motor. „Jemand muss den Fahrer raus holen! Der Wagen könnte in die Luft fliegen!“, schrie jemand und kurz darauf wurde der Befehl befolgt. Zitternd entfernte ich mich rückwärts vom Unfallort und stolperte, als ich gegen die Bordsteinkante stieß. Unsanft fiel ich auf den Boden. Jemand reichte mir eine Hand. Verwirrt sah ich den Arm hinauf und landete bei einem Paar goldener Augen in einem weißen Gesicht. „Hallo, Cassidy.“
 

„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, sagte ich leise und betrachtete den warmen Kakao zwischen meinen Händen. Er lächelte. „Dann bin ich froh, dass ich hier nicht der einzige bin.“

Mein Gegenüber sah aus wie sechsundzwanzig und hatte kurze braune Haare und einen Drei-Tage-Bart. Seine blasse Haut, seine goldenen Augen und seine Schönheit hatten ihn für mich sofort als Vampir enttarnt, doch dass er mich kannte, hatte ich nicht erwartet. Es war Michael.

„Wie hast du mich erkannt?“, fragte ich neugierig. „Ich bitte dich, du siehst deiner Mutter furchtbar ähnlich. Aber als ich Alan traf, sagte er, du hättest weiße Haare, deshalb war ich irritiert.“ Ich seufzte. „Jaah, das musste sein, um mich vor meinen Freunden zu beschützen. Die wollen mich sonst auseinander nehmen – zumindest mein Bruder. Aber schwarz gefällt mir auch nicht schlecht. – Besser, als ich gedacht hätte.

Du kanntest also meine Mutter?“ „Ich kenne sogar dich schon, seitdem du ein kleines Mädchen warst.“ Er lächelt mich freundlich an und ein Gefühl von Vertrautheit durchfloss mich. Der Mann hatte meine Eltern gekannt. Im Moment schien er die einzige Verbindung für mich zu ihnen zu sein.

„Woher kanntest du uns?“ „Deine Mutter und ich hatten eine sehr innige Beziehung. Wir waren einerseits wie Feuer und Wasser, wie Himmel und Hölle, aber andererseits war es auch so, dass wir einander brauchten. Wir kannten uns, seitdem sie vierzehn war.“ Ich runzelte die Stirn. „Hattet ihr eine Affäre?“ „Was? Nein!“, bestritt er sofort. „Dein Vater hätte mich umgebracht – selbstverständlich nur, wenn er es geschafft hätte“, fügte er schnell hinzu. „Die beiden kannten sich schon seit der ersten Klasse. Am liebsten stritten sie sich, aber das änderte sich auf dem College schlagartig. Ich werde nie den Tag vergessen, an dem Mary, deine Mutter, zu mir kam und mir ganz entgeistert erzählte, sie habe sich doch glatt in den Volltrottel verliebt – so nannte sie deinen Vater bis dahin.“

Meine Stimmung hellte immer mehr auf, während ich mich mit ihm unterhielt. Er ließ mich vollkommen vergessen, was noch am selben Morgen passiert war.

„Ich weiß kaum etwas über meine Eltern“, gestand ich beschämt. „Nur, dass mein Vater Arzt war und meine Mutter den Haushalt schmiss. Bis vor kurzem dachte ich noch, meine Eltern wären von einem Serienkiller getötet worden.“ Michael schmunzelte. „Auf eine gewisse Art und Weise trifft das ja auch zu.“ „Aber auch nur im entfernten Sinne“, grinste ich. „Kannst du mir vielleicht von meinen Eltern erzählen?“, wollte ich plötzlich wissen und sah Michael begeistert an. Er sah mich ein wenig erschrocken an. „Ich… ich weiß nicht, ob das so gut ist…“ „Warum denn nicht?“, fragte ich. „Weil…“ Fragend sah ich ihn an, doch er starrte ausdruckslos aus dem Fenster.

„Cassidy“, hörte ich plötzlich jemanden von der Tür aus rufen. Ich sah auf und mein Blick blieb an dem Ians hängen. Hand in Hand mit einem mir unbekannten Mädchen kam er auf mich zu. „Hey, was für ein Zufall dich hier zu sehen. Ich dachte, du wärest krank. Wie geht es dir?“, plapperte er drauf los, verstummte jedoch sofort, als sein Blick auf Michael fiel. Ich musste keine Gedanken lesen können, um zu wissen, was er dachte.

Gibt es hier irgendwo ein Nest?

„Mir geht’s schon besser, danke, Ian. Darf ich dir Michael vorstellen? Er ist ein Freund von mir“, erklärte ich und Ian nickte, während Michael nur einen müden Blick für den Menschen übrig hatte. Ian wirkte noch einen Moment verwirrt, dann erschrak er. „Oh, tut mir Leid, ähm… das ist Lara. Lara, das ist Cassidy, die Austauschschülerin.“ Lara lächelte mich freundlich an. „Ich geh auch auf die Schule“, erklärte sie mir. „Cool, dann sehen wir uns garantiert häufiger mal“, sagte ich grinsend. Ian wirkte irgendwie nervös. „Wir müssen dann auch. Kommst du morgen wieder zur Schule?“ Ich schluckte, bevor ich nickte. „Klar, bin schon wieder so gut wie fit.“ „Okay.“ Mit diesen Worten zog er Lara aus dem Geschäft und schien es ziemlich eilig zu haben, sich vom Café zu entfernen, in dem ich mit Michael saß.

„Der war ja komisch drauf“, murmelte ich leise und Michael fixierte mich mit seinem Blick. „Das war meine Anwesenheit. Ich mache Menschen – wie soll ich sagen? – nervös. Das liegt in der Natur der Vampire. Nur Menschen ohne jeglichen Selbsterhaltungstrieb haben keine Angst vor uns.“ Ich dachte sofort an Bella, die sich einmal herrlich amüsiert hatte, weil Edward sich zu Beginn ihrer Beziehung ständig darüber aufgeregt hätte, wie leichtfertig sie der Tatsache entgegenblicke, dass er ein Vampir war.

„Aber wieso haben sie keine Angst vor den Cullens und Alan?“, fragte ich und dachte daran, dass die Menschen zwar im Angesicht ihrer Schönheit oftmals verstummten, sie aber nie Angst vor ihnen bekamen. „Ich bin noch ein zusätzlicher Sonderfall.“ „Verrätst du mir, warum?“ „Nein.“ Er sagte es sanft und es klang nicht so, als ärgere ihn meine Frage. Im Gegenteil. Es klang eher so, als wolle er es mir erzählen, konnte es jedoch nicht.

Ein Windstoss ging durchs Café, als die Tür aufgerissen wurde und im nächsten Moment Stille einkehrte. Ich schaute auf und sah Alan in der Tür stehen. Er wirkte völlig durch den Wind, als ginge er auf dem Zahnfleisch und sein Haar war vom Laufen zerstrubbelt. Sofort lief er in gerade noch menschlicher Geschwindigkeit auf mich zu und nahm meine Hand in seine, die gewohnt eiskalt war. „Oh mein Gott, geht es dir gut? Was ist passiert?“ Er ratterte einen ganzen Fragenkatalog runter, während ich ihn stumm ansah. „Alan“, unterbrach ich ihn. Sofort verstummte er. „Es geht mir gut. Wieso sollte es mir nicht gut gehen?“ Er entspannte sich sofort. „Ich… ich weiß nicht, ich hatte plötzlich so ein Gefühl…“

Michael räusperte sich und Alan sah ihn an. Er schien Michael noch gar nicht bemerkt zu haben. Unsicher schaute er von Michael zu mir und wieder zurück. „Michael“, sagte er dumpf und die beiden sahen sich lange an. „Ich glaube, wir sollten im Haus darüber sprechen“, meinte Alan schließlich und zog mich sanft am Ellenbogen hoch, als erinnere er sich plötzlich daran, dass ich wesentlich zerbrechlicher war als Vampire. Auch Michael erhob sich. „Ich habe wie versprochen deinen Wagen aus Port Angeles geholt – dabei hätten mich die Werwölfe fast erwischt. Möchtest du ihn selbst fahren?“
 

„Was ist passiert?“, fragte Alan ruhig und ich starrte nervös auf meine Schuhe. „Ich habe nicht aufgepasst, als ich über die Straße ging. Dann kam ein Auto.“ „Ich habe einen Unfallort gesehen, als ich in die Stadt lief“, sagte er und musterte mich eingehend aus den Augenwinkeln. „Ist dir etwas passiert?“ „Nein, ich denke nicht. Ein kleiner Schock, aber sonst…“ Er nickte und lenkte den Wagen die Auffahrt zum Cullen’schen Anwesen hinauf. „Woher wusstest du, dass etwas passiert ist?“, fragte ich Alan und wandte den Blick langsam von meinen Füßen ab. „Ich weiß es wirklich nicht, Cassie. Ich war mit Edward auf der Jagd – ich musste mit ihm sprechen – und plötzlich… Ich hatte plötzlich eine Irreangst, dir könnte etwas passiert sein und kehrte um. Alice sagte, du wärest in der Stadt. Ich brauchte keine zwanzig Sekunden, bis ich dort war.“ Er hielt vorm Haus an, stieg jedoch nicht aus. Auch ich blieb sitzen. „Du hattest Angst um mich?“ Seine Worte hatten sich in meine Erinnerungen eingebrannt und ich war mir sicher, sie nie zu vergessen. „Ja, und zwar sehr große.“ Wir sahen einander an und ich spürte die Worte auf meiner Zunge, die gesagt werden wollten. Aber ich kannte sie nicht. Ich fand unbekannte Gefühle in mir und versuchte, ihnen irgendwie einen Ausdruck zu verleihen, doch ich blieb stumm. Alans Blick war sanft und er legte eine Hand auf meine. „Wir sollten reingehen“, flüsterte er, als Stromstöße uns durchfuhren. „Ja, das sollten wir.“ Im Bruchteil eines Augenblicks war er ausgestiegen und hielt mir die Tür auf. Ich schnallte mich ab und stieg aus, folgte ihm langsam ins Haus…

„Seid ihr zusammen?“

Hätte nun ein normaler Mensch den Raum betreten, wäre er wahrscheinlich auf direktem Weg in Ohnmacht gefallen. Alle acht Cullens plus Alan und Michael wären wahrscheinlich zu viel gewesen. Der Raum wirkte allein durch ihre Anwesenheit noch schöner.

Alan stand mit unbeweglicher Miene am Kamin und sah Michael an, der ihm erklärte, was in Port Angeles vorgefallen war.

„…ich an eurer Stelle würde jedenfalls in nächster Zeit nicht dahin zurückkehren. Könnte unter Umständen unbequem werden, wenn diese Viecher auf euch warten.“

„Unbequem“, schnaubte Alan. „Wir können froh sein, dass sie hier nicht einfach auftauchen“, beruhigte Carlisle ihn und Emmett grinste. „Käme wenigstens mal ein bisschen Leben nach Alaska.“ „Tanya und die anderen würden dich töten“, meinte Jasper mitleidlos und setzte sich zwischen Alice und Bella, die beide nachdenklich auf ihre Hände starrten. Edward warf ihnen immer wieder besorgte Blicke zu.

„Michael“, seufzte Alan und legte die Fingerspitzen an seine Schläfe. Als er die Augen schloss durchzuckte mich ein Blitz und ich hatte das Gefühl, das Blut gefriere in meinen Adern. Unweigerlich hatte auch ich die Augen geschlossen und als ich sie wieder aufschlug, ruhte Michaels Blick auf mir. Er war undurchdringlich und undefinierbar. Aber ich hatte das Gefühl, dass ihm etwas klar geworden war.

„Michael?“

Alans Stimme riss uns beide aus den Gedanken und wir sahen Alan an. „Ich habe dir eine Frage gestellt.“ „Tut mir Leid, ich war abgelenkt.“ Alans Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als er die Frage wiederholte. „Würdest du dir bitte nachher etwas mit Esme, Carlisle und mir ansehen?“ Michael nickte abwesend und beobachtete mich weiterhin aus den Augenwinkeln. Wahrscheinlich dachte er, ich bekäme es nicht mit, weil mein Blick auf Bella lag, die noch immer so wirkte, als sei sie gar nicht anwesend. Carlisle sah Alan kurz an, dann stand er auf. „Am besten wir erledigen das gleich“, meinte er und auch Michael erhob sich. „Gut.“ Carlisle schaute Edward kurz an und jeder im Raum wusste, was er gedacht hatte. Wenn du lauschst, dann… Esme stand ebenfalls auf und folgte den Männern.

Edward lehnte sich unzufrieden zurück. „Wenn ich Carlisle nicht so respektieren würde, hätte ich ihn schon längst ordentlich angeschnauzt. Was nützt mir meine Fähigkeit, wenn ich meine Lauscher nicht aufstellen darf?“, zischte er leise und Emmett und ich grinsten. „Alice, dir hat er kein Verbot erteilt, vielleicht siehst du etwas“, schlug Edward vor und Alice zuckte beim Klang ihres Namens heftig zusammen. Jasper strich ihr über den Handrücken. „Mein Gott, wo warst du denn in Gedanken?“ „Ganz weit weg“, flüsterte sie nur und auch Bella sah auf. „Nein, Edward, ich kann nichts sehen“, erklärte Alice und blickte nachdenklich zur Decke. „Kann mir mal einer erklären, warum ich kein gutes Gefühl habe?“, bat Rosalie und ein Hauch von Verzweiflung schwang in ihrer Stimme mit. Ahnungslos zuckten wir mit den Schultern. „Weil wir das gleiche Gefühl haben?“, murmelte Bella. Ich verschränkte die Arme. „Das ist fies! Ich will wissen, was die machen! Immer nur diese kryptischen Voraussagen…“ Alice senkte den Blick wieder und guckte mich dann an. „Ich glaube, es geht um dich.“ „Wie kommst du darauf?“ „Esmes Zukunft ist gerade verschwunden. Das lässt auf dich oder die Wölfe schließen.“ „Cassie wäre mir lieber“, meinte Jasper, doch ich runzelte die Stirn. „Dann verstehe ich nicht, warum ich nicht dabei sein darf. Auch wenn es um die Wölfe geht… Immerhin sind sie meine Familie!“, protestierte ich. Schweigen breitet sich aus. „Ich will nicht, dass sie ihnen wehtun“, flüsterte ich. Bella stand auf und ging vor mir in die Hocke. Sanft nahm sie meine Hand in ihre und mir lief kurz eine Gänsehaut über den Körper. „Das verstehen wir“, beteuerte sie und ein wenig verzweifelt sah ich sie an. Ihre Kälte strahlte pure Geborgenheit aus.
 

„Und Sie sind sich sicher, dass sie aus der Provence kommen?“, fragte mich der Französischlehrer und ziemlich verblüfft sah ich ihn an. Mein Französisch hatte doch keinen einzigen Fehler aufgewiesen…

„Ähm… ja?“, antwortete ich zögerlich und warf Edward einen Seitenblick zu, dessen Blick nicht gerade besorgt war, was mich beruhigte. „Bezweifeln Sie es?“, wollte Edward daraufhin wissen und der Französischlehrer setzte sich leicht auf unseren Tisch, nahm die Brille ab und putzte sie nachdenklich. „Sie haben einen sehr ausgeprägten Akzent. Klingt, als hätten Sie eine ganze Zeit lang in Côte d’Ivoire gelebt“, erklärte er und ich hatte Mühe, ihn nicht entsetzt anzustarren. „Ähm… da müssen Sie sich irren“, murmelte ich und Alan sprang schnell ein. „Wir haben dort einmal Urlaub gemacht, mehr nicht“, erklärte er mit seiner überaus freundlichen Stimme und ich warf ihm einen dankenden Blick zu. Der Lehrer, Mr. Harrison, seufzte. „Schade, ich hatte bereits Hoffnungen gehabt, Sie könnten eventuell ein Referat über dieses Land halten. Es wird Gegenstand unserer nächsten Unterrichtsreihe sein.“ Während die Klasse aufstöhnte, sagte Alan schnell: „Das könnten wir auch so machen. Wir haben einige gute Eindrücke von dem Land gewonnen, als wir dort waren und haben uns bereits in Frankreich mit der Geschichte auseinander gesetzt…“ Mr. Harrison sah höchst erfreut aus. „Nun, das wäre tatsächlich sehr erfreulich und ich könnte mir gleich ein Bild von Ihren Fähigkeiten machen. Gut, kann ich Sie für die nächste Woche eintragen?“ Alan nickte und mein Blick wechselte von dankbar zu fassungslos. Als der Lehrer zum Pult ging, um sich eine Notiz zu machen, zischte ich ihm zu: „Das kannst du doch nicht einfach so machen!“ „Wieso? Du warst doch tatsächlich dort und kannst sicherlich einiges erzählen.“ Ich rollte genervt mit den Augen. „Du aber nicht.“ „Ich habe viel gelesen“, beteuerte er. „Außerdem lenkt es dich ab“, versicherte mir. Unsicher sah ich ihn an.

Ich hatte am vorherigen Abend Ewigkeiten mit den anderen auf die Rückkehr von Carlisle, Esme, Alan und Michael gewartet, bis ich schließlich eingeschlafen war. Irgendwer hatte mich wohl in mein Zimmer gebracht, aber ich hatte noch keine wirkliche Zeit gehabt, mit Alan über das Geschehene zu sprechen.

Nun saß ich auf meinem Platz, hörte Mr. Harrison nur halb zu und starrte stattdessen meinen Kugelschreiber an. Edward hatte den Blick gelangweilt aus dem Fenster gerichtet, Alan fand die Decke furchtbar interessant. Bella hatte kein Französisch. Unser Stundenplan war fast der gleiche, aber Französisch sei ihr immer unsympathisch gewesen, hatte sie erklärt – deshalb hatte sie in diesen Stunden frei. Bella kam auch so auf die erforderliche Anzahl von Stunden.

Als es zum Ende der Stunde klingelte, packte ich gemächlich meine Sachen ein und verließ mit Edward und Alan den Raum.

„Endlich vorbei“, murmelte Edward und streckte sich. „Obwohl man nicht behaupten kann, dass die Mittagspause spannender wird“, grummelte er vor sich hin und Alan lachte heiser. „Das ist das Schicksal eines Untoten“, grinste er und blieb irritiert stehen, während er mich unverwandt ansah, ich war ein Stückchen zurückgeblieben. „Was ist los?“ „Ich überlege gerade, wie man von hier aus am schnellsten zum Schulhof kommt“, antwortete ich gedankenverloren. „Den Gang runter und dann links“, erklärte Edward. „Warum?“ „Ich hab Ian heut Morgen versprochen, ihn in der Mittagspause dort zu treffen“, murmelte ich vor mich hin und drehte mich bereits um. „Willst du gar nichts essen?“, fragte Alan plötzlich und ich drehte mich noch einmal um. „Nein, danke, ich hab keinen Hunger“, log ich, sonst würde Alan mich Ewigkeiten bearbeiten und ich käme gar nicht mehr auf den Schulhof.

Ian wartete bereits auf mich. Er saß auf einer Bank und starrte gedankenverloren in den Himmel, als ich mich höflich räusperte. Er zuckte zusammen und sah sich schnell um. Als er mich erblickte, beruhigte er sich sofort. „So schreckhaft? Etwas ausgefressen?“, neckte ich und er grinste. „Hallo, Cassidy.“ „Hey…“ Er tätschelte den Platz neben sich, sodass ich mich neben ihn setzte und die schwere Tasche auf den Boden fallen ließ. Ich seufzte. „Bin ich zu spät?“ „Quatsch“, antwortete er sofort. „Ich bin nur ein bisschen zu früh.“ „Ach, du darfst mich übrigens Cassie nennen“, zwinkerte ich. „Okay – Cassie“, lachte er und ich lehnte mich zurück. „Wow, die frische Luft tut gut“, murmelte ich und atmete tief ein. Fragend sah Ian mich an. „Ach, Alan hat mich eben in Französisch aufgeregt. Nein, eigentlich nicht in Französisch. Viel mehr schon gestern Abend“, grummelte ich vor mich hin. „Seid ihr eigentlich Geschwister?“, fragte Ian und ich schüttelte den Kopf. „Nein, unsere Familien sind befreundet“, log ich halb und er nickte. Man konnte ja nicht wirklich behaupten, dass unsere Familien befreundet waren… Ja, sie kannten sich, aber Feindschaft wäre wohl passender, wenn man meine Familie als die der Werwölfe und seine als die der Vampire zählen würde.

„Seid ihr zusammen?“

Die Frage kam so nebenbei und unwichtig, sodass ich in diesem Moment wahrscheinlich fast an einem Herzinfarkt gestorben wäre.

„Nein!“, sagte ich sofort. Er wich ein wenig erschrocken zusammen. „Wollt ja nur fragen“, murmelte er entschuldigend. „Sorry, hast mich ein wenig überrumpelt“, gestand ich ein und starrte auf meine Hände, die mal wieder – wie so oft in letzter Zeit – viel interessanter als mein Gesprächspartner waren. „Ist nur so, dass das die halbe Schule denkt“, erklärte Ian und mir dämmerte es. „Sag nicht, sie haben dich vorgeschickt, um mich zu fragen, weil sich sowieso niemand traut, Alan oder die Cullens zu fragen“, stöhnte ich. „So… so will ich das nicht sagen…“ Ich sah ihn an. „Ach, egal. Aber du kannst den anderen mit ruhigem Gewissens sagen, dass da nichts zwischen mir und Alan ist. Rein gar nichts!“ Ian wirkte ein wenig skeptisch, bis ich ihn bitterböse und gleichzeitig fast lachend ansah. „Weniger als nichts. Wir sind Freunde, mehr nicht… Garantiert!“ Er grinste. „Ist ja gut. Ich glaub dir ja…“

„Und diese Lara… sie ist deine Freundin?“, fragte ich beiläufig und er nickte. „Seit einem Jahr.“ Ich musste lächeln. „Das ist schön. Sie scheint nett zu sein.“ „Du hast, wenn’s hochkommt, zwanzig Worte mit ihr gewechselt.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Na und? Sympathie kann in Bruchteilen von Momenten stattfinden“, erklärte ich verschwörerisch und er lachte. „Wie du meinst.“ Wir unterhielten uns noch ein bisschen, bis mein Magen plötzlich knurrte. Ian sah mich schmunzelnd an. „Wir sollten vielleicht in die Mensa gehen, sonst verhungerst du noch.“ Ich ließ den Kopf hängen. „Ja, vielleicht sollten wir das.“ Er stand auf und ich hob langsam und schwerfällig meine Tasche hoch. Ein tiefes Seufzen entfuhr meiner Kehle. „Wow, du siehst ja begeistert aus“, lachte er und ich rollte den Kopf auf dem Hals. „Ich hab schlecht geschlafen“, murmelte ich. „Davon war eben nichts zu spüren“, stellte er fest und ich strich mir einige schwarze Strähnen aus dem Gesicht. „Okay, erwischt. Ich hab grad absolut keinen Bock auf Alan“, gestand ich und fragend hob er die Augenbrauen. „Lange Geschichte“, murmelte ich. „Sehr lange Geschichte…“ „Ich hab Zeit“, meinte er, aber ich schüttelte den Kopf. „Nein, ist schon gut. Ich nehme an, die anderen drei müssen sich heute Abend einiges anhören.“ Er grinste. „Na dann.“ Wir gingen zur Mensa und blieben synchron stehen, als sich endlich etwas Essbares auf unseren Tabletts befand. „Ich… geh dann mal zu den anderen“, sagte ich langsam. „Ja… Wir sehen uns in Englisch?“, fragte er und ich musste lächeln. „Klar.“

Ich ging zu Alan und den Cullens, die mich scheinbar überhaupt nicht kommen hörten. Emmett, der mit dem Rücken zu mir saß, zuckte sogar heftig zusammen, als ich sie begrüßte. Die Verwirrtheit war ziemlich groß am Tisch, als ich mich auf einen Platz zwischen Bella und Alice sinken ließ. „Wie kann sich jemand unbemerkt an uns ran schleichen?“, stellte Jasper schließlich die Frage, die jeden von ihnen interessierte. Ich zuckte mit den Schultern. „Alice kann mich nicht sehen, Edward kann mich nicht hören, ihr wart abgelenkt.“ Die Antwort schien sie alles andere als zufrieden zu stellen, doch letztendlich starrten sie alle wieder auf ihre unberührten Tabletts. „Ian sieht dich die ganze Zeit an“, kicherte Alice plötzlich los und ich sah von meinem Tablett auf – das im Übrigen nicht unangerührt war. Alice sah unauffällig an Edward vorbei und ich folgte ihrem Blick. Ian lächelte, als er merkte, dass ich ihn ansah und wandte sich dann wieder ab. „Sag mal, Edward“, sagte ich nachdenklich, während ich in meinen Apfel biss. Edward sah mich fragend an, als ich nicht weiter sprach. „Ja?“ „Denkt eigentlich wirklich die ganze Schule, dass Alan und ich ein Paar sind?“ Alan riss den Kopf hoch, doch ich ignorierte ihn. Edward schloss kurz die Augen, dann nickte er. „Klingt zumindest so.“ „Hm…“ Ich schaute nachdenklich an die Decke. „Ian hat ihnen gesagt, es stimme nicht“, meinte Edward und ich konnte nicht erkennen, ob es eine Frage war oder nicht. Ich nickte. „Ja, er wurde wohl vorgeschickt – das war ihm peinlich. Könnt ihr mir glauben.“ Rosalie grinste. „Menschen sind so wunderbar… Man kann ihnen erzählen, was man will, sie glauben es sowieso nicht.“ „Danke, Rose“, murmelte ich schmunzelnd. „Ausnahmen bestätigen die Regel“, ergänzte sie. „Ach, ich weiß ja, wie gutgläubig ich hin und wieder bin…“ Alan hob die Augenbrauen und lehnte sich zurück, während er lustlos im Essen rumstocherte – das erste Mal, dass das Essen überhaupt von jemandem von ihnen beachtet wurde. „Wie kommst du denn auf diese Idee“, murmelte er vor sich hin, aber ich überging seine Bemerkung und ließ mich von Bella in ein Gespräch verwickeln.

Immer wieder wanderte mein Blick zu Alan, dessen Blick lag jedoch irgendwo in weiter Ferne. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er sich seltsam verhielt. Oder verhielt ich mich komisch?
 

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Danke für die Kommis!

Endlich Erlösung?

Special Thanks To:
 

- chokomilk

- belle-chan

- Saku-Hime

- Ino-and-Shika-Nara
 

„Ich will wissen, was los ist“, nörgelte ich und Rose setzte sich zu mir. „Sie werden es uns schon erzählen“, tröstete sie mich, aber ich war im wahrsten Sinne des Wortes untröstlich.

Seit wir aus der Schule gekommen waren, verschanzten sich Edward, Esme, Carlisle, Michael und Alan förmlich in Carlisles Büro. Irgendwann war Edward aufgetaucht und hatte Jasper gebeten, ihnen zu helfen, aber sonst hatten wir sie nicht zu Gesicht bekommen.

„Ihr könnt doch schneller reden, als alle anderen. Warum geht es dann nicht schneller?“, schniefte ich und unterdrückte ein Gähnen. „Du solltest schlafen“, meinte Alice. „Nicht, dass du wieder eine Treppe runter fällst.“ Ich brauchte ein bisschen, bis ich mich an meinen Treppensturz vor eineinhalb Jahren erinnerte und nickte. „Wäre vielleicht besser.“ Ich ging in mein Bad und zog mich um, als ich wiederkam, war nur noch Bella da. „Die anderen sind im Garten“, erklärte sie auf meinen fragenden Blick hin. „Ich muss sagen, Carlisles Schallabdichtung ist exzellent.“ Ich schlüpfte unter meine Bettdecke und sah Bella verträumt an. „Vermisst du Jake?“, fragte ich, ehe ich darüber nachgedacht hatte und Bella nickte. „Sehr sogar, aber lass uns nicht von ihm sprechen. Das tut keiner von uns beiden gut.“ Ich seufzte und zog die Decke bis zum Kinn. „Okay…“, nuschelte ich in meine Bettdecke und sie stand auf. „Ich geh mal zu den anderen.“ Ich blinzelte als Antwort und schon war sie verschwunden. Ich starrte an die Decke und dachte an ihn. Meinen besten Freund. Ich konnte kaum glauben, wie sehr ich ihn vermisste. Ihn, Embry, Quil und Sam. Auch Jared. Sogar Paul. Jeden von ihnen. Doch am meisten Jake.

Aber die Wahrheit war: wenn er uns finden würde, würde er zweifellos alle töten, die mir hier wichtig waren. Wahrscheinlich sogar Bella, die er noch immer liebte, auch wenn er etwas anderes behauptete.

Ich rollte mich zusammen und versuchte einfach nur einzuschlafen. Frei zu werden von meinen Sorgen, die mich zu erdrücken drohten. Frei zu werden von allen Problemen.
 

Michael spürte den eisigen Blick Edwards auf sich, doch es störte ihn nicht im Geringsten. Er wusste, wie er seine Gedanken vor jemandem wie ihm schützte.

„Bitte, Michael, sag uns, was an ihr so anders ist“, bat Alan verzweifelt, aber aus Michael bekam er nichts heraus. „Ich werde es euch nicht sagen. Ich möchte nicht, dass Cassie etwas passiert.“ „Ich bin mir sicher, wir sind in der Lage, sie vor allem zu beschützen“, beteuerte Carlisle, während Michaels Gedanken zu Edwards Verwirrung völlig durch die Gegend hüpften. Wie der Ball beim Squash.

„Könnt ihr sie auch vor sich selbst beschützen?“, fragte Michael und Alan sah ihn erschrocken an. „Was soll das heißen?“ Michael schwieg und Alan wurde wütend. „Du kannst hier nicht irgendwelche Anspielungen machen und uns dann auf dem Trockenen sitzen lassen!“ „Du siehst doch, wie ich das kann“, erwiderte Michael und trieb seinen Gegenüber damit fast zur Weißglut, bis Jasper entschieden dazwischen trat. „Es bringt nichts, wenn ihr euch die Köpfe abreißt“, zischte er und Alan drehte sich ruckartig um, ließ sich in einen Sessel sinken. „Ich bin lediglich um Cassie besorgt!“, verteidigte er sich und kurz huschte Edwards Blick zu ihm rüber, bis er sich wieder Michael zuwendete.

„Magst du sie?“, fragte Michael. „Seh ich so aus, als würde ich sie hassen?“, feuerte Alan gereizt. „Haben sich deine Kräfte verstärkt, seitdem du sie kennst?“ Alan zuckte mit den Schultern. „Nach 600 Jahren wohl eher nicht.“ Michael sah ihn nachdenklich an. „Sag uns endlich, warum in Cassies Blut der gleiche unbekannte Stoff ist, den man auch in meinem Blut findet, wenn ich gejagt habe“, flehte Alan und Michael senkte den Blick, während Esme die beiden Männer aufmerksam beobachtete.
 

Die Sonne ging am Horizont unter und fasziniert beobachtete ich das Glitzern von Alans Haut. Zaghaft näherte ich mich ihm und hatte das Gefühl, in einem Regenbogen zu stehen, während das Meer ruhig rauschte. Vorsichtig öffnete ich den obersten Hemdknopf, sodass er noch mehr glitzerte. Als schließlich das ganze Hemd offen war, musste ich mich daran erinnern, weiterzuatmen. Die Umgebung hatte sich in ein Meer aus Lichtreflexen verwandelt. „Du siehst umwerfend aus“, flüsterte ich und er lächelte. „Ich bin ein Vampir, was erwartest du?“ Grinsend rümpfte ich die Nase. „Ich hätte mehr erwartet.“ Er kaufte es mir nicht ab und einen Moment lang sahen wir uns eisern an, dann streckte ich ihm die Zunge raus und kicherte: „Fang mich!“ Damit nahm ich meine Beine in die Hand und Alan wartete einige höfliche Sekunden, bis er mir lässig und in menschlicher Geschwindigkeit hinterherlief. Trotzdem war es keine Herausforderung für ihn, mich zu fangen und er schlang seine Arme um meine Hüfte, um mich aufzuhalten. Lachend verlor ich den Boden unter den Füßen und er ließ sich in den Sand fallen, doch mein zusätzlicher Schwung reichte aus, um uns ins rollen zu bringen. Als wir lachend am Fuß der Düne zum Stillstand kamen, beugte er sich über mich und strich mir mit der Hand über die Wange. „Du bist ganz sandig“, hauchte er. „Du aber auch“, nuschelte ich als Antwort und strich vorsichtig über seine langen Wimpern. Der Sand rieselte auf mich hinab und ich schloss schnell die Augen. Ich fühlte seine kalten Berührungen auf meinen Lidern, als er den Sand fort strich und mein Herzschlag wurde unregelmäßiger. Als ich die Augen öffnete, lächelte er mich an. Er nahm meine Hand, die auf seiner Wange rührte, küsste den Handballen und drückte sie dann über meinem Kopf in den Sand, wo die andere schon längst freiwillig lag. Ich war ihm jetzt hilflos ausgeliefert, was ich zwar sowieso immer war, aber jetzt wurde es mir immer klarer.

Alan war mir so nahe, dass ich völlig in seinem süßlichen Duft badete und die Spannung zwischen uns wuchs immer weiter, bis sich sein Gesicht dem meinen näherte und ich seinen Atem auf meiner Haut spürte. Nur noch wenige Millimeter trennten unsere Lippen voneinander…
 

Ruckartig riss ich die Augen auf, setzte mich aufrecht hin, sprang aus dem Bett und riss die Balkontür auf, um frische Luft zu bekommen. Mit nackten Füßen trat ich hinaus und legte meine Stirn auf das kühle Metallgeländer. Was träumte ich denn seit neuestem für einen Müll?!

„Cassie?“, hörte ich jemanden rufen und sah auf. Die anderen standen unten und sahen besorgt zu mir herauf. „Jaah?“, antwortete ich und Bella runzelte die Stirn. „Ist alles in Ordnung?“ Ich nickte zaghaft. „Hab nur beschissen geträumt.“ Sie sahen wenig beruhigt aus, aber als ich mich aufrichtete, legten sich zumindest Bellas Sorgenfalten. „Soll ich hochkommen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Brauchst du nicht. Ich schlaf noch ein bisschen.“ „O… okay.“

Ich verließ den Balkon wieder, schloss die Tür sorgfältig und fröstelte in der Wärme des Zimmers. Ich tapste zum Bett zurück und deckte mich sorgfältig zu, doch meine Augen wollten sich nicht schließen. Ich brauchte ja nur zu blinzeln und schon sah ich Alans Gesicht wieder nah vor meinem. Ich bekam eine Gänsehaut und mein Herz setzte aus.

Ich drückte mein Gesicht ins Kissen und schrie hinein, bis ich keine Luft mehr bekam und keuchend aufsah. Was war das nur für ein Mist gewesen?

Auf einmal klopfte es an der Tür und ich ließ den Schrei verklingen. Drehte mich seufzend wieder um. „Herein“, murmelte ich und Bella trat ein. „Sicher, dass es dir gut geht?“, fragte sie und ich nickte instinktiv. „Alles klar.“ „Du hast geschrien.“ „In mein Kissen. Mir war so danach“, antwortete ich träge und legte eine Hand auf die Stirn. Bella kam zu mir rübergeschwebt. „Das muss wirklich ein schlechter Traum gewesen sein“, schätzte sie. „Jaah, so schlimm war er jetzt auch nicht“, rutschte es mir heraus und ich schlug mir mit der Hand auf den Mund. Zwischen den Fingern hindurch nuschelte: „Er war nur sehr verwirrend.“ Mit dieser Aussage schien ich Bella allerdings viel mehr zu verwirren, als mich. „Magst du es mir erzählen?“ „Nicht wirklich, tut mir Leid, Bella“, flüsterte ich und richtete mich auf, um mich an die Wand zu lehnen. „Macht ja nichts“, lächelte Bella und stand auf. „Ich lasse dich dann mal allein.“ „In Ordnung…“ Sie ging gerade zur Tür, als geklopft wurde. „Ja?“, fragte ich und die Tür ging auf. Alan steckte seinen Kopf herein. Das Blut schoss mir in den Kopf und rauschte in meinen Ohren und automatisch zog ich die Decke höher, schließlich lag ich hier nur in Boxershorts und T-Shirt. Alans Blick blieb irritiert an mir hängen, bis ich feststellte, dass er eher die Stelle über meiner rechten Schulter fixierte. „Wir wären fertig“, erklärte er und ich bemerkte einen Schatten auf seinem Gesicht. Sofort sprang ich auf. „Geht es dir nicht gut? Bist du in Ordnung?“, ratterte ich runter und er hob beschwichtigend die Hände. „Alles okay, Cassie. Wollt ihr dann kommen?“ Ich nickte und huschte an ihm vorbei auf den Flur, als sich unsere Hände berührten, schlug mein Herz höher und die Bilder aus meinem Traum waren wieder präsent. Ich war versucht, meinen eigenen Kopf gegen die Wand zu donnern, um nicht mehr daran zu denken, aber ich wollte ja nicht, dass man mich für völlig bekloppt hielt. Jetzt war mir auch völlig egal, dass ich Alan in meinen Schlafklamotten hinterher dackelte. Ich löste meinen Pferdeschwanz, weil sich schon zu viele Strähnen gelöst hatten und band ihn mir gerade neu, als wir vor Carlisles Büro standen. Alan klopfte und trat, ohne auf Antwort zu warten, ein. Alle Cullens waren mittlerweile versammelt, Alice’ Blick war ein wenig besorgt.

„Also?“, fragte ich mich, als ich mich gesetzt hatte und Stille kehrte ein, als sich alle Blicke auf Michael richteten. Plötzlich sprang Edward auf und stand schon am Fenster. Er schien sich die Nase förmlich daran platt zu drücken und drehte sich dann um. Mein ganzer Körper verkrampfte sich, als ich die Panik in seinem Blick bemerkte. „Was ist los?“, flüsterte Bella und hatte den Raum schon durchquert, legte ihm eine Hand auf die Schulter und linste immer wieder aus dem Fenster. Edward schluckte und lehnte sich an die Fensterfront, bevor er zu Alan und Carlisle sah.

„Die Volturi kommen.“

Schnee

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:)
 


 

„Emmett, Rosalie, Jasper, verschwindet mit Cassie“, erklärte Carlisle, hielt jedoch schon inne. „Lauft nicht zu weit weg. Die Volturi dürfen keine ruckartige Flucht bemerken. Wir werden sagen, dass ihr jagen seid.“ Unauffällig hatte Alan sich neben mich gestellt. „Ich begleite Cassie“, entschied er und sah Carlisle ein wenig flehend an. Schließlich nickte dieser ruhig. „In Ordnung. Michael, dann begleitest du sie auch. Ihr seid beide den Volturi bekannt. Wir werden sagen können, dass wir Besuch haben und Jasper, Emmett und Rose euch die Gegend zeigen, wo ihr jagen könnt.“ Michael stand sofort auf und zaghaft meldete ich mich. „Soll das heißen, ihr wollt wieder mit dieser gewaltigen Geschwindigkeit laufen?“ Alan legte mir eine Hand von hinten auf die Schulter und als ich zu ihm hochsah, nickte er. „Darf ich mir dann vorher etwas Warmes anziehen dieses Mal?“

Rosalie und Bella hatten mich schon in ihre Mitte genommen und ehe ich mich versah, standen wir wieder in meinem Zimmer und sie holten die wärmsten Sachen aus meinem Kleiderschrank. „Kann dieser Aro nicht alle Gedanken lesen, wenn man ihn berührt?“, fragte ich nachdenklich, als ich mir einen Strickpullover über ein T-Shirt zog. Bella nickte eilig. „Ja, aber wir werden versuchen, das zu umgehen. Und möglicherweise kann er dich auch nicht in Gedanken sehen. Möglich wäre es, wenn wir ein wenig Glück haben.“ Ich schüttelte mich. „Grauenhafte Vorstellung. Aber was machen die hier überhaupt?“ „Sie wollen mich endlich sehen“, murmelte Bella leise vor sich hin und Rosalie warf mir noch eine Mütze zu. „Bella ist nun schon seit fast zwei Jahren ein Vampir, aber die Volturi haben sie noch nicht kennen gelernt. Bei einem so erstaunlichen Fall wie Bellas ist das mehr als ein Wunder.“ „Also haben sie nichts von mir herausgefunden?“, tastete ich mich vorsichtig heran und Rose nickte. „Denk schon. Außerdem: wer sollte ihnen das sagen?“ „Meine Familie“, antwortete ich dumpf. Bella schüttelte den Kopf. „Jake würde nie jemanden an die Volturi verraten. Wenn er ein bisschen mitdenkt, wird er wissen, dass du dein Leben als Mensch nicht aufgeben würdest. Du würdest sofort ein Werwolf werden wollen, würde das nicht deine Freundschaft zu uns heftig auf die Probe stellen, aber Vampir? Niemals.“ Ein wenig verblüfft sah ich sie an, bis ich langsam meine Bedenken äußerte. „Aber die Dinge haben sich in letzter Zeit stark geändert, Bella. Meine Familie hat mich geradezu verstoßen, als ich ausgezogen bin. Sams Reaktion war eindeutig.“ Rose kam auf mich zu, drückte mir die Handschuhe in die Hand und hob mein Kinn an. „Deine Familie hat dich nicht verstoßen. Sie waren nur außer sich vor Wut. Stell dir mal vor, Jacob wäre zu deinem schlimmsten Feind gezogen, nachdem ihr euch gestritten habt. Fändest du auch nicht lustig, oder?“

Fassungslos sah ich sie an, während ich mir die Handschuhe anzog. Dass ausgerechnet Vampire Werwölfe in Schutz nahmen…

„Seid ihr fertig?“, platzte Alan rein und ich nickte. „Fertig.“
 

Erneut drückte ich mein Gesicht auf Alans Schulter – er hatte sich ganz selbstverständlich meiner angenommen, um ja nichts zu sehen, aber dieses Mal war es nicht ganz so kalt. Es fühlte sich nicht einmal so an, als würden wir uns bewegen und als er schließlich flüsterte, ich könne die Augen öffnen, war ich überrascht, dass sich die Gegend tatsächlich verändert hatte. Er ließ mich auf den Boden gleiten und ein wenig zitternd sah ich mich um. „Warum müssen wir in der Nähe bleiben?“, wollte ich wissen, als ich mich an Carlisles Worte erinnerte und Rose kam auf mich zu. „Damit sie uns riechen. Wir sind einige Kilometer vom Haus entfernt, es kann gut sein, dass wir hier jagen. Wir werden uns aber langsam ein wenig südlich bewegen. Das wird nicht auffallen. Das ist ganz natürlich.“ Jasper lächelte mich aufmunternd an und ich ließ mich auf einen umgefallenen Baumstamm nieder. „Warum habe ich eigentlich immer Stress, wenn ich bei euch bin?“, ließ ich meinem Frust freien Lauf und Emmett lachte. „Vielleicht sind wir ja Gefahrenmagneten“, schlug er belustigt vor und setzte sich neben mich. Seine Augen hatten das übliche goldene Leuchten. Ich seufzte und stützte das Gesicht in die Hände. „Ich will nach Hause“, jammerte ich und Rose setzte sich geschmeidig neben mich. „Ach, Cassie…“, begann sie, mich zu trösten, als Alan auf einmal aufsprang und mich entgeistert ansah. „Das ist die Idee! Warum bringen wir sie nicht einfach nach Hause, wenn die Volturi sie entdecken? Sie werden keine Sekunde zögern und sie zurücknehmen!“ Rosalie sah wenig überzeugt aus. „Und wie sollen wir dorthin gelangen? Wir kommen nie nah genug dran, ohne von den Wölfen entdeckt zu werden und wir können Cassie schlecht den ganzen Weg laufen lassen.“ „Ihr vielleicht nicht“, sagte Alan selbstbewusst. „Ich darf dorthin, weil ich nicht zu euch gehöre. Ich bin nicht in eurem Vertrag eingeschlossen.“ „Sie werden dich umbringen, sobald sie dich wittern! Wahrscheinlich geben sie dir die Schuld daran, dass Cassie weg ist!“, erwiderte Jasper und schien angestrengt nachzudenken. Alan flüsterte etwas, das ich als einzige nicht verstand, denn Rosalie sah ihn ziemlich verblüfft an, während Michael so aussah, als wäre er in irgendeiner Sache bestätigt worden. Jasper und Emmett tauschten viel sagende Blicke.

„Könntet ihr das bitte lassen?“, fragte ich bissig und alle Blicke richteten sich auf mich. Ich lächelte mein allerliebstes Lächeln. „Es wäre nett, wenn ihr mich in die Gespräche mit einbezieht, schließlich diskutiert ihr gerade, wie es mit mir weitergehen soll.“ „Tut mir Leid“, murmelte Alan.

„Ich bin dagegen“, sagte Michael auf einmal und ich sah zu ihm. Erneut ging eine gewisse Faszination von ihm aus. Er hatte meine Eltern gekannt… Er hatte meine Mutter auf eine gewisse Art und Weise geliebt…

„Ein Mensch gehört nicht zu Werwölfen“, erklärte er und ich lachte. „Zu Vampiren aber auch nicht.“ Emmett grinste. „Also Bella hat ziemlich gut zu uns gehört.“ „Und jetzt ist sie ein Vampir. Ich hab aber nicht vor ein Vampir zu werden“, erklärte ich ihm, immer noch übertrieben lächelnd. „Und wenn wir schon dabei sind, wo Menschen hingehören, dann doch wohl zu ihren Freunden und ihrer Familie – so wie jedes Wesen, das denken und fühlen kann, meint ihr nicht?“ Erwartungsvoll sah ich sie an und Emmett nickte. „Manchmal erinnerst du mich ziemlich an Bella“, lächelte er und ich senkte den Blick. „Manchmal?“ „Ja, aber sobald ich sehe, wie gut du gerade aus laufen kannst, ohne hinzufallen, legt sich das wieder“, erwiderte er lachend und Rose stupste ihm grinsend den Ellenbogen in die Rippen. „Ich will zurück“, flüsterte ich und sah zum Himmel, der den Vampiren und mir einige Schneeflocken opferte, die nun um uns herum schwebten wie Federn von Engeln. Ich streckte meine Hand nach ihnen aus und vergaß meine Umgebung völlig für einen Moment.

Ich war ganz weit weg. In einer anderen Welt. In einem anderen Leben. Es war eine der wenigen Erinnerungen, die ich noch an meine Eltern hatte. Es war unser letztes gemeinsames Weihnachten gewesen und wir hatten die Feiertage in Kanada verbracht. An einem See. Er war so zugefroren gewesen, dass Dad und ich Schlittschuh fahren konnten. Mama hatte uns vom Fenster aus beobachtet. Ihr war es zu kalt gewesen. Am Abend hatte es dann geschneit und wir waren zu dritt raus gegangen und Dad hatte angefangen, Geschichten zu erzählen. Das hatte er immer gut gekonnt. Fast all meine Erinnerungen an ihn zeigten ihn mit mir im Arm im Sessel und er erzählte mir von Abenteuern mit Prinzen und Prinzessinnen.

„Cassie?“, holte Alan mich sanft zurück. Er war vor mir in die Knie gegangen und seine kühlen Hände hatten sich auf meine gelegt. „Wenn es sein muss, laufe ich den ganzen Weg zu Fuß.“

Ich musste den Weg nicht zu Fuß laufen. Alan hatte sich kurzerhand entschlossen, mir diesen Wunsch zu erfüllen, egal, was die anderen dazu sagten, und mich geschultert wie einen Rucksack. Er sah die anderen fragend an und Rosalie stand bestimmt auf. „Ich komme mit“, entschied sie und sah Emmett fragend an. „Ich bleibe hier“, sagte er. „Irgendwer wird Carlisle Bescheid sagen müssen.“ Jasper musterte ihn einen Augenblick lang, dann stellte er sich neben seine „Zwillingsschwester“, als Zeichen, dass auch er uns begleitete. „Michael?“, fragte ich und er betrachtete mich einen qualvoll langen Moment. „Nun, was soll ich sagen? Ich werde Marys Tochter nicht wieder schutzlos lassen.“ Alan zischte etwas, das ich wieder nicht verstand, und ich knurrte ihn ein wenig spielerisch an. Er grinste. „Lass das mal lieber deinen Bruder später machen. Der kann das besser.“

Rosalie küsste ihren Emmett zum Abschied und er lächelte mich entschuldigend an. „Nichts gegen dich“, murmelte er und ich winkte ab. „Irgendwer muss es Carlisle ja sagen“, meinte ich und Alan sah mich über seine Schulter an. „Kann es losgehen?“ Ich nickte und legte meine Stirn auf seine Schulter, als der Wind mir bereits durchs Haar fuhr.

Sie liefen bereits eine Stunde, als ich langsam den Kopf hob und mein Mund offen stehen blieb vor Faszination. Ich hörte nur das Rauschen des Windes, doch je länger ich lauschte, desto stiller wurde er, bis ich das Gefühl hatte, in einer zeitlosen Ewigkeit fest zu hängen. Die Bäume rauschten an mir vorbei und obwohl der Wind in den Augen brannte, ignorierte ich ihn. Ich beobachtete Jasper, der vor uns lief und keinerlei Spuren im Schnee hinterließ. Es war, als würden sie fliegen. Tatsächlich schien es sogar zu sein, dass ihre Füße immer nur so kurz den Boden berührten, dass der Natur gar keine Zeit blieb, um darauf zu reagieren.

Alans Blick war stur nach vorn gerichtet und als ich mich leicht nach vorn beugte – er schien es gar nicht zu bemerken – sah ich, dass sein Gesichtsausdruck ernst war. Er war in Gedanken so weit weg, dass er sich wahrscheinlich verlaufen würde, würde Jasper nicht voran laufen. Einen Moment lang bereute ich es, aus dem Traum, in dem ich zweifellos mit Alan zusammen gewesen war, aufgewacht zu sein. Ich wollte wissen, wie es sich wohl anfühlte, seine Lippen auf meinen zu spüren, wo sie nun doch zu einer solch schmalen Linie zusammengepresst wurden.

Aus den Augenwinkeln bemerkte ich Rosalie, die in einiger Entfernung durch den Wald flog, doch ich beachtete sie überhaupt nicht. Alan hatte unbewusst meine ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen und so konnte ich gar nicht anders, als ihn anzusehen. Es war, als müsste ich ihn regelrecht ansehen. Wie ein Zwang. Ein Zwang, den ich hasste und liebte gleichzeitig. Ich versuchte mich dagegen zu wehren, aber es war unmöglich. Egal, wie stark ich dagegen ankämpfte, mein Blick wandte sich nicht von ihm ab und ich saugte seinen Duft ganz in mir auf.

Schließlich gab ich es auf und seufzte leise. Noch immer war er in einer ganz anderen Welt und so legte ich mein Kinn auf seine Schulter und konnte kaum glauben, wie ähnlich dieses Laufen dem Fliegen sein musste. Ich schmiegte meinen Kopf an seinen und plötzlich wurde er kurz langsamer. Er drehte den Kopf leicht und musterte mich aus den Augenwinkeln. „Es ist wunderschön“, flüsterte ich und er lächelte. „Das ist es.“
 

Zitternd und mit steifen Knochen setzte ich mich auf die Bank in der Raststätte und Rose setzte sich geschmeidig neben mich. Im Geschäft herrschte drückende Stille. Nur Jaspers Stimme war zu vernehmen, der gerade etwas zu essen für mich bestellte, da ich mich absolut nicht mehr bewegen konnte. „Danke“, nuschelte ich. Rosalie sah mich fragend an. „Wofür?“ „Für die Pause. Wäret ihr durchgelaufen, könnte ich mich vielleicht gar nicht mehr bewegen.“ Jasper kam mit einem Tablett zu uns rüber und stellte es vor mich. Meine Finger bebten, als sie sich um den dampfenden Kakaobecher schlossen. Jasper lächelte. „Wie… haltet ihr das nur aus?“, fröstelte ich und sah aus der Fensterfront hinaus, wo hin und wieder unauffällige Schatten durchs Gebüsch huschten. Alan und Michael sicherten die Gegend. Niemand wollte Gefahr laufen, dass sich möglicherweise ein fremder Vampir in der Nähe aufhielt. Er würde nur zu viele Fragen stellen. Wieso tranken sie Tierblut? Woher stammten sie? Wer waren sie? Warum schleppten sie einen Menschen mit sich herum? Viel zu viele Fragen… Viel zu viele lästige Fragen…

„Willst du gar nichts essen?“, fragte Jasper verwirrt und ich sah zu ihm. „Würden schon gern, aber ich bin wie festgefroren. Ich kann meine Arme nicht mehr heben“, jammerte ich und er lachte leise. „Sollen wir dich füttern?“, bot er scherzend an und ich schaute Rosalie entgeistert an, die ihrem Bruder scheinbar unterstützte. Schnell schüttelte ich den Kopf. „Ne, bin schon groß.“ „Wie man’s nimmt“, grinste Jasper, zu dem ich selbst dann aufschauen musste, wenn wir saßen. Ich streckte ihm die Zunge raus und hob zitternd den Becher hoch. Schon als er meine Lippen berührte, spürte ich die Wärme und als die dunkle Flüssigkeit meine Lippen berührte, ließ ich die Tasse wieder schnell sinken. „Ganz schön heiß“, nuschelte ich und versuchte, mich einmal richtig zu bewegen. Ich glaubte, ein innerliches Knacken zu hören, als ich nach dem Sandwich griff und seufzte. „Alaska ist kein guter Ort für mich“, dachte ich laut und fröstelte allein bei dem Gedanken daran. „Viel zu kalt…“ Rosalie fühlte probeweise meine Stirn und ihre Kälte war schon fast warm. „Fieber hast du zumindest nicht wieder.“ Ich lachte schrill. „Stimmt, Fieber nicht, dafür fühl ich mich unterkühlt.“ Fragend sahen mich die beiden an und ich lehnte mich bei Rose an. „Du bist so schön warm…“, seufzte ich und sie lachte. „Vielleicht ist doch etwas da oben kaputt gegangen“, hörte ich Alan sagen und zuckte heftig zusammen. „Tut mir Leid, ich wollte dich nicht erschrecken“, entschuldigte er sich und setzte sich mit Michael neben Jasper. Ich seufzte und fuhr automatisch den Selbstschutz auf, der mich davor bewahrte, bei der geballten Schönheit von vier Vampiren in Schwärmereien zu verfallen. Bei den Cullens zu leben – egal, wie kurz – war da ein gutes Training gewesen. Trotzdem achtete ich darauf, Alan nicht mehr als nötig anzusehen. Immer noch nagte der Traum an mir…

„Michael“, nuschelte ich zwischen zwei Bissen. „Wie sieht’s jetzt eigentlich aus? Was wolltest du uns erzählen, bevor wir so überstürzt aufbrechen mussten?“ Michael fixierte mich mit seinen goldenen Augen und ich fühlte auch Alans Blick auf mir. Nein, es war mehr als ein Gefühl… Ich wusste es.

„Das ist eine lange Geschichte, Cassie“, begann er mit leiser Stimme und hielt meinen Blick gefangen. In meinem ganzen Körper breitete sich ein Kribbeln aus, als Alan mich wieder ansah und ich hatte das Gefühl, dass er mehr mit alldem zu tun hatte, als ich glaubte…

Michaels Geheimnis

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„Als ich Mary Hayes zum ersten Mal begegnete, war ich ziemlich fasziniert. Vierzehn, frech, überhaupt nicht auf den Mund gefallen und ihr Haar war nachtschwarz, was ihr Gesicht unheimlich blass erscheinen ließ. Du siehst ihr im Moment sehr ähnlich.“

Ich konnte immer noch nicht den Blick abwenden und Michael lächelte leicht, während er in Erinnerungen schwelgte.

„Aber sie hatte andere Augen. Ihre hatten die Farbe eines hungrigen, vegetarischen Vampirs.

Sie rannte auf der Straße in mich hinein und wir starrten uns stundenlang an, nachdem ich ihr hoch geholfen hatte. Ihr war das ganz peinlich, als es ihr auffiel, aber darauf achtete ich gar nicht. Ihr Blut roch viel zu verführerisch, aber ich wusste, würde ich sie töten, würde ich auch mich töten. Ich würde alles töten, woran ich glaubte. Ich konnte mich beherrschen und wie es das Schicksal wollte, begegneten wir uns fünf Jahre später wieder. Sie ging aufs College und studierte Geschichte und Biologie. Als sie mich wieder traf, war das erste, was sie sagte: ‚Oh, mein Gott, du bist doch der Typ von damals!’ Ich erkannte sie auf den ersten Blick, sie hatte sich kaum verändert, sah jünger aus, als sie war. Sie war überrascht, dass ich mich noch an sie erinnerte und war total aufgedreht, aber wie sollte ich jemanden wie sie vergessen können? Dieser Duft… Ich hatte das Gefühl, dass er noch stärker geworden war.

Mary war völlig überdreht und wir gingen ein paar Schritte. Unterhielten uns. Verabredeten uns für den nächsten Tag. Und so trafen wir uns jeden Tag und gingen spazieren. Sie erzählte mir von ihrem Leben und ich ihr von meinem – zumindest von dem, das ich augenscheinlich führte. Ich arbeitete in einem Museum als Führer. Ihr könnt euch vorstellen, wie gut ich über gewisse Dinge Bescheid wusste.“

Jasper grinste. „Wahrscheinlich so ähnlich wie Esme. Die Leute sind immer wieder fasziniert, wie viel sie über den zweiten Weltkrieg weiß oder wie verdutzt die Professoren immer sind, wenn ich vom Bürgerkrieg erzähle.“ Michael nickte. „Genau, nur dass ich schon wesentlich länger existiere. Viele Studenten waren begeistert vom Unabhängigkeitskrieg und eines Tages tauchte sie bei mir im Museum auf. Sie versteckte sich ein wenig hinter anderen, doch ich wusste schon längst, dass sie da war. Ihr Duft machte mich in geschlossenen Räumen fast wahnsinnig, deshalb trafen wir uns bisher auch immer nur draußen. In Parks zum Beispiel. Am Ende der Führung überraschte sie mich dann, ich spielte das Spiel mit, weil ich wusste, dass wir uns das letzte Mal für eine eventuell sehr lange Zeit sehen würden. Alte Freunde hatten mich gebeten, sie zu besuchen – außerdem musste ich dringend von ihr fort. Viel länger konnte ich ihr nicht standhalten.“

„Wer waren diese Freunde?“, warf ich ein und er senkte den Blick. „Aro, Marcus und Caius“, schloss Alan. „Die Volturi?“, fragte ich verblüfft und erinnerte mich wage an die Namen. „Die Volturi, die gerade gar nicht weit von hier Bella sehen wollen?“ Michael nickte langsam und ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Das ist ja super…“ Michael sah mich unverwandt an, doch als ich nichts weiter sagte, fuhr er fort: „Mary hatte damals dieses Strahlen in den Augen…“ Er lächelte leicht. „Ich erinnere mich noch genau an ihre Worte. Sie sagte: ‚Michael, du wirst es nicht glauben: ich glaube, ich habe mich in Joseph verliebt.’ Sie hatte Recht. Ich glaubte es nicht. Die nächste Stunde verbrachte sie damit, mir zu erklären, wie sie sich in den Vollidioten überhaupt verlieben konnte. Sie verstand es wahrscheinlich selbst nicht. Und ich hörte ihr zu. Sie erzählte mir von ihm und wie freundlich er in Wirklichkeit war. Er sei kein aufgeblasenes Arschloch gewesen, wie sie zuvor beteuert hatte. Sie zeigte mir eine ganz neue Seite – bis sie innehielt. Sie sah mich mit ihren großen Augen an und fragte: ‚Ist etwas passiert?’ Ich weiß nicht, warum sie das auf einmal sagte, aber ich nickte reflexartig. Ich erklärte ihr, ich müsse fort, hätte ein Jobangebot in Italien angenommen. Ich sah ihr an, dass sie enttäuscht war, aber was hatte sie erwartet? Dass ich für immer und ewig an ihrer Seite geblieben wäre? Gut, rein theoretisch hätte ich es gekonnt, aber das ist was anderes. Zumindest musste ich ihr versprechen, eines Tages zu ihr zurückzukehren.“

„Bist du dann zu den Volturi gegangen?“, fragte ich und er nickte langsam. „Ich habe sie verlassen. Sie allein gelassen. Damals hielt ich es für den größten Fehler meines Lebens, heute bin ich froh, es getan zu haben. Bei den Volturi erfuhr ich eine Zeit des Lernens. Marcus erkor mich zu einem seiner Lieblinge, ließ mich in seiner Nähe sein und von ihm lernen. Ich muss gestehen, es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem man so viel lernt wie bei ihnen. Sie sind Meister unserer Spezies. Gleichzeitig stellten sie mich auf die Probe. Ich hatte Probleme, Vegetarier zu bleiben – ich bin nie so willensstark gewesen wie Carlisle.

Als ich fünf Jahre später nach Amerika zurückkehrte, spürte ich sie in Sherman Mills auf. Ich hatte einige äußerst interessante Entdeckungen gemacht, während ich in der Bibliothek der Volturi studierte. Ich war mir sicher, der einzige zu sein, der dieses Wissen besaß und verwischte meine Spuren. Nie sollte jemand etwas davon erfahren. Ich ließ alles mitgehen, was ihnen geholfen hätte, dieses Geheimnis herauszufinden. Es durfte nicht in falsche Hände gelangen, wäre das geschehen, hätte sonst was passieren können. Unzählige Menschen wären möglicherweise gestorben, weil die Volturi sie als Gefahr angesehen hätten.“

„Das ist unmöglich“, fuhr Jasper dazwischen und auch Rose und Alan starrten Michael ungläubig an. „Kein Vampir empfindet einen Menschen als Gefahr“, stimmte Rosalie zu. Michael schüttelte den Kopf. „Manche Menschen können uns gefährlich werden. Auf ganz unterschiedliche Art und Weise im Übrigen. Bella wurde zum Beispiel Edward gefährlich, sie brachte ihn aus dem Konzept und er fürchtete, alles verraten zu müssen, woran er glaubte.“ „Woher weißt du das?“, flüsterte Rose und sah ihn mit großen, goldenen Augen an. „Unwichtig“, erklärte Michael, doch Jasper und Rose starrten ihn weiterhin an. „Worum ging es in diesem Geheimnis? Wie können Menschen eine Gefahr für euch sein?“, fragte ich, aber Michael ignorierte auch mich.

„Ich erreichte Sherman Mills am Tag vor Marys Hochzeit. Sherman Mills ist nicht sehr groß, ich brauchte nicht lange, um es herauszufinden. Ich checkte in ein Hotel ein, informierte mich über die Hochzeit und verbrachte den restlichen Tag auf meinem Zimmer. Die Sonne schien.

Der nächste Tag brachte mir mehr Glück, es regnete und so konnte ich unbemerkt in die Kirche gelangen. Mary war wunderschön, als sie von ihrem Vater begleitet, die Kirche betrat. Sie sah mich nicht, ich saß in der letzten Reihe auf der Seite der Braut, sie hatte nur Augen für ihren Joseph. Und Joseph selbst hatte nur Augen für sie. Am späten Abend näherte ich mich dem Haus, in dem gefeiert wurde und wartete. Ich wusste, Mary würde irgendwann frische Luft brauchen. Sie liebte es, unter Menschen zu sein, aber sie ertrug es nicht zu lange.

Und so war ich da, als sie die Terrasse betrat. Sie schien nicht verwundert, mich zu sehen, lächelte mich an und sagte nur: ‚Willkommen zurück, Michael.’“

Auf seinem Gesicht lag ein seliger und friedlicher Ausdruck, während er scheinbar immer mehr in Erinnerungen schwelgte. Ich sah kurz zu Alan, doch dessen Blick lag irgendwo draußen. Auch die „Zwillinge“ wirkten nicht mehr wirklich anwesend. Michaels Stimme hatte etwas Forttragendes.

„Wir unterhielten uns und ich fragte mich, warum sie keine Fragen stellte, wo ich gewesen sei, als sie plötzlich verstummte und mich anlächelte. Sie hatte so ein mysteriöses Lächeln und ich sah sie fragend an, bis sie schließlich nur sagte, sie wüsste, was los sei. Ihr könnt euch vorstellen, wie verwirrt ich war. Sie kam auf mich zu, stellte sich neben mich und beugte sich über das Geländer. Von unten herauf sah sie mich an und meinte nur: ‚Warum hast du mir gesagt, dass du ein Vampir bist?’ Es fühlte sich an wie eine Ohrfeige und ich starrte sie wohl ein ganzes Weilchen lang an, denn irgendwann fragte sie mich, ob es mir die Sprache verschlagen hätte und ich fing an zu lachen. Wollte wissen, wie sie auf diese Schnapsidee gekommen sei und sie zuckte mit den Schultern.“

Alan spannte sich an und obwohl sein Blick nicht auf mir lag und ich nicht in seine Augen sehen konnte, wusste ich, dass sie leer waren. Er war Michael voll und ganz in die Erinnerung gefolgt.

„Sie sagte, sie hätte es einfach gewusst.

Mary war immer ziemlich aufgeweckt gewesen, hatte immer Fragen gestellt, die mich in die Ecke drängten und ich hatte oft nur mit Müh und Not die Kurve bekommen. Sie war einfach… was soll ich sagen? Mein Verhängnis? Vielleicht. Ich war mir von Anfang an bewusst gewesen, dass sie es herausfinden konnte, aber ich hatte nie wirklich daran geglaubt. Ich hatte immer gedacht, ich wäre ein Schauspieler, der seine Rolle gut genug beherrsche, aber für Mary war ich wohl nicht gut genug. Sie hatte mich wahrscheinlich geschätzte fünfhundert Mal gefragt, warum ich aussehe, wie der lebende Tod und die Frauen mir trotzdem alle hinterher starrten. Es war unglaublich, was für Fragen sie stellte. Ich bezweifle, dass irgendjemandem mehr Fragen eingefallen wären.

Zumindest konnte ich sie an diesem Tag nicht mehr täuschen. Sie war überzeugt, dass ich ein Vampir war – womit sie ja auch vollkommen richtig lag, aber sie wollte es noch einmal aus meinem Mund hören und was hätte ich anderes tun können, als es einzugestehen? Mary war mir wichtiger als alles andere, in ihr hatte ich etwas gefunden, was ich beschützen wollte, versteht ihr?“

Alan nickte unwillkürlich, während Rose und Jazz überhaupt nicht reagierten.

„Plötzlich kam Joseph raus auf die Terrasse und starrte mich verblüfft an. Mary erklärte ihm, ich sei ein alter Freund und scheinbar hatte sie ihm schon von mir erzählt, denn als mein Name fiel, lächelte er und meinte, er wäre froh, mich endlich einmal kennen zu lernen, wo Mary so begeistert von mir erzählt hätte. Aber er hatte keine Ahnung, wie sehr ich mich freute, endlich den Mann kennen zu lernen, dem Mary wohl ihr Leben geopfert hätte. Joseph wollte mich mit ins Haus nehmen, mich einigen Leuten vorstellen, aber Mary erklärte, sie würde sich lieber noch ein Weilchen mit mir unterhalten. Obwohl ich wusste, dass wir irgendwann miteinander sprechen mussten, wäre ich in diesem Moment am liebsten mit Joseph mitgegangen. Doch schließlich stand ich nach wie vor auf der Terrasse, Joseph war ins Haus zurückgekehrt und ich war Mary förmlich ausgeliefert. Doch sie lächelte erneut und meinte nur, sie freue sich, mich wieder zu sehen.

Damit schien die Sache für sie geklärt, auch wenn ich nach wie vor nicht verstand, wie sie es herausgefunden hatte. Ich beschloss, sie in mein Geheimnis einzuweihen und wir verbrachten Tage und Wochen damit, über Vampire zu sprechen. Sie wollte alles wissen, was man wissen konnte und als ich ihr schließlich auch das Geheimnis erzählte, vorrangig um meine Last ein wenig zu erleichtern, bekamen ihre Augen wieder dieses eigenartige Strahlen. Sie war ganz begeistert und versprach mir, es immer zu hüten und mit ins Grab zu nehmen.

Dein Vater, Cassie, Joseph, war ein wahrer Ehrenmann. Er nahm mich in seiner Familie auf, nahm mich wahr wie einen Bruder und ich lernte ihn schätzen. Ich verstand, warum Mary ihn so sehr liebte. Er war perfekt für sie. Äußerst intelligent, aufmerksam und liebevoll. Er wurde ohnmächtig, als er erfuhr, dass Mary schwanger war. Sie war im fünften Monat, als auch er alle Puzzleteile zusammensetzte und Mary mir erklärte, er hätte sie gefragt, ob ich ein Vampir wäre. Sie hätte erst nur gelacht, doch ich war der Ansicht, es ihm sagen zu müssen. Joseph hatte mich ja nahezu aufgenommen, er hatte ein Anrecht auf die Wahrheit und so erfuhr ein weiterer Mensch von meiner Andersartigkeit. Ich wusste, er würde es niemandem erzählen und von diesem Tag an war auch er Feuer und Flamme für das Mysterium, das uns umgibt. Ich muss sagen, er war eine große Hilfe. Er half mir, das Geheimnis zu durchleuchten und zwischen den Zeilen zu lesen. Schnell fanden wir Dinge heraus, die wir vorher noch nicht einmal geahnt hatten. Ich war ein Teil eurer Familie, hielt mich aber weitgehend von dir fern. Es war sicherer. Mary und Joseph waren sich der Gefahr bewusst, in meiner Nähe zu sein, aber man musste ein kleines Kind nicht mit einem Vampir spielen lassen. Du warst viel zu zerbrechlich. Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, hätte ich wahrscheinlich anders gehandelt, aber nun ja… die Vergangenheit kann man nicht ändern – leider.

Der 17. Januar 1995 war ein Schicksalstag für mich. Ich hatte am Morgen eine Vorahnung, dass ich zu Mary müsse, dass es um alles ginge, aber ich war weit weg. Ich lief so schnell, wie ich konnte, wollte mich nicht auf die Schnelligkeit eines Flugzeuges oder eines anderen Verkehrsmittels verlassen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals zuvor so gerannt zu sein. Es schmerzte schon fast, doch trotz allem kam ich zu spät. Wäre ich zehn Minuten früher da gewesen, hätte ich deine Eltern retten können, so blieb mir nichts anderes übrig, als das zu tun, was ich noch tun konnte. Ich tötete Alexandre, den Vampir, der deine Eltern auf dem Gewissen hatte. Ich hatte mir in meinem Leben einige Feinde gemacht und Alexandre hatte mir einst Rache geschworen, weil ich seine Gefährtin getötet hatte. Nun war er der Ansicht, er müsse das zerstören, was ich liebte. Er wollte die ganze Familie. Meine Familie. Es war eine Leichtigkeit für mich, ihn zu töten. Ich wollte ihn dafür bezahlen lassen, was er deinen Eltern angetan hat. Als ich das Haus betrat, war ich im ersten Moment schockiert darüber, was ich vorfand, vor meinen Augen brach eine ganze Welt zusammen, doch wahrscheinlich hätte ich Alexandre nie so einfach besiegen können, wenn dieser Schock nicht gewesen wäre. Es tat gut, sie zu rächen und als ich Alexandre verbrannte, war es ein wahrer Segen. Danach konnte ich nichts anderes tun, als dich zur nächsten Polizeistation bringen. Ich konnte dich schlecht bei einem Vampir aufwachsen lassen, auch wenn das das einzige war, was ich wollte. Ich wollte mich um die Tochter von Joseph und Mary kümmern, aber es war zu gefährlich, wie ich glaubte. Wenn ich gewusst hätte, dass du dafür bei Werwölfen aufwächst, hätte ich mir das garantiert zwei Mal überlegt, aber was soll ich sagen?

Ich konnte damals nicht anders handeln.

Ich kehrte für kurze Zeit zu den Volturi zurück, merkte aber schnell, dass ich dort nicht bleiben konnte, ohne dass Aro das Geheimnis erfuhr. Also verließ ich sie wieder und lebte lange Zeit allein, bis ich auf diesen jungen Herrn traf.“

Er nickte leicht zu Alan, der brutal in die Realität zurückgeholt wurde und dessen Blick sich nun auf das leere Tablett vor mir senkte.

„Es war der Silvesterabend, nicht wahr?“

Alan nickte leicht und atmete tief durch. „Ich war auf Durchreise“, erklärte er leise und langsam. „Eigentlich hatte ich nicht vor, lange in der Stadt zu bleiben. Ich spürte, dass es das Revier eines anderen Vampirs war und die Jahre der Einsamkeit machten mich leicht zugänglich. Ich wollte ihn treffen und während meiner Suche traf ich auf Michael.“

„Es war nicht mein Revier“, fügte Michael hinzu und Alan nickte zustimmend. „Du hast mir deine ganze Leidensgeschichte erzählt, weil wir beide Vegetarier waren, vertrauten wir einander schnell. Nun, und ich versprach dir, Cassie zu finden.“ „Du hattest keine Ahnung, auf was du dich da eingelassen hattest“, grinste Michael und Alan sah ihn verwirrt an. „Dazu kommen wir später“, meinte Michael und sah mich an. „Er fand dich, spürte dich auf und letztendlich fand er mich im Haus deiner Eltern, wo das Grauen geschah. Er berichtete mir alles, warnte mich aber davor, dich zu sehen. Du seiest umringt von biestigen Viechern.“

Ich sah Alan scharf an, der die Nase rümpfte. „Ich habe gesagt, sie sei umringt von einer Werwolfsfamilie“, korrigierte er Michael, der nur leicht mit den Schultern zuckte.

„Wie dem auch sei. Als Alan dich nach Alaska gebracht hatte, telefonierte er mit mir und erklärte mir den Sachverhalt. Keine fünf Sekunden später machte ich mich auf den Weg. Ich fand dich ohne Probleme in der Stadt, obwohl ich deinen Geruch nicht kannte. Besser gesagt: ich konnte dich überhaupt nicht riechen. Für mich bist du wie ein schwarzes Loch, wenn ich die Augen schließe und mir die Ohren zuhalte, daher ist es kein Wunder, dass ich dich nicht finden konnte. Ich kann dich nicht wahrnehmen. Ich kann dich sehen und dich hören, mehr nicht. Und ich bin mir sicher, ich bin nicht der einzige Vampir.“

Jasper setzte sich aufrecht hin und sah aus, als wolle er etwas sagen, könne es aber nicht aussprechen. „Was?“, fragte ich und sah ihn auffordernd an. „Esme… Sie kann dich auch nicht riechen…“ Ein wenig verblüfft sah ich ihn an. „Ist das wahr?“ Rose nickte. „Keiner von uns kann sich das erklären.“ „Ich aber“, warf Michael ein und sicherte sich damit wieder augenblicklich alle Aufmerksamkeit. „Du bist Marys Tochter“, meinte er als Begründung. „Aber…?“ „Cassie, du bist kein Mensch“, sagte Michael mit ruhiger Stimme. „Du bist ebenso wenig ein Mensch wie deine Mutter einer war. Auf eine gewisse Art und Weise seid ihr es, aber eure Geschichten wurden schon vor langer Zeit geschrieben. Alan und ich sind Brüder, dadurch sind wir verbunden und als ich ihn traf, wusste ich, dass er der Richtige war, der dich finden würde.“ „Brüder?“, fragte ich ein wenig verblüfft und sah Alan an. „Vampirische Brüder, wenn ich bitten darf“, murmelte er. „Alastair hat uns beide verwandelt, somit sind wir Brüder.“

„Wie bereits gesagt, gibt es Menschen auf dieser Erde, die Vampiren gefährlich werden könnte. Jede La Tua Cantante gehört zu diesen Menschen, allein durch den Reiz, den sie ausüben. Aber es gibt auch andere. Du zum Beispiel bist genau das Gegenteil. Du kannst dich quasi unsichtbar für uns machen. Für Bella wäre das unmöglich gewesen.“

Mein Herz schlug schneller und Alans Blick legte sich nun endgültig auf mich.

„Du bist eine Hexe, Cassie. Eine Vampirjägerin. Du hast die Fähigkeit, vampirische Kräfte abzublocken und in Verbindung mit einem ganz bestimmten Vampir kannst du diese Fähigkeiten ausbauen, sodass nicht nur du, sondern auch andere Menschen vor Vampiren geschützt werden, weil ihre Kräfte völlig blockiert werden. Bella gehörte auch zu ihnen, doch ihr Wunsch, selbst ein Vampir zu werden, stellte alles andere in den Hintergrund. Vor langer Zeit war eine deiner Vorfahren schwanger, als sie von einem Vampir gebissen wurde. Sie starb, gebar jedoch noch eine Tochter, die über außerordentliche Fähigkeiten verfügte. Kein Einzelfall übrigens.

Doch seitdem reichten sich die Fähigkeiten in euren Genen weiter und bei jeder Tochter in der Familie brachen die Fähigkeiten wieder hervor, sobald sie dem Vampir begegnete, zu dem sie gehörte. Ich war dieser Vampir für deine Mutter. Ein seelenverwandter Freund. Dein Vampir stammt also auch aus meiner Familie.“

Stille kehrte ein und ich starrte Alan an, als sähe ich ihn zum ersten Mal. Vergaß, wo oben und wo unten war. Plötzlich stand er auf und war verschwunden.

Ich schluckte.

Das konnte nicht wahr sein.

Ohne dich

Special Thanks To:
 

- Autumncorpse was es genau mit den Vampirjägerinnen auf sich hat, wird noch geklärt ;)

- belle-chan freut mich, dass es dir gefallen hat :D

- Saku-Hime was nicht ist, könnte ja noch werden ;)

- chokomilk nein, sie wird nicht austicken und alle abschlachten :D hat sie ja bisher auch nicht gemacht ;)

- CrA5Y freut mich, dass du jetzt auch an Bord bist ^-^
 

und noch ein Danke an die 45 Favoriteneinträge. *-*
 


 

Nur von Weitem hörte ich Michael, der weiter sprach. Seine Stimme war nach wie vor ruhig, ich hörte meinen Puls in meinen Ohren hämmern.

„Erklär mir das mit dem Vampir“, unterbrach ich Michael und er sah mich ein wenig irritiert an. „Wie läuft das?“

„Nun, jede Hexe hat sozusagen einen Partner. Einen Vampir. Dieser Vampir ist für sie eine Art Seelenverwandter. Es besteht eine unsichtbare Verbindung zwischen ihnen und wenn die Hexe ihn trifft, kann sie ihre Kräfte ausbauen. Alan ist dieser Vampir für dich, er kann dich überall finden, während andere Vampire dich vielleicht nicht finden, wenn du hinter der nächsten Ecke stehst. Edward und Bella waren ebenfalls so ein Paar, sind es wohl noch immer. Und die Familie Cullen hat ein weiteres solches Paar.“ Fragend sahen ihn Rosalie und Jasper an und Michael nickte Jasper zu. „Alice wäre deine La Tua Cantante gewesen, hättet ihr euch getroffen, als sie noch ein Mensch war. Ich weiß viel über eure Familie, mehr als ihr glaubt. Ihr seid berühmt.“ Das letzte bisschen Farbe wich aus Jaspers Gesicht und er senkte den Blick.

„Deine Kräfte synchronisieren mit Alans, Cassie“, fuhr Michael fort. „Du stärkst seine Stärke, er deine. So einfach ist das im Grunde.“

„Darf ich mal durch?“, fragte ich Rose leise und sie stand reflexartig auf, sodass ich an ihr vorbeihuschte. „Ich geh Alan suchen“, murmelte ich und verließ hektisch das kleine Gebäude. Klirrende Kälte empfing mich, als die Tür hinter mir zufiel und ich schlang die Arme um meinen Körper. Ich konnte kaum glauben, wie kalt Alaska sein konnte, obwohl ich glaubte, bereits in Kanada zu sein. Kalt war kalt und blieb kalt.

Ziellos überquerte ich die Straße und betrat den Wald. Er war unheimlich, doch ich wagte mich immer tiefer hinein.

„ALAN!“

Immer wieder drang sein Name über meine Lippen. Ich wusste, er war hier irgendwo. Irgendwo musste er sein.

„ALAN!“

Ein dunkler Schatten erschien neben mir und berührte sanft meine Hand. „Ich bin’s“, flüsterte Rosalie und ich sah sie an. „Ich helfe dir“, flüsterte sie und ich lächelte dankbar.

„ALAN!“

Ihre Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken, doch ich konzentrierte mich darauf, Alan zu finden. Immer wieder schrien wir seinen Namen, bis Rosalies Handy leise piepste. Sofort war es an ihrem Ohr. „Was gibt’s, Jazz? … Hm, nein, haben wir nicht. … Ihr sucht ihn? … Gut, sagt uns Bescheid. Ich werde Cassie dann zu euch bringen.“ Mit leicht besorgter Miene sah sie mich an, während um uns die Dämmerung hereinbrach. „Jazz und Michael suchen ebenfalls. Sie haben sich aufgeteilt und werden anrufen, wenn einer von ihnen Michael findet.“ Ich nickte und biss mir auf die Lippe. „Das ist alles meine Schuld“, flüsterte ich und sie riss die Augen auf. „Was? Nein, Cassie, warum sollte es deine Schuld sein?“ „Weil, wenn ich nicht wäre, dann wären Alan und Michael nie aufgetaucht und ihr würdet hier immer noch in Frieden leben, ohne einen Menschen am Hals zu haben.“

Ich ließ mich auf einen verschneiten Baumstumpf fallen.

„Cassie“, sagte Rose plötzlich streng und ich sah zu ihr auf. „Wir haben noch nie leichtfertig einen Menschen bei uns aufgenommen. Genau genommen haben wir Bella aufgenommen, weil Edward sie liebte, mit allem, was er besaß, und weil sie unglaublich schnell ein Teil unserer Familie wurde und sie nicht aufgehört hat, zu kämpfen, obwohl ich ihr das Leben nicht gerade leicht machte. Denkst du wirklich, wir wären gerade in so guter Laune gewesen und hätten dich ohne weitere Gedanken bei uns aufgenommen? Natürlich haben wir uns Gedanken gemacht, während du Fieber hattest und schliefst, haben wir uns teilweise so hitzige Diskussionen geliefert, dass Esme fast wütend geworden wäre! Ein Mensch war schon immer eine Gefahr für uns, wenn er von unserem Geheimnis wusste, aber umso mehr waren wir um deine eigene Sicherheit bemüht. Du müsstest nur hinfallen und dir die Haut aufschürfen. Das würde schon reichen, um uns möglicherweise aus der Fassung zu bringen. Wir riechen dich selbst möglicherweise nicht ganz so intensiv, aber offene Wunden sind immer noch etwas anderes.

Also hör auf dir irgendwelche Vorwürfe zu machen, weil wir jetzt ein bisschen Stress haben. Ich wette, Emmett macht drei Kreuze, weil die Volturi da sind und wir ein Geheimnis vor ihnen haben. Der liebt Stress!“

Mit großen Augen sah ich sie an, ihre blutroten Lippen schienen in der leichten Dunkelheit zu leuchten und ihre Augen, nicht mehr ganz golden, aber noch lange nicht schwarz, funkelten mich an. „Und jetzt lass uns Alan suchen“, sagte sie, nun wesentlich leiser und sanfter und sie reichte mir ihre Hand. Zaghaft nahm ich sie und ließ mich von ihr hochziehen. Schon vibrierte ihr Handy erneut, doch bevor ein normaler Mensch überhaupt hätte reagieren können, sprach sie schon rasch und viel zu schnell für mich auf den Vampir am anderen Ende der Leitung ein. Dass es ein Vampir war, war schließlich klar. Niemand sonst hätte sie in dem Tempo verstehen können – und welcher Mensch hatte schon die Handynummer von Rosalie Lilian Hale?

Ich war in Gedanken gerade so weit gewesen zu überlegen, ob es einer der Cullens oder doch Michael war, als sie bereits wieder auflegte. „Michael hat ihn. Er sagt, Alan renne, wie er damals gerannt sei. Er gebe sich Mühe hinterherzukommen, um ihn nicht wieder zu verlieren.“ „Ich muss zu ihm“, murmelte ich und Rosalie nickte. „Wenn ich darf…?“ Sie streckte die Hand wieder nach mir aus und als ich nickte, schwang sie mich auf ihren schmalen Rücken. Schon spürte ich den Wind in meinem Gesicht und immer wieder vibrierte Rosalies Handy, sodass ich meine Beine um ihre Hüfte und die Arme um ihren Hals schlingen musste, damit sie ihren Griff ein wenig lockern und telefonieren konnte. Kurz darauf wechselte sie immer die Richtung ein wenig, bis ich einen weiteren Schatten im Gebüsch ausmachen konnte. Jasper lief in zwanzig Meter Entfernung und obwohl ich kaum etwas erkannte, bemerkte ich den leeren Ausdruck in seinem Gesicht.

Seine Alice war wie ich gewesen. Und wie Bella.

Und er war wie Alan. Und wie Edward.

Ich hatte noch keine Ahnung, was das bedeutete, was das verändern würde und was das mit mir machen würde. – dass ich kein Mensch war.

Jazz’ Handy klingelte irgendwann und Rosalie und er korrigierten so schnell die Richtung, dass ich fast den Halt verlor und Rosalie wurde langsamer. „Alles in Ordnung?“, fragte sie und ich nickte. „Ja, geht“, murmelte ich und sie wurde wieder schneller. Ich verbarg das Gesicht an ihrer Schulter, während sie immer schneller rannte und der Wind immer mehr zunahm. In den sanften Schneefall mischte sich Regen, weshalb ich annahm, dass wir uns ein wenig südlich bewegten, das Zeitgefühl hatte ich schon längst verloren, genauso wie die Kontrolle über meinen Körper.

Ich spürte, wie es Nacht wurde und irgendwann die Sonne wieder aufging, doch mein Zeitgefühl war wirklich nicht mehr als eine blasse Erinnerung.

Irgendwann nässten Tränen Rosalies Jacke und sie wurde ein wenig langsamer, um sie mir wegwischen zu können, doch ich meinte nur, sie solle weiterlaufen, weil wir immer noch keine Ahnung hatten, welches Ziel Alan verfolgte, auch wenn ich mir sicher war, dass Michael es wusste. Das spürte ich.

Er hatte mich als Hexe bezeichnet. Als Vampirjägerin. Doch wie sollte ich Vampire jagen, wenn es eine Gruppe von Vampiren gab, die ich wie eine zweite Familie liebte. Die Cullens hatten mich aufgenommen, als ich nicht mehr nach La Push konnte.

Hatte es jemals einen Menschen gegeben, den das Schicksal so auseinander gezerrt hatte? Als Vampirjägerin würde mein Platz in La Push sein, als Alans Partnerin bei ihm – doch wollte Alan mich noch? Warum war er fortgelaufen?

War ich ihm doch nur eine Last, die er gehofft hatte, bei den Cullens abladen zu können? Wollte er nicht die ganze Verantwortung, die zweifellos damit zusammen hang?

Wieder klingelte Rosalies Handy und für einen winzigen Moment sah ich die Uhrzeitanzeige im Sonnenlicht aufblitzen. Halb elf morgens.

„Wie lange laufen wir schon?“, fragte ich leise, als Jasper und Rose aus dem Wald ausbrachen und ein Weilchen an einem weiten See entlangliefen. Ihre Haut glitzerte im Sonnenlicht mit dem Wasser um die Wette.

„Zwanzig Stunden, denke ich“, murmelte Rosalie und sah zu Jasper runter, bei dem ich schwach erkannte, dass er zustimmend nickte. „Geht es noch?“, wollte sie von mir wissen. Ich nickte leicht und war mir sicher, nicht mehr laufen zu können, wenn wir erst einmal anhielten.

„Und wo sind wir?“

„Toronto liegt hinter uns. Das hier ist der Ontariosee.“

Ich schluckte. „Dann weiß ich, wohin er will“, nuschelte ich und sie sah mich an. „Wir befinden uns auf dem direkten Weg nach Maine – wo alles angefangen hat.“

Fragend sah mich Rose an, bis sie verstand.

Alan wollte nach Sherman Mills. Dort, wo meine Geschichte begonnen hatte. Dort, wo meine Geschichte fast ein frühes Ende gefunden hätte.
 

Michael hatte eine halbe Stunde später meine Vermutung bestätigt und Jazz und Rose wurden noch schneller, bis wir nur noch wenige Kilometer von den ersten Ausläufern der Stadt entfernt waren. Zehn Stunden waren mittlerweile zusätzlich vergangen und alles in mir rebellierte, als Rosalie und Jasper anhielten und Rosalie ließ mich langsam von ihrem Rücken gleiten. Mir war nicht großartig kalt, auch wenn meine Augen aufgrund des Windes tränten und ich mir immer wieder mit dem Handrücken über die Lider strich.

Rosalie hatte in Ruhe mit dem Rest der Cullens telefonieren wollen, um ihnen Bescheid zu geben, sie sollten die Volturi wenn möglich irgendwie loswerden und nach Sherman Mills kommen – für den Fall der Fälle.

Meine Knochen taten noch mehr weh als nach der ersten Strecke auf Alans Rücken und ich trat von einem Fuß auf den anderen, um meinem Blut wieder das Fließen zu ermöglichen.

„Du siehst müde aus“, murmelte Jasper und legte mir eine Hand auf die Schulter. Gleich fühlte ich mich ein wenig besser und lächelte ihn dankbar an. „Es funktioniert?“, fragte er ein wenig überrascht und ich zuckte mit den Schultern. „Es tut zumindest nicht mehr so sehr weh.“

Jasper lächelte zufrieden – es war das erste Mal, dass seine Fähigkeit auch zu meinem Inneren durchgedrungen war.

Eine Art Donnergrollen ließ mich zusammenzucken. „Was war das?“, fragte ich erschrocken und sah Rosalie und Jasper an, deren Blick in der Ferne lag. „Ich glaube, Michael hat Alan gerade eingeholt“, nuschelte Rosalie und einen Moment später nahm Jasper mich in seine Arme, trug mich vor sich, während er und Rosalie losliefen und es vergingen keine Minute, bis wir wieder in einem Wald waren und ich mich an Jasper klammerte, doch er schlängelte sich so elegant zwischen den Bäumen her, dass ich mich automatisch wieder ein wenig sicherer fühlte, bis der Wald sich lichtete und wir auf eine Straße gelangten, die direkt zu einem einsamen Haus führte.

Das Gefühl eines Déjà-vus überkam mich.

Das Gefühl, dieses Haus zu kennen und das Gefühl, hierher zu gehören.

Die weiße, mit der Zeit schmutzig gewordene Fassade. Das rote Dach, auf dem sich mit der Zeit Moos angesiedelt hatte. Die weite Wiese um das Haus herum. Die lange Auffahrt. Der Schuppen, der hinter dem Haus hervorblinzelte.

Ich klammerte mich immer noch an Jasper, als er mich langsam absetzte.

Ich war in Sherman Mills.

Der Ort, an dem meine Geschichte begonnen hatte.

Der Ort, der einmal mein Zuhause gewesen war.

Anders

Dankeschön an
 

Saku-Hime

Ino-and-Shika-Nara ich hoffe die Interpretation ist gut geworden ;)

chokomilk nennen wir es einen halben Amoklauf :D

Autumncorpse

Sin

ChibiVampire Wow! Was ein Kommi! :D *sich immer über solche tollen Kommis freut* Da muss ich ja aufpassen, nicht rot zu werden! Ich versuche, mich nicht zu verschlechtern und den Stand zu halten. :)
 

Dass Alan und Michael hier waren, war so gut wie gar nicht zu überhören. Alan tobte, schrie Michael an, sprach jedoch zu schnell, als dass ich es hätte verstehen können. Aber die Gesichter von Rosalie und Jasper reichten, um zu verstehen, dass Alan nicht gerade Smalltalk mit Michael führte. „Was sagt er?“, fragte ich und hatte nicht die Befürchtung, dass Alan oder Michael mich hören konnte. Die beiden waren wahrscheinlich zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

„Hm… größtenteils Schimpfwörter“, meinte Rosalie schlicht und Jasper rollte mit den Augen. „Er meint, er könne nicht glauben, dass Michael einfach so auftauche und sein Leben auf den Kopf stelle. Es sei ihm vor der ganzen Sache sehr gut gegangen, er habe kein großartiges Interesse an Dingen, die ihn an irgendetwas binden…“

Rosalie gab ihrem angeblichen Zwillingsbruder einen Schlag auf den Hinterkopf. „So viel also zum Thema Einfühlungsvermögen!“, schimpfte sie und sah mich aufmunternd an.

Mein Blick schien Bände zu sprechen.

„Er hat dich gern, keine Sorge…“

„Das klang aber gerade ganz anders!“, sagte ich schrill, aber Rosalie schüttelte den Kopf. „Er ist nur überfordert wie wir alle. Das ist etwas ganz Neues.“

Zweifelnd sah ich sie an, als mein Blick an ihr vorbei zum Haus glitt, wo der Lärm zunahm, bis ich hörte, wie Glas zersplitterte und Jasper riss mich schützend an sich und wirbelte herum.

Unglaublicher Lärm war zu vernehmen, dann wurde es still und Jasper gab langsam wieder die Sicht frei.

In nicht gerade großer Entfernung stand Alan, sein Gesicht vor Wut verzerrt und nicht weit vor ihm kauerte Michael auf dem Boden.

Michael wirkte fertig, erschöpft, seine Augen waren deutlich schwarz und als er langsam aufstand, sah er Alan nicht an, wandte ihm den Rücken zu. Er ließ den Kopf hängen, doch seine Hände waren zu Fäusten geballt.

„Du kommst einfach hierher und stellst unser aller Leben auf den Kopf, ist dir das klar?“, zischte Alan ungewöhnlich ruhig. „Edward, Bella, Jasper und Alice… selbst wenn Alice und Bella jetzt Vampire sind… Hast du eine Ahnung, was das für sie bedeutet? Sie sind das, was sie eigentlich jagen sollen!

Und wie kommst du überhaupt auf den Gedanken, nur, weil sie besondere Fähigkeiten haben, müssen sie Vampire jagen? Vor allem, da sie Vampire an ihrer Seite haben.“

„Vampire schaffen sich ihre Feinde immer selbst“, knurrte Michael – keiner von beiden schien unsere Anwesenheit zu bemerken. „Ich kenne die Legende der Werwölfe, ich kenne die Geschichte der Hexen. An jedem ihrer Feinde sind die Vampire selbst schuld – und was sollen sie sonst mit ihren Fähigkeiten tun? Wenn sie richtig ausgebildet werden, können sie fünf Vampiren entgegen treten und ohne Kratzer davon kommen! Sie sind wie Göttinnen!

So gut wie jede von ihnen hat bisher den Weg der Vampirjägerin angetreten. Nur wenige wählen einen anderen Weg und die werden entweder selbst zum Vampir wie Bella und Alice oder sie sterben, bevor sie sich entwickeln können.“

Er drehte sich langsam zu Alan um und das nächste, was ich sah, waren weiße Blitze, die durch die Luft jagten und Rosalie und Jasper flankierten mich, während sie das ganze beobachteten.

Michael und Alan kämpften.

„Warum geht ihr nicht dazwischen?“, keuchte ich und ohne den Blick abzuwenden, antwortete Rosalie: „Weil sie beide im Wahn sind. Wenn wir dazwischen gehen sind wir in drei Jahrhunderten noch nicht wieder zusammengeflickt.“

Plötzlich blieb einer der Schatten stehen, doch bevor ich erkannte, dass es Alan war, schien Michael in den Wald zu fliehen – nahm jedoch scheinbar jeden Baum mit, den er finden konnte.

Vögel schrien auf, als Michael gegen ihren Baum prallte und erst jetzt wurde mir klar, was Alan derweil tat. Er setzte seine Fähigkeit ein.

Was er mir immer wieder an Büchern, CDs und anderen kleinen Gegenständen gezeigt hatte, zeigte er jetzt mit etwas wesentlich Größerem. Michael war nicht in den Wald gerannt, Alan schleuderte ihn immer weiter hinein.

„ALAN! HÖR AUF! DU BRINGST IHN JA NOCH UM!“

Der Lärm endete erst einige Sekunden später, doch Alans Blick ruhte sofort auf mir und ich presste mich zwischen Rosalie und Jasper hindurch, die mich jedoch sofort packten. „Lasst – mich – los!“, schimpfte ich und starrte beide an, bis sie mich freiließen und ich zu Alan rennen konnte, doch ich näherte mich ihm nur bis auf wenige Meter.

Das Brechen der Bäume verstummte endgültig und die Anspannung entwich Alans Muskeln, bis er zu Boden sank. Keinen Augenblick später saß ich neben ihm. Er verbarg das Gesicht in den Händen und ich strich über seine Schläfe, damit er wusste, dass ich da war. „Es tut mir Leid“, flüsterte er und hob langsam den Kopf. „Entschuldige dich lieber bei Michael“, murmelte ich, als ich ein leichtes Knacken hinter uns hörte, achtete jedoch nicht weiter darauf. Stattdessen lehnte ich mich vor, bis mein Kopf an Alans Brust lag und er mich schwach in die Arme nahm.

Für den Moment reichte es, um ihn zu beruhigen. Für den Moment reichte es, um mich zu beruhigen.

Seine Kleidung war vom Kampf mit Michael zerfetzt und ich spürte die Kälte, die von seiner Haut ausging. Er sagte nichts, als ich mich noch ein wenig an ihn drückte, meinen Kopf in seiner Halskuhle vergrub und seinen herrlichen Duft in tiefen Zügen einatmete.

Nur aus weiter Ferne nahm ich die Stimmen von Jasper und Rosalie wahr. Rosalie lauter als Jasper, denn Jasper schien Michael aus dem Wald zu holen.

„Esme?“, hörte ich Rose. „Es ist alles in Ordnung. Cassie hat’s gepackt…“

„Bist du in Ordnung, Michael?“, fragte Jasper von weit her.

Keiner kümmerte sich um uns. Keiner musste sich um uns kümmern. Meine Finger krallten sich in die Fetzen von Alans Hemd, seine Hand lag auf meinem Rücken und er hatte den Kopf gesenkt.

Wir waren Vampirjägerin und Vampir, aber wir gehörten zusammen, das war sicherer als das Amen in der Kirche. Er war mein Vertrauter, ich brauchte ihn, wie ich Luft zum Atmen brauchte – wie ich La Push brauchte.

Doch wo gehörte ich jetzt hin?
 

Alan hatte sich wohl auf dem Dachboden verkrochen, als Michael ihn gefunden hatte, dort war dann der Streit entbrannt und schließlich hatte Alan Michael aus dem Dachbodenfenster geschleudert, welches sich über Jazz, Rose und mich ergossen hatte.

Gemeinsam richteten wir das Haus ein wenig wohnlich ein, Rose riss die Fenster auf, Jasper machte selbst mit Staubwedel eine gute Figur und nach Michaels Reaktion zu schließen, mussten sogar Vampire bei zu viel Hausstaub niesen. Alan besorgte für sich und Michael neue Kleidung – ich wollte gar nicht wissen, wie er da dran kam – und brachte auch Rose, Jasper und mir ein paar Klamotten mit. Unsere Kleidung war zwar nicht zerfetzt, aber dafür ziemlich verdreckt durch den langen Lauf.

Mich ließ man in Ruhe.

Nachdem ich das Haus betreten hatte, hatte ich mich seltsam gefühlt. Die anderen ließen zu, dass ich mich abkapselte und mehrere Minuten in jedem Zimmer verbrachte – nur in zwei Zimmer durfte ich nicht rein. Michael war augenblicklich da, um mich aufzuhalten, als würde sonst etwas passieren.

„Warum?“, fragte ich nur und war mir sicher, dass er wusste, worauf sich die Frage bezog. Sanft drehte er mich herum und lenkte mich den Gang zurück. „Weil du dort nicht hineingehen solltest. Der Anblick ist nicht schön.“ Fragend sah ich ihn an, bis ich verstand.

Die einzigen Zimmer, die noch fehlten, waren mein altes Kinderzimmer und das Zimmer meiner Eltern. Im letzteren war alles geschehen, da war ich mir sicher. Die schwache Erinnerung an den 17. Januar 1995 war zumindest noch dafür stark genug.

Als Michael mich die Treppe runter begleitete, brannte im Wohnzimmer bereits der Kamin, es wurde wärmer in diesem, seit über zehn Jahren kaltem Haus und Rose und Jasper saßen bereits auf den beiden Sofas, von denen sie die weißen Laken gezogen hatten. Rose hatte die Beine angezogen und lächelte mich an.

„Wie geht es dir?“, fragte sie, während ich mich neben sie fallen ließ und meinen Blick durchs Zimmer schweifen ließ. Es wirkte wohnlich, aber irgendwie konnte ich mich nicht freuen. Dieses Haus war mein Elternhaus, das Haus, in dem ich fünf lange und doch furchtbar kurze Jahre verbracht hatte.

Ich fühlte mich schlecht.

Als ich Rose das sagte, nickte sie mitfühlend. „Es ist schwer, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Ich kenne das. Selbst, wenn man es versucht, hat man das Gefühl, etwas im Stich zu lassen.“

Ohne Vorwarnung ging die Tür von Geisterhand auf und Alan kam herein. „Wo warst du?“, fragte ich nach dem ersten Schock und lächelte, als ich ihn sah. Regentropfen glänzten in seinem Haar und auf seinen Wimpern, seine weiße Haut war nass. Er stand im Flur, stellte eine weiße Tüte auf den Boden und mir schlug der Geruch von chinesischem Essen entgegen, als er sich Jacke und Schuhe auszog. „Ich habe dir etwas zu Essen geholt. Du musst doch fast umkommen vor Hunger.“

Erst als er das sagte, spürte ich das Ziepen in meinem Magen, doch Appetit hatte ich auch nicht. „Eigentlich nicht“, nuschelte ich, doch schon saß Alan neben mir, packte gebratene Nudeln, Reis und noch tausend andere Sachen aus der weißen Tüte aus und sah mich mit einem Blick an, der nur eines sagte: „Wenn du nicht freiwillig isst, werde ich dich zwingen.“

Seufzend nahm ich die Stäbchen und merkte, wie meine Hände leicht zitterten. Schließlich zauberte Alan noch eine koffeinfreie Cola hervor. „Du bist sicher ganz unterzuckert“, murmelte er und schraubte mir schon die Flasche auf.

Während ich trank und aß und es mir tatsächlich nach und nach ein wenig besser ging, ließ ich meinen Blick sorgsam über die vier Vampire gleiten. Michael stand direkt vorm Kamin und starrte ins Feuer, als offenbare es ihm gerade etwas Höheres, das sonst niemand verstand.

Alan saß neben mir, beobachtete mich beim Essen und strich mir immer wieder beruhigend über den Rücken, während Rosalie den Kopf in den Nacken gelegt hatte und die Decke anstarrte. Auch ihr schien – wie Michael – einiges durch den Kopf zu gehen.

Jasper stand während meiner Beobachtungsrunde auf und verschwand in der Küche, wo ich ihn summen hörte. Wahrscheinlich telefonierte er mit Alice oder einem anderen Cullen.

Was Bella wohl in diesem Moment tat? Wie viel hatten Jasper und Rosalie Carlisle oder den anderen erzählt? Wusste sie schon, dass die enge Bindung zu Edward kein Zufall war? War sie auch so verwirrt wie ich? Oder dachte sie in die gleiche Richtung, in die Jasper wahrscheinlich bezüglich Alice gerade tendierte? Dass das nicht mehr wichtig war, weil sie ein Vampir war? Weil sie Edward einfach liebte und er sie?

„Was ist eigentlich mit Bellas Mutter?“, fragte ich Michael, der seinen Blick zögerlich abwandte. „Ist sie auch…?“ Ich brachte den Satz noch nicht zu Ende, aber Michael schüttelte den Kopf. „Nicht unbedingt. Die Kräfte entwickeln sich meist erstmalig, wenn die Hexe etwa in deinem Alter ist. Zwischen sechzehn und zwanzig Jahren. Meist aber ziemlich unauffällig, kleine Dinge, die man sich nicht erklären kann, kommt auf die Fähigkeiten an. Richtig entwickeln tun sie sich natürlich erst, wenn sie auf ihren Vertrauten treffen, aber ich habe mich über Bellas Mutter informiert, seitdem ich mir sicher war, dass sie auch eine Hexe war. Sie zeigt keinerlei Auffälligkeiten, möglicherweise hat sie diese Gene von den Swans bekommen. Man weiß es nicht. Manchmal wird das Gen auch nicht mitvererbt oder es ist rezessiv… Über diesen Bereich habe ich noch nicht viel erfahren können, es gibt zu wenige Fallbeispiele.“

Rose runzelte die Stirn. „Carlisle ist sehr gespannt darauf, sich mit dir unterhalten zu können. Er hat schon gesagt, dass er so schnell kommt, wie es geht.“

„Dann kann er Cassie gleich noch einmal Blut abnehmen“, meinte Michael nachdenklich und Alan und ich rissen die Köpfe hoch. „Warumpf?“, fragte ich mit vollem Mund und zog eine Grimasse. „Nun, es gibt zwar nicht viele Fallbeispiele“, erzählte Michael, „aber deine Mutter zum Beispiel hatte 24 Chromosomenpaare statt 23 – wie es bei Menschen üblich wäre. Ich wüsste gern, ob es bei dir genauso ist.

Werwölfe haben übrigens ebenfalls 23 Paare, Vampire hingegen 25.“

„Meinst du, wenn wir Vampire unser Gift übertragen, übertragen wir auch unsere DNA?“, fragte Alan und Michael nickte. „Ich denke schon. Und bei der Erschaffung der Hexen sind nicht beide zusätzlichen Chromosomenpaare übertragen worden, sondern nur eines…“

„…womit Hexen halbe Vampire wären“, vervollständigte Jasper den Satz, der gerade aus der Küche kam.

„Genau“, stimmte Michael zu. Rose beugte sich vor. „Dann hättet ihr zwei auch die gleichen Gene.“ Sie nickte zu Michael und Alan. „Zumindest teilweise“, fügte sie schnell hinzu, als Michael widersprechen wollte. „Und Emmett, Carlisle, Esme, Edward, Bella und ich wären uns ebenfalls genetisch ähnlich. Und einer von euren Vorfahren hat Cassies Ahnin gebissen.“

„Wahrscheinlich“, bestätigte Michael und Alan lehnte sich zurück. „Das klingt, als würden wir hier über die Vererbungslehre diskutieren“, murmelte er und ich Jasper lehnte sich an den Türrahmen. „Aber so scheint es wirklich zu sein.

Aber das hieße ja, dass man dadurch unter anderem herausfinden könnte, welcher Vampir von welchem anderen Vampir abstammt – wenn man das wollte. Oder nicht?“

„Könnte man in der Tat tun“, überlegte Michael und starrte wieder ins Feuer. Wieder dieser Moment, in dem es so aussah, als erzähle das Feuer ihm etwas.

„Das ist irgendwie abgedreht“, lachte Jasper auf einmal. „Wenn man so darüber nachdenkt… Es wirkt alles so einfach. Als wären alle Gene miteinander kompatibel.“ „Wie meinscht du dapf?“, fragte ich und schluckte. „Nun, wenn man die Gene mischen würde… Ich wäre gespannt, was herauskäme.“ Ich sah ihn schief an und schmunzelte. „Klar, wir lassen Carlisle gleich mal ein paar Gene von mir entnehmen, ein paar von dir, Jazz, und dann frag ich noch Jake, ob er auch noch ein paar spendet. Dann setzen wir alle Gene auf eine Spielwiese und schauen zu, wie sie sich gegenseitig abschlachten oder doch lieb haben.“

Obwohl es ein Witz gewesen war, ruhten vier Vampiraugenpaare auf mir und sahen so aus, als würden sie ernsthaft über diese Idee nachdenken. „Das wäre… Eine unglaubliche Weiterentwicklung der Forschung“, nuschelte Michael, dem die Idee am meisten Freude zu bereiten schien, während die anderen drei über die Ausführung eher skeptisch waren.

„Hallo? Das war ein Witz“, versuchte ich, sie auf den richtigen Dampfer zu bringen, aber Rose schüttelte nur den Kopf. „Das war kein Witz, Cassie. Das ist durchaus möglich. Man könnte herausfinden, was geschieht, wenn bestimmte Dinge zusammentreffen. Menschen und Vampire. Werwölfe und Vampire. Hexen und Werwölfe. All das.“

„Wovon redest du?“

War ich eigentlich die einzige, die gerade nicht mehr als Bahnhof verstand?

„Von einem ganz neuen Fortschritt“, murmelte Michael leise. In seinen Augen glänzte Erkenntnis.
 

„Was habt ihr vor?“

Carlisles Stimme war kalt wie Eis, als er Aro scharf ansah und Bella zuckte zusammen. Sie stand dicht neben Alice, deren Blick gesenkt war. Sie sah etwas, da war sich Bella sicher und an Edwards Miene erkannte sie, dass es nichts Amüsantes war. Aber Edward war ohnehin angespannt. Verzweifelt versuchte er, alle Stimmen voneinander zu trennen und nur auf das wichtige zu hören. Aber was war das wichtige in diesem Moment?

„Ihr habt wieder einen Menschen eingeweiht. Bella ist ein Vampir geworden, wie wir sehen, aber ich habe in den Gedanken deiner reizenden Gefährtin“ – Aro deutete mit einem leichten Nicken auf Esme – „gesehen, dass diese Cassie das nicht vorhat. Im Gegenteil. Sie fühlt sich zu einer anderen Spezies hingezogen.“

Carlisles Kiefer verhärtete sich, seine Lippen wurden zu einer schmalen Linie in seinem Gesicht. „Aro, ich bitte dich. Cassie weiß von unserer Gattung, weil ein anderer Vampir es ihr erzählt hat. Unsere Familie trifft keine Schuld. Wir haben sie lediglich aufgenommen, als ihre Familie sie verstieß und sie bereits von uns wusste. Sie kann zudem stillschweigen.“

Aro lächelte leicht. „Du weißt, wie sehr ich dich schätze, Carlisle, aber wir müssen dem nachgehen. Außerdem scheint sie ein sehr interessanter Mensch zu sein. Scheint, unserer Bella zu ähneln…“

Emmett, der hinter Esme stand und ihr eine Hand auf die Schulter legte, unterdrückte mühevoll ein Knurren, während er die Volturi anstarrte. Cassie war nicht sein Lieblingsmensch, aber er hatte sich an sie gewöhnt und würde sie um keinen Preis einer Horde blutrünstiger Vampire überlassen. Das Werwolfsmädchen war zu gut für sie.

„Nun, wir sollten uns beeilen“, sagte Aro nun an Alec gewandt. „Lasst uns Cassie so schnell wie möglich aufsuchen. Ich bin mir sicher, Michael wird sich auch freuen, uns wiederzusehen.“

Alastair

Dankeschön an:
 

Saku-Hime *sich ganz doll schämt und im Boden versinkt* Ich wusste, dass da was nicht stimmen kann, wenn da sechs Kommis stehen, aber nur fünf Leute aufgelistet sind... >.<

Autumncorpse *sich verbeugt* merci. ^-^ Ich denke... es wird nicht der letzte Kampf gewesen sein. Ich hab vom Ende noch keine genauen Vorstellungen (was passiert ist größtenteils schon klar, nur was davon geschrieben wird... xD), aber ich denke, es wird ohne Kampf nicht gehen...

Ino-and-Shika-Nara Jaah, hab's gelesen. Aber die Idee mit den Chromosomen kam mir in Bio, nachdem ich am Abend vorher Blade gesehen hab ;) - Englisch? Meinen Respekt! Könnt ich nicht...

belle-chan Ich mag Rose und Cassie auch^^

chokomilk Ehrlich gesagt hab ich keine Ahnung, wie viele das waren. xD Bei Gelegenheit korrigier ich es.^-^
 

Ich erinnerte mich nicht mehr daran, eingeschlafen zu sein, doch als ich irgendwann die Augen öffnete, flutete sanftes Licht den Raum und ich spürte die Kälte eines Vampirs. Als ich mich verschlafen aufrichtete, hörte ich Rosalies leises Kichern. Ich ließ den Blick schweifen, bis ich merkte, dass mein Kopf bis eben auf ihren Beinen gelegen hatte und sie mich ziemlich vergnügt ansah. „Ihr Menschen seht so süß aus, wenn euer Haar so zerstrubbelt ist“, grinste sie und ich lächelte schief. „Ich lache, wenn ich wach bin“, grummelte ich leise und fuhr mir trotzdem einmal durchs schwarze Haar.

„Verdammter Mist!“, fluchte jemand, als etwas schepperte und ich drehte den Kopf langsam wieder zu ihr. „Alan versucht, etwas zu kochen“, erklärte sie. „Hier gibt’s doch gar keinen Strom… kein Gas und kein Wasser“, murmelte ich. „Bei Gas hast du Recht, aber das Haus hat einen eigenen Wasseranschluss“, erzählte sie, „und in der Garage gibt es einen Generator, den Jasper gerade wieder funktionstüchtig macht. Er läuft schon wieder, aber noch nicht rund, wie du siehst.“ – Sie deutete zum flackernden Licht der Küchenzeile, das sich im dämmrigen Wohnzimmer an den Wänden zeigte. – „Michael hat uns davon erzählt.“

„So etwas kann Jazz?“, fragte ich überrascht und sie lächelte. „Er hat mal mit Emmett Maschinenbau studiert. Sie wollten, dass Edward mitmacht, aber der war ja schon immer anders.“

Ich grinste schief, als wieder ein Scheppern aus der Küche kam und ich sprang auf. „Ich glaube, ich seh mal lieber nach. Es reicht, wenn ein Fenster zu Bruch geht.“

Ich eilte in die Küche, in der Alan gerade mit einer Bratpfanne und einem Topf stand, die er abschätzend nach einander ansah. „Gib es zu, du hast noch nie richtig gekocht“, begrüßte ich ihn und er sah zu mir. „Dir auch einen wunderschönen Morgen, Cassie“, grummelte er leise vor sich hin und ich schlurfte auf ihn zu – zu müde, um die Beine richtig zu heben. „Guten Morgen, Alan. – Lass mich mal ran.“ Ich schob ihn dezent zur Seite und sah ihn dann an. „Was willst du überhaupt machen?“ „Rührei“, grummelte er weiter und ich sah, wie sich sein Mund weiter bewegte, doch er sprach zu schnell und zu leise für mich.

Ich seufzte. „Völliger Küchenanalphabet?“, fragte ich und er nickte stumm. „Ich helfe dir“, grinste Rosalie von der Tür aus, als ich Alan mehr oder weniger belustigt ansah. Dann gingen seine Fähigkeiten wohl wirklich nicht darüber hinaus, eine Pizza in den Backofen zu schieben… Höchst interessant.

Während Rose und ich mir Frühstück machten, ließ ich meinen Blick immer wieder durch die Küche schweifen, die gestern noch vor Staub und dem Dreck der Zeit gestrotzt hatte, die nun aber glänzte, als wäre sie nicht einen Tag verlassen gewesen.

„Wo ist Michael? Hilft er Jazz?“, fragte ich, um mich auf andere Gedanken zu bringen und Alan – der uns hilflos zusah – räusperte sich. „Er ist jagen. Ich hab ihm gestern ganz schön zugesetzt.“ Ich drehte mich nur kurz zu ihm um, um genug zu wissen. Seine Augen waren fast schwarz.

„Du tätest gut daran, es ihm gleich zu tun“, riet ich ihm, aber er winkte ab. „Ich halt das schon aus. Carlisle ist bei weitem nicht der einzige Vampir, der sich selbst mal zu Tode hungern wollte.“ Fragend sah ich ihn an, doch mit einem knappen „Ich helfe Jasper“ verschwand er aus der Küche. Verdutzt sah ich ihm hinterher, Rosalie zuckte mit den Schultern. „Denk dir nichts bei. Edward meinte auch schon einmal, er könne Alans Gedanken kaum lesen, weil sie einen Fluss bilden. Er ist alt, älter als Carlisle, und denkt scheinbar immer weiter und schneller als wir. Außerdem scheint er von einem sehr mächtigen Vampir abzustammen.

Carlisle hat Nachforschungen über diesen Alastair gemacht. Wenn Alan von ihm gelernt und sich ihm trotzdem entzogen hat, ist er um einiges weiter als wir. Alice fällt es sogar schwer, seine Entscheidungen zu sehen.“

„Was war mit Alastair?“, fragte ich und ihr Gesicht wurde ernst.

„Er war einmal im Gefolge der Volturi“, erzählte sie langsam. „Nichts Außergewöhnliches zwar, Carlisle war schließlich auch lange Zeit bei ihm und wie Edward es herausfiltern konnte, hat auch Alan eine sehr lange Zeit dort verbracht.

Aber mit Alastair war das anders. Er war nicht nur im Gefolge von Aro, Caius und Marcus und ihren Gefährtinnen Sulpicia, Athenodora und Didyme. Er war Mitglied der königlichen Familie. Der vierte im Bunde.“

„Es waren vier?“, fragte ich überrascht und sie nickte. „Das wissen aber nur die wenigsten.

Alastair und Aro verband eine lange Geschichte. Eine Geschichte, die für uns, die erst so kurz leben, unglaublich erscheint. Sie wuchsen als Kinderfreunde in einem Fischerdorf auf und wurden verwandelt, als drei Vampire, Nomaden, das Dorf überrannten. Sie waren die ersten der Volturi und nun… sie verband eine tiefe Freundschaft.

Mit der Zeit weiteten sie ihre Macht aus, wurden sesshaft, fanden ihre Gefährtinnen und taten sich mit zwei anderen Vampiren zusammen. Marcus und Caius. Das ging ein ganzes Weilchen gut, obwohl es zwischen Marcus und Alastair immer Differenzen gab. Immer wieder gingen sie im Streit auseinander, bis es eskalierte.

Die Position der Volturi war unter den Vampiren nie unumstritten gewesen. Es gab immer Gruppen, die ihre Herrschaft anzweifelten, die sich als stärker einschätzten, als sie waren.

Bei einem dieser Angriffe starb Alastairs Gefährtin und Alastair gab Marcus die Schuld daran – nur Gott weiß, warum. Alastair gehörte noch zur alten Schule und wollte gleiches mit gleichem rächen. Er tötete Didyme, als sie mit einigen Vampiren aus der Garde jagen war.

Alastair war von diesem Tag an ein Flüchtling und schwor sich, die Volturi eines Tages zu vernichten, um sich auch an Aro zu rächen, der ihn vor Marcus’ und Caius’ Zorn nicht geschützt hatte.“

„Was heißt das?“, fragte ich irritiert und stocherte abgelenkt mit der Gabel im Rührei, das mittlerweile fertig vor mir auf dem Tisch stand. „Carlisle geht davon aus, dass er sich eine Armee aufbauen wollte. Junge Männer, die er verwandelt und trainiert. Er hatte Zeit. Vampire haben alle Zeit, die sie wollen und Alastair nutzte sie. Nach und nach verwandelte er einen nach dem anderen, schulte sie für ihre Aufgabe und ließ sie doch ziehen, damit sie ihre Fähigkeiten allein schulen konnten, sobald sie ein bestimmtes Alter erreicht hatten. Vorher hatte er dafür gesorgt, dass sie auf eine gewisse Art und Weise von ihm abhängig waren. Er konnte Gedanken manipulieren, seinen Willen auf andere übertragen.“

„Alan hat mir erzählt, er hätte Alastair verlassen – wie es klang, freiwillig“, warf ich ein und Rosalie nickte. „Ja, Alastair hatte Gefallen an Alan und seiner Fähigkeit gefunden. Gleichzeitig unterschätzte er ihn.“

Rosalie schwieg kurz und ich spürte, wie meine Gesichtszüge entgleisten. „Alan hat ihn…?“, stammelte ich leise und Rosalie seufzte. „Ja. Alan hat im März 1422 Alastair, seinen Lehrmeister und ehemaliges Mitglied der Volturi, getötet.“

„Aber die Volturi sind doch stärker als alle anderen Vampire, oder nicht?“, fragte ich geschockt weiter und spürte ein unangenehmes Brennen im Hals, das ich mir nicht erklären konnte. Ich versuchte, es zu ignorieren.

„Sie sind stärker als viele Vampire. Es mag übertrieben sein zu sagen, sie seien die Stärksten, aber durch ihren Zusammenhalt sind sie wie ein engmaschiges Netz aus Stahl.“

„Und Alan hat einen von ihnen…?“

Ich brachte das Wort einfach nicht über die Lippen. Zu schwer würde es in der Luft liegen.

Wieder ein stilles Nicken von Rosalie.

„Edward konnte herausfinden, dass Alan direkt danach zu den Volturi ging. Sie mussten ihn mit offenen Armen empfangen – vor allem Marcus. Er verbrachte 280 Jahre bei ihnen, bis er sie wieder verließ und sich auf die Suche nach etwas begab.“

„Nach was?“, fragte ich leise und hatte auf einmal das Gefühl, dass ich überhaupt nichts mehr verstand. „Wir wissen es nicht“, murmelte Rosalie. „Er denkt zwar viel daran, in letzter Zeit immer häufiger, aber Edward kann es nicht aus dem Fluss hervorholen.“

Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ihre Stimme immer leiser geworden war, bis ich sie kaum noch hatte verstehen können. Erst jetzt war mir klar, dass Alan uns zweifellos gehört haben musste.

Auf einmal gab es einen leisen Knall und das flackernde Licht der Küchenzeile hörte auf zu flackern. Stattdessen leuchtete es nun strahlend und kurz darauf standen Jasper und Alan ölverschmiert in der Tür zum Garten. „Haben wir das gut hinbekommen oder haben wir das gut hinbekommen?“, fragte Alan grinsend und ich musste lachen. „Ihr habt das super hinbekommen“, lachte ich und Jasper grinste Alan an, bevor er zum Waschbecken ging und damit begann, sich das Öl zumindest von Händen und Füßen zu waschen. „Geh duschen, Jasper“, riet Rosalie. „Du hast etwas im Haar.“ Jasper sah auf. „Nicht wahr?“ „Sehr wahr“, grummelte Rosalie, klang aber trotzdem amüsiert. Jasper stöhnte auf, bevor ich ihn im nächsten Moment im Badezimmer hörte.

Beklemmte Stille trat ein, als Rosalie und ich fieberhaft nachdachten, ob Alan nur so tat, als hätte er uns nicht gehört oder ob er tatsächlich so beschäftigt gewesen war, dass er gar nicht auf unsere Stimme geachtet hatte.

„Habt ihr zwei etwas?“, fragte Alan und Rosalie und ich schüttelten automatisch die Köpfe. „Nein, was sollten wir denn haben?“, fragte ich und meine Stimme klang viel zu schrill, was auch Rose auffiel, denn sie stieß sanft mit ihrem Fuß gegen meinen. Alan runzelte die Stirn. „Ihr benehmt euch… seltsam.“ „Ach, Unsinn!“, behauptete ich und hatte mich dieses Mal besser im Griff. Rosalie nickte zustimmend. „Cassie sollte nur endlich essen, sonst wird’s kalt. Übrigens, Alan, wenn Jasper fertig ist, solltest du auch duschen.“

Alan sah abschätzend seine Hände an und warf einen Blick in das spiegelnde Metall der Dunstabzugshaube. „Wo du Recht hast… - Jasper! Beeil dich gefälligst!“

Die Stimmung war gut. Ausgelassen. Als wären wir hier eine Familie. Jeder kümmerte sich um die anderen, man war vertraut. – Wie in La Push…

Ich schluckte einen schweren Kloß runter, als ich an Jacob, Quil und Embry denken musste. Mein Abgang war nicht elegant gewesen – im Gegenteil. Mit Jacob lag ich im Streit, Quil und Embry waren sicherlich auch nicht begeistert. Und Sam…

„Es tut mir Leid, Cassie.“

Überrascht sah ich auf und Alan an. „Was?“ „Du bist nur wegen mir noch nicht wieder in La Push.“ „Aber das ist doch…“ Er ließ mich nicht aussprechen, sondern hob die Hand, um mich zu unterbrechen. „Ich würde vorschlagen, dass wir heute Abend noch in einen Zug oder ein Flugzeug steigen, um möglichst schnell dorthin zu kommen. Du vermisst deine Familie doch.“ Ich schwieg zu seiner Feststellung und beschäftigte mich mit dem Muster auf den Kacheln der Küchenzeile. Woher hatte Alan gewusst, woran ich gedacht hatte?

„Ich finde die Idee gut!“, versicherte Rosalie. „Dann muss Carlisle nicht extra herkommen. Wir können uns mit ihm und den anderen einfach in Forks treffen. Ich sage ihnen gleich Bescheid!“ Schon stand sie auf und ging in menschlicher Geschwindigkeit ins Wohnzimmer, während das Handy bereits an ihrem Ohr lag. „Carlisle, ich bin es, Rose“, hörte ich sie noch, als sie plötzlich im Türrahmen stehen blieb und Carlisles Stimme auch an mein Ohr drang.

Sie hatte den Lautsprecher angeschaltet.

Automatisch hielt ich die Luft an.

„…passiert?“

„Nein, nein, Carlisle“, fuhr Rosalie mit normaler Stimme fort, aber ihr Blick lag auf mir. Ich hatte das Gefühl, wenn ich auch nur einen Pieps machen würde, wäre ich Hackfleisch. „Bei uns läuft alles gut. Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass wir Cassie nach Hause bringen. Die Pelzträger sind so schon nicht gut auf uns zu sprechen, wenn wir nun die Schwester des Alphas bei uns behalten, könnte das die Beziehung nur verkomplizieren und wir könnten vielleicht nie wieder nach Forks.“

Schweigen von Carlisles Seite und ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit. Was war passiert? Warum ließ Rose uns mithören und warum starrte sie mich so an? Selbst Alan hatte sich verkrampft, als höre er mehr als ich. Vielleicht ein leises Atmen im Hintergrund. Oder geflüsterte Worte.

„Ihr solltet bleiben, wo ihr seid“, sagte Carlisle schließlich. „Wir sind schließlich schon auf dem Weg zu euch.“ Rosalies Lippen wurden zu einer schmalen Linie, bevor sie antwortete – ihre Stimme war nach wie vor normal. „Aber Cassie will wirklich nach Hause. Außerdem finde ich, ist sie bei den Pelzträgern sicherer aufgehoben.“ „Und sobald sie bei ihnen ist, wissen sie, dass wir in der Nähe sind. Nein, das können wir nicht riskieren, Rosalie.“

Carlisles Stimme war streng, aber sie klang anders als sonst. Ich glaubte fast, ein verstecktes Flehen zu hören.

„Gut, Carlisle. Wenn du dieser Meinung bist, werden wir uns daran halten.“

„In Ordnung. Wir werden gegen Abend bei euch eintreffen. Alice meint, unser Anschlussflug hätte ein wenig Verspätung.“

„Wir vertreiben uns schon die Zeit“, versicherte Rosalie, bevor sie auflegte. „Wir müssen noch vor heute Abend hier verschwunden sein“, erklärte sie, kaum dass das Handy verschwunden war. „Carlisle konnte nicht frei sprechen, das hat man gehört. Er war viel zu angespannt“, erzählte sie und Alan nickte. „Ich habe jemanden im Hintergrund gehört. Es muss einer der Volturi sein. Sie wissen von Cassie!“ In seiner Stimme schwang Panik mit. Beide richteten ihren Blick auf mich.

„Heißt das jetzt, dass ich in der Scheiße sitze?“

Sinne

Kapitel 30. ^^ Wow, es geht voran. xD
 

Dankeschön an die fleißigen Kommischreiber
 

NiCi1988 Das mit der Lebensmittelvergiftung wäre wohl wahrscheinlich. xD Und was mit Cassie und Alan ist... Kapitel 30 gibt Auskunft. :D

Ino-and-Shika-Nara

belle-chan Zu der Sache mit Marcus Gefährtin: als ich mal im Lexikon nachgeschaut hatte, stand da noch nix drin, also hatte ich mir was ausgedacht und dann kamen die FAQ online. xD Herrlich, ich hab mich schwarzgeärgert. ;)

Autumncorpse

chokomilk Im Grunde nicht falsch, aber ich würde sagen, Michaels Fähigkeiten sind für die Volturi noch wesentlich interessanter als die von Alan... ;)

Saku-Hime
 

und natürlich an die 48 Favoriteneinträge, auch wenn ich mich frage, warum es dann pro Kapitel nur so um die vier bis sechs Kommis gibt. ;)
 

Mein Kopf lehnte an Alans kalter Schulter, während ich mit mir haderte. Ein Teil von mir wollte schlafen, der andere wollte seine Nähe genießen. Ich wusste, dass ich mich nicht mehr lange gegen den Schlaf würde wehren können – nicht bei diesen First-Class-Sitzen. Sie luden förmlich dazu ein, einzuschlafen.

Ich wusste, es würde nicht mehr lange dauern, bis ich die Augen schließen würde und entschloss mich, es jetzt schon zu tun. Wie es sich wohl anfühlen würde, direkt neben ihm einzuschlafen, wenn er diesen süßlichen Geruch verströmte?

Nach Rosalies Gespräch mit Carlisle war alles irgendwie schnell gegangen. Jasper war keine halbe Minute später mit duschen fertig gewesen, Alan war kurz im Bad verschwunden und danach hatte man mich geschickt, damit der Schlaf mir nicht mehr in den Knochen saß – das Wasser war eiskalt.

In der Zwischenzeit hatte man Michael verständigt, der erklärte, er würde einen Flug am Nachmittag nehmen, um uns zu folgen. Er könne unmöglich vorher zurückkehren. Sei zu weit weg.

Wir fuhren zu viert zum Flughafen, stiegen in die Maschine und Jasper erklärte uns, wir könnten jetzt nur noch beten. Es sei ein Glücksspiel, was uns erwarte, da wir an dem gleichen Flughafen umsteigen müssten, von dem aus Carlisle mit Rose telefoniert hätte. Möglicherweise würden wir die Cullens und somit auch die Volturi dort antreffen.

Horrorszenario #1.

„Geht es dir gut?“, nuschelte ich und spürte, wie Alan den Kopf leicht zu mir drehte. „Warum?“ „Sie werden immer dunkler“, antwortete ich leise, ohne Alan angesehen zu haben und wusste selbst nicht mehr, ob ich wach war oder ob ich schlief. Irgendwo dazwischen wahrscheinlich…

„Mir geht es gut, keine Sorge“, flüsterte er mir ins Ohr und sein kalter Atem schlug auf meine Haut. Meine Nackenhaare kräuselten sich.

„Ist dir kalt?“, fragte Alan, dem das nicht entging, aber ich schüttelte den Kopf. „Ich bin okay. Ehrlich. – Aber beweg dich nicht…“ Sofort war es, als erstarre er zu einer Salzsäule. Er bewegte sich tatsächlich nicht. Ich atmete tief durch, drehte mich ein wenig und zwang ihn so, einen Arm um mich zu legen. Mir war kalt – und warm gleichzeitig. „Du rettest mich, wenn das Flugzeug abstürzt, oder?“, fragte ich leise und schlug noch einmal die Augen auf. Er sah mir direkt in die Augen.

„Versprochen.“
 

Ich streckte ausgiebig meine Muskeln, als wir den Terminal betraten und ich ein Gähnen unterdrückte. Ich hatte wie ein Baby geschlafen, war aber wohl am Ende recht unterkühlt gewesen. Im Terminal war es warm, lauter Menschen umgaben uns und ich spürte, wie Alan sich zusammenreißen musste. Automatisch griff ich nach seiner Hand. „Du packst das“, meinte ich leise und er sah mich an, als hätte ich seinen Blick wieder geklärt. Dann nickte er und lächelte schwach, ohne meine Hand loszulassen. Ich hatte Mühe, mich zu beherrschen.

„Ich geh mal schauen, ob der Anschlussflieger pünktlich ist“, meinte Jasper und ich hatte das Gefühl, als wolle er eigentlich sagen: „Ich geh mal schauen, ob hier noch irgendwo blutrünstige Vampire aus Italien rum rennen.“

Rosalie, Alan und ich quetschten uns weiter durch die Menge, bis Rosalie Alan und mich im Wartebereich ablud. „Bin mal gerade am Kiosk, was zum lesen holen.“ Alan und ich nickten wie kleine Kinder, bevor ich mich setzte und die Beine ausstreckte, sodass unachtsame Passanten darüber stolpern konnten.

„Hoffentlich denkt sie daran, uns etwas mitzubringen“, brummte ich leise und legte den Kopf in den Nacken. „Sie wird dran denken“, versprach Alan und setzte sich neben mich, ließ jedoch einen Sitz frei. Unzufrieden betrachtete ich den freien Platz, dann stand ich auf und setzte mich direkt neben ihn.

Einige Zeit schwiegen wir, während jeder Vorbeigehende Alan einen verwirrten Blick zuwarf. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Ich selbst vergaß noch manchmal, wo oben und wo unten war, wenn ich ihn ansah. Seltsam, dass die Cullens und Michael nicht so bei mir anschlugen…

„Sind deine Kräfte wirklich stärker, seitdem ich da bin?“, fragte ich Alan leise und er nickte schwach. „Einen Bruder anzugreifen, erfordert einiges. Michael ist nicht schwach.“

„Was hat er für Kräfte?“

„Er kann dich erstarren lassen“, flüsterte Alan. „Du kannst dich plötzlich einfach nicht mehr bewegen. Er ist quasi mein Gegenpol. Ich kann Dinge nur bewegen.“

Rosalie kam zurück und wir verfielen erneut in Schweigen. Tatsächlich hatte sie an etwas für uns gedacht. Eine perfekte Fassade, wie ich bemerkte. Für mich gab es eine Musikzeitschrift, für Alan ein Sportzeitung und für sie ein Modemagazin. Ich las kaum, während meine Augen über die Zeilen wanderten.

Als Jasper zurückkam, sah ich sofort auf. „Sie waren auf alle Fälle hier“, erklärte er rasch, als er sich neben Rosalie setzte und sich zu uns beugte. „Ich weiß nur nicht, ob sie wirklich schon weg sind. Hier laufen zu viele Menschen rum, als dass man ihren Geruch deutlich identifizieren könnte, aber Alice ist bei ihnen.“ Alan spannte sich an. „Das heißt, sie können immer noch hier irgendwo sein und uns möglicherweise schon bemerkt haben?“ Jasper nickte. „Aber nicht am Geruch. Ich denke, die Menschen hier verstecken uns unbewusst sehr gut.“

„Wenn wir… nach Seattle fahren“, sagte ich zögerlich, „kann ich dann nach Hause?“ Die drei tauschten Blicke, dann nickte Jasper stellvertretend. „Das wird das Beste sein. Bei den Werwölfen dürftest du am sichersten vor den Volturi sein.“

Ich lächelte. „Kann man hier wohl irgendwo telefonieren?“ „Ich hab in der Nähe vom Kiosk ein altes Münztelefon gesehen“, meinte Rose. „Wenn du willst, kann ich es dir zeigen.“ Alan stand, bevor irgendjemand reagieren konnte. „Nicht nötig, ich begleite sie.“ Rose hob ihre perfekt gebogenen Augenbrauen und ich stand auf.

Eigentlich war ich nicht begeistert, dass jemand mitkam. Ich wollte in Ruhe telefonieren, nicht mit jemandem daneben, der jedes Wort mitbekam, selbst wenn ich flüsterte. Alan legte einen Arm um mich, während wir uns durch die Menschenmassen quetschten und ich hatte das Gefühl, von sämtlichen Frauen hier böse angestarrt zu werden.

Hatte Bella sich so mit Edward gefühlt? Der wunderschöne Vampir und der einfache Mensch? – Vom äußerlichen zumindest?

Irgendwie wollte ich es noch nicht ganz verstehen, dass ich kein Mensch war. Dass Mama kein Mensch gewesen war. Dass weder Bella noch Alice jemals ein Mensch gewesen war, sondern eine… Hexe.

Das Wort kam mir so unwirklich vor.

„Willst du jetzt telefonieren?“

Fragend sah ich zu Alan, der mich ebenso fragend anblickte. Erst jetzt bemerkte ich, dass wir vor dem Telefon standen, das Rosalie gemeint hatte und ich kramte in meiner Tasche nach ein paar Münzen. Ehe ich welche fand, hielt mir Alan seine Hand hin. In ihr einige Dollar. „Danke“, nuschelte ich, nahm ihm das Geld ab und nahm den Hörer von der Gabel. Alan entfernte sich höflich einige Schritte und schien sich plötzlich unheimlich für die Auslagen des Kiosks zu interessieren.

Nur zögernd wählte ich die Vorwahl von Washington, von La Push, die Hausnummer der Blacks. Ich wollte auf keinen Fall Sam anrufen. Er würde mich killen. Und es womöglich genießen.

Es schien ewig zu dauern, bis jemand abnahm. „Black?“, brummte Billys Stimme und ich atmete tief durch. „Hier ist Cassie“, meldete ich mich und ich hörte ihn nach Luft schnappen. „Gott, geht es dir gut?!“ „Ich bin okay“, versicherte ihm. „Es tut mir Leid, dass ich einfach so abgehauen bin.“ „Ach, das ist doch jetzt überhaupt nicht wichtig! Wo bist du? Wann kommst du wieder?“ „Deshalb rufe ich an…“, murmelte ich und fuhr nervös mit dem Finger über die Metalleinsätze des Apparates. „Ist Jake zu Hause?“ Billy zögerte einen Moment, dann raschelte die Leitung ein wenig und ich hörte ihn Jake rufen. „Er kommt“, sagte er mir und kurz darauf raschelte es wieder, als der Hörer weitergegeben wurde. „Jaah?“, fragte Jake genervt und mein Herz überschlug sich. „Jake! Ich bin es, Cassie!“, begrüßte ich ihn und konnte mir bildlich vorstellen, dass er sich erstmal setzen musste. „Cassie…“, nuschelte er undeutlich und ich lächelte mein Spiegelbild in einer Fensterscheibe an. „Du glaubst gar nicht, wie gut es tut, dich zu hören… Es tut mir alles so Leid!“ „Was tut dir Leid?“, fragte er ungläubig. „Dass ich verschwunden bin. Wir haben uns so sehr gestritten… Da ist mir der Kragen geplatzt. Ich wollte nur noch weg… Und als Sam kam, war er so wütend, er hätte uns umgebracht, Jake! Alan hat mir das Leben gerettet…“

„Der Vampir?“, wollte er wissen und knurrte leise. „Ja, aber keine Sorge. Es geht mir gut.“

„Komm nach Hause“, sagte er wie aus dem Nichts heraus und meine Finger verharrten endlich an einer Stelle, als ich noch einmal Geld einwerfen musste. „Das habe ich vor“, sagte ich ruhig, „aber dir wird nicht gefallen, warum.

Alanatmisuenkalennsgebracheilersichsichawasamwüdeunnichzuihnefolgezugefährlichabadannsindievoltriaufgetauchunalarosejassinmimiverschwundenachdewirmichaeleinfreunmeinamuttegetroffehamjetzwissndevoltriabavomirunsuchnmichdeshalbwurdevorgeschlagndasechnachlapashzurückkehrun…“

„Cassie“, unterbrach Jake mich radikal und ich verstummte. „Du sprichst zu schnell. Ich verstehe kein einziges Wort. Aber… komm einfach nach Hause, ja? Dann kannst du mir alles erklären.“

„Aber, Jake…“ „Cassie…“, würgte er mich ab. „Komm einfach wieder, ja?“ Und schon hatte er aufgelegt.

Deprimiert ließ ich den Hörer auf die Gabel sinken und legte meine Stirn an das kühle Metall. Irgendwie klang er gegen Ende wütend. Ich hätte damit rechnen müssen… Immerhin war mein Abgang nicht gerade einer gewesen, den man als gelungen bezeichnen konnte.

„Was ist los?“, fragte Alan, der auf einmal hinter mir stand und seine Hände sanft auf meine Schultern legte. „Das weißt du doch genau“, flüsterte ich und er seufzte. „Ich verstehe deine Reaktion aber nicht. Jacob und Billy haben sich doch gefreut, dass du angerufen hast.“ „Billy vielleicht“, murmelte ich. „Jake hat sich überhaupt nicht gefreut.“ „Aber er will, dass du nach Hause kommst, ist das denn gar nichts wert?“ Er legt sein Kinn leicht auf meiner Schulter ab. Seine Kälte durchdringt mich völlig.

„Ich weiß nicht. Hätte er sagen sollen Komm bloß nicht nach Hause.?“

Er drehte mich zu sich um und sah mir tief in die Augen. „Think positive, girl“, lächelte er. „Und was ist, wenn sie noch sauer sind? Ich werde kaum bei Billy übernachten können. Wenn sie mich überhaupt beschützen wollen…“ Alan seufzte und ließ den Kopf hängen. „Das wird nicht geschehen. Sie lieben dich, sonst hätte Jake doch auch nie so reagiert, als ich kam.“

„Wehe, du kommst jetzt mit der Masche, es sei sowieso alles deine Schuld“, zischte ich und er lachte leise. „Jetzt stellst du meine Argumentation auf den Kopf.“ „Tja, Pech gehabt…“

Ich senkte den Blick.

Es gab so viel, was ich Jake erklären musste. Allein schon, dass er Alan nicht aus meinem Leben streichen konnte. Nicht mehr. Es war zu spät. Er war der Vampir, dessen Kräfte ich durch meine bloße Nähe verstärkte.

Ich sah auf und blickte direkt in das tiefe Schwarz seiner Augen, das mir eigentlich Angst machen sollte. Aber sie waren zu vertraut…

Von einem inneren Drang geleitet, machte ich noch einen letzten Schritt auf ihn zu und stellte mich auf die Zehenspitzen. Meine Hand legte sich auf seine Brust, meine Lippen auf seine. Ein kurzer Augenblick, den ich ebenso wenig begriff wie er. Ein Moment, der so intim war, dass es meine Brust zuschnürte. Ein Wimpernschlag, der die Grundfeste unserer Freundschaft einriss.

Ich löste mich, trat einen Schritt zurück. „Tut mir Leid“, nuschelte ich und ging an ihm vorbei, wobei ich darauf achtete, ihn nicht zu berühren. Allein bahnte ich mir den Weg zurück durch die Masse zu Rose und Jasper, doch lange bevor ich sie erreichte, fühlte ich einen kalten Griff um mein Handgelenk – und ich wusste, es war nicht Alan.
 

Rosalie sprang auf, als sie Alan ohne Cassie sah. „Wo ist sie?“, fragte sie sofort und Alan erwiderte ihren verwirrten Blick. „Ich dachte… sie wollte…“ Jasper runzelte die Stirn. Er hätte nie erwartet, diesen so verdammt kontrollierten Vampir so verdammt durcheinander zu sehen. „Ihr habt euch getrennt?“, hakte Rose nach und Alan nickte. „Es war… das Gespräch mit Jacob hat sie verwirrt“, log er und Jasper sprang auf. „Sie hat mit La Push telefoniert?“ „Jaah… Sie hat gesagt, dass wir bald kommen… Sie wollte Jacob alles erklären, aber er will es direkt von ihr hören…“, redete Alan fahrig vor sich hin und Rosalie begann, sich umzusehen. „Meint ihr, sie könnte sich verlaufen haben?“ Jasper schüttelte den Kopf. „Sie heißt nicht Bella, Rosalie.“

„Wir müssen sie finden“, schoss es aus Alan heraus und er starrte die anderen beiden an.

„Nicht nötig, ich hab unsere kleine Hexe aufgelesen.“ Sie wirbelten herum und erstarrten.
 

Die drei Vampire starrten Michael und mich einen Moment lang an, dann atmete Rosalie erleichtert aus. „Cassie, du kannst doch nicht einfach verschwinden“, tadelte sie lächelnd und ich seufzte. „Ich war ja auf dem Weg zu euch, aber dann hat Michael mich abgefangen. Er hat einen anderen Flug genommen.“ Lächelnd sah ich zu dem Freund meiner Mutter hoch. Er erwiderte das Lächeln und schob mich langsam zu den anderen dreien. Ich mied sorgsam Alans Blick und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen.

Jaspers Blick wurde unverhohlen skeptisch. „Ich dachte, du könntest erst später kommen?“ Michael grinste. „Na ja… dachte ich auch. Aber ich kannte mich in dem Waldgebiet, in dem ich jagte, nicht aus und hab mich verlaufen – deshalb habe ich auch gesagt, ich wäre zu weit weg. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Als ich dann endlich eine Straße fand, bin ich ihr gefolgt und bin in einer Stadt raus gekommen, die ich kannte. Also bin ich kurzerhand zum nächsten Flughafen und hab mir ein Ticket hierher besorgt.“

„Da hatten wir ja noch mal Glück“, meint Jasper und ich ignoriere seinen misstrauischen Tonfall, als er seine Hand auf meinen Rücken legt und mich langsam auf einen Sitz drückt. Sofort sitzen er und Rose neben mir, Alan und Michael uns gegenüber.

„Wir checken in einer halben Stunde für den Anschlussflug an“, sagte Jasper und entfaltete eine Tageszeitung.

Unsicher sah ich von einem zum anderen.

Jasper, der in die Zeitung starrte und uns alle beruhigte, gleichzeitig jedoch mit den eigenen Gedanken ganz weit weg zu sein schien.

Rosalie, die relativ entspannte in ihrem Hochglanzmagazin blätterte und immer mal wieder einen flüchtigen Blick über den Rand warf – so flüchtig, dass es genauso gut Einbildung hätte sein können.

Michael, der die Menschen um uns herum beobachtete und scheinbar jeden gleichzeitig sehen wollte.

Alan, der schnell den Blick abwandte, als ich zu ihm sah.

Bei der Erinnerung an den Kuss verdreifachte sich mein Herzschlag. Ausgerechnet jetzt, wo wir besseres zu tun hatten – unter anderem vor einer königlichen Vampirsfamilie fliehen – musste ich ihn küssen. War das denn zu fassen? Hatte Cassandra Uley wirklich nichts Besseres zu tun?

Ich senkte den Blick und starrte lieber auf den eintönigen, grauen Boden unter mir. Versuchte, mich auf die Stimmen der Passanten zu konzentrieren und ihre Worte. Immer weiter versank ich in einer Welt aus stressenden Kindern, verliebten Paaren, gehetzten Stewardessen, die zur Arbeit mussten, Hausmeistern, die die Getränkeautomaten reparieren mussten, Passagieren, die eincheckten, Passagieren, die das Gate verließen, Menschen, die aus dem Urlaub kamen, andere die erst noch wegflogen, Geschäftsmännern und –frauen, ein Geschwisterpaar, das über die Sorgen und Probleme der Eltern diskutierte und den Eltern ein paar Meter weiter, die wiederum über die Sorgen und Probleme der Kinder diskutierte, einer jungen Frau, die ein Buch las und dabei einem älteren Mann ins Gehege kam, der sich tierisch darüber aufregte, sie möge doch aufpassen, wo sie hinlaufe, zwei kleinen Kindern, die quer über den Flughafen Baseball spielten, einem Mann, der am Zoll nicht verstand, dass er etwas nicht mitnehmen durfte und so vielen anderen Geräuschen, das es unmöglich war, sie alle zu erfassen. Meine Sinne umkreisten mich, ich nahm Geräusche und Gerüche wahr, die ich normalerweise nie bemerkt hätte.

Das Deo der Stewardessen und das herunterfallende Buch der lesenden Frau.

Der nach Reinigung riechende Anzug eines Geschäftsmannes und der herunterfallende Penny einer Mutter vorm Kaffeeautomaten.

Das leise durchs Haar streichen einer Frau.

Ich bildete es mir nicht ein. Die Geräusche und Gerüche waren da. Aber es war unmöglich…

„Ich hab Hunger, Mama.“

„…und dann hat er gesagt, ich solle doch einfach mal…“

„Es wäre noch ein Platz in der Maschine um neunzehn Uhr frei…“

„Josh, bleib hier!“

„Verzeihen Sie, sind das Ihre Kinder, die da ihre Schuhe durch die Gegend werfen?“

„Ich verstehe nicht, wie die Menschen diese bedrückende Enge aushalten…“

„Erledige ich sofort, ich muss nur noch gerade etwas reparieren…“

„Passen Sie doch auf, wo sie hinrennen!“

Ich erstarrte und spulte in meinem Kopf ein paar Worte noch einmal ab. Dann riss ich den Kopf hoch und Jasper sah mich sofort an. „Was ist los?“

„Irgendetwas ist hier, was nicht menschlich ist“, flüsterte ich.

Home sweet Home.

Danköschön an:
 

Ino-and-Shika-NaraIch warte sehnsüchtig auf den Film. xD

belle-chanVielleicht kann ich ein paar Fragen in diesem Kapitel beantworten. ;)

chokomilkSchön, wenn Leser sich mal Gedanken machen.^^ Hexe sein bedeutet nicht, einen Schutz gegen vampirische Fähigkeiten zu haben, sonst wäre nicht jede La Tua Cantante eine Hexe. Man kann ja schließlich nicht behaupten, dass es hilfreich ist, ausgezeichnet zu riechen, wenn man einem Vampir gegenüber steht. ;) Genauer gesagt kann man Hexen nicht einmal an bestimmten Merkmalen erkennen. Manche sehen aus wie Vampire und können nicht gerochen werden (s. Cassie), andere hingegen riechst du auf 100 km Entfernung (s. Bella). ^-^ Alicce ist auch nur in die Kategorie gefallen, weil ich mich mal gefragt hab, ob sie wohl auch eine La Tua Cantante ist, als in Twilight erwähnt wurde, sie hätte gut gerochen. Die Ausprägung der Fähigkeiten hängt von der Vermischung des Blutes ab, je nachdem, wie viele Generationen bereits mitgemischt haben etc. Mal schaun, ob ich da noch eine Kleinigkeit mal zu einbaue. ^-^

ChibiVampireWarum Cassie das auf einmal kann. Gute Frage.^^ Ich werde mich bemühen, sie irgendwann während der nächsten Kapitel ausführlicher zu beantworten, aber erst Mal muss ich noch ein Wörtchen mit Michael reden... *gerade mit ihm auf Kriegsfuß steht*

AutumncorpseDu willst Aufzählungen? Lies das Parfum! :D Aber nicht bei einschlafen. ;)

Saku-HimeHexen und ihre Vertrauten sind nicht immer ein Paar. Man siehe Mary und Michael. ;)

meloONoch ein Gaspard-Fan! :)
 


 

Ich kam kaum hinterher, als Rose meine Hand nahm und mich hinter sich herzog, während sie sich durch die Menschenmassen wühlte. „Wir checken sofort ein“, erklärte sie mir und aus den Augenwinkeln sah ich, wie Alan und Michael ohne jegliche Aufforderung ausschwärmten, um herauszufinden, ob es sich um irgendwelche Vampire handelte oder um die Volturi. Ich kannte die Stimme nicht, die gesprochen hatte, aber sie war zu schön, um einem Menschen zu gehören und die Aussage war deutlich gewesen.

„Ich verstehe nicht, wie die Menschen diese bedrückende Enge aushalten…“

Immer wieder flackerten die Worte in meinen Erinnerungen auf, während Rose, Jasper und ich uns in die Schlange stellten, um einzuchecken. Kurz darauf stießen auch Alan und Michael wieder zu uns. Ich war die einzige, die ihre Nervosität nicht verbergen kann. Das Schauspiel der anderen vier war perfekt.

„Keine Sorge, Cassie.“ Rose legte einen Arm um meine Schulter, grinste, als würde sie mir etwas Lustiges zuflüstern und piekte mir zusätzlich in die Seite. „Wir passen auf dich auf, wir bringen dich zu Jake und dann wird alles gut.“

„Es sind die Volturi, oder?“, fragte ich Alan und Michael leise. Beide nickten. „Ich habe Carlisle gerochen“, flüsterte Alan. „Ziemlich frisch.“ Er lächelte, als wäre das eine gute Nachricht und ich überwand mich zu einem Grinsen. „Wie schön“, krächzte ich.

Wenn die hier Happy Family spielten, musste ich wohl mitziehen… Es war ja schließlich nicht so, als wären wir unauffällig. Die Passagiere vor und hinter uns nahmen alle einen gebührenden Abstand ein und wirkten gleichermaßen irritiert und entzückt.

„Ihr macht mich wahnsinnig“, presste ich zwischen den Zähnen hervor und Jasper sah mich verwirrt an. „Zu perfekt“, seufzte ich nur und für einen Moment sah es aus, als lächle er ehrlich. Den Rest der Zeit verbrachten wir schweigend.
 

Die Spannung fiel fast gänzlich von uns ab, als wir uns auf unsere Plätze im Flugzeug sinken ließen. Irgendwie hatten wir es geschafft. Wir waren wieder auf dem Weg nach Seattle.

Ich saß zwischen Rose und Alan, Jasper und Michael saßen auf der anderen Seite des Ganges.

„Wie hast du sie gehört?“, fragte Rosalie schließlich, als wir bereits in der Luft waren. Ihr Blick spiegelte eine Mischung aus Erstaunen und Anerkennung, aber sie konnte es sich nicht erklären. Wie auch? Ich konnte es mir selbst nicht erklären.

„Ich weiß es nicht… Ich saß nur da und hab mich konzentriert und plötzlich… habe ich alles gehört.“ Ich hauche die Worte fast nur aus Angst, fremde Ohren könnten sie hören. Michael beugt sich über Jaspers Sitz und halb über den Gang zu uns. „Es könnte sein, dass das eine deiner Fähigkeiten ist… Ein Talent sozusagen.“ „Aber das hatte ich doch noch nie“, nuschelte ich und er nickte. „Gerade deshalb.“

Ich schüttelte energisch den Kopf und zuckte zusammen, als hinter uns im Abteil eines der Fächer aufsprang und seinen Inhalt über den darunter sitzenden Passagieren verteilte. Zwei Stewardessen eilten heran, um zu helfen.

Michael beobachtete sie Situation skeptisch und sah mich mit einer gehobenen Augenbraue an. „Jaah, klar“, seufzte ich und er lehnte sich zurück. „Ich meine ja nur.“ „Wir sollten in Seattle darüber reden“, bestimmte Jasper. „Das ist auf alle Fälle sicherer. Außerdem sind wir dann ganz weit von unseren Freunden entfernt.“ Er lächelte leicht und die hysterisch schimpfende Frau, die unter dem Gepäckfach gesessen hatte, beruhigte sich. Rosalie zischte etwas von „Weltverbesserer“.
 

Ich verbrachte den Flug damit das Polster vor mir anzustarren und möglichst darauf bedacht zu sein, Alan nicht zu berühren. Ich würde wirklich für nichts garantieren können. Seine Nähe brachte mich schier um den Verstand und ich hatte das Gefühl, wahnsinnig zu werden.

Was machte er nur mit mir?

Als wir endlich im Mietwagen saßen und – viel zu schnell für meinen Geschmack – nach La Push rasten, hatte ich irgendwann das Gefühl, meinen Magen am Flughafen gelassen zu haben. Jasper und Alan hatten mich unter ihre Fittiche genommen, während Rosalie und Michael in einem zweiten Wagen vorfuhren. Ihr Ziel hieß Forks, sie wollten sicher gehen, dass kein Volturi hier wartete.

„Alan, wir werden auch in La Push ankommen, wenn du dich mal an Tempobegrenzungen hältst“, stöhnte ich schließlich, als mich wieder eine Kurve gegen die Autotür drückte und er schnalzte mit der Zunge, bevor er langsam vom Gas ging. „Danke“, keuchte ich. Jasper drehte sich halb belustigt zu mir um. „Wir sind Vampire, Cassie. Unsere Reflexe sind tausend Mal besser als die von euch Menschen.“ „Vampire hin und her, die Straßen sind trotzdem nass“, maulte ich und Alan verdrehte leicht die Augen. Er schien sich im Gegensatz zu mir gefangen haben und den Kuss systematisch zu verdrängen.

„Selbst wenn der Wagen weg gleitet, ich bring ihn schon wieder auf die richtige Bahn.“

„Ich wollte euch ja nur darauf hinweisen, dass ihr später mit dem Wissen leben müsst, mich um die Ecke gebracht zu haben, wenn wir uns um einen Baum gewickelt haben und ihr wie nix aus dem Auto aussteigt, während ich meine letzten Atemzüge atme.“

Jasper sah ein wenig verdattert aus, Alan ging noch ein wenig vom Gas. „Geht doch“, sagte ich, als wir beim nächsten Temposchild nur noch 100 Meilen pro Stunde über dem Grenzwert lagen.

Es hatte einen Vorteil, mit Vampiren zu reisen. – Man war definitiv schneller da, ob man wollte oder nicht und als wir schließlich in La Push hielten – Alan hatte das Tempo zuvor immer weiter gedrosselt – waren meine Knie weich wie Pudding.

Jasper war bereits an der Grenze ausgestiegen und hatte Alan erklärt, er laufe durch den Wald zum Haus – ein Kontrolllauf, wie er es genannt hatte.

„Das nächste Mal langsamer, ja?“, bat ich Alan und er hob die Augenbrauen. „Das nächste Mal?“

Ich kam nicht zu einer Antwort, da bereits die Tür der Blacks aufging und Billy mich anlächelte. Als sein Blick Alan streifte, verhärteten sich seine Gesichtszüge. „Ich sollte dann mal fahren“, murmelte Alan mir zu und hatte sich schon umgedreht, als meine Hand nach seiner griff. „Verlass mich nicht“, flehte ich leise und er seufzte, bevor er zuließ, dass ich seine Hand ganz nahm und ihn mitzog. „Hallo, Billy“, begrüßte ich den alten Mann und ließ Alan schließlich los, als ich vor Billy stand. „Schön, dich endlich wiederzusehen, Cassie. Wir haben uns Sorgen gemacht.“ „Tut mir Leid, das wollte ich nicht. Es ging mir aber die ganze Zeit gut, ich war bei den Cullens in Alaska und bin sogar einem Freund meiner leiblichen Mutter begegnet.“ Er sah mich irritiert an, wandte sich dann allerdings der Tür zu. „Komm erst mal rein“, sagte er und mit einem Blick auf Alan fügte er hinzu: „Dein Freund kann mitkommen.“ Alan folgte der Aufforderung ohne ein weiteres Wort, während ich es rasch übernahm, Billy zu schieben und ins Wohnzimmer zu bringen. Draußen brach ein Platzregen los.

„Möchtest du etwas trinken?“, fragte er. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, danke. Ist Jake da?“ „Er müsste bald wiederkommen. Er lief heute Abend Patrouille.“ „Gibt es denn etwas zu tun?“, fragte ich verwirrt. Die Cullens waren schließlich fort…

„Vor kurzem war eine Gruppe Vampire in der Nähe. Fremde, nicht die Cullens.“ Alan runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts. „Möchtest du mir deinen Begleiter nicht einmal vorstellen?“, fragte Billy, als wir uns gesetzt hatten und ich nickte rasch. „Natürlich, Billy, das ist Alan, ein befreundeter Vampir. Ich traf ihn zum ersten Mal kurz vor der Hochzeit von Bella und Edward, danach musste er allerdings verreisen und kam erst an meinem Geburtstag wieder.“

Billy nickte. „Nun gut, was da passiert ist, ist ja ein offenes Geheimnis. Mein Name ist Billy Black“, stellte er sich Alan vor und Alan neigte leicht den Kopf. „Ich habe viel von Ihnen gehört, Sir.“ Billy schien ein wenig überrascht aufgrund der Höflichkeit, die Alan an den Tag legte und ich musste mir ein Grinsen verkneifen.

„Hör zu, Billy, wir haben eine Vermutung, wer die Vampire sind, die hier waren“, setzte ich an, verstummte aber, als sich die Tür öffnete und Jake pitschnass im Haus erschien. Verdutzt sah ich ihn an, spürte das Kribbeln in meinen Fingerspitzen und sprang schließlich auf, um mich meinem besten Freund um den Hals zu werfen. Er schlang seine Arme um mich und hob mich hoch, sodass ich binnen Augenblicken den Boden unter den Füßen verlor. „Ich hab dich

so vermisst“, nuschelte ich und verbarg mein Gesicht an seiner Halskuhle. Ich spürte seinen heißen Atem in meinem Nacken, als er mich enger an sich zog. Wir brauchten keine Worte mehr. Flüsternd, fast schon andächtig erzählte ich ihm innerhalb einer Minute alles, was vorgefallen war. Seine Nässe übertrug sich auf mich, aber es war mir freilich egal. Dann wurde ich halt nass – Jake war da. Es gab kaum etwas Wichtigeres.

„Es ist gut, Cass“, flüsterte er – so durfte nur er mich nennen. „Bleib hier, solange, wie du willst. Und geh wieder, wenn dir danach ist, wenn du mich nicht mehr erträgst, so wie neulich. Solange du hier bist, wirst du immer von uns beschützt werden.“

Er ließ mich langsam zu Boden sinken und ich sah ein wenig zitternd zu ihm hoch. „Wir sollten uns trockene Sachen anziehen“, flüsterte er und zupfte grinsend an meinem Sweatshirt. „Wäre vielleicht besser“, schmunzelte ich, warf Alan einen kurzen Blick zu und ließ mich dann von Jake ins Bad ziehen, wo er mir ein Handtuch zuwarf. „Ich hol dir ein paar Klamotten von mir.“ Ich nickte bloß.
 

Jakes Klamotten waren mir geschätzte fünfzig Nummern zu groß, ins T-Shirt hätten laut Billy „acht Cassies gepasst“ und die Hose musste ich unten ein paar Mal umkrempeln, um nicht bei jedem Schritt zu stolpern. Als ich schließlich mit einer Tasse heißen Kakao auf dem Sofa saß und Jake einen Arm um mich gelegt hatte, erzählte ich auch Billy alles, was passiert war.

Mit ernster Miene hörte er mir zu und ließ seinen Blick zu Alan huschen, wann immer er etwas ergänzen musste, weil ich es schlicht und einfach vergaß. „Warten und Tee trinken hilft da also nicht“, schloss Billy am Ende und ich nickte. „Die Regeln der Vampire sind ziemlich streng“, sagte Alan. „Wer gegen sie verstoßt, ein dezentes Problem. Die Cullens und ich, wir haben dagegen verstoßen und dass Cassie dafür leiden muss… Nun, das tut mir sehr Leid und auch entschuldige ich mich dafür, dass wir die Bewohner von La Push da mit reinziehen.“

Jake winkte ab. Zwischen uns war es, als wäre nie Zeit vergangen. Als hätte sich überhaupt nichts geändert. Ich war immer noch die kleine Cassie, ein Mensch, er immer noch der große Jacob, ein Werwolf. „Cassie ist meine beste Freundin, ihre Probleme sind meine Probleme und somit auch die Probleme des Rudels.“ Mit glänzenden Augen lehnte ich mich an seine Schulter und seufzte leise. Ich hatte diese Hitze vermisst.

Alans Handy zerriss die anbrechende Stille und er entschuldigte sich kurz, um auf die Veranda zu verschwinden. Während wir auf seine Rückkehr warteten, runzelte Jake die Stirn. „Was ist los?“ „Keine guten Nachrichten“, murmelt er und richtet seinen Blick zur Tür, als Alan wiederkommt. „Die Volturi sind mittlerweile in Sherman Mills, Emmett hat Rose angerufen und ihr alles erzählt. Zumindest sind sie jetzt auf dem Rückweg – hierher. Vielleicht war unsere Flucht die falsche Idee, sie sind sauer.“

Jake stand langsam auf, damit ich keinen Kakao vergoss und ging zum Telefon. „Was machst du?“, fragte ich, als er begann zu wählen. „Ich rufe Sam, Jared, Leah und Paul an. Die drei sind wieder am College, sie müssen so schnell wie es geht herkommen.“ Mit großen Augen verfolgte ich seine Bewegungen. Beobachtete, wie er erst Jared, dann Paul, dann Leah anrief. Zuletzt Sam. Er sagte ihnen nur das nötigste, Jared das meiste. Danach rief er bei Clearwaters an und ich glaubte, herauszuhören, dass Seth den Patrouillelaufenden Bescheid sagen sollte.

„Okay, alle kommen so schnell es geht her“, sagte er, als das Telefonat mit Seth beendet war und setzte sich auf die Sofalehne. „Wir werden alles tun, damit die Volturi die Grenze nicht überqueren. Das Reservat ist unser Gebiet, kein Vampir darf es unerlaubt betreten.“ Einen Moment lang schien er zu überlegen, dann seufzte er leicht. „Wenn die Cullens angekommen sind… werden sie natürlich die Grenzen überschreiten dürfen.“

Billy verkrampfte sich in seinem Rollstuhl und ich starrte ungläubig zu Jacob hoch. „Jake… darfst du das einfach so entscheiden? Ich meine… du bist nicht der Alpha.“ Er sah mich an und strich mir vorsichtig über die Wange. „Es gab auch hier ein paar Veränderungen, seitdem du gegangen bist.“

Atemlos hörte ich zu, wie er davon erzählte, was passiert war, als Jake herausgefunden hatte, dass Sam direkt zu Alans Wohnung gestürzt war. Niemand sei sich wirklich sicher gewesen, wer wütender gewesen war. Sam auf mich oder Jake auf Sam. Jake hatte sich gegen die Stimme des Alphas gewehrt und nicht akzeptiert, dass Sam mich in Stücke reißen wollte – ich schluckte bei dem Gedanken. Am Ende war Sam als Verlierer hervorgegangen. Jake war der neue Alpha des Rudels, nachdem er geglaubt hatte, alles und jeden in seinem Leben an Vampire zu verlieren. Erst Bella, dann mich.

„Du wirst mich nie verlieren“, warf ich ein, als er mir das leise sagte und er sah zu mir. „Egal, wie wichtig mir die Cullens werden, ich würde nie ein Vampir werden wollen! Die Ewigkeit ist nichts für mich, wenn ich sie nicht mit dir und meiner Familie hier in La Push teilen kann!“ Sanft strich mir Jake übers Haar. „Das freut mich, Cass – ehrlich.“

Der neue Alpha

Merci à:
 

- meloO Oh, ja, sie werden reden. Und wie... ;)

- Ino-and-Shika-Nara

- belle-chan

- SinAlan ist ein Buch mit sieben Siegeln. ;) Den versteht nicht einmal die Autorin. *grml*

- Saku-Hime*sich weigert das Wort süß im Zusammenhang mit Jake gelesen zu haben* Ist aber schön, wenn dein Traum weiterlebt.^^

- chokomilk
 

*Kekse dalass*
 

Als die ersten Wölfe kamen, spürte ich erst, was es hieß, wieder zu Hause zu sein und dass Jake nun Alpha war. Auch Embry und Quil wurden von mir stürmisch umarmt, obwohl sie nicht minder nass waren als Jake und kurze Zeit später, trug fast jeder trockene Klamotten meines besten Freundes. Überall roch es nach ihm, das Werwolfsrudel war noch gewachsen.

Ich konnte kaum glauben, wie viele Jugendliche von La Push sich als Werwölfe herausgestellt hatten und als schließlich nur noch die drei ältesten Wölfe – Sam, Paul und Leah; Jared war schon da – fehlten, erzählte Jake allen noch einmal, was passiert war. Am Ende überraschte er uns alle, als er sich an Alan wandte und ihn fragte, ob er etwas vergessen hätte. Alan schüttelte jedoch den Kopf und Embry, der sich neben mir breit gemacht hatte, schlug die Beine übereinander. „Darf ich ehrlich sein? Es wird mal wieder Zeit, dass Vampire kommen. Es hat keinen Spaß gemacht, bereit zu sein, wenn niemand da ist.“ Quil lachte. „Aber so was von. Ich verstehe gar nicht, wie wir das aushalten konnten.“ Er sprang auf. „Wann geht es los?“

Jake hob beschwichtigend die Hände. Er wirkte viel älter und ruhiger als noch vor zwei Jahren. „Beruhigt euch erstmal, ich muss euch alle etwas fragen.“

Seth an meiner anderen Seite beugte sich leicht vor.

„Ihr wisst alle, dass wir Vampire nicht wahllos auslöschen, sondern bloß die Menschen hier beschützen wollen. Ich muss aber sagen, dass mir die Volturi nicht besonders grün sind. Sie haben den Cullens schon einmal ein Ultimatum gestellt, als Bella von der Existenz der Vampire erfuhr. Sie sollten Bella verwandeln oder sie würden sie umbringen. Es ist uns allen klar, welchen Weg Bella gewählt hat. Jetzt sind sie womöglich hinter Cassie her und ich will nicht noch einen Menschen in meinem Leben an Vampire verlieren. Ich bezweifle, dass ihr das wollt.“

Er sah in die Runde und Embry legte einen Arm um mich, um seine Seite zu signalisieren. Niemand sagte etwas.

„Außerdem scheinen sie nicht besonders positiv auf Konkurrenz zu reagieren und ich würde sagen, ein Werwolfsrudel unserer Größe geht kaum nicht als Konkurrenz durch. Wahrscheinlich wissen sie auch noch nichts von uns, aber das wird sich jetzt ändern. Wir müssen uns entscheiden. Bleiben wir nur die passiven Beschützer oder handeln wir im Voraus?“

Ich konnte nicht verhindern, Ehrfurcht vor Jake zu empfinden. Er war viel mehr als ein Alpha. Er war das Herz des Rudels.

„Wenn sie von uns erfahren haben, werden sie uns womöglich aus dem Weg räumen wollen und wir wissen nicht, wie stark sie sind.“

Jake warf Alan einen kurzen Blick zu, der nickte. Ich war überrascht, dass Jacob jetzt so liberal mit Alan umging, war Alan das letzte Mal Grund eines Streites zwischen mir und Jake gewesen, in dessen Folge ich abgehauen war.

Zeitgleich überkam mich eine Gänsehaut, als ich spürte, worauf Jacob hinauswollte.

„Wenn ihr dazu bereit seid, werden wir uns den Volturi stellen und unser Reservat verteidigen bis zum bitteren Ende.“

„Nein“, sagte ich entschieden und Jake drehte sich zu mir um. Scheinbar hatte er nicht mit Widerspruch meinerseits gerechnet. „Ihr dürft euer Leben nicht wegen mir riskieren.“ Jake seufzte. „Cassie, irgendwann wäre es sowieso zu dieser Auseinandersetzung gekommen. Irgendwann hätten sie gemerkt, dass hier Menschen leben, die ihnen möglicherweise überlegen sind. Warum also die Konfrontation vor uns herschieben? Jetzt haben wir noch den Überraschungseffekt auf unserer Seite.“

Ich schürzte die Lippen und senkte den Blick. Er hatte Recht – irgendwo. Aber das hier war wirklich nicht das, was ich geplant hatte, als ich hergekommen war.

„Ich war noch nicht fertig“, fuhr Jacob fort. „Wie ich bereits gesagt habe, wissen wir nicht, wie stark sie sind und ich bin mir nicht sicher, ob unsere Stärke ausreicht.“

„Was planst du?“, fragte Alan. Es war das erste Mal, dass er wirklich etwas sagte, seitdem der erste Wolf eingetroffen war. Einige sahen zu ihm, andere versuchten seine Anwesenheit zu ignorieren. Jake pustete seine Wangen auf und atmete dann aus. „Ich möchte Vampire auf unserer Seite wissen.“

„Sam wird dich umbringen, wenn du das tust!“, zischte Jared und stand auf. „Ich weiß, aber ich bin jetzt der Alpha und ich treffe die wichtigsten Entscheidungen. Aber ich will das nicht ohne eure Zustimmung tun, deshalb frage ich euch vorher“, erklärte Jacob und blickte in versteinerte Gesichter.

„Das hat sowieso keinen Sinn“, warf Alan ein. „Carlisle wird sich nie auf einen Krieg mit den Volturi einlassen, seine Familie wird ihm folgen – und ich bin nicht lebensmüde.“ „Wer sagt denn, dass ich von euch gesprochen habe?“, fragte Jacob und für einen Moment spürte man seine Abneigung gegen die „Parasiten“ wieder. „An welche Vampire hast du denn bitte dann gedacht? Es gibt nicht sonderlich viele friedliche Vampire, die von Werwölfen wissen und ihnen nicht sofort versuchen, die Kehle zu zerfetzen, wenn sie ihnen begegnen.“

Ich blickte von Alan zu Jake, der eine Hand zur Faust ballte. „Gut, ich hab von euch gesprochen“, stand er genervt ein und ließ den Blick kurz über sein Rudel gleiten. Embrys Arm lag immer noch um meinen Schultern, Jared stand bewegungslos im Raum, Quil schien immer noch gewillt, sich anzuschließen und Seth war nach wie vor nach vorn gebeugt. Die anderen saßen schweigend im Schneidersitz auf dem Boden oder auf der Couch.

Billy, der die Szene bisher unbeteiligt verfolgt hatte, räusperte sich. „Bevor du irgendwelche Aktionen planst, Jacob, solltest du mit Quil Senior, Sue oder mir darüber sprechen und auch Sam hättest du zu Rate ziehen können.“ „Tut mir Leid, es handelt sich hier um einen Notfall, wir wissen nicht, wie viel Zeit wir noch haben.“ Jacob knirschte mit den Zähnen, als er seinen Vater anblitzte.

„Also, wer ist dafür, dass wir das Reservat bis zum Ende verteidigen – wenn es sein muss mit Hilfe von Vampiren?“

Er drehte sich einmal um die eigene Achse und sah jeden von ihnen einmal an. Seth war der erste, der sich meldete, als sei es ganz natürlich für einen Werwolf mit einem Vampir zusammenzuarbeiten. Nach und nach folgten die anderen, erst Embry und Quil, dann Collin und Brady und schließlich alle anderen. Jared war der letzte. „Fürs Reservat“, kommentierte er seine Meldung und Jake lächelte zufrieden. „Irgendjemand dagegen?“, fragte er und mein Arm schoss in die Höhe. „Ihr könnt das nicht tun“, argumentierte ich gegen das Vorhaben meines besten Freundes. „Versucht doch wenigstens eine friedliche Lösung zu finden.“

Jacob seufzte. „Cassie, so wie Alans Bericht der Volturi klingt, werden die nicht an einer friedlichen Lösung interessiert sein.“

Ich schob die Unterlippe vor und wollte etwas erwidern, als sich die Tür öffnete und Sam, Paul und Leah, nass bis auf die Knochen, das Haus betraten.
 

Ich schlief unruhig in dieser Nacht, obwohl Jake die ganze Nacht lang seinen Arm um mich gelegt hatte und ich wahrscheinlich so sicher wie selten zuvor war. Acht Wölfe liefen die Grenzen des Reservates ab, Alan sprach mit Rosalie, Jasper und Michael und sogar Sam hatte sich am Ende beruhigt, obwohl er Jacob nun für übergeschnappt hielt. Es sei indiskutabel, dass man sich mit Vampiren verbünden könnte – vergessend, dass er genau das schon einmal getan hatte. Leah hatte sich am Ende von Seth überzeugen lassen, sich uns anzuschließen, aber Paul und Sam waren nicht von ihrer Stellung gewichen, bis Jacob die Versammlung aufgelöst hatte, damit jeder erst Mal darüber schlafen könnte. Wache würde abwechselnd gehalten werden.

Als der Morgen anbrach, war ich unausgeschlafen und verstimmt und obwohl Jacob sich alle Mühe gab, konnte er mich nicht aufmuntern. Selbst als Alan mit Rosalie, Jasper und Michael zurückkehrte und die beiden es gemeinsam probierten, inklusive Jaspers Versuchen, sah ich immer noch aus wie sieben Tage Regenwetter.

Schließlich gaben sie es auf und wir zogen ins Haus der Clearwaters um, das größer war als das der Blacks. Dort fanden sich dann auch Sue und Quil Senior ein. Alle, die irgendwie etwas mit der Sache zu tun hatten, waren da und als Emily mich fragte, ob ich ihr beim Tee machen helfe, stimmte ich sofort zu und folgte ihr, Kim und Sue in die Küche.

„Wir sollten sie ein wenig allein diskutieren lassen“, sagte Kim, als Sue wieder gegangen war, nachdem sie uns alles gezeigt hatte und ich biss mir auf die Lippe. „Was tun die beiden Cullens und die anderen beiden überhaupt hier? Jared sagte gestern, es stehe schlecht, dass sie uns helfen würden.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Alan hat nicht gesagt, dass es ausgeschlossen ist, dass sie helfen. Er hat den Kampf ausgeschlossen. Er selbst und Michael waren mal bei den Volturi und Carlisle auch. Carlisle fühlt sich auch immer noch mit Aro verbunden… Das, was sie bisher nur tun können, ist euch Informationen über den Gegner zu geben.“ Kim runzelte leicht die Stirn. „Ob das hilft?“ „Natürlich, wenn ihr wisst, mit welchen Fähigkeiten die Volturi ausgestattet sind, kann euch das wirklich helfen. Aro zum Beispiel kann alle Gedanken lesen, die ihr je gehabt habt – obwohl ich zweifle, dass ihm das im Kampf hilft, weil er den anderen dabei berühren muss. Man kann die Fähigkeit also gewissermaßen umgehen…“ „Kennst du die Fähigkeiten der anderen auch?“, fragte Emily neugierig. „Marcus kann Beziehungen erkennen und Jane sieht euch an und ihr habt auf einmal fürchterliche Schmerzen. Aro benutzt das ganz gern, um unwilligen Vampiren Gehorsam einzuflößen, wurden mir erzählt…“ Emily schüttelte sich. „Wie grausam.“

Ich nickte und Kim verließ nach einigen Minuten des Schweigens die Küche, als der Tee fertig war, mit einem Tablett. Emily folgte ihr. „Ich komm gleich nach“, murmelte ich und sah aus dem Fenster. Washington zeigte sich von seiner besten Seite.

Regen.

Ob es wirklich eine Allianz zwischen Vampiren und Werwölfen geben konnte, bezweifelte ich, aber das Jacob es für möglich hielt, rechnete ich ihm an. Aber welcher Vampir würde das tun? Wer war lebensmüde genug und stellte sich der königlichen Familie entgegen? Das hätte etwas von einer Revolution.

„Irgendwie hast du da Recht.“

Ich zuckte zusammen und drehte mich zu Alan um, der gerade die Küchentür hinter sich schloss. „Was?“, fragte ich. „Du hast Recht. Es hätte etwas von einer Revolution“, wiederholte er und ich sah ihn mit großen Augen an. „Habe ich das eben laut gesagt?“ Er runzelte die Stirn. „Ich mein schon, nicht?“ Unwillkürlich legte ich mir die Hand auf die Lippen und er kam langsam auf mich zu. Als er neben dir stand, schien er aus dem Fenster zu blicken, aber ich wusste, dass er nichts davon sah. „Hör zu, Cassie… wegen dem Kuss…“ Ich hob schnell die Hände. „Lass uns den vergessen, ja? Ich war verwirrt und traurig und du hast mich getröstet und ich hab nur Nähe gesucht und weil du immer da warst und…“ Während ich irgendeinen sinnlosen Kram vor mich hinmurmelte, sah er mich unverwandt an und ich merkte, dass er dringend jagen gehen musste. Seine Augen waren mittlerweile gefährlich schwarz, er hätte sich auf dem Weg zu den Cullens etwas reißen müssen…

Ich stammelte weiter vor mich hin und wusste, dass er mir noch drei Wochen zuhören würde, aber ich musste es stoppen. Ich verstrickte mich in Widersprüche, drehte mir einen Strick, doch die Worte flossen nur so aus mir heraus. Mein Mund wollte sich nicht schließen, vielleicht weil ich mich wegen Alans Blick nicht genug konzentrieren konnte.

Und ich wusste, es gab nur eine Möglichkeit, mich zum schweigen zu bringen.

Bevor ich realisierte, was ich tat, stand ich bereits wieder auf den Zehenspitzen und drückte meine Lippen auf seine – aber dieser Kuss war anders. War er beim ersten Mal wie erstarrt gewesen, schlang er jetzt seine Arme um meine Hüfte, zog mich an sich und hob mich leicht hoch, während er mich zeitgleich an die Küchenzeile drängte. Unwillkürlich schob er mich hoch, meine Beine schlangen sich um ihn und immer wieder fuhren meine Hände durch seine kurzen Haare. Ich wusste, dass meine Atemluft knapp wurde, aber gleichzeitig machte mich das Gefühl zu süchtig. Ich wollte mehr von Alan – und wusste, dass ich es wohl nie bekommen würde. Er war ein Vampir – ich ein Mensch. Selbst, wenn man mich eine „Hexe“ nennen konnte, war ich für ihn zerbrechlich wie für mich ein Streichholz – noch mehr.

Ich fühlte seine rasiermesserscharfen Zähne, ohne Angst zu haben, mich verletzen zu können und verlangte gierig nach mehr, bis er mit einer einzigen Bewegung von sich drückte und nach Luft schnappte.

„Tut… mir Leid“, keuchte er, doch ich war selbst zu atemlos, um irgendetwas zu antworten. Er riss das Fenster auf und hielt sein Gesicht in den Regen. „Geht… geht es dir gut?“, fragte ich, als ich soweit wieder frische Luft bekam, dass ich sprechen konnte und er holte seinen Kopf zurück in die Küche. „Das müsste ich dich fragen.“ „Warum?“ „Du blutest“, sagte er schlicht und ich riss die Augen auf, schluckte ein paar Mal und ließ meine Zunge über meine Zähne streifen, bis ich den leichten Blutgeschmack bemerkte. „Es geht mir gut“, flüsterte ich und sah mit klopfenden Herzen und glasigen Augen zu ihm.

„Ich soll den Kuss also vergessen, hm?“, schmunzelte er und ich zog den Kopf ein. „Entschuldige…“ Er legte seinen Finger auf meine Lippen. „Ich weiß gar nicht, wie viele Entschuldigungen ich in den letzten Tagen gehört habe.“ Ich wollte gerade etwas sagen, als er sich langsam zu mir hinab beugte und mich noch einmal küsste.

Man könnte meinen, einen Vampir zu küssen, wäre unangenehm. Sie waren kalt und hart, aber ihre perfekte Körperkontrolle und ihr einzigartiger Duft machte das alles weg. Es war mit auf der Welt nichts zu vergleichen. Berauschender als Alkohol strömte das Glücksgefühl durch meinen Körper und in mir tanzten die Schmetterlinge Flamenco.

„Wenn dein Herz noch schneller schlägt, wird es dich umbringen“, flüsterte er, als er langsam von mir abließ, seine Stirn jedoch an meiner lehnen ließ. Es waren nur Millimeter, die unsere Lippen voneinander trennten. „Irgendwann werde ich sowieso sterben“, hauchte ich und versuchte, einen klaren Kopf zu behalten. Es war fast unmöglich. Ich hatte ihn schon längst verloren.

„Lass uns das hinauszögern, ja?“

Ich nickte und schlug zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit die Augen auf. „Tut es sehr weh?“, fragte ich, als seine schwarzen Augen direkt vor meinen auftauchen und ich seinen kalten Atem spüre. „Es fühlt sich an, als würde ich in Flammen stehen, jeder Kuss bringt mich an den Rand des Wahnsinns – aber ich liebe es. Du bist mehr, als ich verdiene.“

Ich laufe rot an und er hört plötzlich mit dem Atmen auf. „Du musst jagen.“

„Ich muss helfen.“

„Du hilfst mehr, wenn deine Augen glänzen.“

„Ich will dich nicht allein lassen. – Nie mehr.“

„Nur zum jagen.“

Ich langte wieder nach ihm und zog ihn zu mir runter. „Ich werde nicht umkommen, wenn du fort bist. Ein ganzes Rudel Werwölfe ist bei mir und Rose, Jazz und Michael sind doch auch noch da…“ Ein leises Knurren verließ seine Kehle und ich sah ihn irritiert an. „Nichts“, beantwortete er meine unausgesprochene Frage. „Ich werde heute Nacht gehen“, flüsterte er und zweifelnd verzog ich das Gesicht. „Es ist noch Morgen.“ „Und es regnet“, antwortete er, als interessiere es ihn wirklich, trocken zu bleiben. „Wir sind in Washington, hier regnet es rund um die Uhr.“

„Heute Nacht, ich verspreche es dir.“

Er legte seine Hand an meinen Hals und strich mit dem Daumen über mein Kinn. Ich nickte.

Keiner von uns ahnte, dass die Nacht mehr bringen würde…

„Wer hat Angst vorm bösen Wolf?“

Zu aller erst: Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat. Aufgrund von Klausuren etc. hab ich so gerade eben das nötige bei anderen FFs und einem eigenen Projekt geschafft, Das Licht der Finsternis dabei aber leider völlig außer Acht gelassen.

Bedanken dürft ihr euch jetzt bei meinem Biolehrer, der momentan mit Grippe im Bett liegen sollte und weswegen gestern gleich zwei Stunden für mich ausgefallen sind, in denen ich in der Schulmedi mal weiter tipseln konnte. >.<

Gute Besserung, Herr Biolehrer-unseres-Vertrauens. ;)
 

Einen wundervollen Dank, an die, die trotzdem Kommis geschrieben haben. :)
 

belle-chan Freut mich, dass dir die Diskussion gefallen hat. xD Und ich denke auch, dass man Cassie nicht als normalen Menschen bezeichnen kann. ;) Hätte etwas Ironisches. Allein schon dieses Wort... normal... :D

meloO Ich nehme an, es hat dir gefallen? ^-^

NiCi1988 Sam wird seine Meinung noch dezent vertreten, denke ich. ;)

Makeru o.O

chokomilk Ich hoffe, es hat nicht zu lange gedauert. >.<

Ino-and-Shika-Nara Langsam genug? :D

Autumncorpse Exakt jetzt.^-^

life-of-books Jemand Neues unter den Kommischreibern. =) Vielen Dank für das Lob. :)
 

Und weil ich euch solange hab warten lassen, geht das Kapitel heute mit ganz super dollen Knuddelgrüßen an alle Leser raus. (Und eine Packung Schokokekse gibt's oben drauf! xD)
 

Es war später Mittag, als Emily uns zum Essen erwartete. Sie hatte das Haus meiner Mutter in den letzten Wochen in Schuss gehalten, aber die heimische Atmosphäre änderte nichts an der angespannten Stimmung zwischen Sam und uns. Uns, das waren Jacob, Alan und ich.

Die beiden Werwölfe aßen für fünf, ich knabberte immer noch mit erhöhtem Pulsschlag an meiner Portion und Alan saß still und unbeteiligt dabei, während Emily die einzige war, deren Essverhalten man als menschlich bezeichnen konnte.

„Und ich bin immer noch dagegen“, sagte Sam irgendwann und sah Jake und mich anklagend an, als wären wir die Wurzel allen Übels – dabei war die Allianz nicht meine, sondern Jakes Idee gewesen.

„Schau ihn böse an“, kommentierte ich auch gleich, aber er schüttelte bloß den Kopf. „Wer hat denn bitte sehr den Parasiten an unseren Tisch geschleppt?“, zischte er und meine Hand ballte sich unwillkürlich zur Faust, doch bevor ich etwas erwidern konnte, ging Jake dazwischen. „Er heißt Alan“, sagte er ruhig. „Alan Adams, es wäre nett, wenn du ihn auch so ansprechen könntest. Den Doktor hast du schließlich auch angemessen behandelt, als er sich um meine Verletzungen gekümmert hat.“ „Aber dieser Blutsauger ist kein Arzt, der dafür sorgt, dass deine Knochen wieder richtig zusammen wachsen und du hast mir schon gar nichts zu sagen.“ „Und ob ich das habe“, erwiderte Jacob kühl. Sein Blick verhärtete sich. „Außerdem kümmert er sich vielleicht nicht um mich, aber um deine Schwester.“

Alan räusperte sich dezent und ich ließ schnell den Kopf hängen, damit niemand sah, wie ich rot anlief. Bisher hatten wir gedacht, wir wären in der Küche ungestört gewesen – ich hatte völlig außer Acht gelassen, dass fast ausschließlich Wesen mit einem ausgezeichneten Gehör hier waren.

Der eine kurze Moment, den ich Sams Gesicht jedoch gesehen hatte, hatte mir nur die Wut eines Werwolfs gezeigt.

„Noch Nachschlag, Jacob?“, rettete Emily die Situation und ich atmete erleichtert aus. Man durfte einen Werwolf nicht unterschätzen…

Tief durchatmend lehnte ich mich irgendwann zurück. „Es hat großartig geschmeckt, Emily“, bedankte ich mich bei Emily, die mich zufrieden anlächelte. „Freut mich.“

Plötzlich standen Alan und Jacob auf, als wäre es ein lang eingeübtes Stück und waren einen Moment später im Wohnzimmer. Sam hatte lediglich den Kopf gehoben und starrte durch die Tür zum Flur.

„Ich hasse es“, fluchte ich leise und an Emilys Blick sah ich, dass sie es auch dachte – es nur nicht aussprach. Ich sprang auf, lief ins Wohnzimmer und quetschte mich zwischen Alan und Jacob auf die Couch, die vor dem Fenster stand, aus dem sie starrten und ihre Konzentration nicht für einen Moment unterbrachen. Ich konnte mir vorstellen, wie albern wir drei aussahen, während auch ich die Ohren spitzte und versuchte, auszumachen, was sie hörten. Weder Jacob noch Alan hatte mir bisher erklären können, warum meine Sinne immer empfindlicher wurden – Alan wollte es vielleicht nicht, Jacob hingegen hatte noch seine Probleme damit, Alan als Vertrauten an meiner Seite zu sehen. Selbst ich konnte es noch nicht glauben, dass da mehr sein sollte. Mehr als diese tiefe Freundschaft, die sich mit jeder Sekunde änderte. Sie wurde zu etwas anderem. Etwas, das keiner von uns bisher verstand, was aber keiner von uns verlieren wollte.

Ein kaum hörbares Knirschen von Kies holte mich in die Realität zurück und ich sah auf. „Was ist das?“, fragte ich leise und Jacob wandte den Blick langsam zu mir. „Du kannst es hören?“ „Nur ein leises Knirschen… als würde jemand über Kies laufen oder so…“, nuschelte ich und Alan nickte. „Das sind Edward und Bella. Sie kommen.“

Jacob stand ohne ein weiteres Wort auf und verließ das Haus. Bella kam. Und Jakes Wunden waren noch lange nicht verheilt.

„Nun lauf schon“, flüsterte mir Alan zu, als ich hin und her gerissen auf der Couch kniete und verzweifelt überlegte, ob ich Jake folgen konnte.

Alans Blick war ernst, er wollte wirklich, dass ich hinter ihm herlief. Kurz nickte ich, beugte mich ein wenig vor, um ihn zu küssen und rannte dann aus dem Haus, gerade noch daran denkend, eine Jacke anzuziehen.

Ich hatte keinen einzigen Anhaltspunkt, wo Jake hin war, er war nirgends zu sehen und der unendliche Regen hatte innerhalb von Sekunden meine Haare durchnässt. Ich zog die Schultern hoch und ließ meine Hände in die Taschen der Jacke gleiten. Erst, als ich das kühle Metall fühlte, merkte ich, dass es Sams Jacke war. Meine Finger schlossen sich um die Schlüssel in der Tasche und zogen sie raus.

Autoschlüssel.

Ich zögerte keine Sekunde mehr, schwang mich hinter das Steuer von Sams Wagen und überlegte einen Moment die Möglichkeiten, wo Jake sein könnte.

In Frage kam zu erst der Strand, aber soweit ich wusste, hatte er sich da einmal ziemlich heftig mit Bella gestritten. Wäre also keine gute Idee für ihn, da hinzulaufen.

Auch seine kleine Werkstatt, den Schuppen, schloss ich aus. Er hatte dort mit Bella an den Motorrädern rumgebastelt, zu viele Erinnerungen.

Es musste doch einen Ort geben, der frei von Erinnerungen an Bella war…

Dann musste ich lächeln. Es gab einen Ort, denn warum um alles in der Welt sollten sie dorthin gegangen sein? Es war unsinnig. Mit einem leichten Lächeln legte ich den Gang ein und fuhr los.
 

„Jake“, schluchzte ich und vergrub das Gesicht in meinen Händen. Immer wieder rief ich nach meinem besten Freund, aber niemand kam. Auch nicht Sam, mein großer Bruder. Ich hatte mich noch nie so allein gefühlt.

Ich weinte immer noch, als ich jemanden meinen Namen rufen hörte. „Jake! Hier bin ich!“

Irgendwo im Gebüsch machte ich jemanden aus, der näher kam. „Cass?!“ „Hier!“

Jacob, mein bester Freund, kam aus dem Gebüsch und hechtete zu mir, als er mich auf dem Boden sitzen sah. „Was ist passiert?“ „Ich bin hingefallen“, schniefte ich mit tränenüberströmtem Gesicht und deutete auf meinen Fuß. „Der tut weh!“ Sofort beugte sich Jake zu mir runter und drückte vorsichtig auf meinen Knöchel. Ich schrie auf. „Das tut weh, du Blödmann!“ „Tut mir Leid“, nuschelte er, bevor er aufstand und mir seine Hand reichte. „Komm, ich helfe dir.“ Zitternd und schniefend griff ich nach seiner Hand, um mich hochziehen zu lassen. Kaum dass ich stand, fiel ich schon wieder, doch innerhalb von Sekunden hatte Jake mich auf seinen Rücken gehoben. „Alles okay?“, fragte er nach, als ich meinen Kopf auf seine Schulter lehnte. Ich versuchte erst gar nicht, ihm auszureden, mich zu tragen. Er würde mich niemals nur stützen.

„Hm-mhm.“

Langsam ging er los. Würde er mich nur stützen, würden wir schneller vorankommen, aber gleichzeitig würde mein Fuß stärker belastet werden. So baumelte er nur runter und das Ziehen schmerzte ein wenig. Ich war mir sicher, anders würde es noch mehr wehtun.

Nach unendlicher Zeit kamen wir endlich in La Push an, wo sofort eine Tür aufgerissen wurde.

„Cassie!“

Sam kam aus dem Haus und nahm mich dem mittlerweile leicht keuchenden Jacob ab. „Was ist passiert?“, fragte er mich, als er mich auf Verandastufen setzte und Jake loslief, um einen Erwachsenen zu holen. „Bin vom Baum gefallen“, schniefte ich und wieder kamen mir die Tränen. Sam wischte sie schnell weg, als Mama aus einem Haus stürzte. Er wusste, dass ich damals nicht gern weinte – ich wollte immer genauso mutig und tapfer sein wie er, Jake, Quil und Embry.

Und ein Blick in seine und Jakes dunkle Augen verriet mir, dass sie es beide wussten.
 

„Wer hat Angst vorm bösen Wolf?“

Ich saß bereits auf einem Baumstamm, als Jake erst ankam.

Hier war es damals passiert. Als ich vom Baum gefallen war. Die Scheune lag ein gutes Stück im Wald, aber Jake und ich hatten hier gern gespielt – trotz des Verbotes. Damals hatten wir erzählt, es sei irgendein Baum am Waldrand gewesen.

Der rotbraune Wolf sah erschrocken zu mir, als hätte er mich zuvor nicht wahrgenommen. Er witterte ein wenig, bis er meinen Geruch erkannte und wimmerte leise. Rasch stand ich auf und ging zu ihm. Es war lange Zeit her, dass mir so treudumme Werwölfe Angst einjagen konnten.

Sam, der hatte mir vorhin Angst gemacht, aber Jake war völlig kontrolliert, als er seinen mächtigen Kopf gegen meine Schulter lehnte und ich meine Hände in sein Fell gleiten ließ. Ich kraulte ihn wie einen Hund im Nacken und hörte mir sein leises Wimmern an, als verstände ich ihn.

Vielleicht tat ich das sogar.

„Jake…“, flüsterte ich irgendwann, als wir uns gesetzt hatten und ich wahrscheinlich nur deshalb nicht erfror, weil mich seine Hitze wärmte. Trotzdem zitterten meine Fingerspitzen.

„Ich weiß, dass du Bella so nicht sehen willst, aber du bist der Alpha…“

Er wimmerte wieder, woraufhin ich mit dem Kopf schüttelte. „Nein, das wird Sam garantiert nicht machen – eher kille ich ihn, als dass er wieder Alpha wird.“ Er legte verständnislos den Kopf schief, bis ich seufzte. „Er würde sofort alle Vampire aus La Push rausschmeißen lassen“, erklärte ich ihm also. „Sie sind meine Freunde, verstehst du, Jake?“

Er senkte die Schnauze und stieß mit seiner Stirn leicht gegen meine, wobei das Bild ziemlich amüsant sein musste.

Großer Werwolf – kleines Mädchen.

Der Stoff aus dem Geschichten gemacht wurden.

„Ihr seid meine Familie, natürlich, aber meine Freunde sind mir fast genauso wichtig.“

Er schnaubte leise und verächtlich, bis ich seinen Kopf hob. „Soll ich dir ein Zughalsband anlegen?“ Er brummte.

Ich hasste solche Konversationen.

„Du wirst Bella irgendwann wieder sehen müssen“, kam ich zum Thema zurück. „Es war dein eigener Vorschlag, mit den Cullens zusammenzuarbeiten und ich denke, Bella mag dich immer noch. Du wirst es durch sie leichter haben, die Cullens zu erreichen.“

Er winselte leise und seine buschige Rute legte sich um mich. „Komm, Großer, stell dich dem Feind“, schmunzelte ich und schlug mit der Faust gegen seine Schulter. Er reagierte übertrieben, indem er den Kopf hochriss und die Augen verdrehte wie ein sterbendes Pferd. Ich stand auf und er hockte sich so hin, als solle ich auf seinen Rücken, aber ich schüttelte den Kopf. „Ich bin mit Sams Wagen hier. Der muss ja auch irgendwie nach Hause.“ Jake nickte leicht, stand auf und folgte mir zum Wagen.

Während der ganzen Rückfahrt lief er im Wald neben dem Auto her, immer wieder flackerte sein rotes Fell zwischen den Bäumen auf. Als ich in La Push letztendlich ausstieg, sah ich Jake – mittlerweile wieder recht menschlich – böse an. „Was hab ich denn jetzt schon wieder gemacht?“, fragte er erschrocken. Ich deutete bloß an meinen Klamotten hinab. Sie waren dreckig und nass. Ich fühlte mich, als hätte ich mich in einer Pfütze gebadet.

„Sorry…“, grummelte Jake mit eingezogenem Kopf. „Kannst ja duschen gehen…“ Ich streckte ihm die Zunge raus und betrat das Haus, wo ich bereits die Stimme von Alan hörte. Mein Herz machte einen leichten Hüpfer und ich ging auf direktem Weg ins Wohnzimmer.

Emily und Bella saßen auf dem Sofa, Alan und Edward standen am Fenster. Als ich den Raum betrat, verstummte Alan und lächelte mich an. „Da seid ihr ja wieder… Wo ist Jacob?“ „Steht in der Ecke und schämt sich“, meinte ich leichtfertig, zuckte mit den Schultern und sah zur Tür.

Als Alans Blick meinen Körper runter wanderte, wurden seine Augen groß. „Was hast du gemacht? Dich im Schlamm gewälzt?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich wurde zu Miss Wet-T-Shirt gewählt. Wenn mich jemand sucht, ich bin im Bad.“ Mit diesen Worten drehte ich mich um, nickte Jacob kurz zu und ging tropfend die Treppe hoch. Ich hörte, wie er ins Wohnzimmer ging. „Mein Fell war nass“, erklärte er und fügte dann ein leises „Hallo, Bella“ hinzu.

Ich seufzte und fuhr mir mit beiden Händen durchs nasse Haar.

Es lebe Washington.

Jacob musste da jetzt allein durch. Es würde ihm nicht helfen, wenn ich ihm Händchen halten würde, also ging ich ohne schlechtes Gewissen in mein altes Zimmer, kramte im Kleiderschrank nach meinem Bademantel, den ich bei meiner überstürzten Flucht hier gelassen hatte und ging ins Bad zurück.

Als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, überfiel mich eine Erinnerung an meine Mutter und mich. Als Kind hatte ich schrecklich ungern gebadet und fast schon Panik bekommen, wenn ich die Badewanne nur sah. Mama hatte mir die kindliche Angst mit einem einfachen Vorschlag genommen: sie hatte versprochen, mir einen Schokoriegel zu geben, wenn ich in die Wanne ginge. Für ein Kind, das quasi süchtig nach Schokoriegeln war, ein verlockendes Angebot.

Von da an hatte ich ständig in die Badewanne gewollt.

Ich sah zu, die nassen Sachen auszubekommen und hing sie überall da hin, wo sie hinpassten. Sams Jacke übers Waschbecken, die Hose über die Metallstange für den Duschvorhang, Pullover daneben, Schuhe vor die Heizung. Das Top, das ich drunter getragen hatte, war auch nicht gerade trocken geblieben – man konnte meinen, ich wäre schwimmen gegangen – und ich legte es übers Waschbecken. Meine Socken verloren sich im Raum.

Als meine Unterwäsche in den Wäschekorb gewandert war, zog ich mir den warmen Bademantel über und ließ Wasser in die Badewanne einlaufen. Blanke Ironie, das unten möglicherweise gerade Schlachtpläne entwickelt wurden, während ich ein Bad nahm.

Das Wasser dampfte in der kalten Lufttemperatur und die feinen Härchen auf meinen Armen stellten sich auf. Ich gab noch ein wenig Badewasserzusatz hinzu, legte den Bademantel ab und ließ mich rasch in das warme Wasser gleiten. Innerhalb weniger Minuten konnte ich durch all den Schaum hindurch kaum noch die Wand ausmachen und ich ließ mich ein wenig tiefer rutschen. Lehnte den Kopf zurück. Schloss die Augen.

Eine tiefe Ruhe überkam mich. Ich hatte das Gefühl, das hier schon seit Ewigkeiten gebraucht zu haben. Die letzten paar Tage, seitdem ich Michael begegnet war, kamen mir vor wie Wochen, vielleicht sogar Monate. Er hatte einfach alles in so kurzer Zeit auf den Kopf gestellt.

Alan und ich wussten, wer wir waren. Was wir füreinander empfanden. Allein der Gedanke an ihn bereitete mir derzeit Schwindel und Glückseligkeit. Von zufälligen Berührungen wollte ich gar nicht erst reden, obwohl wir es schafften, dem ganzen ganz gut zu entgehen. Ich reagierte jedes Mal mit erschrockenem Luftanhalten.

Ich war gerade dabei, im abgedunkelten Bad und beim regelmäßigen Prasseln des Regens draußen, weg zu dösen, als es zaghaft an der Tür klopfte. Ich schreckte hoch, schob kurz ein wenig den Schaum zu Recht und murmelte ein leises, kaum hörbares „Ja“. „Tut mir Leid, ich wollte nicht stören“, entschuldigte Alan sich, bevor die Tür richtig geöffnet war. Automatisch glitt ich tiefer in die Wanne, bis ich gerade eben noch Luft durch die Nase atmete, ohne meine Lungen gleich mit Wasser zu füllen.

Sprechen wurde mir dadurch jedoch unmöglich, stattdessen blubberte das Wasser, als ich versuchte, etwas zu sagen. Ich schluckte Wasser und spuckte es gleich wieder aus. „Bäh“, stieß ich angewidert aus. Alan konnte sich sein Grinsen kaum verkneifen.

Zögerlich näherte er sich der Wanne, hielt den Blick aber starr auf mein Gesicht gerichtet. Dann setzte er sich langsam auf den Rand.

„Edward wollte wissen, ob du ertrunken bist…“

Ich hob meine Hände aus dem Wasser und sah einen Moment ungläubig auf meine verschrumpelten Finger. „Wie lang bin ich denn schon drin?“ „Eine Stunde…“, riet Alan. Ich ließ meine Hände zurück ins – wie ich jetzt erst bemerkte – kalte Wasser gleiten. „Ich komm gleich runter“, versprach ich. Einen Moment lang hielten mich seine schwarzen Augen gefangen, dann beugte er sich vor und küsste meine Stirn. „Bis gleich…“ Damit verließ er das Bad und bibbernd blieb ich im Bad zurück.

Wer hatte schon Angst vorm bösen Wolf?

Verschwunden

Es tut mir sooo Leid! >.<

Und das schlimmste, ich hab nicht mal eine sonderlich originelle Ausrede außer Schule, Ferien und eine Menge Geschichten, die alle weitergeschrieben wollen. =.=
 

Trotzdem gaaanz großes Danke für die Kommis. =3
 

chokomilk

NiCi1988 Zum Thema Alan... am Ende ist er auch nur ein Mann... Fiel ihm schwer, sich zu beherrschen. ;) Und zu AlanxCassie: wie viel die Wölfe wissen, wird in diesem Kapitel glaub ich recht deutlich... ^-^

belle-chan

Autumncorpse

meloO

Ino-and-Shika-Nara

Makeru

kasaja Danke für das Kompliment. :)
 

„Die Volturi sind auf dem Weg hierher. Sie haben Carlisle, Esme, Alice und Emmett bei sich.“

Edward klang besorgt, als ich den oberen Treppenabsatz erreichte und erschrocken feststellte, dass es draußen schon ziemlich dunkel war. Im Wohnzimmer brannte Licht und durch den Spalt unter der Küchentür kam ebenfalls Licht.

„Ihr wart doch auch bei ihnen… Warum seid ihr jetzt hier?“ Sam klang misstrauisch.

Meine Haare waren noch feucht, als ich die Treppe runter ging, die Hand beständig am Geländer. Zum Glück hatte ich bei meiner überstürzten Flucht nicht alle Sachen mitgenommen, sondern nur das Nötigste. So war ich wenigstens nicht auf Sams übergroße T-Shirts angewiesen.

„Wir haben uns losgeeist, Bella musste ja so dringend jagen…“

Ich betrat das Wohnzimmer und setzte mich unauffällig auf die Armlehne des Sessels, in dem Jacob saß. „Alan ist jagen“, erklärte er mir leise. Ich nickte erleichtert.

Stumm verfolgte ich die Diskussion zwischen Edward und Sam. Sam war immer noch der Ansicht, man könne Vampiren nicht vertrauen und das ließ er jeden spüren. Rosalie, Michael und Jasper schwiegen mit versteinerter Miene.

„Warum sollen wir euch das glauben? Vielleicht ist das ja auch eine Falle.“

„Das ist keine Falle“, zischte ich Sam zu und sah ihn böse an. „Cassie, du trägst eine rosarote Brille“, meinte er. „Du bist völlig blind, wenn es um diese Blutsauger geht. Sie sind keine zahmen Kätzchen, die man mal eben hinterm Ohr krault und schon ist wieder alles in Ordnung. Sie sind gefährliche Raubkatzen.“

„Und mein Bruder ist auch kein liebes Hündchen, schreckt mich das ab?“, fragte ich gelangweilt. Seine Augen wurden zu Schlitzen, bis er sich sichtlich entspannte. Bella räusperte sich und schielte zu Jasper, der unauffällig Däumchen drehte, als wäre er an der entspannten Situation unschuldig.

Mir konnte das nur Recht sein. Wenn Sam Edward oder einem anderen den Kopf abriss, wäre das sicherlich alles andere als vorteilhaft für eine mögliche Allianzbildung.

„Und hör bitte auf, sie Blutsauger zu nennen“, fügte ich schließlich hinzu. Sam knurrte leise. „Sie sind ein Teil deines Lebens, solange ich ein Teil deines Lebens bin.“ „Und genau das stört mich“, knurrte er. „Du bist in La Push aufgewachsen, du bist quasi Mitglied dieses Rudels… und meine Schwester. Diese Parasiten sind kein Umgang für dich.“

Meine Augen verengten sich und ich stand auf. „Ich brauch mal frische Luft“, sagte ich zu den anderen, sah aber bloß Sam an. Dann ging ich auf den Flur, zog mir Schuhe an und nahm mir meine Jacke vom Haken.

Dann trat ich hinaus in den Regen. Ich zog mir gerade die Kapuze tief ins Gesicht, als ich mir wünschte, dass Alan vielleicht doch hier wäre. Aber seine Jagd ging vor.

Hinter mir hörte ich die Haustür zufallen. Ohne mich umzudrehen, schrie ich: „Vergiss es, Sam, ich werde meine Meinung nicht ändern!“

„Sie sind nicht gut für dich!“, rief er und ich hörte seine platschenden Schritte. Er schien nicht auf Pfützen Acht zu geben. Hätte sowieso nichts genützt. „Warum hängst du sehr an ihnen?“

Er griff nach meinem Arm, aber ich entriss ihm ihn. „Weil sie meine Freunde sind! Sie haben sich um mich gekümmert, als ich jemanden brauchte. Als Jake mich quasi rausgeschmissen hat. Und bevor du sagst, dass das nur Jake war, du hättest genauso gehandelt!“ Ich drehte mich wieder um und rannte in den Wald. „Aus gutem Grund! Man kann ihnen nicht vertrauen!“

„Ich vertraue ihnen aber! Jedem von ihnen! Ich habe Bella vertraut, als sie ein Mensch war und ich habe gelernt, auch den anderen zu vertrauen. Warum sollte sich daran etwas ändern? Rose ist eine der besten Freundinnen, die ich je hatte und immer wenn Jasper in der Nähe war, wusste ich, dass mir nichts passieren würde. Sie sind meine Freunde!“ „Glaubst du das wirklich? Denkst du wirklich, sie könnten lieben?“, giftete er mich an. Ich wirbelte herum. „Ja! Das denke ich, ich weiß es sogar.“

Sam hielt inne. „Ihr seid mehr als nur Freunde…“, schloss er. Seine Stimme triefte vor Enttäuschung. „Wesentlich mehr. Wir sind auch mehr als nur Vertraute. Als Vampir und Hexe.“

Sam wurde still, seine Hände hangen schlaff an seinen Seiten. „Ich hätte nie erwartet, dich an einen von denen zu verlieren.“

„Du verlierst mich doch nicht! Ich bin immer noch deine Schwester…“

Er wollte gerade etwas erwidern, als uns ein Knacken zusammenfahren ließ. Sam stand schon in der nächsten Sekunde vor mir, legte einen Arm schützend um mich und knurrte leise. „Wer ist da?“, fragte ich ihn. „Ich weiß es nicht“, flüsterte er. Er stieß mich ein wenig von sich, um sich verwandeln zu können. Für einen Moment wurde mir schwarz vor Augen, dann spürte ich Sam in meinem Rücken. Ein tiefes, kehliges Knurren entfuhr ihm. Ich öffnete die Augen.

„Wer seid ihr?“, fragte ich, als ich die Gestalten näher kommen sah. Sam wurde immer unruhiger, versuchte mich zurückzudrängen, aber ich rührte mich nicht vom Fleck.

„Das hat nicht zu interessieren“, flüsterte eine so sanfte Stimme, dass sie nur von einem Vampir stammen konnte. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. „Ihr gehört zu den Volturi…“, stellte ich fest. Einer nahm seine Kutte ab, er war wunderschön.

„Cassandra Hayes… Wie schön, dich kennen zu lernen.“

Sam stürzte sich auf sie, im gleichen Moment, als sich der vorderste Vampir uns näherte. Der Vampir wurde von Sam zurückgeschleudert, aber schon fühlte ich mich im Klammergriff eines anderen, der mir fast den Arm brach. Ich schrie auf.

„SAM!“
 

Jasper sprang sofort auf, als er den gellenden Schrei hörte. „Das war Cassie!“, sagte er so leise und schnell, dass ihn kaum jemand verstand, als er zum Fenster rannte und in den Wald starrte. „Entschuldigung?“ Bella sah auf und blickte zu Jasper. „Cassie… Sie hat geschrien…“, murmelte er leise vor sich hin. Jake zögerte keine Sekunde und rannte aus dem Haus. Noch auf den Verandastufen verwandelte er sich und beachtete die ihm folgenden Vampire und Wölfe gar nicht. Die Wölfe folgten ihm, die Vampire Michael, der Seite an Seite mit Jake rannte.

„Jake vermutet, dass Sam ausgetickt sein könnte“, rief Edward nach vorn und beeilte sich, aufzuholen. Michael runzelte die Stirn. „Wie stark ist er?“ „Er ist der alte Alpha, spricht das nicht für sich?“, erwiderte Edward und Michael nickte abwesend. „Von wo kam der Schrei?“ „Osten“, knurrte Jasper, der ebenfalls an Jakes Seite erschien und der große Wolf schlug sofort eine korrigierte Richtung ein. Immer wieder knackte es im Gebüsch, bis Jacob die Pranken in den Boden rammte und anhielt. Rosalie rutschte fast in ihn hinein, nur der Arm ihres Pseudo-Zwillings hielt sie gerade noch zurück.

Zeitgleich sah jeder das, was Jake bereits gewittert hatte. Paul löste sich als erster aus der starren Reihe und huschte auf den schwarzen Wolf zu, der regungslos auf dem Waldboden lag. Er jaulte leise, als er neben Sam niederkniete und ihn vorsichtig anstieß. Dann sah er zu Jake, der sich nur zögerlich aus seiner Starre löste. „Nein!“, reagierte Edward entschieden auf seine Gedanken, doch Jakes Kehle verließ nur ein Knurren.

„Warum sollten sie so etwas tun?“

„Wäret ihr so nett, uns an euren Gedanken teilhaben zu lassen?“, fragte Bella leicht gereizt und Jakes großer Kopf wirbelte zu ihr. Ein einziger Blick reichte, damit sie verstand. „Nein, Edward hat Recht. Warum sollten die Volturi Cassie entführen? Nur Cassie?“

„Aber das wird auch kaum Cassie selbst gewesen sein“, äußerte sich Michael und deutete auf Sam, der nach wie vor am Boden lag. Für einige Sekunden lauschten sie alle seinem mächtig, aber überraschend schwach schlagenden Herzen. Er war nur bewusstlos.

„Auf welcher Seite stehst du eigentlich?“, fragte Edward und musterte Michael abschätzend. Der hob die Augenbrauen, als wäre seine Seite nicht offensichtlich. „Ich bin der Vertraute von Cassies Mutter gewesen, auf welcher Seite stehe ich wohl? Garantiert nicht auf der der Volturi. Ihr hingegen schon.“

„Das ist nicht wahr!“, zischte Edward und Jasper trat einen dezenten Schritt zwischen die beiden, um ihre Gemüter zu beruhigen.

„Wir stehen auf unserer eigenen Seite!“, erklärte Edward. „Wir wollen nur die Volturi nicht als Feinde haben.“

„Ihr versucht es halt allen Recht zu machen – da kann man euch wirklich keinen Vorwurf machen“, erwiderte Michael, aber seine Stimme tropfte vor Sarkasmus. Edward fauchte etwas, was in Pauls Knurren unterging und Leah löste sich aus der Gruppe, um ihm zu helfen, Sam auf seinen Rücken zu wuchten. Ein weiterer Wolf huschte dazu und Jake nickte den dreien zu. „Sam sollte zurück ins Haus. Jemand muss sich um ihn kümmern“, sprach Bella für ihn und der große Wolf sah sie aus den Augenwinkeln an.

Sie war eine andere. Aber immer noch schien sie ihn zu verstehen…

„Jake wird einige Wölfe hier lassen, die nach Cassie suchen“, sprach sie weiter und weil von Jake keine Widerworte kamen, nahm sie an, dass ihre Worte seinen Zuspruch fanden. Paul trabte langsam und vorsichtig an ihr vorbei, flankiert von Leah und dem anderen Wolf. „Ich… werde mit den Wölfen Cassie suchen“, erklärte Rosalie ein wenig zögerlich, konnte es aber nicht verhindern, dass ihr Blick ein wenig angewidert zu Quil wanderte. Jasper fuhr sich durchs honigfarbene Haar. „Ich auch.“ „Wenn einer von uns geht, dann gehen wir alle“, schloss auch Edward sich an und auch Bella nickte. „Wer von euch Wölfen wird euch begleiten?“, fragte Michael, für den es außer Frage stand, wohin er ging, wenn die Optionen Cassie und Wolf hießen. Jake trat einen Schritt vor, mit ihm Embry und Quil, Dean – der junge Wolf, mit dem Cassie eine ganze Zeit lang ausgegangen war – und Jared. Einige Zeit lauschte Edward Jakes Gedanken, dann erklärte er den Vampiren, wer wo suchen sollte. Sie waren bereits dabei, auszuscheren, als er innehielt. „Jemand muss Alan anrufen“, stieß er hervor und Rosalie zückte ihr Handy. „So gut wie erledigt.“

Sie rannten los, immer Wolf und Vampir zusammen. Zwei in nördliche Richtung, zwei gen Osten, zwei in Richtung Westen und zwei nach Süden. Ein weiteres Paar – bestehend aus Michael und Jared – machte sich auf den Weg nach Forks. Zum Haus der Cullens.
 

***

Ich weiß. Nicht sonderlich lang... *drop*

Auf dem Weg

Dankeschön für die lieben Kommis. :)
 

Fleur2407

Autumncorpse

Tweak

kasaja

Sanya

Ino-and-Shika-Nara
 

<3
 


 

Michael trieb sich immer weiter, bis selbst Jared Mühe hatte, mit ihm mitzuhalten. Seine Tatzen hämmerten über den Boden, während Michael geräuschlos durchs Gebüsch raste. Immer wieder hielt er kurz, um zu wittern, aber es war ihm unmöglich, auch nur den Hauch von Cassies Geruch wahrzunehmen.

„Wenn ich einmal nicht mehr bin, passt du dann auf Cassie auf?“, hatte Mary ihn einst gefragt und obwohl er es nicht gewollt hatte, hatte er schließlich zugestimmt. „Ja, Mary, ich passe auf sie auf. Ich werde sie mit meiner ganzen Existenz beschützen“, waren seine Worte gewesen und dann hatte Mary sich an ihn gedrückt und ihre Arme um seinen Nacken geschlungen. Sie hatte nie Angst vor ihm gehabt. Im Gegenteil. Er wäre der Einzige, dem sie immer und jederzeit Vertrauen schenken würde, so hatte sie es ihm erklärt. Vor Menschen habe sie Angst, weil sie so unkontrolliert wären, vor Vampiren, weil sie so stark wären, aber Michael sei für sie kein Vampir und auch kein Mensch gewesen. Nur ihr Vertrauter. Sie war sich immer sicher gewesen, würde sie Michael nur halb so viel bedeuten, wie Michael ihr, könnte er ihr nie wehtun. Aber warum hatte sie ihn dann verletzen können?

Warum war sie gestorben?

Sie war stark gewesen, hatte gewusst, wie man Vampire hinhielt – warum war sie also gegen diesen letzten machtlos gewesen? Es war ja nicht so, als hätte er sie überrascht. Schon lange zuvor hatte er angekündigt, sich an ihr und vor allem an ihm, Michael, zu rächen, weil sie seine Gefährtin getötet hatten. Gemeinsam, denn Mary war nicht nur seine Vertraute gewesen. Er hatte sie zu einer Vampirjägerin gemacht, so stark, wie eine Vampirjägerin nur sein konnte. Mit dem Willen einer Frau, die für einen Freund alles tut und Fähigkeiten besaß, von denen normale Menschen nur träumten. Er hatte sie gelehrt, sich die Dunkelheit Untertan zu machen und so hatte sie seine Welt endgültig kennen gelernt. Hatte gelernt, wie auch sie sich in Schatten verstecken und verschanzen konnte.

Aber warum hatte sie sich nicht verstecken können, als der Vampir kam, um sie zu töten?

Immer weiter trieb Michael seine Beine voran, vergaß Jared und vergaß alles um sich herum, bis er auf einer Lichtung stehen blieb und den Blick gen Himmel richtete. Direkt über ihm brach die Wolkendecke auf, enthüllte ein Meer aus Sternen und eine winzige Sternschnuppe, zu schnell für das menschliche Auge, huschte über das Sternenzelt.

„Was hab ich getan, Mary?“
 

Sie ist verschwunden.

Immer wieder spielte sich dieser Satz in Alans Kopf ab. Seine Augen, die noch nicht einmal ansatzweise wieder golden gewesen waren, hatten sich dem tiefsten Schwarz zugewandt, das sie je gefärbt hatte. Er sog die Luft in tiefen Zügen ein, wollte keine eventuelle Spur verpassen und rannte, wie er nur konnte. Rosalie hatte gesagt, er solle zu Edward und Seth im Norden, sie waren ihm am nächsten, doch noch roch er nichts. Nur den süßen Duft der Kiefern, den lehmigen Geruch der Erde und die schwere Luft.

Nicht einmal sie konnte er wittern. Mochte es Vampire geben, denen es schwer fiel, Cassies Duft wahrzunehmen, hatte er ihn nicht mehr verlieren können, seitdem er sie zum ersten Mal gerochen hatte. Als hätte sein Unterbewusstsein schon damals gewusst, wer sie für ihn war und den Duft in Erinnerung behalten, damit er sie wieder fand.

Aber nun schienen die Aussichten chancenlos. Nichts drang durch die dicke Luft, kein Duft, kein Geräusch. Selbst seine eigenen Schritte erklangen, als verweile er in weiter Ferne.

Als er über einen umgeknickten Baumstamm sprang, stützte er sich leicht an einem Baumstamm ab, dessen Wurzeln nachgaben und der nach hinten wegkippte. Unbeirrt lief er weiter. Lief und lief, bis ihm der widerliche Gestank eines nassen Hundes in die Nase stieg. Er korrigierte seine Richtung und als er das Unterholz durchbrach, ertönte ein donnerndes Geräusch. Er spürte den harten Körper eines anderen Vampirs, als es ihn umriss und einen Moment blieb er starr liegen, bevor er aufstand. Er klopfte sich fahrig den Staub von der Kleidung, dann hielt er inne.

Vor ihm stand kein Werwolf. Kein Cullen. Auch nicht Michael.

„Felix“, flüsterte er leise, als er den Vampir sah, mit dem er zusammengeprallt war. Im nächsten Augenblick entwich seiner Kehle ein tiefes Knurren und er ging in eine Abwehrhaltung.

„Na, na, na, wir wollen dir doch nichts tun, Alan“, sagte eine freundliche Stimme und Alan blickte zu den restlichen Volturi. Er fühlte das Lächeln, bevor er es sah. Ein Schmerz, so unerträglich wie die Ewigkeit, fuhr durch seinen Körper, das tote Herz in seiner Brust zog sich schmerzhaft zusammen und für Sekunden wünschte er sich nichts sehnlicher als den Tod, bloß, damit der Schmerz endete. Er sank in die Knie, wand sich, wollte sich von den Schmerzen befreien und von weit her drang eine Stimme an sein Ohr.

„Alan! Nein, hört auf! Bitte! Tut ihm nichts! Alan!“

Obwohl selbst seine Augen zu brennen schienen, zwang er sich dazu, sie zu öffnen und wie durch einen brennenden Schleier sah er zwei funkelnde, honigfarbene Augen.

Der Schmerz verschwand und als er keuchend auf den Boden sank, hörte er Janes kreischende Stimme.

„Bringt sie zum Schweigen, verdammt!“

Schritte waren zu vernehmen, eine Hand legte sich unter sein Kinn und brachte ihn dazu, aufzusehen. „Das ist aber nett von dir, dass du freiwillig mitkommst, Alan. Aro wird sich freuen, mit dir persönlich reden zu können.“
 

„Alan!“, schnappte Edward nach Luft, als er ein beständiges Schreien in weiter Ferne wahrnahm. Der große, sandfarbene Wolf drehte den Kopf zu ihm. Nun verstand Edward. Alan schrie nicht. Zumindest nicht für jeden hörbar – nur in seinen Gedanken und somit in Edwards Kopf. Ein leises Knurren verließ seine Kehle.

„Die Volturi“, flüsterte er. Immer noch sah Seth ihn verwirrt an und Edward fing langsam wieder an zu laufen. „Die Volturi haben Cassie entführt“, erklärte er langsam und versuchte, Alan zu orten, aber sie waren noch zu weit weg. Er konnte nur raten.

„Alan haben sie jetzt auch… Er weiß, dass ich ihn höre, sobald wir nah genug dran sind… Ich hätte nie gedacht, dass jemand in seinen Gedanken so laut sein kann…“ Seth lief geschmeidig an seiner Seite, bis Edward schließlich schneller wurde, als er merkte, dass sie in die richtige Richtung liefen. Schon war das Handy an seinem Ohr. „Lauft in unsere Richtung, Jasper. Alan ist hier irgendwo – und Cassie ist bei ihm.“

Schon legte er wieder auf. Langsam aber sicher konnte er sehen, was Alan sah. Er entdeckte Jane, die direkt neben ihm lief, um ihn unter Kontrolle zu haben, Dimitri, lief vor ihm, Cassie lag stumm und mit leicht benebeltem Blick in seinen Armen.

„Sie bringen uns zu Aro… Und ich weiß nicht, was mit Cassie ist… Beeilt euch… Edward… Wir laufen in nördliche Richtung… Wir müssen kurz vor der Grenze sein… Sie bringen uns zu Aro…“

Immer wieder hallten Alans Gedanken in Edwards Kopf zurück und hin und wieder mischte sich etwas Neues darunter. Kleinigkeiten, die Alan bemerkte.

Edward hatte Alans Gedanken noch nie so klar gehört. Sonst wie das Rauschen eines Flusses, nun klar wie ein See. Er hörte nicht nur, was er hören sollte, er hörte alles. Jeder noch so kleine Gedanke, der in Alans Kopf umherstöberte, gelangte zu Edward, wurde von ihm gespeichert und verarbeitet.

Er hatte nicht vor, derart in Alans Privatsphäre zu schnüffeln, aber nun, wo er die Chance dazu hatte, interessierte es ihn unweigerlich. Wer war der Vampir, dessen Gedanken ein Rätsel für ihn gewesen waren?

Doch anstatt der tiefgründigen Gedanken, die er irgendwie erwartet hatte, fand er schiere Verzweiflung. Alan war nicht einfach nur irgendwie aufgebracht, er war innerlich außer sich. Alles, was Edward sah, wenn er tiefer ging, war die reinste Hölle auf Erden.

Für einige Sekunden überlegte Edward, wie es wohl war, sich als Vampir zu übergeben und ob das möglich war.

Er hatte nie erwartet, solche Abgründe in Alan zu finden, doch sie waren da. Neben all den Informationen, die für Edward bestimmt waren, galt immer wieder ein Gedanke einem Massaker, das Alan bei der erstbesten Gelegenheit anrichten würde.

Erst jetzt verstand Edward.

Die Volturi hatten erst vor wenigen Stunden alle etwas getrunken.

Und Alan war nicht nur verzweifelt.

Alan war wütend.

Und hungrig.
 

Jakes riesige Pfoten trommelten über den Boden, während er immer schneller wurde und seinen Instinkten den Rest überließ. Neben ihm, in einigen Metern Entfernung, huschte Jasper durchs Gebüsch und Jake war auf eine gewisse Art zufrieden mit sich selbst. Es war sein Vorschlag gewesen, dass sie gemischte Paare bei der Suche bildeten und er wusste, dass das klug gewesen war. Während er sich zwischen den Bäumen hindurchschlängelte, sprang Jasper stellenweise auf starke Äste und witterte für einen Moment, ob er Blut roch.

Außerdem wollte er nicht wissen, wer Cassie hatte – auch, wenn er immer noch auf die Vampire pochte – und war sich sicher, dass ein – angezogenes – Wesen in menschlicher Gestalt wahrscheinlich zum Reden bevorzugt werden würde. Und er hatte gesehen, was sie mit Sam getan hatten.

Wenn da ein Werwolf und ein Vampir überhaupt ausreichten…

Als er über eine kleine Lichtung preschte, erinnerte er sich schwach daran, hier einmal einen Nachmittag mit Quil, Embry und Cassie verbracht zu haben. Cassie hatte eine ganze Weile an ihrem Handy herumgefummelt und unbemerkt Jake angerufen, aus dessen Hosentasche gleich ein plärrendes Who let the dogs out – who?! Who?! kam. Minutenlang hatte er sie über die Lichtung gejagt, bis sie sich mit einem Hechtsprung hinter Embry rettete, der sich opferte, um sie vor Jacob zu retten, der ihr die ganze Zeit über hinterher gehetzt war.

Cassie hatte sich oft Späße erlaubt, wenn sie ihre Freunde hatte aufziehen wollen. Zu Weihnachten gab es Quil ein Hundekörbchen, für Embry einen Kauknochen und für Jake ein Halsband und eine Leine – ihn musste man ihrer Meinung nach nämlich am ehesten anleinen.

Und einmal, als er gerade schlief, hatte sie ihm Hot Dog auf die Stirn geschrieben. Als er krank war, hatte sie gefragt, ob sie den Tierarzt anrufen solle…

Sie war immer gut gewesen, um ihn in den Wahnsinn zu treiben, doch nachdem er sie fünf Mal ums Haus gejagt hatte, konnte wieder jeder darüber lachen. Sie fand es großartig, ihn und die anderen Wölfe auf die Palme zu bringen, weil sie wusste, dass es ihr niemand lange böse nehmen würde. Wie auch, wenn sie quasi selbst zum Pack gehörte? Werwölfe waren einander nicht böse.

Er hörte ein leises Surren und sah zur Seite, wo Jaspers Handy an dessen Ohr schnellte. Das letzte bisschen Farbe schien aus seinem Gesicht zu weichen.
 

„Quil!“, schrie Bella und wendete bereits. Der große Wolf drehte den Kopf zu ihr. „Edward hat etwas!“, rief sie ihm noch zu und schon setzte er ihr nach. Sie schlängelten sich geschickt durchs Unterholz, als plötzlich jemand an ihrer Seite erschien.

Bella musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass es Rosalie und Embry waren, die sich parallel zu ihnen einen Weg durchs Geäst bahnten. „Edward hat uns angerufen“, erzählte Rosalie und Bella nickte. „Uns auch. Oh, bitte, Gott, lass ihr nichts passiert sein…“

Rosalie zuckte leicht mit den Schultern, ließ sich einen Moment zurückfallen, um Embry vorzulassen, der es besser schaffte, sich einen Weg durchs dichte Gebüsch zu bahnen. Auf einmal weiteten sich die Äste und Blätter wieder und sie konnte wieder neben Bella laufen.

Unwillkürlich packte sie nach Bellas Hand, die sie ein wenig irritiert ansah. Rosalies Fingernägel krallten sich in ihre Handflächen.

„Wir müssen sie finden.“
 

Die Tür flog fast aus ihren Angeln, als Michael in das Haus der Cullens stürmte. „Carlisle!“, schrie er scheinbar hilflos, während Jared im Gegensatz zu ihm gemütlich ins Haus tapste. „Carlisle!“, schrie Michael noch einmal, bis Carlisle im Bruchteil einer Sekunde vor ihm stand. „Michael, was tust du hier? – Was tut er hier?“

Michael hörte ein leises Rauschen, als die verbliebenen drei Cullens die Treppe runterkamen, dort dann jedoch ausharrten. Er knurrte leise. „Die Volturi haben Cassie!“, platzte es aus ihm heraus.

Esmes Blick wurde starr, ihre Hand zitterte leicht, als sie sie vor den Mund legte.

„Das kann nicht wahr sein“, flüsterte Alice, aber Michael sah keinen von ihnen an. Nur Carlisle. „Du musst uns helfen.“

Carlisle fasste sich an die Stirn, sah sich ein wenig hilfesuchend im Raum um. „Wo sind meine Kinder?“, fragte er schließlich und Michael ballte die Hände zu Fäusten. „Das ist doch jetzt nicht wichtig… Sie haben Cassie.“

„Wo sind meine Kinder?“, fragte Carlisle noch einmal, seelenruhig. „Auf dem Weg zu ihnen…“, knurrte Michael leise und Carlisle nickte. „Typisch.“

Er atmete tief durch – eine reine Gewohnheitssache – dann sah er zu seiner Frau und seinen beiden Kindern, die immer noch auf der Treppe standen. „Alice, verfolg die anderen solange, wie es geht. Emmett wird auf dich achten, während du läufst.“

Alice nickte und Emmett trat automatisch einen Schritt näher an seine Schwester, bevor Carlisle nachdenklich nickte. „Okay. Wo sind die Volturi, Michael?“

Blutrausch

Jaaha, ich lebe noch. ^^ Und meiner Ansicht nach, ist das Kapitel sogar ziemlich gut geworden...

Ganz lieben Dank an die tollen Kommischreiber. :)
 

Fleur2407 Ich bemüh mich, jetzt mal häufiger zu posten. :)

xXAliceCullenXx Für eine Fortsetzng müsste ich diese Story erst mal zu Ende bringen... Aber wer weiß. Ideen hab ich immer. xD

Autumncorpse Dankeschön. :) *blush*

belle-chan Oh,ja, die hatte ich auch ehrlich gesagt... Ein kanibalistischer Vampir wär aber mal was Neues... *hüstel*

kasaja Aufhören? Ne, so bald erst mal nicht.^^

kate-clio Erledigt. ;)
 

Mein Kopf schlug hart auf dem Boden auf, als ich fallen gelassen wurde und Lärm drang an mein Ohr. Es klang, als würden Felsen aneinander scheuern, eine Stimme ging dazwischen: „Lasst ihn.“

Zwei Worte, leise, auf eine gewisse Weise fürsorglich und zeitgleich kühl.

Langsam schlug ich die Augen auf und fühlte eine kalte Hand im Nacken, die mir half, mich aufzurichten. „Hast du dir wehgetan?“, flüsterte Alans sanfte Stimme und nachdem sich meine Sicht klar gestellt hatte, erkannte ich ihn. Seine Augen waren tiefschwarz, Iris und Pupille waren kaum noch voneinander zu unterscheiden. „Alles klar“, nuschelte ich vor mich hin und rappelte mich mit seiner Hilfe auf. Er war eiskalt, eine Gänsehaut überkam mich.

Vertrauter hin oder her… Ich hatte Angst. Seine Augen waren so schwarz, als ich mich an seine Brust lehnte, spürte ich das leise Knurren in seiner Brust. Ich konnte nur ahnen, wie sehr er kämpfte, wahrscheinlich war es ein Wunder, dass er die Kontrolle noch nicht verloren hatte. Seit gefühlten Jahren dauerte diese Hetzjagd nun schon an, obwohl es in Wahrheit nicht einmal eine Woche war.

Trotzdem klammerte ich mich an ihn. So verzweifelt und so ängstlich, dass ich nicht mehr wusste, was ich wirklich fühlte. Einerseits hatte ich Angst vor ihm, andererseits hatte ich viel mehr Angst vor den Vampiren, die uns umlauerten. Die meinen Bruder überfallen und fast getötet hatten. Die uns hierher, irgendwo in den Norden verschleppt hatten. Ihre roten Augen glühten durch die Dunkelheit und ich fühlte mich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich bedroht.

Nicht von Alan. Von ihnen. Denn wenn ich heute sterben sollte, war mir eines klar: lieber durch Alan als durch diese Fremden.

Dass ich nun Angst hatte, klang irgendwie unwirklich – selbst für mich. Immerhin hatte ich, genau genommen, die letzten beiden Jahre in beständiger Gefahr gelebt. Mein Bruder war ein Werwolf, mein bester Freund genauso, meine Freunde waren Vampire und der Mann, den ich liebte, hatte schon seit Jahrhunderten kein schlagendes Herz mehr.

Also warum nun? Weil Alan leise knurrte und Vampire uns umzingelt hatten, die uns nicht freundlich gesonnen waren?

Alan hatte eine Hand in meinem Rücken und eine unter meinem Ellenbogen, mein ganzes Gewicht lehnte ich an ihn. Ich war mir sicher, würde er sich nur einen Millimeter bewegen, würde ich mitgehen, mir fehlte die Kraft, allein zu stehen.

In meinem Kopf pochte das Blut.

„Ich denke, ihr habt uns etwas zu erklären“, sagte die Stimme, die bereits zuvor gesprochen hatte und mein Puls schoss in die Höhe, als mir ein kalter Schauer über den Rücken lief. Sofort krallte ich mich stärker in Alans Kleidung, während ich förmlich in seinen Armen hing.

„Das denke ich nicht“, knurrte er. „Uns trifft keinerlei Schuld.“

Obwohl meine Sicht ein wenig verschwommen war, schaffte ich es, den Vampir auszumachen, mit dem Alan sprach. Er war alt und seine Haut erinnerte an dünnes Pergament. Seine Augen glühten durch die Dunkelheit und ein Name legte sich in meine Gedanken.

Aro.

Ich hatte keine Ahnung, warum ich wusste, wer er war. Ich wusste es einfach.

Aro schnalzte ungeduldig mit der Zunge. „Mein lieber Alan, weißt du, ich erinnere mich an ein Gespräch… das muss nun zwei oder drei Jahre her sein… Es ging um einen Vampir und seine La Tua Cantante… und wie ihr dort steht… Ihr erinnert mich sehr an die beiden.“

„Edward und Bella“, nuschelte ich in Alans Brust und er drückte mich ein wenig stärker an sich. „Cassie ist nicht mit Bella vergleichbar. Bella war schließlich ein mehr als nur außergewöhnlicher Mensch… Das einzig ungewöhnliche an Cassie ist wohl ihre Heimat“, erwiderte Alan mit einer plötzlich so höflichen Stimme, als plaudere er gemütlich übers Wetter.

„Ach, ist das so?“, fragte Aro und lächelte scheinheilig. „Nun, ich wage, mich zu erinnern, dass mir vor etwa fünfzehn Jahren ein Fall zugetragen wurde, in dem augenscheinlich eine ganze Familie von einem Vampir ausgelöscht wurde und dieser dann durch die Hände eines anderen Vampirs zu Tode kam. Wenn ich mir Cassandra nun so ansehe, dann…“

„…dann was?“, wollte Alan wissen, als Aro den Satz unbeendet ließ. Mittlerweile hatte sich sein Griff um meinen Ellenbogen soweit verstärkt, dass es wehtat. Ich musste leise wimmern, doch er hörte es nicht.

„…dann erinnert sie mich doch sehr an die Beschreibung des Kindes. Haut so weiß wie Schnee… Augen so golden wie die Carlisles… Ich habe ihn damals gefragt, ob er damit etwas zu tun hatte, aber er war so überrascht… Ich schloss ihn sofort aus, etwas damit zu tun zu haben.“

„Und was, wenn sie dieses Kind ist? Was willst du dann tun, hm?“

Aro machte langsame, fließende Schritte auf uns zu, bis Alans Griff sich völlig verkrampft hatte und mir fast die Tränen in die Augen stiegen. Aros lange Finger streckten sich nach mir aus, strichen sanft über meine Wange. Seine Augenbrauen hoben sich, als Alan nun doch zurückwich. „Das ist ungewöhnlich“, murmelte Aro und wandte sich ab.

„Jane, Felix, bringt sie fort. Ich muss darüber nachdenken…“, sagte er mit befehlerischer Stimme und verschwand durch eine Tür. Mehrere Vampire folgten ihm, einzig zwei blieben übrig.

Das Mädchen, das Alan bloß hatte anlächeln müssen, um ihm scheinbar schmerzen zu bereiten, die unvorstellbar waren. Und ein junger Mann, dessen Gesicht keine Emotionen verriet.

Schwebend kamen sie auf uns zu und das Mädchen, Jane, legte den Kopf ein wenig schief. Ihr linker Mundwinkel hob sich. „Es wäre besser, wenn wir euch nicht zwingen müssen“, flüsterte sie amüsiert und Alan schnaubte leise. Dann drehte er sich um und folgte Felix, der soeben durch eine Tür ging.
 

Der Boden erzitterte, als die kräftigen Tatzen auf ihn einschlugen. Bella brauchte keine Sekunde, um zu erkennen, dass es Jacob Black war, der sich – gemeinsam mit einem lautlosen Jasper – der Gruppe anschloss. Nun waren sie alle zusammen. Die Wölfe, die Cullens und Michael.

Niemand verlor ein Wort, während sie durchs Unterholz liefen, jeder war ganz bei sich. Jacob setzte sich gemeinsam mit Carlisle und Edward an die Spitze.

Keiner von ihnen hätte vermutet, dass es je wieder zu einer Zusammenarbeit kommen sollte, doch nun war es so gekommen. Vampire und Werwölfe waren nicht so unterschiedlich, wie sie gedacht hatten, wenn es etwas gab, wofür beide Parteien kämpfen wollten. Die Differenzen waren überbrückbar. Sie konnten einander verstehen.

Ihr Ziel war jedem bekannt. Neah Bay, eine winzige Stadt an der Küste, fünfzig Kilometer nördlich von La Push, aber ihr Weg wurde durch dichte Wälder erschwert. Trotzdem hatte Edward das Ortschild deutlich in Alans Gedanken gesehen. Dann waren sie in einem Haus verschwunden. Obwohl sie sich der kleinen Stadt näherten, hörte Edward noch nicht die Gedanken der Volturi. Alan musste seine Gedanken förmlich in die Welt hinausschreien.

„Ich habe Angst“, flüsterte Edward plötzlich und sowohl Carlisle als auch Jacob sah zu ihm. „Alan ist hungrig und Cassie klebt förmlich an ihm…“, erklärte er. Als Jacob knurrte und seine Schritte ein weiteres Mal beschleunigte, fügte Edward rasch hinzu: „Cassies Schutz ist sein einziger Gedanke. Er würde sie nie beißen…“ Jacob zog trotzdem die Lefzen hoch.

„Carlisle, ich muss gestehen, dass ich mich davor fürchte, was Alan tun könnte, wenn er die Kontrolle verliert und ich habe weniger Angst um Cassies Leben – dazu ist er zu wütend auf die Volturi – als um das einiger Vampire dort. Nicht, dass Janes Tod große Trauer bei mir auslösen würde“, murmelte er, „aber sie würden Alan auf der Stelle töten und Cassie hätte dann auch keine Chance mehr.“

Carlisle nickte. Einige Sekunden ließ er sich Edwards Worte durch den Kopf gehen, dann sagte er: „Uns bleibt nichts Anderes übrig, als zu hoffen, dass er sich beherrscht, bis wir kommen und die Wogen glätten können.“

„Die Wogen sind nicht mehr zu glätten.“

Alle drei sahen zur Seite, wo Jasper so eben aufgetaucht war. Elegant schlängelte er sich zwischen den Bäumen hindurch, ohne auf sie zu achten. Sein Blick lag auf Carlisle. „Ich weiß, es widerstrebt dir, andere Vampire zu töten, aber Alan wird sich nicht beruhigen lassen. Ich habe in den letzten Tagen mitbekommen, welche Emotionen ihn leiten. Man sagt, mit dem Alter würde man anfangen, mit Vernunft zu handeln, Alan tut das nicht. Egal, wie vernünftig er tut, er ist es nicht. Er hat zu viel gesehen, um in irgendeiner Weise seine Vernunft zu benutzen.“

„Was willst du damit sagen?“, wollte Carlisle wissen und Jasper duckte sich unter einem Ast hinweg, ohne es wirklich zu bemerken.

„Alans Emotionen bündeln sich… Selbst, wenn er dort raus ist, wird er es nicht ungerächt lassen, gerade, wenn Cassie etwas passieren sollte. Seine Gedanken mögen einem Strom gleichen und unordentlich sein, aber seine Emotionen hat er längst nicht so unter Kontrolle. Cassie ist sein Lebensgrund geworden.“
 

Mir war kalt, als sich die schwere Tür hinter Felix und Jane schloss. Der Raum erinnerte an einen Banktresor.

Kaum hatten wir ihn betreten, hatte Alan mich losgelassen und war in die hinterste Ecke zurückgewichen, als wolle er möglichst weit von der Tür entfernt sein, doch nun, als ich mich kraftlos an die Wand lehnte, wurde mir klar, dass er möglichst weit von mir entfernt sein wollte.

Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als ich ihn sah.

„Bleib bitte weg“, sagte er leise, doch ich konnte mich ohnehin nicht mehr rühren.

Nie hatte ich einen Vampir gesehen, dessen Augen so dunkel waren wie Alans nun. Die wenigen Minuten, die ich in seiner Nähe verbracht hatte, schienen ihm den Rest gegeben zu haben.

Pechschwarz wäre noch eine glatte Untertreibung gewesen.

Vielmehr war es ein alles verschlingendes Schwarz, dessen Tiefe nicht mehr zu greifen war. Keine Nacht, keine Schattenseite konnte so dunkel sein.

Wie zwei schwarze Löcher im unendlichen Universum…

„Cassie… bitte… geh!“, flehte er, während ich ihn anstarrte und vorsichtig versuchte, meinen kleinen Finger zu bewegen. Schwerfällig gelang es mir, doch das einzige, was ich sonst noch tat, war einen Schritt auf ihn zuzumachen. Ich begriff kaum, dass ich mich ihm näherte. Nur seine Worte machten es mir klar.

CASSIE!“, schrie er mich an. Ich zuckte nicht einmal zusammen.

Ein weiterer Schritt.

Er drückte sich immer weiter in die Ecke, starrte mich panisch an und schien krampfhaft nicht zu atmen. „CASSIE! ICH WARNE DICH…“ „Du brauchst Blut“, flüsterte ich.

Ich verstand nicht mehr, was mit mir los war, warum jegliche Angst verschwunden war. Ich sah nur eines: Alan war am verhungern. All der Stress hatte ihm zu sehr zugesetzt.

Noch ein Schritt.

„Nein! Ich schaffe das schon!“, drängte er mich. „Wenn Edward in der Nähe ist, wird er mich gehört haben. Ich habe ihm gesagt, wo wir sind… in welche Richtung wir liefen… Er wird mit den anderen kommen. Er weiß, dass wir in Neah Bay sind… Ganz sicher…“

Ich schüttelte den Kopf. „Es ist zu gefährlich. Selbst, wenn Edward rechtzeitig hier ist, bevor du über mich herfällst… du bist nie rechtzeitig aus der Stadt. Irgendjemandem wird etwas passieren… Ich will nicht, dass du ein Monstrum wirst…“

„Denkst du etwa, ich will das?“, fragte er und zitterte am ganzen Körper. Wäre er ein Mensch, hätte ich sofort gesagt, dass er eine schwere Grippe hätte. Aber er hatte keine Grippe. Er war nicht einmal ein Mensch. Er war ein Vampir und er brauchte Blut.

Langsam drückte er sich an der Wand entlang, versuchte mir zu entkommen. – Aber wir waren eingeschlossen.

Und noch bevor ich darüber nachgedacht hatte, stand mein Entschluss fest.

In der nächsten Ecke, ging er langsam in die Knie und es brauchte nur noch einen Schritt, dann stand ich vor ihm. Mit einem Rauschen sank ich zu Boden. „Cassie… ich warne dich…“, drohte er schwach, doch ich schüttelte nur den Kopf und tastete nach dem Saum meines Pullovers. Als meine leicht bebenden Finger ihn fanden – ich konnte den Blick nicht von diesem Vampir abwenden –, krallten sie sich hinein und ich zog mir den Pullover über den Kopf. Die Reibung ließ meine Haare elektrisch aufgeladen knistern und ich ließ den Pulli neben mich fallen. „Willst du dich umbringen?“, keuchte er und versuchte verzweifelt, noch weiter von mir wegzukommen, doch die Wand hielt seinen Fluchtversuch auf und er wusste, würde er vor mir weglaufen, würde er Unschuldige in Gefahr bringen, wenn er überhaupt herauskam.

„Nein, ich vertraue dir“, murmelte ich und rutschte ein Stück vor, während ich mir das Haar von der Schulter strich. „Ich will dich retten…“ Ich streckte meine Hand nach ihm aus und legte sie sanft an seine Wange. Ein Seufzen entfuhr ihm, aber es ging in einem Knurren unter. „Bitte, Cassie…“

„Nein…“

Ich duldete keinen Widerspruch mehr, rückte noch ein Stück weit vor und legte meine Hand auf sein Knie, um es runterzudrücken – unter normalen Umständen ein unmögliches Unterfangen. Dieses Mal nicht. Alan streckte das Bein ohne Weiteres, schien sich nicht mehr wehren zu können.

Natürlich war all das hier reiner Selbstmord, aber ich vertraute ihm. Er würde mich nicht töten…

„Ich bin deine Vertraute… also vertrau mir“, flüsterte ich und schlang meine Arme um seinen Nacken.

„Beiß mich.“

Energisch schüttelte er wieder den Kopf und ich legte meine Hand unter sein Kinn, drückte es hoch. Die Entschlossenheit in meinen Augen schien ihn zu irritieren. „Beiß zu. Jetzt oder nie, sonst verlierst du nachher völlig die Kontrolle und kannst das Gift nicht mehr aus mir heraussaugen…“

„Dann nie“, nuschelte er und nun spürte ich deutlich, dass er die Luft anhielt. Er war zu einer Statue geworden, aber noch hatte ich nicht aufgegeben. Ich drückte mich an ihn, spürte seine Kälte nun am ganzen Körper.

„Deine Familie wird dich hassen…“, flüsterte er. „Meine Wolfsfamilie vielleicht… Mary wird stolz auf mich sein…“, widersprach ich.

Er sah mich an und kurz bevor ich mich in seinen Augen verlor, schnellte er hervor, zerrte mich zu sich und biss zu. Ich hatte keine Zeit, um zu spüren, wie er seine Zähne in meinen Hals bohrte, seine etwas spitzeren Schneidezähne zuerst. Mein Herz schlug schneller, schien ihm noch mehr Blut in meine Halsschlagader pumpen zu wollen und ich fühlte einen unangenehmen Sog im Schulter und Halsbereich, als hätte ich mich verspannt und würde die Nerven und Muskeln nun überstrapazieren.

Aber das Ziehen war nichts im Gegensatz zu dem Geräusch. Blut rauschte in meinen Ohren und hin und wieder hörte ich ein leichtes Schlürfen, wie wenn man einen Strohhalm benutzte, obwohl das Glas fast leer war. Mir wurde ein wenig schlecht, doch ich riss mich zusammen und ließ mich näher an ihn heranziehen. Immer wieder durchfuhr mich ein Ruck, wenn er nach mir griff. Seine Hände lagen auf meinem Rücken, eine stützte mich im Genick, die andere weiter unten zum Becken hin. Er zog mich so weit an sich, bis er mich förmlich an seine Brust drückte und immer wieder hörte ich dieses schlürfende Geräusch, bis meine Sinne ihre Funktion aufgaben und ich kraftlos zusammensackte. Ich hörte nichts mehr, spürte nichts mehr, sah nichts mehr – bis mich eine kühle Hand packte und ich kurz darauf den ebenso kühlen Boden unter mir fühlte.

„Cassie! Cassie!“

Immer wieder rief mich jemand, doch ich verstand nicht, wer es war. Was er von mir wollte. Ein taubes Gefühl machte sich in mir breit, als ich wieder ein Ziepen in der Schulter spürte. Meine Schulter… da war etwas gewesen… Es fühlte sich schwer an, sich zu erinnern, obwohl es doch sonst immer so einfach schien.

Plötzlich schoss eine Welle aus reinem Feuer durch meine Adern und schien mich von innen heraus zu verbrennen. Ich stieß einen spitzen Schrei aus und riss die Augen auf. Kühle Arme schlangen sich um mich, als ich begann, mich auf dem Boden zu winden und ich spürte die heftige Bewegung eines Körpers, der sich an meinen drückte und nun schien auch meine Haut in Flammen zu stehen. Lippen pressten sich auf meine, doch ehe ich es realisierte, waren sie schon wieder fort und legten sich ein weiteres Mal auf meine Schulter und ich hatte das Gefühl, jemand ziehe mein Inneres und das Feuer dorthin. Doch jedes Mal, wenn es an meine Venen und Arterien schlug, verbrannte es Stücke von ihnen, bis ich mir sicher war, ich würde verbluten, weil das Blut nicht mehr in den dafür vorgesehenen Gefäßen transportiert werden konnte.

Doch dann war das Feuer fort und hinterließ nur ein unangenehmes Kribbeln. Kälte hüllte mich ein und meine Sicht, eben noch klar, verschwamm, bis es dunkel wurde und sich die Dunkelheit zur Kälte hinzugesellte.



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Von:  simone123
2009-12-30T08:51:07+00:00 30.12.2009 09:51
Super Geschichte, bitte schreib doch weiter :))
LG
Simone
Von: abgemeldet
2009-09-30T18:12:46+00:00 30.09.2009 20:12
Hey
ich lese deine ff schon seit Tagen,
hab mich aber erst vor kurzem in animexx angemeldet und da wollte ich dir mal schreiben wie toll ich deine ff finde
Ich finde es cool wie du die Spannung aufrecht erhälst und ich bin schon richtig gespannt die anderen Kapitel auch noch zu lesen
Mach so weiter und das Kapi war wirklich richtig super ;-)

Von: abgemeldet
2009-08-05T16:15:31+00:00 05.08.2009 18:15
Hallo bin neu hier
aber hab das ff schon kompplet durchgelesen:)
und ich liebe es einfach.
ich bin ein riesen fan von cassi.
hoffe es geht bald weiter:)
lg madlen
Von: abgemeldet
2009-04-15T18:29:25+00:00 15.04.2009 20:29
Hallo
Also ich habe deine FF jetzt komplett durch gelesen und schreibe meinen Kommi:
Es ist einfach der Wahnsinn, ich fühle richitg mit und kann es kaum erwarten weiter zu lesen. Ich bewundere dich um deine Ideen, mach weiter so ich werde dir treu bleiben.
Ach ja ich hoffe doch Cassie wird nicht sterben obwohl ich mich frage wo sie das Blut hernehmen wollen das sie jetzt durch den Biss verloren hat. Naja muss mich wohl gedulden
LG Lo
Von: abgemeldet
2009-03-29T01:48:10+00:00 29.03.2009 03:48
wow!!
einfach nur der Hammer^^
ich hab richtig Gänsehaut *schüttel*
tut mir leid das ich jetzt erst ein Kommi schreibe aber ich war so gefässelt von der Story das ich einfach lesen musste^^
dein Stil ist echt klasse und auch die Idee ist super
ist mal was ganz anderes ^^
macht richtig spaß zu lesen.....

ich hoffe das es bald weiter geht *aufgeregt auf und ab hüpfen*....
ganz ganz liebe Grüße^^
Von: abgemeldet
2009-03-29T00:06:42+00:00 29.03.2009 01:06
Hi,

bin durch Zufall über die Story gestolpert und hängen geblieben. Ich muss sagen sie ist einfach toll. Konnte gar nicht mehr aufhören zu lesen, aber jetzt will ich natürlich wissen wie es weiter geht. Ich hoffe bald.

Mit freundlichen Grüßen

Yumichen
Von: abgemeldet
2009-03-06T23:50:11+00:00 07.03.2009 00:50
WOW das Kapitel ist echt unglaublich! Ich bewundere deine Schreibart, sie ist sehr seriös und fesselnd, ich kann es kaum erwarten, das nächste Kapitel zu lesen!
Ich denke mal dass es zu einem RIIIIESENKampf kommen wird...hoffe ich, ich war schon beim 4.Buch unzufrieden :D

und auch ein "gut gemacht" an alle anderen Kapitel, sie sind echt unglaublich gut beschrieben von den Gefühlen und Handlungen her, meinen Respekt!

Lg :D
Von: abgemeldet
2009-02-23T14:39:45+00:00 23.02.2009 15:39
So, jetzt bin ich fertig mit nachlesen und kann auch mal meinen Senf dazugeben ^^
Es ist spannend und ich bin gespannt wie es weitergeht...
Ich werd zwar aus manchen Charakteren nicht schlau (aber da hast ja geschrieben, dass dir des ned anders geht mit Alan- und mir auch ein bissel mit Michael) ^^
Ich hätte ja nix dagegen wenn Jane das zeitliche segnen würde, aber nur, weil ich allein schon aus den Original- Büchern genug Groll gegen die Kleine hab, dass ich sie eigenhändig... - lassen wir das *räusper*
Alles in allem weiter so, kanns kaum erwarten!
Von:  IvyMireille
2009-02-20T19:54:06+00:00 20.02.2009 20:54
moah...das kapii war echt toll^^ ich konnte meine begeisterung kaum bändigen. hab mich n bissl egfühlt, als ob ich in cassies haut bin *blush*
ich bin echt schon gespannt, wie es weitergeht *g*

lg xXAliceCullenXx
Von:  bella-swan1
2009-02-17T07:24:53+00:00 17.02.2009 08:24
Hi echt super Kapi. freu mich schon drauf wie es weiter geht.
lg. kate-clio
Vielen dank für die ENS =)


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