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die Ärzte - das Parfum

deep throat
von

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Nur Menschen die etwas zu verbergen haben, etwas von sich nicht preisgeben wollen, benutzen Parfums. Das dachte Bela oft, wenn ihm eine Dunstwolke billigen Duftwässerchens entgegen kam. Die meisten Menschen wussten offenbar nicht, dass der viel zu großzügig aufgetragene Geruch von Veilchen oder Zitronen geradezu widerlich abstoßend wirkt. Über solche Leute hatte er sich schon oft genug lustig gemacht.
 

Umso überraschter war er als Farin eines Tages von eben solch einer Duftglocke umgeben den Proberaum betrat. Die nächste Tour stand praktisch vor der Tür. Die Sonne schien. Alles war bis dato in bester Ordnung gewesen. Prüfend blickte Bela, der ausnahmsweise früher zu den Proben erscheinen war, Farin an. Dieser war leicht federnden Schrittes zu seinem Gitarren-Verstärker gegangen und hatte ein freundliches "Hi." in die Runde geworfen. Rod hatte sich daraufhin von seiner auf-der-Couch-rumlunger-Stellung erhoben und sich seinen Bass geschnappt. Soweit alles normal.

Nur dieser penetrante süßliche Geruch, der irgendwas Undefinierbares zwischen Blumenwiese und Zuckerwasser darstellte, war total fehl am Platz. Bela drehte seinen Kopf fragenden Blickes zu Rod, der bereits Farins Begrüßung erwidert hatte. Die Blicke des Schlagzeugers und des Bassisten kreuzten sich. Rod hob die Augenbrauen, schnitt eine Grimasse, rümpfte seine Nasen und deutete stumm auf Farin, welcher nichts davon mitzukriegen schien. Binnen von Sekunden brach Bela in laut schallendes Gelächter aus, Rod stimmte kurz darauf mit ein.

Farin stand etwas perplex da und sah zu wie seine beiden Bandmitglieder scheinbar grundlos einem Lachanfall erlagen.

"Ääääh, Leute??? Hallo, kann mir mal einer den Witz erklären?! Ich glaub ich hab da gerade nicht so ganz mitgeschnitten...", meinte der große Blonde etwas irritiert, als nach ungefähr zehn Minuten anhaltenden Lachens immer noch keiner der Beiden Anstalten machte sich zu erholen. Dabei waren es doch sonst immer er und Bela, die sich ohne Worte verstanden und auf Kosten des Bassisten lustig machten.

Eben dieser schien allerdings langsam Mitleid mit ihm zu haben und holte tief Luft um ein paar erklärende Worte beizusteuern:

"Du... riechst wie eine... ausgebombte Seifenfabrik...", stieß Rod zwischen immer wieder aufkeimendem Gekicher hervor. Daraufhin prustete Bela, der bis dahin versucht hatte sich wieder einigermaßen zu beruhigen, mit Tränen in den Augen wieder los. Der Gitarrist bedachte das Ganze nur mit einem überlegenen Grinsen Marke: mindestens-58-strahlendweiße-Farin-Urlaub-Zähne-geeignet-für-Zahnpasta-Werbung™.

Der weitere Verlauf der Proben war gespickt mit zahlreichen verbalen Seitenhieben auf den Blonden bezüglich seines "Mädchenparfums", welcher diese aber unkommentiert wegsteckte. Insgesamt herrschte eine angenehm produktive Stimmung.
 

Als Bela sich nach diesem amüsanten Nachmittag in seiner Wohnung auf die Couch setzte, grübelte er noch ein Weilchen über die Tatsache, wie Farin ihn nach all dieser Zeit doch noch verblüffen konnte. Obwohl sie sich schon seit Ewigkeiten kannten gab es immer wieder Seiten an ihm, die er noch nie gesehen hatte. Okay, vielleicht waren es nicht immer so obskure Sachen wie das Benutzen von Duftwässerchen, aber die ein oder andere Kleinigkeit viel ihm erst nach und nach auf oder hatte sich sein bester Freund einfach nur ständig verändert? Irgendwie war Bela unwohl bei dem Gedanken, Farin gar nicht so richtig zu kennen oder zumindest selbst nicht so vielschichtig zu sein wie er. Immerhin hatten sie schon tausende von Kilometer im Tourbus miteinander verbracht, stundenlang zusammen in Tonstudios rumgehockt und sogar eine Zeit lang in derselben Wohnung gelebt. Ihn beschlich das Gefühl, dass der große Blonde ihn in- und auswendig kannte, er selbst aber den Durchblick verloren hatte.

Und überhaupt, was sollte das alles? Ständig in den Urlaub fahren um dann als Vegetarier oder sonst was wiederzukommen... Unfähig, sich weiter über das so gar nicht "rock'n'roll"-mäßige Leben seines Freundes den Kopf zu zerbrechen, schlief Bela ein.
 

Während seine Bandmitglieder sich den halben Tag über ihn lustig gemacht hatten, war Farin insgeheim schon dabei seinen neuen ultimativen Plan in die Tat umzusetzen. Sein Auftritt bei den Proben ist natürlich nur ein Experiment gewesen. Es galt zu prüfen, ob die Nasen der beiden anderen Herrschaften überhaupt noch funktionstüchtig waren oder ob diese durch den Genuss von Rauschmitteln zu sehr abgestumpft wurden. Schelmisch in sich hineingrinsend durchstöberte Farin nun seinen alten Reisekoffer auf der Suche nach einem kleinen Fläschchen ominösen Inhalts, welches er bei seinem letzten Besuch in Japan erworben hatte. Sein Grinsen wurde immer breiter als er mit einem triumphierenden "Ha!" das gesuchte Gefäß, auf dem in verschnörkelter Schrift die Worte "deep throat" eingraviert waren, herauszog. Schnell verstaute er es in seiner extra für die Ärzte-Touren vorgesehene Reisetasche, damit er es nachher beim Packen auch ja nicht vergessen würde. Der Blonde freute sich schon diebisch auf den ersten Einsatz der von ihm erworbenen Rarität.

Beruhigt und in höchstem Maße zufrieden mit sich selbst genehmigte sich Farin noch eine heiße Dusche bevor er zu Bett ging. Mit eher nassen als trockenen Haaren kuschelte er sich in sein orange geblümtes Kissen und warf noch einen vorfreudegefüllten Blick auf den Terminkalender auf seinem Nachttisch. Am nächsten Tag waren die letzten Proben angesetzt, übermorgen hatten sie einen Tag frei um ihre sieben Sachen zusammenzupacken. Das darauf folgende Datum war mit einem roten Filzstift umkringelt und als "Begin der Tour" gekennzeichnet. Mit einem erwartungsvollen Seufzer knipste der Gitarrist seine Nachttischlampe aus und entschlummerte friedlich.
 

*
 

Es war soweit. Pünktlich um 9.00Uhr früh stand Rod mit seinem Gepäck am vereinbarten Treffpunkt vor dem abreisefertigen Tourbus. Farin lehnte sich aus einem der hinteren Fenster und Begrüßte den Bassisten lautstark. Typisch Jan, der alte Frühaufsteher, dachte sich Rod mit einem schiefen Grinsen in Richtung seines Lieblingsgitarristen. Nachdem er seine Sachen einem Roadie anvertraut hatte rauchte der Chilene noch in aller Ruhe gemütlich eine Zigarette. Er wusste, dass sie noch mindestens ein kleines Weilchen auf ihren Schlagzeuger warten mussten. Schließlich erschein auch dieser etwas außer Atem mit einem entschuldigenden Lächeln auf den Lippen und einer total niedlich verstrubbelten Frisur am Treffpunkt.

"Sorry, ich hab vergessen meinen Wecker zu stellen...", meinte Bela mit einem zuckersüßen seid-bitte-bitte-nicht-böse-auf-mich Augenaufschlag. Die meisten Leute der Crew waren an seine Unpünktlichkeit gewöhnt und ließen ihm das Ganze ohne weitere Kommentare durchgehen. Jene, die bereits genervt von einem Bein aufs Andere gehüpft sind, konnten ihm bei diesem Lämmchen-Blick die zusätzliche Wartezeit dann doch nicht übel nehmen und murrten nur unverständlich vor sich hin.

Rod nickte Bela zur Begrüßung aufmunternd zu, schnippte seinen Zigarettenstummel weg und stieg schließlich dicht gefolgt von dem Zuspätkommer in den Tourbus. Farin hatte sich, mit einem Buch in der Hand, bereits auf der hintersten Bank breit gemacht. Er blickte kurz auf als die Anderen sich zu ihm gesellten. Mit einem übertrieben theatralischen Blick auf die Armbanduhr legte er sein Buch zur Seite und klopfte Bela auf die Schultern.

"Hey Felse, hast mal wieder verschlafen?", meinte der Gitarrist wohlwollend, einen gekünstelt entrüsteten Gesichtsausdruck tragend.

"Also eigentlich kann ich ja gar nichts dafür! Meine Katze hat vorgestern den Wecker gefressen, der zufällig unter ihr Gulasch gemischt war... Keine Ahnung wie der dahin kam!", rief Bela daraufhin mit ebenso gekünstelter Empörung. Seine beiden Bandmitglieder schauten sich wortlos an. Mittlerweile war der Bus unbemerkt losgefahren.

"Ja und da hattest du gestern natürlich keine Zeit dir einen ordentlichen Wecker zu kaufen?", erwiderte Rod, wobei er die Augen verdrehte und sich ein Lachen verkneifen musste.

"Na... gestern, da landeten grüne Marsmännchen auf meinem Balkon! Sie entführten mein Portemonnaie und veranstalteten fragwürdige Experimente damit!" - "Sexuelle Experimente?", warf Farin ein, er bemühte sich dabei todernst zu bleiben, was ihm aber nicht sonderlich gelang.

"Ja genau! Woher weißt du das?", fragte der kleine Schlagzeuger, während er den Gitarristen misstrauisch ansah, als könnte der etwas dafür, dass seine Brieftasche von Außerirdischen missbraucht wurde. Nur mit Mühe unterdrückte Farin das Grinsen, welches sich auf sein Gesicht geschlichen hatte. Rod ging jeglichem Blickkontakt aus dem Weg um nicht der erste zu sein der losprustete.

"Jedenfalls... als ich es dann wieder zurückerobert hatte, da löschten die Aliens aus Rache mein Gedächtnis... also was meine Katze und den Wecker betraf. So war das. Also kann ich da echt nichts für.", schloss Bela seine Erzählung mit wichtigtuerischer Mine.

Die drei schwiegen für ein paar Augenblicke, bevor sie gleichzeitig anfingen zu lachen. Die Tour hatte begonnen.
 

*
 

Beim Soundcheck waren alle bester Laune. Das Konzert war ausverkauft, der Ausblick auf eine schon bald bis zum Platzen gefüllte Halle animierte zu einer reibungslosen Vorbereitung. Rod bemerkte allerdings, dass Farin etwas aufgeregter war als sonst, doch er dachte sich nichts weiter dabei. Nach und nach rückte der Auftritt näher, die Ärzte zogen sich in ihre Garderobe zurück, damit der Einlass der Fans beginnen konnte. Nun hieß es warten. Der große Blonde verkrümelte sich heimlich. Erst kurz bevor die Show anfing, als sowohl Bela als auch Rod bereits in den Startlöchern standen, erschien der Gitarrist wieder. Auf die Frage, wo er denn die ganze Zeit gesteckt hätte, antwortete er nur mit einem mysteriösen Grinsen und machte sich in Richtung Bühne auf.

Bela, ziemlich irritiert von diesem Getue, wollte sich nicht so leicht abschütteln lassen. Er folgte Farin, doch der hatte schon einen kleinen Vorsprung, also musste der Schlagzeuger genervt seine Schritte beschleunigen. Womit er nicht rechnete war, dass der Blonde kurz vor der Bühne abrupt anhielt und sich blitzschnell umdrehte. Bela stolperte überrascht, wäre beinah hingefallen, konnte sich jedoch im letzten Moment noch fangen indem der sich am T-Shirt des Anderen festhielt. Er stand jetzt nur wenige Zentimeter von Farin entfernt und schaute zu ihm hoch. Bela holte tief Luft, doch verunsichert von seiner Ungeschicktheit fehlten dem Kleinen die Worte für die Fragen, die er eben unbedingt noch loswerden wollte. Was ihn noch mehr aus der Fassung brachte war der amüsierte Blick seines Gegenübers. Aus irgendeinem Grund konnte er seine Augen aber nicht mehr von diesem abwenden. Die Schreie der Fans aus der Halle nahm der Schlagzeuger immer weniger war. Die Sekunden schienen sich ins unendliche zu dehnen, zäh tröpfelte der Moment dahin. In Belas Kopf herrschte absolute Lehre, in die sich das Bild seines besten Freundes einbrannte. Nicht nur das Bild an sich, auch das Gefühl so nah an ihm zu stehen, dass er die Wärme des anderen Körpers spüren konnte. So nah, dass er den Herzschlag des Anderen erahnen konnte. Und sein Geruch... süßlich-geheimnisvoll, dezent und doch überwältigend, kaum fassbar, flüchtig leicht zugleich aber auch betörend... hatte er schon immer so verführerisch geduftet? Benommen schloss Bela die Augen, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen.

Plötzlich spürte er wie eine warme Hand seinen Arm packte und sanft vorwärts zerrte. Erschrocken blickte Bela in das viel zu grelle Licht der Scheinwerfer, Farin hatte ihn mit auf die Bühne gezogen. Wie eine Flutwelle brach das Getöse der Menge über ihn ein. Etwas desorientiert schaute der Schlagzeuger sich nach Rod um, der scheinbar von der anderen Seite her die Bühne betreten hatte. Im nächsten Augenblick hatte der Blonde sich auch schon von Bela gelöst und hängte sich seine Totenkopf-Cyan-Gitarre um. Endlich erwachte der kleine Schwarzhaarige aus seinem tranceartigen Zustand. Er setzte sich das Headmikrofon auf und mit ein paar flotten Schritten war er hinter dem Schlagzeug angelangt. Bela griff nach seinen Sticks, er war bereit sofort loszulegen, diesen seltsamen Moment mit Farin eben versuchte er aus seinem Kopf zu verbannen. Jetzt musste er sich erstmal auf das Konzert konzentrieren.

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Jetzt musste er sich erstmal auf das Konzert konzentrieren. Doch Bela stellte schon nach wenigen Takten fest, dass eben genau dieses schwerer war als gedacht. Schließlich konnte er Farin die ganze Zeit aus den Augenwinkeln beobachten. Egal wie sehr er versuchte nur das Publikum anzuschauen, das Wasserstoffblond schien im Scheinwerferlicht zu leuchten und zog Belas Aufmerksamkeit immer wieder zurück zum Gitarristen. Ungewollt gebannt musterte er Farins Figur, die schräg rechts vor ihm stand. Groß, schlank, abstehende gebleichte Haare, helle Haut, muskulöse Arme, knackiger Hintern, lange Beine...

Bis die letzten Töne des eröffnenden Songs verstrichen waren starrte Bela wie hypnotisiert weiter vor sich hin. Als Farin dann seine erste Ansage etwas übermotiviert ins Mikrofon brüllte, zuckte der Kleine unwillkürlich zurück und blinzelte erschrocken. Was war nur los mit ihm? Wenn er sich nicht sofort zusammenreißen würde, konnte er diesen Auftritt vergessen. Nervös wartete Bela darauf, dass seine Bandkollegen das nächste Lied anstimmen würden. Als sekundenlang nur das Getöse der Menge zu hören war, ohne das geringste Anzeichen eines Bass- oder Gitarrenakkords geschweige denn einer singenden Stimme, dämmerte ihm langsam, dass er es sein musste, der anfängt. Aber welchen Song? Hilfe suchend blickte er zu Rod, der sich nun halb zu ihm umgedreht hatte. Stumm formten die Lippen des Schlagzeugers die Frage: "Welches denn jetzt?", worauf der Bassist mit einem leichten Stirnrunzeln flüsternd "Schunder-Song" antwortete. Erleichtert begann Bela mit dem Intro. Wenn es so weiter ging konnte das ja noch heiter werden.

Rod schüttelte verwundert den Kopf, während er seinen Einsatz beim zweiten Stück des Abends akkurat spielte. Die Setlist hing doch an den Verstärkern, theoretisch also gut lesbar für den Schlagzeuger und selbst wenn dem nicht so wäre, Farins Ansage war absolut eindeutig ein Seitenhieb auf ihren Roadie Eric Schunder gewesen, der heute am T-Shirt-Stand aushalf. Ein wenig besorgt drehte sich Rod noch mal zu Bela um. Tatsächlich, obwohl er herzhaft auf das Schlagzeug einschlug, machte er nicht den Eindruck ganz bei sich zu sein. Bewusstseinsverändernde Drogen? Das hatte gerade noch gefehlt. Nachdem Farin schon einfach kurz vor dem Konzert abgehauen war, ohne ein Sterbenswörtchen hinsichtlich seines Verbleibs zu äußern. Nun, er ist ja wenigstens pünktlich zurückgekommen, von wo auch immer er gesteckt hat. Aber eigentlich waren Bela und er selbst doch die ganze Zeit zusammen im Backstagebereich gewesen, also konnten die Befürchtungen bezüglich der Aufputschmittel doch nicht wahr sein, oder? Vielleicht ist der Kleine einfach nur nervös? Aber warum? Doch bevor Rod sich weiter den Kopf zerbrechen konnte war das Lied vorbei. Offensichtlich hatten die Fans den kleinen Blackout von Bela nicht mitgekriegt, sie rockten ungestört weiter, forderten lautstark das nächste Lied als Farin gerade dazu ansetzte eine sehr weitläufige Ansage zu machen.

"Halts Maul und spiel!", dieser nicht wirklich ernst gemeinte Kommentar kam von hinter dem Schlagzeug. Die Menge grölte ihre Zustimmung, Bela hatte sich wieder einigermaßen gefangen. Die einzige Möglichkeit heute einen einigermaßen gelungenen Auftritt darzubieten, war in die Offensive zu gehen. So viel wie möglich mit dem Publikum kommunizieren. So locker wie immer mit Farin rumwitzeln. Bloß nicht gedanklich zu der Situation vor dem Konzert abschweifen, dachte Bela sich. Rod nickte zustimmend in seine Richtung, was für ihn das Signal war den nächsten Song einzuzählen.

"One, two, three, four!", rief Bela und schon schmetterten sie "B G S" den Zuschauern entgegen. Reibungslos spielten sie die nächsten Stücke, in die die Fans immer wieder aufs Neue begeistert einstimmten. Für "Elke" wechselten Bassist und Schlagzeuger die Instrumente, was dazu führte, dass Bela mehr schlecht als recht die Bassakkorde runterschrammelte, während Rod voller Elan das Schlagzeug missbrauchte. Allerdings hatte Farin das größte Problem, er versuchte seinen Text halbwegs ernsthaft hinzubekommen, doch angesichts der unkonventionellen Spielweise seiner Kollegen kam er in eine gewisse Atemnot, da man bekanntlich nicht gleichzeitig singen und lachen kann. Um nicht ganz ahnungslos aufs gerate Wohl drauflos zu spielen, stellte sich Bela gezwungenermaßen direkt neben den Gitarristen, damit er wenigstens ein bisschen die Akkordgriffe abschauen konnte. Dies hatte zur Folge, dass Farin noch mehr lachen musste und Belas Magen ein paar Saltosprünge rückwärts machte. Der Kleine war wirklich froh, dass bei diesem Stück kein exaktes Spiel von ihm erwartet wurde. Ansonsten hätte er einpacken können.

Denn schon wieder standen die beiden so nah nebeneinander, schon wieder war es größtenteils Belas eigene Schuld. Alle seine Sinne waren darauf ausgerichtet möglichst viel von dem Anderen aufzunehmen. Er fühlte die Stimme des Blonden in seinem Brustkorb vibrieren. Seine Körperwärme, sein Aussehen, sein Geruch... er bildete sich sogar ein seinen Freund schmecken zu können. All das prägte sich Bela genauestens ein, um es später, vorzugsweise nach der Show, zu sezieren.
 

Im nächsten Moment war Elke auch schon tot und auf dem Friedhof kein Platz, womit das Lied beendet war. Dankbar endlich wieder hinter das Schlagzeug verschwinden zu können übernahm Bela seine Sticks von Rod, der wiederum seinen Cyan-Bass gespielt misstrauisch auf Beschädigungen untersuchte. Farin erholte sich nicht wirklich von seinem Lachanfall, was aber niemanden weiter störte. Der Bassist bemerkte wie Bela den einen oder anderen Beat im folgenden Stück verpasste, doch ansonsten lief alles glatt. Als sich das Konzert langsam seinem Ende zuneigte, legten sich alle noch mal richtig ins Zeug. Die Fans dankten es ihnen mit lang anhaltendem Applaus. Am Schluss vernahm man noch die legendären Worte: "Remember... Ich liebe euch!", von Rod. Dann gingen die Scheinwerfer aus, die Show war beendet.
 

Nach diesem gelungenen Gig fand sich Farin extrem gut gelaunt im Backstagebereich wieder. Scheinbar hatte sich die Anschaffung von dem Parfum "deep throat" gelohnt. Er hatte anfangs selbst an der tatsächlichen Wirkung gezweifelt. Doch offensichtlich konnte dieser Duft wirklich, wie der Verkäufer versicherte, jede Person, egal ob Mann oder Frau, aus dem Gleichgewicht bringen. Da wortwörtlich genau dieses Bela passiert war, als er kurz vor dem Auftritt stolperte, konnte man davon ausgehen, dass der Gitarrist sich nicht verhört hatte oder aufgrund fehlender Japanischkenntnisse etwas missverstand. Farin erinnerte sich mit einem verschmitzten Grinsen daran wie sich sein Freund in seinem T-Shirt festgekrallte, um einer ungewollten Bekanntschaft mit dem Fußboden aus dem Weg zu gehen.

"Was grinst du denn so?", fragte ein gewisser Rodrigo Gonzalez, der soeben den Umkleideraum betreten hatte.

"Ach nichts... geiles Konzert heute.", antwortete der Blonde schulterzuckend.

Der Bassist sah ihn durchdringend an und sagte nach einer kurzen Pause: "Hast du eigentlich gemerkt wie oft Bela gepatzt hat?"

"Na ja, ein oder zwei Mal waren die Einsätze nicht ganz sauber, ist eben keiner perfekt...", meinte Farin leicht verwirrt. Es stimmte zwar, dass Belas Timing heute ab und zu daneben lag, aber schließlich war es der erste Auftritt der Tour gewesen. Mal ehrlich, solange die Fans zufrieden waren und nicht mit verfaultem Gemüse nach ihnen warfen, konnten sie sich doch ein paar Aussetzer leisten.

"Ein, zwei Mal?", wiederholte Rod amüsiert den Kopf schüttelnd. "Jan, du solltest wirklich mal zum Ohrenarzt gehen... oder ist es am Ende schon Alzheimer, das dich einholt?", vermutete der Chilene, wobei er eine wichtigtuerische Miene aufsetzte.

"Sehr witzig." Der Gitarrist verzog angesäuert das Gesicht. Es herrschte ein kurzes Schweigen. Dann schlich sich ein hinterhältiges Blitzen in seine Augen. "Und Übrigens, Rod, hat dir schon jemand gesagt wie aufmüpfig du in letzter Zeit geworden bist?"

"In letzter Zeit nicht, wieso?", erwiderte der Bassist unschuldigen Blickes.

"Weil...", Farin machte einen Schritt auf den Chilenen zu, "...es...", noch einen Schritt, "...so ist.", bis er schließlich wenige Zentimeter vor dem Anderen stehen blieb und auf ihn herabsah. Angesichts dieser einschüchternden Geste versuchte Rod sein Heil in der Flucht zu suchen, doch der Größere war in diesem Fall auch der Schnellere und binnen von Sekunden waren die Beiden in eine spielerische Rangelei verwickelt, bei der Farin eindeutig die Oberhand behielt. Nach ein paar Minuten gab sich Rod schließlich geschlagen.

In diesem Moment öffnete Bela schwungvoll die Tür und blieb wie angewurzelt im Rahmen stehen. Das sich ihm bietende Bild bestand aus seinen schwer atmenden Bandmitgliedern, die halb kichernd, halb schnaufend an die gegenüberliegende Wand gelehnt hockten. Ihre Kleidung befand sich in einem irgendwie fragwürdigen Zustand, während von Frisur gar keine Rede mehr sein konnte, da ihre Haare total zerwuschelt waren. Sprachlos starrte Bela sie an, er bemerkte wie sich etwas in seiner Magengegend merkwürdig bei diesem Anblick verkrampfte.

"Da bist du ja endlich! Ich dachte schon du würdest dich gar nicht mehr blicken lassen!", rief der Blonde breit grinsend dem Neuankömmling entgegen. Farin stützte sich mit einem Arm auf Rodrigos Schulter ab und winkte Bela mit einem triumphierenden Lächeln heran. Dieser löste sich ruckartig von seinem Platz und schritt mechanisch auf die anderen Beiden zu.

"Weißt du, Rod hat vorhin dein musikalisches Talent kritisiert... und mich der altersbedingten Vergesslichkeit beschuldigt!", plauderte der Große fröhlich drauf los. "Da musste ich ihm erstmal wieder zeigen, wer hier der Boss ist.", erklärte Farin. Der Bassist pflichtete dem nickend bei, wich aber jeglichem Augenkontakt mit dem Schlagzeuger aus. Der Kleine beobachtete wie Rods Wangen leicht erröteten.

"Aha.", sagte Bela trocken. "Was mein Schlagzeugspiel vorhin angeht... Sorry. Morgen mach ich es besser.", entschuldigte er sich, damit machte er auf dem Absatz kehrt und verließ das Zimmer. Im Moment war er zu aufgewühlt, wollte und konnte einfach nicht die Anwesenheit der Anderen ertragen. Vor allem nicht Farins Anwesenheit, wie er so unbekümmert vor sich hin redet.

Verdutzt sah Farin seinem Schlagzeuger nach. Hatte er was Falsches gesagt? Nach einer Erklärung suchend drehte er sich zu der einzigen Person, die vielleicht eine Antwort wusste. Doch der Chilene zuckte nur mit den Schultern.

"Ich weiß auch nicht was mit ihm los ist.", deklarierte er schließlich verbal, bevor er aufstand und anfing seine Sachen zusammenzuräumen. Eine angespannte Stille machte sich breit. Auch der Blonde erhob sich, kramte etwas lustlos in seinem Zeug rum, bis sein Blick schließlich auf die Schminkutensilien seines besten Freundes fiel. Stumm packte er diese ebenfalls mit ein. Dann erhob Rod nochmals seine Stimme: "Sag mal, meinst du Bela könnte die Situation eben missverstanden haben?", Farin schaute ihn daraufhin ungläubig an und runzelte die Stirn.

"Hä??? Wie denn, wo denn, was denn?", fragte er bestürzt, was sehr unintelligent wirkte.

"Na... was würdest du denn denken, wenn du mich und Bela, völlig atemlos, mit zerknautschten Klamotten sehen würdest?", erwiderte der Bassist. Man konnte förmlich sehen wie sich die Zahnräder im Kopf des Blonden langsam in Bewegung setzten.

"Du meinst doch nicht...? Nee, oder?", meinte Farin, wobei er ein leicht pervers anmutendes Grinsen zeigte. "Aber, selbst wenn er es so verstanden hat, was sollte ihn das kümmern? Wir albern doch sonst auch immer rum...", fügte er unbekümmert hinzu.

"Rumalbern hin oder her... Jan, ich weiß nicht ob das jemals deine Gedanken kreuzte, aber für manche Menschen wird aus Spaß eben eine ernste Angelegenheit...", merkte Rod tonlos an, einen unergründlichen Gesichtsausdruck tragend. "Ich denke du solltest mit Bela reden.", mit diesen Worten wandte sich der Chilene von seinem Kollegen ab und machte sich schnurstracks auf den Weg ins Hotel.

Etwas verloren stand Farin noch eine Weile da, starrte dem Bassisten hinterher. Er verstand die Welt nicht mehr. Und Rods Vermutung konnte doch nicht wirklich wahr sein, oder? Entschlossen, das ganze Wirrwarr nicht auf sich beruhen zu lassen, schnappte er sich die Tasche mit seinen und Belas Sachen. Er würde dem Ratschlag folgen und mit dem Schlagzeuger reden. Wenn nötig, würde er die Erklärung für sein seltsames Verhalten Stück für Stück aus dem Kleinen herausquetschen. Immerhin befanden sie sich gerade erst am Anfang der Tour und ein Missverständnis oder einen Konflikt oder sonst was konnten sie einfach nicht gebrauchen. Selbstsicher begab er sich nun auch in ihre Unterkunft.
 

*
 

Rod hatte sich in seinem Hotelzimmer eingeschlossen. Er brauchte selbst Ruhe zum Nachdenken um keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Der Chilene setzte sich in einen bequemen Sessel nah am Fenster und verlor seinen Blick in der tiefblauen Nacht. Langsam ließ er den Tag noch mal Revue passieren, darauf bedacht jegliche Unstimmigkeiten herauszufiltern.

Im Tourbus war noch alles in Butter gewesen. Dann verschwand Farin kurz vor dem Auftritt spurlos. Er selbst hatte sich darüber keine großen Gedanken gemacht, auch Bela schien nicht im Geringsten beunruhigt. Erst als ihr Gitarrist pünktlich wieder auftauchte, wirkte der Kleine genervt und folgte ihm zum gegenüber liegenden Bühneneingang. Rod hielt es zu diesem Zeitpunkt für das Beste, sich nicht einzumischen. Jetzt wusste er natürlich nicht, was für ein Dialog dort stattgefunden hatte. Aber er konnte sich beim besten Willen auch nicht vorstellen, dass sich die Beiden gestritten hatten. Dann hätte Bela nämlich versucht so perfekt wie möglich Schlagzeug zu spielen, um Farin zu zeigen, dass er nicht auf ihn angewiesen war. Stattdessen schien sein Freund unter extremen Konzentrationsschwierigkeiten zu leiden und Rod bildete sich ein, gesehen zu haben, wie Bela öfter als sonst zu Farin rüberschaute.

Die Gedanken des Chilenen schweiften nun zu der Szene im Umkleideraum. Ihn verwunderte zuerst, wie wenig der Blonde die Fehler des Kleinen bemerkt hatte und quittierte dies mit einem frechen Kommentar. Doch als Farin ihn zur Maßregelung in den Schwitzkasten nahm, waren alle Sorgen bezüglich des Schlagzeugers wie weggeblasen gewesen. Allein die Nähe des Gitarristen war in diesem Moment wichtig. Zwar versuchte er noch halbherzig sich zu wehren, aber eben nur halbherzig. Nicht um wirklich gegen den Größeren zu gewinnen, sondern viel mehr um ihm zu suggerieren, dass er den Kampf noch nicht aufgegeben hatte. Mit Schrecken stellte Rod fest, dass er den Augenblick in Jans Gegenwart hatte hinauszögern wollen. Umso leichter verstand er jetzt, warum er dieses Gefühl der Enttäuschung und Schuld empfunden hatte, als Bela schließlich auf der Bildfläche erschien. Enttäuschung, weil jemand den privaten Moment störte. Schuld, weil es gerade sein Freund Dirk war, den er sich deswegen vom Erdboden wegwünschte.

Rod seufzte tief und suchte vergebens nach ein paar Sternen am Himmel. Er konnte ja bis zu einem bestimmten Ausmaß nachvollziehen, dass er Farin möglicherweise körperlich attraktiv fand. Aber dass er ihn gleich nur für sich allein haben wollte? Dass er Bela gegenüber Neid empfand, weil es sonst immer diese Beiden waren, die herumblödelten und sich blind verstanden?

Rod schüttelte unwillkürlich den Kopf. Er schämte sich für seine eigene Unaufrichtigkeit. Als Bela wieder verschwunden war, hatte er sich insgeheim gefreut. Doch die Aufmerksamkeit des Blonden war von da an natürlich darauf ausgerichtet, das Benehmen des Kleinen zu ergründen. Bela hatte es geschafft, ohne selbst noch anwesend zu sein, Farins Gedanken vollständig für sich zu beanspruchen. Unbewusst hatte ihn die Angst beschlichen gegen den Schlagzeuger zu verlieren. Er hoffte irgendwie, dass Bela die Situation wirklich missverstanden hatte. Ihr Gitarrist war manchmal echt schwer von Begriff. Was war denn so abwegig daran, dass der Kleine auf sie eifersüchtig war? Nun, das ist reines Wunschdenken meinerseits, erinnerte sich Rod. Schließlich ist ja nichts zwischen ihm und dem Blonden vorgefallen, worauf man eifersüchtig sein könnte. Wollte er überhaupt, dass etwas vorgefallen sein könnte? Was genau wollte er denn? Da diese Fragen ihn zu sehr zermürbten, verdrängte er sie vorerst. Morgen war auch noch ein Tag. Den Entschluss gefasst, sein Gehirn nicht weiter zu zermartern, erhob sich Rod aus dem Sessel.

Während er sich bettfertig machte, überlegte er ob Farin wirklich zu Bela gehen und was dieser zu seiner Verteidigung sagen würde. Er wusste, dass die Beiden beste Freunde waren und sich höchstwahrscheinlich ohne weiteres vertragen würden. Allerdings vermutete er, dass der Schlagzeuger nicht ganz ehrlich sein würde, vielleicht nicht die ganze Wahrheit sagen konnte, so wie es Rod selbst heute passiert war. Nachdem er Bela nun doch eine ganze Weile kannte und mit ihm schon so manche Nacht durchzecht hatte, war er zu dem Schluss gekommen, dass sein Freund in einer emotionalen Abhängigkeit zu dem Blonden stand. Wie weit diese Abhängigkeit reichte, konnte der Bassist nur erahnen. Und möglicherweise wusste Bela es selbst nicht. Jedenfalls stand eins fest, manchmal war es schwer seine eigenen Gefühle auch nur ansatzweise zu verstehen. Bevor Rod jedoch wieder ins grübeln verfiel, nahm er eine Schlaftablette und legte sich in sein Bett.

Er würde schon noch früh genug erfahren wie das Gespräch zwischen seinen Freunden ausgegangen war.

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Er würde schon noch früh genug erfahren wie das Gespräch zwischen seinen Freunden ausgegangen war.

Farin erreichte die Hotellobby ohne Zwischenfälle. Er überlegte kurz, ob er gleich zu Bela gehen oder lieber vorher eine heiße Dusche genießen sollte. Im Endeffekt siegte die Verlockung, sich erstmal frisch zu machen, schließlich hatte er bei dem Konzert ganz schön geschwitzt. Außerdem wollte er seinem Freund nicht zumuten, ein längeres Gespräch mit einem zu Brei gerockten Herrn Urlaub zu führen. Vor seiner Tür angekommen kramte der Blonde in seiner Tasche nach dem Zimmerschlüssel. Doch da war keiner. Er suchte noch mal gründlich. Klamotten, Handtuch, Trinkflasche, Schminkzeug von Bela, Ersatz-Plektrons, Parfumfläschchen, Handtuch von Bela und Pfefferminzbonbons. Kein Schlüssel.

"Komisch... ich hatte ihn vorhin doch noch hier irgendwo...?!?", murmelte Farin verärgert. Vermutlich hatte jemand aus der Crew sich einen Scherz erlaubt und wollte ihn auflaufen lassen. Nicht mit mir, dachte sich der Gitarrist, dann geh ich eben ungeduscht zu Bela, ich muss mich ja nicht selbst riechen. Schmollend ging er also ein Zimmer weiter und klopfte an die Tür.
 

Der Schlagzeuger lag gerade in der Badewanne, das Wasser war angenehm warm und er schaute gedankenverloren durch die Dampfschwaden nach oben an die Decke. Er hörte zwar, wie es klopfte, aber er war der Meinung, dass wer auch immer es sein mochte gefälligst bis morgen warten konnte. Doch der Besucher vertrat offensichtlich eine andere Meinung, denn das Klopfen wurde stetig lauter und unerbittlicher. Genervt setzte sich Bela auf. Wer konnte so spät noch was von ihm wollen? Scheinbar war diese Person sehr stur und nicht so leicht abzuschütteln. Mürrisch stieg Bela nach ein paar weiteren Minuten aus der Wanne, nachdem er endgültig überzeugt war, dass er es mit einem Irren zu tun hatte, der notfalls die Tür einschlagen würde. Missmutig schnappte er sich ein Handtuch, welches er sich um die Hüften wickelte. Widerwillig tapste er aus dem Bad. Seine Haare waren noch klitschnass und auch sonst triefte er an allen Ecken und Enden. Er hinterließ eine regelrechte Wasserstraße auf seinem Weg, was ungefähr so aussah als hätte er versucht das Hotel zu fluten. Dieses störte ihn jedoch nicht weiter, da er fest vorhatte den Besucher in Rekordzeit abzuwimmeln und dann wieder ins Bad zu hüpfen. Er öffnete die Zimmertür. Doch auf die Person, die ihm nun mit einem verlegenen Grinsen gegenüber stand, war er absolut nicht vorbereitet gewesen und so blieben ihm die Worte im Hals stecken.
 

Farin war augenblicklich erleichtert, als Bela ihm endlich öffnete. Lange hätte er das Klopfen nicht mehr durchgehalten, seine Knöchel taten schon weh. Der Kleine schien ihn allerdings nicht hereinlassen zu wollen und offenbar hatte er ihn beim Baden gestört, denn Bela stand halbnackt und tropfend ihm Türrahmen ohne sich einen Millimeter zu rühren. Es war also Überzeugungsarbeit gefragt.

"Hey Bela, stell dir vor, man hat mir den Zimmerschlüssel entwendet und ich kann mich jetzt nicht mal duschen...", sagte der Größere, wobei er versuchte so klein und Mitleid erregend wie möglich zu wirken. Dies schien die erwünschte Wirkung zu haben, denn der Kleine machte einen Schritt zu Seite um Farin Zutritt zu gewähren. Hastig folgte der Blonde dem Schwarzhaarigen ins Zimmer, bevor dieser die Tür umgehend wieder schloss. "Ach ja, du hast dein Schminkzeug und dein Handtuch vorhin liegen lassen...", mit diesen Worten holte er besagte Gegenstände aus seiner Tasche und legte sie auf den kleinen Tisch am Fenster. Unbefangen lächelte er nun Bela an und wartete darauf, dass der Andere etwas sagte. Dieser blinzelte unverwandt die vergessenen Sachen an.

"Danke... dass du sie mir gebracht hast.", flüsterte er schließlich. Der Kleine erinnerte sich in diesem Moment nur zu genau daran, warum er eigentlich so überstürzt aufgebrochen war. Und ihm wurde bewusst, dass er jetzt mit gerade mal einem Handtuch bekleidet vor seinem Freund stand. Unsicher wich er Farins Augen aus. Er musste sich auf das Wesentliche konzentrieren. "Du bist also ausgesperrt, ja?", erörterte Bela die Situation, nun mit einer gefestigten Stimme sprechend.

"Ja... blöd, oder? Aber ich wollte so oder so noch mit dir reden...", erwiderte der Blonde und machte einen Schritt auf den Schwarzhaarigen zu. Bela wich unmerklich zurück, er ahnte was nun für ein Gespräch folgen würde. Panisch durchforstete er sein Gehirn nach einer Möglichkeit den anderen vom Thema abzulenken.

"Willst du nicht lieber...", der Schlagzeuger überlegte angestrengt und kaute dabei auf seiner Unterlippe. Hilfe suchend sah er sich nach einer Inspiration um. Dann fiel sein Blick auf die Wasserlache, die sich zu seinen Füßen gebildet hatte. "... erst duschen gehen?", fügte er blitzschnell hinzu. Doch kaum hatten die Worte seinen Mund verlassen, wusste er, dass dieser Vorschlag keine so brillante Idee gewesen war. Denn schon formten sich vor seinem geistigen Auge Bilder von seinem Freund wie er nackt unter der Dusche stand. Er spürte wie ihm das Blut in die Wangen schoss und hoffte, dass Farin seine Errötung nicht bemerken würde.

"Duschen? Ja klar, super!", stimmte der Größere begeistert zu, bevor der Kleine sein Angebot zurückziehen konnte. Zum Dank umarmte er den Schwarzhaarigen kurz, um dann sorglos pfeifend mit seiner Tasche im Bad zu verschwinden.

Bela war sich sicher, dass sein Gesicht mittlerweile die Röte einer überreifen Tomate angenommen hatte. Mit gemischten Gefühlen sah er seinem Gitarristen nach. Wie sollte er das nur überstehen? Entkräftet seufzend ließ er sich auf sein Bett fallen. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken als er versuchte, Farins Pfeifen und die damit automatisch verbundene Assoziation eines gewissen unbekleideten Körpers auszublenden. Plötzlich schreckte er wieder hoch. Er brauchte unbedingt Klamotten, möglichst viele davon, um gegen das bevorstehende Gespräch oder viel mehr den bevorstehenden Anblick gewappnet zu sein. Hastig suchte er zusammen, was er kriegen konnte. Eine dunkle Jeans, Boxershorts, ein schwarz-grünes Hemd, Socken... am liebsten hätte er noch einen Pullover angezogen, aber dafür war es wirklich zu warm. Angespannt setzte er sich, nun vollständig bekleidet mit dem Handtuch um seine Haare gewickelt, wieder auf das Bett. Was sollte er Jan nachher sagen? Bela überlegte hin und her, welche Ausrede wohl angemessen wäre: ,Ich hab nicht gut geschlafen und bin deshalb gereizt?' ; ,Ich bin auf Entzug und das sind die Nebenwirkungen?' oder ,Ich bin es gar nicht gewesen, weil ich nämlich in Wirklichkeit von Außerirdischen entführt wurde?', letzteres würde Farin ihm wohl kaum abkaufen.

Besagter stand unterdessen unter einem wohlig warmen Wasserstrahl und schrubbte sich die Müdigkeit aus den Gliedern. Er hatte zwar bemerkt, dass Bela ihm gegenüber etwas verschlossen war und einem ernsten Gespräch aus dem Weg gehen wollte, aber immerhin hatte er ihm nicht die Tür vor der Nase zugeknallt. Alles Weitere würde sich ergeben, dachte der Bonde als er den Wasserhahn zudrehte und aus der Wanne stieg. Er machte sich daran seine Haare trocken zu rubbeln, dafür hatte er allerdings noch nie genug Geduld gehabt. Unschlüssig ließ er es dann doch bleiben und ging sofort dazu über frische Klamotten aus seiner Tasche hervorzuholen. Dabei erhaschte das Parfumfläschchen seine Aufmerksamkeit. Kann ja nicht schaden, dachte Farin sich und langte zu. Komplett angezogen, zusätzlich bekleidet mit dem "deep throat" - Duft, trat er schließlich in das Zimmer seines Freundes hinaus.

Erschrocken hob Bela den Kopf, als er das sanfte Klicken der Tür hörte. Er hatte vorgehabt, den Blonden mit dem erstbesten Einfall zuzutexten, damit dieser keine Chance hatte den Mund aufzumachen. Doch ihm stockte der Atem als er den Anderen erblickte. Die Kehle des Schlagzeugers fühlte sich auf einmal unangenehm trocken an, er schluckte. Der Gitarrist stand dort in engen schwarzen Jeans und einem gleichfarbigen T-Shirt, die gebleichten Haare waren noch nass, wodurch sie wesentlich dunkler wirkten. Der fruchtige Duft von Shampoo erfüllte die Luft, aber da war noch etwas anderes, ein unauffälligerer Geruch, der Belas Sinne zugleich benebelte und schärfte. Er konnte sich keinen Millimeter rühren, weder wegschauen noch etwas sagen. Wie in Zeitlupe sah er wie Farin sich auf das Bett zu bewegte um sich ihm gegenüber hinzusetzen. Der Kleine spürte wie die Matratze durch das zusätzliche Gewicht ein kleinwenig mehr nachgab. Fasziniert verfolgten seine Augen einen Wassertropfen, der verführerisch langsam aus dem blonden Haar über die hohen Wangenknochen zum scharfkantigen Kinn und dann den samtweichen Hals entlang kroch um schließlich im T-Shirt-Kragen zu verschwinden. Bela verspürte einen starken Drang seine Zunge diesen vorgezeichneten Pfad folgen zu lassen. Er wollte unbedingt wissen wie dieser feuchte Hautstreifen schmeckte. Farin saß ungefähr eine Armlänge von ihm entfernt, gleichzeitig zu nah und zu weit weg. Zu nah um die Versuchung zu ignorieren, zu weit weg um einfach dem Impuls zu folgen. Unfähig irgendetwas zu tun, verfluchte Bela sich selbst, seinen besten Freund, der jetzt so verdammt sexy war und die ganze verfickte Welt gleich mit.

"Ähm... Dirk? Alles okay?", fragte der Große besorgt, als sein Gegenüber nach ein paar Minuten des Schweigens immer noch keinerlei Anstalten machte seine Flucht nach dem Konzert zu erklären. Unsicher versuchte Farin den Blick des Kleineren einzufangen, in der Hoffnung dort eine Antwort zu finden. Doch Belas Augen waren glasig, unfokussiert. Einen schrecklichen Moment lang fühlte sich der Gitarrist an den Drogenkonsum seines Freundes erinnert, er hatte ihn früher ein paar Mal in einem ähnlichen Zustand gesehen. Meistens waren es LSD-Trips, die Bela zu einem unberechenbaren, unzurechnungsfähigen Geschöpf machten. Aber der Kleine hatte doch versprochen das Zeug nicht mehr anzurühren? Die Furcht vor einem Rückfall seines Schlagzeugers zu illegalen Aufputschmitteln breitete sich unaufhaltsam in ihm aus. Verzweifelt, da sein Gegenüber weiterhin keine Reaktion zeigte, packte er Bela am Arm, um ihn dazu zu zwingen ihm zuzuhören. Doch der Schwarzhaarige weigerte sich beharrlich ihm in die Augen zu sehen.

"Dirk, sieh mich an.", sagte Farin nachdrücklich, ein Zittern seiner Stimme verriet jedoch die in ihm aufsteigende Panik.

Bela vertrat jedoch die Meinung, dass er jetzt auf gar keinen Fall dem Wunsch des Blonden folgen dürfte, da er das Gefühl hatte sich gleich selbst zu vergessen. Er hoffte, dass sein Freund möglichst bald aufgeben und gehen würde, bevor er dem Kribbeln in seinen Fingerspitzen, welche sich nichts sehnlicher wünschten als den Anderen von überflüssigen Stoffschichten zu befreien, nachgab. Doch dann spürte er wie sich Farins Hand fester um seinen Unterarm schloss. Bestürzt stellte er fest, dass es sich bei seinem Objekt der Begierde um Jan, den sturköpfigsten Menschen der Welt, nein, des ganzen Universums, handelte. Und dem entsprechend war die Chance, durch pures Ignorieren eben diesen loszuwerden, sehr gering.

"Sieh mich an, verdammt.", zischte Farin bedrohlich, wenn der Kleine glaubte er würde aufgeben, hatte er sich geschnitten. Die Nacht war noch lang, seinen Hotelzimmerschlüssel hatte er sowieso nicht mehr, also konnte er auch gut und gern seine Zeit damit verbringen, eine Erklärung aus seinen Freund zu quetschen. Der Blonde musterte den Schwarzhaarigen eindringlich. Und Tatsächlich nahm er eine Veränderung war: von Bela ging nun eine extreme Anspannung aus. Auch schlich sich ein gequälter Ausdruck auf sein Gesicht. Nun doch davon überzeugt, dass keine Drogen im Spiel waren, sondern irgendeine Art von Kummer das abweisende Verhalten auslöste, wich ein Teil der Angst aus ihm. Seufzend ließ Farin Belas Arm los, stattdessen strich seine Hand unter das Kinn des Anderen um seinen Kopf ein wenig anzuheben. Bela fing an zu zittern, als würde er gleich in Tränen ausbrechen, seine Hände ballten sich im Bettlaken zu Fäusten, jeder Muskel seines Körpers verkrampfte.

"Sieh mich an...bitte.", flüsterte der Große sanft. "Du kannst mir doch alles erzählen.", fügte er ebenso leise hinzu. Tatsächlich schienen diese Worte das Eis zu brechen und für einen winzigen Moment trafen sich ihre Blicke, doch bevor Farin Zeit hatte die Emotionen des Anderen zu deuten, kniff dieser seine Augen fest zusammen. Man sah wie Bela angestrengt seine Konzentration sammelte.

"Es geht nicht..." wisperte der Kleine, wobei er sich ruckartig von seinem Gegenüber wegdrehte. "Es geht einfach nicht...", wiederholte er kaum hörbar. Der Schlagzeuger fühlte sich in der Anwesenheit seines Freundes ertrinken, warum konnte er ihn nicht in Ruhe lassen?

"Aber...", protestierte Farin enttäuscht. Was gab es denn so schlimmes, worüber der Andere partout nicht ein Wort verlieren wollte? Sie waren doch beste Freunde, sie kannten sich doch eigentlich schon eine Ewigkeit, hatten so viel zusammen durchgemacht. Ein letzter Versuch: "... vertraust du mir nicht, Bela?", fragte der Blonde und ließ dabei nicht eine Sekunde die ihm mit dem Rücken zugewandte Person aus den Augen.

Der Schwarzhaarige holte tief Luft. Er hasste es, wenn Farin solche sentimentalen Fragen stellte. "Ich vertraue mir selbst nicht mehr.", erwiderte er wahrheitsgemäß. "Bitte geh jetzt.", forderte Bela wenig später seinen Freund auf.

Verwirrt wartete Farin noch ein bisschen, er wollte dem Schlagzeuger die Chance geben, es sich anders zu überlegen. Als sich die Stille immer weiter ausdehnte und ihn zu erdrücken drohte, gab er schließlich auf. Bela wollte offensichtlich nicht mehr preisgeben, zumindest nicht heute.

"Ich... wenn du morgen oder irgendwann doch darüber sprechen willst... Du kannst jederzeit zu mir kommen, das weißt du. Und falls du nicht mit mir reden willst, Rod hat bestimmt auch ein offenes Ohr für dich...", versicherte er abschließend dem Kleineren, bevor er sich vom Bett erhob um seine Tasche zu holen.

In dem Augenblick, als Farins Gewicht von der Matratze verschwand, wollte Bela sich umdrehen und den Anderen festhalten, ihm sagen, dass er bleiben sollte, aber das würde alles nur noch komplizierter machen. Er musste ihn gehen lassen.

"Ich penn dann bei Nopper... Gute Nacht." Dies waren die letzten und gleichzeitig niedergeschlagensten Worte, die der Schlagzeuger in dieser Nacht hörte und ein leises Klicken verriet, dass Farin endgültig das Zimmer verlassen hatte. Doch noch immer erfüllte sein unwiderstehlicher Duft den Raum, was Bela permanent an seine Schwäche erinnerte. Erschöpft, mies gelaunt, komplett angezogen und den nächsten Tag fürchtend streckte er sich auf dem Bett aus. Allerdings wagte er nicht auf erholsamen Schlaf zu hoffen. Gemeinsam mit einem äußerst schlechten Gewissen, denn schließlich hatte sein großer Freund es immer nur gut mit ihm gemeint, plagten Bela die ganze Nacht Träume von einem gewissen gut aussehenden blonden Gitarristen, der neben seinem 1000-Watt-Grinsen auch noch ganz andere Vorzüge hatte.
 

Farin nistete sich unterdessen nach einer kurzen Erläuterung der Umstände bei ihrem treuen Roadie Nopper auf dem Sofa ein. Wirklich bequem war es nicht, denn diese Couch war schlichtweg nicht dafür ausgelegt einen Hünen wie ihn zu beherbergen. Wesentlich störender empfand der Blonde jedoch, dass Nopper einen Lärm zusammenschnarchte wie ein ganzes Sägewerk bei Höchstleistung. Tatsächlich wunderte ihn, dass sich noch keiner aus den benachbarten Zimmern beschwert hatte. Da bei diesem Geräuschpegel an ein friedliches Entschlummern nicht zu denken war, blieb Farin nichts anderes übrig, als trübsinnig an die Decke zu starren und sich über Bela Sorgen zu machen. Was war mit dem Kleinen geschehen? Was bedrückte ihn? Und vor allem: warum konnte Dirk es ihm nicht erzählen?

Unruhig überlegte er eine Weile hin und her, bis ein Gedanke, der schon die ganze Zeit unbemerkt in seinem Hinterkopf lauerte, vollständig in sein Bewusstsein eindrang. Wie vom Blitz getroffen riss er die Augen auf. Was, wenn Rod Recht behalten sollte? Was, wenn Bela dachte, dass er etwas mit ihrem Bassisten hatte? Und deswegen nicht mit ihm reden wollte? Aber das war absurd. Sie hatten doch schon immer Scherze über solche Dinge gemacht. Irritiert erinnerte sich Farin an Rodrigos Worte: »... für manche Menschen wird aus Spaß eben eine ernste Angelegenheit...« . Warum musste der Chilene in diesem Fall nur so viel Sinn machen? Verdammt.

Für einen kurzen Moment wünschte sich der Große ganz, ganz weit weg, irgendwo im Nirgendwo mit seinem Motorrad durch die Walachei zu düsen, hunderte Kilometer von jeglichen Komplikationen und dummerweise vielleicht Recht habenden Schlaumeiern entfernt. Aber statt die unendlichen Freiheit zu genießen, war er hier und jetzt auf einem viel zu kleinen Sofachen zur Nachtruhe gebettet. In höchstem Maße unglücklich über seine missliche Lage und seinen Zustand der Unwissenheit drehte sich Farin auf die Seite. Grummelnd inspizierte er im spärlichen Mondlicht die Textur der Couch. Da er immer noch nicht im Geringsten müde war und sein Zimmergenosse scheinbar die ganze Sonatensammlung Beethovens vor sich hin schnarchte, pickte er lustlos an ein paar lockeren Fäden des Sofabezugs herum um sich abzulenken. Mit einem resignierenden Seufzer schloss er schließlich seine Augen. Möglicherweise würde die Welt im Licht des morgigen Tages gar nicht mehr so vermurkst aussehen wie heute.

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Möglicherweise würde die Welt im des Licht morgigen Tages gar nicht mehr so vermurkst aussehen wie heute.

Doch als die Sonne wieder aufging, fand Farin ehrlich gesagt nicht, dass sich großartig etwas verändert hatte. Das Einzige, was ihm klarer geworden ist, war die Tatsache, dass das Schlafen auf einem kleinen Sofa äußerst unangenehmen Rückenschmerzen verursachte. Eine Erkenntnis, auf die er dankend verzichtet hätte. Da er nun schon mal wach war und das Gefühl hatte, keine Sekunde länger auf diesem unbequemen Möbelstück ausharren zu können, stand er auf. Nachdem sich der Große ein wenig gereckt und gestreckt hatte, bemerkte er einen gesunden Appetit, welcher sich durch ein dezentes Magenknurren Aufmerksamkeit verschaffte. Der Stress von gestern hatte ihn hungrig gemacht. Auf Zehenspitzen tippelte er zum Bett um sich zu überzeugen, dass Nopper noch tief und fest schlief. So leise wie möglich, schließlich gehörte der Blonde zu den rücksichtsvolleren Personen dieses Universums, schlich er aus dem Zimmer und schloss behutsam die Tür hinter sich. Geschwind lief er den Flur entlang, bog um eine Ecke und prallte prompt mit ihrem Bassisten zusammen, der scheinbar ebenfalls auf dem Weg zum Frühstück war.

"Na du siehst ja nicht gerade erholt aus...", begrüßte Rod den Gitarristen.

"Vielen Dank, dir auch einen schönen guten Morgen.", erwiderte Farin lächelnd, wobei er nur ansatzweise erahnen konnte, wie er selbst in diesem Moment aussah: ungekämmt, schlafzerknittert und mit stecknadelgroßen Äuglein.

"Wilde Nacht gehabt?", scherzte der Chilene, seine eigenen Gefühle bei dieser Frage gut vor seinem Gegenüber versteckend.

"Sehr witzig, Rod.", antwortete der Andere gedehnt. "Ich hätte deine Hilfe gestern gut gebrauchen können.", beklagte er sich gespielt theatralisch, in seiner Stimme die gesamte Erschöpfung mitschwingen lassend.

"Also... hast du mit Bela geredet?", erkundigte sich der Bassist, seine Neugier nun förmlich ins Gesicht geschrieben.

Darauf hatte Farin nur gewartet, er wollte unbedingt die Eindrücke des gestrigen Abends erzählen und seinen Gedanken Luft machen. Ohne zu zögern hakte er sich bei Rod unter, um ihn gleichzeitig in Richtung Hotelrestaurant steuern und von seinem Besuch bei dem Schlagzeuger berichten zu können. Der Große sprach schnell und ununterbrochen wie ein Wasserfall, sein Zuhörer konnte jedoch relativ problemlos seinen Ausführungen folgen, da er diesen Redefluss bei Farin mittlerweile gewohnt war.
 

Trotzdem fand es der Chilene immer wieder erstaunlich, wie der Andere es schaffte, gleichzeitig von seinem Käsebrötchen abzubeißen, seinen Kartoffelsalat runterzuschlucken und pausenlos in einer Tour zu plappern. Als der Gitarrist die Freundlichkeit des Schwarzhaarigen, was die Duscherlaubnis betraf, schilderte, verschluckte Rod sich irritiert an einem kalten Quarkkeulchen und befürchtete schon das Schlimmste. Augenblicklich erschien ein Bild von Bela und Farin, welche zusammen nackt unter einem warmen Wasserstrahl standen, vor seinem inneren Auge. Angespannt lauschte er den Worten seines Gegenübers und schon bald wurde ihm klar, dass der Schlagzeuger brav außerhalb des Bades gewartet hatte. Nachdrücklich verscheuchte der Bassist die imaginäre Duschszene aus seinem Kopf, obwohl er zugeben musste, dass sie einen gewissen Reiz beinhaltete.

Unmerklich seufzend konzentrierte Rod sich wieder auf die Stimme des Anderen. Alles Weitere des Erzählten erhärtete seinen Verdacht bezüglich der Gefühle des Schlagzeugers. Doch Farin selbst schien die Theorie des aus Eifersucht leidenden Belas weiterhin von sich zu weisen. Nachdenklich rührte Rod in seinem Kaffee. Es musste doch eine Möglichkeit geben, den Kleinsten der Band hinterm Ofen hervor zu locken. Er wusste nicht warum, aber er wollte dem Blonden beweisen, dass er Recht hatte. Vielleicht weil Farin in diesem Fall einsehen müsste, dass man auch noch nach langer Zeit für jemanden Leidenschaft entwickeln konnte. Möglicherweise würde Rod dann zu seinen eigenen Gefühlen stehen und den Gitarristen vor eine Wahl zwischen seinen beiden Bandkollegen stellen. Bei diesem Gedanken erschauderte der Chilene. Falls seine Vermutung stimmte, würde ein zwischenmenschliches Desaster auf sie zu kommen. Aber so, wie es jetzt war, konnte es auch nicht bleiben. Besorgt schaute Rod den Anderen über den Frühstückstisch hinweg an. Der Große war mit seiner ausführlichen Erläuterung inzwischen bei dem Rauswurf seitens Belas angekommen. Eine kurze Pause, ehrlich gesagt die Erste überhaupt, entstand.

"Tja... also was meinst du dazu?", fragte Farin dann. Rod inspizierte interessiert seine halb leere Kaffeetasse. Was sollte er darauf antworten? Er entschied sich dafür, die Neugier des Anderen auszunutzen.

"Im Endeffekt ist es doch unwichtig, was ich darüber denke.", erwiderte der Chilene. Die Mine seines Gegenübers verfinsterte sich. "Wirklich wichtig ist doch, dass wir herausfinden, was mit Bela los ist.", fügte er schnell hinzu. Farins Gesichtsausdruck hellte sich kurzzeitig wieder auf, bis ihm offensichtlich etwas Bestimmtes einfiel.

"Ach du Schlaumeier und wie sollen wir das anstellen? Mit mir wollte er zumindest nicht reden!", bemerkte der Blonde schmollend.

Doch Rod hatte schon einen Plan. Flüsternd bedeutete er dem Größeren, dass er sich im Tourbus schlafend stellen sollte, während der Bassist versuchte Bela auszuhorchen. Das klang nach Farins Meinung nicht gerade viel versprechend, aber aus Ermangelung an besseren Ideen erklärte er sich einverstanden. Um die Stimmung ein wenig zu lockern, demonstrierte der Gitarrist des Weiteren auf sehr anschauliche Art und Weise die Geräusche, die Nopper beim Schlafen von sich gab.
 

Bela öffnete schlagartig die Augen als er ein lautes Poltern vor seinem Zimmer hörte. Im ersten Moment war er überzeugt, sich den Krach nur eingebildet zu haben. Doch kurz darauf vernahm er ein vehementes Klopfen an seiner Zimmertür. Damit wusste er, dass die gesamte Crew schon längst auf den Beinen, das Frühstück vorbei und es allerhöchste Zeit zum Aufstehen war. Verstimmt drehte sich der Schlagzeuger auf den Bauch, das Kopfkissen über die Ohren ziehend. Er sah nicht den kleinsten Funken Sinn darin, das Bett zu verlassen. Aller Wahrscheinlichkeit nach zu urteilen würden eine Menge Unannehmlichkeiten auf ihn zu kommen, wenn er aufstand. Sicherlich war dies nicht die optimistischste Grundhaltung, die er an den Tag hätte legen können, aber er glaubte einfach nicht daran, dass sich seine Probleme über Nacht in Luft aufgelöst haben könnten. Schon bei dem Gedanken, seinem besten Freund, nach dem was er heute über ihn geträumt hatte, von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen, schoss Bela die Schamesröte in die Wangen. Sein inständiger Wunsch, dass sich das Laken unter ihm aufreißen und ihn vollständig verschlingen möge, erfüllte sich jedoch wie erwartet nicht.

Seinem unerbärmlichen Schicksal ergeben, raffte er sich schließlich dann doch auf, einen Fuß unter der warmen Decke hervor zu strecken. So blieb er noch ein Weilchen reglos liegen, bevor er einen tief seufzte und gänzlich den Schutz des Betts verließ.
 

Rod stand mit den Ellenbogen auf die Lehne ihres Busfahrers gestützt und sah dem Trucker dabei zu, wie er Schokoriegel um Schokoriegel vernichtete. Das bunte Verpackungspapier häufte sich auf dem Armaturenbrett. Faszinierend.

Farin lag bereits wie abgemacht auf der Rückbank ihres Tourbusses und stellte sich schlafend. Alle waren zur Abfahrt bereit, nur dummerweise fehlte mal wieder ein essentieller Teil der Band: Bela. Gerüchten zu folge wurde dem Schlagzeuger vor etwa einer Stunde signalisiert, er möge gefälligst aus den Federn kommen, doch wirklich gesehen hatte ihn bis jetzt noch niemand. Der Bassist fand dies allerdings nicht sonderlich ärgerlich, ihm war es ganz recht, dass sich ihr Aufeinandertreffen noch ein wenig hinaus zögerte. Schließlich erblickte er den Kleinen im Rückspiegel, wie er gemächlich dem Fahrzeug näher kam. Ohne Eile stieg Bela in den Bus und sah sich um. Er bemerkte erleichtert den scheinbar friedlich schlummernden Gitarristen, nickte dann Rod zu und ließ sich wortlos auf einem der gepolsterten Sitze nieder. Er wirkte erschöpft, unmotiviert, fast kränklich. Bei dem sehr mitgenommenen Anblick seines Kollegen konnte er nicht umhin, sich Sorgen zu machen.

"Bela...", begann der Chilene unsicher. Der Bus fuhr ruckartig los, Rod taumelte einen kurzen Moment, bevor er sich dem Anderen gegenüber hinsetzte. "Bela, wir müssen reden.", setzte der Bassist noch mal an. Als jedoch der Kleine ihn daraufhin mit einem so unglaublich flehenden Gesichtsausdruck ansah und verzweifelt den Kopf schüttelte, verstummte Rod wieder. Beklommen erörterte er den Zustand seines Freundes. Der Schlagzeuger war im Endeffekt dafür bekannt, bei Liebeskummer immer besonders niedergeschlagen zu sein und der Bassist fühlte sich einmal mehr in seiner Theorie bestätigt. Begeistert war er davon natürlich nicht. Während Bela apathisch die trübe Landschaft, welche an ihnen vorüber floss, musterte, überlegte Rod fieberhaft wie er den Anderen zum Reden bringen könnte. Doch plötzlich vernahm er ein Gemurmel aus Belas Richtung. Nicht ganz sicher ob er auch richtig gehört hatte, schaute er sein Gegenüber fragend an, der weiterhin ungerührt aus dem Fenster blickte.

"Findest du es nicht auch verdammt ungerecht, dass immer Scheiß-Wetter ist, wenn wir auf Tour sind?", wiederholte der Kleine, diesmal etwas lauter und verständlicher, ohne jedoch auch nur das kleinste Anzeichen dafür zu geben, dass er an einem tatsächlichen Gespräch interessiert war. Der wolkenverhangene Himmel erschien dem Chilenen nicht gerade als ein umwerfend geniales Thema, aber es war ein Anfang und somit besser, als sich die ganze Zeit anzuschweigen.

"Warum beschwerst du dich? Hat der Regengott Bela etwa den Regen satt?", erwiderte Rod, darum bemüht, möglichst scherzhaft zu klingen. Dies hatte zur Folge, dass sein Gegenüber die Augen von der Landschaft löste um ihn todtraurig anzusehen.

"Die Menschen verändern sich. Ich darf also den Regen auch irgendwann satt haben.", antwortete Bela schleppend. Seine Augen wirkten matt, seine Lippen zierte ein gequältes Lächeln.

"Ich weiß.", meinte der Bassist, wobei er den Wunsch verspürte, seinen Freund in die Arme zu nehmen, ihn zu trösten. Er wusste, dass der Schlagzeuger mehr litt, als er zeigen wollte und jetzt vielleicht unbedingt jemanden brauchte, bei dem er sich ausweinen konnte. Also setzte er sich neben den Schlagzeuger und legte einfühlsam einen Arm um die Schultern des Anderen. Dieser legte kurz darauf den Kopf auf Rods Schulter, wenig später kullerten warme Tränen über Belas Wangen.

"Ich... Ich will doch auch nur... einfach glücklich sein...", schluchzte der Kleine unaufhörlich in Rods T-Shirt hinein.

"Ssshh... es wird alles gut.", jener Satz waren das Einzige, was dem Chilenen einfiel. Es schmerzte ihn, seinen Freund so völlig aufgelöst zu sehen und er hätte in diesem Moment alles dafür getan, dass seine Worte in Erfüllung gingen. Selbst wenn das bedeutete, dass seine eigenen Gefühle verletzt würden.

"Warum... verändern wir uns, Rod? Warum kann nicht alles so sein wie früher?", fragte Bela schließlich, nachdem er sich ein wenig beruhigt hatte. Er sah nun aus wie ein kleines Kind, dem sein Lieblingsspielzeug kaputt gegangen war und welches auf naive, trotzige Art nach dem gleichen Exemplar verlangte. Natürlich wollten solche Kinder dann auf keinen Fall hören, dass dies nicht möglich sei. Es fiel Rod demnach sehr schwer, derjenige zu sein, der ihm vor den Kopf stoßen sollte.

"Es ist nun mal so. Wir müssen versuchen das Beste daraus zu machen.", sagte der Bassist ruhig und da Bela doch schon erwachsen war, musste er sich damit zufrieden geben. Eine verständnisvolle Stille entstand, in der Beide ihren privaten Gedanken nachhingen.

"Rod, darf ich dich etwas fragen?", seufzte der Kleine nach einiger Zeit. In seiner Stimme klang eine gewisse Neugier mit, die dem Anderen nicht entging. Bela schien seine Lebensgeister wieder motiviert zu haben.

"Klar, schieß los.", erwiderte Rod ohne mit der Wimper zu zucken.

"Du musst mir versprechen, ganz ehrlich zu antworten.", meinte Bela dann und obwohl der Chilene den Gesichtsausdruck des Anderen nicht erkennen konnte, da der Kopf des Schlagzeugers immer noch auf seiner Schulter ruhte, glaubte er ein diabolisches Lächeln zu hören. Ihm wurde etwas mulmig zumute.

"Versprochen.", stimmte Rod dem Kleineren zu, auch wenn er eine böse Vorahnung hatte. Nun richtete sich Bela vollständig auf und der Bassist konnte jetzt seine Befürchtung bestätigen: zwar war es einerseits schön, dass sein Freund nicht mehr Trübsal blies, aber warum musste er sich auf Kosten des Chilenen amüsieren? Tatsächlich erhellte ein teuflisches Blitzen Belas Augen, seine Lippen umspielte ein hinterlistiges Lächeln. Er erinnerte Rod stark einen süßen kleinen Dämon, der sich über ein paar Regenwürmer zum ins Höllenfeuer werfen freute. Allerdings gefiel der Gedanke, ein gerösteter Regenwurm zu sein, dem Bassisten eher nicht. Bevor er jedoch über die Vor- und Nachteile eines Daseins als wirbelloses Weichtier philosophieren konnte, holte sich Bela seine Aufmerksamkeit durch ein Fingerschnippen wieder.

"Also... wolltest du schon mal... Farin ficken?", erkundigte sich der Kleine, wobei er versuchte todernst dreinzublicken. Dies gelang ihm aber nicht sonderlich gut, da sein Gegenüber bei dieser Frage einen heftigen Hustenanfall bekam und tomatenrot anlief, was Bela wiederum zum Lachen brachte.

Nachdem Rod sich wieder einigermaßen gefasst hatte, schaute er den Kleinen entrüstet an, drehte sich dann zur Rückbank des Busses um, warf einen Blick auf den immer noch scheinbar schlafenden Gitarristen und bedeutete Bela, dass er unmöglich einen Kommentar abgeben könnte. Auf dem Gesicht des Schlagzeugers breitete sich ein Grinsen aus. "Also doch!", rief er extra laut, um den Chilenen zu ärgern. Noch bevor Rod irgendetwas abstreiten oder gar richtig stellen konnte, sprang Bela auf und rannte um ihre Sitzreihe herum zu Farin, um diesen wach zu kitzeln. Der Blonde wiederum wollte seinem besten Freund den Triumph so schnell nicht gönnen und versuchte so lange wie nur irgend möglich still da zu liegen. Doch schon nach sehr kurzer Zeit konnte er sein Grinsen nicht mehr unterdrücken und begann sich kichernd gegen die Kitzelattacke zu wehren. Rod schaute bei diesem Schauspiel total perplex zu. Ihm fiel es schwer zu begreifen, wie die Beiden so mir nichts dir nichts Frieden schließen konnten, obwohl sie bis eben noch nicht im Stande waren ordentlich miteinander zu reden.

"Ach und Farin? Rod will dich ficken!", stieß Bela inmitten seines Gelächters hervor und in diesem Moment wurde dem Bassisten klar, dass er selbst mal wieder seiner geheimen Funktion, als Streitschlichter zu dienen, vollends nachgekommen war. Wenn auch in diesem Fall unfreiwillig. Trotzdem genoss er die mehr als lockere Atmosphäre zwischen seinen Freunden, selbst wenn er dafür als Spaßopfer herhalten musste. Wozu war er denn sonst der Bassist dieser Chaotenband?

"Echt? Ist das so, Rod? Das konnte ich ja nicht ahnen!", prustete Farin, der den Chilenen nun bei bester Laune unternehmungslustig anfunkelte, während er seinen Bauch vor den kitzelfreudigen Händen des Schlagzeugers zu retten suchte. Und ehe sich Rod versah, wurde er von Bela auf die Rückbank gezerrt und somit in eine recht sinnfreien Jeder-gegen-Jeden-Rangelei hinein gezogen.

Farin, der das ganze Gespräch der anderen Beiden aufmerksam verfolgt hatte, war angesichts der jetzigen Entwicklung zum Rumalbern vorerst beruhigt, auch wenn er sich fest vorgenommen hatte, Bela zu fragen warum er sich wünschte, dass alles so wie früher wäre. Aber erstmal wollte er die heitere Stimmung nicht mit solchen ernsten Sachen belasten. Außerdem würde er damit auch verraten, dass er nur so getan hatte, als ob er schlief. Später würde sich schon eine passende Gelegenheit bieten. Und im Moment war es kniffelig genug, gleichzeitig Belas Hände fest und von seinen eigenen Hüften fern zu halten, Rods Angriffe ebenfalls abzuwehren und eine Verbündung der Beiden zu verhindern. Denn aus irgendeinem Grund schienen nun Bassist und Schlagzeuger zu der stummen Übereinstimmung gekommen zu sein, dass sie gemeinsam genug Macht hatten um ihn auszuschalten. Kampflos wollte er sich dieser unfairen und eigentlich auch regelwidrigen Allianz, schließlich hieß es ja Jeder-gegen-Jeden und nicht Alle-gegen-Farin, nicht unterwerfen. Doch schon bald, nämlich als er vor Lachen keine Luft mehr bekam, wusste er, dass der Klügere besser nachgeben sollte. Der Blonde fügte sich also seinem Schicksal und gab auf. Und dies war im Endeffekt auch nicht das Schlimmste, was ihm passieren konnte, denn obwohl seine beiden Freunde nun jubelnd ihren Sieg feierten, würde es noch genügend Chancen für eine Revanche geben, dachte sich Farin schmunzelnd und lehnte sich entspannt zurück. Die Tour war noch lang.

Die Tour war noch lang.

Das dachte sich Bela auch. Nachdem er sich ein wenig bei Rod ausgeweint hatte, war ihm so zu sagen sonnenklar geworden, dass er auf keinen Fall und schon gar nicht jetzt seine Freundschaft zu dem blonden Halbgott durch miese Laune riskieren wollte. Außerdem formte sich nun so langsam ein genialer, wenn nicht sogar ultimativer Plan in seinem Köpfchen. Er würde Jan verführen. Soweit war er mit seinem Plan schon. Noch nicht wirklich ausgereift, aber immerhin. Wozu war er sonst der absolut anbetungswürdige Schlagzeuger der besten Band der Welt? Wenn tausende von Mädchen alles geben würden, um eine Nacht mit ihm zu verbringen, wie sollte ein einzelner Mann ihm dann widerstehen können? Okay, tausende Mädchen, die alles geben würden, war jetzt vielleicht ein klitzekleines Bisschen übertrieben, aber wenn er Farin so ansah, dann standen seine Chancen gar nicht so schlecht. Hoffte er zumindest. Einen Versuch war es wenigstens wert. Danach konnte er immer noch in Selbstmitleid versinken, wenn es nicht klappte.
 

So kam es, dass sie nach ungefähr einer Stunde bei der ersten kleinen Pinkelpause an einer Raststätte hielten, an der es zufällig auch würzige Curry-Würstchen käuflich zu erwerben gab. Dies deutete Bela als ein positives Omen, da besagte heiße Mahlzeit definitiv zu seinen Lieblingsgerichten gehörte. Erwartungsfroh erhob er sich von seinem Sitzplatz, ließ jedoch dem Gitarristen den Vortritt, hauptsächlich weil der Große näher am Gang saß, allerdings auch um noch einen unauffälligen Blick auf seinen knackigen Hintern zu erhaschen. Dummerweise hatte der Schlagzeuger das Gefühl, als ob Rod seine Hintergedanken nicht entgangen waren, denn dieser schaute ihn kurz darauf mit unergründlichen, schokoladenbraunen Augen durchdringend an. Einen Moment lang fühlte sich der Kleine entlarvt und fürchtete von seinem Freund verachtet zu werden. Diese Besorgnis schob er dann aber schnell von sich, schließlich gehörte der Chilene zu den tolerantesten Personen die er kannte. Möglicherweise würde er mit ihm sogar über sein Vorhaben reden, denn vielleicht kam irgendwann der Zeitpunkt, an dem Bela sich mit dem Bassisten verbünden müsste. Eigentlich konnte er jeden vertrauenswürdigen Komplizen für seinen waghalsigen Plan gebrauchen, es stand immerhin eine freundschaftliche Beziehung zu dem Gitarristen, wenn nicht sogar die Existenz der ganzen Band auf dem Spiel.

Den Blickwechsel seiner Kollegen nicht mitbekommend, stieg Farin mit seinem überirdischen 1000-Watt-Grinsen auf den Lippen aus dem Bus und der Himmel erhellte sich auf wundersame Weise. Ob dieser Wetterumschwung allerdings etwas mit den blitzend weiß glänzenden Zähnen des großen Blonden zu tun hatte oder nicht, wird für immer ein Geheimnis bleiben. Während der Schlagzeuger nun Rod schnappte und ihn zu einer leckeren Curry-Wurst einlud, begnügte sich der übrig Gebliebene mit einem vegetarischen Sandwich. Insgeheim hoffte der Gitarrist allerdings, dass sie schon bald an ihrem heutigen Reiseziel ankommen würden, damit Jörg und Ole etwas Ordentliches für ihn kochen konnten. Ein läppisches Toastbrot mit einem lauen Salatblatt und etwas Butterkäse konnte seiner Meinung nach einfach nicht mit dem Essen der Roten Gourmetfraktion mithalten. Er beschloss, so bald wie möglich einen Aufstand wegen mangelnder Pflege seitens des Personals zu proben. Es konnte ja nicht angehen, dass sie sich ihre Pausenverpflegung selbst organisieren mussten. Das Catering konnte mit einem Boykott rechnen. Oder zumindest mit einem lautstarken Protest.

Schließlich, nachdem alle ihre mehr oder weniger vollen Blasen entleert hatten, rollte der Tourbus fröhlich und munter weiter. Das Gespräch zwischen den drei Bandmitgliedern drehte sich während der Fahrt um dies und das, hauptsächlich um Wahlwitze, Horrorfilme und die Setlist des Abends. Letzteres wurde zwar immer wieder angesprochen, doch kam es vorerst zu keiner Einigung. Jenes lag vor allem an einem fehlenden Blatt Papier und zugehörigen Stift, mit denen man die Reihenfolge der Songs hätte notieren können. Schlechtgelaunte Zeitgenossen könnten an dieser Stelle behaupten, dass die Beschaffung eines banalen Zettels plus Kugelschreiber in der heutigen Ära der Kommunikationsgesellschaft absolut kein Problem darstellt. Vor allem wenn es um eine Band geht, die bereits einen Vertrag auf Serviettenpapier abgeschlossen hatte, also in diesem Punkt eher nicht zur wählerischen Sorte gehörte. Doch um entsprechendes Schreibmaterial besorgen zu können, hätte sich einer der Drei von seinem Sitzplatz erheben müssen. Aus unerfindlichen Gründen wollte allerdings niemand eben dieses tun. Vielleicht weil es gemeinsam auf der Rückbank so schön gemütlich und kuschelig war. Sicher spielte auch Farins Befürchtung, seinen hart erkämpften Platz in der Mitte seiner Freunde durch kurzzeitiges Verlassen komplett zu verlieren, eine tragende Rolle. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass sich Bela trotz seiner überschaubaren Körpergröße auf mehrere Sessel oder Sofas oder sonstige Sitzgelegenheiten ausbreitete, nur um entweder Jan oder Rodrigo, manchmal sogar beide, zu ärgern. Zwar war es durchaus recht süß, wenn sich der Schlagzeuger mit scheinheiliger Unschuldsmine so weit wie möglich ausstreckte, um eine ganze Sitzreihe zu okkupieren, aber diesmal würde der Blonde ihm dazu keine Gelegenheit bieten. Er konnte natürlich nicht ahnen, dass Bela alles andere als darauf bedacht war, Farin von der Rückbank zu verbannen. Ganz im Gegenteil. Der Kleine nutzte die Chance sich unauffällig anzulehnen, genoss die Wärme des Anderen und badete in einem seligen Glücksgefühl. Dem zufolge dachte auch er nicht im Traum daran einen blöden Stift oder sonst irgendwas holen zu gehen. Rod hingegen war einerseits zu faul zum aufstehen, andererseits quälte ihn seit einiger Zeit das Bild eines niedlichen Bela-Teufelchens mit Gabel in der Hand, auf welcher er selbst in Form eines Würmchens aufgespießt war. Vor seinem geistigen Auge entfaltete sich ein Höllenszenario in Miniformat und er empfand höchstes Mitgefühl für alle über einem offenen Feuer gegrillten Insekten der Welt.

Da also aus verschiedenen Bedenken keinerlei Motivation bestand, die gemütliche und vor allem kuschelige Rückbank zu verlassen um den vorderen Teil des Busses nach Schreibutensilien zu durchforsten, blieb die Reihenfolge der Lieder bis dato ungeklärt. Außerdem gab es interessantere Sachen zu bequatschen als eine schnöde Setlist. Erstaunlich viel trug der sonst doch eher zurückhaltende Bassist zum selbst gewählten Thema: ,Macht es Sinn Regenwürmer zu rösten und wenn ja, bei wie viel Grad?' bei. Dies führte zu einigen mental aufblinken Fragezeichen über den Köpfen von Bela und Farin, dennoch entschlossen sie sich, ebenfalls ihren Senf zu der Sache hinzu zu geben. Im Endeffekt kamen sie zu dem Schluss, dass der Schlagzeuger ein Kochbuch über die vielseitige Zubereitung von jeglichem Insektengekreuch herausbringen wollte, wofür Rod dann allerdings als Vorkoster herhalten müsste, was der Gitarrist wiederum als schlechte Idee bezeichnete. Dabei wies er auf die gemeinsam mit Bela durchlebte WG-Zeit und die Tatsache, dass der Abwasch kurz davor gewesen war, ein demokratisches System zu gründen, hin. Der Kleine aber wies jegliche Verantwortung für das Geschirr von sich, konnte aber nicht bestreiten, dass sich seine Kochkünste doch eher in Grenzen hielten. Trotzdem einigten sich alle Beteiligten auf ein gemeinsames Treffen nach der Tour, bei dem jeder etwas selbst Gemachtes zum Essen mitbringen sollte. Als Bela dann anfing verschiedene DVDs, welche man bei einem solchen Anlass seiner Meinung nach prima gucken könnte, vorzuschlagen, begann ein allgemeines Kopfschütteln seiner Zuhörer. Es fielen unter anderem Filmtitel wie ,Angriff der Killer-Maden'; ,Bandwurmmörder' und ,Blutrünstige Obstfliegen in Texas'...

Auf diese harmlose Art ging die Busfahrt recht schnell vorüber und schon bald standen sie vor der Halle, in der sie heute spielen würden. Die Roadies räumten die Instrumente in Windeseile auf die Bühne, während Farin im Backstagebereich einen "Wir haben Hunger!" -Chor anstimmte, in den die anderen Beiden sogleich einfielen. In der Hoffnung, dass ihr Wunsch schon bald erhört würde, setzten sich die drei Herren Musiker um einen kleinen Tisch, welcher ursprünglich zum Schminkkram Ablegen gedacht war, doch der nun von ihnen zum Anti-Null-Service-Protest-Objekt umfunktioniert wurde. Bela schnappte sich dazu ein Paar Essstäbchen, die er dem Blonden beim letzten Sushi-Snack vor drei Tagen entwendet hatte, und trommelte auf einigen herum stehenden Blechbüchsen zum ausufernden, die Cateringleute anklagenden Gesang seiner Bandkollegen. Jenes hatte zur Folge, dass sich mehrere Crewmitglieder bei der Roten Gourmetfraktion wegen des Lärms beschwerten, was wiederum deren Delikatessenproduktion beschleunigte. Schon bald brachte Jörg, mit tatkräftiger Unterstützung von Ole, verschiedene Gerichte auf großen und kleinen Tellern in den Umkleideraum der Band. Dies taten sie auf äußerst geduldige Art und Weise, ohne eine Schnute zu ziehen, obwohl Rod mittlerweile dabei war einen Reim auf ,chronisch überbezahlte Köche' zu suchen. Im Endeffekt bedankten sich dann doch noch alle brav bei ihren Küchenmeistern für das herzhafte Essen und ihre Mühe. Immerhin ist es ziemlich unklug, jemanden zu erzürnen, von dessen Wohlwollen deine Ernährung in der nächsten Zeit abhängig ist.

Nachdem sich jeder mit mehr oder weniger vegetarischen Köstlichkeiten von Fischsuppe bis Hühnerfrikassee eingedeckt hatte, blieb ihnen noch reichlich Zeit bis zum Auftritt. Farin nutzte diese, indem er es sich nun satt und zufrieden auf einer Bank ihm Umkleideraum bequem machte, die Augen schloss und wenig später entschlummerte. Bela hingegen blieb am Tisch sitzen um weiter an seinem ultimativ-genialen Plan zu schmieden, wobei er dem Blonden beim Schlafen zuschaute. Rod wiederum beobachtete den Schlagzeuger und den Gitarristen aus den Augenwinkeln. Doch da das Ganze auf die Dauer langweilig wurde, machte er sich schon mal daran, ihr Zeug für den Gig aus dem Tourbus zu holen. Warum kein Roadie bis jetzt auf diese Idee gekommen war, entzog sich seiner Vorstellungskraft, aber so hatte er zumindest etwas zu tun. Um den Prozess so unkonventionell wie möglich zu gestalten, kippte der Bassist nacheinander alle Koffer-, Tüten- und Taschen-Inhalte auf einem Haufen, um kurz darauf etwas desinteressiert ihre Sachen zu sortieren. Dabei stieß er beim Durchwühlen auf das Parfumfläschchen des momentan schlummernden Bandmitgliedes. Neugierig beäugte er seinen Fund. Dann drehte er sich zu dem Kleinen, welcher immer noch höchst unkonzentriert mit verschleiertem Blick in Richtung des Blonden schaute.

"Hey Bela, gehört das dir?", fragte Rod leise, damit er den Großen nicht aus Versehen weckte und hielt besagtes Objekt in die Höhe. Es dauerte einen Moment bis sein Ansprechpartner auf ihn reagierte, denn nur widerwillig löste der Schlagzeuger seine Augen von Farins Hals, an dem er gerade eine wunderschön pulsierende Ader bewundert hatte. Die von Vampirismus durchtränkten Fantasien beiseite räumend, widmete er nun seine Aufmerksamkeit dem Bassisten, obwohl ihm seine Frage recht nebensächlich und überhaupt unrelevant erschien. Was konnte schon wichtig genug sein um zu rechtfertigen, ihn aus seinen Tagträumen gerissen zu haben? Stumm erblickte er das mysteriöse Fundstück.

"Nee. Wieso?", antwortete der Kleine verwirrt dreinschauend, stand daraufhin auf und ging zu dem Chilenen um das Fläschchen näher zu begutachten. Die Inschrift auf dem Glas erinnerte ihn an den Titel eines Pornofilms aus den Siebzigern, aber sonst kam ihm das Alles irgendwie spanisch vor. Gleichgültig zog er die Augenbrauen hoch und zuckte die Schultern. "Hab das Ding nie gesehen.", meinte er einen kurzen Augenblick später.

"Muss dann wohl Farins sein...", ergänzte Rod. Die Beiden sahen sich an. In den Köpfen der Beide entfaltete sich die Erinnerung an die Szene von vor ein paar Tagen im Proberaum, in welcher der Gitarrist stark einparfümiert aufgekreuzt war. Und sie grinsten. Ohne Worte waren sie zu der Vereinbarung gekommen, dem Schlafenden einen kleinen Streich zu spielen.

Ohne Worte waren sie zu der Vereinbarung gekommen, dem Schlafenden einen kleinen Streich zu spielen.

Rod öffnete die Verschlusskappe des Fläschchens um erstmal schnuppernd den Geruch zu prüfen, stellte allerdings nichts Besonderes fest. Leicht irritiert, denn wer kaufte schon ein Parfum, welches nach nichts Bestimmten roch, bedeutete er dem Kleineren näher zu kommen. Dieser ließ sich geduldig und sehr großzügig mit dem Inhalt des Glasbehälters besprühen. Dann nahm Bela das Fundstück an sich und dieselte im Gegenzug den Chilenen von den Haarspitzen bis zum kleinen Zeh ein. Kritisch beäugte der Schlagzeuger sein Werk.

"Das reicht jetzt aber, Bela!", rief der Bassist erschrocken, als der Andere sich daran machte ihn noch ein zweites Mal von oben bis unten mit dem undefinierbar riechenden Zeug zu benetzen.

"Ach, jetzt hab dich nicht so!", erwiderte Bela stirnrunzelnd. Trotzdem ließ er von Rod ab und drehte sich grinsend den Klamottenstapeln zu. Der Kleine suchte nach einem geeigneten Versteck für das Parfum. Farin sollte schließlich seinen Spaß an der Suche nach seinem Eigentum haben! Vielleicht in den Schuhen? Aber die brauchte er beim Konzert ja. Die Jackentasche? Allerdings würde der Gitarrist dort als Erstes nachgucken. Wo würde der Blonde das Fläschchen unter keinen Umständen vermuten? Hm. Unschlüssig verschränkte der Schlagzeuger seine Arme über dem Brustkorb.

Für einen kurzen Moment versank er in Gedanken, mit der Konsequenz dass ihm die Veränderung der hiesigen Atmosphäre komplett entging. Die Luft vibrierte auf einmal vor Anspannung, die Stimmung des Raumes unterlag einem starken Knistern, als würde sie elektrisch aufgeladen. Rod war nicht mehr nach kindischen Versteckspielchen zu mute. Unbemerkt näherte er sich seinem Freund.

Plötzlich spürte Bela wie ein heißer Atem seinen Nacken entlang strich und ihm lief ein eisiger Schauer den Rücken hinunter. Ein mulmiges Gefühl machte sich schlagartig im Magen des Kleinen breit. Als er versuchte sich umzudrehen um dem Anderen ins Gesicht zu sehen, schlossen sich zwei kräftige Hände wie Schraubstöcke um seine Schultern und hielten ihn fest. Bela schluckte. Was sollte das denn jetzt? Hatte er was verpasst? Das bedeutet doch nichts Gutes, oder? Tausend wirre Fragen schossen durch den Kopf des zutiefst beunruhigten Schlagzeugers, doch bevor er auch nur eine davon stellen konnte, erreichte seine rechte Ohrmuschel ein warmer Lufthauch mit den Worten: "Du wolltest doch vorhin noch wissen... ob ich Mister Farin U. schon mal ficken wollte, hm?". Wie vom Blitz getroffen erstarrte der kleine Schwarzhaarige. Das konnte doch nicht heißen, dass...?

"Möchtest du die Wahrheit hören?", ertönte es einen winzigen Augenblick später im Flüsterton wieder ganz dicht an Belas Ohr. Der Schlagzeuger hielt es für das Beste nicht zu antworten und blieb stumm. Rods Griff um die Schultern des Kleineren lockerte sich ein wenig. Trotzdem wagte Bela es nicht sich zu rühren, denn die Präsenz des Bassisten lauerte immer noch gefährlich nah hinter ihm. Außerdem glitten die Hände des Chilenen nun langsam über seinen Oberkörper nach unten, was den Kleinen weiter verunsicherte, vor allem da sich mittlerweile ein angenehmes Kribbeln in seiner Bauchgegend festgesetzt hatte. Schließlich schlangen sich Rods Arme lässig um Belas Hüften und der Schlagzeuger bemerkte, dass der Andere sich jetzt leicht an seinen Rücken lehnte, während dieser verdammt verführerische Atem immer wieder über seinen Hals streifte. Unwillkürlich schloss er die Augen. Wenn es nur Jan wäre, der ihn so umarmte...

Von einer Sekunde zur nächsten wurde der Schlagzeuger schwungvoll herumgewirbelt und fand sich in einen brutalen Kuss mit dem Chilenen verwickelt, ohne dass er sich so richtig im Klaren darüber war, wie er in diese Situation hineingeraten konnte. Jeglicher rationale Gedanke hatte sich bereits aus Belas Kopf verflüchtigt, stattdessen überflutete ihn eine sinnliche Woge sexueller Begierde, der er sich nicht widersetzen konnte oder wollte. Dieses Gefühl, gegen einen muskulösen männlichen Körper gepresst zu sein, eine Hand in die kurzen schwarzen Haare des Anderen zu krallen und einen atemberaubenden, um Dominanz ringenden Zungenkuss zu vollführen, war unbeschreiblich. Willenlos gab er sich seinem Verlangen hin. Doch auch das sollte nicht lang anhalten, denn der Bassist beendete schwer atmend ihren Lippenkontakt auf ziemlich abrupte Art und Weise, wobei er den Kleineren mit seinen dunklen, seltsam funkelnden Augen durchdringend anblickte.

"Die Wahrheit ist... dass ich ganz genau weiß...", wisperte Rod genüsslich, der Lufthauch seiner Worte kroch in grausamem Zeitlupentempo in Belas Ohrmuschel hinein und hatte zur Folge, dass den Schlagzeuger wiederum ein wohliges Zittern durchfuhr.

"... wie sehr du dir wünschst, Farins Knackarsch zu entjungfern.", beendete der Chilene seinen Satz. Punktieren tat er seine Aussage, indem er seine Hände den Rücken des Anderen bis zu seinem Hintern entlang wandern ließ, um diesen dann genießerisch zu kneten.

In diesem Moment entrann Bela ein leiser Seufzer. Die Bemerkung des Bassisten wurde keinesfalls vollständig von seinem Gehirn verarbeitet, sein Bewusstsein schlang sich einzig und allein um das Bild des Gitarristen und erst nach und nach klärten sich seine verschleierten Gedanken auf, als eben dieser blonde Halbgott, welcher immer noch auf der Bank schlief, in sein Blickfeld geriet.

Schlagartig holte die Realität den Kleinen wieder ein. Seine horrorgeweiteten Augen konnten sich nicht mehr von Farin abwenden, der allem Anschein nach im Begriff war, aufzuwachen. Mit Entsetzen erkannte nun der Schlagzeuger, dass er die Kontrolle über seinen Körper scheinbar vollständig verloren hatte. So sehr er auch versuchte, aufgrund der herannahenden Katastrophe den Größeren von sich zu stoßen, es gelang ihm nicht. Erschwerend kam noch die Tatsache dazu, dass Rod angefangen hatte an seinem linken Ohrläppchen zu knabbern, was Bela verdammt noch mal unverschämt sexy fand. Unfähig etwas zu sagen, geschweige denn etwas zu tun, musste er mit ansehen wie der Gitarrist immer unruhiger wurde. Noch war es nicht zu spät, noch konnte er versuchen seinem Schicksal zu entgehen. Noch hatte der Blonde das Traumland nicht verlassen. Noch war alles, was bisher vorgefallen ist, nicht Wirklichkeit, oder zumindest nicht so wirklich wie wenn es eine dritte Person bezeugen konnte.

Doch jetzt ließ der Chilene seine Zungenspitze verführerisch langsam über den äußeren Rand seiner Ohrmuschel streichen, um wenig später den inneren Teil zu erforschen. Damit hatte Rod den absoluten Schwachpunkt des Schlagzeugers gefunden. Der Kleinere schmolz dahin wie Butter in der Sonne, seine Knie fühlten sich mittlerweile gummiweich an, ein halb unterdrücktes Stöhnen entfuhr seinen leicht geöffneten Lippen und er fühlte sich der Verzweiflung nahe. Warum musste ihm so etwas passieren? Was würde Farin sagen? Was dachte sich Rod eigentlich dabei?

Kraftlos ließ Bela das Parfumfläschchen fallen, welches er bis dato in der rechten Hand gehalten hatte. Mit einem surrealistisch lauten Geräusch kündigte es das Erreichen des Fußbodens an. Als das schallenden Klattern des Glases ertönte, schien die Zeit einen gewaltigen Schritt schneller vorwärts zu sprinten, wenigstens kam es dem Schlagzeuger so vor. Ehe er sich versah war der warme Körper, in dessen Umarmung er sich bis dahin noch gelehnt hatte, verschwunden und seine Beine knickten unter ihm weg. Er spürte einen stechenden Schmerz in seinem Hinterkopf, vermutlich weil dieser unfreiwilligen Kontakt mit den harten Fliesen machte. Das letzte, was der kleine Schwarzhaarige erblickte, war das zugleich entsetzt und besorgt dreinschauende Gesicht von Rodrigo, der sich über ihn beugte. Dann schlich sich eine schwammige Dunkelheit über Belas Augen.
 

Farin wurde unsanft durch ein klirrendes Scheppern aus einem äußerst bizarren Traum gerissen. Etwas desorientiert suchte er den Umkleideraum nach der Ursache für sein Erwachen ab. Das sich ihm bietende Bild wirkte auf ihn zuerst recht amüsant: die Sachen für ihren Gig lagen überaus unordentlich über mehrere kleine Häufchen verteilt, inmitten dieses Chaos kniete sein Bassist über einer seltsam verdreht liegenden Person. Als ihm klar wurde, dass es sich bei dieser Person um den Schlagzeuger handeln musste, fand der Blonde die Szene gleich viel weniger lustig und sprang auf, um sich einen genaueren Überblick von der Situation machen zu können.

Seine Schritte näherten sich hastig den beiden Anderen. In dem Moment, als er schon den Mund aufmachen und eine Frage an den Chilenen richten wollte, stieß seine Fußspitze gegen ein kleines gläsernes Gefäß. Verwundert, wie es denn dahin gekommen sei, hob er das Parfum auf. Er achtete aber nicht weiter darauf. Viel wichtiger war jetzt in Erfahrung zu bringen, was mit dem Kleinen passiert war.

"Hey, was habt ihr denn hier veranstaltet? Was ist mit Bela?", wollte der Gitarrist wissen. Erschrocken hob Rod den Kopf, offensichtlich hatte er den Großen noch gar nicht bemerkt. Dann fiel sein Blick auf das Fläschchen, welches Farin in der Hand hielt. Die Augen des Bassisten weiteten sich urplötzlich angsterfüllt. Rasch wendete er sich wieder dem Liegenden zu.

"Keine Ahnung. Bela ist einfach ohnmächtig geworden.", antwortete der Chilene schließlich ausweichend. Doch dem Anderen entging nicht, wie er dabei schuldbewusst auf seine Unterlippe biss. Das hieß meistens, dass er mit eine Kleinigkeit, die durchaus mal größer sein konnte, nicht herausrücken wollte.

"Einfach so? Aus heiterem Himmel?", hakte der Blonde ungläubig nach. Rod allerdings schwieg. Mitleidig musterte der Gitarrist seinen besten Freund, doch abgesehen von der unbequem aussehenden Position, in der er sich befand, schien ihm nicht großartig etwas zu fehlen. Sein Atem ging regelmäßig, er war nicht sonderlich blass und hatte keine sichtbaren Verletzungen.

Seufzend schob Farin jeweils einen Arm unter Belas Schulterblätter und Kniebeuge, um ihn sanft vom Boden aufzuheben. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, trug er den Schlagzeuger zu der Bank, auf der er selbst bis vor kurzem noch geschlafen hatte. Behutsam legte er ihn darauf ab, schnappte sich eine Jacke von den Klamottenstapeln und stopfte diese führsorglich als Kissenersatz unter den Kopf des regungslosen Kleinen. Nachdem er sich so gut es ging um seinen Freund gekümmert hatte, drehte er sich vorwurfsvollen Blickes wieder zu dem Bassisten um. Dieser kauerte immer noch an derselben Stelle zwischen den verstreuten Sachen und wirkte recht verloren. Was hier auch vorgefallen sein mag, es war jedenfalls mehr als nur ein konstitutionsbedingter Schwächeanfall. Und der Chilene war momentan der Einzige, der darüber Auskunft geben konnte. Aber allem Anschein nach fühlte dieser sich nicht dazu verpflichtet, seinem ahnungslosen Bandkollegen auf die Sprünge zu helfen. Stattdessen stand er nur sehr, sehr, sehr langsam auf, was die Ungeduld des Größeren ins unermessliche steigerte.

"Willst du mir jetzt nicht mal erzählen, was passiert ist?", fuhr der Größere den Chilenen gereizt an. Er konnte es einfach nicht leiden, wenn er so im Dunklen gelassen wurde. Doch als er den gequälten Gesichtsausdruck des Anderen erkannte, hätte er sich am liebsten selbst eine Ohrfeige gegeben. Der Blonde hatte sich bei seiner Frage wohl an einen ganz schön aggressiven Ton vergriffen, womit er den Anderen offensichtlich verletzte. Sicher konnte Rod rein gar nichts für Belas Zustand und ihn einfach so anzufauchen war schlichtweg übertrieben. Besonders bereute Farin seinen Ausrutscher, als kurz darauf einige bittere Tränen über die Wangen des Bassisten kullerten. Allerdings blieb ihm keine Zeit sich zu entschuldigen, da Rod zwischen vereinzelten Schluchzern ein paar Worte hervorstieß, die ihn zutiefst verwunderten.

"Ich... ich hab doch... auch keine Ahnung... was hier... los ist...", murmelte der Schwarzhaarige. "Ich weiß doch auch nicht... was mich geritten hat...", ergänzte er nach einem lautlosen Schlucken. "Es tut mir so leid...", fügte er unter weiteren Tränen hinzu. Dann wandte sich der Chilene ab und stürmte aus der Tür. Schockiert und vor allem verwirrt schaute der Gitarrist ihm nach.

Schockiert und vor allem verwirrt schaute der Gitarrist ihm nach.

Farin konnte sich partout keinen Reim auf das Geschehen machen. Was ging hier eigentlich ab? Warum benahmen sich alle so komisch? Vor allem wurde er das Gefühl nicht los, irgendwie einen entscheidenden Part verpasst zu haben. So ein Müll. Und niemand kümmerte sich darum, ihn einzuweihen. Na toll.

Schmollend wandte sich der Blonde seinem besten Freund zu, welcher nicht das geringste Anzeichen machte aufzuwachen. Irritiert piekste der Größere ihm in die Wange. Keine Reaktion. Noch ein Piekser. Immer noch keine Reaktion. Seufzend legte Farin seine Stirn in Falten. Bela war doch hoffentlich nicht ernsthaft verletzt? Besorgt musterte er den Schlagzeuger, welcher scheinbar friedlich schlummernd dalag. Die entspannte Unschuldsmine ließ den Kleinen wesentlich jünger wirken. Fasziniert von diesem Anblick ließ er sich neben seinem Bandkollegen nieder.

"Mensch Felse... nichts als Ärger hat man mit dir.", bemerkte Farin leise, wobei ein Lächeln über seine Lippen wanderte. Er erlaubte sich für einen kurzen Moment in der Vergangenheit zu schwelgen, dachte an die unzähligen Male, in denen er seinem Freund aus der Patsche geholfen hatte. Umgekehrt war das natürlich auch oft der Fall gewesen. Einen abwesenden Gesichtsausruck tragend, strich er mit seinen Fingerspitzen sanft durch die jetzt recht kurzen schwarzen Haare des Anderen. Der Gitarrist erinnerte sich gut an die Zeit, als die Mähne des Kleinen noch bis knapp über die Schultern reichte. Bela hatte am Anfang immer gemeckert, es sei furchtbar anstrengend, lange Haare zu pflegen. Abschneiden stand jedoch auch nicht zur Diskussion. Warum er sich mittlerweile dazu durchgerungen hatte, wusste der Blonde nicht. Vermutlich, weil es so einfach praktischer war. Unbewusst schlich sich die Szene vom Vormittag in seinen Kopf, als der Schlagzeuger so traurig gefragt hatte: »Warum... verändern wir uns, Rod? Warum kann nicht alles so sein wie früher?« Ein wenig konnte er das ja verstehen. Nicht, das ihn die neue Frisur störte, sie sah an Bela seiner Meinung nach ganz gut aus, aber er vermisste die langen dunklen Zotteln schon ein bisschen.

Doch bevor Farin in unzureichend begründete Melancholie versinken konnte, vernahm er ein schmerzuntermaltes Stöhnen aus Richtung seines Freundes. Dieser öffnete langsam die Augen, sein Blick war zuerst unfokussiert und irrte ein wenig herum, bis er schließlich an dem Gesicht des Blonden hängen blieb. Unverwandt blinzelte der Kleine einige Male.

"Hey Bela. Wieder wach?", meinte der Gitarrist, wobei er verstohlen ein paar nachtschwarze Strähnen hinter das linke Ohr des Liegenden kämmte. Der jedoch schien diese Geste nicht weiter bemerkt zu haben, öffnete den Mund, machte ihn wieder zu, um noch mal zu blinzeln und schließlich unsicher seine Stimme zu erheben, die seltsam zittrig klang.

"Was hat Rod dir erzählt?", wollte der Schlagzeuger wissen. Eine kurze Pause erfüllte den Raum, in der Farin den Anderen überrascht anschaute und von einem unwohligen Gefühl geplagt wurde.

"Nichts, außer dass du einfach in Ohnmacht gefallen bist und er keine Ahnung hat, warum er was-weiß-ich, so genau hab ich das nicht verstanden, getan hat.", antwortete der Blonde in einem Atemzug wahrheitsgemäß.

"Aha...", sagte Bela tonlos. Kurz darauf fing er erleichtert an zu lachen, dieses wiederum empfand der Gitarrist als total unangebracht.

"Felse? Was ist denn daran jetzt so komisch?", fragte er irritiert. Der Kleinere allerdings kicherte immer mehr und mehr, ohne auf den verwirrten Gesichtsausdruck des Anderen zu achten. Er brauchte ein Weilchen um sich zu beruhigen, dann richtete sich der Schlagzeuger in eine sitzende Position auf, ein zuckersüßes Lächeln zierte dabei seine Lippen. Er hatte seinen Plan nicht vergessen. Und vielleicht war diese Rumknutsch-Eskapade von vorhin sogar zu irgendwas nütze. Zumindest wusste Bela jetzt hundertprozentig, dass er mit Konkurrenz rechnen musste. Dazu auch noch Konkurrenz, die so umwerfend gut küsste. Also sollte er sich ranhalten. Um Rod würde er sich später kümmern, solange dieser nichts Pikantes ausplauderte war keine Eile geboten. Vergnügt legte der Schwarzhaarige seine Arme locker um die Schultern seines Freundes.

"Nichts, ich glaube nur, diese Tour kann sehr spannend werden.", erläuterte der Kleine schließlich. Sein Lächeln wurde von Sekunde zu Sekunde verschmitzter. Farin hatte eine unheilvolle Vorahnung. Normalerweise wäre es spätestens jetzt an der Zeit gewesen, eine umfassende Erklärung aus dem Schlagzeuger zu quetschen, aber wenn Bela so lieb dreinschaute, war jenes einfach nicht möglich. Die verpasste Chance würde ihm später zum Verhängnis werden, vermutete der Große stark.
 

Rod war unterdessen aus dem Gebäude geflohen um frische Luft zu schnappen. Die Leute der Crew, an denen er vorbei gerannt war, hatten ihm ziemlich verdutzt nachgesehen, ihn aber nicht aufgehalten. Darüber war er auch ganz froh, denn im Moment wollte er sein Verhalten niemandem erklären müssen. Seine Schritte wurden nach und nach langsamer. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Geistesabwesend kramte der Chilene in seiner Jackentasche nach der Zigarettenschachtel. Er konnte schlichtweg nicht begreifen, was in der Garderobe vorgefallen war. Von einem Augenblick zum Nächsten hatte er die Kontrolle über seinen Körper verloren. Er hatte Dinge gesagt, die er eigentlich nie laut aussprechen würde und, viel schlimmer, er hatte seinen Freund zu einem Kuss gezwungen! Wie sollte er Bela nun gegenübertreten? Mit zitternden Händen zündete der Bassist sich eine Zigarette an. Seine Gedanken kreisten um das Geschehene. Immer und immer wieder durchlebte er die Szene, in der er auf den Anderen zugegangen war, unaufhaltsam wie wenn Metall von einem Magneten angezogen wird. Als ob er auf einem erstklassigen Drogentrip gewesen wäre. Und irgendwo in seinem Unterbewusstsein stellte er eine Verbindung zu diesem seltsamen Parfum des Gitarristen her.

Rod schüttelte widerwillig den Kopf. Das konnte alles nicht tatsächlich wahr sein, oder? Vielleicht hatte er nur geträumt. Zum Entsetzten des Bassisten fühlte er jedoch noch ganz genau die brennende Haut des Schlagzeugers unter seinen Fingerspitzen. Verunsichert schnippte er den fast runter gebrannten Zigarettenstummel weg und steckte sich gleich eine Neue an. Doch Belas Geschmack ließ sich genauso wenig von seiner Zunge verbannen wie das Erlebnis aus seinem Gedächtnis gelöschte werden konnte. Ein Desaster.

Vor den Augen des Chilenen flirrte jetzt das Bild des Kleinen, wie er reglos am Fußboden lag. Bei diesem Anblick hatten sich seine Innereien schmerzhaft zusammengezogen, der tranceartige Zustand war plötzlich verpufft und das Geräusch des klirrenden Fläschchens hallte in seinem Schädel unaufhörlich wieder. Traumatisiert hatte er sich zu dem Anderen hinunter gebeugt, dann war da auf einmal Farin an seiner Seite und fragte unsinnige Sachen, in der Hand hielt er das Parfum. In diesem Moment hatte er eine riesige unbegründete Angst verspürt. Der Schock saß tief in Rods Knochen. Als er sah, dass der Blonde sich um den Schlagzeuger kümmerte, musste er die Gelegenheit ergreifen und einfach weglaufen. Bloß raus aus diesem Raum. Aber jetzt sollte er lieber zurückgehen. Er nahm noch einen letzten Zug von seiner Zigarette und warf den Rest weg. Nervös überlegte er, wie er sich bei Bela entschuldigen konnte. Mit einer Hand kämmte sich der Bassist fahrig durch die schwarzen Haare. Zögerlich trat er schließlich den Rückweg an.
 

In der Garderobe spielte sich in der Zwischenzeit folgendes Szenario ab: ein schnuckeliges kleines Lebewesen namens Dirk Felsenheimer klammerte sich zutraulich an den Gitarrengott Jan, laberte lang und breit recht sinnfrei über die Moral und das wahre Leben der Rockstars, um zu dem Schluss zu kommen, dass der Größere auf keinen Fall ohne Knutschfleck auf die Bühne gehen konnte. In der Argumentation des Schlagzeugers klang das komischerweise sogar logisch, oder zumindest einleuchtet, aber überzeugt hatte er den Blonden deswegen noch lange nicht. Das freundliche Angebot, von seinem Freund Unterstützung in dieser stilistischen Hinsicht zu bekommen, müsse er leider ablehnen, meinte Farin leichtsinnig. Dennoch holte die tragische Realität den Gitarristen schnell wieder ein, manchmal hatte er eben nicht das letzte Wort, zum Beispiel wenn man ihn nicht ausreden ließ und einfach in seinen Hals biss. Eben dieses tat jedenfalls Bela, in sehr eleganter Vampirmanier.

In dem Augenblick, als das Opfer entrüstet über diesen Missbrauch zu schimpfen anfangen wollte, öffnete der Chilene die Tür des Umkleideraums. Bevor er dort überraschter Weise Wurzeln schlagen konnte, wurde er von dem Blonden herein gewunken. Mit hochgezogenen Augenbrauen kam er ein bisschen näher, blieb aber skeptisch ein gutes Stück von der Bank entfernt stehen, auf der die anderen Beiden saßen. In seinem Kopf herrschte totaler Gedankensalat oder Chaos, wie dieser Zustand auch bezeichnet wird.

"Rod, ich brauche deine Hilfe. Ich hab da einen viel zu übermütiges und gut erholtes Blutegelchen am Hals. Könntest du das bitte entfernen?", bat Farin breit grinsend und deutete auf sein Anhängsel. Doch dieses besagte Anhängsel zwinkerte dem Bassisten vielsagend zu und blubberte zwischen seinen Zähnen, welche immer noch stur in die weiße Haut des Größeren vergraben waren, ein paar Laute hervor, die man mit viel Fantasie als: "Hilf lieber mir! Er brauch auf der anderen Seite auch noch einen Knutschfleck!" deuten konnte. Der Gitarrist verdrehte daraufhin die Augen, schürzte die Lippen und verschränkte die Arme über seiner Brust, was Rod als Zeichen der Resignation deutete. Trotzdem wusste der Chilene nicht, ob er richtig gehört hatte und setzte sich vorerst nur fragend lächelnd neben Farin. Einen kurzen Augenblick später wuselte sich eine von Belas Händen unbemerkt hinter dem Rücken des Blonden hervor, um sich dem Bassisten in den Nacken zu legen und seinen Kopf sanft aber bestimmt in Richtung des präsentierten Halses zu dirigieren. Zweimal wollte sich Rod dann doch nicht bitten lassen. Ausschlagen konnte er so eine leckere Aufgabe auf keinen Fall, vor allem da es sich um eine Art stummes Friedensangebot seitens des Schlagzeugers handelte. Also befolgte er den Vorschlag des kleinen Dämons und entblößte seine Zähne, die er nun herzhaft in die besonders weiche Haut kurz über dem Schlüsselbein sinken ließ.

Diese Prozedur ertrug der Große ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, er wusste schließlich wann er aufgeben musste. Er hatte eben null Chance gegen Bela im zuckersüßen-ahornsirup-klebrigen-hab-dich-zum-anbeißen-lieb-Modus. Dass Rod allerdings so schnell davon angesteckt werden würde, hatte er nicht erwartet. Na, solange es den anderen Beiden Spaß machte...

"Hey, jetzt reicht es aber so langsam, ich seh ja aus als hätte mich ein Pferd geknutscht!", sagte Farin lachend nach einigen Minuten in denen lediglich ein paar Sauggeräusche zu hören waren. Dabei fächelte er die Handflächen vor den Gesichtern seiner Bandkollegen, wie um ein lästiges Insekt zu vertreiben. Zwei schmatzende Laute waren daraufhin vernehmbar, die das Lösen sehr fest geschlürfter Lippen vom Hals des Gitarristen implizierten. Endlich aus der Zwickmühle befreit, sprang der erleichterte Blonde schnell auf, ging zu den Klamottenstapeln hinüber und pickte nacheinander seine Kleidungsstücke für das Konzert heraus.

"Es wird Zeit uns fertig zu machen, ist schon viertel acht.", erwähnte der Große ohne sich umzudrehen, da er damit beschäftigt war seinen linken 'converse all star' Schuh zu suchen. Doch weder Bassist noch Schlagzeuger reagierten auf den Kommentar, ihre Position erlaubte ihnen nämlich einen hübschen Blick auf den Hintern des vornüber gebeugten Gitarristen, der den Schuh immer noch nicht gefunden hatte. Der Kleinere lehnte sich etwas zu dem Chilenen herüber, die Augen nicht von dem Anderen abwendend.

"Rod, wir sollten zusammenarbeiten.", flüsterte Bela leise. "Wir wollen doch beide dasselbe.", fügte er pervers grinsend hinzu, wobei er in Farins Richtung nickte. Sein Sitznachbar schaute ihn entgeistert an.

"Du wirst schon sehen, als Team sind wir unschlagbar.", ergänzte der Schlagzeuger selbstsicher, erhob sich dann ebenfalls und gesellte sich zum fröhlichen Klamottenwühlen. Sprachlos blinzelte der Bassist einige Male. Der kleine Dämon war wirklich total durchgeknallt, so viel stand fest.



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Kommentare zu dieser Fanfic (47)
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Von: abgemeldet
2007-12-14T22:00:32+00:00 14.12.2007 23:00
Geilo, das mit den Knutschflecken ist ne superniedliche Idee... bis hierhin hat mir deine Geschichte sehr gut gefallen, bis auf kleine Zeichensetzungsfehler und sowas war alles nahezu perfekt... großes Lob... dafür möchte ich aber uach weiterlesen! *g* Könntest du mich vlt iwie informieren, wenns weiter geht? Wäre dir sehr dankbar!
Von: abgemeldet
2007-12-14T21:50:55+00:00 14.12.2007 22:50
Zwischendurch, wo FU fast aufgewacht wäre, war ich sowas von gefesselt... super gemacht, ehrlich ^^
Von: abgemeldet
2007-12-14T21:43:23+00:00 14.12.2007 22:43
Wieder gut gemacht...bin gespannt, was noch alles kommt. ^^
Von: abgemeldet
2007-12-14T21:34:53+00:00 14.12.2007 22:34
Total putzig, find ich gut. ^^
Von: abgemeldet
2007-12-14T20:56:37+00:00 14.12.2007 21:56
Manchmal find ich diese Passagen über die Gedanken zu lang... wie die abends immer allein dasitzen und die Hypothesen aufstellen... aber sonst wieder sehr gut gemacht, ich finds niedlich ^^
Von: abgemeldet
2007-12-14T20:46:54+00:00 14.12.2007 21:46
Mal jemand, der sich richtig mit die Ärzte auskennt... zum Teil könnt ich mir von der Art und Weise des Sprechens der Figuren vorstellen, dass sie wirklich so reden, deshalb: Respekt.
Von: abgemeldet
2007-12-14T20:38:07+00:00 14.12.2007 21:38
Du hast einen coolen Schreibstil... der ist wirklich gut, und dein Humor amüsiert mich auch sehr. Die sexuellen Experimente der Aliens sind schon interessant... haha ^^
Supi!
Von:  silvermoonstini
2007-06-15T08:32:10+00:00 15.06.2007 10:32
Wann kommt denn mal was neues hier? hab gerade das letzte Kapitel nochmal überflogen und werd gerade wieder süchtig...
Von: abgemeldet
2007-03-19T15:07:05+00:00 19.03.2007 16:07
Okay...ich kann jetzt leider aus Zeitdruck nur für das neueste Kappi einen Kommi schreiben... *gehetzt umguck*

Wir schreiben nämlich grad ne Mathe-Klausur^^

Also: Deine Fic ist total super! Unglaublich! Und süchtig machend...^^

Dein Stil ist einfach...also...ja...du weißt scho...perfekt halt^^ Ich liebe es einfach!

Bitte weiter so^^
Von:  silvermoonstini
2007-03-05T02:54:28+00:00 05.03.2007 03:54
oh man ich sterbe....
wenn nicht bald der nächste teil herauskommt das ist herrlich"warum arbeiten wir nicht zusammen wir wollen doch eh dasselbe?" zu geil wirklich unschlagbar!
Ich will mehr*schmoll*
bBitte schreib schnellstmöglischst weiter! Ich brauche doch meinen Stoff!*lol*


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