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ViRUS

wenn Träume töten
von

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eins - zwei

.oO° Freitag °Oo.
 

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..

„S~ e~ t~ o~...“

..

.
 

„Ahhhh! ...Scheiße!“
 

Schon wieder...

Scheiße, aber auch!

Fuck!
 

Wütend werfe ich meine Kissen gegen die Wand.

Draußen ist es schon hell, kein Wunder, ich habe verschlafen. Insofern man das von eben schlafen nennen kann.

Ich schaue an mir herab. Klasse, schon wieder ein Pyjama, der klitschnass geschwitzt ist, dass ist jetzt schon das dritte Mal in dieser Woche... und wir haben erst Freitag...

Frustriert fahre ich mir durch meine ebenso verschwitzten Haare und seufze Lautstark, ehe es an meiner Tür klopft.
 

„Ja, herein!“
 

„Seto...?“
 

„Mokuba?“
 

Mein kleiner Bruder kommt ein wenig unsicher auf mich zu, so, als wüsste er nicht, ob er zu mir kommen darf oder nicht. Außerdem spiegeln seine sonst so fröhlichen Augen eine erschreckende Form von Angst wieder.
 

„Was ist los? Warum bist du nicht in der Schule?“
 

„Ich... Ich habe keine Lust... Bitte Seto, nur heute, ja? Ist das in Ordnung? Ich möchte heute nicht zur Schule, ich möchte heute zu Hause bleiben... bitte...“
 

Ich weiß nicht, was ich davon halten soll und ziehe dementsprechend eine meiner Augenbraue nach oben. Ich kann nichts dafür, es passiert schon automatisch.
 

„Hast du Ärger in der Schule?“
 

Er schüttelt den Kopf.

Aber was ist es dann?
 

Ich hebe meine Arme und will dir damit eigentlich nur signalisieren, dass du zu mir kommen sollst, doch erschrecke ich und zucke aufs Heftigste zusammen.

Meine Arme, sie sind rot, von der Handwurzel bis hin zum Ellenbogen, alles rot, voll mit... Blut...

Aber, woher? Ich habe nirgendwo eine Wunde, nichts, keinen einzigen Kratzer!

Aber, es muss doch wenn dann schon mein Blut sein... oder?

Aber, was wenn nicht? Wenn es nicht meins ist?
 

Ich fahre mir mit den Händen über meine Arme. Das Blut ist trocken.
 

„Hast du... Seto, du schreist im Schlaf...“
 

„Spinn nicht rum! Und nun geh raus! Wenn du schon zu Hause bleiben 'musst', dann störe mich bitte nicht!“
 

Es kam mal wieder härter rüber als es eigentlich sollte, aber was soll ich machen, ich will ihn nicht verletzen oder gar enttäuschen, ich will nicht, dass er Angst vor mir hat. Aber im Moment ist es besser, wenn er von mir weg bleibt, zumindest solange, wie ich selber erst mal mit mir klarkomme, solange, bis ich selber weiß, was mit mir los ist...
 

Mich aus meinen Schlafanzug pellend, gehe ich Richtung Badezimmer und drehe die Dusche auf lauwarm. Schockduschen wäre jetzt zwar um einiges besser, aber da ich schon wach bin und diese Träume dadurch auch nicht verschwinden, kann ich das Duschen auch so weit es geht genießen.
 

Ich fange an, mit äußerster Vorsicht, das Blut von meinen Armen zu waschen. Für den Fall, dass ich doch irgendwo verletzt sein sollte, so will ich die Wunde wenigstens nicht noch einmal aufreisen. Aber es bleibt dabei, das Blut kann nicht von mir sein, oder mein Körper hat eine beängstigende Art der Selbstheilung entwickelt.
 

Mich trocken gerubbelt ziehe ich mir meine leicht zerknitterte Schuluniform über. Man möge es vielleicht nicht glaube, aber ich bin wirklich einer der letzte Menschen, die auf Ordnung achten. Mal abgesehen von meinen Berufsleben, da muss das ja leider sein.
 

„Roland! Lassen sie bitte die Limousine vorfahren.“
 

„Sir, sind sie sicher, dass es zur so später Stunde noch Sinn machen würde, das Schulgebäude aufzusuchen?“
 

„Roland...“, knirsche ich aus zusammengepressten Zähnen hervor. So sehr dieser Mann auch mein Vertrauen besitzt und die Offenheit, seine Meinung mir gegenüber zu äußern, so sollte er sich heute doch lieber zurück halten.

Scheinbar versteht er, denn ohne ein weiteres Wort dreht er mir den Rücken zu und geht den langen Flur entlang und kurz darauf höre ich auch schon seine und die Stimme meines Chauffeurs, wie sie über irgendetwas diskutieren. Aber es ist mir egal, sollten sie über mich reden, negativ reden, daran bin ich eh schon gewöhnt.

..

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„Das war’s dann auch schon! Macht bitte zu Hause die Seiten 53-55 bis nächsten Freitag fertig. Tja, dann dürft ihr eure Sachen zusammenpacken und den Chemieraum aufsuchen. Schönes Wochenende wünsche ich euch schon einmal.“
 

„Man war das wieder einmal langweilig! Wie können Lehrer nur so viel Scheiße von sich geben und das dann auch noch jahrelang wiederholen? Echt unbegreiflich!“
 

„Joey! Du kannst dir noch mehr Ärger nicht erlauben! Wenn du schon lästern musst, dann bitte dann, wenn du vom Schulgelände runter bist!“
 

„Ach was, sollen sie es doch mitbekommen! Aber ist ja eh typisch, dass Leute wie ich immer gleich die Todesstrafe bekommen, während andere Leute dafür sogar noch nen Orden bekommen. Und nein, ich rede hierbei nicht so zufälligerweise von einem gewissen Eisblock, der es mal wieder nicht nötig hatte seinen Eisarsch hier herzuschwingen!“
 

„Tea hat Recht, Joey. Lass das lieber, noch mehr... Ärger...“
 

Ich wusste ja schon immer, dass dieser Kindergartenhaufen einfach nur dämlich ist, du Joseph Wheeler sowieso. Aber dass Joseph so saudämlich ist, hätte selbst ich nicht für möglich gehalten! Sonst hört dieser Loser doch auch auf seinen 'Wir-Glauben-an-das-Herz-der-Karten'-Haufen.

Was soll’s, mein Tag ist doch eh schon im Eimer.

Selbstsicher überwinde ich die letzten Meter Abstand zwischen mir und diesem Köter, beuge mich belustigt zu ihm hinunter, so das meine Lippe kurz sein Ohrläppchen streifen.
 

„Ich wusste gar nicht, dass du dich so für meinen Hintern interessierst...“, hauche ich ihm entgegen, so leise, dass auch nur er es gerade so versteht.

Ich spüre, wie ihm die Röte ins Gesicht schießt, da sich seine Wangen auf einen Schlag aufheizen.

Erbärmlich!

Arrogant wie immer und auch leicht angepisst, nicht doch auf Roland gehört zu haben, mache ich kehrt und begebe mich Richtung Chemieraum. Auch wenn wir jetzt erst Pause haben, das Allerletzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist das herumgequitsche und rumgetolle von diesen Wahnsinnigen, auch bekannt unter dem Namen: Mitschüler!

Und, wie sollte es auch anders sein, so werden mir diese 20 Minuten Ruhe auch nicht gewährleistet.
 

„Wheeler, was willst du?“
 

„Was ich will? Ich will wissen was der Scheiß eben sollte!“
 

Ich schiele kurz von meinem Laptop zu ihm hinauf, zucken mit den Schultern und wende meine Aufmerksamkeit wieder meinen Daten zu.

Ein kleines, aber ziemlich sauer klingendes Knurren dringt an mein Ohr, was mich aber nicht weiter stört. Erst als zwei Hände neben meinem Kopf gegen die Wand knallen, fahre ich erschrocken auf und blicke dem Streuner direkt in die Augen. Auch er scheint ziemlich überrascht zu sein mit meiner Reaktion, denn seine Augen sind vor Schreck leicht geweitet.
 

Wir brauchen beide ein paar Minuten bis wir realisieren, dass wir uns gerade ziemlich dicht auf die Pelle gerückt sind. Ziemlich dicht, um das mal festzuhalten!
 

„Verpiss dich!“, zische ich ihm entgegen und er macht tatsächlich ein paar Schritte zurück.
 

Er öffnet den Mund, will scheinbar etwas erwidern, doch schließt er ihn wieder und deutet stattdessen auf meine linke Wange.

Irritiert fasse ich mir dort hin und spüre etwas warmes und feuchtes. Zuerst dachte ich, ich wäre doch tatsächlich ins Schwitzen gekommen, doch als ich meine Fingerkuppeln ansehe, finde ich mal wieder eine rotfarbige Flüssigkeit vor.
 

„Wheeler!“, fauche ich ihn an und bin kurz davor, ihm an die Gurgel zu gehen, als ich auch an ihm etwas entdecke, was da eigentlich nicht sein sollte.
 

„Du blutest auch...“, füge ich stattdessen hinzu und deute ebenfalls auf seine Wange. Auch bei ihm ist es die linke Seite.
 

Was soll der Scheiß hier?

Verarscht mich diese Flohschleuder?

Wohl kaum, dazu reicht sein bisschen menschliche Intelligenz nicht aus!
 

Ehe ich dazu komme, ihm wirklich die Hölle unterm Hintern heiß zu machen, dreht er sich auch schon um und rennt weg.

Und was sollte das jetzt bitteschön bringen?
 

Seufzend setzte ich mich wieder auf die Bank und versuche mich krampfhaft auf meine Analysen zu konzentrieren, was mir aber einfach nicht gelingen will!

Das Blut an meiner Wange ist weg, und eine Schramme oder der gleichen ist nicht zu spüren, was eigentlich nur darauf schließen lässt, dass das Blut von Wheeler kommen muss.

Aber, hatten wir uns überhaupt berührt?
 

Dieser Gedanke jagt mir komischerweise das Blut in den Kopf!

Ich und Wheeler, die irgendeine Art von Berührungen austauschen?

Nein! Das ist absurd und vollkommen inakzeptabel!

..

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„Ich danke Ihnen mal wieder für Ihre Aufmerksamkeit und Wünsche Ihnen allen ein erholsames Wochenende!“, höre ich den Lehrer noch sagen, ehe ich meinen Kopf auf die Tischplatte fallen lasse.

Sowas mache ich ja sonst nie, aber ich bin einfach zu ausgepowert, völlig fertig, und das nur, weil ich schon die ganze Woche nicht zum schlafen gekommen bin! Zumindest zu keinen ordentlichem Schlaf!
 

Und dann auch noch ein so langweiliger Unterricht, mit so einem langweiligem Thema, das ich doch sowieso schon längst kann!

Normalerweise habe ich ja in solchen Fällen immer Wheeler zur Ablenkung, aber der schien anderweitig beschäftigt zu sein oder einfach keine Lust zu haben, sich mit mir zu zoffen. OK, wenn ich ganz ehrlich bin, ich auch nicht!

Immerhin hatte ich genügend Zeit diesen Deppen zu mustern, und mir ist dabei aufgefallen, dass er, dort wo das Blut war, keinen einzigen Kratzer hat.

Also muss es doch von mir kommen. Am besten, ich gehe gleich mal einen gewissen Ort aufsuchen.
 

Frustriert meinen Kopf wieder hebend und mich dabei mehr als nur beobachtend fühlend, was auch daran liegen könnte, dass ich aus allen Ecken beobachtet werde, begebe ich mich zum ersten mal, seit meiner schulischen Laufbahn, zum Jungenklo.

Und kaum, das ich diesen Raum betreten habe, bereue ich es auch schon wieder!

Wie kann man eine Toilette nur so... verkommen lassen? Das ist ja einfach nur noch widerlich!
 

Aber ich bin ja nicht zum Pinkeln hier, sondern um mich im Spiegel zu 'betrachten'.

Und, als hätte ich es mir nicht eh schon denken können, habe ich ebenfalls nicht mal den Hauch eines Kratzers. Weder auf meiner Wange, noch an meinen Händen oder an einem anderen Körperteil von mir.
 

„Ach was! Ich hab heute doch eh keine Zeit, also könnt ihr auch schon gehen! Bis nächste Woche!“
 

Nein, bitte lass das jetzt nicht wahr sein!

Die Tür geht auf, quietscht gemütlich vor sich hin, quietscht ein weiteres mal und geht wieder zu. Und wer kam rein? Genau: Wheeler!
 

„K... Kaiba?!“
 

Dieses 'Etwas' da vor mir deutet mit dem Finger auf mich, als wäre ich ein im Fernseher angekündigter Alien, der, leider Gottes, als erstes auf diesen Köter gestoßen ist!
 

„Nein, Gorge W. Bush... Natürlich 'Kaiba', oder brauchst du jetzt auch schon ne Brille?!“, fauche ich mal wieder zurück und bin überrascht, wie sehr es mich doch mal wieder anpisst, von Wheeler so saudämlich von der Seite angemacht zu werden, auch wenn es diesmal ehr aus Überraschung seiner Seite her war, die zu seiner intelligenten Feststellung führte, als seine abnorme Doofheit. Obwohl sich da bei ihm nicht mehr all zu viel nehmen müsste.
 

„Äh, Sorry, aber dich hier anzutreffen war das Allerletzte, was ich mir hätte vorstellen können. Und glaube mir, ich habe eine sehr ausgefallene Fantasie!“
 

„Warum nur glaube ich dir das sogar...“, erwidere ich leicht amüsant und mustere ihm dabei, was dazu führt, dass er wieder unbeabsichtigt anfängt zu Knurren.
 

Wir verweilen eine ganze Zeit so, und es kommen mir die Bilder von vor zwei Stunden wieder in den Sinn.

Wie hypnotisiert fahre ich mit meinen Fingern über meine linke Wange und werde dabei genaustens beobachtet.
 

„Von wem kam das vorhin eigentlich?“
 

Ich zucke mit den Schultern. Wie es scheint hat die Flohschleuder mal sein Gehirn benutzt und ist von alleine darauf gekommen, dass werde er noch ich irgendwo eine Schramme oder der gleichen haben, von der das Blut hätte stammen können.
 

Er seufzt.

Tja, was man nicht ändern kann sollte man auch nicht verfolgen, oder so in etwa.

Ein wenig enttäuscht gehe ich auf Wheeler zu, Richtung Ausgang. Aber ich kann es mir nicht nehmen, noch einmal neben ihm stehen zu bleiben und ihm ein weiteres Mal etwas ins Ohr zu flüstern.
 

„Ich habe am Montag eine Konferenz. Heißt dann wohl, dass du ganze drei Tage auf meinen Hintern verzichten musst...“
 

Ich verlasse das WC und höre wie Wheeler hinter der Tür anfängt zu fluchen wie ein Weltmeister, ehe ich das Gebäude verlasse...

Draußen steht auch schon meine Limousine bereit, was heute das bislang einzig Erfreuliche ist.

Wochenende...

Pah!

Als ob ich was davon hätte! Arbeit ohne Ende, billige Hausaufgaben noch dazu, und das null plus ultra: Keinen ordentlichen Schlaf!

Mein Leben ist doch einfach nur perfekt... Ich wusste ja gar nicht, dass ich so sarkastisch sein kann...
 

Ich steige in die Limousine und weise Roland darauf hin, dass ich bitte dort und da hin gebracht werden möchte, was Roland auch sofort meinem Chauffeur weiterleitet. Klar, ich könnte selber mit ihm reden, aber wozu? Das muss man sich bei mir erst mal verdienen!
 

Gedankenverloren schaue ich aus den verdunkelten Fenstern, sehe mir die Leute an, die wie angestochen durch die Straßen rennen, Kinder, die schreien, Mütter und Väter, die nur am meckern sind, Hunde und Katzen, die am Straßenrand nach was zum Essen suchen oder gar persönlich bei den Mensche betteln, und Autos, die wegen Überfüllung der Straßen wie wild hupen. Als ob es dadurch schneller voran ginge.
 

Die Hitze hier drinnen ist unerträglich, gerade zu bestialisch! Obwohl die Klimaanlage an ist, fühle ich mich wie vor einem Vulkan, der gerade am Ausbrechen ist!

Genervt ziehe ich mir die Krawatte aus, öffne die obersten Knöpfe meines Hemdes und auch das Fenster. Nur einen Spalt, aber es ist dennoch wahnsinnig erfrischend!
 

„Wuff! Grrrr~! Wuff-Wuff!“
 

Wheeler... Wheeler? Wie komme ich denn jetzt bitteschön auf Wheeler?

Verachtend schnaubend fahre ich mir durch die Haare, die an mir kleben, als hätte man mich mit irgendso nem süßen Zeugs beschmiert.

Wheeler... Pah! An so jemanden meine Gedanken verschwenden, das würde mir echt noch fehlen!
 

„Alles in Ordnung mit Ihnen, Sir?“
 

„Ja- Ja...“, antworte ich beiläufig und winke Roland ab. Ich schaue weiterhin aus dem Fenster und erblicke einen dieser Straßenköter. Ein Goldenretriever, um genau zu sein. Und... um ehrlich zu sein; sogar der erinnert mich an... Wheeler...

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„Das ist mein letztes Wort! Entweder sie geben sich mit diesem Angebot meiner Großzügigkeit zufrieden, oder sie suchen sich in Zukunft einen anderen Sponsor für ihre... ausgefallenen ’Ideen’!“
 

Ich packe meinen Koffer, lasse die Schnallen einrasten und begebe mich zum Ausgang. Gefolgt von Roland, wie immer. Und wie immer war dieses Treffen reine Zeitverschwendung! Immer wieder dasselbe Spiel, immer wieder dieselben Leute, dieselben Betrüger, die versuchen mich übern Tisch zu ziehen, versuchen mich unter sie zu bekommen! Aber ohne mich!
 

„Lassen sie bitte schon den Wagen vorfahren, ich muss kurz noch etwas erledigen...“, weise ich Roland an, ehe ich in dem nächsten Gang abbiege. Ein Fehler, wie sich nur wenige Sekunden später herausstellen sollte! Denn kaum das ich abgebogen war, wurde ich auch schon von hinten gepackt und gegen die nächstliegende Wand gestoßen und von einem riesen Panzerschrank fast zerquetscht!
 

„Verpiss dich!“, presse ich gequält hervor, ehe ich ein Schnauben vernehmen und das leise Lachen einer mir, leider Gottes, bekannten Person.
 

„Verzeihen Sie das Benehmen meines Angestellten, aber er neigt leider dazu, die Sachen direkt zu lösen, auch wenn es manchmal, sagen wir: etwas schmerzhaft ist.“
 

Ich könnt diesen Kerl... Argh!

Der Typ lässt von mir ab und ich bekomme endlich wieder ordentlich Luft in die Lungen. Normalerweise bin ich ja nicht so empfindlich, aber irgendwann ist auch bei mir die körperliche Leistung einfach nur futsch!
 

„Hören Sie mir gut zu, Herr Kaiba...“, flüstert mir Herr Ikatasawa zu und kommt mir dabei verdammt nahe. Und wieder bin ich gegen die Wand gedrückt,
 

„Wir wollen doch beide keine Schwierigkeiten haben, sehe ich das richtig?“

Ich funkeln ihn nur an.
 

„Na, na, wer wird denn... Hören Sie zu! Ich an Ihrer Stelle würde mir das mit Ihrem Angebot noch einmal gut überlegen...“, er fährt mit seinem Handrücken meine Wange auf und ab, „Immerhin wollen wir beide ja nicht riskieren, dass etwas schlimmes passiert...“
 

„Wa... Pfoten weg!“
 

Er hat mir doch tatsächlich in den Schritt gefasst! Dieser... dieser...Dieser perverse alte Sack!
 

„Sir, ist alles in Ordnung?“
 

Gott sei dank, Roland!

Ich winke ihn ab und gehe auf ihn zu, doch zuvor werfe ich Herr Ikatasawa einen vernichtenden Blick zu! Das wird noch schwerwiegende Konsequenzen mit sich ziehen, darauf kann er Gift nehmen!
 

Am Auto angekommen fange ausnahmsweise ich mal an zu fluchen und trete dabei gegen meinen eigentlich heißgeliebten Wagen!

Was bildet sich dieser Kerl eigentlich ein?

Ohne mich würden er und vor allem seine knapp 2.000 Angestellten schon längst auf der Straße! Und was bekommt man als dank? Man wird fast zerquetscht und sexuell belästigt!
 

Nach einer ca. 10 minütigen Aggressionsbewältigung steige ich schließlich in meine Limousine und weise den Fahrer darauf an, endlich aufs Gaspedal zu latschen!
 

Und wie schon auf der Fahrt hier her schaue ich gedankenverloren aus dem Fenster. Komischerweise kommt mir auf einmal wieder dieser Köter in Erinnerung, und noch schlimmer, Joseph Wheeler noch dazu!

..

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„Roland... bitte sagen Sie mir, das wir für heute fertig sind! Noch ein Termin und ich gehe dem Klienten an die Gurgel!“
 

„Das wird nicht nötig sein, der Herr eben war für heute der Letzte. Sie können sich nun also ausruhen.“
 

Ich hätte nie gedacht, dass ich Roland für diese Worte am liebsten umarmen könnte, was ich mir aber wie üblich gekonnt verkneife!
 

Es ist inzwischen schon Nacht geworden, ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es schon an die 23 Uhr ist. Wird wirklich langsam Zeit, dass ich nach Hause komme. Mokuba wird sich bestimmt auch schon fragen, wo ich bleibe, zumal heute eigentlich unser TV-Abend ist.
 

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.oO° Samstag °Oo.

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Aus dem TV-Abend wurde wirklich nichts mehr. Zwar hatte Mokuba sich mit mehr Cola und Popcorn abgefüllt, als ein normaler Mensch eigentlich vertragen kann, dennoch fühlte ich mich mies, ihn mal wieder alleine gelassen zu haben. Und als ob das nicht schon ein scheiß Gefühl wären, nein, so musste ich auch wieder diesen scheiß Traum haben, der mich schon seit 4:11 Uhr wach hielt... Aber irgendwie... war der Traum diesmal anders... klarer... Diesmal sagte auch nicht der Tote meinen Namen, sondern der Mörder. Und obwohl ich ihn nicht ganz erkannt habe, so bin ich mir dennoch sicher, das ich ihn kenne!

Jedenfalls sitze ich nun hier, trinke meinen 8-Uhr-Kaffee und habe Augenringe, die sich echt sehen lassen.

Und so soll ich gleich noch mal zu Herrn Ikatasawa, der hoffentlich seine Meinung seit gestern geändert hat.
 

„Sir, Ihr Wagen steht bereit.“
 

Wortlos stehe ich auf, gehe den Gang entlang, gehe hinaus, nur um dann wieder in die Limousine zu steigen.

Und genau wie gestern, schaue ich aus dem Fenster, bin in Gedanken vertief, überlege, wer er sein könnte, der Mörder, in meinen Träumen, der mich einfach nicht mehr schlafen lässt. Seine Stimme, kommt mir irgendwie so... bekannt, gerade zu vertraut vor!

Oder bilde ich mir das alles nur ein?
 

„Wuff! Grrrr~! Wuff-Wuff!“
 

War das Letzte, was ich hörte, ehe der Wagen eine Vollbremsung hinlegte und ich die Trennwand knutschte!
 

„Was soll der Scheiß?!“, mache ich meinen Chauffeur an, „Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?!“
 

„Aber Sir, ich...“
 

Weiter kommt er nicht, da auch schon jemand an die Fensterscheibe klopft, welche ich darauf ganz hinunterfahren lasse. Zwei Polizisten stehen davor, ihre Mützen vornehm abgenommen und irgendetwas vor sich hinstammelnd, was so klingt wie ’Köter’, ’überfahren’, ’ihr Wagen’ und ’n Toter’... oder so in etwa.

Dennoch hat es mich neugierig gemacht, was ich aber nicht verkünde, sondern einfach nur schlicht und einfach angebe, dass wenn schon mein Wagen demoliert wird, ich wenigstens die genaue Ursache dafür wissen und sehen will!
 

Der Polizist nickt und führt mich in eine der Gassen, wo mehrere Männer stehen, Polizisten als auch Ärzte und Leute, die ich nicht zuordnen kann.

In Mitten dieses Getummels liegt eine weitere Person... mehr oder weniger, sagen wir mal lieber das, was von Ihr übriggeblieben ist.
 

Ich schrecke auf, als mich ein roter, scheinbar blutgetränkter, Goldenretriever anspringt. Er scheint sich zu freuen, mich zu sehen, da er wie ein Irrer mit dem Schwanz wedelt...

Welcher Mensch hat eigentlich diese Zweideutigkeit erfunden?
 

„Haben wir dich!“
 

Ein Trupp von sieben Mann schnappt sich den Hund und legt ihn in mehreren Ketten, Leinen und was weiß ich nicht noch was.
 

„Was machen sie denn da mit dem Hund?“, frage ich den Polizisten neben mir und deute auf das besagte ’Objekt’.
 

„Durch den Hund sind wir erst hier her gekommen. Er stand auf einmal am Polizeipräsidium mit einem Stück Arm im Maul. Ist doch klar, dass wir ihm gefolgt sind. Tja, und hier her hatte er uns dann auch tatsächlich geführt. Wo wir schon mal beim Thema sind, ich muss sie darauf hinweisen, dass sie absolute Schweigepflicht haben, was diese Sache hier angeht!“
 

„Chef! Ich habe eine Brieftasche gefunden. Sie gehört einem gewissen Tohito Ikatasawa!“
 

W...Was... Aber... Aber das kann nicht sein!

Geschockt und auch angewidert halte ich mir die Hand vorm Mund und gehe aus der Gasse raus.

Das kann doch gar nicht sein, gestern, da war er doch noch... wie kann... Das ist... Mir ist schlecht!
 

„Wuff!“
 

Erschrocken drehe ich mich um. Der Goldenretriever von eben steht neben mir, was mich schon verwundert, war er doch eben noch wie ein Schwerverbrecher angekettet worden.

Ich gehe in die Hocke und kraule das Viech hinterm Ohr. Wieder wedelt er mit seinem Schwanz und schaut mir tief in die Augen. Komisch, jetzt wo ich diese treudoofen, schokobraunen Augen sehe, muss ich schon wieder an...
 

„Joey...“
 

~ Flashback Traum ~
 

„Nicht! Bitte, ich... ich tue alles was du willst! Wirklich alles! Bitte, ich... ich habe Familie!“
 

„...“
 

Ich habe aufgegeben, zu protestieren, schaue einfach nur noch zu, beidem, was mein Traum mir bietet. Was anderes bleibt mir doch eh nicht übrig.

Heute befinde ich mich mal wieder in einer ziemlich engen und verdreckten Gasse. Der Kerl, der heute dran glauben darf ist an die Wand genagelt worden, und hat schon überall schrammen und ziemlich zerfetzte Wunden.
 

Es ist wirklich abartig, zuzusehen, wie diese Person dem Kerl sämtliche Gliedmaßen Stück für Stück abtrennt, den Körper zerfetzt, zerreist, auseinander nimmt... Aber was noch perverser ist, ist die Tatsache, dass ich sowas träume! Ich meine, Träume entstehen aus dem Unterbewusstsein heraus, Träume sind Daten, die wir am Tag erlebt haben und in der Nacht in einem Ruhezustand, oder eben im Schlaf, verarbeiten. Ich könnte mich aber nicht daran erinnern, Mordgelüste zu haben, und wenn, dann schon gar nicht in diesem Ausmaß.
 

Wieder ist mein Mund wie ausgetrocknet und ich spüre, wie mein Körper nach Luft ringt.
 

Der Typ bewegt sich nicht mehr, so das der Mörder die Metallstäbe aus der Wand zieht und die restlichen Körperstücke zu Boden fallen lässt.

Jetzt müsste ich eigentlich jede Minute aufwachen, so wie immer. Nur, ist es irgendwie nicht so, wie immer, sonst rollen Köpfe zu mir, sagen meinen Namen... Ein Kopf ist da nicht mehr wirklich vorhanden.

Was jetzt wohl passieren wird?
 

Der Mörder kommt auf mich zu, und ich versuche automatisch ein paar Schritte zurück zu weichen, was, seltsamerweise wie immer, nicht klappen will.
 

Schließlich steht der Typ direkt vor mir, die Haare tief ins Gesicht gefallen, doch kann ich ein Grinsen noch immer gut erkennen. Diese Person kommt mir... so bekannt vor!

Er hebt seinen Kopf leicht und leckt sich genüsslich die Hand sauber, ehe er seinen Kopf ganz hebt und ich ihn endlich erkenne...
 

„Na, Kaiba...“

..

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~ Flashback Traum ende ~

Träume gehn vorbei

.oO° Samstag °Oo.
 

„Ein weiteres Mal wurde eine Person gefunden, welche auf grausamste und wohl auch schmerzhafte Art und Weise Ihr Leben lassen musste. Dies ist nun schon der neunte Fall in diesem Monat und noch immer tappt die Polizei im Dunkeln, denn wie üblich wurden keine Spuren jeglicher Art hinterlassen. Wenn Sie Hinweise haben, die eventuell der Polizei verhelfen können, den oder die Täter ausfindig zu machen, wenden Sie sich bitte umgehend an die... Einen Moment, bitte... Wie ich soeben mitbekommen habe, handelt es sich um den Toten scheinbar um den Firmenchef Herr Ikatasawa, welcher nach einer kleinen Kneipentour einfach verschwand. Des Weiteren......“
 

Verärgert warf ein, nicht gerade unbekannter, junger Mann die Fernbedienung mit voller Wucht in den Fernsehrapparat, welcher darauf hin sofort den Geist aufgab. Erschrocken zuckte der kleine Junge, welcher es sich im Sessel bequem gemacht hatte, zusammen und schaute zu den Älteren hinauf. Sagen tat er allerdings nichts, denn er wusste, dass das die Laune des anderen noch mehr reizen würde.

Schweigend stand er deshalb auf, verließ den Raum und ging die Treppe hinauf, verkroch sich vorsichtshalber lieber in seinem Zimmer.
 

Seufzend ließ sich der Ältere zurück auf die Couch fallen, in voller Länge. Seine Beine baumelten noch am Ende hinunter und auch sein linker Arm hing schlaff neben seinem Körper herab zu Boden, wo er mit den Fingern auf dem teuren Laminat tippte.
 

Nervös?

Nein, irritiert!

Wie konnte das sein?

Das war doch schon längst kein Zufall mehr!

Einen Monat geht das ganze schon so. Einen Monat, in dem immer wieder Männer gefunden werden, die in seiner Branche arbeiteten. Immer wieder Männer, mit denen er vorher noch zu tun hatte, mit denen er zuvor noch Meinungsverschiedenheiten hatte, bis hin zu Stress, welcher meist mit Drohungen aller Art zu tun hatte. So wie auch mit Herrn Ikatasawa!
 

Schicksal?

Nein, Absicht!

Aber wer könnte das gemacht haben?

Das war doch schon nicht mehr normal!

Wer sollte so etwas tun?

Und dann auch noch für ihn?

Und woher sollte dieser jemand denn wissen, mit wem er sich im Moment nicht so pralle verstand?

Er selbst hatte nie jemanden etwas erzählt, über seine Arbeit, seine Höhen und Tiefen. Nicht einmal sein Bruder wusste davon etwas, auch wenn er wusste, dass er es so oder so immer irgendwie raus bekam. Aber sein Bruder wäre zu so etwas niemals fähig! Und seine rechte Hand?

Sein treuster Angestellter und ständiger Begleiter?

Nein, er war zwar loyal bis in den Tod, aber über Leichen würde selbst er nicht gehen, dafür war er zu sensibel.
 

Zufall?

Nein, gekonnt!

Und irgendwie hatte er auch schon so einen gewissen Verdacht, wer etwas damit zu tun haben könnte, jemand, den er selber nur flüchtig kannte, aber dennoch so gut, dass er ihn für eine Menge kleiner krummer Dinger hinter Gitter setzen könnte. Wenn er es wollte...

Jemand, der ihn in letzter Zeit ständig in seinen Träumen heimsucht, ihn daran hindert, ruhigen schlaf zu finden.
 

„Mokuba, ich gehe kurz weg! Ich möchte dich bitten, den Rest des Tages zu Hause zu bleiben. Und warte nicht mit den Abendbrot auf mich, kann spät werden!“

„Ja, aber...“
 

Doch er war schon weg.

Der kleine Junge setzte sich auf die Treppenstufe und starrte die Tür an. Ein flaues Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit, doch hatte er auf seinen Bruder zu hören. Er würde hier bleiben und warten, warten bis er wiederkommt, soviel stand fest!
 

„Pass auf dich auf, Seto...“

...

..

.
 

Wohin Seto Kaiba ging, wusste er selber nicht...

Es war mehr wie im Halbschlaf passiert, dass er sich auf einmal vor dem Schultor wider fand. Seufzend wand er sich dem Gebäude zu und starrte in die Dunkelheit. Seine Blicke schweiften über jedes Fenster, ließen keine Tür aus, die zum Notausgang führte.

Nichts...

Was hatte er auch erwartet?

Nichts hatte er nichts erwartet.
 

Kehrt machend schielte Kaiba noch einmal nur flüchtig zu dem Gebäude hinüber und blieb wie angewurzelt stehen.

War das eben ein kleines Licht gewesen?

Ja, das war es. Kurz, aber was war da, hundertprozentig!

Über das Schultor kletternd, nach dem sich Kaiba vergewissert hatte, das auch niemand da war, rannte er zum Eingang hin.

Verschlossen...

Was hatte er auch erwartet?

Verschlossen hieß aber nicht gleich auch uneindingbar.
 

Seine Blicke schweiften an der Hauswand entlang und fanden, was er suchte. Eines der Fenster stand leicht offen. Es war nur auf Kipp, aber da sich daneben gleich noch ein Fenster befand, war eine Leichtigkeit, dieses Fenster aufzubekommen.

Mit seiner Hand und einen Teil der Armes durch den kleinen Spalt schlüpfend, griff Kaiba nach dem Hebel des anderen Fensters, legte diesen so um, dass sich das Fenster ganz aufmachen ließ und zog seinen Arm wieder zurück.

Leicht gegen das Fenster stoßend, öffnete sich dieses. Eine Gänsehaut breitete sich auf Kaibas Haut aus, als ihm ein leichter Windzug entgegen kam, der einen gewissen Geruch der Verwesung mit sich brachte.

Sich wie ein Einbrecher vorkommend, stieg Kaiba durch das Fenster in das Gebäude. Er hatte sich genaustens gemerkt, wo dieses Licht her kam, immerhin kannte er diesen Raum nur all zu gut, handelte es sich hierbei doch um seinen Klassenraum. Vorsichtig die Gänge entlang schleichend und die Treppen hinauf steigend, befand sich Kaiba in Kürze auch schon vor dem besagten Raum. Die Tür zu diesem stand einen Spalt offen.

Mit größter Vorsicht schritt Kaiba in den Raum hinein, sah sich kurz um, ehe er ein bekanntes Geräusch hörte. Mokuba gab jenes immer von sich, wenn er vor etwas große Angst hatte.

Es war das aufeinander schlagen von dem Unter- und Oberkiefer.

Jemand klapperte heftig mit den Zähnen, dass es schon recht schmerzlich klang.
 

Leise ging Kaiba auf das Lehrerpult zu.

Nichts...

Was hatte er auch erwartet?

Nichts hieß aber nicht, dass da nichts war.
 

Einmal um den Pult herum gehend fand Kaiba, was er suchte.

Unter dem Schreibtisch saß jemand, zusammengekauert, zittern und mit den Zähnen klappernd, dass dieser jemand zu Halloween sicherlich ein 1A Gespenst abgegeben hätte.

Sich ein wenig nach vorne beugend, nahm Kaiba endlich Konturen dieser Person wahr. Und was er da sah, erschrak ihn mehr als erwartet.
 

Da saß doch tatsächlich „sein Streunder“, zusammengekauert und zitternd unter diesem Pult versteckt, hatte sich eine Kerze angezündet und starrte diese völlig weggetreten an. Auch viel Kaiba auf, dass sich dieser „Köter“ die Hände vor die Ohren hielt, mit seinen Fingernägeln sich tief in das Fleisch ringsherum gekrallt hatte, als würde er versuchen krampfhaft einen Gedanken fest zu halten.
 

„Wheeler...“, flüsterte Kaiba kaum hörbar. Etwas näher herangehend, stand er nun direkt vor dem, den er eben angesprochen hatte, ging in die Hocke und versuche die Blicke des Jungen auf sich zu ziehen. Doch jener reagierte absolut nicht. Ebenso gut hätte eine Atmbombe auf dieses Grundstück einschlagen können, es wäre dem Jüngeren im Moment wohl vollkommen egal gewesen.
 

Vorsichtig und so langsam wie es nur ging, erhob Kaiba seinen rechten Arm, streckte seine Hand der Person vor sich entgegen und berührte jenen sachte an der Schulte. Aufs Heftigste zusammenzuckend richtete dieser nun seinen Blick auf, starrte völlig perplex und ängstlich in die eisblauen Opale. Aber weder das Zittern hörte auf, noch das Zähneklappern. Auch seine Hände nahm er nicht von Ort und Stelle. Wie unter zwang fing Joey an seinen Kopf zu schütteln. Tränen liefen seine Wangen hinunter. Erst jetzt bemerkte Kaiba, wie Joey seine Kleidung aussah.

Blut...

Was hatte er auch erwartet?

Blut musste aber rein gar nichts zu bedeuten haben.
 

„Wheeler... beruhige dich, ich bin es doch, Seto...“
 

Jener sprach mit einer solchen Sanftheit in der Stimme, dass Joey nur noch verwirrter zum Stillstand kam. Die Augen weit aufgerissen hatte es den Anschein, dass Joey erst jetzt realisiert hatte, dass es sich hierbei wirklich um Kaiba handelte, der vor ihm hockte.
 

„H... hi... hil... Hilf mir...“, wisperte Joey unter krächzender Stimme, ehe er die Augen schloss und sich gegen den Pult lehnte.

Kaiba rüttelte noch einige Male an den Jüngeren und war erschrocken, wie kalt dieser war. Die Kerze aufhebend hielt er sie Joey entgegen. Sämtliche Farbe war aus dem sonst so braungebrannten Gesicht entwichen, die Lippen bläulich gefroren und Blut... überall war Blut zu sehen.

Schnell zog Kaiba sein Handy aus der Tasche, rief Roland an und bat ihn, sich auf den schnellsten Weg zum Schulgebäude zu bewegen. Auch gab er die Anweisung, eine Wärmdecke einzupacken und auch ein paar Heizkissen, ehe er wieder auflegte und den so leblos wirkenden Körper vor sich betrachtete.

Sachte, als hätte er Angst gehabt, den zierlichen und recht mageren Körper zu zerbrechen, zog Kaiba Joey hinter dem Pult hervor, hob ihn an und schaute ein weiteres Mal erschrocken zu Joey.
 

„Der wiegt ja so gut wie nichts...“, flüsterte Kaiba sich selber zu, ehe er den Raum verließ. Im Treppenhaus war schon wieder dieser Geruch, der Geruch von Verwesung. Es war eklig, irgendwie. Doch war es auch vertraut, so, als würde er gar keinen anderen Geruch kennen, als sei er ihn gewohnt. Hatte das vielleicht etwas mit seinen Träumen zu tun?

Ein Zucken durchfuhr seinen Körper, als er an seinen letzten Traum dachte.

Es war Joey, den er da gesehen hatte, der diese Morde begangen hatte. Und nun?

Nun fand er ihn wie ein Häufchen elend vor, blutbekleckert und total verstört.

Ein Traum...

Was hatte er auch erwartet?

Ein Traum kann aber auch wahr werden.
 

„Master Kaiba, ich habe mich so schnell wie möglich... Oh mein Gott, Sir, ist das Master Wheeler, den Sie da...“
 

„Ja...“, unterbrach Kaiba Roland und schritt an ihm vorbei, stieg in die Limousine ein und wickelte Joey sogleich in die Heizdecke ein. Roland, der auch wieder eingestiegen war, wand sich kurz Kaiba zu.
 

„Zu Wheeler?“, fragte er ein wenig kleinlaut. Kaiba schüttelte den Kopf.

„Nein, zurück nach Hause. Und verständigen sie den Hausarzt, ich will, dass Wheeler von oben bis unten durchgecheckt wird.“
 

Roland folgte dieser Anweisung, fuhr die Trennwand hoch und fuhr los. Nebenbei verständigte er das Kaiba-Anwesen, sie sollen den Hausarzt rufen und dass er sich bitte beeilen möchte. Sofort herrschte Unruhe im Hause Kaiba.

Was war geschehen?

Ging es um Master Kaiba?

Was hatte er?

War es schlimm?
 

Währenddessen hatte Kaiba auch die Heizkissen unter die Decke geschoben, in die er Joey eingewickelt hatte. Noch immer hatte sich Joey nicht um einen Zentimeter bewegt gehabt. Selbst, als Kaiba ihn trug, bebte der zierliche Körper, klapperten seine Zähne und seine Hände wichen von seinen Ohren nicht mal für eine halbe Sekunde zurück. Kaiba war überfordert...

Was konnte nur geschehen sein, dass Joseph J. Wheeler, der sonst nie ein Blatt vor den Mund nahm, immer für eine Prügelei gut war und sich sogar mit ihm, Kaiba, anlegte, so verstört war?

Aber was auch immer es war, es muss es echt in sich gehabt haben, soviel stand für Kaiba fest. Denn nicht ohne Grund war es „der Köter“, der es als Einziger es schaffte, sogar Kaiba seine Geduld zu rauben, ihn zur Weißglut zu treiben und manchmal gerade darum bettelte, dass er einen Schlag direkt in sein vorlautes Mundweck bekam. Nichts bekam diesen Jungen unter, absolut nichts...

Also was war geschehen?
 

„Master Kaiba, wir sind da...“, sprach Roland im recht ruhigen Ton zu Kaiba, welcher darauf hin aus seinem, nun schon zweiten Halbschlaf an diesen Abend, erwachte.

„Bitte tragen Sie den Jungen ins Haus. Aber seien Sie bitte vorsichtig, er ist... zerbrechlich...“
 

Als hätte sich ein großer, schwerer und erstickender Klos in Kaibas Hals gebildet, hauchte er das letzte Wort gerade so noch heraus, ehe alles andere sich nur noch herunter schlucken ließ.
 

Kaum, dass Kaiba die Tür erreicht hatte, sprang diese auch schon auf und ein kleiner Junge schmiss sich um den größeren Körper vor ihm. Kaibas kleiner Bruder wäre vor sorge fast gestorben und war deswegen heilfroh, seinen großen Bruder unversehrt wieder zu sehen. Umso tiefer saß der Schock in ihm, als er sah, was Roland da auf seinen Armen trug.

Stotternd zeigte Mokuba auf das ängstlich zitternde Häufchen und Kaiba nickte nur, nahm seinen Bruder in eine sanfte Umarmung und bat diesen, erst einmal in seinem Zimmer zu warten, da dass, was sich eventuell herausstellen oder ans Tageslicht kommen könnte, etwas erschreckend sein könnte.

Zwar hatte Kaiba so genau noch nicht nachgeguckt gehabt, doch er war sich sicher, dass das ganze Blut eigentlich nur von Joey stammen konnte.
 

In der Zwischenzeit hatte Roland den Jungen auf eins der Gästebetten gelegt. Auch der Hausarzt kam keine zwei Minuten später ins Kaiba-Anwesen gestürmt und fragte sogleich nach Mokuba. Es war meist so, dass wenn er so spät am Abend gerufen wurde, es sich um den jungen Herrn Kaiba handelte. Umso fragwürdiger blickte er, als man ihm sagte, dass es um einen „Freund“ des Hauses ging.

Ein Freund?

Was hatte er erwartet?

Ein Freund musste aber nicht unbedingt auch gleich ein guter Freund sein.
 

„Kommen Sie, seine Temperatur fällt immer weiter!“, schrie Roland aus dem ersten Stock nach unten, worauf sowohl der Arzt als auch Kaiba die Treppenstufen gerade zu übersprangen. Im Zimmer angekommen, in dem es mehr als nur warm war, schauten alle drei auf den bebenden Jungen, der auf das Bett gebettet wurde. Sofort ging der Arzt auf ihn zu. Sein Puls war schwach, aber noch vorhanden, was man bei dem Anblick eigentlich ehr bezweifelte.

Sofort begann er mit seinen Untersuchungen und schrak zurück, als er die blutverschmierten Kleidungsstücke sah, nachdem er die Bettdecken angehoben hatte. Ohne zu zögern zog er sie dem Jungen aus und war erleichtert, dass es nicht das Blut seines Patienten war. Hätte dieser nämlich so viel Blut verloren, wäre es nur ein Wunder, dass er noch leben würde.
 

Fast eine ganze geschlagene Stunde verbrachte der Hausarzt mit Untersuchungen, verpasste Joey ein paar Spritzen und legte auch ein paar Medikamentschachteln auf den Nachttisch, schrieb ein paar Zahlen drauf und legte danach ein weiteres Schächtelchen hinzu.

Als er sich dann endlich erhob, fragte Kaiba sofort, wie es um den Jungen stand.
 

„Ich will ehrlich zu ihnen sein, Herr Kaiba. Er hat zwar keine Äußeren oder inneren Verletzungen, soweit, wie ich das zumindest im Augenblick, mit den mir zu Verfügung stehenden Mitteln feststellen konnte, aber...“, er stockte.

„Was aber?“, hackte Kaiba nach und war sichtlich aufgebracht.

„Ich habe ehrlich gesagt schon Leichen gesehen, die eine bessere körperliche Verfassung hatten, wie ihr junger Freund hier...“, beendete er den Satz und deutete auf die Tabletten, „Ich habe dort draufgeschrieben, wie viel er in welchen Zeitabständen einnehmen muss. Und hierbei betone ich: Muss! Sie wissen ja, wie Sie das zu lesen haben. Außerdem sollte er so gut wie möglich warm gehalten werden und sich bloß nicht zu sehr bewegen.“
 

Kaiba nickte immer, als Zeichen, dass er verstanden hatte und geleitete den Arzt zur Tür.
 

„Noch etwas, Herr Kaiba? Können Sie mir vielleicht sagen, warum der Junge sich so verkrampft die Ohren zuhält? Ich habe sie nicht um einen Millimeter von dort entfernen können...“
 

Kaiba seufzte und schüttelte mit dem Kopf. Nein, er wusste auch nicht, warum Joey das tat, er wusste ja noch nicht einmal, was geschehen war, was der Arzt sich schon denken konnte und deshalb gar nicht erst großherrlich nachfragte. Er wusste aber auch, dass sobald Kaiba mehr wusste, ihn sofort verständigen würde. Immerhin, kannten sie sich schon seit Kaiba noch klein war. Damals waren Roland und er die Einzigen, mit denen Kaiba sprechen konnte, ohne, dass sie es seinem Stiefvater gesagt hatten. Ja, sie waren ihm schon immer eine große Stütze gewesen!
 

Sich verabschiedend schloss Kaiba die Tür und begab sich in die Küche, wo sich die Angestellten alle gesammelt hatten.
 

„Ich möchte Sie alle bitten, jetzt nach Hause zu fahren. Ich bin ihn dankbar dafür, dass sie so schnell reagiert und auch mitgewirkt haben, dass ich ihnen als Anerkennung den Rest des Abends frei gebe. Auch möchte ich morgen nicht gestört werden. Danke.“
 

Wie, als hätte er gerade eine Konferenz gehalten, machte Kaiba kehrt und ging ein weiteres Mal die Treppe hinauf. Mit jedem Schritt wurde er langsamer bis er in der Mitte stehen blieb. Eigentlich hatte er jetzt vor gehabt, einen Moment lang zur Ruhe zu kommen, wäre da nicht Rohland rückwärts die Tür hinausgestolpert oder besser gesagt, geflogen. Mit einen Keuchen knallte jener gegen die nächste Wand und rutschte an dieser hinunter.
 

„Roland!“
 

Zu besagter Person stürmend half er diesem wider auf die Beine.
 

„Master Kaiba, Master Wheeler, er... ich weiß es nicht...“, stotterte Roland und Kaiba wand sich dem Gästezimmer zu. Es war kalt, eiskalt in diesem Zimmer. Es erinnerte Kaiba an etwas, es war nicht ganz dasselbe, aber wenn Kaiba mitten in der Nacht wach wurde, herrschte immer eine enorme Hitze. Der totale Kontrast zu der jetzigen Temperatur. Und dieser Geruch. Da war er schon wieder, dieser Geruch von totem Fleisch.

Er blickte zum Bett hinüber und sah Joey, wie er sich hin und her wand, die Hände noch tiefer in das Fleisch um seine Ohren herum bohrte, wie sein Atem in kleinen, wolkenförmlichen Nebel aus seinem Mund stieß. Und die Tränen, die sich aus Joeys zusammengekniffenen Augen stahlen und sich ihren Weg über seine Wangen suchten.

Tränen...

Was hatte er erwartet?

Tränen waren doch nicht nur ein Zeichen der Freude.
 

„Joey!“, schrie Kaiba den Angesprochenen an, packte diesen an den Schultern und schüttelte ihn kräftig durch. Erst jetzt öffnete er die Augen, schaute wie ein geschundenes Kleinkind in die Augen über sich, ehe er seine Hände von den Ohren nahm und sie stattdessen hinter den Nacken von Kaiba legte, diesen fest an sich zog und in dessen Hemd weinte. Kaiba ließ alles mit sich geschehen, strich Joey ein paar Mal durch die Haare, ehe er in den Bereich der Ohren kam und sich die Wunden ansah. Besser gesagt, ansehen wollte. Da war nichts, absolut nichts. Aber er hatte es doch gesehen, die Fingernägel, fast schon die Fingerkuppen, festgebohrt in die empfindliche Haut, hatte gesehen, wie er sie eben von dort heraus gezogen hatte.

Wie konnte es sein, dass dort jetzt nichts zu sehen war?

Sehen...

Was hatte er erwartet?

Sehen hieß nicht gleich finden.
 

„Roland, bringen Sie bitte die Medikamente in mein Zimmer. Des Weiteren würde ich Sie gerne um einen Gefallen bitte.“

„Der wäre?“. Fragte Roland, während er die Medikamente nahm.

„Könnte Mokuba über Nacht bei Ihnen bleiben? Ich weiß nicht warum, aber ich hätte ihn gerne in sicherer Obhut.“
 

Roland nickte verständnisvoll und brachte die Medikamente in Kaibas Zimmer, ehe er sich zu dem jungen Herrn begab und den über die Anweisung von seinem Bruder in Kenntnis setzte. Zwar verstand Mokuba nicht so ganz, doch wenn Seto ihn wegschickte, dann hatte es schon etwas zu bedeuten. Deswegen kam er der Bitte seines Bruders ohne wenn und aber nach.
 

Derweil hatte Kaiba Joey in sein Zimmer gebracht. Die Heizung war auf die höchste Stufe gestellt und glich schon eher einer Sauna, als einem normal beheizten Zimmer. Vorsichtig bettete er den Jüngeren auf sein Bett nieder, welcher aber nicht mal die Anstalt machte, sich von Kaiba zu lösen.
 

„Pscht... Ich hole nur einen Schlafanzug für dich. Da, siehst du den Schrank? Das sind drei Meter, nicht mehr, dann bin ich sofort wider da... OK?“
 

Warum er so liebevoll mit seinem sonstigen Rivalen umging, konnte Kaiba nicht sagen, es war so ein Gefühl, dass er das machen musste, mehr nicht. Man hätte es auch als geteiltes Leid beschreiben können, denn selbst Kaiba hatte vor einigen Wochen für fünf Minuten lang einen ähnlichen „Anfall“ gehabt. Doch im Vergleich zu Joey, war das nur ein Witz ohne Worte gewesen. Langsam löste sie die Verklammerung hinter Kaibas Nacken, woraufhin dieser sich wieder aufrichtete, rückwärts sich zum Schrank bewegte und Joey somit nicht mal für den Bruchteil einer Sekunde aus dem Auge ließ. Er zuckte zusammen, als er hörte, wie die Eingangstür ins Schloss fiel. Dennoch atmete er erleichtert auf, seinen kleinen Bruder in Sicherheit zu wissen. Denn sein Traum, er ließ ihn einfach nicht los und er wusste, dass es irgendetwas mit Joey zu tun hatte. Was, das wusste er wiederum nicht, nur, dass es ihm irgendwie das Gefühl gab, dass es nicht sicher für Mokuba war, in der Nähe von Joey aber auch von ihm selbst zu sein.

Gefühle...

Was hatte er erwartet?

Gefühle sind meist eine Vorahnung, eine Warnung.
 

Schnell einen Schlafanzug heraussuchend, der zwar eindeutig zu groß war, aber dennoch einer seiner wärmsten, schritt er zurück zu Joey, der wie ein Brett auf dem Bett lag und die Decke anstarrte.

Ohne Murren und Knurren ließ sich Joey bis auf seine Unterwäsche ausziehen und wieder einkleiden. Eine flüchtigen Blick zu den Packungen werfend, las Kaiba schnell die darauf geschriebenen Zahlen und war fast erschrocken darüber, was Joey alles zu sich nehmen sollte.

Er griff nach dem Glas Wasser, welches einer der Angestellten zuvor hier abgestellt hatte und hob Joey ein wenig an, drängte sich hinter ihn und bettete Joey Kopf gegen seine Brust.
 

„Du musst das hier nehmen...“, flüsterte er den Blonden beruhigend zu, „...damit es dir wieder besser geht.“, führte er den Satz zu Ende. Joey schüttelte bloß mit dem Kopf.

„Das hilft nicht... sie gehen trotzdem nicht weg, sie kommen wieder... ich will nicht... ich will das nicht sehen... Kaiba, bitte, ich will das nicht sehen!“
 

Zum Schluss des Satzes wurde Joey immer lauter, schrie förmlich und krallte sich in den Stoff von Kaibas Hose. Die Tabletten und das Glas Wasser wieder zurück stellend, legte er sich neben Joey und zog die Decke über ihre Körper. Schutz suchend kuschelte sich Joey an den warmen Körper neben ihm. Es war ihm im Moment vollkommen egal, dass es sich hierbei um Seto Kaiba höchst persönlich handelte, er wollt nur nicht alleine sein, dass war alles.

Das Licht mit einem Klatschen der Hände ausschaltend, erwiderte Kaiba die indirekte Umarmung Joeys und kraulte diesem sachte durch die Haare. Dieser vergrub sein Gesicht in Kaibas Halsbeuge.
 

„Mach, das sie weg gehen... bitte...“, hauchte Joey Kaiba entgegen, ehe er vor lauter Erschöpfung und noch immer mit zitterndem Körper langsam einschlief.

„Was, Joey? Was soll weg gehen?“, fragte Kaiba noch, doch merkte er schnell, dass es keinen Sinn mehr hatte. Aber es war besser so, Joey sollte schlafen und versuchen, zu verarbeiten, zu vergessen.
 

Vergessen...

Was hatte er erwartet?

Vergessen heißt nicht gleich überwinden...

...Man kann nicht einfach so vergessen, sonst wären sie ja nicht da, unsere Erinnerungen.

...

..

.

drei - vier

.oO° Sonntag °Oo.
 

Hilf ihm...
 

„Wer? Wer ist da?“
 

Hilf dir...
 

„Wer ist da?!“
 

Hilf... hilf uns!
 

„NEIN!“
 

Ich zuckte leicht zusammen und kniff die Augen noch fester zu. Ich hatte schon wieder einen so seltsamen Traum. Diesmal ging es zwar nicht ums Morden, aber er war dennoch... eigenartig. Ich höre einen kräftigen Atem neben mir und bin mir nicht so sicher, ob er von wem anders kommt oder doch von mir ist. Der Druck um meine Lieder verringert sich wieder, ich entspanne mich, versuche es zumindest.

Ich spüre, wie sich neben mir etwas bewegt und greife instinktiv danach, kralle mich in den weichen Stoff fest und ziehe mich näher an den warmen Gegenstand heran, der mit Sicherheit einen Körper darstellt. Es ist dumm von mir, so naiv zu sein, aber ich habe ausnahmsweise mal kein ungutes Gefühl in der Magengegend.
 

Vorsichtig werden mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht entfernt. Die Finger sind ebenfalls warm und so unglaublich weich, dass es mir einen Schauer durch den Körper jagt. Ein leichtes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich die Berührungen intensiver spüre. Es erinnert mich an Serenety, die mich auch immer so sanft geweckt hatte, als ich mal wieder verschlafen hatte.
 

„...Hm... Hunger...“, nuschle ich und ich bemerke, wie die flinken Finger zum Stillstand kommen. Nachdem, was gestern geschehen war, hätte ich nicht gedacht, dass der heutige Morgen so friedlich verlaufen würde, geschweige denn, ich schon wieder gleich ans Essen denken könnte.
 

„Wheeler...“, flüstert man mir leise ins Ohr. Mit einem leichten Murren öffnete ich blinzelnd die Augen und kratze mich verschlafen am Hinterkopf, schaue mich ein wenig verwirrt um Als ich bemerke, dass doch tatsächlich Seto Kaiba höchstpersönlich neben mir liegt und mich ausgerechnet an diesem festkralle, schießt mir unweigerlich die Röte ins Gesicht!
 

„Kaiba?! Was machst du denn hier?“
 

Mir einen unschuldigen und verwirrten Blick schaue ich ihm tief in die Augen. Er erwidert diesen Blick und mir kommt dabei nur ein Gedanke in den Kopf: Arktis.

Wie dahintreibende Eisberge wirken seine, so sicher drein blickende Opale, die damit drohen, mich in ihren Bann zu ziehen. Seit wann ist Kaiba bitteschön so... verführerisch?
 

„Ich wohne hier.“, gibt er nach einer Weile, kühl wie immer, zur Antwort und erhebt sich, geht zum Nachschrank und drückt eine Tablette nach der nächsten aus der Palette, hält sie mir entgegen und auch ein Glas Wasser. Ihm einen fragenden Seitenblick zuwerfend, nehme ich die Tabletten entgegen, richtet mich auf und schaue an mir hinunter.
 

„Was ist denn das?“, fragt ich ihn und deutet auf den übergroßen Schlafanzug.

„Ein Schlafanzug.“, gibt er ein wenig arrogant von sich und zieht eine seiner Augenbraue nach oben.

„Ach ne...“, schnippe ich zurück und nehme das Glas Wasser entgegen, „Wofür sind die?“

„Wegen gestern...“
 

Er klang ein wenig kleinlaut, was ich so gar nicht von ihm kannte. Wahrscheinlich haust noch immer das Geschehene von gestern in seinem Hinterkopf. Es lässt mir einfach keine Ruhe, dass ausgerechnet Kaiba mir helfen musste. Er wird mich bestimmt noch wochenlang damit aufziehen, dass er, Seto Kaiba, mich, den „Köter“, vor dem Untergang bewahrt hat. Artig, was ihn scheinbar schon ein wenig verwirrt hatte, schlucke ich brav eine Tablette nach der anderen hinunter und leere anschließend das Glas bis auf den letzten Tropfen.
 

„Wegen gestern... ich dachte, ich hätte nur geträumt...“, spreche ich mehr zu mir selbst als mit ihm, weswegen er das Thema auch nicht weiter vertieft, auch wenn ich ihm ansehen kann, dass er jede Menge Fragen hat.

Zum Kleiderschrank gehend, holt er sich ein paar frische Sachen heraus und geht ins angrenzende Badezimmer.
 

„Wo willst du hin?“, rufe ich ihm recht panisch hinterher und stehe vom Bett auf, komme auf ihn zugerannt und klammert mich wieder einmal in seinem Shirt fest.

„Ins Badezimmer. Du solltest noch eine Weile liegen bleiben.“
 

Heftig schüttele ich mit dem Kopf und blicke beschämt zu Boden. Ergebens seufzt er und bittet mich mit ins Badezimmer hinein. Ich setze mich auf den Klodeckel, während er anfängt, sich seiner Kleidung zu entledigen. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete ich Kaiba, wie er mit Absicht sich wahnsinnig viel Zeit dabei lässt, sich auszuziehen und mich, zugegeben, damit wirklich in den Wahnsinn treibt. Mit hochrotem Kopf drehe ich mich zur Seite hin weg und fange an, nervös mit meinen Fingern zu spielen.
 

„Nun hast du die Gelegenheit, meinen Hintern auch am Sonntag zu betrachten und tust es noch nicht einmal. Also echt, dir kann man es auch nie Recht machen...“
 

Er konnte es sich mal wieder nicht verkneifen!

Ich wette, mein Gesichtsausdruck ist unbezahlbar, so verdattert, wie ich ihn jetzt anstarre.
 

„Kaiba!“, schrie ich ihn an und lief noch um einiges röter an.

Sich unter die Dusche stellend, erwidert er nichts weiter. Durch die leichte Nebelbildung schätze ich mal, dass er lauwarm duscht. Durch die dünne Glaswand hindurch erkenne ich Umrisse, von dem nicht gerade schlecht gebauten Körper Kaibas. Ich hätte nie gedacht, dass man als Sesselhocker einen so gut gebauten Körper haben könnte. Im Sportunterricht drückt er sich ja immer davor, mitzumachen, sonst wäre mir das sicherlich schon eher aufgefallen. Wie ein irrer fängt Kaiba an, sich immer und immer wieder vom Neuen zu waschen, als würde er versuchen, etwas von sich runter zu bekommen, was nicht zu ihm gehört. Mir wird das zu doof, ich habe Hunger und ich bin neugierig. So leise wie möglich stehe ich auf und verlasse das Badezimmer, so wie, scheinbar, Kaibas Schlafzimmer. Ein weiteres Mal schießt mir die Röte ins Gesicht. Ich habe tatsächlich eine ganze Nacht neben Kaiba gelegen, in seinem Schlafzimmer, in einem Bett!

Ich gehe den lange Flur entlang und die Treppe runter, die in einen saalähnlichen Raum führt. Die Eingangshalle, schätze ich mal. Völlig beeindruckt schaue ich mich um und zucke aufs Heftigste zusammen, als ich hinter mir etwas knurren höre, was nicht nach einem „Hall, wie geht’s dir“ klang. Vorsichtig drehe ich mich um und erblicke einen von Kaibas Wachhunden. Ein Dobermann, der, wären da nicht diese schönen, spitzen Zähne, doch recht niedlich und knuffig aussah.
 

„Na, komm her...“, flüstere ich ihm zu und gehe in die Hocke. Ich hatte noch nie Angst vor Hunden. Vorsichtig macht er ein paar Schritte auf mich zu, schnüffelt kurz an meiner Hand und fängt an, sie abzuschlecken. Vielleicht tut er mir ja auch nichts, weil ich nach Kaiba rieche. Der Gedanke lässt mich erschaudern.

Ich rieche nach Kaiba?

Auf einmal stürzt sich der Dobermann auf mich und fängt an, wie wilde mit seinem Schwanz zu wedeln und mir quer übers Gesicht zu schlecken.
 

„Nicht doch, das kitzelt!“, gab ich protestierend von mir und wurde von dem Hund nun gänzlich auf den Boden gedrückt, wo er weiterhin über mein Gesicht schlabberte, „Ist ja gut, ich streichle dich ja schon weiter, aber hör bitte damit auf.“, gab ich lachend von mir und versuchte nach Luft zu ringen.
 

„Wer? Wer ist da?“
 

Was?

Wie von einer Tarantel gebissen stürzte Kaiba die Treppen hinunter und zog den Hund von mir runter, packte mich an den Handgelenken und fasste mich fest an den Oberarmen, als ich wieder auf den Beinen stand, starrte mir tief in die Augen, welche sich ängstlich geweitet hatten.

Viel zu lange standen wir einfach so da. Erst als der Wachhund neben und anfing ein leises Wimmern von sich zu geben, schien es mir, als wäre ich wieder wach geworden.
 

„Ich... tut... tut mir Leid...“
 

Kaiba ließ von mir ab und rieb sich entnervt die Schläfer. Irgendetwas stimmt hier ganz gewaltig nicht. Da war doch... diese... ist es wieder da?

Oder leide ich schon unter einer Art Wahnvorstellung?

Bin ich reif für die Psychiatrie?

Ich weiß es nicht...

Ich war in der Zwischenzeit wieder in die Hocke gegangen und streichelte den Dobermann beruhigend hinter den Ohren und über den Rücken. Wäre der Hund eine Katze gewesen, so hätte er sich sicherlich vor lauter Schnurren nicht mehr retten können.

Ob Kaiba ihn einschläfern lassen wird?

Immerhin hat der Arme ja als Wachhund auf ganzer Linie versagt.

Wieder aufstehend stelle ich mich neben Kaiba und spiele mit einer seiner nassen Haarsträhnen.
 

„Wenn du dich nicht ordentlich abtrocknest, wirst du noch krank...“
 

Eine Gänsehaut verteilt sich auf seinem gesamten Körper und eine ungewollte rötliche Färbung schleicht sich auf seine Wangen. Er ist wirklich wahnsinnig gutaussehend, wenn er so Menschlich ist.

Seit wann war Kaiba noch mal so verführerisch geworden?

Dennoch kommt er meiner indirekten Bitte nach und geht wieder nach oben, um sich erst einmal ordentlich abzutrocknen und auch wieder einzukleiden. Nachdem Kaiba das erledigt hatte, begab er sich, mit mir zusammen, in die Küche, welche wirklich wahnsinnig riesig war!

Kaiba schaute auf die Uhr und suchte eines der Schachteln aus dem ganzen Berg von Schachteln, den er mit hinunter gebracht hatte und zog die Packung mit diesen schleimigen blauen Tabletten hervor. Diesmal allerdings weigerte ich mich strickt, schon wieder so ein „Teil“ einzunehmen. Ich hatte doch erst vor ein anderthalb Stunden so ein Ding schlucken müssen!
 

„Die lassen sich so schwer schlucken, dass ist eklig!“, protestierte ich und drehte meinen Kopf zur Seite.

Fast eine Viertelstunde diskutierten wir darüber, dass ich das kleine Ding einnehmen soll. Am Ende hatte Kaiba anscheinend die Faxen dicke! Auf einmal nahm Kaiba selber einen kräftigen Schluck des Wassers und nahm die Tablette in den Mund, packte mich recht grob am Kinn und drückte auf meine Wangenknochen, so dass ich geradezu dazu gezwungen war, meinen Mund zu öffnen. Mit sanfter Gewalt presste Kaiba seinen Mund gegen meinen, öffnete seinen und stieß die Tablette mit seiner Zunge in meinen Mund. Völlig überrascht über Kaibas Handeln ließ ich alles über mich ergehen. Weiß der Teufel, was mich dazu getrieben hat, dass mitzumachen, aber andererseits... ich hatte es mir wirklich um einiges schlimmer vorgestellt.
 

„Hast du Hunger?“
 

Ich nickte nur und fuhr mir mit dem Zeigefinger meine Lippen entlang. Irgendwie war es wirklich zu komisch gewesen, Kaiba so handeln zu sehen oder besser gesagt, zu erleben...

Es war selten, dass ich mich geschlagen gab oder einfach nur die Klappe hielt, wie es im Moment der Fall war. Aber es störte mich nicht im Geringsten, besser, als sich ständig anzubrüllen. Ich erinnere mich da nur zu gut an einen gewissen Vorfall, wo wir beide uns die ganze acht Schulstunden nur angeschrieen hatten. Am Nachmittag bei der Konferenz bekam Kaiba dann auf einmal keinen Ton mehr raus. Drei Tage lang durfte Kaiba seine Stimmbänder nicht belasten, was hieß, dass Kaiba auf gut deutsch die Fresse halten musste. Für mich war das zu der Zeit ein gefundenes Fressen gewesen, was Kaiba mir bestimmt auch heute noch übel nimmt. Noch ein Grund mehr zu fragen, warum er mir geholfen hat.
 

Kaiba holt ein paar Brötchen aus der Kühltruhe und lässt sie gemütlich im Backofen knusprig braun backen. Ein Wunder, dass er weiß, wie so etwas geht. Machen das nicht normalerweise seine Angestellten?

Ob er noch andere Fähigkeiten in gewissen Dingen besitzt?

Das er enorm lernfähig ist, darin besteht kein Zweifel, aber ob er auch mit fremden, unbekannten Dingen klar kommen könnte?

Das wird sich noch früh genug zeigen...
 

„Wo sind denn deine Angestellten?“

„Zu Hause... Sie haben heute frei...“

„Und Mokuba?“

„Bei Roland.“

„Aha... Was? Ich bin mit dir alleine?!“
 

Blitzmerker von der Firma Langsam, war das Einzige, was mir dazu einfiel, als ich Kaibas unterdrückten Drang in den Augen sah, etwas darauf zu erwidern. Ich wette, er hatte einen ähnlichen Gedanken. Kaiba nickte bloß und fragte mich, ob das ein Problem darstellte. Darauf hin schüttelte ich nur vorsichtig den Kopf und ließ Kaiba seit her nicht mal mehr für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen.

Was soll ich nur von ihm denken?

Ob er mich verprügeln würde?

Sein neues Sicherheitssystem an mir austestet, was, zugegeben, schon eine Gänsehaut über meinen Köroper wandern ließ oder dass Kaiba vielleicht sogar über mich herfällt, was ebenfalls eine extreme Gänsehaut herbeirief. Schieße, aber auch, was denke ich da bloß?!
 

„Wer ist da?!“
 

Abrupt stand Kaiba vom Stuhl auf und blieb wie angewurzelt stehen. Er sah auf einmal gar nicht gut aus und ich hatte schon die Befürchtung, dass er sich jetzt und hier übergeben müsste. Ich sah Kaiba irritiert an, hatte noch die Hälfte meines Brötchens aus dem Mund guckend und wartete einfach nur auf eine Erklärung seinerseits, was sein komisches Verhalten anging. Aber ich kannte die Erklärung dafür eh schon längst...
 

Schon fast vier Stunden sind nun vergangen, seit Kaiba und ich hier im Wohnzimmer sitzen und ich wie unter Zwang die ganze Zeit durch sämtliche Kanäle gezappt war. Ich suchte nach etwas ganz Bestimmten, etwas, was noch irgendwo in den Nachrichten zu sehen sein müsste. Ich wollte wissen, ob sie es schon wussten, ob sie etwas gefunden hatten, ob ich jetzt wirklich mehr als nur großen Ärger hatte.
 

„Herr Ikatasawa...“
 

Ich zuckte heftig zusammen und ließ die Fernbedienung fallen. Wusste ich es doch, dass Kaiba mir diesen Namen noch an den Kopf werfen würde. Und obwohl ich mich metal schon darauf vorbereitet hatte, reagiere ich so selbst verräterisch, das jegliches Leugnen zwecklos war.

War es denn nur das, was Kaiba die ganze Zeit über wissen wollte?

War alles andere nur gespielt?

War da vielleicht etwas, was ich wissen sollte?

Wenn ja, dann war es jetzt zu spät, ich musste es jemandem sagen, ihm sagen, denn schließlich war er es ja, der dabei war...
 

„Kaiba, ich... ich weiß nicht, wie... ich... ich kann mich nicht erinnern... bitte, glaube mir. Ich... ich habe nichts getan, ich war das nicht!“
 

Zum Ende hin wurde ich immer lauter und Tränen bahnten sich ihren Weg über meine blassen Wangen.
 

„Er hatte mich angegraben und... und dann hatte ich mitbekommen, wie er über dich sprach...“

„Über mich?“
 

Ich nickte.
 

„Ja, er redete davon, wie gern er dich... dich... er... es war eklig! Und dann fing er an, mich zu begrapschen und seine Männer brachten mich raus und da war dann er wieder... und... und ich wollte das nicht! Und... als ich dann wieder wach wurde, da... da war alle voller Blut, es hatte überall an mir geklebt, überall... Und diese Katze, da war diese Katze und er... er lag da ganz... ganz zer... zer... zerfetzt...“
 

Ich hielt mir die Hand vorm Mund und floh aus dem Wohnzimmer. Kaiba stand auch auf und folgte mir, doch ich wollte nicht, dass er mitkommt und schlug die Badezimmertür ins Schloss und fing an mich zu übergeben. Kaiba kam zur Tür und klopfte leise an. Aber ich antwortete nicht, zu sehr war ich damit beschäftigt, mich zu schützen.

Es war wieder da, es sah mir zu, es würde ihn auch mitnehmen... Kaiba, hau ab, bitt hau ab!

Aber Kaiba tat ja eh noch nie, was man ihm gesagt hatte. Er öffnete die Tür und sah mich genauso an wie gestern Abend. Kein Wunder, ich hatte meine Hände wieder an die Ohren gelegt, hatte meine Nägel tief in das Fleisch dahinter vergraben und die Augen fest zusammen gekniffen, als ich sah, das Kaiba mich wieder so anschaute. Im schnellen Schritt ging Kaiba auf ihn zu, packte mich ein weiteres Mal an den Schultern und drehte mich ganz zu ihm um, schrie mich an, doch ich reagierte nicht. Mein Blick war verschleiert, geradezu blass und ich versuchte so gut wie es nur ging ins Leere zu starren, durch Kaiba hindurch. Meine Zähne fingen wieder an zu klappern und mein Körper zu beben. Ich fror und das nicht milde.

Auf einmal fiel auch Kaiba auf, dass die Temperatur rapide sank. Es wurde kalt, arschkalt, um genau zu sein. Kaiba schaute zu mir und sah, dass mein Atem schwer ging, Wolken sich aus den kurzen Atemzügen gebildet hatten und sich in der Luft wieder auflösten. Bei Kaiba war es aber genauso.

Kaiba trug mich aus dem Badezimmer und war erschrocken gar, als ihn eine Hitzewelle gerade zu niederschlug. Während es und am Rücken eiskalt hinunterlief, erschlug und von vorne eine Wärme, die nicht mehr feierlich war. Nur schleppend kam Kaiba vorwärts. Als wir den Flur verließen und nach oben gingen, wurde die Luft schwerer und schwerer. Es kam mir fast so vor, als würde hier eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit herrschen, die einem fast die Lunge zuschnürte. Erst als Kaiba mit aller Müh sein Schlafzimmer erreicht hatte, normalisierte sich die Temperatur wieder und ich löste mich aus seiner Starre. Der Gestank der Verwesung war wieder einmal überall wahrzunehmen. Es war einfach nur pervers, etwas anderes viel mir dazu nicht mehr ein.
 

„Kaiba...?“, keuchte ich mit aller Mühe hervor, als ich bemerkte, das es noch immer da war und sah Kaiba flehend an, „Es ist noch da...“
 

Ohne all zu deutlich aufs Fenster zu zeigen, deutete ich dort hin, so, dass auch wirklich nur Kaiba es sehen konnte.

Die Glasflächen waren beschlagen, Raureif funkelte an den Ecken und in der Mitte, etwas weiter unten sah er es dann auch. Wie erstarrt schaute Kaiba dort hin, sah, wie die Scheibe dich dort deutlicher beschlug und wieder klarer wurde, beschlug und wieder klarer wurde, immer und immer wieder. Atem... jemand atmete da gegen die Scheibe. Und so plötzlich, wie es da war, war es auch wieder weg. Alles war wieder normal, der Mond schimmerte durch das dünne Glas, ließ zu, dass man die vereinzelten Wolken wahrnehmen konnte, die Sterne und die Blätter des Baumes, der vor dem Balkon stand. Wie die Blätter leicht im Winde tanzten, einfach alles war wieder zu sehen.
 

„Es ist weg...“

„Was... was war das?“, fragte Kaiba mit einem Beben in der Stimme, wie ich es nicht von mir kannte.

„Mein Traum.“, antwortete ich mir mit einer Ruhe in der Stimme, die mir bald selber noch mehr Angst machte, als das eben geschehene. Irritiert sah Kaiba zu mir.
 

„Hilf... hilf uns!“
 

Kaiba hielt sich auf einmal die Hände gegen die Ohren und verkrampfte seine Finger in das Fleisch rings herum, sackte zu Boden und fing aus Reflex an, heftig mit dem Kopf zu schütteln, so, als würde er versuchen, alles was ihn umgab von sich herunter zu schütteln.

Ich erhob mich vom Bett und ging auf ihn zu, nahm in schützend in die Arme, so wie er es die Nacht auch bei mir getan hatte. Langsam lockerte sich der Griff um seine Ohren und Kaiba ließ seine Arme einfach so an sich herunter sacken, ließ sie baumeln, als hätten sie keine Funktion mehr für ihn.
 

„Dein Traum... du träumst dasselbe...“, hauchte ich Kaiba ins Ohr und spürte, wie er meine Umarmung erwiderte. Es war ein merkwürdiges Gefühl, so unbekannt und völlig abwegig. Aber auch so schön, dass keine Worte es jemals hätten beschreiben können.
 

„Ich verstehe das nicht...“, flüsterte Kaiba so leise wie es ging und ich es dennoch verstehen konnte.
 

„Wir töten... unser Traum, er tötet uns, tötet andere. Ich träume von dir... du tötest, du bringst sie um, alle die, die mir wehtun wollen, mir wehtun wollten... sie sind alle tot, und du warst das...“
 

Meine Stimme hatte etwas Besessenes an sich, aber ich konnte nichts dagegen tun!
 

„Wir töten... unser Traum, er tötet uns, tötet andere. Du träumst von mir... ich töt, ich bringe sie um, alle die, die dir wehtun wollen, dir wehtun wollten... sie sind alle tot, und ich war das...“

sie sind bei dir

.oO° Montag °Oo.
 

Schon seit dem frühen Morgen war Seto Kaiba am telefonieren wie ein Irrer. Zuerst hatte er Roland angerufen und ihn darum gebeten, Mokuba noch eine Weile bei sich zu behalten. Gern tat er Master Kaiba diesen Gefallen, immerhin kam er mit den jungen Herren des Hauses sehr gut klar. Die beiden, so sagte Mokuba es immer wieder, waren immerhin schon richtige Kumpels. Des Weiteren hatte er Roland darum gebeten, alle anderen Angestellten ebenfalls darüber in Kenntnis zu setzen, dass er fürs Erste nicht gestört werden wollte. Danach hatte Kaiba bei der Firma angerufen und Bescheid gesagt, dass er auch heute fehlen würde und sich alle erst einmal seine Sekretärin unterzuordnen hatten. Sie wusste immer genau, was Kaiba sagen, denken oder tun würde. Manchmal war sie ihm ein wenig unheimlich, da sie sogar, bevor Kaiba dazu Anstalt machte, ihm die Tür öffnete, damit er aufs Klo gehen konnte. Ja, diese Frau wusste sogar, wann er mal aufs Klo musste und wann nicht!

Danach rief er in der Schule an und entschuldigte sich als auch Joey vom Unterricht, worauf hin erst mal ein intelligentes „Hä?“ von der anderen Seite kam, Kaiba sich aber nicht weiter darum kümmerte sondern einfach wieder auflegte.
 

Seufzend ließ er sich in den Sessel sinken, der hinter seinem Schreibtisch stand. Irgendwie konnte Joey es immer noch nicht begreifen.

Wie kann ein Mensch nur sein Schlafzimmer mit dem Arbeitszimmer kombinieren?

Das ist doch nun wirklich unmenschlich!

Was Joey aber noch störte war die Tatsache, dass er ganze zwei Nächte hintereinander bei Seto Kaiba verbracht hatte, noch dazu mit ihm in seinem Bett!

Und noch merkwürdiger als diese Tatsache war, dass er in diesen zwei Nächten nicht einmal ansatzweise diesen Traum hatte, der ihm sonst immer den Schlaf als auch den letzen Nerv raubte. Auch Kaiba schien nicht schlecht geschlafen zu haben, so kam es zumindest Joey vor. Kaiba war heute Morgen nicht so aufgewühlt und mufflich, wie er ihn sonst immer in der Schule erlebte.

Das Einzige, was beide ein wenig irritiert hatte war, dass sie sich zwar gestern Abend so weit wie möglich voneinander entfernt gelegt hatten, heute morgen aber, den jeweils anderen fest umschlingend, wieder aufgewacht waren. Als sie dieses erkannt hatten, waren beide mehr als nur hell wach und dezent rot, über den Wangen und der Nase, gefärbt.
 

Auch Joey seufzte und ließ sich nach hinten in die weichen Kissen fallen. Er hatte ein paar ältere, aber an Wert nicht verloren gegangene, Kleidungsstücke von Kaiba bekommen gehabt, da seine alten Klamotten von vorgestern nur noch eine echte Zumutung waren.

Der neue Stoff saß eng, aber dennoch nicht stören an seiner Haut. Vor allem aber die Hose betone seine langen, schmalen Beine und die Hüfte, auf die jede Frau neidisch gewesen wäre, ganz zu Schweigen von seinen knackigen Hintern, der sonst nicht mal ansatzweise aufgefallen war. Wie flüssige Farbe gingen seine Gliedmaßen ineinander über, machten all seine Züge deutlich. Auch das Hemd, welches ein wenig mehr Luft hergab, betonte dennoch den leicht muskulösen Bauch und ließ die, ein wenig knochigen, Schlüsselbeine herausgucken. Anfangs musste Kaiba heftig schlucken, da Wheeler doch ein leichtes, erotisches Tuch an sich hatte. Schnell hatte er den Gedanken aber wieder in die hinterste Ecke verbannt gehabt und sich mit dem telefonieren abgelenkt.
 

„Du, Kaiba? Ich glaube, es wäre besser, wenn ich nach Hause gehen würde. Mein Vater macht sich bestimmt schon sorgen...“
 

Zum Ende des Satzes hin war Joey immer leiser geworden. Dezent hob Kaiba seine rechte Augenbraue nach oben und musterte Wheeler eindringlich.
 

„Das bezweifle ich stark! Außerdem habe ich noch etwas mit dir zu klären, beziehungsweise du hast mir noch einiges zu erklären.“
 

Seine Stimme war leise und vorsichtig gewesen, dennoch aber auch bestimmend und ließ keinerlei Widerworte zu. Joey wusste deswegen nur zu gut, was Kaiba damit meinte und ein kalter Stromschlag durchschoss seinen Körper.

Darüber reden...

Dabei war er doch gerade noch so froh darüber gewesen, dass dieser Traum ihn seit zwei Nächten nicht mehr verfolgte und dieser Morgen so ruhig begonnen hatten.

Musste Kaiba das denn jetzt alles wieder einmal kaputt machen?

Und was hieß hier überhaupt: „Das bezweifle ich stark!“?

Wusste Kaiba etwa, was mit seinem Vater war?

Aber woher?

Heftig schüttelte Joey den Kopf und sah flehend in die, wieder einmal kühlen Opale seines Gegenübers. Jener erwidere diesen Blick und dachte nicht einmal im Traum daran, nachzugeben.
 

Nach einigen Minuten gab Joey nach. Es hatte ja eh keinen Sinn, sich Kaibas Willen entgegen zu beugen. Wenn dieser sich mal etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte ihn nichts mehr davon abbringen. Diese Eigenschaft besaßen beide, was aber niemand von ihnen jemals zugegeben hätte.
 

„Also gut, Kaiba... Was willst du wissen?“, seufzte Joey ergeben und wandte den Blick von Kaiba ab.
 

„Was hat es mit diesen Träumen auf sich?“
 

Joey überlegte einen Moment lang, versuchte die passenden Worte zusammenzufinden, um das Ganze auch verständlich zu erklären. Im Erklären war er noch nie sonderlich gut gewesen und das wusste Kaiba auch, weswegen er sich schon auf Einiges gefasst machte.
 

„Also, das ist...“, begann Wheeler und stockte auch sogleich wieder. Ihm fiel Herr Ikatasawa wieder ein, dass beste Beispiel, um es zu erklären.
 

„Nehmen wir Herr Ikatasawa. Du hattest scheinbar ein paar... Probleme mit ihm.“
 

„Woher willst du das denn wissen?!“, mischte sich Kaiba ein und funkelte Wheeler bedrohlich an.
 

„Lass mich doch erst mal ausreden, bevor du mich schon wieder mit deinen Blicken erdolchst!“, zischte Joey zurück und erwiderte den mordenden Blick, „Also, anscheint gab es da ein paar ‚Meinungsverschiedenheiten’ zwischen dir und Herr Ikatasawa, die sich nicht so einfach aus dem Weg räumen ließen. Als du dich dann am Abend schlafen gelegt hattest, hattest du doch bestimmt wieder diesen Traum, in dem jemand vor deinen Augen ermordet wurde. Dieser jemand war Herr Ikatasawa...“
 

Joey stoppt und atmete tief ein.
 

„Es ist der Drang, alles was einem zu vernichten droht, was einem Ärger bereiten könnte, es einfach aus dem Weg zu räumen. Jeder hat diesen Drang in sich, manche unterdrücken ihn, andere lassen ihm freien Lauf. Soviel müsstest du eigentlich auch selber wissen!“
 

Ein leises „Pfh“ war die Antwort darauf.
 

„Jedenfalls ist es so, dass was du träumst auch Wirklichkeit wird. Vielleicht wünschst du der Person nicht gleich den Tod, vor allem nicht auf diese Art und Weise, aber es geschieht nun einmal so. Warum, weiß ich auch nicht, nur, dass, wenn du so etwas träumst, ich es bin, der es ausführt. Unbewusst, so, als würde ich schlafwandeln. Aber bevor du dazu jetzt was sagst oder die Bullen anrufst, solltest du wissen, dass du es warst, der die ‚Clowns’ auf den Gewissen hat.“
 

„Die wer?“
 

„Das ist eine Gang gewesen, bei der ich mal dabei war. Sie hatten mir damit gedroht, mich kalt zu machen, sollte ich nicht wieder in die Gang einsteigen. Na ja, und nach und nach wurde einer nach den anderen in meinen Träumen umgebracht und am nächsten Tag wirklich tot aufgefunden.“
 

Kaiba schluckte schwer...

Allein der Gedanke daran, dass er zu so etwas im Stande sein sollte, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
 

„Es ist praktisch...“

„Was?“
 

„Du kennst meine Feinde nicht und sie kennen dich nicht, außer vielleicht aus der Zeitung oder dem Fernseher. Niemand würde glauben, dass du einen dämlichen Straßenjungen gekillt hättest. Und ich kenne deine Feinde nicht und sie mich nicht. Was hätte es für einen Sinn für mich, sie also umzubringen, da ich von ihrer Position und den ganzen Scheiß doch eh keine Ahnung habe, um daraus eventuell Profit schlagen zu können?!“
 

Joey setze sich wieder hin, ließ die Beine baumeln und grinste Kaiba kindlich und unschuldig an, ehe er sich erhob und zum Fenster ging.
 

„Ich weiß nicht, was es ist, dass uns das antut, und dazu bringt, so etwas zu tun, aber es scheint etwas dagegen zu haben, dass wir zusammen sind. Also, ich meine zusammen in einem Raum, nicht zusammen in dem Sinne von zusammen sein!“, stotterte Joey vor sich her und wedelte mit den Händen vor sich rum.
 

„Wheeler... verschone mich jetzt bitte mit deiner überschüssigen Fantasie. Mir reicht das andere schon vollkommen.“, gab Kaiba genervt kontra und rieb sich mal wieder die Schläfer, so, wie er es immer tat, wenn er mit etwas überfordert war oder einfach nur bis aufs Blut gereizt war, „Woher weißt du das alles eigentlich?“, fragte Kaiba noch und blickte etwas entspannter zu Joey rauf.
 

„Ich... ich hatte es aufgeschrieben... im Schlaf, da hatte ich es aufgeschrieben. Es steht noch immer an... an meiner Wand... Ich habe mich nicht getraut, das Blut da weg zu wischen...“

„Blut?“
 

Joey nickte.
 

„Wir fahren zu dir!“, befahl Kaiba und griff Joey am Handgelenk, zog ihn aus seinem Zimmer raus, den Flur entlang und die Treppe hinunter, legte ihm eine seiner Jacken über und verließ mit ihm das Haus. Erst draußen ließ Kaiba Joey wieder los und schritt zur Garage, fuhr mit einen seiner Autos vor und befahl Joey, seinen Hinter sofort hinein zu schwingen, ehe er ihm diesen versohlen würde. Ein wenig eingeschüchtert tat Joey was ihm gesagt wurde und setzte sich auf dem Beifahrersitz.
 

„Du... Du kannst Auto fahren?“
 

Ein giftiger Seitenblick traf Joey, woraufhin er zusammenzuckte und starr aus dem Fenster guckte.
 

Die ganze Zeit über hatten sie nicht ein Wort miteinander gewechselt. Erst, als sie vor dem Familienhaus zu stehen kamen, in dem Joey schon seit Jahren wohnte, platze es aus Joey heraus.
 

„Woher weißt du, bitteschön, wo ich wohne?“
 

„Joey, ich weiß sogar welche Schuhgröße du hast, seit wann deine Eltern geschieden sind, was deine Lieblings-TV-Serie ist, dass du in einem Club arbeitest, du in Mathe eigentlich gar nicht so dämlich bist, wie du immer tust, verdammt noch mal, ich weiß sogar, wie oft du in einer Minute Luft holst, was selber du nicht einmal weißt!“
 

Joey war nach jedem neuen Wort, welches Kaiba giftiger als eine Python von sich gab, immer tiefer in die weichen Polster gesunken und lag nun förmlich unter Kaiba, der sich nach jedem weiteren Wort ein Stückchen mehr über Joey gebeugt hatte.

Nahe, viel zu nahe waren sich beide nun. Beide schoss ein und derselbe Gedanke durch den Kopf: Das Geschehen, das Handeln von Kaiba am gestrigen Vormittag, als er Joey auf seine Art und Weise dazu zwang, diese bläuliche Tablette zu schlucken. Beide fuhren erschrocken wieder auf, als es am Fenster klopfte.
 

„Joseph, bist du das?“

„Frau Imai! Freut mich, Sie zu sehen, wie geht es Ihnen denn? Hat sich Ihr Mann wieder erholt?“

„Oh, danke der Nachfrage, Joseph. Mir und meinem Mann geht es wieder bestens! Aber wie geht es dir denn? Du siehst so mitgenommen aus und warst ganze drei Nächte lang nicht zuhause. Ich und Herbert haben uns große Sorgen gemacht. Wir dachten, dir sei etwas passiert...“
 

Beschämt sah Wheeler zum Boden und entschuldigte sich, erklärte, dass er die Tage über bei einem Freund übernachtet hatte und zeigte dabei auf Kaiba, welchen sie ihr freundlicherweise auch vorstellte. Begeistert die Bekanntschaft mit dem berühmtesten Jungen der Welt machen zu dürfen, lud sie beide zu einer heiße Tasse Schokolade ein, die Joey dankend annahm und Kaiba den Ellenbogen in die Seite rammte, damit auch er zustimmte. Widerwillig, versteht sich.
 

Die Wohnung des älteren Ehepaares lag im zweiten Stock. Sie war recht klein, hatte ein Wohnzimmer, das nur durch eine Trennwand vom Schlafzimmer, oder besser gesagt, vom Ehebett trennte. Die Küche hatte gerade mal so viel Platz, dass man reingehen, sich umdrehen und wieder raus gehen konnte. Vom Badezimmer ganz zu Schweigen!

Kaiba kam sich vor wie eine Ratte in der Falle! Alles war so eng, aber er versuchte dennoch, sich nichts anmerken zu lassen.

Dankend nahm er den Kakao entgegen und nahm auf den uralten Sofa platz, unterhielt sich eine ganze Weile mit Herrn Imai über Technik und war erstaunt darüber, was der alte Mann alles so kannte und was für Fantasien oder eben Einfälle er hatte, was man mit der Technik noch so alles machen konnte.

Eine Idee gefiel Kaiba ganz besonders, weswegen das Gespräch doch länger dauerte als gedacht.
 

Nach vier Tassen heißer Schokolade verabschiedeten sie sich dankend und gingen die Treppen hinauf. Joey wohnte ganz oben, er hatte sich den Dachboden damals ausgebaut, um seinen Vater zu entkommen. Die Wohnung, die sie eigentlich gemietet hatten, konnte man selbst nach der völligen Ausräumung nicht mehr benutzen. Selbst eine Sanierung, da war sich Joey sicher, würde hier keine Wunder mehr bewirken können.

Die Luke zum Dachboden öffnend, zog er eine Leiter hinunter und ließ Kaiba den Vortritt. Der Dachboden war groß und geräumig, zumindest im Gegensatz zu der Wohnung der Imais. Neugierig schaute sich Kaiba ein wenig um, auch wenn es nicht viel zu begutachten gab. Das Wohnzimmer war groß mit einer Mischung aus einem Holztisch, einem blauen Sofa und einem roten Sessel. Der Fernseher war genau so groß wie sein Laptop und das Regal, auf dem er stand, war grünlich angestrichen. Der Ausdruck Kunterbunt war wohl auf dem Mist von Joseph J. Wheeler gewachsen!

Auch das Badezimmer sah nicht anders aus. Fliesen in allen nur erdenklichen Farben zierten die Wände, die Dusche war mit einem Vorhang umrandet, auf dem eine Wüste abgedruckt war. Nur die Küche, die sah normal aus, wie jede andere Haushaltsküche eben auch. Joey muss eine ganze Weile gebraucht haben, bis er den Dachboden so umgeräumt hatte. Aber was Kaiba aber wirklich interessierte, war das Schlafzimmer des Schulkameraden, in dem sich angeblich die Erklärung anfinden lassen sollte.
 

„Wieso sind deine Schlafsachen denn im Wohnzimmer?“
 

„Glaubst du etwa, ich schlafe in einem blutverschmierten Raum?“, fragte Joey mit einem Unglauben in der Stimme, als würde er diese Art der Frage wirklich Ernst meinen. Er deutete auf eine Tür am Ende des kleinen Ganges. Mit sicheren Schritten trat er auf diese Tür zu, öffnete sie und trat in das Zimmer dahinter. Diese Unordnung, die hier hauste, erinnerte ihn stark an seinen kleinen Bruder. Er schaute sich um...

Ein normales Einmannbett, ein Kleiderschrank, ein Schreibtisch und die zerpflückte Wand dahinter. Jemand hatte mit voller Gewalt die Poster und Tapete abgerissen, die sich dort befunden hatte, und dabei mit den Fingern spuren, in den Kreide ähnlichen Baustoff dahinter, hinterlassen.

Blutverschmiert waren die Kratzer und in der Mitte stand es dann, rot auf weiß.
 

>Sein Traum ist deine Tat! Du wirst tun, was du nie getan hast, wirst deine Grenzen überschreiten, um dich selber zu schützen. Dein Traum ist seine Tat! Er wird tun, was er nie getan hat, wird Grenzen überschreiten, um sich selber zu schützen. Ihr werdet vernichten, was euch bedroht, auf den Kosten meiner... <
 

Kaiba führ mit seinen Fingern über die Schriftzüge. Er kannte Joey Schrift und das war eindeutig nicht seine. Jemand anders musste das geschrieben haben, aber wer?

Auch Joey war in das Zimmer gekommen und rieb sich die Arme. Ihm fröstelte es bei dem Anblick dieser roten Wörter.

Kaiba drehte sich um, nahm Joey an der Hand und zog ihn zu sich rüber, setzte Joey Finger an die Kratzer an und es war nicht zu übersehen, dass sie von Joey stammten. Es passte wie angegossen!

Hatte Joey sich seine Fingerkuppen an der Wand aufgerissen, sich blutig gekratzt und dann das hier geschrieben?

Wenn ja, wo sind dann die Wunden?
 

„Wheeler, seit wann steht das da schon?“

„Seit fast vier Wochen, bevor ich diese Träume bekam...“
 

Kaiba schaute sich Joey Finger genaustens an. Wenn man richtig hinsah, konnte man noch erkennen, dass die Finger vor einiger Zeit recht ramponiert waren. Er sprach es aber nicht weiter an, sondern verließ das Zimmer. Joey folgte ihm, nachdem er die Tür wieder verschlossen hatte und bot Kaiba an, sich doch zu setzen. Auch bot er ihn ein Glas Orangensaft an, denn etwas anderes hatte Joey derzeit nicht. Dankend lehnte Kaiba das Getränkeangebot ab, setzte sich aber dafür dankend auf den doch recht bequemen Sessel.
 

„Und nun?“, fragte Joey, als er sich auf dem Sofa niedergelassen hatte und hoffte, dass Kaiba eine hilfreiche Idee hatte.
 

„Keine Ahnung...“
 

Hilfreiche Idee Ade!

Kaiba wusste doch sonst alles, wieso jetzt nicht, wo es wirklich mal mehr als nur hilfreich gewesen wäre, seine Allwissenheit gezeigt zu bekommen?

Seufzend legte sich Joey recht links aufs Sofa und schloss die Augen.
 

„Sie waren zwei Nächte lang nicht da, also diese Träume...“, flüsterte Joey ins Kissen und schaute Kaiba erwartungsvoll an. Ihm war gerade nach einem kleinen Smalltalk und hoffte inständig, das Kaiba auch das Bedürfnis danach hatte.
 

„Ja, Gott sei Dank... Vielleicht war das ja auch nur so ne... Phase...“
 

Der Gedanke daran war zwar recht schön, doch bezweifelten sie beide das, dass es schon vorbei war. Noch eine ganze Weile blieben sie so, Kaiba, tief versunken in dem Sessel und Joey, auf den Bauch liegend, auf dem Sofa.

Gerade, als Kaiba Anstalten machte, sich zu erheben, drang eine Hitzewelle durch den Raum, der beide fast niederschlug. Keuchend versuchten sie beide nach Luft zu ringen und schauten sich panisch um.
 

„Ist... ist das wieder das von Samstag?“
 

Joey schüttelte den Kopf.
 

„Nein, dann wäre es kalt. Ich weiß auch nicht, was das sein soll!“
 

Wie aus Reflex schaute Joey zum Fenster und sah einen Atmen, der das Glas noch mehr zu beschlagen schien. Obwohl es draußen warm war, musste es hier drinnen so extrem heiß sein, dass das Glas beschlug und durch den Atmen nur noch sichtbarer wurde. Vorsichtig ging Joey zum Fenster hin, berührte das dünne Glas und spürte den Atmen durch diesen hindurch. Es war komisch, aber er hatte keine Angst. Was auch immer es war, was sich davor ihm befand, es war nicht dasselbe, wie das von den letzten Tagen und Nächten.
 

„Kaiba, sieh mal es... Kaiba?“
 

Jener schaute zu Boden. Die Haare verdeckten sein Gesicht und sein ganzes Wesen strahlte etwas Unheimliches aus, was Joey mehr als nur Angst einjagte. Er wollte noch etwas sagen, doch Kaiba drehte sich um und kratzte wie wild an der Wand, riss sich die Fingerkuppen auf und fing an zu schreiben. Wie versteinert stand Joey da, sah nur mit geweiteten Augen dem treiben Kaibas zu.

Auf einmal war die Hitzewelle wie verschwunden, als wäre sie niemals da gewesen und Kaiba hörte auf zu schreiben, sackte zusammen und fiel zu Boden.
 

„K... Kaiba!“
 

Wie, als ginge es um sein Leben, eilte Joey auf den verschwitzen Körper zu, rüttelte sachte an diesen, bis Kaiba wieder zu sich kam.
 

„Wheeler? Was ist los? Wo bin ich?“
 

Froh darüber, das Kaiba nicht verletzt zu sein schien, klärte er ihn schnell auf und holte das Verbandszeugs aus dem Badezimmer, verband Kaiba gerade zu liebevoll die Finger. Bislang hatte sich keiner getraut, der Wand auch nur einen Seitenblick zuzuwerfen. Aber die Neugierde in beiden war zu groß, als dass sie dem Drang noch länger hätten widerstehen können. Sich zunickend wandten sie sich um und fingen an zu lesen.
 

>Sein Traum ist deine Tat! Aber er träumt nur, wenn er nicht weiß, wo du bist, er nicht weiß, was du als Nächstes tust. Ihr werdet träumen, um euch zu finden... Dein Traum ist seine Tat! Aber du träumst nur, wenn du nicht weißt, wo er ist, du nicht weißt, was der als Nächstes tut. Ihr werdet träumen, um euch zu finden...<
 

„Hä?“, war das einzig Intelligente, was Joey dazu sagen konnte. Er verstand absolut nichts von dem, was da stand. Er konnte es sich nicht einmal ansatzweise denken.
 

„Ich glaube, ich verstehe es...“
 

„Dann spann mich nicht auf die Folter!“, zischte Joey Kaiba an und wartete auf eine Erklärung.
 

„Es ist ganz einfach. Solange ich weiß, was du treibst, was dein Tagesablauf ist, habe ich keine Grund irgendetwas mit dir zu träumen und anders herum.“
 

Kaiba zückte ein Handy aus seiner Jackentasche und drückte es Joey in die Hand.
 

„Du wirst mir einen Tagesplan von dir zusammenstellen. Sollte sich da etwas ändern, sagst du mir sofort Bescheid. Verstanden?! Ich werde dasselbe tun müssen, auch wenn es mir nicht gefällt. Aber wenn wir endlich mal wieder in Ruhe schlafen wollen, muss es wohl so sein. Der Rest wird sich ja hoffentlich von selber erledigen!“
 

Damit stand Kaiba auf und verschwand einfach.

Zurück blieb ein völlig verwirrter Joey, der das Handy anstarrte und dann zum Fenster.
 

„Nein, Kaiba... ich glaube nicht, dass das funktioniert...“
 

Am Fenster war noch etwas zurück geblieben. Ein Kreuz, auf den Kopf gestellt.

Die Hölle...?

fünf- sechs

.oO° Samstag °Oo.
 

Schon seit Montag läuft alles, im wahrsten Sinne des Wortes, nach Plan.

Wheeler hat mir eine Liste geschrieben, wann er meistens aufsteht, er sich die Zähne putzt, aufs Klo geht, sich umzieht, mit dem Bus fährt, in der Schule ankommt, welchen Unterricht er hat und bis wann. Als ob ich das nicht selber gewusst hätte!

Auch wann er wieder nach Hause kommt, wann er sich etwas zu Essen macht, wann er sich bis wann schlafen legt, wann er zur Arbeit marschiert und bis wann. Und wenn sich seine Arbeitszeiten verändern, so schreibt er mir immer eine SMS oder ruft mich sogar kurz an. Auch wann er mitten in der Nacht wieder nach Hause kommt, steht auf dem Zettel, sofern seine Arbeitszeiten nach Plan verlaufen. Wo er allerdings arbeitet, hat er mir nicht aufgeschrieben oder gesagt. Er hat sogar aufgeschrieben, wann er sich meistens übergibt, was mir doch die Frage stellen ließ, woher er das denn bitteschön so genau wusste...
 

Ich habe ihm natürlich auch aufgeschrieben, wie mein Arbeitsleben aussieht. Morgens um Punkt 6:00 Uhr stehe ich auf, trinke meinen Kaffee und gehe danach duschen. Um 6:45 werde ich zur Schule gefahren und bin um 7:00 Uhr dort. Von 7:10 bis 14:30 Uhr geht der Unterricht, was ich extra noch einmal aufgeschrieben hatte, da ich mir nicht so sicher war, ob Wheeler das auch noch wusste...

Wenn ein Termin dazwischen kam, so verständigte ich Wheeler auch per SMS, da ich ihn nicht unbedingt im Unterricht anrufen wollte. Auch was ich nach der Schule tat, stand ordentlich in Reih und Glied auf dem Blankblatt aufgeschrieben. Das ich von der Schule aus gleich zur Kaiba Corp. fuhr und ich dort immer bis genau 21:00 Uhr anzutreffen war. Hatte ich irgendwo anders ein Treffen mit einem anderen Firmenmitglied, so benachrichtigte ich Wheeler. Meist war es aber so, dass ich eh schon meinen Terminkalender im Kopf hatte und von daher schon alles vorher aufgeschrieben hatte, wo ich mich die ganze Woche über herumtreiben würde.

Es war ein komisches Gefühl, dass ausgerechnet Wheeler über meinen Tagesablauf besser informiert war, als, zum Beispiel, mein kleiner Bruder. Nicht einmal Roland wusste, dass ich die Angewohnheit hatte, erst nachdem Kaffe und vor dem Duschen mich mit der Fernseherzeitung auf dem Klo zu verewigen...

Ganz zu Schweigen von der Angewohnheit, dass ich mich vor dem Schlafengehen erst einmal für eine halbe Stunde auf den Balkon stellte, um die Sterne zu beobachten. So ein gefühlsduseliges Zeugs von mir durfte niemals an die Öffentlichkeit kommen und davon setze ich Wheeler mehr als nur deutlich in Kenntnis!
 

„Sir, ihr Kaffee.“

„Danke ihnen, Sibylle.“
 

Ob meine Sekretärin wusste, dass ich mich gerne auf den Balkon stellte?

Ich warf ihr einen schrägen Seitenblick zu, den sie sogleich erwiderte.
 

„Oh, ich wusste doch, dass ich etwas vergessen habe!“, stieß sie plötzlich aus und ich erschrak heftig. Sie stürmte aus meinem Büro heraus und kam mit einer kleinen Dose wieder, hielt sie über meinen Kaffee und drückte zweimal auf den roten Knopf, woraufhin zwei kleine tablettenähnliche Taps in meinen Kaffee plumpsten.

„Ich hatte den Süßstoff vergessen, verzeihen Sie mir bitter...“
 

Sie deutete eine Verbeugung an und ging wieder an ihren Arbeitsplatz. Zurück blieb ich mit einem verdatterten Gesichtsausdruck und meinem Kaffee.

Ja, manchmal machte mir diese Frau wirklich angst...
 

Seufzend ließ ich mich in den Computersessel sinken, lag schon förmlich in diesem Teil drinnen und fing an, meinen Kaffee zu schlürfen.

Seit Samstag hatte ich nicht einmal ansatzweise diesen Traum. Wheeler genauso wenig. Auch in den Nachrichten berichteten sie über keine weiteren Morde.

Ob dieser Albtraum jetzt vorbei ist?

Ich hoffe es doch inständig!

Ich starrte aus dem Fenster. Ich hatte jetzt jede menge Zeit. Ob ich Wheeler das auch texten sollte?

Eigentlich stand ja ein Termin auf der Tagesordnung, doch der Chef der... äh... jetzt ist mir doch glatt der Name dieser Firma entfallen. Jedenfalls hatte der Chef nichts Besseres zu tun, als sich die Grippe einzufangen und sah sich somit gezwungen, den Termin zu verschieben.
 

Ich musste mich echt zusammenreißen, meinen Kaffee nicht wegzuschmeißen, als auf einem das Tuten meiner Sprechanlage losging. Ich drückte auf den Knopf und hörte meine Sekretärin an der anderen Leitung.
 

„Verzeihen Sie die Störung, Herr Kaiba, aber hier steht ein junger Mann, der um ihre Aufmerksamkeit gerade zu bettelt. Er behauptet, es sei wichtig!“

„Welcher Junge?“, fragte ich ein wenig verwirrt und hatte anfangs gedacht, dass es sich um meinen Bruder handelt, doch der wäre einfach hier herein geplatzt.

„Keine Ahnung, Sir! Aber er ist blond, so viele gibt es ja von der Sorte hier nicht.“

„Hey! Ich habe mir das nicht ausgesucht, verstanden?!“
 

Wheeler?

Ich bringe ihn um!
 

„Schicken Sie den Köter rein!“

„Verzeihen Sie, Sir, aber welchen Köter meinen Sie?“

„Kaiba! Wie oft noch? Ich bin kein Köter!“
 

Sie fängt an zu Kichern und scheint verstanden zu haben, wen ich mit „Köter“ meinte. Ein Surren der Tür erklingt und Wheeler tritt herein, aber nicht ohne vorher meiner Sekretärin noch die Zunge heraus zu strecken. Manchmal bezweifle ich, dass Wheeler schon volljährig sein soll...
 

„Was willst du hier? Hatten wir nicht ausgemacht, dass wir uns Simsen, sollte sich unser Zeitplan verschieben?“, kühl wie immer stelle ich ihm diese Frage, doch lässt er sich wie üblich nicht davon beirren, kommt stattdessen auf mich zu, stützt seine Hände auf der Lehne meines Sessels ab und kommt mir unheimlich nahe. Ich muss schlucken!

Was soll das werden, wenn es fertig ist?
 

„Habe ich schon mal erwähnt gehabt, dass das hier alles absolute Zeitverschwendung ist?“

„Hä?“, ist das einzig Intelligente, was ich gerade zu Stande bringen kann. Erst eben ist mir aufgefallen, dass Joey scheinbar seine „Arbeitskleidung“ trägt.

Wo arbeitet der?

In der Bordellbranche?

Zumindest würde er so glatt damit durchgehen können...

Eine extrem eng anliegende Lederhose betont seine schmalen, langen Beine viel zu sehr. Das weiße Muskel-Shirt zeigt nur zu deutlich, dass er doch mehr auf seinen mageren Knochen hat, als man vermuten würde. Leicht lässt sich sein muskulöser Bauch sehen. Auch seine Brust, mit den aufgestellten Brustwarzen lässt sich nur schwer übersehen. Das Einzige, was nicht dazu passt, sind seine durchgetretenen Turnschuhe.

Was wohl meine Angestellten gedacht haben, als sie ihn gesehen haben?

Die werden bestimmt denken, ich hätte mir einen Stricher ins Büro bestellt! Ich sehe es schon vor mir: > Skandal Nummer 1 der Kaiba Corp.: Seto Kaiba steht tatsächlich auf Kerle, Trauer bei den weiblichen Fans groß. <

Ich werde jetzt wohl die Firma samt meiner Angestellten in die Luft jagen müssen, um so etwas zu vermeiden...
 

„Hallo? Hörst du mir überhaupt zu?“
 

Wheeler fuchtelt mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum und holt mich damit aus meiner Fantasie zurück.
 

„Da!“
 

Er hält mir ein Stück Tapete entgegen, welche ich skeptisch angucke.
 

„Das war im ‚Blue Eys’ an die Wand geschmiert worden.“
 

Ich falte den Zettel auseinander und lese die folgenden Zeilen.
 

> Er wird es vergessen, wird dich vergessen, wird es wiederholen lassen... Kälte und Wärme lassen es weiter hin tanzen, lassen es wieder geschehen... Er kann nicht aufhören, er wird es wieder tun... Du wirst es vergessen, wirst ihn vergessen, wirst es wiederholen... Kälte und Wärme lassen es weiterhin tanzen, lassen es wieder geschehen... Du kannst nicht aufhören, du wirst es wieder tun... <
 

Ich starre das Stück Tapete an und schließlich Wheeler.
 

„Was soll das?“, zische ich ihn an und er setzt sich auf den Stuhl gegenüber von mir.

„Weiß nicht! Der Typ, der es an die Wand geschrieben hatte, liegt jetzt im Krankenhaus.“

„Im Krankenhaus?“

„Ja... die Schrift, es sieht doch aus, wie mit einem Füller geschrieben...“, er deutet auf die Tapete und ich nicke, „Er hat eine Taube gerupft gehabt und sich die Federn in den linken Arm gestochen und angefangen mit seinem Blut zu schreiben. Er hat scheinbar eine Blutvergiftung davon getragen...“
 

Ich reibe mir die Schläfer.

Das darf doch alles nicht wahr sein!

Was soll der Scheiß?

Wir haben doch die ganze Woche über diesen Müll durchgezogen gehabt, haben das getan, was dieses Teil wollte, welches solch eine Hitze verursacht hatte!

Also, wieso jetzt wieder dieser Scheiß?

Ich hab darauf echt kein Bock mehr, es kotzt mich an!
 

Ich greife nach meinem Kaffee und leere ihn auf anhieb, befehle meiner Sekretärin, mir einen Neuen zu bringen, ehe ich mich dazu entscheide, dass sie gleich die ganze Kaffeekanne herbringen soll!

Sie tut, was ich ihr gesagt habe und nach nicht mal einer Minute steht der Kaffee auf meinem Pult. Sofort schenke ich mir nach und Sibylle verkrümelt sich wieder. Sie hat gemerkt, dass meine Laune gerade tiefer wie auf Null ist!
 

Wheeler hingegen zieht die ganze Zeit an seiner Hose und lässt sich nicht wirklich einschüchtern, von meiner momentanen angepissten Laune.

Ich weiß echt nicht, was mich mehr auf die Palme treiben soll, dieser Zettel oder Wheeler?
 

„Was machen wir jetzt?“

„Wenn ich das wüsste, würde ich mich nicht mit Kaffee voll laufen lassen!“, gifte ich ihn an, worauf hin er mir nur ein schiefes Lächeln schenkt.

OK, Wheeler treibt mich mehr auf die Palme!

Eindeutig!
 

„Was ist so witzig?“

„Mir ist gerade etwas eingefallen...“

„Und das wäre? Ich hoffe für dich, dass es etwas Sinnvolles ist, da ich dir sonst einen gratis Freiflug aus dem 43. Stock schenken werde.“
 

Sein Traum ist deine Tat! Aber er träumt nur, wenn er nicht weiß, wo du bist, er nicht weiß, was du als Nächstes tust. Ihr werdet träumen, um euch zu finden! Ich weiß zwar, was du tust, doch ich weiß nie, wo du bist. Selbst wenn ich es wüsste, wüsste ich nicht, was genau du tust. Wann du etwas sagst, wann du nur zuhörst, wann du etwas schreibst, du telefonierst, all das weiß ich nicht und ich kann es auch gar nicht wissen, da du es ja selber noch nicht einmal weißt.“
 

Dein Traum ist seine Tat! Aber du träumst nur, wenn du nicht weißt, wo er ist, du nicht weißt, was der als Nächstes tut. Ihr werdet träumen, um euch zu finden! Ich weiß zwar auch, was du tust, aber ich weiß nicht wo und in welcher Reihenfolge. Wann du mit wem sprichst, über was du mit ihm redest, weiß nicht, wann du etwas isst oder trinkst. Ich kann es auch nicht wissen, weil du es ja selber nicht einmal weißt.“
 

Lange starrten wir uns nur an.

Sollte das etwa heißen, dass Wheeler und ich uns 24 Stunden am Tag auf die Pelle rücken sollen?

Nur über meine Leiche!

Soll Wheeler mir demnächst vielleicht auch noch Hilfestellung leisten, wenn ich mal das Bedürfnis habe, mir einen runter zu holen?

Ich glaube ja wohl, es hackt!

Irgendjemand da oben muss mich echt hassen!
 

„Und? Was machen wir nun?“

„Was willst du hören? Dass ich keine Ahnung habe? Denn ja, so ist es: Ich habe keine Ahnung!“

„Ist ja gut... ich freue mich auch nicht sonderlich darüber...“

„Schon gut... Ich bezweifle, dass du in der Lage wärest, so etwas mit Absicht zu machen...“
 

Wheeler plustert seine Wangen auf und greift nach meiner Tasse Kaffee, nimmt einen kräftigen Schluck und steht auf.
 

„Aber ich glaube, ich kenne jemanden, der vielleicht weiß, was Sache ist.“

„Na, da bin ich ja mal gespannt...“

..

.
 

„Yugi Muto? Das ist ein Witz. Sag mir, dass das ein Witz ist, wenn auch ein schlechter!?“

„Nö! Yugi kennt jede Menge mysteriöse Sachen. Und wenn nicht, kann uns bestimmt Yami weiterhelfen!“

„Wer ist Yami? Doch nicht etwa dieser angebliche Geist?“
 

Wheeler nickt und klingelt. Ein ziemlich alter Mann, wahrscheinlich Yugis Großvater, öffnet uns die Tür und freut sich scheinbar auch noch, Wheeler mal wieder zu Gesicht zu bekommen. Uns überfreundlich hineinbittend nehmen wir, ich mehr oder weniger, dankend das Angebot an.
 

„Yugi ist in seinem Zimmer, du kennst ja den Weg!“
 

Wheeler nickt ein weiteres Mal und schleift mich den Flur entlang und die Treppe hinauf. Am Ende des zweiten Flures bleibt er stehen und klopft an.
 

„Herein!“

„Hey Yugi, altes Haus.“

„Joey! Schön dich zu... Kaiba?“

„Nein, Santa Claus. Ho-Ho-Ho...”
 

Wheeler kann sich ein Lachen nicht verkneifen und auch Yugi fängt an zu grinsen.

Ja, was denn?

Natürlich „Kaiba“, wie viele gibt es denn sonst noch mit meinem Namen und meinem Aussehen?

Nachdem sich die beiden wieder gefangen hatten, setzen wir uns zu Yugi auf dem Boden und Wheeler fängt voller Eifer an, zu erzählen, nachdem Yugi und dieser Yami ihm versprochen hatten, auch nichts weiter zu erzählen!
 

„Das ist ja eine Wahnsinns Story! Und das ist alles echt passiert? Oh man... Und was stand nun auf dem letzen Zettel?“
 

Wheeler reichte ihm das Stück Tapete, damit sich Yugi mit eigenen Augen davon überzeugen konnte. Mir ist aufgefallen, dass seine Gesichtsfarbe ab und zu, an gewissen Stellen der Erzählung, immer mehr an Farbe verloren hatte. Ein Wunder, dass sich der Junge nicht übergeben hat.

Und der soll uns weiterhelfen können?

Wer’s glaubt...
 

„Hm... Du hast gesagt, dass es manchmal extrem heiß wird oder eben arschkalt. Aber nie beides zusammen!“

„Doch, einmal, bei Kaiba zu Hause, da war es im Badezimmer, in dem ich war, kalt und in dem Wohnzimmer, in dem Kaiba war, heiß.“

„So ist das also...“
 

„Wenn du was weißt, dann spuck es aus, sonst reißt mir bald der Geduldsfaden!“, brülle ich den kleinen Pimpf an. Dieser aber grinst nur ein wenig angeekelt.

Was denn jetzt schon wieder kaputt?
 

„Joey scheint die Kälte zu, na ja, ich sage mal zu verkörpern. Du, Kaiba, verkörperst die Wärme. Wenn ihr beide aufeinander knallt, wird es lauwarm, da sich beide Quellen vermischen. Ich weiß, dass das abwegig klingt, aber vielleicht müsst ihr Kälte und Wärme einfach nur kombinieren, um diese Träume los zu werden...“
 

Wenn man so darüber nachdenkt, klingt das ganz plausibel. Aber wie sollen wir das anstellen?

Wir müssen doch nicht etwa...
 

„...zusammen töten?“, fragte Wheeler mehr als nur kleinlaut und nahm mir somit die Worte aus dem Mund. Bisher hat einer geschlafen, während der andere tötete. Ich arbeitete tagsüber, Wheeler schlief. Wheeler arbeitete nachts, ich schlief. Aber wir hatten doch bei mir gemeinsam geschlafen und hatten nichts geträumt. Sollten wir etwa auf nüchternen Magen, im wachen Zustand jemanden... ermorden?
 

„Du hast gesagt, als du bei Kaiba übernachtet hattest, du nichts geträumt hast. Dann versucht doch, beide gleichzeitig, jeder, bei sich zu Hause, zu schlafen. Wenn ihr gleichzeitig einschlaft, müsstet ihr auch gleichzeitig anfangen zu träumen, denke ich mir zumindest mal.“

„Ein Versuch wäre es ja wert, besser wie nichts. Danke Yugi und dir auch Yami. Ihr habt uns sehr geholfen. Nicht wahr, K.a.i.b.a.?“
 

Habe ich schon einmal erwähnt gehabt, dass ich es hasse, wie er meinen Namen betont?

Ein „Pah“ von mir gebend, erhebe ich mich und verlasse das kleine Häuschen. Wheeler rennt mir nach, nachdem er sich noch von dem alten Mann verabschiedet hatte und zickt mich dämlich von der Seite an, was für eine Art das wäre, meine Dankbarkeit zu zeigen.
 

„Wenn es funktioniert kann ich mich immer noch b.e.d.a.n.k.e.n.“
 

Ich habe das letzte Wort extra betont, damit Wheeler auch ja nicht auf die Idee kommt, mich weiterhin zu nerven.
 

„Geh nach Hause... Ich werde dich in exakt einer Stunde anrufen, damit wir die letzten Details besprechen können. Solltest du Mist bauen, werde ich dir höchstpersönlich, mit meinen eigenen Händen, den wohl schmerzhaftesten Tod der Geschichte zu Teil kommen lassen. War das deutlich genug?!“

„Selbst verständlich, eure Exelens! Euer Wunsch ist mir Befehl!“, giftet er zurück und biegt die nächste Straße ab. Wenn das wirklich unsere einzige Chance sein sollte und Wheeler es verpatzt, bringe ich ihn wirklich um!
 

Mich auf den Weg nach Hause machend, bekommt mich ein komisches Gefühl. Hitze steigt in mir auf und ich weiß ganz genau, woher sie kommt. Dieses „es“, wie Wheeler es immer beschreibt, ist wieder da!

Ich lege einen Zahn zu und bin in Null Komma Nichts wieder zu Hause. Sofort stürme ich zum Telefon und rufe Wheeler an. Völlig außer Atem nimmt er ab und pfeift mich erst einmal an, ob das bei mir eine Stunde sei?!

Ich gehe nicht weiter darauf ein, sondern beordere ihn dazu, sich auf der Stelle ins Bett zu legen und zu schlafen, erkläre ihm, dass es schon wieder so komisch heiß sei. Er stimmt mir zu, ergeht es ihm nicht anders, nur mit dem einzigen Unterschied, dass ihm eiskalt ist.
 

Ich legte wieder auf, zog mich um und legte mich ins Bett. Panik und die totale Angst stieg in mir hoch. Ich wollt, doch konnte ich einfach nicht schlafen. Mich hin und her wendend griff ich zum Nachttisch und zur Schublade. Schlaftabletten, was anderes viel mir gerade nicht ein!

Zwei dieser Tabletten in dem Glas Wasser auflösend, schluckte ich alles hinunter, legte mich wieder hin und spürte, wie meine Augen immer schwerer und schwerer wurden.

Das Letzte, was ich sah, war wie sich die Fenster wieder beschlugen und weiter unten ein Atem zu sehen war. Dann schlief ich ein...

..

.

alle man(n) auf Ex!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

sieben - acht

.oO° Montag °Oo.
 

„Was machen wir jetzt? Ich... ich kann das nicht mehr... ich...“

„Schon gut. Ich weiß, was du meinst...“
 

Schon seit heute morgen sitzen Kaiba und ich in seinem Schlafzimmer und versuchen ein Gespräch aufzubauen, an dem bis bislang kläglich gescheitert sind.

Kurz nachdem mich Frau Imai geweckt hatte, bin ich zu Kaibas Anwesen getürmt und habe wie besessen die Türklingel betätigt und als man mir endlich die Tür geöffnet hatte, kam ich sogleich hereingestürmt und platze in Kaiba sein Zimmer. Panik, Verzweiflung und Angst spiegelten sich in meinen Augen wieder und Kaiba schien es nicht anders zu ergehen, hatte er doch denselben Ausdruck in den Augen wie ich selber.
 

„Sie werden uns finden... Die werden uns einsperren, wenn nicht sogar hinrichten lassen...“, winselte ich und sah dabei betrübt zu Boden. Diesmal haben wir es übertrieben, wenn man jetzt keine Spuren findet, die zu uns führen, dann weiß ich auch nicht mehr.
 

„Es ist doch alles verbrannt...“
 

Ich hebe meinen Kopf und sehe Kaiba fragend an.
 

„Verbrannt?“, ist das Einzige, was ich heraus bekomme.

„Das Feuer hat bestimmt alles vernichtet, was irgendeine Spur hinterlassen hätte! Überleg doch mal: Wenn es nicht so wäre, wären sie doch schon längst hier. Deine Fingerabdrücke sind in der Datenbank, weil du dich nicht gerade oft sauber verhalten hast. Meine, weil ich einer der bedeutersten Männer hier in Japan bin!“

„Hey! Ich habe nie etwas Schlimmes gemacht... gehabt...“, nuschle ich zur Verteidigung, was ja wohl ehr ein Schuss in den Ofen war. Kaiba reibt sich mal wieder die Schläfer und ich betete zu Gott, dass er jemanden schickt, der dem ganzen ein Ende bereiten würde.
 

„Kaiba!“
 

Mit einem Krawall springt die Tür auf und ein mir nur all zu gut bekannter Junge steht dort und grinst von einem Ohr zum anderen.
 

„Oh, Joey, du bist auch hier? Na, das trifft sich aber gut!“, pfeift er fröhlich vor sich her, als wäre nie etwas passiert, die Welt ein Paradies und ich Jesus persönlich. Yugi kommt auf uns zu, nachdem er mit aller größten Sorgfalt die Tür verriegelt und verrammelt hatte und legt ein ziemlich alter Papierfetzen auf Kaibas frisch polierten Schreibtisch.
 

„Ich habe Marik angerufen und ihm das erzählt, was ihr mir erzählt habt. Aber keine Panik, ich habe ihm nicht gesagt, das es sich um euch handelt! Jedenfalls hat er mir das hier zukommen lassen. Es ist eine alte Schriftrolle, in der dasselbe Phänomen beschrieben wird, wie ihr es gerade durchlebt. Da drinnen werden auch Wärme und Kälte beschrieben, die in Form von Wölkchen auftreten. Man hielt sie damals für Götter! Erst als die ersten Morde geschahen, fingen sie an, Kälte und Wärme zu fürchten und versuchten alles, um diese Wesen einzufangen und zu versiegeln. Das klappte aber nicht ganz, stattdessen brachten sie die beiden jungen Männer um, die von den Wölkchen gelenkt wurden. Der Spuk hörte auf, aber nur für ein paar Tage, da sich diese Dinger schon wieder neue Körper gesucht hatten und alles wieder von vorn beginnen ließen. Die beiden neuen Männer versuchten alles, um diese Wesen in sich wieder los zu werden und taten dasselbe, wie ihr die Nächte von Samstag auf Sonntag. Aber das hatte leider auch nicht ganz geklappt, aber ihn fiel auf, dass sich die Wolken für eine kurze Zeit über vermischt hatten und zu einer wurden.“
 

„Ja, so schlau sind wir auch schon! Hat deine Erzählung auch einen Punkt, irgendeinen Vorschlag der uns weiter hilft?“

„Gifte Yugi nicht so an! Er versucht uns doch nur zu helfen!“
 

Kaiba einen vernichtenden Blick zu werfend, dass er lieber froh sein sollte, dass Yugi uns überhaupt hilft, scheint der seine Gedanken schon wieder ganz wo anders zu haben
 

„Also schön... Die beiden Männer waren sich einig darüber, dass dieser Albtraum nur ein Ende haben könne, wenn sich die beiden Wölkchen auf ewig vereinen. Doch dazu muss es auch eine Vereinigung der beiden Träger geben. Na ja, und... also... es ist so, dass...“
 

„W.A.S.?!”, fragt Kaiba gereizt und blickt von Yugi zu mir. Ich hingegen war knallrot angelaufen und wendete meinen Blick von Kaiba und Yugi ab, „Ich würde gerne auch aufgeklärt werden...“, zischte Kaiba und zog somit meine Aufmerksamkeit wieder auf sich.
 

„Weißt du Kaiba... also... na ja, dass ist so, dass... sagen wir mal so: Wie viele ‚Vereinigungen’ zweier Menschen fallen dir denn so auf Anhieb ein?“
 

Kaiba überlegt kurz und ich bemerke, wie ihm sämtliche Farbe aus dem Gesicht entweicht. Er steht auf und geht ins Badezimmer, dreht den Duschhahn auf und stellt sich drunter.

Was soll das denn werden, wenn es fertig ist?

Hat er jetzt vollkommen den Verstand verloren?
 

Völlig durchweicht steigt Kaiba wieder aus der Dusche raus und blickt ins Schlafzimmer, in dem er Yugi und mich wie gehabt sitzen sieht. Ich glaube, er hält das alles für einen Albtraum...

Kaiba trottet zurück zu seinem Sessel. Das Wasser, das an ihm heruntertrieft, versackt in dem weichen Teppich und hinterlässt dunkle Flecken. Sachte setzt er sich hin und versucht eindeutig die Beherrschung zu bewaren.
 

„Wieso ist dieses Teil jetzt wieder da?“, fragt er mit aller Selbstbeherrschung, die Kaiba noch aufbringen kann.

„Na ja, irgendjemand hat es befreit! Als die beiden Männer die Wölkchen zu einem gemacht hatten, haben sie eingesperrt und versiegelt. Irgendwer muss das Siegel gebrochen haben. Aber dafür, dass es über 7000 Jahre weggesperrt war, kann man sich eigentlich nicht beschweren.“

„Ich werde dich gleich wegsperren!“, zischt Kaiba Yugi gefährlich an, woraufhin er sich verabschiedet und rückwärts aus seinem Zimmer stolpert. Seine Blick auf mich richtend, fange ich an verschwitzt zu grinsen.
 

„Hey, Kaiba...“, ich versuche mir ein Lächeln aufzuzwingen, „Sieh es doch mal so: Besser wie jemanden umzubringen. Oder?“

„Wheeler... Mein Leben ist seit den letzen paar Wochen die reinste Hölle! Und nun kommt dein kleiner Busenfreund hier hereinspaziert und will mir weiß machen, dass die einzige Möglichkeit, mein Leben wieder zu normalisieren, ist, dass ich mit dir vögle?!“
 

Ich nicke und laufe ein weiteres mal knallrot an.

Ich bin tot und in der Hölle! Bitte sage mir jemand, dass ich gestorben bin und die Hölle mich einfach nur foltert!

B.i.t.t.e.!

Kaiba seufzt.
 

„Ich... ich sollte jetzt lieber gehen...“, stottere ich vor mir her und will gerade aufstehen.

„Oh nein, Freundchen, du wirst schön hier bleiben! Wegen dir bin ich weder meiner Schulpflicht noch meiner Arbeit nachgekommen. Also wirst du das gefälligst auch wieder in Ordnung bringen!“

„Wieso bin ich immer an allem Schuld? Und wie soll ich das bitteschön wieder in Ordnung bringen?“
 

Ein Lächeln huscht über seine Lippen, woraufhin ich leicht zusammenzuckt. Kaiba steht auf, geht auf mich zu und beugt sich über mich rüber, führt seinen Mund an mein Ohr und flüstert ein „Lass dir was einfallen...“ hinein, ehe er mich packt und mit nach unten schleift.

Dort stehen Yugi und Mokuba und unterhalten sich über etwas, scheinbar sehr interessantes. Als sich mich und diesen Sklaventreiber bemerken, hören sie plötzlich auf zu reden und Yugi verkrümelt sich aus Kaibas Haus.
 

„Gibt es etwas, dass ich wissen sollte?“
 

Mokuba schüttelt heftig mit dem Kopf und geht in die Küche. Ich blicke ihn fragend hinterher.
 

„Roland?“

„Ja, Master Kaiba?“

„Lassen Sie bitte eins der Gästezimmer fertig machen! Wheeler wird uns eine Zeit lang erhalten bleiben. Oder haben wir vielleicht noch eine der Hundehütten frei?“

„Kaiba!“, fauche ich Kaiba an und entreiße mich aus seinem Griff.

„Jawohl, Master Kaiba. Dürfte ich Sie etwas fragen? Hat es einen bestimmten Grund, das Ihre Kleidung so durchnässt ist?“

„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.“, zischt Kaiba Roland an. Roland deutet eine Verbeugung an und geht ebenfalls in die Küche.

Kaiba geht ins Wohnzimmer und beordert mich dazu, ihm zu folgen und hier so lange zu warten, bis „mein“ Zimmer fertig ist.
 

Nach einer halben Stunde gab Roland dann endlich Bescheid, dass das Zimmer fertig sei und ich jetzt dort hausen könne. Kaiba bedankte sich bei ihm und führte mich zu meinem, vorerst, Schlafgemach.
 

„Wow!“, ist das Einzige, was ich hervorbringen kann. Wenn ich mir die Maße meiner Wohnung richtig gemerkt habe, entspricht meine ganze Bude diesem Zimmer. Mich aufs Bett schmeißend, drehe ich mich einmal über dieses rüber und begutachte von dort aus den Rest des Zimmers.
 

„Also, daran könnte ich mich glatt gewöhnen...“, lächle ich Kaiba an.

„Hättest du wohl gern.“

„Hey, sei ein bisschen netter zu mir! Immerhin bezweifle ich, dass du den passiven Part einnehmen möchtest.“

„Wheeler!“, faucht er mich an und es ist nicht zu übersehen, wie ihm die Röte ins Gesicht schießt. Ich hingegen komme aus meinem Lachanfall nicht mehr heraus. Sich dezent räuspern wende ich meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn.
 

„Abendessen gibt es in 15 Minuten! Ich möchte, dass du dich dazu ordentlich anziehst. Kleidung, die dir passen müsste, findest du im Schrank. Und dusch dich vorher!“
 

Damit machte ich kehrt und schließe die Tür hinter sich. Wie mir befohlen wurde, entledige ich mich meiner Kleidung und stelle mich unter die Dusche. So eine Dusche ist doch was Schönes! Ich habe zuhause nur eine kleine Badewanne stehen und da drinnen zu duschen ist die Hölle!

Mich abwaschend und abtrocknend gehe ich auf den Schrank zu, der bald so groß ist wie meine Küche. Den Schrank öffnend, kann ich es mir nicht verkneifen, meinen Mund zu öffnen. Mann, hängt da ne Menge Krams drinnen!

Mich für ein schlichtes Hemd und eine ordentliche Jeanshose, die da komischerweise auch zwischen den ganzen Nobelkrams hing, entscheidend, ziehe ich mich um und versuchte danach meine Haare so gut es ging zu bändigen, woran ich wie immer kläglich scheiterte. Na ja, egal, so müsste es auch gehen!
 

Ich lege mich zurück aufs Bett und starre die Decke an.

Worüber Yugi wohl vorhin mit Mokuba gesprochen hatte?

..

.
 

„Spaghetti mit Tomatensoße?“

„Jup! Seto ist verrückt danach!”, verpetzt sein eigener Bruder Kaiba, woraufhin Kaiba nur ein spöttisches Lächeln schenkte. Der große, allmächtige Seto Kaiba steht auf weiche, lange Nudeln...
 

Nachdem wir fertig gegessen hatten, lief Mokuba in die Küche und holte uns dreien eine Flasche Coca Cola. Wieso er das selber gemacht hatte, statt einen der Bediensteten zu rufen, sollte ich noch früh genug erfahren...

Jedem etwas, mit voller Unschuld, einschenkend, trank ich ohne einen Gedanken an das Verhalten Mokubas zu verschwenden.

Wir gingen ins Wohnzimmer und setzten uns vor dem Fernseher. Auf einmal wurde mir schrecklich heiß. Ich hatte anfangs die Befürchtung, dass es sich schon wieder um dieses komische wolkenähnliche Teil handelte, doch diese Wärme staute sich ganz wo anders, als sie eigentlich sein sollte. Und außerdem wurde mir dann immer kalt, und nicht heiß!

Sich entschuldigend verließ Kaiba auf einmal das Wohnzimmer. Irritiert schaute ich ihn hinterher.
 

„Oh Oh...“, gab Mokuba von sich und ich fragte ihn, was er meinte. Er erzählte mir, worüber er vorhin mit Yugi gesprochen hatte. In meinem Hals hatte sich ein gigantischer Kloß gebildet!
 

„Tut mir Leid, aber ich... ich wollte doch nur helfen...“

„Schon OK, Kurzer! Dann werde ich jetzt wohl besser mal nach deinem Bruder sehen...“
 

Keuchend stand ich auf und lief knallrot an. Eine ganz bestimmte Stelle meines Körpers meldete sich und das auch noch vor Mokuba, was mir mehr als nur peinlich war!

Fluchtartig verließ ich das Wohnzimmer und ging zu Kaibas Schlafzimmer und zu dessen angrenzenden Bad.
 

„Dein Bruder ist genauso link wie du... Hast du echt toll hinbekommen!“, keuchte ich hervor und mir lief es heiß und kalt den Rücken hinunter.

Wieso erregte mich meine eigene Stimme jetzt auf einmal so dermaßen?

Das ist doch krank!

„Sagt dir Aphrodisiakum etwas?“

„Nein, Wheeler, ich bin doof, wusstest du das noch nicht?“, zickt er mich an und drehe sich zu mir um, „Wieso fragst du mich das?“
 

Mein Blick wandert an Kaiba herunter.

Scheiße, aber auch!

Kaiba hatte doch tatsächlich einen Ständer!

Ich meine, ich auch, aber...

Oh, Gott... das war ja jetzt schon eine nicht zu übersehende Größe!
 

„Deswegen... Yugi hat deinem Bruder etwas davon gegeben und Mokuba hat die Cola damit verseucht. Deswegen hat er selber auch nichts getrunken!“

„Mokuba. Hat. Was.?!“
 

Ich würde es auch nicht glauben wollen, hätte man mir erzählt, dass meine Schwester mich und meinen Erzfeind unter Droge gesetzt hätte. Ich überwinde die letzten Zentimeter, die uns trennen und schlinge meine Arme um seine Hüfte, drücke mich dicht an ihn heran und ich spüre, dass auch er nicht minder erregt ist wie ich selber.
 

„Versuchen kann man es doch mal...“, gebe ich ziemlich kleinlaut von mir und eine Gänsehaut bildet sich auf meinem Körper, aber auch ein Grinsen huscht über meine Lippen. Die Vorstellung, Kaiba das zu geben, was er sich so gesehen schon immer gewünscht hatte, nämlich mich unter sich zu sehen, auch wenn damit ganz bestimmt nicht das gemeint war, gefällt mir irgendwie. Vielleicht vergeht Kaiba ja dann endlich seine zu groß geratene Klappe!

Er beugt sich zu mir runter und legt seinen Kopf auf meiner Schulter ab, erwidert die Umarmung und knabbert leicht an meinem Ohrläppchen.
 

„Du hattest Recht mit deiner Vermutung... Ich werde bestimmt nicht den passiven Part übernehmen...“
 

Ich keuche gequält auf, als ich seine Berührungen spüre und fange an leicht zu zittern.
 

„Das ist mir egal, Hauptsache, du machst endlich etwas...“, stöhne ich gepresst hervor, als Kaiba anfängt mir über den Rücken zu streicheln. Fest kralle ich mich an seinem Shirt fest. Ich spüre, wie sein Körper immer heißer wird und seine Erregung immer mehr ansteigt. Bei mir ist es nicht anders...

Mich packend zieht er mich aus dem Badezimmer raus und ins Schlafzimmer rein, schupst mich mit sanfter Gewalt aufs Bett und fängt an, sich sein Shirt auszuziehen. Ich lasse ihn keine Sekunde aus den Augen, mustere seinen Oberkörper, als er ihn vollständig entblößt hat und aufs Bett steigt und über mich rüber krabblt.
 

„Ich werde mich ganz bestimmt nicht zurück halten, ich hoffe, dass ist dir klar.“
 

Ich nicke.
 

„Ich...“, fange ich an, breche den Satz aber ab. Ich kann ihm doch jetzt nicht einfach das sagen, was ich denke und was sich fühle. Er würde mich auslachen und von sich stoßen!

Er würde nicht mal mehr ein Wort mit mir wechseln, nicht einmal mehr zum streiten.

Nein, das will ich nicht!
 

Ich lege meine Arme auf seiner Schulter ab und verankere meine Hände hinter seinem Nacken, ziehe ihn zu mir runter und verteile leichte Küsse auf seinem Hals. Ein Kribbeln durchfährt mich, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe. Ich kann mich nicht erinnern, so etwas schon einmal getan zu haben und dann auch noch mit einem solch schönen Gefühl.

Ob das an dieser Droge liegt?

Kaiba erwidert mein Tun und verteilt ein paar hauchfeine Küsse auf meinem Brust- und Schlüsselbein. Ein Keuchen entweicht meiner Kehle und ich fange an, mich unter Kaiba zu winden. Mir gefällt dieses Tun von ihm und er macht tatsächlich weiter, beißt sich an manchen Stellen fest und leckt über die leicht geschundenen Stellen.
 

„Ah... S... Seto!“
 

Mir schießt die Röte ins Gesicht.

Seit wann hat Kaiba eine solche Wirkung auf mich?

Seit wann ist er eigentlich allgemein so verdammt sexy?

Mir ist das zwar schon bei ihm aufgefallen, dass er wirklich extrem gut aussehen kann, aber das er mich so anspornt, hätte ich mir nicht einmal im Traum einfallen lassen!

Er wandert mit seinen Händen unter mein Hemd und streichelt über meinen flachen Bauch. Heftig geht sein Atem, aber meiner ist auch nicht besser. An meinen Brustwarzen angekommen fängt Kaiba an, diese zwischen seinen Fingern zu drehen. Ein lusterfülltes Stöhnen ist meine einzige Antwort darauf.

Auch ich bleibe nicht länger untätig, streichle ihm sanft über den Rücken und versuche krampfhaft seinen Gürtel aufzubekommen. Kaiba kann sich ein Grinsen nicht verkeifen.

Langsam fängt er an, mein Hemd aufzuknöpfen, jeden Millimeter neu freigelegte Haut mit Küssen zu liebkosen. Warum ich das mitmache, mit mir machen lasse, weiß ich nicht, ich weiß nur, dass es sich wahnsinnig gut anfühlt und ich mehr davon haben will.

Endlich habe ich es geschafft ihm den Gürtel zu entfernen und werfe diesen achtlos auf den Boden. Mein Hemd folgt kurz danach. Als Kaiba mich meiner Hose entledigen will, fange ich an mich zu wehren und weiche von Kaiba zurück.

Panik steigt in mir auf!

Das geht mir jetzt aber doch alles ein zu schnell!
 

„Was ist los? Wollen wir etwa kneifen?“

„Ich... ich hab noch nie... also... auch nicht mit einem... Mädchen...“, stottere ich wie gewollt und nicht gekonnt.
 

Er sieht aus, als würde er mir nicht glauben!

Ja, Verzeihung, aber es hat ja nicht jeder das Glück, jede Nacht die Auswahl zwischen hundert verschiedenen Weibern zu haben!

Nicht, dass es da nicht schon ein Paar gäbe, die Interesse an mir hätten und die wirklich wahnsinnig hübsch sind, aber ich war halt noch nie soweit. Dass das die ganze Sache nicht gerade einfacher macht, ist mir klar und Kaiba scheinbar auch.
 

„Und? Wenn ich über dich herfallen wollte, hätte ich das schon längst tun können...“, versucht er mich zu beruhigen, auch, wenn es nicht gerade die feine englische Arte war.

„Ja... ich meine... Nein, es ist nur...“
 

Kaiba verdreht die Augen. Ich weiß, dass es gemein ist, ihn erst noch geiler zu machen, als er ohnehin schon ist und ihn dann abzuservieren, aber ich kann doch nichts dafür!
 

„Hör zu... Es war deine Idee, dass wir das hier durchziehen. Ich werde dir nicht wehtun, dass verspreche ich dir. Glaubst du, ich würde mir sonst so viel Zeit lassen, obwohl meine Hose langsam mehr als nur eng wird?“
 

Ich werde ein wenig rot über den Wangen und der Nase und schaue Kaiba bedrückt an.

Wenn ich es jetzt nicht endlich sage, dann werde ich es wohl nie heraus bekommen!
 

„Ich... ich glaube... ich... ich mag dich... also so richtig...“
 

„...“, mehr fiel Kaiba im Moment nicht dazu ein...

..

.

unsere Nacht(?)

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

neun - zehn

.oO° Freitag °Oo.
 

„Seto~... nun steh doch endlich auf! Du kommst zu spät zur Schule!“

„Noch fünf Minuten...“
 

Ich drehe mich auf die andere Seite und schlage abrupt die Augen auf, sitze Kerzengerade in meinem Bett und starre Mokuba an.
 

„Wo ist Joey?“

„Joey? Seit wann nennst du ihn denn beim Namen? Bist du krank?“
 

Mokuba legt mir seine Hand auf die Stirn und schüttelt mit dem Kopf.
 

„Also Fieber hast du nicht... Tut dir sonst etwas weh?“

„Mokuba! Hör auf mit dem Scheiß! Sag mir endlich, wo Joey... wo Wheeler ist!“

„Ich würde mal sagen in der Schule... Wo soll er denn sonst sein?“
 

Ich schaue meinen Bruder fragend an.
 

„Aber er war doch gestern hier, oder?“
 

Mokuba fängt an zu Lachen.
 

„Also den Tag, an dem du Joey freiwillig hier rein lässt, den werde ich zum Nationalfeiertag ernennen lassen!“
 

Ich reibe mir die Schläfer...

Das darf doch alles nicht wahr sein.

Habe ich bloß geträumt?

Alles von letzter Nacht?

Aber es war doch so... so intensiv, so real!
 

„Ach ja, die Sekretärin von Herr Ikatasawa hat angerufen und den Termin abgesagt. Herr Ikatasawa ist seit ein paar Tagen verschwunden, was schon ein wenig merkwürdig ist, da extrem viele Geschäftsmänner auf einmal wie vom Erdboden verschluckt sind. Pass bloß auf dich auf, versprochen?“
 

Ich nicke, denn zu etwas anderem bin ich gerade nicht fähig.

Verschwunden?

Nicht tot?

Nicht ermordet?

Einfach nur... verschwunden?
 

Ich stehe auf und gehe ins Bad, durchsuche alle meine Sachen finde aber nichts, was auf die letzten Tage hindeutet. Kein Blut, keine Messer, kein gar nichts...

Auch als ich meinen Kleiderschrank auseinander nehme, finde ich nichts, was auch nur annährend nach Blut oder einer Mordwaffe aussieht.

Ich habe bloß geträumt...

Alles war nur ein schlechter Traum...

Ich stürze zum Kalender und schaue aufs Datum. Freitag vor einer Woche...

Der Tag, an dem Herr Ikatasawa umgebracht wurde...

Der Tag, an dem ich mich mit Joey noch in der Wolle hatte, weil er mir in der Schule wieder so dermaßen auf den Piss ging...

Der Tag, an dem ich... zu spät kam...
 

Ich schlüpfe in ein paar frische Klamotten und stürme in den Flur, schnappe Roland, der gerade so da herumstand und befehle ihm, mich auf der Stelle zur Schule zu fahren. Dort angekommen stürze ich ins Klassenzimmer und erblicke Joey, wie er da mit seinem Trupp steht und dasselbe sagt, wie letztes Mal.
 

„Man, war das wieder einmal langweilig! Wie können Lehrer nur so viel Scheiße von sich geben und das dann auch noch jahrelang wiederholen, echt unbegreiflich!“

„Joey! Du kannst dir noch mehr Ärger nicht erlauben! Wenn du schon lästern musst, dann bitte dann, wenn du vom Schulgelände runter bist!“

„Ach was, sollen sie es doch mitbekommen! Aber ist ja eh typisch, dass Leute wie ich immer gleich die Todesstrafe bekommen, während andere Leute dafür sogar noch nen Orden bekommen. Und nein, ich rede hierbei nicht so zufälligerweise von einem gewissen Eisblock, der es mal wieder nicht nötig hatte, seinen Eisarsch hier herzuschwingen!“
 

„Tea hat Recht, Joey. Lass das lieber, noch mehr... Ärger...“
 

Er dreht sich zu mir um und schaut mir tief in die Augen.
 

„Nicht wahr, Kaiba?“, grinst er mir entgegen und ich muss schlucken, gehe dennoch auf ihn zu, beuge mich zu ihm runter und flüstere ihm ein „Ich wusste gar nicht, dass du dich so für meinen Hintern interessierst...“ ins Ohr.

„Stimmt, ich auch nicht...“, gibt er zur Antwort, „Ich interessiere mich da ehr für etwas ganz anderes...“, fügt er noch hinzu, woraufhin ich ihn am Handgelenk packe und aus den Klassenraum ziehe. Die verdatterten Blicke vom Kindergarten-Club ignoriere ich gekonnt.
 

„Was ist hier los?“, fauche ich Joey an und drücke ihn gegen die Wand. Ein schmerzerfülltes Keuchen entweicht seiner Kehle und mit verzogener Miene reibt er sich den Hintern.
 

„Sei ein bisschen sanfter, klar? Ich habe eh schon Schwierigkeiten zu sitzen!“
 

Mir schießt schlagartig die Röte ins Gesicht.

Habe ich doch nicht geträumt?
 

„Hör zu, ich habe selber keine Peilung, was hier abgeht, aber immerhin gibt es bislang noch keine Tote. Die Leute gelten alle nur als verschwunden, falls du das noch nicht mitbekommen haben solltest. Aber ich habe heute Morgen etwas in meinem Bett gefunden!“
 

Er wühlt in seiner Hosentasche und zieht einen Gegenstand heraus. Es ist die eine Hälfte eines Ying und Yang Zeichens. Es ist blau, mit leichten, verschwommenen Mustern und erinnert stark an Frost.
 

„Wo ist die andere Hälfte?“

„Weiß nicht... Vielleicht in deinem Bett?“
 

Er zuckt mit den Schultern.

Ein weiteres Mal packe ich ihn am Handgelenk und schleife ihn aus dem Schulgebäude heraus, beordere Roland dazu, mich wieder abzuholen und das auf der Stelle.
 

Keine fünf Minuten später kommt er auch schon mit hunderst Sachen um die Ecke gebrettert und lässt die Reifen extrem laut quietschen, als er eine Vollbremsung hinlegt. Ich steige ein und ziehe Wheeler mit.

Roland fährt los. Er fragt erst gar nicht, wohin, kann er sich doch schon denken, dass es zu mir nach Hause gehen soll.

Dort angekommen, stürmen Wheeler als auch ich in mein Schlafzimmer. Mein Bruder guckt uns nur verpeilt an, als er Wheeler sieht und kratzt sich fragend am Hinterkopf.

Na, dann viel Spaß, diesen Tag zum Nationalfeiertag zu ernennen!
 

„Ich suche im Badezimmer und du hier!“, befehle ich Wheeler, der stur stracks aufs Bett zugeht, ein wenig unter der Decke rumfummelt und sogleich findet, was wir suchen. Es ist die andere Hälfte des Ying und Yang Teiles. Dieses allerdings ist rötlich, ebenfalls mit einem leicht verschwommenen Mustern, so dass es fast so aussieht, als würden Flammen tanzen.
 

„Und nun?“

„Wie wäre es mit zusammenfügen?“
 

Wheeler hält die rundlichen Teile aneinander, fügt sie zusammen, so dass sie eine Kugel ergeben. Das Ding sieht fast so aus wie ein kleiner Ball.
 

„Guck mal...“
 

Wheeler hält mir das Teil unter die Nase und gemeinsam beobachten wir die Veränderung. Die Farben beginnen sich zu mischen, werden lila. Weiter passierte nichts mehr...
 

„Das war’s? Das war alles?“, frage ich ein wenig enttäuscht, da ich eigentlich ein bisschen mehr erwartete hatte. Was weiß ich, einen Knall oder so etwas in etwa!

Aber einfach nur so ein bisschen vermischen der Farben ist doch wohl ein Witz im Vergleich du den ganzen anderen Scheiß!
 

„Scheint so... Sei doch froh, dass es jetzt vorbei ist.“
 

Mit großen Hundeaugen schaut Wheeler zu mir rauf. Ich bin ja auch froh, heilfroh sogar!

Wenn nicht sogar extrem froh!

Aber... es ist dennoch ein komisches Gefühl, dass jetzt so urplötzlich alles wieder vorbei sein soll. Wheeler begutachtet das Teil und fängt an zu Grübeln.
 

„Das Ding kommt mir irgendwie bekannt vor.“

„Wie bitte?!“, pfeife ich ihn an.

„Ja, meine Schwester hat das mal auf einen Flohmarkt gekauft. Sie hatte es dann aber aus versehen kaputt gemacht und dann bei mir vergessen. Hatte es dann in den Müll geworfen!“

„Deine Heißgeliebte Schwester hat diesen gottverdammte, 7000 Jahre alte Siegel gebrochen, was mir mehr als nur meinen Schönheitsschlaf geraubt hatte und du sprichst das jetzt so was von trocken aus, als sei nie etwas gewesen?!“

„Es ist doch auch nie etwas gewesen. Wir haben heute Freitag, schon vergessen?“
 

„...“, darauf wusste ich nichts zu erwidern.
 

„Was machen wir jetzt damit?“

..

.
 

„Das Meer?“

„Jup... Wie versenken es einfach darinnen.“
 

Joey schaute noch einmal auf die Kugel, ehe er sie mit einem gekonnten Wurf so weit wie möglich aus Meer schleuderte.

Ich hoffe, dass das Ding auf den tiefsten Meeresgrund versinkt und dort auch bleibt!
 

„Lass uns gehen...“

„Du, Kaiba. Darf ich dich etwas fragen?“
 

Ich schaue ihn erwartungsvoll an.
 

„Was ist jetzt mit... uns?“

„Was soll schon sein? Wenn du mich loswerden willst, sag es, auch wenn ich es garantiert nicht so einfach hinnehmen werde.“
 

Er stahlt mich an und wirft sich mir um den Hals, drückt seine Lippen auf die meine und ich erwidere nur all zu gern.
 

Als wir bei mir zu Hause wieder ankamen, setzte ich Mokuba sogleich davon in Kenntnis, dass er ab heute einen neuen Spielkameraden hatte. Mokuba verstand sofort und fand es einfach nur klasse, dass Wheeler jetzt hier blieb. Nicht sehr begeistern davon war er allerdings, als ich ihm sagte, dass er vorerst in dem Gästezimmer schlafen müsse, da ich es meinem Bruder schonend beibringen wollte und ich außerdem eine Menge Arbeit vorzuarbeiten hatte. Einen Vorteil hatte das ganze Geschehen nämlich: Ich wusste, was passieren würde und konnte mich schon mal darauf vorbereiten, meine Zeit nicht unnütz mit irgendwelchen Möchtegern Firmenleiter zu verschwenden.
 

Ich bin mal gespannt, was mit Wheeler noch so alles passieren wird, denn mit ihm ist man vor keiner Überraschung geschützt, soviel ist sicher!

...

..

.

schlafen gehen...

.oO° Irgendwo an der Küste Nord-Amerikas °Oo.
 

„Hilf... hilf uns...“
 

„Hey, hast du das gehört?”

„Nein, was denn?“

„Das kam von da drüben!“
 

Zwei kleine Kinder, nicht älter als 12, spielten am Strand und suchten nach Muscheln. Sie waren zum Urlaub hier und hatten jede menge Spaß.
 

„Guck mal! Siehst du auch das Funkeln?”

„Ja! Lass und mal gucken gehen!“
 

Beide rannten sie den Strand entlang in die Richtung, aus der das Funkeln kam.
 

Dort angekommen buddelten sie es aus dem Sand heraus und schauten mit großen Augen die schöne Kugel an.
 

„Das ist aber ein hübsches lila!“

„Ja, guck mal, das sind aber zwei Teile.“
 

Der brünette Junge brach die Teile auseinander.
 

„Cool! Die Farbe verändert sich ja...“

„Hier...“
 

Der brünette Junge gab dem blonden Jungen die eine Hälfte.
 

„Ich finde, dieses Rot-braun passt zu dir, wegen deiner Augenfarbe!“

„Ja, und das blaue passt zu dir. Du hast ja auch blaue Augen...“, freute sich der blonde Junge und zog das Gummiband aus seiner Badehose, zog es durch das Öhr des rötlichen Teiles und band es sich um den Hals.
 

„Steht mir, oder?
 

Der Brünette nickte und tat es seinen Freund gleich.

Fröhlich lachend rannten sie den Strand weiter entlang, suchten nach noch mehr Muscheln und verborgenen Schätzen, die sie hier vielleicht noch finden würden.
 

„Hey, ihr beiden! Lauft nicht so weit weg, wir wollen jetzt nach Hause! Es wird Zeit schlafen zu gehen, immerhin reisen wir morgen schon wieder ab.“

„Ja, Mama!“, rief der blonde Junge und rannte zu seiner Mutter, „Guck mal, was wir gefunden haben. Ist das nicht hübsch?“

„Ja, mein Engel, sehr hübsch sogar...“
 

Sie wuschelte ihren Sohn kurz durch den Kopf, ehe sie die restlichen Sachen zusammenpackte. Zusammen mit ihrer Familie gingen die beiden Jungs zurück zum Hotel, legten sich nach kurzer Zeit schlafen, ihre neuen Anhänger fest an sich drückend...

..

.
 

> Die Zahl der vermissten Person ist von 37 auf 52 gestiegen. Die Polizei hat noch immer keinerlei Spuren, die zu diesen Personen führen oder gar zu dem oder die Täter. Dennoch ist die Polizei recht zuversichtlich, dass es sich hierbei nicht um eine Mordserie handelt. Doch diese Worte trösten die Familien und Angehörigen nicht! Sie ahnen schlimmes, haben sich teilweise schon damit abgefunden, ihre Verlorenen nicht mehr wiederzusehen. Ist das Ganze vielleicht ein Rachefeldzug? Dennoch gibt dieses Verbrechen vielerlei Rätsel auf: Bei den ersten 37 Vermissten handelt es sich um Schüler, die in Gangs verkehrten oder um Geschäftsmänner, deren verschwinden hohe Verluste an der Börse zu teil kommen lässt. Nach dem dann endlich Ruhe wahr und alles vorbei zu sein schien, verschwanden nach drei Wochen Grundschüler. Die Anzahl dieser beträgt schon ganze 15. Wie lange soll das noch so weiter gehen? Wie viele Menschen müssen noch verschwinden und ihren Familien entrissen werden, bis endlich jemand etwas dagegen unternimmt? Das war N24.TV für heute. Wir wünschen ihnen noch einen schönen und ruhigen Abend zusammen mit ihren noch verbliebenen Angehörigen... <
 

„Hilf... hilf dir...“
 

____________________________________________
 

so, hier nun einen Herzlichen dank an die lieben Kommi schreiber:

lauretta-8

alcatras007

Pancratia

Hiromi2

SetoKaibaEule

MissSilberkamp

Miyu-_-Chan

MikaChan88

Dranza-chan

LindenRathan

lizardgirl

loscar

vulkanier2

ninale

Kei_Hiwatarie

sanjifan
 

(die Reihnfolge hat nichts zu bedeuten)

*euch alle knuddelt* >////<
 

auch danke an all die jenigen, die diese FF einfach so gelesen haben ^.^

würde mich freuen, wenn ich den ein oder anderen auch bei einen meiner anderen FF's wiedersehe *werbung* «"

Es sind in Moment auch recht viele, neue FF's in Planung/Angefangen, die demnächst auch online kommen werden ^^

Wer Infos zu den neuen FF-Projekten haben möchte, schreibe mir eine Mail an: Portgas@web.de mit dem Betreff "FF-Info".
 

winke-winke, dat porti^^v



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Kommentare zu dieser Fanfic (81)
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Von:  masa
2012-09-05T01:21:00+00:00 05.09.2012 03:21
wow was für ne geile ff.^^
Von: abgemeldet
2010-09-19T17:55:47+00:00 19.09.2010 19:55
Meine Fresse.
Ist das eine geile FF oder was?!
Ich wusste erst nicht, ob ich sie lesen soll, weil das erste Kapitel etwas verwirrend ist...bin aber nun sehr froh, dass ich es getan hab! XD
Also...ich hab noch NIE eine FF mit so einer interessanten und kreativen Story gelesen. Hut ab.
Schreib ruhig noch mehr davon :3
Von:  feuerregen
2007-06-19T15:57:25+00:00 19.06.2007 17:57
deine ff ist hammer, auch wenn ich die nacht doch etwas heftig fand... ^^"
die jungs müssen energie haben... *kopfschüttel*
aber die gefühle und gedanken der beiden kamen super rüber, die morde (vor allem der letzte massenmord) waren einfach nur unglaublich. super detailiert und bestens nachzuempfinden!
Von: abgemeldet
2007-05-02T16:02:11+00:00 02.05.2007 18:02
was ne ausdauer....ok bei so ner droge auch verständlich...

die beiden sind aber auch der hammer
*sabber* ^^
mir fehlen die worte...alles geil, gibt nichts zu bemengeln...haach bist meine absolute lieblings autorin *gg*

kann einfach nicht aufhören zu lesen *smile*
dein schreibstil ist ja auch zu gut ^^

also bis denne^.^
Von: abgemeldet
2007-05-02T15:59:25+00:00 02.05.2007 17:59
Klasse Klasse Klasse!!!!!
einfach unübertrefflicher schreibstil!!

deine story wird immer spannender und einfach geiler...*weiterlesen muss*

bis denne
Von: abgemeldet
2007-05-02T15:18:14+00:00 02.05.2007 17:18
Brutal ...brutal...
brutal gut
echt der hammer...
*einfach sprachlos ist*
besser gehts nicht...*daumen hoch* *verbeug*
darf ich deine Schülerin sein...
ich nenn dich auch "mein meister"...^^

also dein kappi war mal wieder der reinste hammer...super geilomatik...
*fähnchen mit deinem Gesicht drauf schwenk*
*fan ist*

also bis zum nächsten kommi *gg*
Von: abgemeldet
2007-04-24T15:15:20+00:00 24.04.2007 17:15
kennst du das Bild *der schrei*
so sah ich grade aus XD
was passiert nun???? oje oje...meine hände zittern schon...
einfach atemberaubende Story...^^
Von: abgemeldet
2007-04-24T15:12:33+00:00 24.04.2007 17:12
wui wui...spannend spannend...solche Träume will ich nich haben ~_~ hehe

wieder supergeil geschrieben ...daumen hoch..von einer skala von 1 - 10 kriegst du die 11 von mir XDD
Von: abgemeldet
2007-04-24T15:10:33+00:00 24.04.2007 17:10
Der sichtweisen wechsel gefällt mir XD
zwar ein bissle verwirrend...aber die story wir imma besser^^
Von: abgemeldet
2007-04-24T15:09:13+00:00 24.04.2007 17:09
wey echt super...hast du super geschrieben...gefällt mir echt gut...die story ist auch fantastisch^^


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