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Kurz und Schmerzlos

Kurzgeschichten von Eirien
von

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Echt Menschlich

Der Prototyp des REMG² 4.6(Roboter mit Echten Menschlichen Gefühlen und Gedanken, neueste Version) stand in der Mitte eines kleinen Raumes. Eine Wand dieses Raumes war verglast, sonst gab es nichts, was den Blick von dem kleinen Roboter abgelenkt hätte.

Einige Männer in weißen Kitteln sahen ihn durch die Scheibe an.

»Ich starte jetzt das Experiment«, sagte einer, der vor einem Pult mit vielen Tasten und Knöpfen saß. Er gab einige Befehle in den Computer ein, woraufhin an dem kleinen Roboter Lämpchen aufleuchteten.

»Neutraler Zustand.« stellte der Mann im Kittel fest, verbesserte sich aber schon nach einigen Sekunden: »Verwirrung.«

Einige Lämpchen am Roboter blinkten. Sein Kameraauge stellte sich auf die Umgebung ein, schwenkte hierhin und dorthin, einmal rundherum.

»Die Verwirrung nimmt zu. Er reagiert mit erhöhter Denktätigkeit.« Die anderen Männer hinter dem Sprecher nickten nur. Die kleine Maschine im Raum hinter der Scheibe fuhr auf ihren Rädern unsicher ein paar Zentimeter nach vorne und rechts, dann wieder zurück.

»Angst.« Seit Beginn des Experiments waren 45 Sekunden vergangen.

»Jetzt beginnt die Erkenntnisphase.« Bei den Männern in den Kitteln wurde eine gewisse Anspannung spürbar, ihre Blicke wanderten immer zwischen dem Versuchsobjekt und der Zeitanzeige auf dem Computerbildschirm hin und her. Die Kontrollampen am Prototypen leuchteten rot auf, ebenso diverse Anzeigen auf dem Monitor.

»Verzweiflung«, sagte der Mann im Kittel. Der kleine Roboter hob seinen kleinen Roboterarm und kappte sein eigenes Hauptstromkabel. Die Männer hinter der Scheibe entspannten sich.

»Vom Start bis zum Suizid in zweiundsechzig Sekunden – das ist fast doppelt so lange wie der letzte Prototyp es ausgehalten hat!« Die Männer klopften dem Mann am Pult anerkennend auf die Schulter und gratulierten ihm zu diesem Ergebnis. Der Blick des Beglückwünschten glitt triumphierend über andere Kollegen vor kleinen Glaskammern, in denen Roboter gegen die Wände krachten, sich selbst entzündeten oder einfach explodierten.

»Manchmal denke ich, wir würden wesentlich schneller vorankommen, wenn wir den kleinen Mistdingern die Selbstmord-option ausschalten könnten«, sagte dann einer.

»Sei doch nicht dumm, Mann. Das wäre einfach unmenschlich.«

Die Maschine

Jahrtausendelang hatte sich die Menschheit nur in kleinen Schritten weiterentwickelt, seit endlosen Zeiten hatten Söhne ihre Felder mit den Pflügen ihrer Urgroßväter bestellt, Mütter den Kindern jahrhundertealte Geschichten erzählt.

Doch nun gab es neue, bessere Geschichten. Pflüge gehörten der Vergangenheit an. Der Fortschritt war da!

Er kam mit Glut, mit Eisen und Dampf, mit Elektrizität und immer mehr neuen Ideen. Maschinen wurden gebaut, die größer als ein Elefant und stärker als jedes lebende Wesen waren. Die Ideen brachten immer mehr und immer neue Ideen hervor, aus denen wiederum bessere Maschinen wurden.

Es grenzte schon beinahe an Magie.

Und dann meldeten die Zeitungen, dass es Wissenschaftlern gelungen war, die Große Maschine, die früher oder später einfach alles tun könne, zu bauen. Sie war so hoch wie ein Haus, einige ihrer Bauteile waren Rohre so dick wie Baustämme, aber es gab auch Zahnrädchen so klein wie die Augen von Mäusen.

Das erste, was die Maschine tat, war ein Selbstumbau. Sie verbesserte sich selbstständig, sie wurde so komplex, dass nicht einmal ihre Erbauer noch verstanden, wie sie funktionierte. Anfangs brauchte sie noch menschliche Hilfe, um neue Bauteile für sich herzustellen und heranzuschaffen, später konnte sie dies alles allein oder sie verlagerte Teile von sich an die Orte, an denen es die benötigten Rohstoffe und Industrien gab.

Bald erfand sie Mittel, um die Landwirtschaft zu intensivieren, sodass kein Mensch in dem ganzen Erdteil mehr hungern brauchte.

Und sie fand Impfungen gegen bisher tödliche Krankheiten.

Und neue Wege, Energie zu gewinnen, die sie wiederum auch für sich selbst verwenden konnte.

In der Öffentlichkeit wurden nun zweifelnde Stimmen laut, ob es wirklich richtig sei, dass die größten Erfindungen der Menschheit nicht mehr von der Menschheit gemacht wurden. Aber diese Zweifler wurden rasch zum Schweigen gebracht, denn die Maschine selbst war ja eine Erfindung der Menschheit.

Als nächstes wurde bekannt: die Maschine konnte Menschen herstellen! Richtige Menschen mit menschlicher Sprache und menschlichen Verhaltensweisen, ganz aus Metall und Kunststoff. Manch einer stellte erst nach Jahren fest, dass er einen solchen Maschinen-Menschen zum Nachbarn hatte, so groß war die Ähnlichkeit zwischen echten und künstlichen Leuten.

Die Menschen waren glücklich und merkten deshalb nicht, dass immer mehr Roboter ihre Plätze einnahmen. Oh, sie töteten keinen von ihnen, die Roboter, nur bekamen die Leute immer weniger Kinder, und die Maschine versuchte den Bevölkerungsschwund mit künstlichen Leuten auszugleichen.

Irgendwann lebten nur noch künstliche Menschen auf der Erde. Sie lebten wie die normalen Menschen, gingen zur Arbeit und kümmerten sich um den Haushalt, und sie bestellten die Felder, obwohl sie nicht aßen.

Die Maschine erfand weiter.

Sie machte größere und süßere Früchte, perfekte Kartoffeln und schneller wachsendes Getreide. Dann machte sie größere und bessere Lagerhallen, in denen die Früchte und die Kartoffeln und der Weizen und der Mais aufbewahrt wurden, denn niemand aß sie mehr.

Außerdem verbesserte sie die Möglichkeiten der Nachrichtenübermittlung, denn wie normale Menschen hatten die Maschinen-Menschen das Bedürfnis, mit einander zu reden. Und wie normale Menschen hatten sie bald auch das Bedürfnis, gegen einander zu kämpfen, und so baute die Maschine bessere Waffen.

Es gab kaum einen Grund, sich zu streiten, denn alle hatten ein wunderbares Leben, deshalb musste schon beim geringsten Anlass eine Kriegserklärung abgeschickt werden.

Und die Waffen wurden immer größer und schöner.

Und irgendwann erfand die Maschine die Vollkommene Waffe. Die Leute in den Straßen feierten und jubelten, als sie auf ein kleines Land geworfen wurde, das schon seit mehreren Wochen offiziell ihr Feind war.

Der gesamte Planet und die künstlichen Leute und die Maschine wurden in der Explosion zerstört. Es dauerte lange Zeit, bis sich das frei schwebende Material wieder zu einem einigermaßen festen Planeten verdichtet hatte. Es war eine unfruchtbare, lebensfeindliche Welt.

Das Ziel der Menschheit war erreicht.

Der größte aller Schätze

Der kleine Herr Crusty lebte in einem kleinen Haus irgendwo weit weg von hier. Sein Land war ganz flach, bis auf einen kleinen Hügel hinter seinem Haus.

Herr Crusty reiste sehr viel in diesem Land herum und nach vielen Jahren kannte er jeden Zentimeter in- und auswendig. Doch hinter den Hügel bei seinem Haus setzte er nie einen Fuß. Viele Leute kamen und fragten ihn, warum er sich nicht auch noch diesen Teil des Landes ansah, aber er schwieg und lächelte nur.

Manchmal kam ein junger Herr, ging hinter den Hügel und kam bald mit leerem Blick zurück. Aber wenn einer von ihnen dem kleinen Herrn Crusty berichten wollte, was er dort gesehen hatte, gebot dieser ihm zu schweigen und schickte ihn fort.

Nach vielen Jahren kehrte einer der jungen Herren zu Herrn Crusty zurück. Aber er war nicht mehr jung, nein, sein Gesicht war alt und faltig und in seinen Augen lag Verzweiflung. Herr Crusty hab ihn besorgt herein, aber er lehnte ab.

»Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Sie gut daran getan haben, nicht hinter den Hügel zu gehen.«

»Ich weiß«, nickte Herr Crusty.

»Sie wussten damals genauso viel wie ich, und doch waren Sie viel weiser.«

»Ich weiß«, sagte Herr Crusty.

»Sie leben in diesem kleinen Haus und haben sonst nichts, und doch sind Sie unendlich viel reicher als ich.«

»Ich weiß«, meinte Herr Crusty wieder, »denn ich besitze den Schatz der Vorstellungskraft. Wer alles weiß, braucht keine Fantasie mehr.«



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von: abgemeldet
2007-08-25T14:23:34+00:00 25.08.2007 16:23
also, dieses Kapitel ist echt genial O.o Dein Stil gefällt mir sehr gut. Du beschreibst sehr anschaulich, wie eine Welt entstehen könnte, in der es kein Arm und Reich und kein Elend mehr gibt, da die Menschen allmählich von Maschinen ersetzt werden, die genauso aussehen wie Menschen, aber eben auch typische Fehler haben wie das Verlangen, Kriege zu führen. Selbst eine perfekte Welt kann zerstört werden, da die Menschen nun einmal... nun ja, menschlich sind in ihren Gefühlen und Denkweisen... der Schluss ist auch sehr gut.
Also, Respekt, mach weiter so!^^
cucu,
deaths_orchid

Von: abgemeldet
2007-08-25T13:49:11+00:00 25.08.2007 15:49
Hi!^^
Hab mal bei deinen FFs geschaut und gesehen, dass du auch Kurzgeschichten geschrieben hast/schreibst. Und da ich die grade so gerne lese, dacht ich mir, ich nehm mir auch mal deine vor und schreib nen Kommentar dazu^^
Mir gefällt diese Geschichte sehr gut. Es gibt keine überflüssigen Erklärungen, die Handlung beginnt plötzlich und endet auch ohne große Beschreibung und sie regt einen zum Nachdenken an. Alles Merkmale der Kurzgeschichte... wollte ich nur mal erwähnen^^°
Ich denke mal, das Verhalten des Roboters soll die Reaktionen der Menschen auf bestimmte Ereignisse in seinem Leben darstellen. Oder zumindest die Reaktionen einer Gruppe von Menschen.
Erst verwirrt, immer ängstlicher werdend, steigert sich das Ganze zur Verzweiflung.
Auch den Schlusssatz finde ich einfach genial, denn es wäre auch im echten Leben einfach unmenschlich, den Menschen diese Option einfach wegzunehmen.
Die Überschrift passt auch perfekt dazu.
Der Text lässt sich gut lesen, da es weder Grammatik- noch Rechtschreibfehler gibt (zumindest sind mir keine aufgefallen^^)
Also, insgesamt sehr gut gelungen^^
cucu,
deaths_orchid



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