Zum Inhalt der Seite

Am Set des Lebens

...was wir spielen
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Heimreise?

Rauschen. Ein Zug durchfährt diese stumme Nacht. Seine hell erleuchteten Fenster sind die einzige Lichtquelle auf dem langen Weg durch die schlummernde Landschaft. Nur wenige Leute sitzen noch in den einzelnen Abteilen verstreut. Viele schlafen, einem Jugendlichen quillt Rockmusik aus den Kopfhörern, aber er nimmt sie längst nicht mehr wahr...
 

Den Kopf gegen das spiegelnde Fenster gelehnt blinzelt ein junges Mädchen gegen die Müdigkeit an. Die lange Fahrt hatte ihr die knapp über die schmalen Schultern reichenden, glänzend schwarzen Haare gehörig aus der Form gebracht und ihre Sachen zerknittert.

Nichts desto trotz konnte man ihr Äußeres selbst in diesem Zustand noch als außergewöhnlich ansprechend beschreiben. Es war die unberührte Schönheit einer gerade erst erblühten jungen Frau: Lebhaft funkelnde karamellbraune Augen umrahmt von dichten schwarzen Wimpern, ein zarter Schatten unter den kaum merklich hervortretenden Wangenknochen, eine leichte jugendlich frische Röte über dem porzellanhaft anmutenden makellosen Teint.

Erschöpft kauerte sie auf ihrem Sitz wie ein argloses Püppchen, den Körper in geschmeidigen Windungen zusammengezogen. Doch dieser arglose Eindruck täuschte und niemand wäre wohl auf den Gedanken gekommen sie als unschuldiges, gar naives Mädchen zu erachten, hätte er das gefährliche Glitzern gesehen, welches im vollwachen Zustand ihren trügerisch sanften Rehaugen innewohnen konnte.

Im Moment allerdings war sie einfach nur bezaubernd, was auch einem jungen Mann wenige Sitze weit gegenüber nicht entgangen war, der aufmerksam ihre attraktiven Formen studierte und sich bemühte ihren Blick einzufangen. Kyoko hingegen schaute nunmehr gedankenverloren ins schwarze Nichts außerhalb des Zuges. Sie war sich der Veränderungen nicht bewusst, welche in letzter Zeit an ihr gewirkt hatten. Die Tage waren wie im Flug vergangen und die letzten 8 Wochen kamen ihr vor wie eine, höchstens zwei.

Die Dreharbeiten für ihren ersten Spielfilm hatte sie sehr erfolgreich beendet. Eine Nebenrolle gewiss, aber eine bedeutsame war es gewesen und sie hatte mit ihrem Spiel die Erwartungen des Regisseurs nicht nur voll erfüllt, sondern sogar noch übertroffen, zumindest hatter er ihr dies beim Abschied mehrfach beteuert. Zudem hatte sie einen äußerst berühmten neuen Freund gewonnen! Junji Hakura war seit einiger Zeit eines der beliebtesten Titelmotive sämtlicher Star-Magazine und galt als neues Idol im Filmgenre. Sein Talent wurde als überragend angepriesen und er selbst galt als natürlichster liebenswertester Schauspieler schlechthin…
 

Kyoko hatte dem ersten Zusammentreffen daher etwas unruhig entgegengesehen, schließlich hatte sie mit den beliebtesten Männern Japans bisher kaum gute Erfahrungen gemacht ^^

Aber ihre Sorge sollte sich als unnötig erweisen: Hakura-san entpuppte sich unerwarteter Weise als schüchterner, zurückhaltender Mensch, der allem Trubel lieber schnell aus dem Weg ging und rasch verlegen wurde. So kam es letztlich auch dazu, dass sich beide näher kennen lernten…
 

Die weibliche Belegschaft am Set hielt sich mit hartnäckiger Zudringlichkeit an DEN Star, weswegen es dem Umschwärmten immer schwerer fiel in Ruhe seine Mahlzeiten einzunehmen oder sich hin und wieder eine Pause zu gönnen. Schon nach einem einzigen Tag wirkte er deutlich abgespannt, als ihm im vollen Essenssaal jemand auffiel. Jemand mit der ganz speziellen Gabe unerwünschte Störer ohne jeden Umstand abzuwehren. Kyoko hatte sich einen ruhigen Platz in einer abgelegenen Ecke ausgesucht und gerade mit einem gezielten Wutball einen blasierten Macho verscheucht, dessen bloße Anwesenheit ihr ziemlich missfallen hatte. Nun war sie wieder allein und Niemand sonst hier schien sie zu kennen oder sich weiter für sie zu interessieren. Sie hatte noch keine Zeit gehabt sich mit ihren Kameraden zu befassen und sich stattdessen recht gut in ihrer gewohnten Einzelgängerrolle eingerichtet.

Er beobachtete das Mädchen noch eine Weile. <Sie spielt die Yui> dachte er < sicher wäre nichts dabei…?> und lief, eifrige winkende Bewunderer (denn nicht nur den Frauen war an einer Bekanntschaft mit ihm gelegen) ignorierend, geradewegs auf sie zu. Er sah zu wie sie den Kaffe an den Mund setzte, genießerisch die Augen schloss um sich dem aromatischen Duft einen kurzen Augenblick lang hinzugeben und einen vorsichtigen Schluck aus der dampfenden Tasse nahm. Irgendwie hatte ihm dieses Bild gefallen und er holte tief Luft um sie anzusprechen. Kyoko hatte im selben Moment realisiert, dass jemand an ihrem Tisch stand und richtete einen fragenden Blick auf ihn. Ein überraschter Zug des Erkennens zuckte über ihr Gesicht. „Eh?“ mehr sagte sie nicht.

Junji fühlte sich von ihren großen hellbraunen Augen überrumpelt und der geplante Satz wollte nicht mehr über seine Zunge kommen. Beide starrten sich eine unbequeme Minute lang an bis er seine Sprache wieder gefunden hatte. „Oh! Also…Ich wollte nur fragen…Dürfte ich mich vielleicht zu ihnen setzen?“ platzte er schließlich heraus und Kyoko wusste nicht recht ob sie sich nun wundern oder amüsieren sollte über dieses seltsam unsichere Verhalten. Sie unterdrückte beide Affekte um nicht unhöflich zu sein und nickte nur zögerlich. Junji stürzte förmlich auf den Platz ihr gegenüber und seufzte dann erlöst. Er schaute nervös um sich, wobei er sie ein bisschen an ein gehetztes Tier erinnerte, und nahm eine eher steife Haltung an. < Ohje…er hat’s gewiss nicht gerade leicht, schätze ich> musste Kyoko unwillkürlich feststellen, der die rot leuchtenden Ohren ihres Gegenübers nicht entgangen waren. < Ich hätte nicht gedacht, dass eine Berühmtheit wie er so scheu sein kann (vor allem im Vergleich zu gewissen anderen Exemplaren [vor ihrem inneren Auge erscheinen die Bilder von Sho, Ren und Reino, Überschrift: MORDS-EGO!])>

Sie seufzte gleichfalls und wandte sich soeben wieder ihrem Essen zu. Noch aber war kein Bissen im Mund angelangt, als sich Junji plötzlich zu entschuldigen begann. Er wolle sie wirklich nicht belästigen, sondern nur den vielen Leuten entkommen... verdattert winkte Kyoko ab. „Hakura-san sie müssen sich wirklich nicht…dass…äh…“ Seine Augen leuchteten dankbar auf. „Bitte nennen Sie mich ruhig Junji!“ strahlte er sie freundlich an. < Sein Lächeln ist fast so gleißend hell wie Rens…> Zum Glück schoss dieser Gedanke so schnell an ihrem Kopf vorbei, dass sie keine Zeit hatte sich über ihn aufzuregen. „Ich bin Kyoko. Kyoko Mogami.“ Gab sie herzlich zurück und sie reichten sich die Hände und waren alsbald in ein munteres Gespräch vertieft…
 

Von diesem Augenblick an wich Junji ihr so gut es eben ging, nicht mehr von der Seite und sie hielt ihm durch virtuosen Einsatz kleiner Dämonen jeden Anderen vom Leib. Eine Aufgabe die sie ebenso eifrig erfüllte wie alles, dessen sie sich je angenommen hatte.

Dabei zugezogene Eifersuchtsfolgen perlten an ihr ebenso ab, wie die sich summierenden Gerüchte. Junji hingegen fühlte sich mit jedem Tag schuldiger, denn die unverhohlenen Anfeindungen konnten ihm schwerlich entgehen. Kyoko beruhigte ihn jedes Mal und er bewunderte sie für ihre Stärke. Oft überraschte er sie auch durch seine fürsorgliche Art. Stundenlang studierten sie Szenen ein und Kyoko lernte eine Menge von ihm. Sie genoss seine inzwischen vollkommen ungezwungene, ja heitere Art zu Reden. Er bestaunte ihre wie es schien Tag für Tag zunehmende Schönheit, sowie die entschlossene Ausstrahlung ihres immer fest nach vorn gerichteten Blicks und lud sie zum Essen, Spazieren oder Kinobesuchen ein. In ihrer Gegenwart fühlt man sich sicher, überlegte er oft, so als könne nichts passieren und wäre Kyoko nicht so vollkommen unbewandert auf jenem Gebiet, sie hätte zusehen können wie er ihr Stück für Stück verfiel…

Doch dann kam unerwartet plötzlich, fast als hätte er die ganze Zeit auf ihn gelauert, der Tag an dem doch etwas passieren sollte, nämlich ihr letzter Drehtag.
 

Kyoko hatte in kürzester Zeit alle Szenen bewältigt, denn die Rolle hatte ihr wirklich sehr gut gelegen: Yui kommt aus einer sehr vornehmen Familie und lebte dort eigentlich glücklich. Doch eines Tages verliebt sich ihr Bruder Yoshiki (alias Junji Hakura) in ein Straßenmädchen und plant mit ihr durchzubrennen. Für Yui, die ihren Bruder vergöttert bricht dadurch eine Welt zusammen, doch ringt sie sich schließlich durch den Beiden zu helfen. Sie erleben gemeinsam eine abenteuerliche Reise durch die Armut in Großstadt und auf dem Land. In einem kleinen weltentlegenen Dorf finden die jungen Leute schließlich ein neues Heim. Das Glück scheint auf ihrer Seite. Doch der Anschein trügt. Auf der Suche nach dem schnellen Geld verfällt Yoshiki dem Glücksspiel, während sich seine Geliebte Makoto den Drogen hingibt und schließlich immer tiefer in die Prostitution abgleitet. Hilflos an ihre Moral geklammert verfolgt Yui den zerstörerischen Prozess von Sucht, Gewalt und Kriminalität. Als Yoshiki schließlich ins Visier der Dealer gerät muss sie mit ansehen wie ihr Bruder und seine inzwischen schwangere Freundin grausam ermordet werden. Sie schwört bittere Rache. Mit nichts als einem Küchenmesser bewaffnet spürt sie einen der Anführer der Drogenhändler auf. Sie schafft es gerade noch ihm eine Stichwunde in die Brust zuzufügen bevor sie von einem Schuss aus dem Hinterhalt niedergestreckt wird.
 

Der Junge Mann fuhr erschrocken auf. Ein hünenhafter Kerl in schwarzer Kleidung und einem mehr als nur kalten Gesichtsausdruck war plötzlich hinter dem schönen Mädchen erschienen. Er fixierte ihn mit seinen stechenden Augen und ein süffisantes Grinsen kräuselte sich boshaft um die schmalen Lippen. Ohne einen weiteren Gedanke fassen zu können stürzte der junge Mann aus dem Abteil. Das Mädchen schaute neugierig auf. Als er zurückkam war sie verschwunden.

Aufruhr bei LME

Kurz vorn weg: VIELEN DANK (!!!) für die ermutigenden Kommentare *rote Ohren krieg* dies ist meine allererste FF und ich habe mich sehr gefreut dass sie euch bisher so gut gefallen hat *tief verbeug* Ich habe mich deshalb mit dem nächsten Kapitel auch extra beeilt und hoffe ihr mögt es ebenso sehr wie das Erste...

Liebe Grüße

GSZ
 


 

Es war ein glasklarer Herbstmorgen wie er selten in Großstädten wie Tokyo vorkommt; hellgrau und eiskalt. Etwas Sonne blinzelte verschlafen in die zahllosen Fenster der verschwiegenen Bürogebäude, zwischen denen bereits einige korrekt gescheitelte Angestellte nach einem undurchschaubaren Prinzip hin und her eilten.
 

In der Einganshalle des hochmodernen LME Gebäudes bot sich derweil den früh Beschäftigten ein mehr als skurriles Bild: Ein älteres Ehepaar in bescheiden bürgerlicher Kleidung stand dort dicht aneinandergedrängt und spähte argwöhnisch um sich. Unentwegt strömten Beine und Arme an Koffern, Taschen, Requisiten oder schreienden Kindern zerrend an ihnen vorbei, alles bewegte sich in atemberaubender Geschwindigkeit, nirgends gab es einen Halt. Der Mann mit missmutiger, die Frau mit verängstigter Mine schienen nach etwas bestimmtem Ausschau zu halten, aber niemand der Vorbeigehenden konnte sich vorstellen, wen oder was diese Leute hier verloren haben könnten, drückten sie ihren Kulturschock doch so unmissverständlich aus, wie es nur jemandem möglich sein konnte, der niemals zuvor in seinem Leben mit der Businesswelt Kontakt gehabt hatte.

„Entschuldigen Sie uns doch bitte!“ rief der weibliche Teil des deplazierten Gespanns schließlich so verzweifelt in die Runde, dass unvermittelt ein adrett gekleideter Herr stehen blieb. Er wandte sich um und musterte sie von oben durch eine randlose Brille mit dem Ausdruck höchster Verwunderung. In seinen klugen Augen regte sich vergnügtes Interesse, nachdem er die, in dieser Umgebung wirklich recht eigentümlich anmutenden Gestalten, eingehend studiert hatte.

„Einen schönen guten Morgen wünsche ich. Brauchen sie vielleicht Hilfe?“ fragte er höflich. Die Frau wirkte auf einmal sehr verlegen, rang um die passenden Worte, einem solch feinen Anzug gegenüber. „Nunja, also… wissen sie… es ist… die Sache ist die… dass wir…“

„Yashiro? Was gibt es denn hier?“ ertönte es jäh hinter ihr, sodass sie mit einem erstickten Aufschrei herumwirbelte.

„Oh. Guten Tag…Wer sind sie denn? Wenn ich fragen darf?“ Die Braunen des fremden Mannes wanderten kaum merklich nach oben, milde Verblüffung signalisierend, während er mit angenehmer Stimme zu ihr sprach. Er war beachtlich hoch gewachsen, auffallend attraktiv und steckte in einer sogar noch edleren Garderobe als sein Bekannter, dafür hatte sie nämlich einen Blick. Seine Ausstrahlung besaß etwas unglaublich Vereinnehmendes und er zog die Aufmerksamkeit aller an, wie ein Wolkenbruch in der Wüste.

Der guten Frau freilich hatte es bei seinem Anblick nun vollends die Sprache verschlagen. Sie errötete und blickte verzagt zu Boden, weshalb Ren Tsuruga, Japans beliebtester Schauspieler schlechthin, einen fragenden Blick auf seinen Manager richtete, der bloß unbeholfen mit den Schultern zuckte.

„Wir suchen wen!“ meldete sich da ihr Gatte zu Wort „Wo kann man sich hier erkundigen?“ Seine schroffe Art ließ die beiden Männer leicht zusammenzucken. <Wie…grob…> dachten sie gleichzeitig, dann ergriff der Schauspieler das Wort. „Wenn sie sie jemanden besuchen wollen, können sie da vorne am Empfang….“ „Sie ist verschwunden!!“ donnerte der Mann unwirsch dazwischen, offensichtlich beeindruckte ihn das Charisma dieses jungen Burschen nicht im Geringsten. „Und ich schwöre ihnen, wenn dem Mädchen irgendwas zustößt werde ich ihre so genannte Agentur höchstpersönlich…!!“ begann er zu schimpfen. „Wer!?“ unterbrachen die zwei Anderen ihrerseits den zornigen Gesellen. Der funkelte sie misstrauisch an. „Vielleicht kennen wir sie ja?“ versetzte Schauspieler mit ruhiger aber gleichsam fester Stimme.

„M-Mogami. Kyoko Mogami heißt sie.“, stammelte die Frau nun wieder, „Sie wohnt bei uns müssen sie wiss…“ Sie hielt automatisch inne als sie die perplexen Gesichter der Männer erblickte. Besonders der Größere hatte entgegen seines gefassten Auftretens von eben, verhältnismäßig heftig reagiert und war, wie unbewusst dicht an sie herangetreten um sie mit seinen dunklen Augen zu durchbohren. „Mogami?“ wiederholte er. Notgedrungen wich sie einen zögerlichen Schritt zurück und versuchte den seltsam verwirrten Blick dieses in keinerlei Relation mit ihrer kleinen Kyoko stehenden Herrn zu entschlüsseln. „K-kennen Sie sie?" kam es unsicher aus ihrem Mund, auch ihr Mann starrte den Star nun fordernd an. „Selbstverständlich!!“ platzte an Rens Stelle Yashiro heraus „Aber weshalb sind sie…?“ setzte er nachdenklich an.

„Wissen sie“, die Frau zog ein zutiefst besorgtes Gesicht, „Koyoko-chan ist eigentlich ein sehr vernünftiges Mädchen.“ „Sie war die letzten 2 Monate für diese Agentur in äh… so einem Ort, ich glaube wegen eines Filmdrehs, oder… oder so…“ „J-jedenfalls“, sie blickte wieder auf ihre Schuhe, „hätte Kyoko-chan schon gestern Abend zurück sein sollen, ab-aber“, ein unterdrücktes Schluchzen, „sie ist nicht gekommen und… und hat sich nicht einmal gemeldet! Wir konnten sie auch nirgends erreichn!“ Mit Tränen in den Augen blickte sie dem Mann mit Brille ins Gesicht. Nor-normalerweise würde sie – sie würde….“ Ihr letzter Satz ging in verzweifeltem Schluchzen unter, aber es war auch nicht nötig weiter zu reden. Yashiro sandte Ren, dessen Gesicht sich zunehmend versteinert hatte, einen alarmierten Blick zu und mit einer Handbewegung bat er die Umstehenden ihm zu folgen…
 


 

Chloroform ist eine leicht flüchtige, farblose Flüssigkeit von süßlichem Geruch. Seine Dämpfe heben die Schmerzempfindung auf und führen zu Bewusstseinsverlust.
 

Pfefferminz. Kyoko verspürte einen starken Druck auf den Augen, ihr Körper fühlte sich steif und unermesslich schwer an. Sie lag auf etwas hartem, irgendwo rauschte ein PC, weit von ihr entfernt, jemand kaute Kaugummi? Sie wollte den Kopf heben und sich umsehen, aber es ging nicht. Allein die Lieder auch nur einen winzigen Spalt zu öffnen kostete sie große Anstrengung. Grelles Licht… !!!

Ihr Mund war trocken, die Zunge lag schlaff darin, wie ein alter Schwamm. Sie versuchte sich zu erinnern, aber in ihrem Kopf herrschte gähnende Leere.

„Wie sieht’s aus?“ „Ist sie endlich wach?“ ertönte es aus bedrohlicher Nähe. Jemand beugte sich über sie, ein anderer schlug mit den Händen ratlos gegen seine Oberschenkel. Der Duft von Pfefferminz wurde jetzt unbehaglich stark, heißer Atem streifte Kyokos Nase.

Sie riss die Augen weit auf!
 


 

Er riss die Augen weit auf!

Sarawa-san, Leiter der Talent-Section hatte sich gerade erst an seinen Schreibtisch begeben als plötzlich ein äußerst wunderliches Grüppchen sein Büro gestürmt hatte. Da war ein aufgeregt gestikulierender Yashiro, zwei ältere ländlich gekleidete Herrschaften, der Mann mit gereiztem die Frau mit Tränen verschmiertem Gesicht und ein nahezu apathischer Ren Tsuruga.

„Was in aller Welt…!?“

„Es geht um Kyoko-chan.“ versetzte Yashiro sofort.

< Das hat gerade noch gefehlt! Was hat das Mädchen nur schon wieder…> Sarawa konnte seinen Gedanken nicht zu Ende führen. „Sie ist verschwunden und wir befürchten ihr könnte etwas passiert sein!“ erklärte Yashiro in dramatischem Tonfall.

„Eh? Wieso denn das? Und wer sind diese Leute?“ dabei deutete Sarawa auf das verstörte Ehepaar. „Wir also…wir sind die Vermieter von Kyoko Mogami und…“ „Ach so…“ fiel Sarawa der Dame enttäuscht ins Wort. Er hatte insgeheim gehofft, die beiden könnten vielleicht Mogami-san’s Eltern sein, die bei dieser Gelegenheit die nicht unterschriebenen Papiere hätten absegnen können, welche schon seit fast einem dreiviertel Jahr auf seinem Schreibtisch und Gewissen lasteten. <Pech gehabt…>

„Wie kommen sie auf den Gedanken, ihr sollte etwas zugestoßen sein?“ fragte er schließlich, verwundert dass die Vermieter sich so um dieses Mädchen zu sorgen schienen. „Wenn sie noch nicht wie geplant zurück ist, haben gewiss die Dreharbeiten länger gedauert. Das kommt doch häufig vor und ist bestimmt kein Grund zur Beunruhigung." < Beunruhigend ist eher, dass Yashiso und Ren nicht selber darauf gekommen sind…> fand er und nickte dienstfertig in ihre Richtung. „Nein, das glaube ich nicht!“ protestierte Yashiro. „In diesem Fall hätte sie garantiert Bescheid gegeben. Sie ist aber überhaupt nicht zu erreichen. Das ist ganz und gar nicht ihre Art!!“ er sprach hektisch und ernsthaft bekümmert. „Hmm.“ nickte Sarawa <Sie ist in der Tat ein eher umsichtiger Mensch, aber…> „Ich rufe mal beim Drehort an.“, murmelte er mehr zu sich selbst und verließ zügig den Raum.

…und Trubel bei Google

Wahwah!! Ihr seid alle echt lieb *hüpf* Bei solch charmanten Kommies kann man wirklich gar nicht mehr aufhören mit schreiben *dauergrins* und ich freue mich außerdem verraten zu dürfen, dass in der Zwischenzeit zu meiner eigenen Überraschung schon ein richtiges Skript entstanden ist. Djar-djar hat sich regelrecht in der Tischkante festgebissen als ich ihr draus vorgelesen hab. Sie ist nämlich mein größter Fan, aber vielleicht kommt ihre Begeisterung auch bloß daher, dass sie eine Bordercollie-Hündin ist, die von mir zu sehr verwöhnt wird…A_A und deshalb kann ich auch unter keinen Umständen auf eure Kritiken verzichten!! Mein Graupapagei Tchibo ( ja, ja das ist der Name einer Kaffeemarke ich weiß , aber auch eine andere Geschichte….) fragt auch schon ständig nach Kyoko….vielleicht sollte ich beim Tippen weniger Selbstgespräche führen *lach*

=-] Liebe Grüße

Gabriel

………………………………………………………………………………………………..
 

Junji Hakura, 21 Jahre, 1.79m, erfolgreichster neuer Schauspieler, Eigenschaften: ruhig, unverfälscht, etwas verhalten,… spielte schon mit in blubblablablubbl…
 

„Überprüfst du IHN?“ fragte Yashiro gedrückt. Ren Tsuruga hockte schon fast eine halbe Stunde mit finsterem Gesichtsausdruck in der Umkleide und hackte barbarisch auf seiner Handytastatur herum. Nichts! Es gab einfach nichts gegen ihn einzuwenden. Dennoch drehte sich Ren beim Anblick seines lächelnden Fotos beinah der Magen um. <Wahrscheinlich hat er SIE auch andauernd so angelächelt… Dieser…!!> ihm fiel keine passende Beleidigung ein, er hatte ja auch eigentlich gar keinen Grund einen Wildfremden zu beleidigen… das war ohnehin kindisch….immerhin war er es, der sich verschätzt hatte.

Nie wäre es ihm in den Sinn gekommen, dass so etwas in nächster Zeit passieren könnte. Nicht einmal misstrauisch war er geworden, nachdem sie aufgehört hatte bei ihm anzurufen! Dummkopf!!

< Verdammt! Ich war immer so aufgewühlt wenn wir telefoniert haben, dass ich nie wirklich etwas Konstruktives gesagt habe> [ßhat einfach nur ihrer Stimme gelauscht ohne richtig zuzuhören] <Ich war vermutlich einfach nur glücklich ihre Stimme zu hören... deshalb dachte ich es läge wohl an mir, als sie sich plötzlich nicht mehr gemeldet hat…>

Er ächzte so schwermütig, dass Yashiro, der seit dem Gespräch mit Sarawa ebenfalls einen Kloß im Hals verspürte, resigniert den Kopf hängen ließ. < Armer Ren, wer hätte das gedacht…?>

Sarawa war nach knapp 5 Minuten delikat grinsend ins Büro zurückgekehrt. „Tja, ihr werdet es kaum glauben!“ Er wollte sie offensichtlich auf die Folter spannen und machte eine kurze Kunstpause. „Aber ich habe soeben mit dem Regisseur von » Kinder Gottes « gesprochen und der meinte, unsere kleine Kyoko-chan sei schon gestern Nachmittag zusammen mit dem bekannten Neuaufsteiger Junji Hakura weggefahren. „Anscheinend“ fuhr er beglückt fort, „haben sich die Beiden dort am Set ineinander verliebt …hach… und sie sind wohl zusammen verreist.“ Erwartungsvoll spähte er in die kleine Versammlung, wo allerdings nicht gleich begriffen wurde. „Wie’s aussieht, ist der Film schon komplett im Kasten und die Belegschaft spricht über nix anderes mehr!“ Er hatte einen schwelgerischen Ausdruck bekommen. „Erstaunlich… Kommt mir vor wie gestern als sich das Mädchen hier beworben hat. Da war sie noch ein richtiges Kind. Und nun? Erstaunlich, erstaunlich…“ Er hatte nicht weiter auf die Umstehenden geachtet und sich verträumt zurück an seinen Schreibtisch gesetzt, wo er mit nachdenklichem Kopfschütteln mehrere Dokumente hervorzog und den Rest der Welt ignorierend mit der Arbeit begann. Das Paar hatte sich ungläubig angesehen, bedankt und dann fix den Rückzug angetreten, während der ausnahmsweise völlig unverhohlen schockierte Ren von seinem Manager mit sanfter Gewalt aus dem Arbeitszimmer befördert werden musste, denn für die nächsten Szenen waren sie schon spät dran.
 

Jetzt stand Ren wieder vor der Kamera und funktionierte so tadellos wie gewohnt. Nur Yashiro hatte demnach eine wage Ahnung wie es zur Zeit in seinem Inneren aussehen mochte. Er beugte sich über Rens Handy und erblickte einen hübschen jungenhaften Schauspieler mit herzlichem Lächeln und schicken hellbraunen Locken. Ein ungutes Gefühl stieg in ihm auf, er funkelte den Mann kurz böse an und genau im selben Moment stürzte bei Google ein Server ab.
 

„Mist.“ murmelte der breitschultrige Hühne in schwarz. „Was hast du jetzt schon wieder angestellt, Trottel?“ Es war eine auffallend junge Stimme von der Kyoko nicht sagen konnte ob sie nun männlich oder weiblich war. Bestimmt aber handelte es sich um die Person mit dem Kaugummi, welche sich vorhin über sie gebeugt hatte um ihren Bewusstseinszustand zu begutachten. Unzufrieden mit Kyokos geistigen Befinden war der unförmige Schatten davongegangen und hatte sie mit dem Riesen für ca. drei Stunden allein gelassen.

Nachdem das Mädchen wenigstens ein paar Gedanken wieder beieinander hatte, hatte sie versucht aus ihm herauszubekommen wo sie war und was hier gespielt wurde. Er war nicht gerade der Klügste, andererseits aber leider auch nicht dumm genug irgendetwas Nutzvolles preiszugeben. Auf unerklärlichen Wegen entzündete sich dabei zwischen ihnen ein heißes Wortgefecht bei dem Kyoko den Räuber (denn wer sonst sollte er sein, wenn sie die geraubte Prinzessin war?) unter anderem auch einen widerlichen Kretin nannte. Ein Begriff den sie einst in der Übersetzung eines französischen Märchenbuchs gefunden hatte und der aus welchem Grund auch immer in ihrem Gedächtnis haften geblieben war; vielleicht wegen seines vornehmen Klangs… Gerade wollte er im Web, an welchem er schon die ganze Zeit klebte, ihre Beschimpfung nachschlagen, als ihm jener Ausdruck entfuhr. Überrascht wandte er sich augenblicklich um und jetzt besaß auch Kyoko wieder genügend Kraft das Pfefferminzgespenst in Augenschein zu nehmen, das soeben wieder herein getreten war. Einen überdrehten Augenblick glaubte sie eine Art Reino vor sich zu haben, dann dämmerte ihr, dass dieser wesentlich größer und älter gewesen wäre als diese Person dort und darüber hinaus eine vollkommen andere, tiefere Stimme besaß.

Sie starrten sich gegenseitig an. War das ein Junge oder ein Mädchen rätselte Kyoko weiterhin. „Es“ war schlank, einfach schwarz gekleidet und hatte halblange weiß gefärbte Haare. Das Gesicht blass und schmal zeigte kein eindeutiges Geschlecht.

„Mir is’ grad ’ne Internetseite abgestürzt…“ stotterte Miki halb verlegen, aber weder Kyoko noch die Kaugummi kauende Person scherten sich darum. Temperamentvolle schwarze Augen funkelten die Schauspielerin mit einem undefinierbarem Ausdruck an, der ihr nichts desto trotz bekannt vorkam. „Was hältst du von ihr, Miki?“ fragte Es und setzte sich doch tatsächlich auf die gefesselte Kyoko. Sie bäumte sich empört auf da schallte auch schon eine kraftvolle Ohrfeige durch die Luft. Es hatte sie mit der flachen Hand voll ins Gesicht geschlagen!
 

Autsch! In diabolischen Einbildungen versunken war Ren direkt in jemanden gelaufen. Seine Laune war dermaßen mäßig, dass er keine wahre Lust verspürte sich zu entschuldigen und stattdessen sein Opfer kalt fixierte. In der nächsten Sekunde bedankte er sich bei sich selbst dafür, denn wen er da umgerannt hatte, den wollte er unter absolut überhaupt keinen Umständen niemals nicht um Verzeihung bitten. Ein beängstigtes Augenpaar richtete sich nämlich auf ihn und ein zerknitterter Junji Hakura fuhr sich mit fahriger Hand durchs Haar. „Es tut mir… sehr…L-e-i-d…!!? seine Stimme erstarb angesichts der furchteinflößendsten Gestalt, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Die Schauspieler waren praktisch sofort nach ihrem Zusammenprall in einen dichten, schwarzen, Plasma artigen Nebelschleier gehüllt aus dem es kein Entkommen geben würde. Yashiro, kaum einen Meter hinter Ren wurde angesichts dieser Szenerie nahezu durchsichtig und drohte sich tatsächlich in Luft aufzulösen. Er taumelte ein Stück zurück, handlungsunfähig und in seinem Kopf erdröhnte ein gellendes Waaaaaaaaah! Unterdessen war Junjis Kiefer heruntergeklappt. Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären wieso sein Gegenüber am ganzen Leib bebte bis er sich im Laufe der Minuten gewahr wurde, wie er selbst haltlos zu zittern angefangen hatte; im Gegensatz zu Ren freilich nicht aus Wut dafür vor Furcht.

<Jetzt bringt er ihn um…> dachte Yashiro energielos.
 

„Ich weiß nicht so recht…“ murmelte er unsicher. „Was sollte ich schon von ihr halten?“ Das Pfefferminzgespenst stöhnte genervt und zog eine alberne Grimasse. Derweil hielt Kyoko nach ihrem Körper Ausschau, denn ihr Kopf musste nach diesem Schlag mindestens ein paar Meter weit abgeflogen sein. Die linke Seite ihres Schädels brannte gerade so als ob er gleich in tausend Teile zerspringen würde.

Der Schmerz hatte sie mit einer derartig abrupten Härte überwältigt, die ihr nicht einmal Zeit ließ ihre Mimik zu verändern oder auch nur einen Laut von sich zu geben. „Ganz schön widerstandsfähig, was?“ würdigte das Pfefferminzgespenst Kyokos Reaktionsunfähigkeit nicht rundweg unbeeindruckt. „Eigentlich ist es ein Jammer.“ „Sie ist echt süß, oder?“ fuhr Es unbeirrt fort. „Hrmhrm.“ nickte Miki. „Was hast du eigentlich mit ihr vor, Isamu?“ Kyoko richtete ihren Blick wieder auf das kauende Gesicht über sich. <Isamu… ist ein eher männlicher Name, oder nicht?>

< Profis sind das jedenfalls keine…> Überlegte sie beunruhigt weiter. < Ein Profi hätte Erstens nie jemanden wie mich entführt (schließlich gibt es nicht einen einzigen Menschen auf dieser großen weiten Welt der für MICH auch nur einen Yen zahlen würde [unwillkürlich taucht ein Bild von Sho als Dagobert Duck vor ihrem geistigen Auge auf und kleine Dämonen sprießen aus ihrem Kopf]) und Zweitens würden sich sogar Leute ohne besonderen kriminalistischen Verstand doch nicht vor ihrem Entführungsopfer einfach mit Namen ansprechen… Zumindest wenn sie noch vorhaben sollten es bei jemanden telefonisch oder sonst wie um Hilfe flehen zu lassen bzw. jemals wieder freizugeben.> Sie erschauerte. <Ich bin ausgerechnet in die Hände von zwei Psychopaten geraten!> < War ja klar das es irgendwann so kommen musste. Sicher werde ich hier sterben und dann von diesen Verrückten aufgegessen!!> Kyoko fühlte schmerzhafte Stiche im gesamten Oberkörper, als sie sich vorstellte, wie eventuell in drei bis vier Wochen jemandem auffallen würde, dass sie nicht mehr da war. Oder würde es am Ende vielleicht gar keiner bemerken? <Oh doch!> Fiel es ihr ein. < Tsuruga-san wird bestimmt irgendwann langweilig werden ohne jemanden zum piesacken und dann wird man kurz nach mir suchen. Ohne Erfolg natürlich, denn wer will sich schon deswegen Umstände bereiten lassen…? Ugh…und am Ende wollen sie höchstwahrscheinlich auch noch meine Eltern informieren und ihr sagen, dass ich anscheinend tot bin...>

„He du, was soll das den jetzt!?“ „Hör sofort auf damit verstanden!!? „Auf die Mitleidstour erreichst du bei mir nix, ist dir wohl klar, heh? Kyoko hatte gar nicht bemerkt wie ihr beim Gedanken an ihre Mutter die Tränen übers Gesicht gelaufen waren. „Entschuldigung…“ „Ich musste grad an etwas denken…“ brummelte sie abwesend hervor und fragte sich im nächsten Moment weswegen sie sich überhaupt rechtfertigte….
 

............................................................................

Achtung, Achtung! Ich möchte hier schon mal einen kleinen Hinweis auf Kap. 4 liefern: Das wird nichts für schwache Nerven! Meine kleine Schwester heult nämlich gerade vor Zerrissenheit, der Papagei ahmt sie nach und Djar-djar kauert winselnd in der Ecke. Vielleicht bekomm ich es noch bis Ostern fertig (zumindest wenn sich mein kleiner Zoo bis dahin beruhigt hat), also macht euch schon mal auf was gefasst. Huhhh klingt wie ne Drohung oder? Ich wird schon selbst ganz blass huh?

Naja nichts für ungut und Frohe Ostern falls ich’s nicht mehr rechtzeitig schaff!

i-D Gabriel

Wintereinbruch

4. Wintereinbruch
 

Es war spät am Nachmittag und die Sonne hatte sich hinter eine milchig weiße Wolkenschicht verzogen. Das diffuse Licht und die beklemmend winterkalte Atmosphäre erschöpften die Menschen und ließen sie verstummen.

Alles ringsum schien verhüllt in einen matten Schleier aus trauriger Schweigsamkeit.
 

Ren hatte den Kragen seines aschgrauen Wintermantels hochgeschlagen und sein Gesicht tief im Schal vergraben. Die Krempe des zum Mantel passenden Herrenhuts war nach unten gezogen, sodass selbst die Augen, über denen ohnehin ein dunkler Schatten hing, kaum mehr frei geblieben waren.

Hastig aber ohne Ziel lief er unablässig auf dem Dach des LME Gebäudes hin und her. Er musste unter allen Umständen in Bewegung bleiben und konzentrierte sämtliche Gedanken nur noch auf seine Füße, die derb über den Boden stapften. Sein Atem hatte sich stark beschleunigt und er fing trotz der eisigen Luft an zu schwitzen. Aber er konnte nicht aufhören! Wenn er stehen blieb, dann würden sie über ihn herfallen, ihn auseinander nehmen. All diese schrecklichen Vision! Schmerzen aus Vergangenheit und Gegenwart vermischten sich zu einer unerträglichen Qual, die es ihm unmöglich machte, zu entscheiden welche Erinnerung die schlimmste war. Tränen besaß er nicht. Schon lang nicht mehr. Was konnte er tun? Wie gierige Aasgeier stürzten schreckliche Bilder auf ihn ein und rissen an seinem Herzen, trotzdem war er nicht einmal fähig zu schreien.

Ihm wurde übel, aber er hatte bisher nichts gegessen, dessen er sich hätte entledigen können. Elendiges Nervenstechen verbreitete sich über Gesicht und Lunge, in seinen Ohren hatte sich ein widerliches Rauschen eingestellt…War das die Strafe dafür, dass er geglaubt hatte sich verlieben zu dürfen?

Alles in ihm krampfte sich erbarmungslos zusammen. < Du bist lächerlich!> hörte er eine angeekelte, höhnische Stimme sagen. Er wurde langsamer, näherte sich mit nachlässigen Schritten dem Rand des Daches, starrte in den Abgrund.

Wie läppisch gering dieser auf einmal aussah! Seine Gedanken setzten aus.
 

Klopf, klopf! Monotoner Herzschlag hallte in dem leeren Kopf wieder, der schlaff von seinen Schultern hing. Er hasste dieses Geräusch!

Klopf, klopf! Noch einen Schritt näher.

Klopf, klopf! Ihm wurde schwindlig, er schloss die Augen.

Klopf, klopf! Noch einen Schritt… klopf, klopf… und noch einen…klopf...
 

Sarawa schreckte aus seiner Kaffeepause hoch, als heute nun schon zum wiederholten Male jemand in sein Büro platzte. <Wie können die Leute an einem solchen Tag nur so voller Energie sein?> Er betrachtete den Eindringling leicht benommen von der eben noch genossenen Entspannungsphase. „Sie Wünschen?“ fragte er etwas widerwillig, da ging ihm ein Licht auf…
 

Nur langsam, gewissermaßen tröpfchenweise kehrte er zurück ins Bewusstsein. Um ihn herum schwirrten aufgeregte Stimmen durch die Luft. „Ren Tsuruga!? Bist du dir da ganz sicher?“ „Na, wenn ich’s dir doch sage!“ „Aber das ist ja…“ Vor ihm tauchte ein heller Glanz auf und plötzlich stand er wieder mitten in der Eingangshalle der Agentur. Allein…

<Allein?> Yashiro drehte sich wie ein Brummkreisel in alle Richtungen.

<Ren?>

<Ren!!?>

< Was zum…wo ist er hin?> Neugierige Augenpaare richteten sich auf ihn. Er presste die Hand gegen die Stirn. <Denk nach, Yashiro! Denk nach!!> Verzweifelt versuchte er sich zu erinnern… Er hatte die restlichen Termine seines deprimierten Schützlings sicherheitshalber abgesagt und sie wollten soeben das Gebäude verlassen als….Yashiro schnappte nach Luft. „Hakura.“ hörte er sich sagen.
 

„Hakura-san!? Sind Sie’s wirklich?“ Sarawa war von seinem Drehstuhl hochgeschnellt als er den unerwarteten Besuch erkannt hatte. „Wieso!? Ich meine…!“ Er räusperte sich und fand schließlich in einen angemesseneren Ton zurück. „Was kann ich für SIE tun?“

Er konnte nicht umhin, den jungen Mann verdutzt anzustarren. „Ich, äh…“ Erwiderte der Andere etwas unbeholfen und eine leichte Röte trat ihm ins Gesicht. „Ich wollte hier nach Mogami-kun… …fragen…? “ Er biss sich auf die Unterlippe und verschränkte die Hände hinter dem Rücken, wie ein schuldbewusstes Kind nachdem es sich in große Verlegenheit gebracht hat, während er vom Hals an aufwärts nach und nach immer rötlicher anlief.

Die Signalfarbe verfehlte nicht ihre Wirkung. Sarawa grinste genüsslich und begab sich schon zu einem Unterlagenordner mit dem Buchstaben M als er jäh zu Salzsäule erstarrte. Unendlich langsam, wie in Zeitlupe drehte er den Kopf wieder zu dem nervösen Schauspieler mit einer Mimik, welche diesen augenblicklich wieder erbleichen ließ.
 

Yashiro war nach draußen gerannt, wo er sich panisch umblickte. <Wo können sie nur so schnell hin…?> Er hatte den Satz noch nicht richtig zu Ende gedacht, da fiel ihm wie aus dem Nichts ein aschgrauer Hut vor die Füße. Ahnungsvoll hob er ihn auf und richtete den Kopf nach oben. Alle Fenster waren wegen des frostigen Wetters verschlossen…

< Das DACH… !?>

Ahhhhh…!!! Vollbremsung! Beinah wäre Yashiro mitten in die beiden Männer gestürzt, welche ihm in der 3. Etage entgegen gerannt kamen. „Sie!?/Ihr!?“ Ertönte es zeitgleich. Yashiro fasste sich als erster: „Ren ist auf dem Dach, ich glaube er…!!“

Damit bahnte er sich seinen Weg zwischen Sarawa und Hakura hindurch und jagte weiter die schier endlosen Treppen empor. Die andern beiden Männer wechselten einen flüchtigen Blick und eilten ihm dann kurz entschlossen hinterher. Oben angekommen konnte Yashiro nicht mehr sagen, wie viele Leute er unterwegs angerempelt hatte, aber seine Arme taten ungeheuer weh. Darüber hinaus ließ es sich einfach nicht verhindern, dass seine Hand unkontrollierbar zitterte, als er sie nach der Türklinke zur Dachfläche ausstreckte. Hinter sich vernahm er das Keuchen von Hakura, wenig später Sarawa. Mit ungeheurer Überwindung öffnete er die Tür. Eisiger Wind schwappte ihm entgegen. „REN!!?“
 

Kyoko schlug die Augen auf. Ihr war nicht klar wie viel Zeit inzwischen vergangen sein könnte, aber anscheinend wurde es draußen schon langsam dunkel. < Bin ich eingeschlafen oder war ich nur einen Moment lang unaufmerksam?> Sie ließ ihren Blick durch das Zimmer wandern. Isamu hockte unverändert mit aufgeschlagenem Buch in der Hand auf einem Sessel. Miki kauerte vorm PC. < Wie alt die wohl sind?> Sie schüttelte sich. < Darüber sollte ich mir wirklich die aller wenigsten Gedanken machen…>

<Ich hatte doch eben noch so ein merkwürdig ungutes Gefühl… Was das wohl war?>

<Naja ist vermutlich kein Wunder in meiner Situation.> Sie schluckte schwer.

Isamu hatte ihren Blick offensichtlich bemerkt und näherte sich lautlos wie eine Raubkatze, sodass Miki es nicht mitbekam. Kyoko sah ihm stur in die Augen und nahm sich fest vor nicht zu blinzeln. „Na Kleine. Wie geht es deiner Wange?“ flüsterte er ohne einen besonderen Gefühlsausdruck in der Stimme mitschwingen zu lassen. Seine Hand strich fast zärtlich über ihr Gesicht. Kyoko fröstelte und stellte gleichsam fest, dass ihr tatsächlich ziemlich kalt war. Der Raum war schlecht geheizt und sie lag schon mehrere Stunden gefesselt auf dem Boden… Außerdem hatte sie schrecklichen Durst! Aber sie würde es sich nicht anmerken lassen!! „Höchst bedauerlich, ein willensstarkes Mädchen wie du…Wir werden wie’s aussieht nicht umhin können, dich ein bisschen zu quälen, Kyoko-chan.“ Jetzt hatte sie doch geblinzelt und anschließen die Augen weit aufgerissen. Ihr Mund klappte auf, aber kein Wort schaffte es über ihre Lippen. <WOHER…!!?>
 

Aladin saß umringt von bunt verschleierten orientalischen Schönheiten auf einem edlen Perser, neben ihm eine mit reichlich Edelsteinen verzierte goldene Wunderlampe, gegenüber ein Fakir mit Schlangenkorb und Tröte. Er betrachtete ihn von Zeit zu Zeit über den Rand eines Buches und lauschte den Klängen seines beschwörerischen Spiels. Auf dem Kopf trug er einen mächtigen Turban und um die Hüften ein rotes Tuch, das ihm als Gürtel diente und in dem außer verschiedenen Utensilien auch ein großer Säbel baumelte.

„Entschuldigen sie bitte, Takarada-sama, aber da ist ein Anruf für Sie.“ Keuchte eine Assistentin hinter ihm. In ihrem Haar hingen einige Papageifedern, die nicht recht zu ihrem wesentlich weniger exotischem Bürooutfit passen wollten und von einer Auseinandersetzung mit einem übereifrigen abendländischen Händler stammten, der ihr 1 Kamel, 3 Kilo Datteln und Feigen oder zwei Lamas für ihre Ohrringe aufschwatzen wollte. „Oooch…“ Kam promt die schmollend undankbare Antwort. „Hat das nicht noch Zeit? Ich bin grad so beschäftigt…“ Damit wollte er sich wieder seinem Schundroman zuwenden, allein die Assistentin konnte das nicht so leicht hinnehmen! Ihre Augenbraun zogen sich bedrohlich zu einer einzigen schmalen Linie zusammen und ihre Antwort erklang nun bereits wesentlich schärfer. „Es scheint aber wichtig zu sein. Jemand aus England.“ „Aus England!!?“ Echote es verblüfft. „Dann geben sie mal her den Hörer. Und… Danke!“
 

........

Pfuh! *Schweiß von Stirn wisch* Kap. 4 hat mich ganz schön Nerven gekostet! Hoffe ihr mögt es trotzdem ^_^ Gabriel

4 Männer, 2 Entführer, 1 Geisel?

>Wie blass und blau ein Englein,

betritt den Licht flutenden Raum,

begräbt mit warmer roter Erde

den längst schon kalten Traum.
 

Als die Spitze seines Flügels

zart meine Haut wohl striff,

im Zweifel des Genügens,

ich hinüberschlief.<
 

Reeeen!? Ren? Yashiro war aufs Dach getreten. Ren…

Er hatte den Schauspieler nicht gleich bemerkt und war zunächst ein bisschen planlos umhergelaufen. Jetzt stand er mitten auf dem kahlen Platz, wenige Meter vor ihm lag sein Schützling auf den kalten Steinplatten, alle Glieder von sich gestreckt. Seine Schuhe ragten ein Stück über den Abgrund.

„Was soll das, was machst du da?“ fragte der Betreuer schwach. Er vernahm deutlich wie Junji neben ihm entsetzt die Luft anhielt. Ren lachte!

Er lag da auf dem Rücken und lachte, lachte, lachte…wie ein Wahnsinniger. Ein unheimliches, freudloses Lachen, kälter als Eis…

„Er ist verrückt geworden, total irre…“ wisperte Sarawa angsterfüllt. Zögerlich näherte sich Yashiro an den von Lachattacken geschüttelten Körper an und beugte sich darüber. Er stockte unwillkürlich, als er in das gepeinigte Gesicht blickte. In Rens Augen spiegelte sich ein Weltschmerz, wie er ihn noch nie zuvor bei einem Menschen gesehen hatte. War das, das Leid welches er nie hatte aussprechen können?

„Ren.“ Yashiro hob behutsam den Kopf des Freundes an. Seine Stimme verströmte Ruhe, obschon er innerlich vollkommen durcheinander war. Das düstere Lachen erstarb. Allmählich schien der Star zu sich zu kommen.

< Das ist also Ren Tsuruga!? > Junjis Gedanken wirbelten wild durcheinander.

< Was ist mit ihm…? Er ist einer der Besten, oder? [ein Vorbild…!!]>

< Genie und… Wahnsinn? Das glaube ich nicht! Bei allem was ich bisher gehört habe…>

< Bin…bin ich vielleicht schuld? Aber…, warum? Gleich nachdem wir zusammengestoßen waren, hatte er diesen mörderischen Gesichtsausdruck…. Wieso nur? Und… Weshalb ist er anschließend ohne ein Wort förmlich davongerannt…? Wo ich doch nicht mal was gesagt hab…? Das ist doch…WAS IST HIER EIGENTLICH LOS!!?>

„Ärch-Chrem!“ Meldete sich nach einer Weile Sarawa zu Wort und riss Junji aus seiner Grübelei. „Alles in Ordnung, Tsuruga-kun?“

Natürlich war es eine rein rhetorische Frage, denn offensichtlich war verdammt noch mal nichts in Ordnung, aber nachdem Ren sich anscheinend wieder unter Kontrolle hatte und aufgestanden war, fiel dem Leiter der Talent Section nichts besseres ein, um das sich aufdrängende Gespräch endlich zu beginnen. „Ja, selbstverständlich.“ Entgegnete der Angesprochene so unmittelbar und förmlich, dass Sarawas Braunen unter dem Haaransatz zu verschwinden drohten und ihm das kaum erst Erlebte noch unwirklicher erschien als es sowieso schon war. Junjis Gesicht verformte sich geräuschlos zu einem Fragezeichen und auch Yashiro wollte seinen Sinnen nicht mehr trauen. <Wie bitte? Wie hat er sich so schnell…?>. Für ein paar Sekunden schwiegen die 4 Männer, drei vor Überrumpelung, einer abwartend.

„Also…“ startete Sarawa schließlich einen neuerlichen Anlauf. „So wie’s im Moment aussieht, kann es DOCH sein, dass Mogami-san eventuell etwas… zugestoßen ist...“ Eigentlich hatte er die Angelegenheit so sachlich wie gewohnt vorbringen wollen, aber der beunruhigte Tonfall wollte sich nicht so ohne weiteres unterdrücken lassen.

„Wie jetzt!!?“ Riefen Yashiro und Ren (der alles Anderweitige mit übermenschlicher Selbstbeherrschung ruckzuck verriegelt und verdrängt hatte) synchron, dann hefteten sie ihr Augenmerk auf Junji. Dieser war beachtlich zusammengesunken und begann, nervös mit den Fingern spielend zu erzählen, was sich an jenem verhängnisvollen Nachmittag zugetragen hatte…
 

Die Vermisste huschte zum damaligen Zeitpunkt gerade wie ein Eichhörnchen umher und überprüfte ihr Zimmer auf etwaige vergessene Dinge, als jemand anklopfte. „Ja, bitte?“ Bedächtig öffnete sich die Tür und Junji kam dahinter zu Vorschein. „Hallo Kyoko-chan!“ Er lächelte ihr unentschlossen zu. „Huh? Junji-sama?? Sind sie etwa schon fertig?“ Verkrampftes Nicken. <Nanu? Was hat er bloß?> Kyoko legte erwartend den Kopf auf die Schulter. „Wie’s aussieht waren die restlichen Szenen alle soweit OK und ich kann wie du heute schon zurück, weil wir den letzten Teil ja <leider ohne dich!> im Studio in Tokyo fertig machen wollen.“ Er kratzte sich kurz an der Schläfe und schaute zu Boden. „Wirklich? Das ging aber flott!“ „Aah! Aaach was!“ Sein Kopf schnellte ruckartig wieder empor. „Soviel war’s ja gar nicht mehr.“ Winkte er mit eifriger Bescheidenheit ab und sah auf dieses ihn stets voll und ganz einnehmende Persönchen herab, welches vor ihm neben einer ätzpinken Reisetasche [die dem Darsteller sonderbarer Weise nicht weiter auffiel ^_^;] kniete.

„Ich… äh… wollte dich eigentlich fragen, ob…du…“ Nicht wissend wohin mit seinen Händen, schob er sie in die Taschen, zog sie gleich wieder heraus, ballte sie zu Fäusten und presste diese, auf den Fußballen wippend, gegen seinen Rücken. „ObduvielleichtLusthastmitmirinmein’mWagenzurücknachTokyozufahr’n!?“

Um nicht unterwegs den Mut zu verlieren, hatte er so schnell wie nur irgend möglich gesprochen. Das Mädchen brauchte eine Weile um den Sinn seines Satzes zu erschließen, da sie zuerst über dieses atemberaubende Sprechtempo staunen musste.

„Oh, tut mir Leid.“ Meinte sie schließlich ehrlich. „Aber ich hab schon meine Fahrkarte wissen sie.“ „A-ach so. Schade.“ Stammelte Junji sichtlich enttäuscht.

„Tut mir wirklich Leid, aber ich muss auch schon gleich los und…Wir sehen uns ja sicher wieder… in… Tokyo!“ Kyoko schulterte ihre Tasche und streckte ihrem freundlichen Sempai zum Abschied die Hand entgegen. „Soll ich nicht vielleicht…?“ Fragte er mit umsichtigem Blick auf ihr schweres Gepäck, während seine kühlen aber dennoch schwitzigen Finger ihre warme Hand ergriffen. „Nein, nein. Kein Problem.“ Entschied sie und schlüpfte flink an ihm vorbei. „Bis bald Junji-sama!“ Noch ein Winken, danach war sie verschwunden und der Schauspieler fühlte sich in dem verlassenen Gang schlagartig verloren und fehl am Platz…
 

„Ich habe zweifelsohne oft versucht sie zu erreichen, aber sie scheint wie vom Erdboden verschluckt zu sein.“ Schloss Junji seinen Bericht ab und blickte seine Zuhörer beklommen an.

„Das ist nicht gut. Wir sollten zunächst Takarada-san informieren und dann werden wir schon weitersehen.“ Schlug Sarawa etwas mutlos vor. Yashiro nickte stumm. Ren rührte sich nicht, er musste das alles erst noch verarbeiten.

„Also los!“ Der Schauspieler war nicht sicher wer gerufen hatte. Mechanisch setzte er sich letztlich aber doch noch in Bewegung um den Vorrauseilenden zu folgen. <Sie ist nicht mit ihm weggefahren…> <Nur… erleichtert mich das unter den gegebenen Umständen irgendwie überhaupt nicht…? Was ist mit ihr!?>

„Takarada-san müsste um diese Zeit in den Konferenzräumen anzutreffen sein.“ Sarawa hatte das Regiment übernommen und ging voran.

„Sarawa-kun!“ Ein Angestellter hielt ihn auf. „Was denn, was denn? Ich hab jetzt keine Zeit.“ Wehrte er sich unwirsch, aber da hatte ihm der Bote schon einen Brief in die Hand gedrückt und sich davon gemacht. Verärgert betrachtete er den Umschlag: Sarawa persönlich! Im Weitergehen riss er ihn auf und blieb so abrupt stehen, dass er hinter sich eine kleine Karambolage verursachte. „Was nun schon wieder?“ Die Stimmung war inzwischen ziemlich gereizt, doch das war ihm im Augenblick egal. Mit unheildrohender Mine überreichte er Yashiro den Brief. Ren spähte seinem Manager locker über die Schulter, Junji lehnt sich seitlich über das aufgefaltete Blatt.
 

Denken sie gut nach Sarawa! Wir erwarten den Schauspieler, dem Kyoko Mogami am meisten bedeutet morgen um 14 Uhr pünktlich auf dem Dach des alten Radiogebäudes. Er soll allein kommen. Niemand sonst erfährt etwas. Keine Polizei!
 

Untendrunter war unnötiger Weise noch die Adresse angegeben: So gut wie jeder in der Stadt kannte die alte Sendestation! Sie stand leer und konnte wegen rechtlicher Streitigkeiten weder genutzt noch abgerissen werden. Ein Skandal in einer hoffnungslos übervölkerten Metropole wie Tokyo! „Soll das ein Erpresserbrief sein?“ „Ein Loveletter ist es wohl kaum.“ Ren funkelte den Sprecher verächtlich an. „Aber…“ Verteidigte sich dieser. „Komisch ist das schon, oder? Ich meine diese uneindeutige Aufforderung, mit Hand geschrieben und Lösegeld wird auch keins gefordert.“ „Da haben sie Recht, Hakura-san.“ Pflichtete Sarawa beschwichtigend bei, Streit konnten sie nun am allerwenigsten gebrauchen! „Das geht nicht mit rechten Dingen zu und vor allem frage ich mich, wer hier gemeint ist.“

„Ich gehe!“ Kam es unverzüglich und wie aus einem Munde von den beiden Leinwandgrößen, sodass sich die Leute im Vorbeigehen neugierig umdrehten. Beiden war schlagartig klar geworden, dass Kyoko in Gefahr war, in großer Gefahr…!
 

„So hören sie doch! Der Präsident ist zur Zeit nicht erreichbar. Er hatte plötzlich einen dringenden Anruf und musste unverzüglich fort. Fort verstehen sie!? Er… IST NICHT DA!!“

„Fort, fort! WOHIN fort!??“

„Das kann ich nicht sagen. Ich weiß es ja selber nicht! Der Anruf kam von London.“

„Ich will nicht wissen woher der Anruf kam, sondern wohin Takarada verschwunden ist!“

Rorys Sekretärin hatte inzwischen Wuttränen in den Augen, das war heute eindeutig nicht ihr Tag. Erst waren die Affen eines arabischen Straßenkünstlers ausgebrochen und nun umringte sie eine Horde Männer, die sich auch nicht wesentlich vornehmer verhielten. Pausenlos bestürmten diese sie mit immer der selben Forderung: Rory! Woher sollte sie wissen, wohin ihr Chef gegangen war? Nachdem er kurz in den Hörer gelauscht hatte, war er aufgesprungen und hatte seither kein weiteres Lebenszeichen von sich gegeben!
 

„So kommen wir nicht weiter.“ Nach einem kurzen kämpferischen Wortwechsel zwischen Hakura und Tsuruga, die sich jeweils in der Rolle des „Schauspielers dem Kyoko Mogami am meisten bedeutet“ sahen, hatte sich das Grüppchen geeinigt, die Sache zuerst ihrem Oberhaupt Takarada vorzutragen, bevor man weitere Maßnahmen festlegen könnte.

Da der Gesuchte nicht wie gewöhnlich in den Seminarräumen aufzufinden war, versuchten sie ihr Glück bei seinem Büro, doch leider…„Verdammt und zugenäht, wenn man ihn mal braucht ist er weg! Und was als Nächstes?“ Betretenes Schweigen, Ratlosigkeit machten sich breit.
 

„Was schreibst du da eigentlich die ganze Zeit!?“ Kyoko kam sich immer dümmer vor, wie sie so als Geisel auf dem Boden herumlag, während sich ihre zwei Hitzköpfe von Entführern gegenseitig anschrieen. Bei Anbruch der Dämmerung hatte Isamu einen fremden Jungen losgeschickt, um eine besondere Botschaft ins LME Gebäude zu bringen und sich strikt geweigert ihrem Partner ihren genauen Plan zu verraten. Der hatte sich logischerweise absolut aufgeregt darüber und so langsam drohte die Debatte zu eskalieren. Die Gefangene verfolgte das Spektakel mit einem flauen Gefühl im Magen, denn diese gesamte Geschichte wurde faktisch immer toller: Warum kannten die beiden ihren Namen? Was hatte LME damit zu tun? War es also kein Zufall, dass ausgerechnet sie verschleppt wurde? Welches Ziel verfolgten sie damit?

Isamu versuchte Miki vom Computer wegzudrücken um freie Sicht auf dem Bildschirm zu haben, aber gegen seinen breitschultrigen Kontrahenten hatte der eher schmächtige Junge keine Chance. „Schaust du dir Pornos an oder was? Flirtest mit dämlichen Chatgirlies?“ „Du wirst schon sehen.“ Miki baute seinen muskulösen Körper vor Isamu auf, der nach einem Stoß in den Magen neben Kyoko gelandet war und seine Erscheinung verfinsterte sich dramatisch. „Reg dich ab.“ Versuchte der Kleinere noch einzulenken, als ihm ein Schuss das Wort abschnitt…
 

…………….
 

So! *rote Augen reib und Finger ausschüttel* Kap. 5 ist fertig und langsam wird’s auch richtig interessant hoffe ich ;-) Übers Wochenende werde ich leider nicht da sein, aber es würde mich natürlich sehr freuen bei meiner Rückkehr wieder ein paar liebe Kommies vorzufinden A_A

Hab mich diesmal extra bemüht das Kap. etwas länger und einheitlicher zu gestalten, was aber ziemlich schwierig ist, weil einfach zu viel gleichzeitig passiert!

Dank eures beherzten Einsatzes ist mir der gute Ren auch noch mal davongekommen… Naja, brauche ihn sowieso noch ein Weilchen *allwissend grinst* :-P
 

Schon eine Ahnung was es mit Miki und Isamu auf sich haben könnte?
 

Schönes sommerliches Wochenende euch allen

Kommt bitte besser als Kyoko über diesen Freitag den 13.
 

*winks*

Gabriel
 

Namensexkurs:

Isamu – mutiger Kämpfer/Krieger

Miki - Baumstamm

Junji – gut aussehend und hervorragend

Rot

An deiner Hand durch Spiegel:

Aus fiebriger Nacht ein Schritt!

Statt Blut gerannen Tränen,

du weintest leise mit.
 

Unsere Füße ziehen,

Schatten lang und schwer,

um uns ragen Sphären

durchs Fenster auf das Meer.
 

Licht mit einer Wellenlänge zwischen etwa 625 und 740 nm wird vom menschlichen Auge als die Farbe rot wahrgenommen. Es ist Farbe von Liebe, Leidenschaft, Aggression und Freude(in China). Sie bildet einen besonders eindringlichen Kontrast zu Weiß, welches für Reinheit, Unschuld oder in einer matteren Variante auch für Trauer stehen kann...
 

Kyoko fühlte sich, als wäre sie schon wieder betäubt worden. Sie konnte sich nicht bewegen, wagte kaum Luft zu holen, hörte nichts mehr von dem, was um sie herum geschah. Alles schien sich hinter einer schalldichten Glasscheibe abzuspielen, wie wenn jemand beim Fernsehen den Ton abgedrehte.

Ihre Augen waren weit aufgerissen dass es wehtat, während sie vollkommen gelähmt auf die schreckliche Szene starrte, die sich in seltsamer Zeitdehnung direkt vor ihr abspielte.

Isamu war von der Kraft der Kugel, die ihn getroffen hatte, nach hinten geschleudert worden. Er zuckte heftig, krümmte sich vor Schmerz, wobei sein Blut allmählich das schwarze Shirt durchnässte und auf dem cremefarbenen Fliesenboden eine dunkel glänzende Lache bildete. Jedes Detail seiner verzerrten Züge brannte sich in ihr Gedächtnis ein, aber sie konnte sich unmöglich abwenden, bis jemand ihre Schultern grob von hinten packte und das grässliche Bild vor ihren Augen verrutschte…
 

Die Nacht hatte schon längst Einzug gehalten und ihr klägliches Dunkel über das ewig lebendige Tokyo gebreitet. Ein paar vereinzelte Überstundler und Nachtschicht habende schlichen noch immer müde durch die Gänge der plötzlich viel weitläufiger wirkenden Agentur. Manche von ihnen, die in der Nähe der Talentsection beschäftigt waren, würden am nächsten Morgen von einem jähen Kälteeinbruch inmitten des gut beheizten Gebäudes berichten…
 

„Wir können jedenfalls nicht so ohne weiteres BEIDE dahin spazieren! Was wenn die Entführer das als Bedrohung ansehen und Kyoko etwas antun!?“

„…!“

<Kyoko, sagt er.> Rens vereiste Ausstrahlung ließ die Moral der

-kleinen Gesellschaft zur schnellst möglichen Rettung von Fräulein Mogami- noch ein Stückchen unter den absoluten Nullpunkt sinken. Sie hatten sich die letzten Stunden über, im Kreis gedreht soviel stand fest.

Yashiro und Sarawa wollten die Polizei einschalten. Die Schauspieler waren dagegen und durchaus bereit auf die Forderungen des Drohbriefes einzugehen, jeder freilich höchstpersönlich und unbedingt ohne Begleitung des jeweils anderen...

Gern hätte sein Manager Ren erklärt, dass höchstwahrscheinlich Hakura der verlangte Akteur sei, weil dieser immerhin die letzten 2 Monate mit der Vermissten verlebt und sich nahezu öffentlich in sie verliebt hatte. Aber er brachte es nicht übers Herz seinem seelisch angeschlagenen Freund in den Rücken zufallen, ebenso wenig wie ihn pflichtgemäß an den genau zur fraglichen Stunde angesetzten Termin zu erinnern: Einen wirklich wichtigen Gastauftritt in einer der populärsten Life Shows des Landes, an deren Vorbereitung mindestens schon seit einem viertel Jahr gearbeitet wurde!

Stattdessen ließ er aus seinem Lehnstuhl heraus erwägend den Blick durch Sarawas Büro streifen, in welchem sie sich verschanzt hatten.

Der Abteilungsleiter hing sichtlich marode am Telefon, mit dem er im halbe-Stunde-Takt versuchte, den scheinbar ebenfalls verschollenen Präsidenten zu kontaktieren. Junji pendelte friedlos zwischen Tür, Aktenschrank und Schreibtisch im Dreieck, verfolgt von düsteren Blicken aus Richtung des Fensters, wo sich Rens hohe Gestalt gegen die Glasscheibe gelehnt hatte.

Nur ab und zu machte jemand eine vergebliche Bemerkung...

„Wir sollten uns nicht verrückt machen, denke ich. Das bringt sie schließlich auch nicht zurück! Und da wir keine eindeutigen Hinweise haben, wer von euch in diesem ‚Brief’ gemeint ist…“ Yashiro deutete mit schwerem Arm auf das Papier. „…müsst ihr halt tatsächlich gemeinsam gehen. Eine andere Möglichkeit gibt es leider nicht… […Ihr weigert euch ja die Polizei hinzuzuziehen, obwohl das…]“

Zwar ging sein letzter Satz in gedankenvollem Gebrumm unter, aber endlich hatte er die einzig logische Schlussfolgerung ausgesprochen, gegen welche man sich im Stillen schon seit einer Ewigkeit sträubte und die dennoch unumgänglich war.

„Ihr müsst einfach zeigen, dass ihr ansonsten allein seid und unbewaffnet, dann wird bestimmt nichts Schlimmes passieren.“ Bekräftigte er seinen wackeligen Standpunkt gegenüber den vorwurfsvollen Gesichtern und konnte dabei selbst nicht richtig glauben, was er hier halbwegs plausibel zu formulieren versuchte.

„...“ <...>

„Wahrscheinlich haben sie recht Yashriro-san.“ Der von Zweifeln geplagte Redner staunte nicht schlecht, als ihm nach kurzer Bedenkzeit entschlossen zugenickt wurde. „Wahrscheinlich.“ Flüsterte er bedrückt und bedauerte fast seinen kleinen Ausbruch. Sinn machte es jetzt wohl keinen mehr, abermals auf das Wagnis zurückzukommen, dessen sich ohnehin jeder Einzelne bewusst sein musste.

„Wahrscheinlich…“
 

Innerhalb einer einzigen Sekunde war die vollständige Wahrnehmung der Schauspielerin zurückgekehrt. Der Lärm aufgebracht durcheinander redender Stimmen, der Gestank von Blut und Schweiß sowie die derben Stößen, mit welchen man sie aus dem Zimmer beförderte schwappten regelrecht über ihr zusammen.

Drei professionell vermummte und bewaffnete Personen machten sich um sie herum zu schaffen.

„Du räumst hier auf Idiot! Sag mal wer hat gesagt, dass du schießen sollst!? Schau dir die Schweinerei an.“ Kopfschüttelnd wies ihn der Anführer zurecht, welcher Kyoko fest am Riemen gepackt hielt. „Ich schaff die Kleine hier weg. Und du kümmerst dich um das da.“ Ein Nicken in Richtung des angeschossenen Isamu veranlasste Kriminellen Nr. 3, den Verwundeten mehr als unsanft über die Schulter zu werfen.

<Er hat Glück, bewusstlos zu sein. Oder ist er etwa…?> Sie schluckte den Gedanken rasch herunter. Ohnehin zog gerade etwas Neues ihre Aufmerksamkeit an: Miki sprach mit dem Vermummten, der Isamu schleppte. Er war ein wenig blass um die Nase und flüsterte, weshalb sie nicht mitbekam worum es ihm ging. Offensichtlich war nur, dass er mit diesen Leuten kooperiert haben musste, weil sie ihn verdächtig vertraut behandelten. Nr.3 klopfte dem Jungen gerade ermutigend auf die Schulter und gab ein undefinierbares grinsendes Murmeln von sich. < Was wird das hier nur? Etwa noch mal verschleppt!? Kann auch wieder bloß mir passieren, mitten in einer Entführung noch mal gekidnappt zu werden…!> Ihre Verwirrung kannte längst keine Grenzen mehr.

„Also dann.“ Miki begleitet von Nr.3 hatte sich zu ihnen in einen vollkommen leeren Gang gesellt und ihr Tross setzte sich in Bewegung, den übel fluchenden Schützen zurücklassend.

„Wo bringen sie mich hin? Lassen sie mich gehen!!“ Einen Versuch war es wert gewesen, aber der Mann hinter ihr schnaubte nur durch die Nase und schob sie gleich einer Schaufensterpuppe vor sich her. „Miki-kun!“ Am Ende des Ganges hielten sie an und der Gerufene verband ihr die Augen. Sie weigerte sich nicht, eigentlich war es ihr sogar ganz recht, denn so musste sie das alles endlich nicht mehr mit ansehen. Ihr war schon alles egal...

Sie fühlte die frische Luft, nachdem die suspekte Karawane das Haus verlassen hatte, spürte wie sie auf etwas Weiches gelegt wurde, gewahrte zuletzt das Schlagen von Autotüren und Starten eines Motors, dann wurde sie ohnmächtig, entglitt in einen unruhigen Traum...
 

Bei ihren selbsternannten Rettern am andern Ende der Stadt war derweil nicht an Schlaf zu denken, denn sie hatten sich entschlossen ihr Hauptquartier in ein Hotel nah am Rundfunkgebäude zu verlegen: Dort angekommen hielten sie ein appetitloses Mitternachtsessen ab, Sarawa informierte knapp seine Familie, Junji seinen Betreuer über ihre kurzfristige Unverfügbarkeit („wegen eines schicksalhaften Zwischenfalls“), Yashiro bemühte sich die richtigen Worte zu finden für die unvermeidbare Absagemail an die Veranstalter der Life Sendung, Ren zog sich vorsorglich ins Schlafzimmer zurück.

Es war eine seltsame hilflose Stimmung. Allen ging die nagende Ungewissheit sichtlich nahe, Müdigkeit zehrte an ihren Kräften, aber niemand beklagte sich. Ihnen blieb nichts außer abzuwarten und so harrte jeder für sich auf den Morgen und die Dinge welche er für sie bereithalten möge...

In der Falle

In der Falle

Schlag auf Schlag
 

Was bisher geschah:

Bei einem Filmdreh weit außerhalb von Tokyo vernarrt sich der populäre Newcomer Junji Hakura in seine Kollegin Kyoko Mogami. Als diese jedoch bei der Heimreise entführt wird, müssen sich ihr (ebenfalls heimlich in sie verliebter) Sempai der Superstar Ren Tsuruga, dessen Manager Yashiro und der Leiter der Talentsection ihrer Agentur zusammenschließen, um sie zu befreien. Zunächst sieht alles nach der Tat von Amateuren aus, doch dann fallen plötzlich Schüsse und die Ereignisse überstürzen sich… Werden die beiden Schauspieler Kyoko retten können? Und was hat es mit dem mysteriösen Verschwinden des Präsidenten von LME auf sich?
 

„Da ist doch was faul, das riech ich doch! Ich… ich halt das nicht mehr aus! Sie sind schon viel zu lange weg! Bestimmt ist dort was schief gegangen. Wir hätten sie nie gehen lassen dürfen! Ich hab… andauernd hab ich gepredigt die Polizei einzuschalten und jetzt ist es bestimmt zu spät! Oh mein… Was sollen wir jetzt tun? Was tun wir denn jetzt!!?“

„Reg dich erstmal wieder ab Yashiro-kun. Es sind keine 2 Stunden rum, wir sollten wenigstens noch ein bisschen Geduld aufbringen.“

Der Angesprochene reagierte kaum und huschte weiterhin wie ein aufgebrachtes Erdmännchen durchs Zimmer, mal hier mal dort Platz nehmend und sofort wieder aufspringend. Geduld haben? Das war leichter gesagt als getan…
 

Gegen 13.30 waren zwei gut getarnte Schauspieler aufgebrochen um sich zu einem dringenden Stelldichein zu begeben. Gerade standen die Männer an einer roten Ampel als das Mobiltelefon des Größeren Alarm schlug. Unwillig zog er es aus der Tasche. Eine Videonachricht mit unterdrückter Nummer kündigte das Display an.

< Eine Videonachricht? Wie ungewöhnlich…> Ohne Zögern spielte der Empfänger sie ab. Stutzen. < Was ist das? >

Der Kopf einer jungen Frau auf der Tageszeitung liegend war erschienen. „Kyoko!“ Rief sein Begleiter überrascht. „Eh?“ Ren warf einen fragenden Blick auf Junji, dann wieder auf sein Handy. Er hatte sie nicht gleich erkannt…?

Die Kamera änderte ihre Position und nun sahen sie ein Schild, auf dem mit Zeitungsbuchstaben eine ihnen unbekannte Adresse sowie folgende Einladung geklebt war:
 

Bis gleich. Bring deinen Freund ruhig mit.
 

Sie verschwendeten keine Sekunde und sprangen sofort vor das nächste vorbeikommende Taxi. Eine quietschende Vollbremsung, Türknallen und für einen verschreckten älteren Herrn begann die Kamikazefahrt seines Lebens.

„Stooooopp!“ Junji hatte das Straßenschild schon von weitem erkannt und warf dem unfreiwilligen Chauffeur sämtliches Geld in seiner Tasche auf den Sitz.

Die beiden Männer stürmten aus dem Wagen. < Oh Mama! > Die Gegend ließ sich nur mit einem einzigen Wort beschreiben: Zwielichtig. Ein vom Rauch jahrelanger Industriedämpfe und Autoabgase geschwärztes Betongebäude mit eingeschlagenen Fensterscheiben und obszönen Grafitties an den halb zerfallenen Wänden türmte sich vor ihnen auf. Der Gestank welcher aus diversen, dicht besiedelten Müllcontainern daneben aufstieg war bestialisch. Nirgends drang Sonne auf die zerschlagenen Gehwegplatten herab... „Das muss es sein.“ Der Kleinere deutete auf das gilbliche Nummernschild. Sie zuckten zusammen als hinter ihnen die Taxe davonraste. „Gehen wir.“
 

Leise öffnete Ren die Tür. Das Innere war in ein beunruhigendes Halbdunkel voller undurchdringlicher Schatten getaucht. < Wir sollten besser auf der Hut sein…! > Still zaudernd drangen sie weiter vor, der Holzboden knarrte verräterisch.

„Aah!“ Kam es plötzlich von Hakura, kurz darauf spürte auch der Andere einen schmerzhaften Stich am Rücken. Beide brachen augenblicklich zusammen.
 

Kopfschmerzen! Ein unvorstellbarer Brummschädel holte Japans meistverehrte Filmikone zurück ins Bewusstsein. Er öffnete die verklebten Augen einen schmalen Spalt. Erst nach ein paar Minuten stellte sich sein Sehvermögen wieder ein.

Er war in einem Auto? Wohin fuhren sie? Warum war er gefesselt? Verständnislos stierte er auf die Fuß- und Handschellen an seinen Gelenken… < Kyoko! > Die Erinnerung brach sich Sturzbachartig einen Weg durch die Unordnung in seinem Gehirn. Er sah sich um. Neben ihm lag Hakura noch immer besinnungslos und sehr blass…

„Oh, schau mal Dornröschen 1 ist munter. Ich hab’s dir ja gesagt!“

„Tja er ist halt der Größere. Du hast gewonnen.“ Im vorderen Teil des Fahrzeugs wechselte Geld den Besitzer. „Der berühmte Ren Tsuruga und Junji Hakura. Ich hätte nie geglaubt, dass ich mal zwei derartige Größen in meiner alten Karre rumkutschieren würde, nicht wahr?“ „Wem sagst’e das!?“

„Was soll… Wohin…Sie… !“ < Was tu ich hier eigentlich? Die werden mir garantiert nicht auf die Nase binden was sie vorhaben! > Ermahnte sich der Schauspieler, während vom Beifahrersitz ein belustigtes Kichern zu hören war. „Wir sind gleich da und… Oh wie schön, dein Kumpel ist auch gleich wach! Das passt prima, da müssen wir euch nicht wieder so herumbuxieren.“
 

Die Fensterscheiben des Pkws waren verhangen, um zu verhindern, dass sich die Gefangenen orientieren könnten. Als man sie aus dem Wagen holte stand dieser bereits in einer großzügigen Tiefgarage. Augenbinden begleiteten sie auf ihrem Weg durch mindestens 5 Räume. Eine 6. Tür wurde aufgeschlossen. Irgendwer nahm ihnen die Fesseln ab und stieß die Blinden über die Schwelle. Hinter ihnen schnappte das Schloss zu!

Sie rissen die Augenbinden herunter, mussten aber erst einmal geblendet abwarten, um sich an die enorme Helligkeit zu gewöhnen. Sie befanden sich in einer geräumigen hohen Stube mit wunderschönen Wand- und Deckenmalereien von Reihern, Kirschblüten und japanischen Landschaften. Edle Möbel in leuchtendem weiß, ein gewaltiger Kronleuchter, mehrere Himmelbetten, ein Heer an Blumen, zahlreiche Kunstwerke und eine reich gedeckte Tafel warteten auf Bewunderung. Waren sie in einen Palast gebracht worden? Oder war es ein Traum?

„Mogami-san!“

„Waahh-was?“ Verschlafen blinzelte ein tief zwischen dicken Daunenkissen vergrabenes Mädchen in das besorgte Gesicht ihres Sempai, der sie eben erst geortet hatte und sich besorgt über ihren Schlafplatz beugte.

„Tsu-…!!“ TONK! „Autsch!“ Sie hatte sich so rasch aufgesetzt, dass ihre Köpfe aneinander gestoßen waren. „Tsuruga-san!?“ Ihre Stirn reibend spähte sie an ihm vorbei in den prächtigen Saal. <Wow…> Nach einer Weile andächtigen Staunens entdeckte sie eine weitere Person. „Junji-sama du auch? Wie kommt ihr hierher? Ich meine…“ Eine schwer irritierte Koyko betrachtete abwechselnd die Neuankömmlinge.
 

„Soso, wenn der dich ruft springst du also sofort auf, hm?“ < Wer? > Mit diesem kollektiven Gedanken fuhren die jungen Leute herum. Auf einem Stuhl saß gelangweilt ein Junge. Er trug ein weißes Hemd unter dem ein Verband schimmerte. „Wer bist DU!?“ Ertönte es im Chor. Gemütlich trat er ein paar Schritte auf sie zu. „Isamu? Ich dachte du bist…?“ Kyoko sprang endgültig aus dem Bett. „Tot? Noch nicht…“ Er versetzte Ren einen lebensgefährlichen Blick und wandte sich anschließend wieder zu einem möglichst weit entfernten Sessel, so als wäre ihm dessen Nähe besonders zuwider.
 

< Was war das? > Fragend blickten die übrigen einander an und Kyoko erläuterte die vergangenen Ereignisse so gut sie konnte. Obwohl sie sich mehrfach verhaspelte, wurde sie von niemandem unterbrochen. Die beiden Gentlemen lauschten aufmerksam ihrer Stimme, bis das Mädchen alles ganz genau zu Ende geschildert hatte, wobei sie lediglich die Ohrfeige von Isamu ausließ, nur zur Sicherheit… „Aber weshalb seit ihr jetzt hier?“ War ihre finale Frage.

Junji berichtete daraufhin, seinerseits den Teil mit Rens Zusammenbruch auslassend, über ihre eigenen Erlebnisse. „Da-.. das hättet ihr nicht tun dürfen!“ Klagte das Mädchen. Ihre Befürchtungen hatten sich bewahrheitet! < Ich bin Schuld, dass nun auch noch zwei Weitere in der Klemme stecken!! Ich hab zwei Menschen in Gefahr gebracht! Wegen mir…! >

„Wir mussten es tun. Wir hätten doch unmöglich zulassen können, dass dir was geschieht!“ Versetzte Ren energisch, er konnte und wollte nicht zusehen wie sie sich innerlich Vorwürfe machte und vor Schuldgefühlen immer blasser wurde. „Es tut mir so…“ Er stoppte ihre Entschuldigungsverbeugung, indem er sie fest an den Oberarmen packte. Erschrocken sah sie zu ihm auf. < Huh? >

„Es gibt keinen Grund sich zu entschuldigen, klar?“ Der sonst so Gelassene hatte einen befremdend aufgewühlten Gesichtsausdruck. „Lass uns lieber überlegen wieso wir hier sind und wie wir hier weg kommen. „Du da!“ Der Gerufene funkelte ihn feindselig an. „Sag schon, was haben deine Leute und du, was habt ihr vor?“ Zunächst machte der Angeredete Anstalten den Frager zu ignorieren, konnte dann aber doch nicht mehr an sich halten. „Das sind nicht meine Leute, ich habe nichts mit ihnen zu tun!“ Sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus. „Ich habe die Kleine bloß entführt um dich leiden zu sehen!“ „Was? Warum?“ Während Ren sich wunderte weshalb dieser fremde Teenager so was wollte, fragte sich Kyoko, wieso Isamu dazu nicht lieber jemanden von Rens Familie, seinen Freunden, oder zur Not auch Yashiro-san verschleppt hatte? War er einfach dumm? War sie ein leichter zu fangendes Opfer, weil es keinen gab, der sich um sie kümmerte, mal abgesehen von ihren Vermietern? Lag es daran das ihr Sempai schlechte Laune bekam, wenn er sie nicht triezen konnte. Aber würde deswegen jemand leiden…? War das nicht alles lächerlich? Andererseits befanden sie sich jetzt hier…

„Weil ich dich hasse!“ Der Halbstake war aufgesprungen, Mordgier schwang in seinen Worten mit. „Weil du ein mieser kleiner Verräter bist!“ Tränen strömten ihm übers Gesicht, doch seinen steifen Zügen war eine Gefühlsregung dabei fast überhaupt nicht zu entnehmen. Er drehte sich weg und wischte mit den Ärmeln die feucht glänzenden Spuren ab. Ren war mit erhobenen Händen einen Schritt auf ihn zugegangen. < Irgendwo ist er doch noch ein Kind… >

„Komm mir nicht zu nahe!“ Donnerte es ihm blutdurstig entgegen. „Isamu!“ Kyoko fühlte auf einmal tiefes Mitleid mit diesem Jungen, wie er so hart darum kämpfte nicht weiter zu weinen.

„Ihr solltet euch lieber darum kümmern von hier zu fliehen! Wenn ER erstmal seine Kohle erpresst hat, macht er euch sicher alle kalt.“ Der Jugendliche zog geräuschvoll die Nase hoch. „Eh? Wer? Wen meinst du? Und was ist mit dir?“ „Pah!“ Isamu richtete diese intensiven rätselhaften Augen direkt auf seine ehemalige Geisel. „ER ist mein VATER. Mir passiert erstmal nichts. Siehst’e doch!“ Er wies flüchtig auf seinen Verband, schüttelte die blonde Mähne und erklärte das Gespräch für beendet, indem er sich flugs an den Tisch setzte und aggressiv anfing sich einen Teller vollzuladen .

Isamu's Geschichte

*schnauf,röchel,ächz* ES IST VOLLBRACHT! Mann oh Mann dieses Kap. war das wohl Kniffligste bisher! Normalerweise plätschert die Geschichte ja einfach so über die Tastatur, aber diesmal musste ich mich echt dahinter klemmen um die vielen schwer verdaulichen Neuigkeiten wenigstens einigermaßen überzeugen reinzuarbeiten! Ohne eure motivierenden Kommies wäre ich garantiert daran verzweifelt, zumal die letzte Woche nicht unbedingt die beste meines Lebens war! Also: VIELEN DAAAANK!!!!!
 

Gabriel U_U *verneig*
 

8. Isamus Geschichte
 

Draußen dämmerte es bereits wieder. Ein leichter Schneeregen fiel vom Himmel, die Laternen flackerten nach und nach auf. Ein fast idyllischer Winterabend brach an.
 

Junji Hakura saß noch immer auf dem Bett, wo sie gelegen hatte. Passiv wie ein Außenstehender beobachtete er, was um ihn herum geschah. Er war nicht derjenige gewesen, den die Entführer hatten sehen wollen… Aber was hieß das? Bedeutete diese Anfängerin ihrem Senpai wirklich so viel?

Jede noch so geringfügige Interaktion hatte er inzwischen tausendmal analysiert. Wie dieser Tsuruga seine Kohai ansah, wie er sie angefasste, wie er mit ihr sprach, ihre Reaktionen! Das kam ihm alles so ungewöhnlich vor…

Intim wie bei lang Vertrauten und gleich darauf distanziert wie bei zwei Unbekannten war das gegenseitige Miteinander der Beiden eine ständige Gratwanderung zwischen Streit und Fürsorge. Dabei schien es ihnen nicht einmal aufzufallen, wie außergewöhnlich heftig sie aufeinander ansprangen! Manchmal verstanden sie sich blind, während niemand sonst sie zu durchschauen vermochte und dann wieder überhaupt nicht. Das eine Mal gingen sie freudestrahlend aufeinander zu, als wären sie enge Freunde, ein anderes Mal flüchteten sie förmlich voreinander…

Der jeweils andere war wohl einfach besonders…

Einfach besonders!? Zu besonders!! Warum musste sich diese willensstarke junge Frau durch die Anwesenheit jenes Mannes derart aus dem Konzept bringen lassen? So wie sie heute war, kannte er sie gar nicht…. so lebhaft, direkt und trotzdem total unsicher!

<Was ist da zwischen ihm und ihr? Warum benehmen sie sich so problematisch? Verheimlichen sie etwas? Wovor haben sie solche Angst? Liegt es an der Ausnahmesituation? Ist das normal? Oder soll das bedeuten, dass…?> Junji vertiefte sich zunehmend in seine Überlegungen, weswegen er zunächst nichts von den fragwürdigen Dingen mitbekam, die sich gerade in seinem unmittelbaren Umfeld ergaben.
 

„Dein Vater!?“ Fassungsloses Schweigen dehnte sich einstweilen auch auf Ren und Kyoko aus. Lediglich das betriebsame Klackern von Isamus Stäbchen erfüllte für einen Moment die gespannte Atmosphäre. Sie sahen sich und anschließend ihn ratlos an. <Wie weiter?>

Die junge Frau nickte sich leicht zu, als wollte sie ihre eigene Entscheidung bestätigen, und setzte sich zur fortwährenden Verblüffung ihres Sempais schließlich ebenfalls an den Tisch.

<Will sie etwa jetzt essen!? Wieso hat sie genickt?> Ren schickte sich automatisch an ihr nachzukommen, doch ein offenkundiger Wink gebot ihm dies unbedingt zu unterlassen und so nahm er in gewissem Sicherheitsabstand auf einem Sofa Platz. <Was hast du vor?>
 

Sie bediente sich an den reichhaltigen Speisen und begann dann die Konversation:

„Wie alt bist du eigentlich, Isamu?“

„Dreizehn.“

Ihr blieb spontan der Reis im Halse stecken. Ein peinlicher Hustenanfall folgte. Sofort war ihr kleinkrimineller Tischnachbar im Bergriff sich zu erheben und Hilfestellung zu leisten.

„Danke, geht schon!“ <Dreizehn!? Er ist viel größer als ich! Dieser Junge! Beinahe wäre ich daran erstickt!>

„Guck nisch so, isch bin eb’n schnell gewakschn.“ Er schluckte etwas herunter, fiel zurück auf seinen Stuhl und räusperte sich. „Entschuldige bitte.“

<Ob Tsuruga-san in dem Alter auch schon so… Huh? Das ist doch vollkommen egal!! Reiß dich gefälligst zusammen! Weiter…> „Ehrm… hehe…! So ist das also. Sag mal… Warum bist du nicht in der Schule, wenn du erst 13 bist?“

„Ich geh nicht zur Schule.“

„Eh!? Und was sagt deine Mutter dazu?“

„Die ist tot.“

„Oh! Ah!! Da…das tut mir leid! Ich…“ <Ich Trottel!>

„Ist schon okay. Sie ist schon länger tot.“

„Und du lebst jetzt bei deinem Vater?“

Stumpfes Lachen. „Nein Unsinn! Ich weiß ja nicht mal wie er heißt.“

„HÄ!!?“

„Was denn, ist das so ungewöhnlich?“

„Wie? N-nein! Ich hab auch keinen Vater, aber du… hast doch eben noch gesagt…hm…“

„Ich hab ihn mal kurz gesehen, da war ich so sieben. Die Leute die uns hergebracht haben tragen sein Siegel, deshalb hab ich sie erkannt.“

„…!!! Ist er etwa ein Yakuza!!?“

„Nö. Politiker! Obwohl das in seinem Fall wahrscheinlich aufs Gleiche rauskommt…“

„Eh?“

„Meine Mutter musst du wissen war eine Nutte, die er irgendwann mal aufgegabelt hat. Sie hat ihm auf Anhieb so gut gefallen, dass er sie nach einem ausführlichen Gesundheits-Checkup [er ist hypochondrisch veranlagt], als seine persönliche Konkubine aufnahm.

Leider fand sie dann zu viel über seine korrupten Machenschaften heraus und wurde obendrein auch noch schwanger. Tja, da hat er uns natürlich kurzerhand zurück in die Gosse geschickt, wo sie mich mehr schlecht als recht aufzog…

7 Jahre später stand der Gute plötzlich wieder vor uns und wollte sein Kind sehen! Naja ich hab ihm wohl nicht gefallen, denn er ist gleich darauf wieder abgehauen. Davor hat er sich allerdings noch heftig mit Mutter gestritten. Worum es ging weiß ich nicht, aber wenn sie nicht sowieso schon todkrank gewesen wäre, hätte er sie sicher umgebracht, der Mistkerl. Bei dieser Gelegenheit hab ich mir damals sein Abzeichen eingeprägt: Der Koi...

Meine Mum hat nach seinem Besuch immerhin noch ganze 3 Jahre überstanden bis sie starb und ich wieder mal ins Heim kam: Oder besser gesagt von einer Pflegefamilie in die Nächste… Alle wollten mich nämlich! Entweder auf die eine oder auf die andere Art und Weise…"
 

„Wie konntet ihr das erlauben!? Ich kenne euch. Ihr seid doch normalerweise erwachsene verantwortungsbewusste Menschen!“ Die Stimmung des Präsidenten hatte soeben einen Schlaganfall erlitten. Voller Eifer und Tatendrang war er vor zirka 6 Minuten, berauscht von Vorfreude auf DAS neue Projekt und gekleidet wie der griechische Gott Apollo, in sein Büro geschwebt, wo schon zwei abgespannte Besucher auf ihn warteten. Wie gescholtene Schuljungen standen sein Abteilungsleiter und der beste Manager der Agentur mit hängenden Köpfen und fahlen Gesichtern vor ihm… „Wir dürfen jetzt keine Zeit mehr verlieren…
 

Isamu lächelte schwermütig. Er hatte sein Bekenntnis so nüchtern vorgetragen, wie ein etwas flapsiger Nachrichtensprecher über die Börsenflaute der letzten Tage informieren würde. Das hatte ihn einiges an Kraft gekostet! Oder war es womöglich doch der Luftdruck, der sich verdoppelt hatte?

Seine Gesprächspartnerin jedenfalls war im Augenblick zu bestürzt um etwas zu erwidern und so lastete das Gesagte unkommentiert auf ihnen. Er musterte sie andeutungsweise, verfolgte dann ihren ängstlichen Blick…

Nicht nur wegen der Erzählung des Jungen, auf welche Kyoko trotz aller Bemühungen keine Antwort wusste, fühlte sie sich momentan so schrecklich verzagt. Mehr noch setzte ihr Rens erschütterte Haltung zu! Während Isamu noch redete, hatte sie ihn Hilfe suchend angesehen: Er war weiß wie Kreide und ebenso starr! Die Sache schien ihm sehr viel näher zu gehen als sie erwartet hätte.

<Tsuruga-san!!!!?> Mehr fiel ihr zu dieser Situation nicht ein…
 

„Kann eben nicht jeder so viel Glück haben, dass Papa ihn in die feinere Gesellschaft aufnimmt, nicht wahr!? O-nīsan?

Isamu war zu dem Schauspieler getreten, der sich jedoch kein bisschen rührte, sondern nur mit trüben Augen der anklagenden, nein hämischen Stimme lauschte.

„Kurz vor ihrem Tod hat mir Mum von dir erzählt. Mein großer Bruder! Oh, Verzeihung! Halbbruder. Ha! Ich soll dir sagen, dass sie dich LIEB hatte!“

Noch immer mit Stäbchen in den zu Fäusten geballten Händen, ließ der Jugendliche seine Worte erst ein paar Sekunden einwirken, bevor er zunehmend erbost fortfuhr.

„Mann du hast echt Schwein gehabt, weißt du? Dich hat dein Papa abgeholt, als du 6 warst! Meiner hätte sich nie im Traum für mich interessiert! Bist richtig rumgekommen mit der High Society, oder? Hast nix von mir gewusst, hm!? Hast dich ja auch nie gemeldet!! Mum hat ANDAUERND von dir geredet, doch du hast sie nicht mal besucht als ihr in Kyoto wart!!! Warum auch!? DU warst ja schon längst was BESSERES! Sohn eines reichen Firmenchefs mit Luxusmutti und…

„HÖR AUF!“ Der ungewollt in Rage geratene Isamu verstummte schlagartig. Ren hatte sich aus seiner Erstarrung gelöst und war vom Sofa hochgeschossen. Er bebte am gesamten Körper… BAMM!

Mit einem erstickten Schreckenslaut war Kyoko bei seinem Anblick zurückgeschnellt und hart gegen die Wand geprallt. So hatte sie ihn noch nie gesehen! So wollte sie ihn nicht sehen!! Es waren weder Wut noch Hass, die ihn solch ein entsetzliches Gesicht ziehen ließen: Nur blanke Verzweiflung! Sie schloss die Augen, das Herz tat ihr weh. Alles tat weh! Das Gehörte setzte sich langsam wie ein Puzzle in ihrem Geist zu einem fürchterlich tragischen Bild zusammen. Aber… darin fehlte noch ein bedeutender Teil…

„Was weißt du schon?“ Allein dieser kurze Satz war voll von unbegreifbarer Bitterkeit und kostete seinen Schöpfer schier endlos viel Mühe. Kalter Schweiß rann ihm von Stirn und Schläfen. Er blutete an seiner Seele und zwar mit jedem Wort, das seine Lippen verließ:

„Für meinen VATER war ich nichts weiter als ein SPIELZEUG, welches er in Wirklichkeit VERACHTETE. Und meine neue “Luxusmutti“, wie du es nennst, konnte keine eigenen Kinder bekommen und betrachtete mich deshalb als persönliche BELEIDIGUNG. Sie ließ keine Gelegenheit aus, um sich über den Hurensohn zu beklagen, den ihr Mann in die Ehe gebracht hatte. Diese ZUMUTUNG! Egal wie sehr ich mich bemühte, sie hasste und verabscheute mich! MALTRÄTIERTE mich so gut es grade ging!

Bekannte und Verwandte schreckten vor mir zurück, ekelten sich frei heraus oder heuchelten MITLEID mit mir, nachdem meine Stiefmutter ihnen die WAHRHEIT über ihren “Sohn“ auf dem berühmten goldenen Tablett serviert hatte.

In der Schule verging kein Tag, an dem man mich nicht gedemütigt und gequält hätte! Doch da war NIEMAND; keine Mutter, keine Hoffnung in meinem Leben an die ICH mich hätte wenden können. Ich war so gut wie immer allein. Mit ALLEM!

Denkst du echt ich hätte es BESSER gehabt? Glaubst du wirklich ich hätte NICHT versucht meine RICHTIGE Mutter zu erreichen? Ich war der Gefangene meiner so genannten Eltern, sonst nichts!“

Ren rang nach Luft. Sein Hals fühlte sich heiser an vom ungewohnten Schreien. Er bemühte sich seine Atmung zu beruhigen und sprach dann in einer anderen, unerwartet gedämpfteren Form weiter, wobei der selbstzynische Unterton aber dennoch erhalten blieb:
 

„Irgendwann erkannte das dumme Kind, dass es keinen Sinn hatte, um die unerreichbare Anerkennung der Leute zu kämpfen, bei denen es in Wahrheit nicht einmal geduldet wurde. Es lief fort, prügelte sich durch die Straßen, stahl, nahm Drogen… Bis es eines Tages nah dran war jemanden umzubringen!

Da bekam es plötzlich Angst, lief abermals davon - diesmal vor sich selbst.

Es suchte sich einen Job, eine neue Identität und wurde so zu jemand Anderem: Jemandem der keine Vergangenheit und keine Familie hat! Der nur lebt um zu Schauspielern und nichts ist solange er nichts darzustellen hat…

Glaub mir: Ich könnte Mutter niemals vergessen. Ich träume fast jede Nacht von ihr und versuche es zu überleben… Jeden Tag kämpfe ich darum zu vergessen, was meine ach so wunderbaren Eltern mir vorgeworfen haben seit ich denken kann. Ich… ich…

Gefällt dir das wirklich so gut? Willst du Tauschen, ja? Willst du das? Bruder? Willst du…?

Ich wäre dir dankbar.“

Ren sank zu Boden. Zum Schluss war seine Rede immer leiser, brüchiger geworden und schließlich versagte ihm die Stimme… Jetzt weinte er. Zum ersten Mal seit über 14 Jahren, vergoss er echte, heiße Tränen! Wie lange hatte er alles dafür getan, die Vergangenheit endlich abzustreifen? Noch immer war es ihm nicht gelungen!? Wie eine alte zu eng gewordene Haut, die ihm die Luft zum Atmen raubte, umfingen ihn diese Erinnerungen! War das der herbe Nachgeschmack seiner “Kindheit“…?
 

Kyoko hielt die Hände vor den Mund gepresst. Ihr Körper hatte sich bis in die letzte Muskelfaser versteift, war viel zu klein für all die übermächtigen Emotionen, die unerträglich darin aufwallten. Doch nirgends gab es ein Ventil für diese Gefühle! Vor Schock brachte sie keine Träne heraus, obwohl sie den peinigenden Drang dazu verspürte, sich einfach gehen zu lassen - blindlings loszuheulen - wie ein kleines Kind!

Stattdessen hämmerte ihr Puls schmerzhaft und unerbittlich gegen ihre Adern, dass er diese eigentlich zum Platzen hätte bringen müssen… Kaum jemand außer ihr konnte Rens Leid wohl besser verstehen, deutlicher nachempfinden!

Auch Isamus stolze hohe Silhouette fiel nach Rens bewegender Offenbarung in sich zusammen. Er schlang fest die Arme um seinen Kopf und schluchzte unhaltbar. Wie in Zeitlupe kippte der Junge zur Seite, zog die Beine an und schrumpfte so auf annähernd Kleinkindgröße zusammen. Seine Welt der Missgunst und des Grolls war zersplittert! Kyoko wollte ihm helfen und war gleichwohl absolut handlungsunfähig. Ihre Augen krampfhaft zugekniffen stand sie da. Zuviel, das war zuviel für sie. <Ren! Isamu!>
 

„Kyoko-chan!“
 

Schwach flehend und eindringlich drang die Stimme an ihr Ohr. Sollte sie es wagen? Die Augen öffnen?
 

„Bitte…!“
 

<Ich kann nicht! Ich kann nicht mehr!> Dachte sie elend.
 

Stille.

Die Gretchenfrage

Hallo ihr Lieben!

Na genießt ihr den Rekord-April? Ich für meinen Teil war jedenfalls schon mal Anbaden in der Ostsee! Dieses Kap. hier hat mich allerdings eine Menge Zeit gekostet: Will die Stunden gar nicht zählen, die ich allein mit dem Schluss zugebracht hab… So viele Gefühle, mir wird noch ganz schwindlig wenn ich so weiter mach! Ich hoffe es gefällt euch trotzdem!

LG Gabriel
 

9. Die Gretchenfrage
 

„Oh Sch****! Kyoko-chan! Schnell!!!“

Das Mädchen öffnete verwirrt die Augen, als sie Junjis unnatürlich hohe Stimme vernahm. Sie hatte ihn völlig vergessen! Und seine aufgeregte Vitalität kam ihr ziemlich grotesk vor, besonders in Anbetracht der Trostlosigkeit, die eben noch all ihre Gedanken gefangen gehalten hatte…

„Seine Wunde ist aufgegangen! Er blutet stark! Was sollen wir tun!?“ Der verstörte Bühnenkünstler kniete hektisch gestikulierend bei Isamu, welcher ohnmächtig zu sein schien. Er wartete beinahe flehentlich auf Anweisungen von seiner jüngeren Kollegin, die den Mund immerhin schon ein Stückchen geöffnet hatte. In ihrem Kopf arbeitete es so langsam wieder. Herzschlag und Atmung kehrten zurück... <Oh nein!>

Ohne große Überlegungen stürzte Kyoko, nach eilig überwundenem Trauma, auf den leblosen Körper zu. „Wir brauchen dringend Hilfe!“ Sie spähte durch den Raum.

„Versuch die Tür aufzubekommen, oder sonst wie auf uns aufmerksam zu machen. Ich probiere solange ihn irgendwie zu verbinden!“ Versetzte sie in einem Anflug augenblicklicher Geistesgegenwart. Erleichtert über ihre Rückkehr in die Wirklichkeit und froh eine Aufgabe bekommen zu haben stolperte Junji bereitwillig zu einer kleineren Tür direkt neben den Betten, welche sich auch problemlos öffnen ließ. „Sackgasse! Hier ist bloß ein Badezimmer!“ Er rannte auf die gegenüberliegende Seite, zu dem Eingang durch welchen er vorhin mit Ren hereingekommen war und hämmerte kräftig gegen das helle Holz. BAM!BAM!BAM!

Kyoko öffnete mittlerweile behutsam Isamus Hemd. <EH? Was ist… !?>

RUMMS!

Mit einem lauten Schlag standen mehrere Männer im Raum. Einer von ihnen trug einen weißen Kittel. Alle Übrigen waren in schwarze Vermummungen gehüllt. Die junge Frau wurde von dem Verletzten weggezogen und aufs Sofa geschleudert. Juji mit einem ordentlichen Stoß in die Magengegend bedacht landete unsanft in einer Ecke, während der in jämmerlicher Hockstellung verborgene Ren weitgehend ignoriert wurde.

Schnell aber sauber erledigten die Eindringlinge ihre Arbeit an dem Kind und platzierten es anschießend auf einem der Betten, wo ihm ein leises Stöhnen entfuhr. Danach waren die bedrohlichen Figuren genauso schnell wie erschienen, auch wieder verschwunden.
 

„Ich versteh das nicht. Ist er jetzt auch noch übergeschnappt? Wieso will er ABWARTEN!? Was verspricht er sich davon!?“ „Ich hab keine Ahnung Yashiro-kun. Wir sollten dennoch auf ihn hören.“ „Na toll. Und wo ist er jetzt wieder? Noch was anderes erledigen? Hallo!? Drei seiner Schauspieler wurden gestern entführt, aber der Präsident hat noch was anderes zu erledigen!!?“ „Ich finde es ja auch nicht richtig, aber wir müssen ihm wohl oder übel vertrauen. Er wird schon wissen warum er keine Polizei will… Zumindst hat er ja schon einige Sachverständige zur Radiostation geschickt und überhaupt haben wir außer dem Brief keinen einzigen Anhaltspunkt…“ Eingeschüchtert sitzen wie kurzfristig beurlaubte Männer im Büro von Rory Takarada und fragen sich, ob sie sich wirklich so sehr auf ihren Chef verlassen können, wie sie immer geglaubt haben?
 

Zaghaft näherte sich Junji dem Verwundeten, betrachtete seine matten Züge. <Das ist also der kleine Bruder von Ren Tsuruga?> Ein Blick über die Schulter zeigte ihm, dass der Megastar noch immer in seiner kauernden Position ausharrte, dabei allerdings nun von Kyoko sorgenvoll gemustert wurde. Sie stand dicht bei ihm, wagte aber nicht ihren Senpai unmittelbar anzusehen. Ihr genügte bereits sein verwackeltes Schattenbild, um zu erkennen, wie es ihm ging. So vollkommen allein und machtlos hatte sie sich nicht mehr gefühlt seit jenem Vorfall mit ihrer Mutter, mit Koon, mit Ihr-wisst-schon-wem (Sie vermied es seinen Namen zu denken, denn zum Ausflippen war es jetzt nicht die passende Gelegenheit).

Was sollte… nein, was konnte jemand wie sie hier schon ausrichten?

„Tsuruga-san… “ <Verdammt! Wenn man nicht weiß, was man sagen will, sollte man besser den Mund halten!> Sie ging vor ihm in die Hocke, blickte dabei allerdings zu Boden.
 

„Er wird übermorgen einfliegen. Ich möchte, dass bis dahin alles vorbereitet ist. Und denken sie an die Hunde!“ Plip. Rory überreichte sein Handy einer Gefolgsdame und schickte sie dann fort. „Haben sie schon etwas herausgefunden?“ Yashiro war zeitgleich mit dem Zufallen der Tür aufgesprungen. Bedächtig schüttelte Apollo den Kopf. „Ich habe doch bereits erklärt, dass wir auf weitere Forderungen der Entführer warten müssen und diese werden vermutlich frühestens Morgen eintreffen.“ „Und was wenn nicht!? In dem Schreiben wird kein Lösegeld gefordet, ist ihnen das schon aufgefallen!?“ „Selbstverständlich. Aber wenn wir jetzt eine Polizeioffensive vom Stapel lassen, setzen wir die Erpresser unter Druck und da wir es offensichtlich nicht mit Profis zu tun haben, könnte das schlimm enden. Sie melden sich wieder. Ich bin mir ganz sicher.“ „Aber… “
 

„Tsuruga-san!? Argh… Hey!“ Nachdem sie selbst auf wiederholtes Ansprechen keine noch so kleine Reaktion erhalten hatte, wurde das Mädchen zu guter Letzt doch ein wenig wütend. Ungeduldig wippte sie vor sich hin. Viel Zeit blieb ihrem Gegenüber nicht mehr, bis sie ihn anpflaumen würde… „So. Das reicht jetzt aber!“ Ein energischer Schubs brachte den Großen aus dem Gleichgewicht. Reflexartig ließ er von seinen eben noch eng umklammerten Knien ab und stützte die Hände hinter sich auf den Boden. Auseinandergefaltet, schutzlos saß er ihr gegenüber, die langen Beine links und rechts neben der zierlichen Erscheinung aufgestellt und starrte der kleinen Dämonin mit wirrem Ausdruck entgegen. „Tsuruga-san reißen sie sich gefälligst am Riemen. Das geht nicht, dass sie hier herumhocken und sich selbst bemitleiden!“ Ihr Ton war streng aber gleichsam wohlmeinend. „Und schauen sie mich nicht so an! Sie, sie… Sie langes Elend!“ Für den Bruchteil einer Sekunde zogen sich die Braunen des Bescholtenen belustigt über ihre drollige Wortwahl zusammen, bevor er wieder ernst wurde.

„Du solltest das nicht tun… “ Er hörte sich fremd an, leise, schwach und miserabel, wandte sich erneut ab. „Du weißt ja nicht wer ich bin…“

„Und ob ich das weiß! Sie sind ein Lügner, Betrüger und Fiesling! Ich kann mir prima vorstellen, dass sie in der Vergangenheit so einiges angestellt haben, worauf man keineswegs stolz sein kann. Aber letzten Endes war das doch nicht ihre Schuld! Ich kenne sie besser als sie glauben. Sie sind ein guter Mensch!“

Jetzt war sie offener gewesen als geplant und wurde ungewollt verlegen. Der lehrermäßig erhobene Zeigefinger rollte sich ein wie ein erschreckter Igel. <Was rede ich hier eigentlich!? Hoffentlich war das nicht zu drastisch? Bescheuerte Art jemanden zu trösten! Vermutlich denkt er jetzt noch ich spinne…>

Ren schaute sie angesichts dieser unerwarteten Stellungnahme ungläubig, ja nahezu erschüttert an. Glaubte sie wirklich ER sei ein GUTER MENSCH? Nachdem sie doch gehört hatte WAS er war? Was ER getan hatte?

Kyoko bemerkte seine Skepsis sowie die heimlich dazwischen aufkeimende Hoffnung. War es womöglich doch der richtige Weg? <Er wirkt so verletzlich. Es ist als hätte man ihm seine Würde und Selbstachtung einfach so weggenommen. Wahrscheinlich muss er damals sehr gelitten haben… Aber er braucht doch gerade jetzt seine ganze Kraft, auch für Isamu! Er kann sich doch nicht so gehen lassen! Wo bleibt denn da sein Stolz, seine Arroganz? Schließlich ist er Tsuruga-san!>

„Wollen sie etwa aufgeben? Wer den Kopf in den Sand steckt, der bekommten einen Tritt in den Ah! …ähm… nunja… Sie wissen schon. Ich finde sie sollten sich nicht so viele Gedanken über das machen, was war. Stattdessen sollten sie lieber ein bisschen stolz auf sich sein! Ihre Mutter wäre das ganz sicher. Sie sind ja nicht nur erfolgreich sondern im Grunde auch ein ganz anständiger Kerl. [Auch wenn sie hin und wieder etwas netter sein könnten] Akzeptieren sie sich doch endlich mal selber! Ihre Vergangenheit können sie nicht mehr ändern. Das heißt aber nicht, dass sie nicht in Zukunft alles anders machen können, oder?“

Stille. Sie betrachtete den, ihre schnell aber ehrlich dahergesagten Sätze, erwägenden Ren, wie er auf seine Hemdknöpfe starrte. Glaubte er ihr immer noch nicht? Wie sollte sie ihn überzeugen? Ihm seine Panik vor Verurteilung und Ablehnung seines wahren Ichs nehmen? Zeigen, dass sie ihn verstand? Eine Erinnerung sprang ihr zur Seite. <Ob das hilft? Ich bin zwar nicht wie er aber… vielleicht… wirkt dieser Zauber ja trotzdem noch mal? Die unheimliche Magie, die alle Gedanken aus dem Kopf verbannt?>

Zittrig näherte sich ihre Hand der kritischen Masse. Ein großes Risiko eingehend streckten sich ihre Finger nach dem weichen braunen Haar aus. <Ohje! Ich trau mich nicht!! Ich kann ihn doch nicht einfach um-… um-… !!> Kaum mehr einen Millimeter bis zur Kontaktaufnahme. <Kyahhhhh!!!!>

Mit einem Schlag wich sämtliches Blut aus ihren Fingern und ließ allmählich ihren gesamten Arm erkalten, als Ren seinen Blick auf sie richtete. Kyoko verfolgte geschockt sein Mienenspiel: Erst lag nur eine matt interessierte Botschaft in den kummerglänzenden Augen. Vermutlich wollte er etwas fragen. Dann schielte er verunsichert auf ihre mittlerweile gräulich gefärbte Hand direkt vor seiner Nase und sah sie anschließend wieder fragend an.

„…?“ „…!“

Das eigentümliche Duo guckte ein bisschen wie die Kuh ins Uhrwerk, während ihnen die Nähe des Anderen immer nachdrücklicher ins Bewusstsein drang. Der Schauspielerin wurde mit einem Mal klar wohin sich ihr Blut verzogen hatte! Denn während sie nahezu am ganzen Körper fröstelte, schien ihr Gesicht auf doppelte Größe angeschwollen zu sein und eine enorme Hitze auszustrahlen. <Was passiert mit mir?>

Eine fast ebenso kalte Hand wie die ihre schloss sich um Kyokos Unterarm. Zog sie nach vorne.

<Wollte sie MICH trösten? Dieses Mädchen… Sie scheint wirklich den Himmel in den Augen zu tragen und die ganze Welt dazu...> Ging es Ren durch den Kopf, als er ihr entgeistertes Antlitz betrachtete, und eine übergroße Welle der Zärtlichkeit erfasste ihn.

Er handelte vollkommen unwillkürlich: Wie von allein schlossen sich seine Beine um den grazilen Körper, drückten seine Arme das warme kleine Geschöpf an sich, dass es restlos in der Umschlingung zu verschwinden drohte. Er brauchte sie jetzt. Eine Weile saß er einfach da und genoss es. Jeden Augenblick damit rechnend, dass sie sich wehren würde, aber sie regte sich nicht…

Eingehüllt in sauberen weißen Leinenstoff und umgeben vom vertrauten Duft nach frischer Wäsche und Ren Tsuruga verharrte die junge Frau wortlos in ihrer teilweise unfreiwilligen Position. Da war so eine wohltuende Wärme an ihm, die jener behaglichen Temperatur glich, welche einen morgens manchmal nicht aus dem Bett lassen will. Dagegen kam anscheinend nicht einmal sie an…? Zunehmend ruhiger werdend lauschte Kyoko dem Herzschlag, der wie ein winziger zerbrechlicher Vogel unter ihrer Hand flatterte. <Ob ein Herz immer so schnell schlagen muss?>

Ren fühlte sich unruhig und furchtbar verwegen. Was hatte er sich dabei gedacht? Nichts. Ihr war es tatsächlich gelungen all seine Gedanken wegzudrängen. Aber wie ging es ihr dabei? Er spürte wie sich ihre Muskeln unter seiner Umarmung entspannten.

„Es ist noch nicht vorbei. Noch ist es nicht zu spät um wieder zu sich selber zu finden.“ Flüsterte sie erschöpft. Dunkelheit füllte das Zimmer. Keiner würde an diesem Abend das Licht anmachen. Sie wurden schließlich beobachtet. „Würdest du mir verzeihen?“ Sie nickte. „Ja.“ „Du hast mir damals nicht auf meine Frage geantwortet.“ „Eh?“ „Hasst du mich?“ Sie zuckte. <EH!? Wieso das jetzt?>

„N-nein.“ „Wirklich?“ „Wirklich.“

Sein Griff verstärkte sich, er vergrub seine Nase in ihrem Haar als wolle er sie einatmen. Es war wie ein Rausch! Draußen schimmerten wieder die Sterne. Eine hauchdünne Mondsichel blinzelte aus der Unendlichkeit auf ihn herab. Je länger er hinaussah desto mehr hatte er den Eindruck innerlich ganz weit zu werden, alles in sich aufzunehmen: Ein wunderbares Gefühl, fast wie in einer Dichtung…
 

Endlich nun entfliehen,

aus Allem was uns plagt!

Vergebung wird sich erfüllen,

wenn’s rot am Himmel tagt.
 

Endlich nicht mehr müde,

aus der Einsamkeit

begnadigt die Gefühle,

für eine kurze Zeit!
 

Erinnerungen zogen vorüber. Zum ersten Mal konnte er sie auf so eine Weise anschauen: Wie ein Maler der von seinem Gemälde zurücktritt, um sich ein glaubwürdigeres Bild von seiner Arbeit zu verschaffen betrachtete der Schauspieler sein Leben.
 

Wir flohen oft dorthin, wenn die erdrückende Leere unseres Alltags wieder einmal unerträglich wurde. Dann trafen wir uns in unserem “grünen Outback“, dem dschungelartigen Wald rings um deinen kleinen Heimatort in Kyoto – Manchmal habe ich mir später gewünscht er hätte uns verschlungen…

In dieser rätselhaften Kathedrale aus einzelnen Sonnenstrahlen, Wasser und Bäumen sponnen wir gemeinsam phantastische Geschichten, webten uns ein in einen Kokon aus Lügen, Träumen und Märchen und dein kindlich naiver Glaube spendete mir Trost, Halt, vielleicht sogar … Zuversicht?

Wir merkten kaum wie um uns eine Welt zusammenbrach. Doch da kam auch schon die Zeit, wo Alles zu Ende gehen sollte und bevor ich dich verlassen musste übergab ich dir mein blaues Herz. Das war so klein und traurig. Es hätte in der Welt, in die man mich brachte, gewiss nicht überlebt… „Pass gut darauf auf!“ Hab ich dir noch gesagt und mich auch von meiner Kindheit und mir selbst verabschiedet; die bei dir bleiben wollten…

Deine Tränen, erinnere ich mich noch, glitzerten so wunderschön im Morgenlicht. Die Meinen lagen von da an in deiner Hand…

<Und wenn Du Dich

getröstet hast,

wirst du froh sein,

mich gekannt zu haben>* Dachte ich noch im Gehen.

Und dann stand ich wieder vor dem Abgrund. Auf brechenden Mauern, auf der Ruine unseres Luftschlosses war mich Herunterstürzen die eine Möglichkeit.

Und dann saß ich still lächelnd im Auto. Obschon ich keinen Grund hatte mich zu freuen:

Du würdest nie mehr für mich da sein.

Ich würde für die Menschen um mich nicht existieren.

Und dennoch musste ich lächeln, weil ich wusste, dass es dich gibt. Auch wenn es ohne dich nichts gibt. Mich nicht gibt.

Denn wenn du da bist, fühle ich, dass wenn ich fort bin, alles weg ist.
 

*(Saint-Exupery, Der kleine Prinz)

Ich habe keine Angst – makaberer Dreh um Mitternacht

BOAH! 10! Runder Geburtstag! Jippie ich bin ja schon weit gekommen! XD DANKE allen treuen Leseratten!

Dieses Mal ist es ein echtes XXL Chappie geworden (zumindest für meine Verhältnisse) und so langsam aber sich nähern wir uns dem vorläufigen Ende >._< *seufz*
 

10. Ich habe keine Angst – makaberer Dreh um Mitternacht
 


 

Komm, Trost der Welt, du stille Nacht!

Von Sehnsucht über’s Feld gebracht.

Die Himmel alle schlafen.

Nur noch der Wind vom Wandern müd,

Singt übers Meer sein Abendlied.

Bringt Frieden hin zum Hafen!
 

Die Träume wie die Wolken flieh’n

Und lassen mich hier einsam stehn;

Die Welt hat mich vergessen.

Da trat Jemand wunderbar zu mir,

Als ich beim Waldesrauschen hier

gedankenvoll gesessen!
 

O Trost der Welt, du stille Nacht!

Der Tag hat uns so müd gemacht,

Das weite Meer schon dunkelt,

Laß ausruhn uns von Angst und Not,

Bis dass das ew'ge Morgenrot,

Den Garten warm durchfunkelt.*

*nach J. Eichendorff
 

Leises Atmen im Halbdunkel. Zwei Menschen spenden sich Trost. Sie sind beide kraftlos, ruhen ineinander. Der Mond umreißt ihre Konturen silberweiß. Schatten zerrinnen an der Zimmerdecke und kauern sich in die Ecken. Es ist kühler geworden, aber sie merken es nicht. - Die Zeit hat ihre Bedeutung verloren. Eine Träne glitzert noch auf seiner Wange. Beschwichtigend gleitet eine kleine Hand über einen großen Rücken…
 

Der Blick der schönen Schwarzhaarigen war glasig geworden, während sie aus der innigen Umarmung ihres Senpai heraus schweigend die Wandmalereien betrachtete. Ihre Gedanken strömten ruhig und träge dahin wie ein endlos langer breiter Fluss. Mündeten irgendwo ins Delta ihrer Müdigkeit… Sie unterdrückte ein Gähnen. Was war los mit ihr? Für jemanden der gerade zweimal hintereinander entführt worden war, schien sie wohl ziemlich gelassen. Fast fand sie es egal. Die totale Erschöpfung und der mysteriöse Einfluss von Tsuruga-san machten sie seltsam gleichgültig gegenüber den Dingen, die Rens kleiner Halbbruder und dessen Vater ihr zuletzt angetan hatten. Nicht einmal der befremdliche Körperkontakt regte sie noch auf. Bedenkenlos ließ sie es geschehen, wehrte sich längst nicht mehr gegen das ungewohnte Gefühl von Geborgenheit, dass begonnen hatte sie einzulullen.

Stattdessen dachte sie immer wieder daran, was in den vergangenen Stunden alles über den Mann enthüllt worden war, der sie momentan so fest an sich drückte. Er war der Sohn einer Prostituierten. Sein Vater hatte ihn im Alter von 6 Jahren von seiner Mutter weggerissen. Er sollte sie nie mehr sehen, nie etwas von ihrem zweiten Kind erfahren – eigentlich bis heute nicht. Die Ehefrau seines Vaters hasste den hübschen Jungen, was der Schauspielerin sogar beinahe verständlich schien, obwohl es ihr auch wehtat. Viele Menschen in seiner Umgebung waren dem fremden Kind aufgrund seiner Herkunft mit Verachtung begegnet. Niemandem konnte er richtig vertrauen. Die neue “Familie“ reiste mit ihm im Schlepptau quer durch alle Länder. Ein Zuhause gab es nicht. Keine Freunde… Sie senkte bei dieser Vorstellung unwillkürlich den Kopf. <Tsuruga-san… Nie hätte ich erwartet, dass jemand wie er, eine so schwere Kindheit hatte…>

Erneut sah sie vor sich den kleinen Jungen, der so schrecklich einsam war, noch einsamer als sie vermutlich und eine große Traurigkeit ergriff sie dabei. <Sogar Kyoto hatte er mal besucht…> Das bruchstückhafte Bild von Koon breitete sich vor ihr aus. Sie erinnerte sich an den heimatlichen Hain, an seine Geschichten und die unglückliche Trübe in den sonst so schönen dunkelglänzenden Augen, während er ihr sein Schicksal erzählt hatte. Ein melancholisches Lächeln drängte sich ihr auf. Diese Augen... Auf einmal fielen sie ihr wieder ein? Aus irgendeinem Grund… - Eigentlich waren sie denen von Tsuruga-san doch unglaublich ähnlich… Oder bildete sie sich das nur ein? War es denn möglich? <Passen könnte es schon irgendwie!?> Sie richtete sich wieder ein Stückchen auf. Ihr Blick wurde klar, suchte das Gesicht des Anderen, hielt inne. <Aber warum hat er dann nichts gesagt, wenn er tatsächlich Koon ist? Vielleicht hat er mich vergessen? Nein, eher wollte er wohl nicht an Koon erinnert werden, wenn er seit all den Jahren versucht hat jemand anderes zu sein.>

Alles drehte sich. Sollte sie ihn fragen? Die Sache prickelte abenteuerlustig auf ihrer Zunge. Besser nicht… Sie war inzwischen sowieso fast sicher. Seine besonderen Fähigkeiten sprachen doch für sich! Wie es ihm immer wieder gelang ihre Sorgen und Ängste zu zerstreuen, sie in seinen Bann zu ziehen. Beängstigend! Ein gewöhnlicher Mensch könnte das garantiert nicht! Sie starrte immer noch ins Dunkel. So ergab alles einen Sinn… Er musste einfach der Nöck sein! Und… wer weiß? Vielleicht… Würde er ihr sein Geheimnis eines Tages von selbst anvertrauen? Er hatte es immerhin schon einmal getan… Ein erneutes Schmunzeln huschte über ihr Gesicht. <Wenn er sich traut.>

Vorsichtig spähte sie zu ihm hinüber. In seine geheimnisvollen Augen war der besagte Glanz zurückgekehrt. Gedankenverloren blickte er aus dem Fenster, bemerkte nicht, wie er beobachtet wurde. Ein schönes Gesicht, beinahe edel zu nennende Züge. Ja, da war etwas Magisches an ihm. Ganz deutlich nahm sie es wahr. Er war schon annähernd ein König! Bestimmt würde er bald aufhören können sich zu verstecken und dann endlich frei fliegen. Wie groß, stark und stolz er inzwischen aussah! <Oh, Koon!> Kyoko fühlte sich entsetzlich klein und grau, sobald seine strahlende Erscheinung in ihrer Einbildung den Himmel eroberte. Plötzlich schien ihr Sempai noch unerreichbarer. Ein fremdes und dennoch vertrautes Wesen hoch über den Wolken. Das Zwielicht verstärkte diesen Eindruck und verlieh seiner Erscheinung eine zusätzliche Mystik. Sie könnte sich niemals mit ihm messen! Wozu auch? Wenn sie ihm nur wenigstens irgendwie danken könnte…

<Jetzt hält er mich wieder in den Armen und ermutiget mich, anstatt ich ihn. Genau wie früher! Warum nur? Warum ist er immer mir so nah?> Leichte Nervosität beschleunigte ihren Puls. Nur an ihr wirkte die Magie von Koon so stark, denn nur sie berührte er mit soviel Intensität, nur ihr schenkte er seine volle Aufmerksamkeit. Ohne etwas davon zu ahnen, war es zwischen beiden seit jeher so gewesen. Überdeutlich wurde Rens Anwesenheit in jener Minute für Kyoko, obwohl sie bereits wieder weggeschaut hatte. <Eigentlich ist das Ganze ungeheuerlich. Und peinlich noch dazu!! Er… und… ich… Wir beide… So allein in der Dunkelheit… Uh!-Uhwah! Er… Ein M- Mann ist er schließlich trotzdem, nicht wahr? Und zwar ein Gefährlicher! Der Eroberer der Nacht!! Selbst wenn ich für ihn bloß eine unansehnliche Spießerin bin: Ganz wohl ist mir nicht bei der Sache! Ah-aber… andererseits… Koon. Ich kann ihn jetzt doch nicht alleine lassen!? Ich will nicht, dass er denkt, ich würde ihn wegen seiner Vergangenheit verachten oder Ähnliches!! –Urgs!- Wie albern das klingt… Wo er der alle überragende König Tsuruga ist! Das könnte ich mir doch gar nicht leisten… Koon… Ach! Unsinn! Koon ist er nicht mehr! Obwohl es sich noch ein bisschen so anfü… Ärcks!… Ich sollte mir nicht dauernd solchen Stuss einfallen lassen…!>

Sie schloss die Augen, schüttelte sich ein wenig. Ihre neue Erkenntnis machte die Sachlage kaum besser, sondern verwirrte sie zunehmend. Ren-Koon-Ren-Koon-Ren-Koon-Ren.... Langsam dämmerte ihr, dass der Junge es damals anders gemeint hatte, als er ihr von seiner Familie erzählte. Sein Vater war kein Monarch aus einem Märchen und er wahrscheinlich auch kein Elf, sondern die ganze Story nur eine Metapher für seine äußerst reale Situation. Koon und Ren, beide waren ein und derselbe Mensch! Ein Mensch, normal bis auf seine seltsamen Zauberkräfte, der sie schon seit ihrer Grundschulzeit kannte! Nur sie hatte ihn wegen seiner krassen Veränderungen, wegen seines großartigen Schauspiels natürlich nicht erkannt und konnte es auch jetzt kaum fassen. Der liebenswürdige Junge aus dem Wald war ihr Freund, die Person der sie am meisten vertrauen konnte. Und Tsuruga-san? Er war ihr hinterlistiger Senpai, bei dem man andauernd auf der Hut sein musste. Wie sollte sie das vereinbaren? Etwas von Koon war geblieben, das merkte sie sehr wohl und sie teilten die gleiche schlimme Vergangenheit. Vieles Andere an Ren konnte jedoch schwerlich in Relation zu seinem früheren Ich gebracht werden. Waren die Zwei nicht eigentlich Grund auf verschieden? Koon hatte sie gemocht, Tsuruga-san eine zeitlang regelrecht gehasst…

Was sollte sie jetzt nur empfinden!? Die aufkeimende alte Verbundenheit zu dem Kindheitsfreund, der bis eben lediglich ein schwer zu durchblickendes Vorbild für sie war, machte sie verlegen. Ein schwaches Gefühl von Intimität ausgerechnet gegenüber DIESEM Menschen zu haben, warf das arme Mädchen völlig aus der Bahn! Genauso gut hätte man ihr sagen können, dass Takarada-san in Wirklichkeit ihr ehemals geliebter Prinz Sho-chan sei, der nur mit seinem bösartigen Bruder Rumpelstilzchen vertauscht worden war, oder dass der harmlose Junji tatsächlich ein verkleideter Reino wäre. Wie sollte sie ihre Beziehung zu Ren jetzt einordnen? Der Gelegenheitsfiese-Megastar-Status überwog selbstverständlich, doch die Distanz zwischen ihnen bröckelte… Irgendwann müsste sie sich doch noch Gewissheit verschaffen…

Reglos verharrte sie in ihrer Haltung. Rens Daumen streichelte über ihre Schulter. Unter anderen Umständen wäre die Schauspielerin schon seit Langem aufgesprungen und in ein weit entferntes Land ausgewandert! Doch etwas hinderte sie daran. Vielleicht das Glück Koon wieder gefunden zu haben? Oder der Schock? Ohnehin war das Mädchen zu geschwächt um überhaupt weiter zu überlegen, ob es eigentlich in okay war, in den Armen ihres Senpais zu verweilen und zu spüren, wie sein Atem einzelne Haarstränchen über ihre Stirn kitzeln ließ. Sie wollte im Moment gar nichts mehr denken, brauchte dringend Ruhe. Es war entspannend, warm und bequem, selbst wenn es ihr nicht richtig vorkam, stellte sie dieses Befinden erstmal zufrieden. Ihre Muskeln gehorchten ihr nicht mehr und sie besaß auch keine Möglichkeit, etwas dagegen zu unternehmen. Also fügte sie sich in ihre Position…

Ursprünglich hatte sie ja nach der letzten Umarmung den Vorsatz gehabt, Tsuruga-san sicherheitshalber nicht wieder so dicht an sich herankommen zu lassen. Aber ihm wieder gegenüberstehen zu müssen, entpuppte sich jedes Mal als Herausforderung. Was eindeutig daran lag, dass dieser Mensch stets so schwierig zu handhaben war, in seiner unbeständigen Art mit ihr umzugehen. Widerstand zwecklos... Glück nur das niemand sie sehen konnte! (Junji saß abgewandt und bewachte Isamu) Ergeben an einen erwachsenen Mann -nein an IHN!- geschmiegt zu ruhen, welch ein Skandal für ein gut konservativ erzogenes Mädchen, noch dazu ihres Alters! Kindheitsfreund hin oder her! Mittelmäßig wie sie war, drohte ihr von Seiten des begehrtesten Junggesellen Japans zwar keine Gefahr: Nie würde der Herrscher des Showbizz etwas von ihr wollen und niemals würde sie sich etwas von auch nur Irgendjemandem ersehnen! Illegal blieb diese Konstellation trotzdem irgendwie...! Immerhin handelte es sich hier um die Frau, welche keine Liebe (schon gar nicht zu einem Mann) empfinden konnte und… und… Wen? <Schluss jetzt…> Kyoko gab es schließlich auf sich diesen dummen Grübeleien hinzugeben. Sie lehnte wieder ein bisschen an Rens Schulter. Die Frage, was sie nun von diesem Herrn halten sollte, hatte Zeit. Ihr Kopf schmerzte. Kurz darauf ließ der Schlaf ihren ausgelaugten Körper zusammensacken.

Eine Bewegung die mit Schrecken realisiert wurde. „Eh? Was ist? Kyo-…“ <Sie ist eingeschlafen?> Ren besah sich die Schlummernde. <Muss ein harter Tag für sie gewesen sein…für jeden von uns.> Sein Blick schweifte nach rechts. Hakura und Isamu lagen bereits in den Betten. <Wann hat DER sich…?> Nun war nur noch ein Bett frei. Die Entführer hatten schließlich nicht mit gleich 2 Top-Schauspielern gerechnet. <Ob ich…?> Behutsam erhob er sich vom Boden und trug die Schauspielerin hinüber zum letzten Bett. <Leicht wie ein Kind…>

Er brauchte eine Weile, da sein linker Fuß offensichtlich ebenso träumte wie seine Kohei und ihn das taube Gefühl beim Gehen behinderte. <…!?> Unterwegs klammerte sich das Mädchen wie ein kleiner Koala an ihn und machte auch keinerlei Anstalten loszulassen, als er sie niederlegen wollte. <Soso. In dem Fall… >

Etwas umständlich eroberte er mit seinem Anhängsel die Matratze und zog die Decke über Kyoko und sich. <Sie kann so lieb sein.> Instinktiv fanden seine Hände den Weg ihren Rücken hinauf, durch das seidig schwarze Haar, über die reizend zart geröteten Wangen. Er konnte sich nicht abwenden, wie in Trance verlor er sich in den Details ihres Gesichts. <Wenn du wüsstest…> Dachte er, unfähig zu entscheiden, ob der gegenwärtige Zustand ein Fluch oder ein Segen für ihn war...

Der süße Engel lockerte seinen Griff. Aber jetzt würde er ihr nicht mehr von der Seite weichen. Wer konnte schon versprechen, dass er ihr jemals wieder so nah sein konnte? Sie hatte ihn an diesem Tag gerettet, ihm vergeben. Seine schmerzhaften Erinnerungen waren keineswegs verschwunden durch ihre Worte, aber sie waren auf einmal in die Ferne gerückt, nicht mehr so bedeutsam. Er hatte heute etwas überwunden, die große Krise seines Lebens. Das hätte er nie für möglich gehalten. Dank ihr…! Ein neues Dasein konnte beginnen. Sein eigener Anfang. Das wollte er jetzt unbedingt! Er würde sie hier herausholen und mit sich selbst nochmal von vorne beginnen. Kyoko-chan konnte er dabei in seinem Herzen verwahren. <Auch wenn ich sie vielleicht nicht ganz haben kann. Sie wird dadurch trotzdem immer bei mir sein. Wenn ich nur ab und zu ihr kostbares Gesicht sehe, bin ich glücklich… Wer hätte das gedacht? Und vielleicht, möglicherweise, irgendwann finden wir einen gemeinsamen Weg und können dann auf ewig zusammenbleiben? Genau wie hier, in diesem Augenblick… Bald das wäre mein Wunsch… Zusammen… bald, vielleicht bald… ich werde darum kämpfen… Kyoko-chan…> Soviel Zuversicht hatte er noch nie verspürt, ebenso wenig wie er jemals etwas so sicher, so arg begehrt hatte. Selig dumm ins Ungewisse lächelnd schloss er die Augen, machte es endlich seinen kribbeligen Zehen nach und schlief vollständig ein.
 

Die Liebe ist ein Versuch der Natur, den Verstand aus dem Weg zu räumen und zugleich das charmanteste Unglück, dass einem zustoßen kann. Sie veranlasst dich einen Menschen so zu sehen, wie er einst gemeint war, lässt dich schwelgen und leiden in deinem privaten Weltereignis!
 

Blamm! Nase an Nase mit Ren war sie aufgewacht, komplett von ihm umgeben und vor Überraschung prompt aus dem Bett gefallen. Verstört drehte sie den Kopf in alle Richtungen. Der dumpfe Aufprall war nicht laut genug gewesen, um jemanden zu wecken. Wackelig auf den Beinen stand sie auf und trudelte wie von Geisterhand geführt ins Bad. Rasende Kopfschmerzen! Kühles, klares Wasser! Das half allezeit die Gedanken zu ordnen…

<Ich habe tatsächlich mit ihm in einem Bett gelegen!? Warum hat er das…?> Zurück im “Wohnzimmer“ beäugte sie die Schlafenden irritiert, rüttelte den Kopf. <Da-das war ein Schock! Wieso…? Macht ihm das etwa nix aus? Weil ich sowieso uninteressant bin, oder was? Hrrm… Das muss es sein.> Obschon sie sich mit der Mauerblümchenfrage abgefunden hatte, beleidigte es sie doch ein wenig. Wie konnte er nur so gemein sein…? Hatte er denn gar nicht nachgedacht? Sie schauderte. Es war kalt und tiefste Nacht. Wassertropfen rannen ihren Hals hinunter. Nichts wärmt den menschlichen Körper mehr als die Nähe eines Anderen. Immer noch lag das Sinnesreiz von Ren auf ihrer Haut: Temperatur, Rhythmus, Oberfläche, Schwere… Sie taumelte. Doch diesmal war der Schauspieler unschuldig. Ihre Knochen kribbelten unangenehm. Sämtliche Glieder schmerzten. Kaum dass sie ihn mit dem eisigen Nass gekühlt hatte, beschulg eine enorme Hitze ihren gesamten Kopf, raubte ihr beinahe die Sicht. Jähe Übelkeit. Fiebrig und mit brennenden Augen tastete sie sich zurück ins Bett. „Tsuruga-san…“ Kurz vor der Ohnmacht packte sie ihn verzweifelt an der Schulter. Erschrocken riss er die Augen auf. “Moga… EH!!? Was hast du!?“ Sofort saß Ren kerzengerade da und packte reflexartig das selbst im Sitzen noch schwankende Mädchen. „Meine Güte, du glühst ja!“ Er brauchte nicht Nachzufühlen um das zu erkennen. Kyokos Gesicht war feuerrot und Schweißperlen vermischt mit Wasser standen ihr auf der Stirn. Sie zitterte. Ihre Hände waren eiskalt, die Augen verschwammen in Tränen. „Leg dich hin.“ Er bettete sie ängstlich neben sich hin, versuchte mit seinen Händen ihre Stirn zu kühlen. „Hey Hakura!“ Es widerstrebte ihm zweifelsohne ausgerechnet diesen Kerl um Hilfe zu bitten, aber in seiner Panik brauchte er dringend eine hilfreiche Hand.

Der Gerufene reagierte nicht. „Was ist los?“ An seiner Statt kam Isamu von hinten hervor. Sein Bruder war Ren tatsächlich lieber. „Komm mal schnell! Mogami-san… ich glaube sie ist krank!“ „Was?“ Der Junge lief so rasch es seine Verletzung erlaubte.

„Sie hat hohes Fieber!“ Stellte er kurzerhand fest. „Wir brauchen nasse Handtücher und etwas zu Trinken. Mach schon!“

Isamu hockte sich neben Kyoko und wies Ren an, zuerst ins Bad zu gehen. „Schön kalt! Vergiss aber nicht sie auszuwringen. Ich hole ein Glas.“

„Hey? Was stellt ihr da an?“ Junji war letztlich doch noch zu sich gekommen und eilte alarmiert zum Ort des Geschehens. „Kyoko-chan?“ Das Mädchen öffnete kurz die Augen, murmelte etwas Unverständliches. Der junge Mann ergriff besorgt ihre Hand, sie versuchte zu lächeln und versank anschließend wieder in Bewusstlosigkeit…
 

„Wie spät ist es eigentlich?“ Junji fuhr sich entnervt durch die Haare. „Halb elf rum.“ Antwotete Isamu knapp. In einer halben Stunde war es den dreien gelungen Kyokos Fieberanfall einigermaßen in den Griff zu kriegen. Sie saßen schweigend um ihr Bett. Das Mädchen war in einen unruhigen Schlaf verfallen.
 

Schluchzen. Ein kleines Kind, gerade so groß um noch aufrecht unter einem Stuhl hindurch laufen zu können, hockte im Winkel einer riesigen Hotelhalle und weite jämmerlich. Es wusste nicht wo es war und es vermisste seine Mutter.

Ein adrett gekleideter Herr hob die Kleine sanft auf einen der roten Ledersessel, tätschelte das schwarzhaarige Köpfchen der etwa Dreijährigen. Dann sagte er mit freundlicher Stimme etwas in einer fremden Sprache. Ein Anderer rief ihn und sogleich ließ er das Mädchen wieder allein zurück. Sie sah im nach. Still aber immer noch ängstlich kauerte sich das Häufchen Elend an die Lehne gedrückt zusammen.
 

„Mama!“ Panisch rannte sie hinter dem davonrasenden Taxi her. „Nein! Mama!“
 

„Ich will ja nicht fortgehen. Hier, nimm das.“ Ein kleiner blauer Stein fiel in ihre Hand. „Pass gut darauf auf.“
 

„Sie ist nur hier um sich ein bisschen um den Haushalt zu kümmern. Sie bedeutet mir nichts. Sie ist doch bloß ein langweiliges Mauerblümchen…“
 

Kyoko öffnete die Augen. Sie fühlte sich innerlich leer nach diesem Traum. Alle Menschen, die ihr etwas bedeutet hatten, hatten sie irgendwann sitzen lassen; ihr Leben lang.

Nur Koon… Irgendetwas war da doch anders gewesen? Wurde sie wirklich auch von ihm verlassen? Eigentlich nicht… Jedenfalls nicht richtig. Aber war sie nicht von Geburt an ein solcher Mensch, der von niemandem geliebt werden konnte? Warum war er also freiwillig bei ihr geblieben? Teilten sie sich etwa dieselbe Einsamkeit? Stimmte schon, Tsuruga-san wurde von unzähligen Frauen angebetet, aber niemand außer ihr kannte Koon! Tiefe Dankbarkeit wallte in ihr auf. Er war gewissermaßen ihr Leidensgenosse! Und er hatte sie außerdem -wenn auch unbewusst- stets getröstet. Sie musste sich revanchieren!

Ihre Hand wanderte unter der Decke zu ihrer Hose. An der Innenseite des Bundes fühlte sie das gesuchte schmale Metall durch ihre Finger gleiten. Sie hatte immer eine stabile Sicherheitsnadel dabei, um damit das Kopfteil an ihrem Hahnenkostüm besser befestigen zu können. Es war eine große zirka 8 cm lange Nadel und da ihre Kleidung über keine Taschen verfügte, steckte sie das Ding manchmal irgendwo hin, wo keiner es sah…Mit der Zeit hatte sie sich so sehr daran gewöhnt, sie nahm es als Glücksbringer überall mit hin, wo Koons Stein nicht dabei sein konnte. [Seit den traulichen Begegnungen Bous mit Ren, hat sie den allergrößten Horror davor, ihren Kopf zu verlieren… Im wahrsten Sinne des Wortes…]

Nie hätte das Mädchen allerdings geglaubt, dass sie diesen Miniaturspieß einmal so einsetzen würde, wie sie es sich eben vornahm, als Punkt Null Uhr die Tür aufgestoßen wurde.

LICHT! Sie warf sich automatisch auf die andere Seite und bedeckte ihr Gesicht. Stühle kratzten über den Boden, weil um sie herum drei junge Männer aufgesprungen waren. Jemand zog sie aus dem Bett. „LOSLASSEN! LASS SIE LOS!!!“ Rens Stimme schäumte vor Wut. Er machte seinen vier zupackenden Geiselnehmern ganz schön zu schaffen. „Nur die Ruhe mein Freund.“ Schnarrte eine elektronisch klingende Männerstimme. Der Sprecher stand gelangweilt im Türrahmen und kontrollierte seine Fingernägel. Er war maskiert.

Jede seiner Geiseln erriet postwendend, dass es sich bei ihm um Isamus Vater handeln musste, aber davon ahnte dieser natürlich nichts. Lässig schlenderte er auf die Geblendeten zu. Kyoko schielte bang zu ihrem Senpai. Er stand da, leicht nach vorn gebeugt, als würde er auf ein Geräusch irgendwo unter seinen Füßen lauschen. Jede Faser seines Körpers schien angespannt, wie bei einem wilden Tier, das sich zum Sprung bereit machte. Die dunklen Augen glitzerten bedrohlich. Seine Miene war unergründlich.

Der Maskierte wirkte nun doch etwas beeindruckt und verschränkte die Arme vor seinem hageren Körper. Er hielt dem Blick des Schauspielers nicht stand und wandte sich schnell zu dem weniger angriffslustigen Junji. „Ich denke es ist Zeit mit dem Dreh zu beginnen. Von Profis wie ihnen erwarte ich vollen Einsatz.“ Seiner Stimme war ein unsichtbares Grinsen zu entnehmen. „Bringt die Männer in den Salon.“ Er klatschte. Ren und Junji wurden augenblicklich aus dem Zimmer geschoben. „So Mädels.“

<Mädels?> Kyoko fixierte Isamu. <Dann hab ich mich nicht getäuscht? Als ich ihn vorhin wegen der Schusswunde ausgezogen hab, kam es mir schon so vor als… Dann ist Isamu also wirklich eine SIE!!?>

„Ihr werdet noch ein bisschen hübsch gemacht für die Aufnahmen.“

„Wie bitte? Aufnahmen?“ <Hab ich mich verhört?> Ein bisschen spät reagierte die Schauspielerin. Ihr Fieber war noch hoch und sie selbst schon wieder total neben der Spur. „Wir drehen jetzt ein kleines Erpresservideo für eure Agentur, meine Schöne. Da soll doch alles perfekt sein nicht wahr?“ Eine raue Hand strich über ihren Oberarm. Um ein Haar hätte sie zugeschlagen.
 

„Okay.“

Nachdem die breitschultrigste Frau, die Kyoko je gesehen hatte, ihr etwas Make up und Haarspray aufgetragen ließ man ihr kurz Zeit sich umzuziehen. Danach führte eine dreiköpfige Eskorte die Gefangene durch einen hell erleuchteten Flur in den besagten Salon. Ren und Junji standen bereits dort unter einem gewaltigen Kronleuchter und schienen äußerst erleichtert über ihr Kommen.

Sie trugen ebenfalls frische Kleidung. Anzüge.

Das Mädchen fröstelte in kurzärmeliger Bluse und knielangem Seidenrock und stellte sich zwischen ihre Kollegen. Ihr Kopf war so heiß. Mit schwindender Konzentrationsfähigkeit betrachtete sie das rote Lämpchen der Kamera. Der Maskierte redete doch sie konnte seinen Worten nicht folgen. Die Lage belief sich auf 9 Vermummte, gegen drei Geiseln. Sie musste es dennoch versuchen! Noch ein tiefer Atemzug, dann ließ sie sich fallen. Ren schrie entsetzt auf. „Sie ist krank! Lasst mich!“ Kyoko notierte das Gerangel um sie herum mit einer gewissen Zufriedenheit. „Schafft sie hier raus und bringt diese Irren unter Kontrolle!“ Krähte Isamus Vater, der sich vor nichts mehr fürchtete als Infektionen.

Selbst Junji beteiligte sich inzwischen an der Prügelei. Irgendwer zog Kyoko aus dem Getümmel. Der Lärm entfernte sich langsam, die Luft wurde noch kühler. Sie blinzelte. Hinter ihr lag der Flur. Die Tür war nur angelehnt.

<Ich habe Glück. Es ist nur Einer.> Dachte sie, während Unmengen Adrenalin durch ihre Blutgefäße stoben. Sie ergriff bedächtig die Sicherheitsnadel. Drückte die Spitze aus dem Verschluss. <Ruhig bleiben. Nur nicht die Nerven verlieren…>

Jetzt oder nie!

Kuss des Drachen

Die letzten sieben Tage der Erde
 


 

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Aber nach vielen Jahrmillionen war der Mensch endlich klug genug. Er sprach: Wer redet hier von Gott? Ich nehme mein Leben und meine Zukunft selbst in die Hand. Er nahm sie und es begannen die letzten sieben Tage der Erde.
 


 

Am Morgen des ersten Tages beschloss der Mensch, frei zu sein und gut, schön und glücklich. Nicht mehr Ebenbild eines Gottes, sondern ein Mensch. Und weil er an etwas glauben musste, glaubte er an die Freiheit und an das Glück, an Zahlen und Mengen, an die Börse und an den Fortschritt, an die Planung und seine Sicherheit. Denn zu seiner Sicherheit hatte er den Grund zu seinen Füßen gefüllt mit Raketen und Atomsprengköpfen.
 

Am zweiten Tage starben die Fische in den Industriegewässern, die Vögel am Pulver aus der chemischen Fabrik, das den Raupen bestimmt war, die Feldhasen an den Bleiwolken von der Straße, die Schoßhunde an der schönen roten Farbe der Wurst, die Heringe am Öl auf dem Meer und an dem Müll auf dem Grunde des Ozeans. Denn der Müll war aktiv.
 


 

Am dritten Tage verdorrte das Gras auf den Feldern und das Laub an den Bäumen, das Moos an den Felsen und die Blumen in den Gärten. Denn der Mensch machte das Wetter selbst und verteilte den Regen nach genauem Plan. Es war nur ein kleiner Fehler in dem Rechner, der den Regen verteilte. Als sie den Fehler fanden, lagen die Lastkähne auf dem trockenen Grund des schönen Rheins.
 


 

Am vierten Tage gingen drei von vier Milliarden Menschen zugrunde. Die einen an den Krankheiten, die der Mensch gezüchtet hatte, denn einer hatte vergessen, die Behälter zu schließen, die für den nächsten Krieg bereitstanden. Und ihre Medikamente halfen nichts. Die hatten zu lange wirken müssen in Hautcremes und Schweinelendchen. Die anderen starben am Hunger, weil etliche von ihnen den Schlüssel zu den Getreidesilos versteckt hatten. Und sie fluchten Gott, der ihnen das Glück doch schuldig war.
 


 

Am fünften Tage drückten die letzten Menschen den roten Knopf, denn sie fühlten sich bedroht. Feuer hüllte den Erdball ein, die Berge brannten, die Meere verdampften und die Betonskelette in den Städten standen schwarz und rauchten. Und die Engel im Himmel sahen, wie der blaue Planet rot wurde, dann schmutzig braun und schließlich aschgrau. Und sie unterbrachen ihren Gesang für zehn Minuten.
 


 

Am sechsten Tage ging das Licht aus. Staub und Asche verhüllten die Sonne, den Mond und die Sterne. Und die letzte Küchenschabe, die in einem Raketenbunker überlebt hatte, ging zugrunde an der übermäßigen Wärme, die ihr nicht gut bekam.
 


 

Am siebten Tage war Ruhe. Endlich: Die Erde war wüst und leer, und es war finster über den Rissen und Spalten, die in der trockenen Erdrinde aufgesprungen waren. Und der Geist des Menschen geisterte als Totengespenst über dem Chaos. Tief unten in der Hölle aber erzählte man sich die spannende Geschichte vom Menschen, der seine Zukunft selbst in die Hand nahm, und das Gelächter dröhnte hinauf bis zu den Chören der Engel . . .
 

( Jörg Zink )
 

11. Der Kuss des Drachen – von Mythen und Legenden
 

Vor nicht allzu vielen Jahren im Frühling 1991 machten Bergwanderer, die sich gerade auf ihrer Urlaubsreise befanden, einen grausigen Fund. Es war ein geradezu makelloser Morgen, als die Sonne, welche schon seit einigen Wochen nicht aufhören wollte zu scheinen, eine Leiche aus den Tiefen des Gletschers zu Tage förderte. Ein menschlicher Körper, von der eisigen Kälte konserviert seit etwa 3340 vor Christus!
 

Die mumifizierte Haut von ‚Ötzi’ gab den damaligen Pathologen einige Rätsel auf. Sie verfügte zum Beispiel über eigentümliche Tätowierungen, die sich -wie man später herausfinden sollte- ganz in der Nähe klassischer Akkupunkthurpunkte der chinesischen Medizin befanden und vermutlich auf die Verwendung von Steinnadeln zurückzuführen waren. Neuere Grabfunde lieferten dann weitere Indizien, dass ähnliche Instrumente bereits vor rund 6000 Jahren verwendet worden sein könnten. Alternativ zu den Steinnadeln wurden damals allerdings auch Bambussplitter oder Fischgräten benutzt.

Die heutige, offizielle Technik der Akupunktur geht von der Existenz von 361 Akupunkturpunkten aus, welche auf sogenannten Meridianen liegen. Die zwölf Hauptmeridiane sind jeweils spiegelverkehrt auf beiden Körperhälften paarig angeordnet. Hinzu kommen acht Extrameridiane und eine Reihe von Extrapunkten, an welchen durch das Einstechen einer Nadel angeblich der Fluss des ‚Qi’ beeinflusst werden kann, was aus heilpraktischer Sicht einer Umsteuerungs- und Regulationstherapie dienen soll. Doch birgt die uralte Tradition dieser hohen Kunst seit jeher eine Vielzahl dunkler Geheimnisse – Sprich: verbotene Stellen, weit entfernt vom ursprünglichen Zweck der Behandlung und mit wahrhaft verheerenden Konsequenzen für das entsprechende Opfer…
 

„Der Kuss des Drachen… Ein Stich in diesen Punkt lässt augenblicklich sämtliches Blut in den Kopf steigen, aber von dort nicht mehr zurück in den Körper fließen. Der Betroffene stirbt somit einen entsprechend grauenvollen sowie äußerst schmerzhaften Tod, wobei ihm Blut aus Nase, Mund, Ohren und sogar aus den Augen tritt.“

Der alte Chinese deutete mit sachlichem Gesichtsausdruck auf eine etwa A1 große, ziemlich verwitterte Darstellung, welche gelassen an ihrer hölzernen Aufhängung schaukelte und die abgedunkelte Kammer mit modrig staubigem Geruch erfüllte. Ihrem Zustand nach musste diese Abbildung mindestens ein paar hundert Jahre alt sein. Wie alle seine Vorbesitzer hatte der Alte die kostbare Federzeichnung zwar stets gut behandelt, -es gab praktisch keine Risse oder Kratzer- dennoch setzte sich ihre Färbung inzwischen aus einer seltsamen grau-gelb-braun Mischung zusammen, welche keinerlei Rückschlüsse mehr darauf zuließ, ob das Papier ehemals weiß gewesen war oder nicht. Ferner ließen sich die feinen Linien aus schwarzer Tinte nur noch mit zusammengekniffenen Augen halbwegs entschlüsseln; das Schaubild zeigte wage einen menschlichen Oberkörper in verschiedenen Ansichten: vorne, hinten, oben, seitlich. Unzählige Striche führten wie Sonnenstrahlen von der Grafik weg. Sie waren mit geradezu winzigen Beschriftungen versehen und voller veralteter Zeichen…
 

Sie zitterte vor Stress, Angst und Fieber. Mindestens 6 Zentimeter tief steckte ihre kleine Waffe im Fleisch des Fremden!

Es war nicht schwerer gewesen, als mit der Gabel eine Kiwi aufzupieksen: Zunächst hatte sie den Widerstand der festeren Hautschicht überwinden müssen, gleich darauf durchdrang die spitze Nadel auch schon das darunter liegende unerwartet weiche Gewebe.

Kyoko war fest entschlossen gewesen… Vor Ausführung der Tat, hatte sie sich die exakte Stelle und notwendige Bewegung genau vorgestellt, sich an alles erinnert, was man ihr einst beigebracht hatte: Ins Genick, zwischen die ersten beiden Wirbel, etwas über drei Finger breit unterm Haaransatz… Schnell, sauber und geräuschlos sollte es geschehen. Die Trefferchance schien nicht gerade groß, doch dieses Risiko musste sie eingehen. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.

Ihre Hände vollkommen unter Kontrolle, hochkonzentriert und ohne jegliche Hemmungen griff sie an. Der Mann gab einen leisen, überraschen Laut von sich, als sich ihr feines Werkzeug in seinen Hals bohrte und brach dann auf der Stelle zusammen. Sein Körper zuckte unkoordiniert, der Kopf nahm ein bedrohliches Dunkelrot an. Panisch drehte das Mädchen ihn auf dem Bauch und entfernte die Nadel. Erst Sekunden später hörte er auf sich zu regen. Sie kniete entsetzt daneben, starrte beinahe ungläubig auf das blutige Metall. Ihr war kalt und speiübel. Ihr Kopf war leer bis auf ihren viel zu hastigen Herzschlag. Der Flur begann langsam aber sicher vor ihren Augen zu verschwimmen.

Das war nicht der Gang durch den sie gekommen waren, oder!? Mit letzter Kraft zog sich die Schauspielerin an der Wand nach oben. Nach mehreren Versuchen gelang es ihr ein Fenster zu öffnen. Frostige Winterluft strömte herein. Irgendwo zerriss ein Schuss die weit entfernte Schmelze aus Schreien und Rufen verschiedenster Stimmen. Schon wieder ein Schuss…?

Sie stürzte hinaus. Und fiel… und fiel…
 

Eine schwere warme Decke, ein weiches Kissen, emsige Schritte im Raum nebenan, geschäftiges Geschirrgeklapper, verlockender Frühstücksduft, eine Kaffeemaschine beim Mahlen von Kaffee, jemand der eine sehnsuchtsvolle Weise dazu summt, leises Glöckchenklingeln…

<Glöckchenklingeln…?>

Mit einem Schlag saß Kyoko im Bett. Eine zutiefst erschrockene Katze sprang laut miauend von ihr herunter und verschwand bimmelnd, mit aufgestelltem Schwanz und beleidigtem Fauchen aus dem Zimmer.

<…!!? Eh?>

Keine Sekunde später stürmte an Stelle des geflüchteten Katers zwar nicht klingelnd ein anderes dafür aber bellendes Etwas herein.

„Pan! Aus! Du machst dem Mädchen doch Angst!“

Wedelnd und hechelnd tänzelte der mittelgroße schwarzweiß gescheckte Hund um sein Frauchen herum. „Sitz! Hach… Entschuldige Liebes! Pan-chi ist noch sehr jung und etwas ungestüm. Aber er würde wirklich keiner Fliege etwas zuleide tun! Er ist ein braver Hund, weißt du?“ Die Stimme der vielleicht 50jährigen Frau war ungemein gütig. Sie strahlte übers ganze Gesicht und nickte dem verstörten Mädchen aufmunternd zu. „Wie geht es dir? Ich hab dich gestern mitten in der Nacht bewusstlos draußen im Garten gefunden… Ein Glück dass ich mit den jungen Hunden extra noch mal spazieren war! Du…“

„Die Entführer!“ Kyoko stürmte aus dem Bett und wurde sogleich mit freudigen Sprüngen von Pan begrüßt. „Die Männer in dem Haus sie haben... Sie haben uns entführt! Die… die Anderen sind noch da… da drin! Wir müssen was tun! Die schieß-… Die schießen!!“ Ihre Stimme überschlug sich förmlich. Beinahe hysterisch ruderte sie mit den Armen und hüpfte unruhig von einem Bein auf das Andere.

„Ach du meine Güte, Kind! Du bist ja vollkommen durcheinander... Setz dich doch erstmal her und beruhige dich Liebes. Dann kannst du mir alles ganz von vorne erzählen, ja?“

Mit sanfter Gewalt wurde Kyoko auf einen Sessel gedrückt und begann stotternd aufgrund ihrer großen Eine und sich dennoch ständig wiederholend zu erzählen.

„Also das kann ich mir wirklich nicht vorstellen! Das unser Hausherr so etwas tun könnte? Ich arbeite nun schon seit dreizehn Jahren hier als Haushälterin und… nein, nein… eigentlich… Er ist natürlich kein richtig guter Mensch, allerdings traue ich ihm deswegen doch nicht gleich eine Entführung…“ Chika, wie sich die hilfsbereite Frau noch vorgestellt hatte, betrachtete ihr Findelkind, nachdem dieses seinen wirren Vortrag abgeschlossen hatte, mit nachdenklich gekräuselter Stirn. Sie war recht dick und hatte daher auch kaum Falten, doch wenn sie so überlegte, schien ihr freundliches Gesicht sofort um mindestens 10 optische Jahre zu altern. Sie war ernst geworden, hatte die Braunen zusammengezogen und den Kopf leicht zur Seite geneigt. Dabei strahlte sie eine gewisse Weisheit aus. Ihre kleinen klugen Äuglein flitzen ruhelos umher, sodass Kyoko schon vom Zusehen hätte schwindelig werden können. Mit dem Zeigefinger massierte sie ihre Schläfe. „Bitte! Sie müssen mir glau… „ Setzte das Mädchen gerade verzweifelt an, als ein lautes Pochen an der Tür ihr das Wort abschnitt. „Wer kann das sein?“ Begleitet von alarmierten Blicken begab sich die beleibte Haushälterin zur Tür. Bestimmt kam hier normalerweise nur selten jemand vorbei; Blicke durchs Fenster hatten der Schauspielerin nämlich gesagt, dass Chika in einer vom Anwesen ziemlich abgelegen Hütte hauste.

Kyoko konnte zwei Männer reden hören, jedoch keine Einzelheiten verstehen. Dann fiel die Tür ins Schloss und sie war allein…

<TELEFON!> Das war ihr erster klarer Gedanke. Schritt für Schritt pirschte sie aus der kleinen Schlafstube ins Wohnzimmer…
 

„Wie, sie konnten nichts finden? Was soll das heißen? Haben wir ihnen nicht deutlich erklärt, wo das Treffen stattgefunden hat? Irgendjemand muss sie doch dort gesehen haben! Immerhin liegt die Station mitten im Stadtzentrum!“

„Wir gehen mittlerweile davon aus, dass das Treffen woanders gewesen sein muss. Vermutlich haben die Entführer sich bei den Vermissten gemeldet und sie an eine weniger überschaubare Stelle beordert…“

„Aber! Aber wie?“

„Nunja… Also wenn sie vorher schon das Mädchen hatten, haben sie wahrscheinlich auch deren Handy benutzt um die Nummern der beiden Anderen herauszufinden…“

„Oh… Un-Und was gedenken sie bitte jetzt zu tun?“

„Alle diensthabenden Polizisten sind selbstverständlich informiert und angewiesen Ausschau zu halten. Ansonsten können wir allerdings nur abwarten bis sich die Kidnapper hier melden. Für gewöhnlich dauert das immer eine gewisse Zeit. Da die Geiseln meist erst an einen sicheren Ort geschafft werden müssen und so weiter. Da liegen wir noch im normalen Rahmen.“

„Normaler Rahmen!!? Und wenn sie sich überhaupt nicht melden!?“

„Dann werden wir wohl gezwungen sein die Öffentlichkeit mit einzuschalten.“

„..!“

Schweigen. Yashiro keuchte wie ein ausgedürsteter Marathonläufer und auch dem Kriminaloberinspektor standen deutliche Schweißperlen auf der Stirn. Im Laufe der letzten Nacht hatte man sich schließlich doch noch dazu durchringen können, die Behörden einzuschalten. Leider waren die Ergebnisse der letzten Nachforschungen wenig hilfreich. Takarada und Sarawa, die sich bisher darauf beschränkt hatten der Debatte kommentarlos zu lauschen, wechselten einen besorgten Blick.

Eben wollte der Präsident zum Reden ansetzen als dem Inspektor ein wichtiger Anruf durchgestellt wurde:

„G-guten Tag! Mein Name ist Mogami. Ren Tsuruga, Isamu und Junji Hakura und …äh… ich wurden entführt! Wir befinden uns …ähm…in der Villa eines Politikers etwa 5 Stunden vom alten Radiogebäude. Sein Symbol ist der violette Drache. Ich …äh… ich bin ihm irgendwie entkommen und rufe vom Apparat einer Haushälterin aus ahhh… Deng!

Biep, biep, biep…! Die Männerrunde, welche das Gespräch dank Lautsprecherfunktion gespannt mitverfolgt hatte erstarrte. Biep, biep…! „Sie hat das Telefon fallen lassen.“ Stellte der Kommissar nervös fest und vergaß dabei aufzulegen. „Wir müssen uns beeilen!!!“

Biep…biep…

Das Haus auf der Lichtung

Hallo ihr Lieben! Ich hoffe ihr habt mich noch nicht vergessen >_<! Tut mir wirklich Leid das ich dieses mal so viel länger gebraucht hab, aber die Arbeit an einer Kurzgeschichte (==> http://animexx.onlinewelten.com/fanfic/?doc_modus=startseite&ff=147685)

hat mich so sehr in Anspruch genommen! Sorry!!

Gabriel
 

12. Das Haus auf der Lichtung
 

Nirgends stand eine Sonne am Himmel. Das weißlich diffuse Tageslicht aber tauchte den längst angebrochenen Wintermorgen in ein einheitliches schattenloses Leuchten und unter einer dünnen Schicht von Raureif glitzerte die Umgebung heimtückisch schön.

Gleich bizarren Silberskulpturen schraubten sich ringsum riesige Bäume in die Höhe. Ihre knorrigen Äste ruhten kahl und unbewegt in der gläsernen Luft...
 

Keuchender Atem durchbrach die allumfassende Stille! Ausgestoßen als weißer Dampf schien er jedoch sogleich wieder von dieser verschluckt zu werden. Einzelne Zweige, welche unter Kyokos Füßen brachen, das Geräusch ihrer Schritte, alles verhallte im trostlosen Schweigen dieses unwirklichen Waldes, der die junge Frau plötzlich von allen Seiten her einschloss. Wo war sie bloß gelandet?

Schnell, wie ein gehetztes Tier das achtlos ein dichtes Unterholz durchdringt, rannte sie immer weiter. Gestrüpp verfing sich in ihren Sachen, in ihren Haaren; zerkratzte Gesicht und Hände. Schweiß lief trotz der Kälte an der Innenseite ihrer nebeldurchfeuchteten Kleidung ihren abgekämpften Körper hinab. Wenn sie stehen blieb, würde der Stoff bestimmt anfrieren! Aber sie eilte ja unbeirrt voran, wenn auch ohne Ziel, denn längst sahen ihre tränenden Augen schon nicht mehr, wohin sie eigentlich lief. Da war ohnehin nur totes Gehölz um sie herum! Unheimlich leer wirkte dieser Ort… so als wäre außer ihr nichts Lebendes gegenwärtig? Fortkommen! Das war das Einzige was jetzt zählte. Nur fort!

Doch nach und nach erstarben ihre Schritte. Sie konnte einfach nicht mehr weiter! Verzweifelt strauchelte und stolperte das Mädchen geradewegs in eine unbekannte Richtung über den rutschig matschigen Boden, fiel hin, raffte sich auf, fiel noch einmal.

Beim dritten Versuch Aufzustehen durchfuhr ein heftiger Zitterkrampf die junge Schauspielerin. Ein letztes Aufbäumen ihrer entkräfteten Muskeln gegen die völlige Erschöpfung, bevor sie schließlich zu Boden ging. Von irgendwo drang das schwache Rauschen einer Straße an ihr Ohr, aber sie konnte sich beim besten Willen nicht mehr rühren. Jeglicher Körperbeherrschung beraubt lag sie im langsam überfrierenden Schlamm. Grenzenlose Verlorenheit umschlang ihren Verstand und hinderte ihn bei seiner Arbeit. Liegenzubleiben, einzuschlafen konnte den Tod bedeuten. Aber wie sich gegen die übermächtige Müdigkeit wehren in dieser Position? Ihre Finger krallten sich in die Erde. Wer würde sie hier schon jemals finden? An einem derartig entlegenen Ort! Und wenn es jemand tat: Was würde derjenige mit ihr machen!? Eine Träne rann über ihre Nase, diese Situation kam ihr nicht ganz unbekannt vor. <Bleib wach. Du darfst jetzt nicht einschlafen, Kyoko… Was du auch tust, bloß nicht einschlafen… Schlaf… nicht ein…!!>

Das Luftholen wurde zunehmend schwerer. Alles drehte sich mit rasender Geschwindigkeit kreuz und quer. Jegliches Zeitempfinden schien verloren. Wie weit, wie lange war sie gesprintet, nachdem einer der schwarzen Männer zurückgekehrt war, um nach ihr zu suchen?

Er hatte sie nicht bekommen! Aber nun sog die alles durchdringende Nässe auch noch das letzte bisschen Wärme aus ihr heraus und würde sie hier irgendwann erfrieren lassen…
 

Mit der hilflosen Untätigkeit kamen die Gedanken an das Geschehene zurück. War ihr Plan gelungen? Hatte man sie am anderen Ende der Leitung verstanden?

Isamu-chan hatte gestern von der hypochondrischen Ader ihres Vaters erzählt gehabt und Kyoko damit auf eine Idee gebracht. Ihr Fieberanfall war zwar durchaus echt gewesen, nicht jedoch der Zusammenbruch. Dieser sollte lediglich dazu dienen, dass man sie fortschaffen musste und ihr so zu einer Gelegenheit verhelfen mit verhältnismäßig wenigen Bewachern allein zu sein. Dass es sogar nur ein Einziger war, der sie wegbrachte, war dabei wohl ziemliches Glück gewesen! Sicher, die Darstellerin hätte es auch mit 2 oder 3 Personen aufgenommen, wäre aber in diesem Fall nie so glimpflich davongekommen. Auf ihre Fertigkeiten konnte sie zwar vertrauen, doch war ihr Zustand nicht der Beste und gern hatte sie es gewiss auch nicht getan.

Mit ununterdrückbarem Grauen erinnerte sich Kyoko wieder an die Zuckungen ihres Opfers. Was wohl aus ihm werden würde? Erneut erklang jene altbekannte Stimme in ihrem Ohr.
 

„Je eher man die Nadel entfernt, desto geringer sind die Folgeschäden. Bei vielen verbotenen Stichen bleibt aber dennoch eine irreversible Störung des Zielorgans zurück.“
 

<Tot kann er eigentlich nicht sein, dazu hab ich sie zu schnell rausgezogen. Nur sein Gehirn hat vielleicht etwas abbekommen…?> Urteilte Kyoko nach einer Weile und fragte sich gleichzeitig, warum man ihr wohl einst diese Dinge beigebracht hatte…?
 

Sie war damals gerade 9 Jahre alt geworden und streifte - wie so oft seit Koon weggegangen war - allein durch den verwilderten Hain um ihren Heimatort. Hier gab stets es genügend Raum für ihre ganz privaten Gedanken und niemand war da, der sich an ihren tröstlichen Gesprächen mit dem kleinen blauen Stein oder ihrem Weinen hätte stören können…

Wie manches Mal bei solchen Touren legte sie auch an jenem besonderen Tag wieder eine ungeheuer weite Wegstrecke zurück und spürte nach jedem Schritt, den sie mit ihrem schweren Herzen tat, wie dieses plötzlich ein klein wenig leichter wurde. Ab und an war sie früher auch auf einen großen Ast geklettert und hatte brüchige Träume in die mächtigen Laubkronen gebaut, aber dieses Mal war ihr irgendwie nicht danach und so marschierte das Mädchen nur immer tiefer ins grüne Dickicht.

Nie hatte sie sich davor gefürchtet im Wald verloren zu gehen und bisher immer auf wunderbare Weise den Rückweg gefunden. Wie das eigentlich möglich war, wo sie sonst nur einen eher bescheidenen Orientierungssinn besaß, danach zu fragen fiel der jungen Wanderin in ihrer Naivität nicht ein. Aber in diesem Wald galt das Normale ja sowieso nicht und die Wirklichkeit schien ein bisschen außer Kraft gesetzt! Man weilte weit weg von den Problemen des Alltags, dafür aber viel näher am Leben oder besser gesagt an sich selbst und konnte einfach alles tun, was den eigenen Kummer linderte…! Doch sollte noch etwas Anderes, Außergewöhnlicheres hier geschehen. Etwas, das Kyoko nie mehr vergessen würde…
 

Noch saß sie, traurig über eine eher unbedeutende Kleinigkeit, auf einem Baumstumpf und grübelte vor sich hin, nichts ahnend von der interessanten Begegnung, die ihr kurz bevorstand und ihr Leben deutlich verändern sollte. „Was tust du denn hier, kleines Fräulein?“ Ertönte da plötzlich hinter ihr eine tiefe männliche Stimme, welche das versonnene Mädchen sofort erschreckt auffahren ließ. „Na, na nicht so hektisch. Ich fress dich schon nicht auf.“ Fuhr der Fremde beschwichtigend fort, während das Kind ihn nun mit unverhohlener Verblüffung beguckte. <EEEEEH!?>

Es handelte sich bei dem stimmgewaltigen Sprecher um einen erstaunlich kleinen, gelblichen Kerl, dürr und schmächtig mit einem Bart, welcher älter zu sein schien als das Männlein selbst und ihm in zwei langen Strängen fast bis zu den Zehenspitzen reichte.

„Ich muss doch sehr bitten, junge Dame. Es ist leidlich unhöflich jemanden so anzustarren ohne vorher zu grüßen!“ Ärgerte sich der sonderbare Störenfried, grinste aber belustigt vor sich hin.

„G-Guten Tag, mein Herr!“ Verbeugte sich die Getadelte eifrig. Kein Zweifel, das Wesen ihr gegenüber musste ein Hexenmeister sein! So jemanden durfte sie auf keinen Fall verärgern!

„Du bist die Tochter von Mogami-san, nicht wahr?“ Fragte er. „Woher wissen Sie das!?“ Wunderte sich Kyoko und glaubte ihre Vermutung sogleich bestätigt.

„Ich weiß sehr viel, mein Fräulein. Sehr viel über alles Mögliche. Aber sag, wenn du Zeit hast, möchtest du mein Haus besuchen kommen?“ Er musterte sie aufmerksam durch ein Mononokel, welches sein rechte Auge seltsam stark vergrößerte.

„I-Ich …ähm… weiß nicht…“ Stammelte die Neunjährige überrumpelt und zupfte nervös an ihrem Kleidersaum. „Das Problem am Leben ist, dass man vorher nie weiß, was man später bereut und was nicht… Es ist deine Entscheidung mit mir zu kommen, nur darfst du niemandem von mir erzählen und erst recht nicht von dem, was ich dir zeigen werde.“ Verschwörerisch zwinkerte er ihr zu, dass die faszinierte Märchenliebhaberin partout nicht mehr widerstehen konnte. Ihre Neugier war gar zu groß und sein freundliches Gesicht hatte sie nach und nach mit so etwas wie Zuversicht gefüllt. „Gut, ich komme mit…!“ Willigte sie kurz entschlossen ein und folgte also dem mysteriösen Mann, schon deutlich weniger befangen.

Er ging zügig voran, dass sie mit ihren kurzen Beinen Mühe hatte mitzuhalten. Vielleicht wusste er als Hexer ja etwas über Koon? Ob sie ihn einfach fragen sollte? Dafür fehlte ihr noch der Mut… Schweigend drangen die Beiden tiefer und tiefer in den Wald vor und so langsam verlor Kyoko jede Orientierung, wodurch auch ihre Zweifel daran stiegen, ob sie gerade klug gehandelt hatte oder dumm. Mit einem Fremden dufte man normalerweise nicht mitgehen, aber…, aber…

„Sind wir bald…?“ „Da sind wir!“ Wurde ihr noch vor Aussprechen der Frage geantwortet und was sie sah verschlug ihr auch sogleich die Sprache: Direkt vor ihnen stand inmitten einer kreisrunden Lichtung ein Häuschen, das aussah als würde es aus einer Schneekugel stammen und wäre nur von irgendjemandem aufgeblasen worden!

Die absonderliche Villa verfügte über mehrere (teils schiefe) Pilaster, romanische Fensterbögen, kunstvolle Fresken und Alabasterverzierungen sowie eine Vielzahl an fantasievollen Wandstatuen ähnlich einem griechisch römischen Palast, doch war sie sogar noch etwas kleiner als ein durchschnittliches Einfamilienhaus… „WOW!“

„Sieh es dir ruhig an.“ Murmelte der Zauberer sichtlich zufrieden mit der glattweg überwältigten Reaktion auf sein “bescheidenes“ Anwesen. Das erstaunliche Gebäude aber sah auf den anderen drei Seiten exakt genauso aus wie von vorne und hatte auch überall diesen lächerlich kleinen Balkon, der nicht einmal genügend Fläche für einen einzigen Stuhl bot. „Gefällt es dir?“ Wurde Kyoko bei ihrer Rückkehr zum Ausgangspunkt vom Hexenmeister gefragt und nickte höflich. Trotz seiner verwirrenden Kleinheit hatte das Gebäude etwas Beeindruckendes und strahlte außerdem so lilienweiß, als sei es ganz aus Elfenbein geschaffen!
 

Die verzückte Besucherin schaute noch ein bisschen weiter. Um die prächtige Zaubererbehausung war ein hübscher kleiner Garten mit Springbrunnen und Fischteich angelegt, in welchem viele interessante Pflanzen halb willkürlich, halb geordnet wucherten und einen würzigen Geruch verströmten. Auch drei Gewächshäuser standen hier, eines vollständig überrankt von einer vermutlich nicht einheimischen Grünpflanze, deren große violette Blüten zahlreiche Schmetterlinge anzogen. Am Wasser beobachtete ein Graureiher die Eindringlinge mit würdevollem Argwohn, während funkelnde Libellen seinen Kopf umschwirrten wie spielende Elfen. „Es ist großartig!“ Hauchte das Mädchen schließlich begeistert und ehrfürchtig zugleich. „Lass uns reingehen. Meine Frau erwartet uns sicher schon.“ Erwiderte der Alte mit gönnerhaftem Nicken und wies sie zur Vordertür. „Komm.“

Er öffnete langsam - denn die Spannung, welche auf dem Gesicht des Mädchens zu lesen war, machte ihm sichtlich Spaß - das Schloss und sie traten in einen schmalen dunklen Flur.

Es roch stark nach einem Gemisch aus schweren süßlichen Parfüm, Zimt, Räucherstäbchen und lieblichen Duftkerzen hier drin, sodass sich Kyoko alsbald benebelt fühlte. Die Wände waren mit wuchtigen Samtvorhängen bedeckt, am Boden knarrte das Parkett. „Da seid ihr ja endlich!“ Eine ungeheuer dicke Chinesin kämpfte mit einem dunkelroten Schleier und füllte dank ihres massigen Körpers den Flur in seiner ganzen Breite aus, sobald sie durch das stoffliche Hindernis hinein getreten war. Ihr rötliches Gesicht glänzte im matten Schein des verschrobenen Kronleuchters, welcher bei Ankunft der Dicken augenblicklich angesprungen war. <Eine Hexe oder eine Wahrsagerin…!!!> Schätzte die Neunjährige kein bisschen eingeschüchtert von der globigen Erscheinung, denn das unbekannte Pfannekuchengesicht strahle ihr gut gelaunt entgegen…
 

„Kyoko-chan…“

Heiß, kalt, Brummschädel!! Mit Druck auf den Augen, Hals-, Ohren-, Kopf- und Gliederschmerzen meldete sich Kyokos Bewusstsein zurück. Sie lag auf etwas Weichem… <Ein Bett?>

Jemand hielt ihre Hand und seine Stimme redete mit eindringlichem Flüsterton auf sie ein. Ein sehr vertraute Stimme…

13. In der obersten Station

13. In der obersten Station
 

Vogel, Vogel, zarter Vogel.

Vogel der von Liebe singt,

Vogel, Vogel, zarter Vogel.

Kann er sie nicht finden!

Vogel, Vogel, zarter Vogel.

Vergessen von der Welt bestimmt,

Vogel, Vogel, zarter Vogel.

Weinet in den Linden!
 

Eine helle Mädchenstimme hallte munter durch den kleinen Garten auf der gut versteckten Lichtung. Der Sommer hatte begonnen; und die hohen Pinienbäume warfen schützend ihre kühlenden Schatten auf den ausgetrockneten Waldboden. Die Luft war schwülwarm und staubig. Ausgetrocknete Äste knarrten unter der schwer lastenden Stille. Nur ein einsamer Kuckuck schrie aufgeschreckt in die Mittaghitze, welche ausnahmsweise selbst den Grillen die Lust am Musizieren zu nehmen schien.

Alle Aufmerksamkeit der jungen Sängerin galt momentan den Strohblumen, die als einzige dem heißen Wetter standgehalten hatten. Mit kritischem Gesichtsausdruck wählte sie die schönsten Blüten für ihr Sträußchen, denn heute hatte ihre Großmutter Geburtstag! Kyokos Blick flog hinüber zu der weißen Villa, welche im Sonnenlicht flackerte und flimmerte als könne sie jeden Augenblick verschwinden. Der daran empor rankende Wein begann bereits sich zu verfärben. Das Windspiel rechts neben der Tür hing reglos schweigend an seinem gewohnten Platz… Dies alles gehörte zu ihrem großen Geheimnis!

Eigentlich war das Paar Zhaohui nicht wirklich mit ihr verwandt. Aber die Eheleute hatten das niedliche Mädchen vor einiger Zeit als ihre Enkelin „adoptiert“. Einfach weil sie sie mochten! Seit ihrem ersten Besuch im Mai kam das Kind nämlich regelmäßig hierher um Tee zu Trinken und zu Reden. Wie schön, wenn einem so zugehört wurde! Dank der Sommerferien und der phlegmatischen Art ihres „Prinzen“ (welcher die meiste Zeit schlafend in seinem abgedunkelten Zimmer verbrachte) konnte das alles ohne aufzufallen geschehen und Kyoko genoss es ein paar eigene Heimlichkeiten zu haben.

Ihre O-bāchan (jap./bed. Oma) war eine herzliche, gemütliche Frau von rund 60 Jahren, die wunderbar backen, kochen und vor allem musizieren konnte! Früher hatte sie im Orchester eines sehr angesehenen Opernhauses mitgespielt, aber eine schlimme Sehnenscheidentzündung setzte der steilen Karriere der Violinistin ein vorzeitiges Ende und so arbeitete sie bis zu ihrer Pensionierung nur noch als Dozentin an verschiedenen chinesischen Musikhochschulen.

Dabei geschah es, dass sie eines Tages Herrn Zhaohui kennen lernte, welcher ein Seminar über die Geschichte der Musik im alten Kaiserreich hielt. Fasziniert lauschte sie seinen Vorträgen, wann immer sich diese nicht mit ihren eigenen Vorlesungszeiten schnitten, wagte es jedoch nie den wenig geselligen und obendrein ziemlich eigenartig aussehenden Mann anzusprechen. Die Zeit verging mit zahllosen Blicken und beiläufigen Berührungen unter dem Vorwand kollegialen Miteinanders und hätte der Zufall sie nicht eines schönen Abends zusammen in den botanischen Garten ausgesperrt, es wäre möglicherweise niemals etwas geworden aus der wohl gerundeten Musikerin und dem hageren Geschichtsprofessor und Doktor für Pharmazie!

O-jīchan (Opa) war ein belesener Mann, der sich, sobald er von seinen Fachgebieten erzählen durfte, von einem äußerst mürrischen in einen sehr begeisterungsfähigen Zeitgenossen verwandelte. Kyoko von Natur aus neugierig ließ sich natürlich gern die Welt von ihm erklären und zeigte dabei schnell, wie gut sie verstand, wenn ihre Nachfragen über kurz oder lang immer mehr in die Tiefe gingen und den „Lehrer“ gar manches Mal an seine Grenzen trieben.

Somit wurde sie im Haushalt der beiden älteren Herrschaften bald zu einem unabdingbaren Element. Herr Zhaohui bemühte sich, ihr soviel wie möglich über die Heilkräfte der Natur, die Geschichte seines Landes und seiner Vorfahren sowie deren besondere Errungenschaften beizubringen. Seine Frau tauchte mit ihr ab in die Welt Märchen und der Phantasie oder sie machten alle gemeinsam Musik im gemeinsam bewirtschafteten Garten. Zumindest kehrte wieder ganz neues Leben in das kleine Elfenbeinschloss ein, wie man die Villa auf Anraten jenes Kindes getauft hatte, welches dort so glücklich war, dass es kaum merkte, was für eine umfassende Ausbildung ihm in der kurzen Zeit, die dieses Glück anhalten sollte, geschenkt wurde!
 

Sofort saß Kyoko schnurstracks gerade im Bett. „DU!!?“ Platze es aus ihr heraus und rasch zog sie, mit entsetztem Blick auf ihr Gegenüber, ihre Hand an sich. <Was… !!?>
 

Im Zimmer nebenan horchte Isamu interessiert auf.

„Das war doch eben Kyoko-chan, oder?“ Dachte sie laut und fühlte sich einen Moment lang versucht hinzugehen. <Ich muss unbedingt bald mit ihr reden…!!!>

Aber da redete plötzlich noch eine zweite Stimme, welche die Dreizehnjährige nicht einordnen konnte. So blieb sie unschlüssig auf ihrem Bett sitzen…
 

„Was denn? Darf ich mir keine Sorgen um dich machen, wenn du im Krankenhaus liegst?“ Kam es in provokant beleidigtem Ton zurück, nachdem die gerade erst aus langer Ohnmacht Erwachte ihr entgleistes Gesicht wieder einigermaßen in den Griff bekommen hatte.

„N-…! Wieso, woher?“ Viel zu verwirrt um irgendetwas zu begreifen blickte Kyoko bei diesen Worten um sich, wobei sie allerdings bitter feststellen musste, dass sie tatsächlich in einem Krankenbett lag und noch dazu mit einer Infusion am Arm!

„Was ist hier los?“ Fragte sie schon leicht resigniert. „Du bist in der Stadtklinik. Die Polizei hat dich bewusstlos im Wald gefunden. Und naja, die Sache mit der Entführung läuft momentan sowieso überall in den Medien, dazu muss ich dir jetzt sicher nichts weiter sagen, hm? Die haben die Story mit ordentlich Gerüchten gewürzt, wie ich denke… Jedenfalls herrscht draußen ein Riesenandrang an Journalisten! Das kann noch lustig werden, versprech ich dir. War ja sogar für MICH ein echt hartes Stück Arbeit, unbemerkt hier rein zu gelangen!!“

Das Antlitz der Patientin verfinsterte sich zusehends. „Oh DU hättest wirklich nicht kommen brauchen!“ Versetzte sie grob. Beruhigender Weise kehrte anscheinend so langsam ihre Schlagfertigkeit zurück! „Was willst du wirklich von mir? Und was genau läuft in den Medien?“ Forderte die Schauspielerin schließlich mit betont abgeneigter Körperhaltung von ihrem ehemaligem Jugendfreund zu erfahren. „Oh, also…“ Mit immer noch eingeschnappter Miene und einem ausgiebigen Seufzer überlegte Sho, wie er am Besten anfangen sollte. Eigentlich hatte er ja gehofft, sie in besserer oder zumindest weniger aggressiver Laune vorzufinden, nach allem was passiert war. Immerhin hatte er doch ehrlich Angst gehabt! Aber das würde sie ihm wohl kaum glauben…

Immerhin ging es ihr offensichtlich schon wesentlich besser und um ausnahmsweise einmal ungestört über etwas ganz Anderes reden zu können, musste er wohl oder übel erst noch abwarten bis sie die Situation kapiert hatte. Der schnellste Weg dorthin jedenfalls lag in einer guten Erklärung: „Im Radio…“
 

KRAWAMMMMM!!!

Erschrocken sprang Isamu vom Bett.

„…!!???“

<Was war DAS!!?>

Eben noch hatte man nebenan relativ ruhig miteinander gesprochen und dann!?? War einer von den Beiden völlig unvermittelt und mit einem verflucht lautem Türknallen einfach davon gestürmt... !? Taps, taps, taps schnappte sich die taffe Dreizehnjährige ihre Jacke und ging zur Tür. <Left Check? Right Check? Nix mehr zu sehen…> „Eigenartig.“ Murmelte sie und schlich unnötig leise den Flur hinab, denn die gesamte Etage war ja für die Stars evakuiert worden. <Unheimlich, so ein leeres Krankenhaus..> Ging es ihr gerade durch den Kopf. „Solltest du nicht im Bett sein und dich erholen, Kleine?“

„EEEEH?“ Langsam aber sicher geriet ihr Kreislauf in bedenkliche Sphären. „H-Hey! Sag mal! Wollen Sie mich umbringen, oder was!?“ „Oh, entschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken. Hast du dir wehgetan?“ Junji runzelte die Stirn. „N-nein. Alles in…Ich meine… Schon okay. Aber Sie, Sie sollten sich doch wohl mindestens genauso ausruhen, nicht wahr?“ Nervös abwehrend fuchtelte Isamu mit den Händen.

„Ja. Eigentlich hast du Recht. Aber mir geht’s auch schon wieder ganz ordentlich. Obwohl ich finde, dass es schon ganz schön wehtut. Bei dir nicht?“ Freundlich betrachtete er das junge Mädchen, welches tapfer die Zähne zusammen biss. „Man soll eben nicht kleinlich sein.“ Erwiderte sie trotzig, denn sein gutväterlicher Blick missfiel ihr doch sehr. „Na gut.“ Lenkte der Schauspieler ein, der wohl merkte, dass er dieses Kind lieber, wie einen Erwachsene behandeln sollte, auch wenn sie in seinen Augen… Irgendwie störte ihn dieser Gedankengang und er schüttelte automatisch den Kopf.

I: „Was ist?“

J: „Ach, nichts, Nichts… Oder… Oder doch. Sag mal was läufst du hier so allein herum, na?“

I: „Das war nicht was Sie fragen wollten!“

J:„Na und? Jetzt will ich eine Antwort.“

Er sollte keine erhalten. Im selben Augenblick nämlich bog eine unübersehbare Gestalt um die Ecke, wo die zwei Streitenden standen. „Was ist denn hier los?“ Fragte Ren, der ihre Stimmen gehört und beschlossen hatte nachzusehen. Aber auch er sollte keine Antwort bekommen, denn „Junji!“ ertönte es im selben Augenblick von der anderen Seite des Ganges. Bevor der Gerufene nun noch etwas sagen konnte, kam Kyoko auch schon auf die kleine Versammlung zu gerannt. „DU!?“ Wurde sie sogleich unisono empfangen und von 6 großen Augen angestarrt. Unbeeindruckt von dieser allgemeinen Verwunderung über ihr Erscheinen, plapperte die junge Frau jedoch gleich aufgeregt drauf los. „Was macht Ihr denn alle hier? Und überhaupt… ähm… Junji-sama, geht’s dir gut? Ich hab gehört du wurdest erschossen??? Deshalb bin ich gleich los und äh…wollte… Was wollte ich eigentlich…? Ähhhh…“ Jetzt hatte sie sich total verhaspelt und schaute etwas betreten in die sprachlose verbliebene Runde, in der sich gerade jeder etwas anderes fragte…
 

*Kicher* Hach je! Es war so lustig, wie alle auf Ren gewartet haben und dann musste ich euch auch noch soooo enttäuschen! Sorry! ^_^“

Aber es geht ja noch ein bisschen weiter und ich denke, da gibt’s noch ein paar Szene drunter, die das Romantik-Bedürfnis dieser Geschichte etwas aufpäppeln dürften *_* Murharharharrrr…

Die Ruhe vor...

Die Ruhe vor…
 

Vogel, Vogel, böser Vogel

Vogel der im Käfig lebt,

Vogel, Vogel, böser Vogel

in seiner Wut gefangen.

Vogel, Vogel, böser Vogel

Schimpft gegen alles was sich regt,

Vogel, Vogel, böser Vogel

niemand soll zu ihm gelangen!
 

„Kyoko-chan! Kyo-…!! Kyoko-chan?“

„Jaaaa?“

„Was machst du denn da draußen in der Hitze Liebes? Hol dir bloß keinen Sonnenstich!“

„Nein, nein. Keine Sorge O-bāchan! Ich hab ja nur ein paar Blumen für dich gepflückt. Schau hier!“

„Oh, die sind aber herrlich! Danke sehr.“

“Ich wünsch dir auch noch alles Gute zum Geburtstag O-bāchan.“

„Das du daran gedacht hast! Das ist aber wirklich lieb von dir.“

Verlegen kratzte sich die Kleine hinter dem linken Ohr und folgte ihrer Stiefoma dann fröhlich schwatzend ins Haus. Heute war deren Geburtstag und sie war eingeladen! Zum ersten Mal in ihrem Leben zu jemand anderem als Sho zum Feiern eingeladen zu sein und nicht einmal selbst alles vorbereiten zu müssen, das überstieg beinahe ihr Fassungsvermögen für Glück! Aufgedreht hüpfte sie um die Großeltern herum, dass die Katze der beiden ihr Missfallen bald durch lautes Miauen zu Äußern begann. Es gab heute Kuchen und Süßigkeiten bis zum Abwinken! Man spielte, musizierte und redete und die heitere kleine Gesellschaft amüsierte so prächtig, dass darüber ganz die Zeit vergessen wurde, zumal der Sommer seine Abende nun einmal lange hell lässt.

„Ach du meine Güte!“ Rief Herr Zhaohui plötzlich mitten im Spiel. „Was gibt es denn? Fragte seine Frau, die gerade gewürfelt hatte, mit verwirrtem Kopfschütteln. „Na haste mal auf die Uhr geschaut? Es ist schon nach halb Zehn! Kyoko-chan muss doch irgendwann heim!“ Nun brach ein hektisches Gewusel aus, welches der Herr des Hauses erst nach einigen kraftvollen Schlägen auf den Esstisch wieder unter Kontrolle bringen konnte. „Jetzt mal mit der Ruhe ihr beiden! Weib, du rufst sofort bei den Mogamis an und ich bring das Kind zurück nach Hause bevor es noch zu Regnen anfängt.“ Zwei verständnislose Gesichter blickten ihm entgegen. „Regen?“
 

Ein fernes Grollen hallte durch den langen verlassenen Gang des Hospitals. Sechs Augen starrten auf eine zusehends kleiner werdende Person. Wieso sprach denn niemand? Hatte sie was Falsches gesagt? Die tief in sich zusammengesunkene Schauspielerin blickte mit offenherziger Verzweiflung Einen nach dem Anderen an. Junji war natürlich nicht erschossen worden, das war offensichtlich. Aber er schien am Arm verletzt zu sein…. <Meine Schuld!> Fiel es ihr auf einmal ein und brennende Reuegefühle löschten die Freude ihre Leidensgenossen lebend angetroffen zu haben restlos aus.

„Warum?“-„Woher…“ Begannen die beiden Männer plötzlich gleichzeitig, verfielen aber ohne den Nebenstehenden weiterer Beachtung zu würdigen gleich wieder in stures Stillschweigen. „Eh?“ Mehr brachte Kyokos sonst so großer Einfallsreichtum dazu leider nicht zustande.

Keiner machte Anstalten auszusprechen. Erste Tropfen schlugen überdeutlich hörbar gegen die Fensterscheiben hinter ihnen.

Irgendwie fühlte sich Kyoko momentan wie an den Pranger gestellt… Was hatte nur dieses merkwürdige Verhalten zu bedeuten? Waren die nun sauer? Oder nicht?

Hilfe suchend wandte sie sich an Isamu, welche aber lediglich ein Schulterzucken für diese höchst ungemütliche Situation übrig hatte.

Ihr blieb also nichts weiter, als selbst einen ihrer Sempais anzusprechen? >Nee oder?< Schoss es dem Mädchen durch den Kopf. >Wen soll ich zuerst fragen??? Junji ist älter, glaub ich. Andererseits kenne ich Ren schon länger und er könnte es mir mehr übel nehmen...< Bei dem Gedanken wurde ihr dann auch spontan übel.

„…“

„Ähm…“ Pause. „…Tsuruga-san?“

Sie wagte es zunächst nicht aufzuschauen und vertiefte sich lieber erstmal in das Muster des Fliesenbodens. Ren räusperte sich derweil. „Woher hast du solche komischen Informationen? Wegen dem Gewitter ist doch zur Zeit gar kein Empfang, oder?“

ZOING! Ein Blitz untermalte seine Frage.

>Hätte er mich doch nur erschlagen!< Ärgerte sich das Objekt allgemeinen Interesses. >Was soll ich jetzt sagen? Ich KANN ihn doch einfach nicht anlügen! Argh! Wieso muss ich bloß so eine Niete sein!!?<

Neugierige Blicke ließen den Gang zusehends enger werden. Alles und Jeder hatten sich scheinbar gegen sie verschworen! Nach dem sturmzerfetzten Himmel zu urteilen ging die Welt allerdings sowieso gerade unter und das war ihr nun völlig recht! Sie würde allemal streben, wenn sie gleich mit der Wahrheit rausrücken musste. „Also hmmmm, das war…“ Eine Sekunde lang suchte ihr überanstrengtes Hirn noch nach einer Ausflucht. „Sho hat’s mir gesagt.“ Die Schwarzhaarige unterdrückte den Impuls sich an die Stirn zu schlagen und wich vorsichtshalber erstmal einen Schritt zurück.

Aber Ren rührte sich nicht.

In den folgenden Minuten stieg die Anspannung im Flur bis ins schier Unermessliche und entlud sich schließlich mit einem gewaltigen Donnerschlag und den fast geflüsterten Worten: „Fuwa? Was hat der denn hier zu suchen?“

Erleichtert zunächst noch keinen Würgegriff an der Kehle zu haben, richtete Kyoko sich ein kleines bisschen auf, abwehrend mit den Händen wedelnd.

„Keine Ahnung! Er faselte irgendwas von nach mir sehen und Nachrichten usw.! Bis er dann plötzlich gemeint hat Junji-sama wär erschossen worden! Da hab ich ihn sitzen lassen und bin her gelaufen, weil… Weil ich mir natürlich große Sorgen um euch alle gemacht habe!“ Ein neuerliches Krachen, das Licht im Flur flackerte. Vorsichtig spähte Kyoko zu ihrem Sempai. Seine Miene schien ihr unergründlich. <Was wohl in ihm vorgeht? Ob er mir glaubt? Oder sind wir eventuell doch schon beim Jüngsten Gericht?>
 

„Wieso sagen die in den Nachrichten, dass ich erschossen wurde? Das ist doch nur ein Kratzer und nicht mal halb so schlimm wie Isamu-kuns Verletzung.“ Mischte sich der Totgesagte Hakura wieder mit ein und unterbrach ihre Überlegungen.

Leider konnte niemand ihm eine Antwort geben…
 

„WAS veranstalten SIE denn alle hier?“ Dröhnte nämlich die recht rüstige Oberschwester, der die Sonderbehandlung ihrer populären Patienten reichlich gegen den Strich ging. „Das ist ein KRANKENHAUS und keine Bar oder sonst was! Gehen Sie bitte zurück auf ihre Zimmer. Schlimm genug, dass ich eben schon so einen von ihrer Sorte hier rauswerfen musste, weil er sich mit seinen dämlichen Autogrammkarten über einige meiner Mitarbeiterinnen unerlaubten Zutritt verschafft hat! Das ist doch Ggr§?=(/(/§3HBBvjhts!!!TF==&%&C…!!!“

Bevor sie sich trennten, um der wutentbrannten Dame zu entgehen, wünschten sich die jungen Leute schnell noch gute Besserung und Ren lächelte seiner Kouhai flüchtig aber unerwartet herzlich zu.

<Nanu!?>

Als er dicht an ihr vorbei ging, drückte er kurz ihre Hand, sodass sie ihm überrascht nachblickte. <Tsuruga-san?>

„…?“

Eine sanfte Berührung an ihrer anderen Hand ließ sie heftig auffahren. „Na wo warst du denn in Gedanken?“ Grinste Isamu. „Komm, machen wir besser dass wir fortkommen.“

<Lachend ist sie wirklich hübsch und ihrem Bruder richtig ähnlich!> Lenkte Kyoko sich ab und folgte ihrer Begleiterin zu deren Zimmer.

„Kyoko-chan?“

„Ja?“

„Kann ich mal mit dir über was reden?“

„Ja? Worum geht’s denn?“

Die Tür fiel hinter ihnen zu und Kyoko setzte sich, bereitwillig Isamus Aufforderung nachkommend, neben die Dreizehnjährige aufs Bett. Es schien um etwas ziemlich Ernstes zu gehen, da sie nicht gleich mit ihrem Anliegen herausrückte, sondern zuerst überlegte, wie das Problem am besten in Worte zu fassen sei.

„Sag mal, Kyoko-chan…“

„Hm? Was?“

Isamu hatte anscheinend der Mut verlassen. Die Darstellerin legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter und beugte sich vor, um die Sache ins Ohr geflüstert zu bekommen. Beide tuschelten eine ganze Weile, da sie einander nicht sofort verstanden.

„WIEBITTE? HÄÄÄH!!? Ist nicht dein Ernst!?? Du hast WAS??? Und wie kommst du darauf dadada-das….?“ Mit köstlich entgleistem Gesicht und vor Entsetzen zitternd stiefelte Kyoko durchs Zimmer.

„J-Jetzt beruhig dich doch erstmal!“ Isamu, nicht minder bestürzt über so eine heftige Reaktion, hob beschwichtigend die Arme. „Ich wollte mit dich ja nur fragen, ob du nicht mal mit meinem Bruder drüber reden kannst. Ruckartig, als wäre sie vor eine unsichtbare Wand gelaufen, blieb die Schauspielerin stehen. „IIIIICH? Mit TSURUGA-SAAAAAN? Wie soll DAS bitte gehn?“ <Es kann einfach nicht gesund sein, den Gott des Showbizz in regelmäßigen Abständen zu erzürnen, wie auch immer mir das dauernd gelingt!>

Mit einem ist-doch-ganz-einfach-Kindchen!-Ton in der Stimme schritt die taffe Teenagerin auf sie zu. „Na du könntest ihn doch nur eben schnell besuchen und…“

„Ihn BESUCHEN!!!??!!? Ohhhh! Oh, oh, oh! Ooooh… NEIN! Nee, nee, nee, nee nee! D-d-das ist nicht gut!! NIEEEEEMAAAAAAALS! Hörst du? Er hat ohnehin sicher gerade UNMASSEN an Besuchern! Und…Und die meisten davon werden mich hassen, weil ich Schuld bin an seiner Entführung!“

<Ugh…! Wahrscheinlich hasst er mich sogar selbst…> Spontan blass werdend ließ Kyoko plötzlich den Kopf hängen. <Obwohl wir uns doch gerade erst so gut verstanden haben…> Eindrücke der vergangenen Nacht zogen an vorbei, wie ein Werbefilmchen zwischen dem Drama und spontan schaltete ihr Kopf wieder auf rot. <An was denkst du hier gerade!!? Das war eine AUSNAHMESITUATION und hatte bestimmt nix mit Dir zu tun. Ist doch eh egal, ob er sich dir anvertraut! Was geht mich seine Vergangenheit an? Ist ja wohl nichts Neues von ihm und überhaupt allen abgelehnt zu werden, oder? Ich sollte mich endlich daran gewöhnen! Es ist nur…! Nur…?

„KYOKO!“ Hallte es durch das Zimmer, sodass die Gerufene jäh in die Realität zurückfiel. „Bist du wieder da?“

„Eh? Ja… Wieso?“

„Du hast eben ziemlich beängstigende Grimassen gezogen wenn ich mal so direkt sein darf!“

„Oh…“
 

<Oh-Oma halt mich fest! Warum mache ich das?> Eine reichlich verdatterte Sechzehnjährige stand unentschlossen vor der Zimmertür des beliebtesten Mannes in ganz Japan, während draußen der Sturm heulte und fauchte, als wolle er das Chaos in ihrem Kopf imitieren.

Selbstverblüffung durch irrationales Handeln hieß dieser Zustand und lähmte ihre Hände, die bereits das kalte Metall der Klinke umschlossen hielten. „Isamu dafür schuldest du mir was!“ Grummelte die Unglückliche in sich hinein und haderte weiter mit ihrer Schwäche für gute Bettler. <Warum musste ausgerechnet ich mich dazu breitschlagen lassen? Hm? Nach allem was sie erzählt hat, kann ich schon verstehen, weshalb sie ihm DAS ungern selbst sagen möchte, aber es gibt auch viel, was ich einfach nicht begreife… Vor allem, warum ICH diejenige sein muss, die es an ihrer Stelle tun soll?“

Unter Aufbietung allen Mutes öffnete sie nach kurzem deutlichem Klopfen die Tür…

Eifrig auf der Suche nach ihrem armen Herzen, welches irgendwo ganz nach weit unten gerutscht sein musste, übertrat sie die Schwelle und ließ die Augen etwas unwillig zu der hohen Gestalt wandern, die sich von gegenüber aus einem Sessel erhob.
 

Ren staunte nicht schlecht, als er die Besucherin erkannte, welche reglos dastand um ihn wie ein hypnotisiertes Kaninchen unverwandt anzublicken. „Mogami-san?

...dem Sturm

Der Regen.

Hört ihr den Regen?

Sein Rauschen füllt alles aus.

So laut, dass man nichts Anderes mehr hören kann.

Wie Stille, nur nicht leer ist Er.

Der Regen.
 

Es war noch nicht spät. Aber aufgrund des Unwetters draußen, lag das Zimmer des berühmtesten Schauspielers Japans bereits im Dunkeln. Lange Schatten zitterten gemeinsam mit der Glühbirne der Nachttischlampe. Wahrscheinlich war die Stromversorgung durch das schlechte Wetter etwas instabil geworden.

<Wie soll ich bloß anfangen? Ich kann es ja selbst kaum…>

Kyoko stand ratlos inmitten dieser seltsam unheimlichen Gewitterstimmung. Die Tür hatte sie einfach hinter sich zufallen lassen.

<Vielleicht wäre es das Beste, nicht sofort damit anzufangen…>

Sie erinnerte sich an das Gespräch mit Isamu, die ihr erst kurz zuvor ausführlich erklärt hatte, wie es überhaupt zu der ganzen Entführungsgeschichte gekommen war, zusammen mit ihrer besonderen Bitte…:
 

Abgehauen aus der letzten Pflegefamilie, als sie ihren Bruder Ren im Fernsehen erkannte, war die Dreizehnjährige bis nach Tokyo getrampt. Zwar ging das Mädchen nicht näher darauf ein, aber eine angenehme Zeit konnte es wohl kaum gewesen sein. Orientierungslos in der Großstadt verloren, tauchte plötzlich Miki aus einer zwielichtigen Seitengasse auf und bot unvermittelt seine Hilfe an. Beide kannten sich noch aus dem Kinderheim und da Isamu ohnehin keine andere Möglichkeit zu Überleben sah, ging sie bedenkenlos auf sein Angebot ein. Schnell brachte er ihr bei, wie man sich allein zurecht fand, machte sie mit seinen Leuten bekannt und führte Isamu auch zum LME Gebäude.

Mehrere Monate beobachteten die Teenager heimlich den großen gut aussehenden Tsuruga und fassten ihren Plan: Sie würden eine weniger bekannte Person aus seinem Umfeld entführen und seinen Ruf ruinieren, indem sie ihn durch Erpressung von allen wichtigen Terminen abhielten.

Was später kommen würde, interessierte Isamu damals wenig. Sie war Erstens minderjährig und Zweitens bedeutete ihr allein ihre Rache noch etwas. Der Rest war völlig egal denn was hielt das Leben für sie schon bereit?

Bald fiel ihnen ein unübersehbares Mädchen im pinken Overall auf, das den Star mehr als jede andere zu beschäftigen schien. Ohne viele weitere Überlegung anzustellen, legten sie sich auf diese „Kyoko Mogami“ mit der ungewöhnlichen Ausstrahlung fest und folgten ihr so gut wie möglich überall hin.

Leider hielt sich ihr Opfer aber meistens in größerer Gesellschaft und in belebten Gegenden auf, weshalb es noch fast drei Wochen dauerte, bis sich eine günstige Gelegenheit bot.

Natürlich wusste Isamu nicht, dass ihr eigener Vater sie über Miki beschattete und Ideen spann, ihre Rache zu seinem Vorteil auszunutzen… und so wurden sie von im gefangen.

Nach Kyokos Zusammenbruch waren Ren und Hakura ausgerastet. Im entstandenen Durcheinander wurde Junjizum Glück nur leicht angeschossen und anschließend mit den Anderen zurück in den Gefängnisraum verfrachtet. Isamu kümmert sich um ihn, da Ren aufgrund seiner Antipathie dem Kollegen gegenüber nur schwer zu Hilfeleistungen zu bewegen war.

Leise unterhielten sich die tapferen Verletzten miteinander. Das Mädchen, welches von dem Erlebten noch sehr mitgenommen war, erzählte wie automatisch ungewöhnlich viel von sich. Das tat ihr gut, denn irgendwie verspürte sie den Drang Alles loszuwerden, was sie dazu veranlasst hatte, dieses Drama auszulösen. Junji hörte geduldig und konzentriert zu. Der Erste der sie ernsthaft danach gefragt hatte, der ihr freiwillig seine volle Aufmerksamkeit gab, der ehrlichen Anteil an ihrem Schicksal nahm! Eine tiefe Dankbarkeit entwickelte sich in der verschlossenen Jugendlichen. Ihr vom Leid verhärtetes Gesicht begann langsam sich zu öffnen, wie das einer Seerose im wärmenden Licht der Sonne.

Längere Zeit passierte nichts mit Ihnen, dann waren plötzlich Schüsse im Haus zu hören. Getrieben von großer Angst um ihre verlorene Mitgeisel, mussten sie sich verstecken.

Die Polizei stürmte das Gebäude! Wage Bilder, ein Wirrwarr aus Schritten, Rufen, Schreien und Schüssen an mehr konnte sich Isamu nicht mehr erinnern…

Man verfrachtete die befreiten Opfer beinahe gleich ins Krankenhaus und Ren hatte zunächst sich geweigert, weil er lieber nach seiner Kouhai suchen wollte, doch da traf schon die Presse ein und er musste sich wohl oder übel in sein Schicksal fügen. Soviel wusste sie noch…

Erst rund 4 qualvolle Stunden später hörten die Drei, dass Kyoko im Wald entdeckt worden war. Ein Rettungshubschrauber brachte sie und wegen des immer stärker werdenden Andrangs an Fans, Reportern oder Schaulustigen wurde die gesamte oberste Etage für die Entführten evakuiert.

Lang lag die Schauspielerin bewusstlos; hatte gefiebert und fantasiert. Junji und Isamu besuchten sie während dieser Zeit eher etwas seltener, da Ren häufig im Zimmer Wache hielt und sich ziemlich aggressiv gegenüber Hakura benahm und Beide natürlich selbst ärztlich betreut wurden….
 

Kyokos Gedanken wanden sich durch einen unheimlichen Nebel, während sie die Erzählung in ihrer Vorstellung abermals Revue passieren ließ. Je länger sie über die letzten Stunden und Tage nachdachte, desto befremdeter fühlte sie sich, desto mehr Fragen stellten sich ihr. Wie war Isamu ausgerechnet auf SIE gekommen? Konnte es denn wahrscheinlich sein, dass jemand wie Ren sich solche Umstände wegen IHR machen würde? Wäre ein solches Pflichtgefühl nicht schon ziemlich übertrieben? Warum aber hatte er nicht tatsächlich einfach die Polizei gerufen? Und Junji ebenfalls? Er hatte bei ihr gewacht? Häufig? Gab es Menschen denen SIE so am Herzen lag? Wieso? Seit wann? Weshalb? Und welcher Grund brachte Ren dazu ihren Kollegen und Freund so zu verachten?

Sie vertrieb die hoffnungslose Grübelaufgabe mit der Hand, als wolle sie ein lästiges Insekt verscheuchen und konzentrierte ihre Überlegungen stattdessen auf den entscheidenden Schluss von Isamus Bericht. Was genau hatte sie gesagt…?

(Flashback)

`Wir, Hakura und ich, haben uns deshalb viel miteinander unterhalten, auch über Ren und dich und na ja…

Kyoko war bei diesen Worten aufgeschreckt: `Ist er böse auf mich? Junji-sama? Und Tsuruga-san?` Doch statt einer Antwort war nur ein resigniertes Sie-hat’s-nich-kapiert-Kopfschütteln gekommen. Isamu schien ohnehin auf etwas anderes hinauszuwollen und meinte schließlich mit nervöser Stimme:

´Jedenfalls, nachdem wir soviel miteinander zu tun hatten, merkte ich bald, dass ich Junji sehr viel besser leiden konnte als, als eben normal und er…´ Hier war sie plötzlich rot geworden. ´…ich denke er mag mich auch… nur… Ich bin eben noch so jung! Und dann ist da ja noch Ren, mit dem ich mich gern besser verstehen würde in,… in Zukunft… eben… Darum wollte ich dich fragen, ob du eventuell mit ihm… reden… Weißt du? Hoffnungsvoll blinkten die dunklen Augen herüber.

Peinliches Schweigen hatte sich diesem unerwarteten Geständnis angeschlossen, bis es Kyoko nach Minuten fassungslosen Anstarrens endlich gelang, dem Gestammel ihres Gegenübers seinen Sinn abzuringen Isamu war in Junji-sama verliebt und wollte von IHR, dass SIE es ihrem Bruder schonend beibrachte! Ausgerechnet SIE!!

Die Schauspielerin wollte entschieden ablehnen, musste sich aber mitleidig der verzwickten Situation Isamus beugen, welche hervorragend Betteln und Überzeugen konnte, wenn sie es nur wollte.
 

Sie wünscht sich nichts sehnlicher als sich mit Junji UND ihrem Bruder gut zu verstehen, ging es ihr seither immer wieder peinigend durch den Kopf. <Wie schnell das kam!> Dachte die Schauspielerin zwar, andererseits fand sie es aber auch unermesslich schön, dass die Zwei sich mochten. In ihren Augen passten sie perfekt zueinander und könnten womöglich richtig glücklich werden, wäre da nicht Rens eigenartige Abneigung... Verständlich, dass Isamu sich unbedingt mit ihrem Bruder versöhnen wollte. Aber wie, wenn dieser ihre Liebe so grundsätzlich verabscheute? Beinahe wie in einem Märchen: Das Waisenkind, der holde Prinz und der eigene Bruder als Widersacher! stellte sie fest. Schon auf dem gnadenlos langen Weg zur Pflichterfüllung hatte das Gehirn der unglücklichen Botin die Fakten ihrer Nachricht hin und her gewälzt und schien sich nun immer noch unbehaglich in ihrem Schädel zu winden und zu sträuben.

<Ich dachte immer, ich wäre die Einzige, die Tsuruga-san hassen könnte? Und Hakura hat doch gar keine falsche Motivation,oder!!? Vielleicht ist es aber auch was Anderes…. > Krampfhaft kämpfte sie um eine gute Idee, eine Lösung der Situation.
 

„Hey? Was ist los? Geht’s dir nicht gut?“ Die bekannte Stimme holte Kyoko mit einer Mischung aus Besorgnis und Ungeduld zurück ins Leben.

„Eh? Oh!! E-entschuldigen Sie bitte! Ich war nur gerade…“

„Du musst mich wirklich nicht mehr Siezen.“

„Ah-Äahm, wenn Si- d-du meine –meinst…“ Sie starrten sich eine Weile abwartend an. „Kyoko?“

„J-ja!?“

„Du bist doch sicher nicht ohne Grund hergekommen, oder?“ Ren ließ einen forschenden Blick über seine Kouhai gleiten. Das erstaunlich abwechslungsreiche Mienenspiel seit sie anscheinen total selbstvergessen hereingekommen war, hatte er zunächst belustigt, dann mit wachsender Beunruhigung zur Kenntnis genommen.

„Uh! Ehrm…das ist… Ich…“

Ren zog die linke Augenbraun hoch. Hatte sie sich versehentlich zu ihm verirrt? mutmaßte er während das Mädchen unruhig von einem Fuß auf den anderen trat und nicht wusste wie sie anfangen sollte. Sie fühlte seine gesamte Aufmerksamkeit auf sich lasten und wurde zunehmend nervöser.

>Ich muss Zeit gewinnen! Wo hab ich mich nur wieder reingeritten?>

Draußen rüttelte der Wind am Fenster. Als sie hinaussehen wollte, erblickte sie das Spiegelbild ihres Sempai in der von Regen betränten Scheibe. Das Unwetter passte zu seinem Äußeren. Er war blass, die Haare zerrauft und wirkte unendlich müde. Seine Haltung wirkte kraftlos. Nur die Augen ruhten mit freundlichem Ausdruck erwartungsvoll auf ihr.

<Sicher geht es ihm schlecht…> stellte Kyoko sogleich besorgt fest und wandte sich schnell dem Orginal zu.

„Wie geht es Ihnen? Dir! Ich meine… Wie geht es dir?“

<Das ist es also.>

Der Schauspieler lächelte schwach. „Du musst dir wirklich keine Sorgen wegen mir machen, Kyoko-chan.“ Seine Worte klangen wenig überzeugend und er wusste es.

Ein Krachen als wolle die Welt zerbersten zog die allgemeine Aufmerksamkeit kurz auf sich. In seinem Inneren ging es drunter und drüber. Dinge, die solange verschlossen gehalten wurden durch Ärger und Scham, hatten wieder den Weg in sein Leben gefunden. Würde er denn niemals davon frei kommen? Sie war ihm nicht böse gewesen oder irgendetwas, aber…was war mit ihm selbst? Ungewollt stahl sich ein schmerzlicher Zug über sein Gesicht, dass er die Augen fest schließen musste um ihn zu überwinden.

Eine warme kleine Hand schob sich in Seine. „Es ist nicht ihr- deine Schuld.“ Flüsterte jene lieb gewonnene Stimme zaghaft. Überrascht sah Ren sie an. Er wusste nicht, was genau sie meinte. Trotzdem löste dieser Satz etwas Unerklärliches in ihm aus. Der Griff ihrer zierlichen Finger um sein Handgelenk verstärkte sich. „Es ist nicht deine Schuld. Du kannst nichts dafür!“ Wiederholte sie mit mehr Nachdruck, jedoch Blickkontakt vermeidend.

Das Gesagte schien einen Moment lang alles auszufüllen, hallte von Decke, Boden und Wänden wieder. Du hast keine Schuld…

Etwas in ihm brach sich seinen Weg nach draußen, fast als hätte es die ganze Zeit nur auf diesen Freispruch gewartet!? Einen Momentlang wusste sein Körper nicht wohin vor innerer Bewegung! Er registrierte kaum die Tränen, die nach und nach von seinem Kinn tropften, oder das Zittern der Hände. Immerzu wiederholten sich diese zwei kurzen Sätze in seinem Kopf, der ansonsten wie leer gefegt schien. Es ist nicht deine Schuld. Du kannst nicht dafür. Es ist nicht deine Schuld.

Alle Erniedrigung, das ganze Leiden seiner Kindheit bis heute war etwas, das man IHM angetan hatte. Die Vorstellung, dass alles hätte anders, hätte glücklich sein können, dass er nicht selbst der Grund für die ihm zuteil gewordene Behandlung war, diese Vorstellung schmerzte unheimlich! Aber sie erleichterte ihn auch, wie nie zuvor!! Nie war er sich je bewusst gewesen, welch schwere Last eigentlich auf seinen Schultern gelegen hatte, bis zu diesem Zeitpunkt. Es kam ihm vor als wüchse er zu gigantischerer Größe denn je heran, als hätte er eine unbegrenzte Kraft in sich und müsste jeden Augenblick explodieren. Zum ersten mal seit einer unübersehbaren Zeitspanne verspürte er den Drang, das Leben voll zu spüren, dass in ihm brannte; es zu genießen!! Eine warme Güte war auf ihn niedergegangen. Kyoko hielt seine Hand und konnte sich kaum mehr selbst zusammenreißen. Vielleicht hielt seine Hand auch Sie? Er hatte sich weggedreht um die Emotionen zu verbergen, die das Mädchen nur ansatzweise zu erahnen glaubte.

„Komm.“ sagte er plötzlich und zog sie mit sich fort…

Scherben?

Scherben?
 

Tap, tap, tap,… Immer schneller hallten die Schritte zweier Menschen durch einen langen weiß gefliesten Flur bis hin zum Treppenhaus. „Was soll denn das? Ren?“ Nutzte eine weibliche Stimme ihre Gelegenheit, als sie ganz oben an der Fluchttreppe, die zum Dach führte, plötzlich stehen blieben. „Wo wollen wir hin?“

An Stelle einer Antwort deutete der Angesprochene auf die Leiter und fing an hinaufzusteigen.

„!!!“ Sprachlos starrte die junge Frau ihm nach. „Wa-wa-wa-was soll das!!!!!? Si-Du kannst doch nicht einfach…! H-HEY!“ <Was tut er da bloß!!?>

Unentschlossen kletterte Kyoko ihrem Sempai hinterher. Ein Schwall kalter Luft stürzte herein, als oben die Dachluke geöffnet wurde. Von draußen streckte sich ihr eine Hand entgegen und zog sie in den wütenden Orkan.

„Wow…“

Der Sturmwind zog beider Haare streng nach hinten, brüllte in die Ohren, riss an den Kleidern und stemmte sich gegen ihre Körper. Ren atmete tiefer durch als je zuvor in seinem Leben und lachte heiter los. „Wahnsinn! Ist das nicht schön?“ Rief er voll spontaner Ausgelassenheit laut gegen den tobenden Wind.

„EH?“ Kyoko sah ihn an, fasziniert und bestürzt wie ein Kleinkind den Feuerschlucker im Zirkus; dann musste auch sie lachen. „J-JA!“

Der Sturm war wirklich unglaublich toll. Sie hatte das Gefühl von einer frischen Energie durchströmt zu werden! Über ihnen zogen mächtige zerraufte Wolkenberge ungeheuer schnell dahin und in der Ferne zwinkerte gelegentliches Wetterleuchten herüber.

<Fast wie damals.> Schoss es ihr durch den Kopf.

Kyoko breitete die Arme aus und schloss ihre Augen. Ein feiner kühler Wasserfilm legte sich über die vom Rennen noch erhitzte Haut... <Es ist ganz ähnlich…>

Andächtig wie auf einer Kirchmesse nahm die junge Frau diese Eindrücke in sich auf. Ein einsames Regenrohr sang irgendwo eine schaurige Weise. Der Dirigent Wind hatte die gesamte Stadt in einen enormen Konzertsaal verwandelt! Ziellos bewegte sie sich ein bisschen zu dieser seltsamen Musik und begann, ohne es selbst zu bemerken, ein Lied zu summen, das ihr schon seit Längerem immer wieder im Ohr klang.
 

Vogel, Vogel, ängstlicher Vogel

Vogel, der aus dem Käfig genommen,

Vogel, Vogel, ängstlicher Vogel

Um wieder ein Vogel zu sein,

Vogel, Vogel ängstlicher Vogel

Er hat von dir die Freiheit bekommen,

Vogel, Vogel, ängstlicher Vogel

Bleibt er doch ganz allein?
 

„Was ist das für eine Melodie?“ <Kommt mir so bekannt vor…?> . Ren beobachtete neugierig seine Kouhai, die wieder äußerst ernst aussah.

Regen druchdrang schwer ihre Sachen und tropfte aus den glänzend schwarzen Haaren. Feine Wasserperlen schimmerten auf dem herrlich silberweißen Gesicht.

„Dieses Lied hat mir meine Großmutter einmal beigebracht.“

„Deine Großmutter?“

„Ja, na ja. Eigentlich war sie nicht meine echte Großmutter, sondern… Ach. Das ist eine längere Geschichte.“

„Mhhh… aber es ist eine sehr schöne Melodie. Magst du sie mir nicht erzählen? Die Geschichte?“

Sie standen am Rand des Daches der Klinik und lehnten sich über die Brüstung. Unter ihnen funkelte Tokyo und über ihnen wogte die Dunkelheit.

„Außer meiner Mutter habe ich eigentlich keine Verwandten… Aber eines Tages traf ich im Wald meines Dorfes einen alten Mann. Zuerst dachte ich er wäre vielleicht ein Zauberer, weil er so merkwürdig aussah und mit seiner Frau in einem sehr, sehr eigenartigen Haus wohnte. In Wahrheit aber waren sie natürlich nur ganz normale ungewöhnliche Leute aus China. Sie haben mich aus Sympathie zu ihrer Enkeltochter erkoren und sich wie richtige Großeltern um mich gekümmert, wenn ich sie hin und wieder mal besuchte. Es gab kaum eine schönere Zeit in meinem Leben, glaube ich. Aber dann… kam der Geburtstag meiner Obachan und wir…-

Wir hatten total die Zeit vergessen beim Feiern! Deshalb war es schon ziemlich dunkel draußen und der Großvater entschied sich, mich besser persönlich nachhause zu bringen. Leider…“

Sie machte eine kleine Atempause um sich zu sammeln. Ihre Stimme hatte einen wehmütigen Klang bekommen, sodass Ren ihr nun mit wachsender Besorgnis lauschte.

„An jenem Abend gab es ein schreckliches Gewitter. Schlimmer noch, als das von heute. Oder… nein… Ich weiß nicht genau. Jedenfalls,… als Großvater von mir zurückgehen wollte, er musste ja wieder durch den Wald, wurde er von einem Baum getroffen und… er starb noch in derselben Nacht und… Obachan wollte mich von da an nicht mehr sehen. Sie… – sie ging wenig später fort aus Kyoto. Ja. Und seither habe ich nichts mehr von ihr gehört.“

Nun blickte sie ihn fest und traurig zugleich an.

„So ist mein Schicksal. Irgendwann gehen sie alle...“
 

„…!“

Erst wollte Ren etwas sagen, aber Kyoko wandte den Kopf ab, bevor ihm das Passende einfiel. Sie entließ schweigend ihre melancholischen Gedanken in die rein gewaschene klare Luft. Der letzte Niederschlag hatte längst aufgehört und eine samtig tröstende Stille breitete sich aus - Die Stille nach dem Sturm.

Vorüber war der Kampf der Elemente. Es herrschte wieder Frieden in der Atmosphäre und in den aufgewühlten Herzen der Menschen kehrte angenehme Ruhe ein. „Alte Geschichte…“ Murmelte die Schwarzhaarige abschließend und legte ihr Kinn in die auf der Brüstung ruhenden Arme.

„…“ Gerade schickte sich Ren an, zum Gehen aufzufordern - denn Nässe und Kälte so kurz nach einigermaßen überstandener Krankheit konnten sicherlich wenig Vorteilhaftes bei seiner Kouhai bewirken - da zerflossen über ihnen die Wolken, der Himmel wurde weit und gab den Blick auf eine bezaubernde Vollmondnacht frei.

„Wie schön!“

Entfuhr es den Schauspielern gleichzeitig und ein scheues Lächeln flog von der Einen zu dem Anderen. – Frieden…!

Nur eine unbestimmte Sehnsucht blieb zurück und mischte sich unter die Behaglichkeit der zwei Bewunderer dieses großartigen Naturschauspiels...

„Wirklich wunderschön.“
 

Kyoko hatte ihr Antlitz zu den Sternen gerichtet und verharrte in Gedanken noch bei ihrer Geschichte. Sie sah unheimlich gut aus, wenn sie nachdachte. Geheimnisvoll und schön wie das Universuml über ihr. Der Schauspieler aber näherte sich unbemerkt, mehr wie ein Geist als wie ein Mensch. Langsam. Lautlos. Wahrnehmend. Ohne zu Denken.

Er wollte sie jetzt am liebsten ganz nah bei sich haben. Festhalten, trösten und nie mehr loslassen!

Ach! Er wollte so vieles sagen und fand doch kein einziges Wort. So groß waren die Gefühle schon geworden, die Anspannung, die Angst, die Sehnsucht und Aufregung in ihrer Nähe. Unantastbar und unwirklich schien ihm die feine schlanke Gestalt; wie eine Schwalbe, die schon bei seinem nächsten Atemzug in pfeilschnellem Flug verschwinden könnte.

Verrückt. - Ob man wohl immer den Verstand verlor, wenn man sich verliebte?

„Ich glaube mir wird langsam richtig kalt. Wollen wir vielleicht reingehen…?“ Überraschend drehte sich das Mädchen um und er sah sich plötzlich selbst gespiegelt; direkt in ihren erschrockenen Augen, höchstens Millimeter von seinen entfernt.

<Huh?> Kyokos erster Impuls zurückzuweichen verpuffte in Regungslosigkeit. Sie verharrte in der Schwebe zwischen gespannter Faszination und ängstlicher Verlegenheit.

<Uh-Ugh!> Wenn sie sich weiter so ansahen, würde sicher etwas Schlimmes passieren!

Den Schauspielern war, als hörten sie das Knirschen ihrer empfindlichen Glaswelt, die jenen Augenblick zu bersten drohte…

Der Botschafter

Erstens: VIELEN DANK an alle Kommentatoren für die motivierenden Worte!!!

Zweitens: Ich hoffe dieses Kapitel ist lang genug ;-D Ich habe mich bemüht aber auch beeilt (Nakamura-sama lässt uns ja schon lang genug auf neue Kappis warten!)

Drittens: Viel Spass beim Lesen! Endlich kommt der berüchtigte Engländer aus Kap. 4 so langsam wieder ins Spiel... höhöhö! Aber noch wird nix verraten.
 


 

Der Botschafter
 

Eine unsichtbare Uhr tickte in Kyokos Kopf und wies sie auf das unerhörte Andauern ihrer Tatenlosigkeit hin. Die natürliche Reaktionszeit war längst abgelaufen und noch immer rührte sich Keiner von ihnen oder sagte wenigstens etwas Lockerndes. Nein. Mit jeder Sekunde gerieten sie stattdessen mehr in Erklärungsnot. Warum? Worauf wartete Er? Worauf wartete SIE ???

<Zieh dich zurück!> sagte eine sachliche Stimme immer wieder, <Das ist doch ganz leicht!> aber eine unerklärliche Spannung hielt die Schauspielerin fest in Position. Ihr fiel nichts ein, um dieses, was auch immer es war, aufzulösen.

Stunden schienen zu verstreichen. Ihre Gedanken waren matt vom ständigen Achterlauf, durch jenes fiese kleine Organ in ihrem Kopf, das stets dann auf Sendepause ging, wenn sie es gerade brauchte. Unruhe baute sich massenhaft in ihr auf, ein starker Drang sich zu bewegen, doch konnte sie weder vor noch zurück.

„Tsuruga-san?“ Tatsächlich hatte es ihr Mund doch geschafft, ohne Hilfe der oberen Schaltstelle Worte zu formen. „Diese ähm… Situation… ist etwas… na ja… fragwürdig…? Finden Sie nicht?“ Erklang es in seltsam fremder Tonlage und automatisch zogen sich ihre Braunen kritisch nach oben. Sie verzog das Gesicht, allerdings ohne sicher zu sein, wessen Verhalten wohl wunderlicher war. Seines oder ihr Eigenes?

„Ah…!“ Ren wurde bleich. Wie sollte es DAS erklären?

Die Peinlichkeit des Augenblicks knisterte im schmalen Luftraum zwischen Ihnen.

„Ent-… Nein. Ich und Du - und dann… hm…!“

Verflucht! Wieso redete er, wenn er nichts zu sagen wusste? Das tat er doch sonst nie! Verflucht! Verflucht! War EINMAL eine Regieanweisung wirklich nötig, entfiel sie natürlich…!!

Seine linke Hand fuhr aufgeregt durch sein nasses Haar. Er war erstmal einige wenige Zentimeter zurückgewichen und blinzelte um Klarsicht. Seine Mundwinkel zuckten nervös. Nun galt es zunächst Zeit zu gewinnen...!!

Etwas Kaltes schien seine Speiseröhre hinunterzulaufen. Wenn er jetzt etwas Dummes tat, könnte sie ihn womöglich sofort einfach hier stehen lassen! Er wollte sie nicht anlügen, nicht DIESES Mädchen. Aber die Wahrheit… Die Wahrheit würde sie garantiert verschrecken! Im Gegensatz zu Fuwa hatte Kyoko für ihn ja nie etwas Tieferes empfunden; würde ihn also mit Leichtigkeit aus ihren Gedanken und ihrem Herzen auf ewig verbannen können. ER war nicht wesentlich für sie, auch wenn sie sich vielleicht sorgte, zu ihm aufsah, sich einschüchtern und ärgern ließ. Er war höchstens eine Randgestalt, ein oberflächlicher Bekannter oder vielleicht auch ein schlechtes Vorbild …

Hn…! Seine ganze Hilflosigkeit drückte ihn schlagartig nieder. Wie sollte er jemanden, der nichts mehr fürchtete als die eigenen Gefühle, jemals dazu bringen sich in ihn zu verlieben? Er war abhängig von ihr und konnte sie doch nicht haben!

Das bittere Zerrbild eines Lächelns stahl sich über sein Gesicht. <Wie schnell man doch auf den Boden der Tatsachen zurückfindet! Eben noch habe ich tatsächlich geglaubt, dass… Aber wahrscheinlich war es nur wieder so ein eigenartig überdrehter Moment. Hätte ich nicht von mir erwartet; jedenfalls nicht von Ren Tsuruga, der doch niemals die Kontrolle verlieren würde. Ha! So ist das wahre Leben nun mal eben nicht! Es ist…“

„Es ist lediglich hoffnungslos.“

<EEEEEHHHHHH!!?> „W-wie bitte? Was?“ Entsetzt starrte Kyoko in sein auf einmal zutiefst deprimiertes Gesicht. „Was ist hier hoffnungslos?“ Unbegreiflich schien ihr dieser drastische Stimmungsumschwung und ängstigte sie daher umso mehr.

„Hoffnungslos?“

„S-Du hast doch gerade gesagt, dass ES hoffnungslos sei… Was denn nur?“ ALLES hatte Kyoko erwartet: einen dummen Spaß, einen dämlichen Schauspieltrick, eine hämische Bemerkung, irgendetwas sehr Ernstes oder sogar den jähen Ausbruch einer schweren geistigen Störung, möglicherweise verursacht durch die Schrecknisse der letzten Tage.

Aber diese Unglückseligkeit! Hatte er die nicht gerade erst überwunden? Hatte er nicht eben noch gelacht? Warum nur, sprach er dann von Hoffnungslosigkeit? Ein Mann wie ER!

„Nein. Es ist schon gut.“

„Eh? Nichts ist gut! Wieso hoffnungslos? Das ist schlecht! Ich will das jetzt wissen.“

„Kyoko-chan…“

„Ja?“

„…“

„Hm?“

„Es war nur… Ich bin sehr froh, dass du gesagt hast, was du gesagt hast. Ich wünschte nur, ich könnte alles so annehmen. Da ist so vieles das ich will… und doch es geht einfach nicht.“

„Warum nicht?“

„Weil dabei alles zerstört werden könnte, das mir lieb ist.“ Ren bemühte sich sie nicht auffällig anzusehen.

<Ach echt? Irgendwie klingt das rätselhaft… Dennoch…>

„Wissen — Weißt du, ähm… Ren. Ich denke ich verstehe dich.“

„Wirklich?“

„Manchmal glaubt man, alles würde schon gut werden; aber dann wird einem klar, dass man eigentlich gar nichts weiß und keinen Einfluss hat und überhaupt ganz alleine ist. Das ist schlimm und tut auch sehr weh… Einmal, da habe ich z.B. geträumt in einem riesigen Raum zu sein. Darin befanden sich zahlreiche Türen. Sonst nichts. Und obwohl niemand dort war, redete von irgendwo eine Stimme zu mir. Eine hinterlistige, gemeine Stimme die mich immerfort aufforderte, eine Tür zu wählen. Natürlich fragte ich sie, was denn dahinter sei, jedoch bekam ich keine rechte Antwort. Alles könne sich auf der anderen Seite befinden, erzählte mir der unsichtbare Fremde: Himmel oder Hölle, Tod oder Leben oder einfach nur Leere… Da ich also nicht wusste, was dort war, wagte ich auch nicht, eine Tür zu öffnen, denn ich wollte ja leben! Ich versuchte die Türen zu vergleichen, aber sie unterschieden sich nicht. Ich wollte sie zählen und stellte fest, dass es dreihundert Türen waren. Dreihundert! Wie sollte man da eine Entscheidung treffen? Mein Verstand versagte! Ich harrte aus. Rannte herum. Raufte mir die Haare. Schrie und schlug um mich. Eine Ewigkeit brachte ich in dem Raum zu, gab auf und wurde allmählich älter. Irgendwann beobachtete ich, dass die Türen zu verschwinden begannen und der Raum um mich rückte immer näher. Bald war nur noch eine einzige Tür übrig, aber ich war längst zu schwach und zu resigniert um sie zu öffnen. So verschwand auch diese Letzte, sodass ich glaubte, nun sterben zu müssen. Stattdessen aber wachte ich auf und lag in meinem Bett… Verstehst du, was ich damit sagen will? Egal, was wir tun oder wie wir entscheiden, immer folgen daraus Konsequenzen, die wir nicht beeinflussen können, selbst wenn wir uns dazu entscheiden nix zu tun. Der einzige Unterschied dabei ist, dass wenn wir zögern, uns die Zeit nach und nach alle unsere Gelegenheiten rauben wird, die wir nicht zu nutzen wagten.“

„Ist das so? Denkst du wirklich? Aber wenn das Risiko…“

Kyoko nickte verstohlen. Sie hatte sich selbst eine Standpauke mitgehalten!

„Aber wen das Risiko…?“

„Besteht denn kein Risiko, das zu verlieren, was dir so lieb ist, wenn du nicht versuchst, das zu bekommen, was du dir wünschst?“

„Ähm…“

„Ja? Ren?“

„Wahrscheinlich hast du Recht.“ Ein kurzes aber aufrichtiges Lächeln. „Ich bin froh, dass du da bist.“

„!!!“ Verlegen brachte das Mädchen nur ein schwaches Nicken zustande. „Wir – wir sollten jetzt besser reingehen.“ murmelte sie kaum hörbar und lief schnell in Richtung Dachluke voran.

„Richtig.“ Ren folgte ihr mit vollem Herzen. In seinem verwirrten Zustand mochte er keine Entscheidung treffen, aber seine Hoffnungslosigkeit zumindest wich einem ungewohnten Gefühl von Vertrauen, welches er jetzt noch nicht deuten konnte.
 

„Sieh nur zu, dass du schnell trocken wirst, sonst bekommst du noch einen Rückfall.“ Der Schauspieler schnappte sich den rechten Ärmel seiner Kollegin und ließ daraus einen dünnen Wasserstrahl auf den Boden niederregnen.

„Na, das wäre dann ja wohl auf jeden Fall deine Schuld!“ Konterte diese mit einer gespielt vorwurfsvollen Miene, welche der Durchgeweichten erst verging, als ihr Gegenüber plötzlich einen sehr überzeugend bedrohlichen Ausdruck annahm. „Du meinst also, ich sollte mich besser PERSÖNLICH davon überzeugen, dass hier alles in Ordnung geht.

„Waaaah! NEIN! Nicht nötig. Gute Nacht!“

Peng! Und damit war die Türe zu.

Halb enttäuscht, sie so fix losgeworden zu sein, halb lachend verließ Ren den Schauplatz ihrer unromantischen Verabschiedung mit einem leisen „Schlaf gut.“
 

Kyoko blickte zur Uhr. Halb zwölf. Sowas! Sie hätte gedacht, es wäre später…

Der Ausflug zum Dach war ihr beinahe solange wie ein ganzer Tag vorgekommen. Ihre noch geschwächten Glieder kribbelten, während sie sich langsam erwärmten. „Der hat Ideen.“ Unwillkürlich musste sie wieder grinsen. Ren schien ihr doch in der Tat der unmöglichste Typ auf Erden zu sein! Verwundertes Kopfschütteln folgte diesem Gedanken. In den letzten Tagen war er ihr irgendwie immer »menschlicher« erschienen. Ein wirklicher, vorstellbarer Charakter schimmerte inzwischen durch die undurchdringliche Gentleman-Schicht des erhabenen Tsuruga. Eigentlich unterschied er sich kaum noch von ihr selbst; hatte Wünsche, Ängste und normale (wenn auch oft unerklärliche) Gefühle und Gedanken.

<Schon seltsam ihn so greifbar vor sich zu haben, wie einen gewöhnlichen Zwanzigjährigen. Bisher fand ich ihn eher wie ein höheres Wesen, zu dem man aufblicken muss und das für alles Herkömmliche absolut unerreichbar ist. Undenkbar sich ihn als jemanden vorzustellen, der so vieles gelitten haben soll; eine verletzliche, unsichere und dennoch bewundernswert mutige Persönlichkeit. Obwohl er seinen Gottstatus vor meinen Augen verloren hat, muss ich ihn nun mehr schätzen als vorher…“

Es war zuviel. Zuviel um nur einmal darüber nachzudenken. Wenn sie klar sein wollte, was von ihrem Sempai zu halten war, musste sie dieses Thema gewiss erst öfter aufrufen. Für heute hatte sie genug gegrübelt. Die Müdigkeit bemächtigte sich wie ein Virus jeder Zelle ihres Körpers und daher schlüpfte sie nach einer echten Katzenwäsche nur rasch in ein trockenes Nachthemd und fiel bald darauf in einen tiefen Schlaf.
 

Ren war lange noch nicht soweit. Nachdem er sich zum Schlafen fertig gemacht hatte, fiel ihm auf, dass er hellwach war. Seine Sinne angespannt auf die totenstille Umgebung gerichtet lag er im Halbdunkel des wenig gemütlichen Krankenzimmers und dachte über das nach, was er gehört hatte:

So ist es mit allem, was wir tun. Jede unserer Entscheidungen ist - wie eine dieser Türen - ein Schritt ins vollkommen Ungewisse. Nur mit dem Unterschied, dass unser Verstand mal die eine oder die andere Wahl für die Bessere hält und wir uns einbilden, planen zu können.

Das ist ein Irrtum ohne den wir nicht zu Leben imstande wären. Alles kann sich stets zu Allem wenden: Gut zu Schlecht und Hass zu Liebe oder umgekehrt. Aber weil uns die Ungewissheit in den Wahnsinn treibt, denken wir nach bevor wir etwas tun. Und weil wir vor so Vielem Angst haben, suchen wir nach Sicherheiten, die keine sind, da alles Entscheiden hinfällig und dem Zufall gnadenlos ausgesetzt ist. In Wahrheit nämlich gleicht eine Tür der anderen… Was für eine Chaostheorie! Aber war das, was Kyoko ihm sagen wollte als sie unerwartet bei in sein Zimmer geplatzt kam? Wohl kaum! Anscheinend hatte sie bei der Aufregung völlig vergessen, damit rauszurücken, was IHR auf dem Herzen lag? Bestimmt gab es einen wichtigen Grund, wenn sie es freiwillig auf sich nahm ihn zu *stören*. Ob er noch mal hingehen und nachfragen sollte? Viertel Eins? Nein, dann lieber nicht. Morgen würde sich sicher eine bessere Gelegenheit bieten. Soviel Gentlemen haftete noch an ihm, das kaum genesene Mädchen nicht im Schlaf zu stören.

Wie um sich abzulenken dachte er an Isamu. Seine Schwester - Halbschwester. Ein bisschen machte sie ihm Angst… Viel von ihm spiegelte sich in ihr; viel von Koon! Es war gleich einer lebendig gewordenen Verbindung in die Vergangenheit… Und dann dieser Hakura! Er stöhnte, fixierte Kyokos Bild auf der Innenseite seiner Lider und nahm sich fest vor, so bis zum morgen mit geschlossenen Augen zu auszuharren!
 

Der nächste Tag:
 

„Ja!?“ Kyoko hatte gerade fertig gefrühstückt, als ein lebhaftes Klopfen an der Tür sie aufschreckte. Mit einem lauten Knall wurde diese nun aufgerissen, etwas schnelles prallte frontal mit ihr zusammen und riss sie prompt nieder. „Meine Güte, Maria-chan!“ rief Yashiro alarmiert. „Mach langsam!“

„O-nee-sama!“ Quietschte der kleine Kugelblitz entzückt, -Beide waren zum Glück unbeschadet auf dem nun ein ganzes Stück verschobenem Bett gelandet- dann schlangen sich die dünnen Ärmchen des Mädchens mit eiserner Kraft um den Oberkörper der total überrumpelten Schauspielerin.

„Ich war ja sooooo besorgt! Wie kannst du mir das bloß antun? Du UND Ren-sama!“

„Es tut mir…“

„Bin ich froh, dass euch nichts passiert ist. Ich hab dir doch noch gar nie gesagt, wie lieb ich dich habe!“ Tränen schossen aus den großen Klugen Kulleraugen der jungen Märtyrerin. Etwas kurzatmig ob der kraftvollen Liebesbezeugung, aber gerührt streichelte Kyoko das blonde Lockenköpfen. <Sie hat sich wirklich gesorgt. Sie ist ein tolles Kind…>

„Nun gib uns aber auch mal eine Chance, du diabolische Rotznase!“ mischte sich jetzt eine wohlbekannt forsche Stimme ein. „Kanaee! Miss Menno!“ Kyoko schien vor lauter Glück förmlich zu Floriszieren, während zwischen ihren besten Freundinnen unbemerkt ein gesundheitswidriger Blick ausgetauscht wurde. „Du bist auch da!“

„Selbstverständlich bin ich da. Ich muss mich doch vergewissern ob meine einzige Mit-Love-me-Praktikantin noch lebt.“

„Hehehe… Wie schön! Das ist lieb von dir.“

Die Anderen im Raum stutzen bei diesem außergewöhnlichen Freundinnendialog, gaben sich aber mit Kyokos ungetrübter Fröhlichkeit zufrieden, der die harsche Art ihrer Kumpanin gewohnt zu sein schien.

„Takarada-san! Sie auch?“ Erst jetzt fielen ihr auch die beiden letzten in elegante hellgraue Anzüge gekleideten Besucher auf, die sich nur schlecht von der Wandfarbe abhoben.

„Guten Morgen, Mogami-kun.“ Der überspitzt vornehme Ton des sonst so aufgedrehten Takarada befremdete das Mädchen und gespannt wartete sie auf das, was da noch zu kommen drohte. „Wie schön dich so wohl auf zu sehen. Ich möchte dich jetzt selbstverständlich noch nicht mit Geschäftlichem belasten, ABER ich muss dir unbedingt jemanden vorstellen.“ Der unüblich konservativ gekleidete Präsident wirkte wie ein Papagei im Nebelkrähenkleid. Er deutete mit feierlich gewichtiger Miene auf seinen Begleiter: Einen hoch gewachsenen breitschultrigen Europäer mit streng zurückgekämmtem rötlichem Haar und unergründlichen moosgrünen Augen. „Das ist Mr. Kit Warringer-Stone. Er kommt direkt aus London mit einem wahrhaft unglaublichen Angebot…“

Zeit sich zu entscheiden

2.00 Uhr. Kyoko saß auf ihrer Matratze. Das Bettzeug hatte sie herunter getan. Es war einfach zu heiß hier drin! Draußen flockte der Regen langsam zu Schnee aus, während im Daruma-ya die Heizungen ständig auf Hochtouren liefen, um den Gästen eine behagliche Wärme zu bieten.

Sie konnte nicht schlafen. Seit Tagen schon quälte sie sich durch jede Nacht mit Schweißausbrüchen, Kopfschmerzen und einer inneren Unruhe, die sich von Zeit zu Zeit in Muskelkrämpfen äußerte. Natürlich lag das nicht nur an der Wärme. Die war lediglich ein zynischer Zusatz…

Ihr Blick wanderte durch den wohlbekannten Raum, der ihr plötzlich fremd und bedrohlich vorkam. Wurde sie langsam paranoid? Hoffentlich nicht. Wichtige Entscheidungen mussten bald gefällt werden. Sie brauchte unbedingt einen klaren Kopf…!

Sicher war es nur der Stress. Die zahllosen Interviews, Anhörungen, Befragungen und Verhandlungen zehrten stark an ihren Kräften. Jeder wollte dringend ALLES über diese bescheuerte Entführung wissen. Die lauten aufdringlichen Stimmen hallten als unverständliches Kauderwelsch in ihren Ohren wieder. Üble Fragen und noch üblere Erklärungsversuche prangten in den Titelblättern. Eine harte Probe für die Geduld und Selbstbeherrschung der Sechzehnjährigen.

Außerdem hatte sie noch immer nicht mit ihrem Sempai über Isamu-chan und Junji-sama gesprochen!!! Ein schlechtes Gewissen machte diese Phase nicht gerade angenehmer - Rens Schwester befand sich nämlich im Moment in der Obhut von LME, da sie sich natürlich auf keinen Fall den Behörden anvertrauen wollte…
 

Nachdem Mr. Warringer sein besonderes Angebot unterbreitet hatte, waren alle Anderen aus der Klinik entlassen worden. Nur Kyoko durfte erst zwei Beobachtungstage später heimkehren und ihren Gasteltern endlich die Steine von den Herzen rollen. Seither hatte sie weder mit Isamu noch irgendwem von der Agentur in Ruhe reden können. Die Presse und der Staatsapparat vereinnahmten die *auf wundersame Weise entkommenen Entführungsopfer* schließlich mit pflichtbewusster Gnadenlosigkeit; nun schon fast eine ganze Woche lang.

Und dies war natürlich auch einer der Hauptgründe, warum sie noch immer keinen rechten Entschluss fassen konnte, bezüglich des neuen mehr als verheißungsvollen Jobs, den besagter Mr. Warringer - Bote aus England - ihr unter die noch tropfende Nase gerieben hatte.

Wie auch? Sie brauchte zwingend guten Rat! Doch… Den Einzigen, dem sie in dieser Sache voll vertrauen würde, anzurufen, kam nun mal nicht in Frage: Sie hatte bei der Entführung ihr Handy und somit auch seine Nummer eingebüßt und brachte es einfach nicht übers Herz, ERNEUT in der Agentur danach zu fragen.

Mist! Da bot sich ihr unerwartet eine unvergleichliche, einmalige, absolut supertolle Chance und sie brachte es nicht fertig diese zu ergreifen… denn… Was wenn sie versagte? Das Desaster! Diese Schmach! Es würde ihren garantierten Tod bedeuten!!! Welch ein Elend!

<Uuuooh! Waaahaaaas soll ich nur tun?> Sie zog die Beine an den Köper und rollte sich wie ein kleiner Igel zusammen. Alles hatte sie schon versucht! Hunderttausende Mal war sie im Kopf durchgegangen, wie ihr Sempai wohl auf ihre Frage geantwortet hätte: Eine Vorstellung unwahrscheinlicher als die Nächste!! <So gerne würde ich…> Ihr Blick verhakte sich im Skript auf dem Esstisch. <Argh…> Da lag es in völliger Unschuld und folterte sie doch mit größter Grausamkeit. Das Buch war hervorragend, spannend und anrührend, von der ersten bis zu letzten Zeile! Ein vollendetes Meisterwerk!! Bloß… Wie passte eine Amateurin da hinein?

Es handelte sich um ein gewaltiges Geschichtsepos, welches zwischen Japan und England während des zweiten Weltkriegs spielen sollte; verwoben darin ein ergreifendes Liebes- und Familiendrama. Die Produktion würde Millionen verschlingen!! Und SIE in der Doppelrolle eines getrenntes Zwillingspaares? Himmel, wie war DAS möglich!?

Draußen flackerte eine Straßenlaterne.

Ein Zeichen? Quatsch. Die Schauspielerin streckte sich wieder aus und hielt ihre vor Müdigkeit brennenden Augen nun mit einiger Anstrengung geschlossen. <Schlaf jetzt. Morgen bist du Bou.>

Wenige Augenblicke kam es ihr tatsächlich so vor als wirkte der Selbstbefehl; da ertappte sie ihre Gedanken dabei, wie sie sich um die Frage versammelten, ob Hakura-sama wohl zugesagt hatte? Bestimmt! Er und sie würden dann Seite an Seite schauspielern... Würde es das nicht einfacher machen? Aber… ER war nun mal nicht direkt ihr Sempai. Mit Ren… - Mit Ren…? Nein. Schwachsinn!! Selbst WENN Tsuruga-san… Das täte auch nix ändern, nicht wahr? Nicht Wahr!? Um diese Uhrzeit sollte sie nun wirklich aufhören mit Grübeln. Sie konnte ja wohl SELBSTSTÄNDIG spielen und würde sich NIE auf ihren Schauspielpartner verlassen! Genau. Aus. Basta.

Nachdem sich Kyoko trotz aller garstigen Proteste innerlich bewusst geworden war, dass sie sich mit Ren an ihrer Seite eventuell doch ein gaaaanz kleines bisschen sicherer gefühlt hätte, begann sie stur Schafe zu zählen, um ja keine weitere Überlegung zu diesem leidigen Thema anstellen zu müssen. Wer weiß welchen Unsinn ihr offensichtlich leicht beschädigter Denkapparat sonst noch produziert? Etwas Zeit war ja noch…
 

Bitte senden Sie uns umgehend ihre Antwort zu.
 

Mit freundlichen Grüßen

H. Piers
 

Es nahten die Weihnachtsfeiertage. Aus vielen Fenstern blinkte bereits üppiger Schmuck. Straßenmusikanten spielten an fast jeder Ecke. Hier und da füllte der markante Duft von Zimt und Orange die kalte Luft mit Festlichkeit und überall reagierten die Menschen in den Straßen empfindsamer auf den traurigen Anblick der vielen Armen in ihrer geliebten und beklagten Großstadt.

Allein die junge Schauspielerin, welche sich gerade auf ihrem Rad durch den frisch gefallenen Schnee kämpfte, nahm heute rein gar nichts davon wahr. Nicht einmal den probenden Kinderchor, den sie durchschnitt.

Plötzlich hatte sie ein Brief von ihrem eventuellen Auftraggeber aus England erreicht. Ein Brief mit einer Einladung nach Londonderry, auf einen großen Landsitz direkt am Lough Foyle in Nord Irland, der vermutlich dem mysteriösen Sender selbst gehörte. <HÄ!?> Das war ihr erster und bisher konstruktivster Gedanke dazu gewesen.

Was sollte sie auch davon halten? Die dem Schreiben beigefügten Bilder sahen atemberaubend aus. Meer und Landschaft darauf waren einfach nur wahnsinnig schön. Und es sollten angeblich Wandertouren stattfinden bei denen die Gäste, denn anscheinend gab es außer ihr noch weitere Eingeladene, unter anderem auch mit richtigen großen Segelbooten unterwegs sein würden.

Wie unerhört abenteuerlich!! WER war dieser Mr. Piers, dass er ausgerechnet IHR erst ein so unglaubliches Angebot unterbreitete und sie dann auch noch zu sich einlud? Wozu sandte er extra diesen Kit Warringer als Boten? War das etwa üblich in Europa? Europa! Wie fremd und merkwürdig das klag! Europa…

Im Moment steckte das Papier in ihrer Tasche. Sie hatte heute Morgen, gleich nach dem ersten Lesen beschlossen, sofort den Präsidenten dazu zu befragen. Vielleicht ja nur ein dummer Scherz? Aber… WER dachte sich schon SOWAS VERRÜCKTES aus, bloß um SIE zu ärgern?

Erst das Quietschen der Fahrradbremse, die sie wie automatisch betätigte, machte ihr so richtig bewusst, dass sie bei LME angekommen war. Etwas steif wegen des frostigen Wetters stieg sie ab und hauchte ihren Fingern mit ihrem warmem Atem neues Leben ein.

<Verdammt kalt geworden.> Ihr Blick wanderte die bekannte Fassade hinauf zu dem mit seidigen grauen Wolken bedeckten Himmel. <Oh Mann….> Als ob sie sich vergewissern wollte, nicht alles bloß zu träumen, tastete Kyoko nach ihrer Tasche, wo ein leises Knistern die Existenz des bizarren Briefes bekräftigte…
 

<Was will ich eigentlich genau fragen?> Es war bereits ein bisschen spät noch darüber nachzudenken, da von der anderen Seite der großen Tür die zum Büro des Präsidenten führte schon ein „Herein!“ ertönt war.

Rory Takarada stand im Schottenrock hinter einem schweren Schreibtisch aus dunklem Eichenholz und sah aus dem Fenster. „Präsident.“ Murmelte die junge Schauspielerin mit der obligatorischen Verbeugung, welche der Angesprochene zwar nicht sah, die ihm aber dennoch nicht entging.

Er zögerte eine Weile bis er sich ihr zuwandte. „Du hast eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen Mogami-kun. Ich schätze du hast die Einladung von Mr. Piers erhalten?“ Etwas überrascht richtete Kyoko sich auf. „Dann stimmt es also, was in dem Brief steht? Ich soll nach Irland fliegen? Kein Witz, wirklich nicht?“

„Nein, kein Witz, Mogami-kun. Es gefällt mir zwar nicht, euch so kurz vor Weihachten wegzulassen, aber wenn Mister Piers es wünscht, habe ich nichts dagegen einzuwenden. Er ist eine außerordentliche Kapazität und liefert für jeden von euch einen gewaltigen Karrieresprung.“ Jetzt drehte er sich um und machte ein betont fröhliches Gesicht, wo vorher gewiss eine ganz andere Miene gewesen war. „“Ich weiß, was du mich fragen willst. Tut mir leid. Da musst du dir selber helfen, denn die Antwort liegt allein bei dir.“

Betreten nickte die Schwarzhaarige. Irgendetwas am Präsidenten schien heute nicht ganz in Ordnung zu sein. Die ungewöhnliche Ernsthaftigkeit, der ferne Klang seiner Stimme, fast als wäre er … besorgt?

Unruhig bereitete Kyoko sich für den letzten Job als Hahn in diesem Jahr vor. Ihre Hände waren eiskalt obwohl sie unter dem bereits angelegten Kostüm auch mächtig schwitzte. Dieses seltsame nagende Gefühl, welches sie seit dem *glücklichen* Ende der Entführung stetig belästigte, hatte sich nach dem Gespräch mit dem Präsidenten noch verstärkt. Es war ihr, als hätte sie etwas Wichtiges übersehen. Eventuell etwas Gefährliches. Fühlte sie sich beobachtet? Vielleicht. - Vielleicht sah sie auch nur Gespenster.

Mit ungelenken Flügeln schloss Bou die Garderobe hinter sich ab. Sie war die Einzige, die den Raum hier nutzte und so wusste sie ihre Sachen in Sicherheit vor spionierenden Journalisten. „Hey!“ Vor Schreck setzte Kyokos Herz einen Moment lang aus. “Willst du mich umbringen oder was?” Keuchte sie den großen Mann an der sich neben ihr lässig an die Wand lehnte und mit schuldbewusstem Grinsen fragte: “Hast du noch ein bisschen Zeit?”

„Ääääähm:“ Eigentlich wollte sie dieses bescheuerte Rollenspiel endlich beenden. „Komm schon. Bitte. Ich muss mit dir sprechen.“ Der eindringlichen Bitte ihres Sempai konnte sie selbst als Vogel nicht widerstehen. „Na gut. Aber nur kurz, ja? Was gibt es denn?“

Ren wartete nicht mit seiner Frage:

„Wie kann ich das rückgängig machen?“

„Eh?“

„Das mit dem Verlieben. Ich habe wirklich lange darüber nachgedacht. Es gibt einfach keine Möglichkeit. Sie kann mich nicht lieben. Also: Wie werde ich diese Gefühle los?“

Bou war sprachlos. Sprachlos empört über die Naivität der Frage, sprachlos entsetzt über die Bestimmtheit der unwahrscheinlichen Aussage als Ren Tsuruga keine Chancen zu haben bei einem Mädchen, das er anscheinend wirklich liebte zu landen.

Sie musterte ihn argwöhnisch, bevor sie vorsichtig nachhakte: „So schlimm? Was ist denn mit dem Mädchen, dass sie dich so unmöglich mögen könnte? Wie heißt sie?“ >Vielleicht finde ich was Nützliches raus, wenn ich mit ihr spreche?>

Als hätten Bous Worte an einem beinahe berstenden Staudamm die Hauptschleuse geöffnet, stürzte der erschreckende Redeschwall aus dem sonst so reservierten Schauspieler:

„Sie WILL niemanden mögen! Besonders nicht auf diese Art. Dazu wurde sie wohl schon zu oft verletzt. Sie hat eben dichtgemacht! Wie sollte ICH ihr schon klarmachen, dass ich ihr nie wehtun würde? Besonders wenn sie Angst vor meiner Nähe UND vor ihren eigenen UND vor meinen Gefühlen hat!? Es geht einfach nicht. Verdammt! Es ist wie ein unüberwindbarer Wall, den sie um sich gezogen hat um vor aller Welt sicher zu sein, auch wenn ich glaube, dass sie sich dort oft furchtbar einsam fühlen muss. Ich weiß nicht, wie ich sonst noch zu ihr vordringen soll!? Ich möchte behutsam sein, aber in ihrer Nähe sind meine… meine Gefühle so stark, dass ich nicht… Es geht nicht. Es geht einfach nicht!“ Er brach ab. Szenen der Unbeherrschtheit zogen an ihm vorüber. „Ich halte das nicht mehr aus.“ Stöhnte er schließlich leise und Kyokos Herz schlug sofort bis zum Halse hinauf. Schmerzhaft.

Wer hätte gedacht dass jemand wie Er so leidenschaftlich verliebt sein könnte? Er klang so verzweifelt. Sah so verletzlich, nein, verletzt aus. Wenn sie an der Eroberer der Nacht dachte, konnte sie ganz gut nachvollziehen, was er mit mangelnder Behutsamkeit meinte. Und dieses Mädchen… Ein Wall? Einsam? Irgendwie erinnerte das fast schon an sie selbst. <Mmh…!?> Hatte er etwa Recht? War sie einsam? Schottete sie sich ab?

„Lass mich erst darüber nachdenken, okay?“ Verwirrt erhob sich der Gockel und wollte gehen. In Kyokos Schädel drehte sich alles. Dauernd dachte sie an die Zeit in Isamus Gewalt. <Niemand hört dich hier schreien. Niemand wird dich vermissen, oder wird kommen um dich zu retten. Du bist ganz allen>

„Warte!“ Rief da ihr gescheiterter Retter.

„Hmmmm?“

„Eine Sache noch.“

„Ja?“

„Ähm, ich meine... Ihr Name! Du hast mich nach ihrem Namen gefragt…“

Reden ist Silber…

Hallo Leute! Na habe ich mich nicht wirklich beeilt mit dem nächsten Kapitel? Bin schon gespannt, ob es euch gefällt. Jetzt geht es langsam richtig los, hohoho...

Viel Spaß beim Lesen

Gabriel
 

Reden ist Silber…
 

Er setzte sich nur hin, um sofort wieder aufzuspringen und mit für die begrenzen Ausmaße des engen Seitenflurs deutlich überhöhter Geschwindigkeit hin und herzulaufen. <Mann!> Bou beobachtete ihn kopfschwenkend und konnte sich keinen Reim auf dieses sonderbare Verhalten machen. Was war denn los? Fiel es ihm auf einmal doch so schwer den Namen seiner Geliebten preiszugeben?

Sie zog es vor abzuwarten. Eigentlich wollte sie gar nicht so unbedingt wissen, in WEN ihr Sempai verliebt war - Viel zu riskant. Das würde höchstens Probleme geben und davon hatte sie sicherlich schon genug! Kyoko kämpfte gegen heftiger werdende Fluchtinstinkte an. Zusammen mit einem derart aufgewühlten Ren Tsuruga kam ihr der Gang tatsächlich noch schmaler vor als sonst. <Vielleicht hat er’s sich ja anders überlegt?> dachte sie hoffnungsvoll.

Nein. Nach einer ziemlich in die Länge gezogenen Weile trat besagter Schauspieler schließlich mit unnatürlich erregter Miene an sie heran und begann händeringend und beinahe stockend zu sprechen: „Also… Ich weiß ja nicht, obs… ob du sie kennst… Kyoko. Sie… Ah-ach! Ich-ich glaube, ich muss los!“ Eilig drehte er sich um, bog links um die Ecke und verschwand.

<…!!???>

Kyoko brachte vor Überraschung kein Wort heraus und beschränkte sich in ihrer Reaktion zunächst auf eine Kombination aus Ins-Leere-Starren, Erröten und Entsetzt-Schweigen. Was sollte sie auch machen? Sicher würde sie sowieso gleich umklappen und an einem Herzinfarkt sterben. Sie wartete darauf - aber nichts geschah. Niederträchtig hielt sie Etwas in der Schwebe zwischen Leben und Tod fest, als wollte es sie zwingen, das Gehörte zu verarbeiten.

Hatte er Kyoko gesagt? Nicht ernsthaft! Oder? Hatte es nicht eher wie Miako geklungen, oder vielleicht auch Mikako? Sie hatte sich verhört, oder? ODER…!!? Hinterrücks beschlich sie ein wahrlich grauenhafter Gedanke: <M-möglicherweise hat er ja doch… Hat er etwa doch noch rausbekommen, dass ich…!!? O-oh Himmel! Bestimmt weiß er inzwischen, WER Bou ist und,… Oh, nein! Und will sich jetzt an mir rächen!? DA-…! Das muss es sein! HIAAAAHHH!!!!!! Was habe ich getan!!? Das - Er… Na - Na klar! Er will mich mit einem seiner Psychospielchen fertig machen bis die Zwangsjacke ruft!>

Taumelnd versuchte sich der arme Hahn an der Wand abzustützen. Vermutlich wäre Kyoko an dieser Stelle nun endgültig ohnmächtig geworden, wäre nicht gerade im selben Augenblick der besorgte Bandleader von Rock Bizarr um die Ecke gekommen.

„Mensch, Bou! Da bist du ja! Ein Glück. Wir dachten schon, die Sendung müsse ohne dich starten. Nur gut, dass bald Weihnachten ist, denn eins sag ich dir: DER REDAKTEUR TOBT!“

„Sorry, Vogelgrippeanfall.“ Murmelte das Mädchen und ließ sich widerstandslos mitschleifen.
 

Ren Tsuruga konnte es nicht fassen. Was hatte er sich nur dabei gedacht? In letzter Zeit schien sein Hirn vollkommen verrückt zu spielen! WIE konnte er einem HAHN anvertrauen, was er bis vor kurzem nicht einmal an sich selbst hatte ranlassen wollen? Nervös zog er mit seinen langen Beinen große Kreise in seinem geräumigen Aufenthaltsraum. Das war eine ausgemachte KATASTROPHE!!! Er musste unbedingt wissen wer in diesem dämlichen Gockelkostüm steckte. Nur wie?

„Sarawa…“

Zielsicher steuerte er auf das Büro des Abteilungsleiters für die Talent-Section zu. Wer sonst könnte für ein Maskottchen zuständig sein? Zur Not würde er anschließend noch in den anderen Bereichen nachforschen. IHM würde heute gewiss Keiner etwas vorenthalten wollen!
 

Däng. Däng. Däng. Lautes Klopfen. „Oh, nein!“ Sarawa ahnte bereits, dass dies nichts Gutes für ihn bedeuten konnte. Pünktlich zur stressigen Weichnachtssaison grassierte überall die Grippe und ständig bat irgendwer um Ersatz-Leute. Dabei waren nun schon seit zwei Tagen alle seine Ressourcen vollständig ausgeschöpft! Doch es sollte noch viel schlimmer kommen. „Was haben Sie eben gesagt, Sarawa-san?“ Es war niemand anders als Ren Tsuruga. Wie ungewöhnlich...

„Nur herein, hab ich gesagt Ren-kun; komm nur herein. Was gibt es denn so Dringendes, das du mich extra hier aufsuchst?“

„Wie soll ich’s sagen. Ich hab da so eine Bitte an dich.“

„Aha.“ Obwohl sonst stets höflich hörte sich der Mann im Bürostuhl nicht sonderlich begeistert an, was seinem Gegenüber selbstverständlich kaum entgehen konnte.

„Keine Sorge. Ich möchte nur eine kleine Info. Und zwar würde ich gerne den Namen von dem Hahn wissen, der mit dieser Rock-Gruppe dreht. Du weißt schon. Dieser Bou.“

„Wa…!!! Warum denn DAS!?“

„Ähm… Naja. Ich muss was überprüfen.“

Der Leiter der Talent-Section sah nicht gerade gut aus. Sein Gesicht wurde schlagartig bleich wie ein erschrockener Mozarella und die Augen traten etwas aus ihren Höhlen.

„D-das kann ich dir leider nicht sagen. Datenschutz.“ Presste er durch die schmalen, leicht bläulich angelaufenen Lippen hervor. „Tut mir leid.“

„Ach, komm schon.“ Ren, etwas verunsichert durch die äußerst verblüffende Reaktion auf seine Frage, musste einfach versuchen ihn zu überzeugen. „Es ist mir sehr wichtig.“

„Nein. Leider nix zu machen. Entschuldige mich jetzt bitte, ich habe noch eine Menge zu erledigen.“ Mit diesen Worten floh der Abteilungsleiter förmlich aus seinem Büro.

<Was ist denn in den gefahren?> Verwirrt kratzte sich der Stehengelassene am rechten Ohr und ließ seinen Blick wie zufällig über den Aktenschrank schweifen…
 

Und wie der Redakteur getobt hatte. Der wüste Ausbruch, die ganze Schimpfkanonade allerdings war in Kyokos Kopf kaum deutlicher als ein weißes Rauschen im Fernsehen angekommen.

Benommen trudelte sie durch die inzwischen wie leer gefegten Gänge des Senders und wäre beinahe am richtigen Flur vorbeigelaufen. Das Studio wurde heute Abend nicht mehr gebraucht und man hatte sich beeilt schnell nachhause zu kommen, um die vorweihnachtliche Zeit mit seinen Liebsten zu genießen.

Die Stille um sie herum war unheimlich und bedrückend. Das sonst von Menschen durchströmte Gebäude lag tot, wie ein riesiger ausgebluteter Körper da und überall warfen scharfkantige Schatten ihre grotesken Bilder hin.

Ein Blick aus dem Fenster zeigte, dass es bereits tiefe Nacht war. Kyoko schauderte ein bisschen. Ihre Schritte hallten laut von den Wänden wieder und ihr Puls ging ungewöhnlich schnell. Sie hob ein Kaugummipapier vom Boden auf und nuschelte leise „Der Letzte räumt die Erde auf.“ Der Satz gefiel ihr. Zweideutig. Knallharte Einsamkeit.

Plötzlich hielt sie inne. Die Tür ihrer Garderobe stand einige Zentimeter weit auf.

Hatte sie nicht abgeschossen? Doch. Sie war sich ganz sicher! In ihrem Kopf begannen die Gedanken zu rasen. Drinnen war kein Licht angeschaltet. Unschlüssig blieb Kyoko stehen und lauschte. Ihr Herz schlug jetzt so laut, dass sie glaubte nichts anderes mehr hören zu können. Hatte sie etwa Angst? War das nicht albern? Immerhin war sie doch kein kleines Kind mehr, das sich allein im Dunklen fürchtet und Gespenster sieht!

Dennoch. Ihr Instinkt warnte sie eindringlich davor, jetzt dort hineinzugehen. Zu dumm! So leise und so rasch wie möglich machte die junge Schauspielerin kehrt und zog dabei den Hahnenkopf ab. Sie atmete schwer wie ein Marathonläufer auf den letzten 10 Metern der Rennstrecke. Mist. Wo blieb nur dieser bescheuerte Fahrstuhl? Immer wieder drehte sich ihr Kopf nach hinten. Wie im Fieber schwitzte sie und zitterte gleichzeitig am ganzen Körper. <Ich bin echt nicht mehr ganz normal, glaub ich.> Endlich öffnete sich die mechanische Schiebetür und beinahe hätte das Mädchen laut aufgeschrieen. Es war Mr. Kit Warringer, der ihr aus dem Lift heraus entgegentrat. Seine stets ernst zusammengezogenen Braunen wanderten beim Anblick des Halbhahns leicht nach oben und die moosgrünen Augen bedachten sie mit einem forschenden Blick, welcher allerdings keinerlei Belustigung verriet. „Alles in Ordnung mit Ihnen, Mogami-san?“ Sein perfektes Japanisch irritierte das Mädchen wie schon bei ihrem letzten Zusammentreffen mit dem Fremden. Sie zögerte. Was sollte sie ihm sagen? „Ich… Es ist nur… Ich glaube da ist jemand in meiner Garderobe! Als ich weggegangen bin, hab ich sie abgeschlossen und nun - Nun war sie plötzlich… offen.“ Verlegen schlug sie die Augen nieder. Die gesamte Situation war doch wirklich ausgenommen blöd!

„Dann sollten wir wohl besser mal zusammen nachsehen.“ Mit diesen Worten ging der Engländer umstandslos voraus und Kyoko folgte ihm mit durchaus gemischten Gefühlen. Einerseits war es beruhigend jemanden bei sich zu haben, andererseits wusste sie nicht, ob es überhaupt einen Grund gab „gemeinsam nachzusehen“.

„Hier ist es.“ Verstört legte sie ihre Hand auf die Stirn.

„Sind sie sicher, dass es hier ist?“

Zumindest klang Warringer nicht wütend.

„Ja, genau hier.“ Erwiderte Kyoko kleinlaut beim Anblick der verschlossenen Tür. Wie war das möglich? Hatte sie sich getäuscht? Oder im Flur geirrt? Eigentlich erschien ihr das unwahrscheinlich; wenn sie mal davon ausging nicht verrückt zu sein.

„Wollen Sie nicht nachsehen, ob drinnen alles in Ordnung ist?“ Fragte die tiefe Stimme Warringers schließlich wieder ohne eine Spur von Ärger, Ungeduld oder einer sonstigen Emotion. Mit stummem Nicken schloss Kyoko auf und beide inspizierten den kleinen Raum. Natürlich hielt sich niemand darin versteckt. „Kein Ungeheuer im Schrank also.“ Stammelte die Schwarzhaarige und bemühte sich krampfhaft um ein Lächeln.

Ihr männlicher Beistand zuckte lediglich mit den Schultern. „Besser, man ist vorsichtig. Ich würde dann gehen, wenn das in Ordnung ist? Ich habe nämlich noch ein paar Sachen für Takarada-san, der irgendwo hier sein muss.“

„Hier? Wie kommen Sie darauf das er hier sein könnte?“ Kyoko stutzte.

„Oh. Dann hat er Sie wohl noch nicht gefunden? Man hat mir gesagt, er wolle mit Ihnen reden und dass Sie hier beschäftigt wären.“

„Eh? Wirklich?“

Abermals nur ein lapidares Schulterzucken als Antwort. „Ich werde es dann wohl lieber noch mal in seinem Büro versuchen, okay?“ Sagte er noch und ließ die Prinzessin ungerettet damit stehen.

„Ja, klar. Kein Problem!“ Grummelte diese ihm mäßig beleidigt hinterher.

<Merkwürdiger Typ. Und so gesprächig!>

Um nicht mehr allzu lange allein in dem schon wieder etwas beunruhigenden Gebäudeteil sein zu müssen, sammelte die Schauspielerin hastig ihre Sachen zusammen und wurde dabei das unbehagliche Gefühl nicht los, dass Etwas fehlte.

„Aber was?“ Darauf fand sie leider keine Antwort.

Wissen ist macht und Nichtwissen macht nichts?

Düster starrte Kyoko in die kleine Lichtschnuppe, welche munter auf der Adventskerze tanzte, die sie soeben angezündet hatte. Leider verbesserte das warme, unruhig auf und ab züngelnde Licht ihre Stimmung keineswegs so, wie man hätte hoffen können.

Irgendwie lief in letzter Zeit doch einfach alles schief, nicht wahr?

Dass sie den Namen von Rens Geliebter nicht richtig verstanden hatte - obwohl sie den natürlich ganz und gar nicht wirklich wissen wollte - war einfach zu ärgerlich. Und überhaupt! Mit der Entscheidung bezüglich England fühlte sie sich momentan ernsthaft überfordert, Isamu und Junji konnte sie ebenfalls nicht mehr unter die Augen treten solange sie ihr Versprechen nicht erfüllen würde und ihr Sempai? Den wollte sie nun mal erst recht NIE WIEDER sehen, nachdem er vermutlich längst wusste, dass SIE der „Gockel seines Vertrauens“ gewesen war!!!

Sicher würde er ab sofort kein freiwilliges Wort mehr mit ihr oder sonst einem Maskottchen wechseln wollen, und… Oh, nein! Bestimmt wäre es jetzt am heilsamsten, so schnell wie möglich die Staatsangehörigkeit zu wechseln um seiner Wut eventuell noch zu entkommen!?> Sie sprang auf, plumpste aber gleich wieder zurück in ihren Stuhl und hämmerte absichtlich mit dem Kopf gegen die Schreibtischplatte.

In Wahrheit gab es da ja leider noch eine weitere, weitaus schlimmere Sache, die sie zwar bisher immer wieder erfolgreich hatte verdrängen können, die aber… - kurzum: Bald würde WEIHNACHTEN sein!

Unglücklich wand sich die junge Schauspielerin in der Zwickmühle ihrer Gedanken. Eigentlich legte sie wenig Wert auf solche Feierlichkeiten, jedoch würden ihre Gasteltern zu Verwandten fahren und den ganzen Abend allein zu verbringen? Das schien ihr wirklich nicht so sonderlich erbaulich…

Gerade als tiefe Wehmut drohte die junge Frau zu überschwemmen, hörte sie ein Klopfen. Der klare harte Laut holte sie sofort zurück in die Gegenwart. „Ja?“

Die Tür schwang augenblicklich auf.

„DU!!?“
 

Bisher glaubte Ren Tsuruga, genau zu wissen, was Verzweiflung sei. Er hatte sich jedoch geirrt. Das blanke Entsetzen, welches mit seiner neuesten Entdeckung einherging, übertraf locker Alles bisher da Gewesene! Ein Schock vergleichbar höchstens mit der bittersüßen Erkenntnis, zu der jemand gelangen musste, wenn ihm nach seiner OP plötzlich klar wird, dass er bei der Anmeldung die Wörter Lumbalpunktion und Kastration verwechselt hat…

Und so wusste der populärste Schauspieler Japans sich zunächst auch keinen anderen Rat, als erst einmal so gefasst wie irgend machbar in seine Wohnung zu flüchten. Nur dummerweise vergaß er dabei einen Interviewtermin, fuhr wegen nervöser Zuckungen den linken Seitenspiegel seines Sportwagens ab und irrte sich unterwegs doch tatsächlich zweimal in dem Weg, den er seit vier Jahren beinahe täglich zu benutzen pflegte!
 

Gerade parkte ein einohrig immer noch sehr nobel wirkender Schlitten wie durch ein Wunder auf dem für ihn bestimmen Platz einer Tiefgarage, ohne dass sein Fahrer auch nur im Geringsten in der Lage gewesen wäre, sich zu entsinnen, wie er dies wohl zustande gebracht haben könnte. Einige Sekunden verharrte dieser nämlich reglos hinterm Steuer und wunderte sich; sprang schließlich aber doch mit ungewöhnlicher Hektik auf und verschwand kurz danach ins Haus.

Im Flur ging automatisch das Licht an. Dennoch, erst nach mehreren Anläufen traf sein Schlüssel endlich das Ziel und der große Mann schmiss unwirsch die Tür zu seinem Apartment auf, welche ob dieser ungewohnten Behandlung vorwurfsvoll ächzte.

Er preschte direkt in das geräumige Wohnzimmer und ließ dort seine Tasche mit vernehmlichem Knall zu Boden fallen, um sofort nahtlos zu ausgedehnten Wanderungen um das Sofa überzugehen. In seinem Kopf herrschte wildes Durcheinander und die Hormone hatten längst den Ausnahmezustand über seinen Körper verhängt. Angestrengt versuchte er, wenigstens Einen klaren Gedanken aus dem ganzen Tumult, der unlängst zwischen seinen Ohren ausgebrochen war, herauszudestillieren. Aber es wollte nicht recht gelingen. Wie auch? Sein Befinden bewegte sich momentan zwischen hochgradiger Alarmierung und kompletter Orientierungslosigkeit, sodass selbst exzessives Haare-Raufen keine Linderung brachte.

<Verdammt!> In einem Ausbruch ungerichteter überschäumender Wut schmiss er einige Kissen an die Wände und brachte dabei mit einem einzigen gezielten Wurf sogar sämtliche Flaschen der Bar zur Strecke. Das Splittern und Spritzen sowie der aufsteigende Alkoholgeruch schienen ihm irgendwie eine gewisse Befriedigung zu verleihen. Schon wieder etwas ruhiger atmend blieb er stehen, verfolgte das Schauspiel eine Weile, drehte sich dann jedoch abrupt um und rannte - einem unvermittelten Impuls folgend - ins Bad, wo er voll bekleidet unter die Dusche stürzte und ungehemmt fluchend den Kaltwasserhahn bis zur Neige aufdrehte.

Scheiße, war das KALT!

Sich mit beiden Händen an der Wand der Duschkabine abstützend, ließ Ren den eisigen Schauer niederprasseln, bis er sich vollkommen ausgekühlt fühlte.

Erst dann watete er langsam, wie traumatisiert, aus dem Badezimmer, streifte im Flur seine ruinierten Lederschuhe ab und sank endgültig erschöpft auf einen der schönen Designerstühle im Wohnzimmer.

Dort legte er nun müde den Kopf in die Hände, während das Wasser, welches ihm aus Haaren und Kleidern tropfte, einen kleinen See auf dem spiegelglänzenden Parkettboden zu seinen Füßen bildete.

<Ich bin so blöd.> Wäre ihm nicht zum Weinen zumute gewesen, er hätte wahrscheinlich über die verqueren Zusammenhänge gelacht:

1. Er hatte die Kyoko seiner Kindertage wieder getroffen. - Ein unmöglicher Zufall!

2. Er verliebte sich in sie. - Ein mindestens ebenso unmöglicher Vorfall, angesichts der Tatsache, dass er eigentlich vorhatte sie zu verachten!

3. Er ließ sich von ihr selbst, während sie in einem Hahnenkostüm steckte, überhaupt erst auf seine Gefühle stoßen und gestand ihr diese dann versehentlich auch noch. – Ein absolut unvorstellbar unmöglicher Unglücksfall!!! Zumal das Mädchen doch mit Sicherheit unabsichtlich in diese ganze Geschichte hinein geraten sein musste!? - Tja! Und nun? War Sie wahrscheinlich damit beschäftigt Ausreisepapiere für Timbuktu oder sonst wo weit, weit weg zu bekommen! HÖLLE nochmal, sie wusste jetzt, dass er… Sie wusste es jetzt!!

Stöhnend ließ sich der Zwanzigjährige in die Lehne fallen und nach unten sacken. Egal, wie er die Fakten auch zu drehen oder wenden versuchte, nirgends eröffnete sich ihm ein Ausweg. Es gab offenbar kein Entkommen aus dieser Geschichte!? Dann hatte es ihn in der Tat eiskalt erwischt…
 

„KYOKO!!! Hallo? Irgendwer zuhause?“ Mit brutaler Energie schüttelte Kanae Kotonami soeben ihre Love-me-Kollegin durch.

„Muss ich vielleicht irgendwo eine Münze nachwerfen, oder was ist los?“

Erschrockene Passanten beäugten argwöhnisch die zwei beunruhigenden Gestalten, die in ätzpinken Overalls und mitten auf einer belebten Einkaufsstraße ihre Probleme klärten. Das eine Mädchen stand steif wie eine Wachsfigur und starrte nach vorn, während ihr diabolischer Zwilling keifend um sie herum sprang und versuchte, eine Reaktion aus ihr herauszulocken. „MOGA-…!“

Endlich löste sich die etwas Kleinere aus ihrer Starre und blickte ihre aufgebrachte Freundin unsicher an.

„Oh! Äh… Entschuldige, Miss Menno ich… war gerade nicht ganz bei der Sach…“

„NICHT GANZ BEI DER SACHE!?? Sag mal, willst du mich…? Das war jetzt schon das DRITTE MAL, dass du einfach stehen bleibst und total weggetreten bist! Also WAS bitte soll das? Rück endlich raus mit der Sprache, oder wir sind geschiedene Leute!“

„NEEEEIN! Miss Menno, bitte! Ich - ich dachte bloß da hinten wäre…“

„Da hinten wäre was?“ ergänzte Kanae mit stark verschmälerten Augen als ihr anscheinend vollkommen verrückt gewordenes Gegenüber plötzlich wieder abbrach.

„Tsu-tsu…“ Es war kaum mehr ein Flüstern, was da über den rosa Kragen kam.

„Tsu-tsu? Was soll das denn heißen?“

„Nein… Ich – ähm - meine… Du-weißt-schon-wen… Tsu-tsuruga-san.“

„Tsuruga-san? Etwa Ren Tsuruga, der Schauspieler?“ Erstaunt überprüfte das Mädchen die nähere Umgebung, ohne allerdings auch nur das geringste Anzeichen für die Anwesenheit der berühmten Person zu entdecken.

„Ich glaube langsam spinnst du echt. Der ist nicht hier und wieso sollte er auch? Auf jeden Fall ist das doch kein Grund so auszurasten, oder hat er dich etwa wieder in der Mangel?“

„N-nein. Nicht direkt.“

„Und indirekt? Du schaust drein wie ein geprügelter Hund. Wolltest du etwa deshalb nicht mit zur Arbeit kommen? Obwohl ich dich extra abgeholt habe!“

„Miss Menno…!“ Zu beiderseitigem Entsetzen schossen Kyoko nun die Tränen in die Augen.

„Hey! Sch-…schon gut. Ich bin ja gar nicht mehr böse. Reg dich ab und erzähl mir lieber, was passiert ist.“
 

„Der gewünschte Gesprächspartner ist zur Zeit leider nicht zu erreichen. The person you are calling is…“

„Das gibt es doch gar nicht! Ren!?“ Im Vorraum eines gerade im Aufbau befindlichen Studios konnte es Yashiro einfach nicht fassen: Zum ersten Mal seit er ihn kannte, ging sein Schützling weder ans Handy, noch ans Telefon und hatte außerdem nicht die geringste Andeutung hinterlassen, wo er sich im Moment befand. Ein Interviewtermin war schon im Eimer und die jetzige Live-Sendung stand nun anscheinend auch noch auf der Kippe.

<Was mach ich bloß, wenn er nicht kommt? Was sag ich denen dann?> Bisher hatte er immer über die Kollegen geschmunzelt, die ständig auf der Suche nach ihren ‚Zu Betreuenden’ waren…

<Keine Panik. Womöglich wartet er irgendwo ganz in der Nähe und nur sein Akku ist leer!> Mit diesem rettenden Gedanken machte sich der verwirrte Manager eilig auf den Weg zur Eingangshalle.

Ren fand er dort nicht. Aber zu seiner Erleichterung standen stattdessen in einiger Entfernung die zwei Love-me-Praktikantinnen, welche in nachdenkliches Schweigen vertieft Weihnachtsschmuck verteilten.
 

„Kyoko?“

„Mmh?“

„Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, sind wir frühestens nächstes Jahr zu Ostern fertig. Ich meine, dein Ren wird schon …nicht…“ Kanaes Stimme versickerte im typischen Hintergrundgemurmel der Agentur.

„Was hast du gesagt?“ Die Angesprochene wandte sich interessiert zu ihrer Freundin um und folgte unwillkürlich deren Blick zum Einlass. Dort aber war zum maßlosen Entsetzen der Ärmsten, nun tatsächlich jene hohe schlanke Gestalt aufgetaucht, welche sie schon die ganze Zeit über in jeder Ecke zu sehen geglaubt hatte! Sie standen keine 10 Meter auseinander und das Erscheinen des jeweils anderen traf Beide derart plötzlich, dass ein Blickkontakt unmöglich noch vermieden werden konnte.

„!!!“

Während Ren in einer Art Schreckreflex gleich mehrere Schritte zurückstolperte und dabei auch noch ziemlich rote Ohren bekam, kristallisierte sein Gegenüber schlagartig wieder zur Salzsäule aus.

„Ha-…hallo…“ Der Schauspieler fing sich als erster und grüßte mit heiserer Stimme. Das Mädchen vor ihm, hatte offensichtlich noch mehr Angst als erwartet. Wusste sie etwa, dass er wusste, dass sie wusste…?

Die Frage erübrigte sich, als sie jäh in eine tränenreiche, schwer verständliche Entschuldigungskaskade ausbrach. „Es tut mir sooooo leid! Ich wollte sie nicht hintergehen, oder austricksen oder….ich weiß nicht mehr… I-ich dachte nur, dass ich vielleicht wieder helfen… Bitte! Vergeben Sie mir! Ich werd’s garantiert niemandem sagen, ich hab den Namen den sie mir gesagt haben, ja nicht einmal richtig verstanden….

Der flehende Singsang ging noch eine ganze Weile so weiter und erregte unumgänglicher Weise heftige Anteilnahme unter den Vorbeigehenden. Nur Ren selbst hörte längst nicht mehr zu. Ein unbeschreiblicher Zorn erstickte jeden anderen Gedankengang: <Sie weiß gar nicht, wen du liebst und es ist ihr auch vollkommen gleichgültig!>

Erst einige Zeit später fiel ihm deshalb auf, dass die kleine Kouhai zu seinen Füßen fertig war und ihn mit ängstlich erwartungsvollen Blicken bedachte.
 

„Du bist wirklich eine Schauspielerin, nicht wahr?“
 

Er konnte die Bitterkeit in seinen Worten nicht unterdrücken oder sein Gesicht zu einem entspannteren Ausdruck zwingen. Eigentlich wollte er ihr nicht wehtun, aber der Schmerz in seinem Inneren ließ für den Augenblick alles andere in den Hintergrund treten.

Um ihre Reaktion nicht mitansehen zu müssen konzentrierte Ren seine Aufmerksamkeit schnell auf einen riesigen, fetten Plastikweihnachtsmann, der vom Zentrum der Halle aus schadenfroh auf die klägliche Szene herabgrinste. Neben ihm sog Kanae scharf Luft ein, angesichts einer Kyoko die sich gerade der Farbe des überall versprühten Kunstschnees anglich und beim Aufstehen gefährlich schwankte.

Die Hände in den Stoff ihrer Hose gekrallt, stierte die verschüchterte Sechzehnjährige ebenfalls an ihrem Sempai vorbei ins Leere. Nicht nur das Gesicht, nein ihr ganzer Körper schien plötzlich vollkommen blutleer zu sein und eine abscheuliche Kälte bereitete sich unter ihrer Haut aus. <Er hasst mich… Was ich getan habe ist unverzeihlich und…>

„Hey Kyoko-chan!“ Rief da ein betont gutgelaunter Yashiro und verwirrte das Dreiergrüppchen durch sein überraschendes Auftauchen. „Gut siehst du aus!“

Keiner reagierte auf diese ziemlich erbärmliche Lüge, denn die Ähnlichkeit der Schwarzhaarigen mit einer Leiche kurz vor der Obduktion war in der Tat frappierend…!

„Nanu? Ist irgendwas nicht in Ordnung?“ Fragte der Manager schließlich irritiert, weil ihn anscheinend niemand beachtete und sah daraufhin mehr als baff seinem Schützling nach, der nach den schlichten Worten „Gehen wir.“ just davon spazierte! „EH? Ren…?“

Mit hilfloser Geste in Richtung der pink Uniformierten eilte er ihm nach, wurde aber auf halbem Weg von Kyoko angerempelt, die an ihm vorbeistürmte und sich von hinten an Rens Jacke festhielt. „Bitte! Bitte, bitte…“ Wehklagte sie, sobald der Schauspieler zum Stehen kam.

Ren versuchte das Kribbeln, welches ihre Berührung auslöste zu ignorieren, aber dadurch wurde es nur schlimmer. Er presste seine rechte Hand vors Gesicht und wusste sofort, dass die Chancen heute noch einen einigermaßen kühlen Kopf zu bekommen jenseits aller Wahrscheinlichkeit lagen. Unmöglich jetzt etwas zu sagen oder eine Entscheidung zu treffen! So Vieles lag gerade im Argen, dass er längst den Überblick über seine Empfindungen verloren hatte.

„Werden Sie belästigt?“ Einige Sicherheitsmänner hatten das Spektakel mitverfolgt und kamen um dem Star ihre Dienste zur Verfügung zu stellen. Dieser unterdrückte den Instinkt, die traurig zitternde Person hinter sich in den Arm zu nehmen und zu beschützen.
 

„Ja, aber ich denke das klärt sich von selbst. Danke.“
 

Er war sich seiner Aussage nicht einmal halb bewusst. Diese grausamen Worte… Eine vertraute und dennoch vollkommen fremde Stimme hatte sie aus seinem Mund gesprochen!

Erschrocken presste der Schauspieler die Hand auf den Mund. Eine Gänsehaut lief ihm beim Gedanken an seine eigene Lüge den Rücken hinunter! Yashiros erschütterte Miene brannte sich in sein Gedächtnis, aber entschuldigen konnte er sich nun nicht mehr. Das verhinderte allein schon der steinharte Klumpen, der in seinem Hals auf Dachziegelgröße anschwoll.

Langsam ließ Kyoko ihn los. Seine Gänsehaut war inzwischen zwar unten angekommen, doch handelte es sich um eine so schreckliche Ausgabe von Gänsehaut, dass sie im Gegensatz zu allen anderen Gänsehäuten den Rücken auch wieder hinauflaufen konnte, um auf seinem Kopf herumzutanzen und sich anschließend wasserfallartig wieder die Wirbelsäule entlang zu Boden zu stürzen.

Nach einem Moment völliger Schaltpause, hörte er schnelle Schritte. Jemand rannte! „KYOKO!“ Von jäher Panik ergriffen wirbelte er herum.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (131)
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11...14]
/ 14

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  angel060689
2011-10-29T20:29:28+00:00 29.10.2011 22:29
ich hoffe sehr ren bereut seine voreiligen worte.
geht kyoko jetzt nach england und dreht dort einen film, wird weltberühmt, kehrt nach japan zurück und ren muss versuchen sich irgendwie wieder mit ihr zu versönen?
das wäre mega toll.
schreib bitte weiter.
mlg
angel060689
ps:wenn du weiter schreibst, würdest du mir ne ens schicken?
Von: abgemeldet
2009-07-30T04:32:14+00:00 30.07.2009 06:32
Bitte schreib weitheeeer D: *tränen in den Augen und kurz vorm riiiiiiesen Heukfkash*
Von:  Kuon-kun
2009-02-15T17:32:16+00:00 15.02.2009 18:32
Huhu *wink*
Im Zuge meines seltsamerweise wieder extrem ausbrechenden SB Wahns habe ich deine FF nomal gelesen. ^^ Und sag mal... schreibst du bald weiter? *riesige, wirklich überdimensionierte feuchte Dackelaugen mach* Ich würde mich wirlich riesig freuen!

Gott, ich habe so gelacht bei deiner FF *gg* So sehr, das ich hier sogar Zitate aufführen werde, die es mir besonders angetan haben. *gg* Wirklich ein hervorragender Abend für meine Bauchmuskulatur *gg*
(Wobei ich mich mit den Zitatn auf Kap 20 beschränke, ich Idiot bin leider nit vorher auf die Idee gekommen mir die prägnanten Stellen einfach mal rasch in Word zu kopieren... -.-)

Also da wäre beispielsweise das hier:
"Ein Schock vergleichbar höchstens mit der bittersüßen Erkenntnis, zu der jemand gelangen musste, wenn ihm nach seiner OP plötzlich klar wird, dass er bei der Anmeldung die Wörter Lumbalpunktion und Kastration verwechselt hat… "
Ich habe mich soooooo auf dem Boden gekugelt, ich konnte nicht mehr! Dann noch der Rest des Absatzes, ich hatte echt Probleme überhaupt weiter zu lesen, und konnte mich nur sehr mühselig wieder einkriegen. *gg*

Oder auch das hier:
"Keiner reagierte auf diese ziemlich erbärmliche Lüge, denn die Ähnlichkeit der Schwarzhaarigen mit einer Leiche kurz vor der Obduktion war in der Tat frappierend…!"
Zum Wegschmeißen, aber echt *gg* Da kann man gar nicht anders als zu lachen, wenn man alles bildlich vor sich sieht, einfach absolut genial!

Also zum einen, weil deine FF mir echt spaß gemacht hat, und zum anderen, weil der Cliffhanger am Ende von diesem Kapitel absolut mörderisch ist, würde ich mich wirklcih riesig darüber freuen, wenn du bald wieder was online stellen würdest! :)
Irgendwie war 2008 ja eh nicht das Autorenjahr, jede Menge Leute haben pausiert (ich eingeschlossen), aber mit 2009 können wirs doch eigentlich wieder versuchen, oder? ;)

liebe Grüße
Kuon (ehemals Miyuu^^)
Von: abgemeldet
2008-08-13T23:21:34+00:00 14.08.2008 01:21
Juhu!Hab mir grad deine FF durchgelesen.Genial.Bitte schreib schnell weiter.
KLOSI

Von: abgemeldet
2008-03-20T08:30:28+00:00 20.03.2008 09:30
Omg, GENIAL!

Aber Rens Beweggründe sind sehr gutverständlich, irgendwann kann man halt nicht mehr anders...

Auf jeden Fall weiter so!

*knuff*
Von: abgemeldet
2008-03-20T08:20:56+00:00 20.03.2008 09:20
Tolles Chap! Du hast dieses ständige Unwohl-sein klasse beschrieben, man wird selbst beim lesen etwas paranoid ^^

*weiter hüpft*
Von: abgemeldet
2008-03-20T08:15:03+00:00 20.03.2008 09:15
Omg!! Was für ein geniales Kapitel!
Meine Güte, der Mann ist 20 und fragt wie er das rückgängig machen kann XD
Süß! Gewaltig süß! OmG, das wird jetzt spannend *gleich weiter hüpft*
Von: abgemeldet
2008-03-20T08:06:51+00:00 20.03.2008 09:06
Wow, tolles Chap.
Philosophisch, irgendwie, aber unglaublich interessant!

*zum nächsten Chap hüpft*
Von:  Metal_Angel
2008-03-12T15:04:57+00:00 12.03.2008 16:04
meine fresse...ich hab mir deine ff grad erst komplett durchgelesen und
erstens: ich bin begeistert!
und zweitens:manchmal hab ich mich echt kaputtgelacht, da hat nur ein satz gereicht und schon: lachkrampf!

zum letzten kap!
ren ist der größte idiot den es gibt! meine güte ne! erst ist er sauer auf sich selbst, dass er bou den namen gegeben hat und raus gefunden das er quasi kyoko ein liebesgeständnis gemacht hat! und dann sagt er so was! er sollte dich erleichtert sein! der typ weiß echt net was er will!

mach unbedingt weiter! freu mich jetzt schon!
LG sista

Von:  Riafya
2007-12-22T15:40:29+00:00 22.12.2007 16:40
Ich muss sagen, zwischendurch hätte ich fast gelacht. Das Kap war zwar total traurig und alles, aber trotzdem...
Aber Ren ist manchmal wirklich... typisch Mann *mit dem Kopf schüttel*
Andererseits kann ich ihn auch verstehen...

ABER warum habe ich nur das komische gefühl, dass gleich etwas geschehen wird, das mir nicht gefallen wird? Ach ja, ich bin ja richtig schwarzseherisch. Das hatte ich schon fast vergessen...
Nun denn, ich bin schon richtig gespannt, wie's weiter geht.
Fröhliche Weihnachten!!!!


Zurück