Together through timeless justice von Daelis ================================================================================ Kapitel 2: Ein Name ------------------- Bis zuletzt hatte ich noch gedacht, mich irgendwie darum drücken zu können, bei den Aufnahmeprüfungen mitzuwirken und eine Weile hatte es für mich auch so ausgesehen, als gelinge mir das. Niemand bat mich, bei den Vorbereitungen der Schauplätze mitzuhelfen, die, wie ich später erfuhr, jedoch alle durch Fachfirmen hergerichtet worden waren. Gebäudebau war eben nicht unbedingt so ein Heldending. Dafür zog man mich jedoch zurate, als es um die schriftlichen Prüfungen ging. Den Teil für Geschichte verfasste nämlich ich und bis zum Abgabeschluss der Aufgaben und Lösungen haderte ich noch mit mir, ob die Aufgaben nicht womöglich zu einfach waren. Sicherheitshalber hatte ich Nemuri und Hizashi, wie ich Midnight und Present Mic nennen durfte, zwar gebeten, die Aufgaben probeweise zu beantworten, damit ich eine grobe Idee hatte, wie schwer sie für jemanden waren, der sich nicht für Geschichte interessierte, doch viel klüger war ich danach auch nicht gewesen. Beide hatten nicht schlecht abgeschnitten, doch einiges nicht gewusst. Allerdings waren die beiden auch Lehrer, hatten diesen Stoff vermutlich schon gelernt und teils selbst unterrichtet. Mehrere Male tauschte ich die Fragen aus und blieb am Ende doch bei der ursprünglichen Version. Vielleicht machte ich mich auch einfach zu verrückt. Im Ganzen sollten die Prüfungen Wissen abfragen, dass die Schüler bereits haben sollten, auch wenn wohl jeder von uns wusste, wie idealisiert diese Vorstellung war. Beschwert hatte sich zumindest niemand, nachdem ich meine Aufgaben bei Nezu abgegeben hatte. Das hieß dann wohl, sie waren so in Ordnung. So richtig wohl fühlte ich mich allerdings nicht damit, die praktische Prüfung benoten zu sollen. Bei der Eröffnungsrede hatte ich, wie bei den schriftlichen Prüfungen zuvor auch, nur dekorativ im Publikum gesessen und mit halbem Ohr zugehört. Meine Neugier hatte eher den wahnsinnig vielen Teilnehmern gegolten, unter denen ich immerhin zwei bekannte Gesichter hatte ausmachen können. Bakugo und Tokoyami. Sie waren der letzte Hinweis gewesen, den ich noch gebraucht hatte, um anzuerkennen, dass ich mich tatsächlich in der Geschichte des Mangas Boku no Hero Academia befand, auch wenn man wohl hätte meinen können, dass ich diesen Fakt schon eher verinnerlichen hätte müssen. Zahlreiche eindeutige Zeichen hatte es immerhin schon gegeben, sah man mal von der ganzen Welt ab, die für mich als Normalo schon ein ziemlicher Kulturschock war angesichts all der Quirks, deren Auswirkungen man eben auch im Alltag immer wieder mal zu sehen bekam. Prinzipiell störte es mich nicht einmal, keinen zu habe - mir hatte ja niemand etwas weggenommen. Zuhause hatte ich auch keine besondere Fähigkeit gehabt. Dennoch waren mir die neugierigen Blicke der Schüler kurz nach meiner Ankunft nicht entgangen. Natürlich hatten sie sich gefragt, ob ich auch ein Profi-Held war und über welche Fähigkeiten ich verfügte. Die Antworten darauf mussten ziemlich ernüchternd für einige gewesen sein. Wenigstens die Lehrer hatten mich nie etwas in dieser Hinsicht spüren lassen, auch wenn eine fiese Stimme in meinem Kopf flüsterte, dass sie es vielleicht nur besser versteckten, obwohl ich eigentlich fand, mit den meisten einen ganz guten Draht aufgebaut zu haben. Besonders zu Midnight, mit der ich so manche Stunde im Lehrerzimmer verschwatzt hatte. Dank ihr wusste in inzwischen auch so manch pikantes Detail aus den Leben meiner Kollegen. So leise, wie ich konnte, schob ich mich vor einer streng dreinblickenden Frau im Look einer Geisha vorbei zu Nemuri. Die saß in voller Domina-Montur in der zweiten Reihe und klopfte einladend auf den Plastikstuhl neben sich, als sie mich bemerkte. Dankbar lächelte ich ihr zu. Es tat gut, zu wissen, dass ich eine Freundin gefunden hatte. Ich hatte sie wirklich ins Herz geschlossen und ohne sie, wäre es mir bestimmt schwerer gefallen, mich hier einzuleben. Nemuri hatte immer ein offenes Ohr für jede noch so dumme Frage gehabt und mir von sich aus schon so viel rund um alle Leute an der U.A. berichtet, dass ich bald schon das Gefühl hatte, Leute zu kennen, mit denen ich keine zwei Sätze gewechselt hatte. Ungewöhnliche Persönlichkeiten waren hier auf jeden Fall an der Tagesordnung. Ob man nun Nemuri beobachtete, die am hellichten Tag in Lack und Leder die Peitsche schwang oder Aizawa, der zu meiner Erleichterung zumindest heute nicht im Schlafsack erschienen war. Zwei Mal schon hatte ich ihn darin in den Fluren erwischt und mich beim ersten Mal beinahe zu Tode erschreckt. Beim zweiten Mal hatte ich immerhin die Geistesgegenwart besessen, ihn zu fragen, ob er hoffte, eines Tages als Schmetterling aus seinem Kokon zu kriechen. “Hallo”, grüßte ich mit erhobener Hand in die Runde. Zwischen all diesen schillernden Profi-Helden fiel ich mit meiner schlichten Kleidung schon fast wieder auf, ähnlich wie Aizawa. Nicht so sehr jedoch wie jemand anderes. All Might. Den konnte man wirklich unmöglich übersehen. Natürlich hatte ich gewusst, dass er hier sein würde, doch irgendwie hatte ich wohl erwartet, ihn in seiner wahren, geschwächten Gestalt anzutreffen. Ein Irrtum, wie sich nun zeigte. Vermutlich weil ich offiziell noch nicht eingeweiht worden war. Nur kurz warf ich einen Blick zu Nezu, doch der war ganz auf einen Bildschirm vor sich fixiert und sprach mit einem Mitglied der Managerfakultät, wenn ich den makellosen Nadelstreifenanzug richtig deutete. In der Heldenfakultät, in der ich nun tätig sein würde, liefen gefühlt alle herum wie bunte Hunde. Praktisch kein Held, der nicht in einem hautengen Anzug in knalligen Farben durch die Flure streunte. Abgesehen von mir war wohl Eraserhead am unauffälligsten. Zumindest, wenn er nicht gerade seinen Schlafsack trug wie ein Kleidungsstück. Ich war hier echt umgeben von einem Haufen wirklich schräger Leute. “Ah, ihr kennt euch noch nicht, oder?”, plauderte Nemuri direkt drauf los, mit einer Hand zwischen All Might und mir gestikulierend. Ich schüttelte nur den Kopf, doch das wäre wohl nicht mehr nötig gewesen, denn Nemuri war sowieso nicht zu bremsen. Offenbar freute sie sich ziemlich auf die Aufnahmeprüfung. “All Might, das ist Daelis. Daelis, All Might”, machte sie uns bekannt und ehe ich mich versah, schüttelte der Hüne vor mir kräftig meine Hand, die ich aus reiner Gewohnheit heraus angeboten hatte. “Freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Daelis.” Himmel, der Kerl war halt einfach mal riesig. Wenn er die ganze Zeit vor mir saß, bekäme ich von der Prüfung einfach gar nichts mehr mit. “Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Aber bitte nur Du und Daelis, ja?”, bat ich mit einem etwas holprigen Lächeln. “Ich habe viel von Ihnen gehört, Daelis.” Au backe… sollte ich mich jetzt entschuldigen? “Äh… das kann ich nur zurückgeben”, erwiderte ich unsicher und betete im Stillen, dass die Prüfung doch bitte anfangen möge oder Nemuri sich erbarmte und das Gespräch sprengte. Nemuri tat mir diesen Gefallen nicht. Dafür jedoch Nezu. “Die Prüfungen beginnen. Bitte setzt euch. Hizashi, bitte verteil die Bögen.” Der Angesprochene murrte zwar, doch sorgte mit dem Verteilen der Klemmbretter, auf die jeweils ein dicker Packen Zettel geklemmt war, für allgemeine Unruhe. “Bitte entscheidet weise und im Sinne unserer Akademie, wer sich Rescue Points verdient hat”, ergriff Nezu erneut das Wort, als alle ihre Bögen hatten. Diese zeigten die Bilder aller Anwärter, ihre Namen und ihren Quirk. Die Liste der Prüflinge war wirklich lang. So viele junge Menschen, die unbedingt Helden werden wollten. Für einige würde der Traum mit dieser Prüfung enden. Dass sich viele von ihnen keine Rescue Points verdienen würden, ahnte ich schon. Den Prüflingen hatte man ja nur von den Gegnern erzählt, die ihnen Punkte brächten und darauf würden sich die Kinder auch fokussieren. Und dabei dann das Wichtigste aus den Augen verlieren. Ich seufzte leise. “Alles in Ordnung?”, riss mich Nemuris Stimme aus meinen Gedanken. “Mh? Ja, ja alles gut. Hab nur daran gedacht, dass sicher einige sehr traurig sein werden, wenn sie die Prüfung nicht schaffen.” Sie nickte, meinte dann aber: “Das gehört nunmal dazu. Nicht jeder kann ein Held werden.” Jetzt war es an mir zu nicken. “Mach dir nicht so viele Sorgen, Süße. Sei einfach ehrlich in der Verteilung, mehr kannst du nicht tun”, meinte Nemuri schließlich aufmunternd und schlug mir freundschaftlich auf die Schulter. “Sieh es als Chance, diesen jugendlichen Leichtsinn und die Aufregung der Prüfung, zu genießen!” Ihre Augen strahlten tatsächlich vor Vorfreude. “Äh… ja, ich versuchs. Danke, Nemuri”, murmelte ich unsicher zurück. Ihren Enthusiasmus konnte ich nicht ganz teilen. Hier wurden Lebensträume zerstört. Vielleicht sinnigerweise, aber wieso sollte ich darüber mitentscheiden? Ich war kein Held, war es nie gewesen und würde es nie sein. Wie sollte ich darüber urteilen, was in diesem Job wann zu tun wäre? Ich konnte nur beurteilen, ob ich fand, dass man dies oder jenes hätte tun sollen. Am liebsten hätte ich mir die pochende Schläfe gerieben. Vielleicht zerbröselte ich mir wirklich zu sehr das Hirn deswegen. “Es geht los.” Nezus Stimme war leise und doch lenkte er mit diesen Worten unser aller Aufmerksamkeit auf die Bildschirme, die großzügig an der Wand angebracht worden waren. Sie zeigten schon jetzt immer wieder Nahaufnahmen verschiedener Anwärter, die gespannt vor den verschiedenen Prüfungsarealen ausharrten. Neben dem Bild wurden die Namen der Gezeigten sowie deren Quirks eingeblendet. Einige bekannte Gesichter gab es für mich dabei allemal. Tokoyami war nicht zu übersehen und auch Bakugo stach heraus. Weniger aufgrund seines Aussehens als seines Verhaltens. Ich entdeckte sogar Kirishima und Mineta. Sie waren also alle hier und ich wusste bereits, dass sie die Prüfung bestehen würden. Instinktiv suchte mein Blick nach Midoriya. Ohne Rescue Points würde er durchfallen. Sollte ich ihm welche zugestehen, damit er es schaffte? Waren diese Punkte bereits im Manga einkalkuliert und ich nur nicht zu sehen gewesen, weil ich keine Rolle in der Geschichte spielte? Falls es so war und ich ihm keine Punkte gäbe, würde ich nicht nur Midoriyas Karriere beenden, ehe sie begann, sondern auch All Mights Plänen seinen Nachfolger betreffend einen Strich durch die Rechnung machen. “Und los gehts!”, erscholl Hizashis Stimme nun durch die Lautsprecher. Wann er denn gegangen? War ich so abgelenkt gewesen? Zugegeben, ich hatte nicht mehr auf ihn geachtet, nachdem er mir ein Klemmbrett gereicht hatte. Jetzt hingegen galt meine volle Aufmerksamkeit den Bildschirmen. Die Prüflinge hatten sich noch nicht einen Millimeter bewegt. Hizashi zog die Augenbrauen zusammen. “Was denn? Das Böse wartet auch nicht darauf, dass ihr bereit seid. Also los, eure Zeit läuft!” Das brachte Bewegung in die Menge. In unterschiedlichem Tempo und zum Teil auf ziemlich ungewöhnliche Weise wogte die Prüflingsgruppe auf das Gelände A. Ein anderer Monitor zeigte das Gelände C. Die Lehrerin, die dort die Prüflinge losgeschickt hatte, sah aus, als falle sie selbst jeden Moment tot um, doch ich wusste, dass der Anschein trog. Chidori Kotani war ihr Name, sie unterrichtete vor mir Geschichte und ging nun in Rente. Dennoch war sie rüstig und nicht zu unterschätzen, das hatte mir jeder bestätigt, da war ich noch keinen Tag an der Akademie gewesen. Ihre Gruppe hatte wohl keine zweite Aufforderung gebraucht, um anzufangen. Gleiches galt für die dritte Gruppe in Prüfungsareal C. Gebannt folgte ich dem Geschehen auf den Bildschirmen. Zu meinem Glück hatte sich All Might tief in seinen Stuhl sinken lassen, sodass ich etwas sehen konnte. Für Zufall hielt ich das nicht. Er war eine sehr aufmerksame Person, selbst wenn er das gut zu überspielen wusste. Ob er mein “Danke” gehört hatte, wusste ich nicht, immerhin hatte ich Nezus Ärger nicht auf mich ziehen wollen, weil ich während der Prüfung quatschte. Jetzt war es so still, dass ich nur hin und wieder irgendwo im Raum leises Kratzen eines Stiftes auf Papier hören konnte, doch das blendete ich aus. Viel wichtiger war das Prüfungsgeschehen. Also behielt ich im Auge, was die Prüflinge taten und wie sie sich schlugen. Was den Kampf anging, konnte ich mir jede Notiz sparen. Ihre Fähigkeiten ausbauen und verbessern, daran würden Profis mit ihnen arbeiten. Für mich war wichtig, wer von ihnen half und sich als Held erwies, wenn er damit nichts zu gewinnen hatte. Wer würde denen helfen, die in Bredouille gerieten oder sich verletzten? Viele würden das ignorieren, wie ich wusste und sich auch schon kurz nach Start in Gruppe B zeigte. Ein Mädchen hatte mit ihrer Fähigkeit ein Gebäude beschädigt und dabei einen Mitprüfling unter dem Schutt begraben. Der rief um Hilfe, aber zwei Leute liefen einfach vorbei. Einer sah sogar schadenfroh drein. Grimmig starrte ich auf die Aufnahme. Konnte man negative Rescue Points verteilen? “Hrm”, machte Aizawa hinter mir. Ob er wohl ähnlich dachte? Mein Blick glitt zurück zu Areal A. Dort zerlegte Bakugo gerade mit vollem Elan einen Roboter. Das überraschte mich nun gar nicht. Der Chinaböller D in Spe war stark, aber nicht der Typ, bei dem ich darauf wetten wollte, Rescue Points zu vergeben. In gewisser Weise war das Bakugos größte Schwäche. Das Bild wechselte. Jetzt sah ich Shinsou. Er war also auch in Areal A unterwegs. Sein Quirk war ihm gegen die Roboter absolut keine Hilfe und er würde es nicht in die Heldenklasse schaffen. Das tat mir wirklich Leid, denn er hatte durchaus das Zeug zum Helden und den Willen, einer zu werden. Ob ich Aizawa etwas anstupsen könnte, damit er Shinsou unter seine Fittiche nahm? Nein. Noch nicht. Ich sollte besser nicht in der Hauptgeschichte des Mangas herumpfuschen. Wer wusste sonst schon, was ich versehentlich alles kaputt machte. Stumm sah ich den sichtlich frustrierten Shinsou einen Moment an bis dann ein Mädchen an ihn herantrat. Als ihr Name eingeblendet wurde, fiel mir alles aus dem Gesicht. Erenya. Ihren Nachnamen nahm ich nicht einmal mehr wahr. Erenya. Mich beschlich das ziemlich ungute Gefühl, dass das hier einfach kein verdammter Zufall war und dieses Mädchen nicht nur Erenya hieß, sondern Erenya war. Die Erenya. Eri-Erenya. Heilige Scheiße! Fassungslos starrte ich das Mädchen an. Sie sah sogar aus wie eine Mini-Version von Eri. Eri in Kind. War das wirklich möglich? Vielleicht war sie ja eine Nachfahrin von Erenya oder sowas? Ich war so überrascht, dass ich nicht einmal merkte, wie gebannt ich auf diesen Bildschirm starrte. “Kennst du das Mädchen?”, wollte Aizawa ohne Umschweife wissen. Vor Schreck blieb beinahe mein Herz stehen. Wie sollte ich darauf antworten? Konnte ich das überhaupt? Wie sollte ich erklären, woher ich eine Schülerin kannte? Wenn ich log, könnte das schnell auffliegen - vor allem, wenn Erenya meine Geschichte nicht bestätigte. Das konnte einfach nur schief gehen. Verdammt, doch wenn ich… “Nein”, antwortete All Might an meiner Stelle. Im ersten Moment war ich verwirrt, dann dämmerte mir, dass Aizawas Frage gar nicht mir gegolten hatte. “Ich kannte ihre Eltern.” Er klang ernst, ja richtig bedrückt, doch nur für einen kurzen Moment, dann war es, als habe er einen Schalter umgelegt und zurück auf gute Laune geschaltet. “Wo-” Gerade als ich fragen wollte, woher er bitte Erenyas Eltern kannte, fuhr das Symbol des Friedens auch schon fort. “Sie wird bestimmt eine formidable Heldin!” Aizawa brummte leise, doch als ich zu ihm blickte, schüttelte er nur den Kopf. Unsicher musterte ich wieder den hünenhaften All Might, bevor ich wieder zum Bildschirm sah. Der zeigte inzwischen Midoriya, der ziemlich planlos herumlief. Aizawa seufzte nur, als wolle er sagen: “Wir werden ja sehen. Vielleicht ist sie auch wie dieser Junge, der nur herumläuft und noch keinen einzigen Punkt hat.” Unrecht hätte er damit nicht. Auf einem anderen Bildschirm fand ich Erenya wieder. Was machte sie denn da?! Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Ihr Quirk bewirkte Pheromone, das sagte zumindest die Bildschirmbemerkung mir. Wieso in aller Welt lief sie bitte mit einer Metallplatte? Held oder nicht: dass das keine gute Idee war, sollte ihr doch klar sein! Auf der anderen Seite war sie eben Erenya und das hier war so verdammt typisch für Erenya, das ich mir das Klemmbrett am liebsten kräftig vor die Stirn gehauen hätte. Dass sie nun offenbar durch einen Zufall einer anderen Anwärterin die Falle ruinierte und damit ein paar Punkte einheimste, erleichterte mich ebenso sehr wie es mich beunruhigte. Wenn dieses Mädchen wirklich meine Eri war, dann wusste sie von den Rescue Points. Und nicht nur davon. Sie wusste, wie sich die Geschichte weiter entfalten würde. Ich musste unbedingt mit ihr in Kontakt treten, damit wir uns austauschen konnten. Mit unserem Wissen als Fremde in dieser Welt könnten wir wirklich viel bewirken, wenn wir uns nicht dumm anstellten. Dass sie auch ausgerechnet ein Kind hatte werden müssen. Da war ich direkt heilfroh, dass mir das erspart geblieben war. So großen Spaß hatte die Pubertät halt echt nicht gemacht. Da war ich lieber jemand ohne Quirk als wieder ein Teenager, der sich mit Hausaufgaben, hormonellen Krisen und all diesem Unfug herumplagen musste. Die Prüfung war übel. Wie konnten all diese Helden hier sitzen und nur zusehen, wie diese Kinder in ernste Gefahr gerieten? Diese Roboter waren riesig! Ein Mädchen kroch ängstlich weinend vor ihnen davon und doch saßen wir hier, tranken Kaffee und machten und Notizen! In gewisser Weise machte mich das fassungslos. Ein Teil von mir wäre am liebsten aufgesprungen, um allen Anwesenden mal gehörig die Meinung zu geigen, was diese Prüfung und die damit einhergehenden Gefahren anging. Ich verkniff es mir und saß verbissen auf meinem Platz. Wenn auch nur ein Prüfling ernster verletzt würde - also außer Deku, der machte das ja selbst - dann würde es hier krachen. Angespannt beobachtete ich wie Erenya, meine Eri, genau das tat, was so gottverdammt typisch für sie war und doch absolut nicht clever. Sie lief mitten ins Geschehen, als ein Prüfling die Kontrolle über seine Fähigkeiten verloren zu haben schien. Wie gerne hätte ich sie jetzt einfach gepackt und kräftig geschüttelt. Den Fragebogen auf meinen Knien hatte ich schon fast vergessen. Meine Hand um den Kugelschreiber war verkrampft, doch das merkte ich auch erst, als Nemuri ihn mir aus der Hand nahm. “Keine Sorge, den Kleinen passiert nichts. Wir passen doch auf”, flüsterte sie mir zu. So ganz vertrieb das meine Zweifel jedoch nicht. Ich war doch nicht blind und sah genau, was da vonstatten ging. Die Kamera blieb fokussiert und so konnten wir beobachten, wie sich Erenya mit Shinsous Hilfe Mitstreiter organisierte und schließlich Stück für Stück dem Quell der querbeet schießenden Laser näherte. Abgesehen von Hanta erkannte ich auch Kyouka, beide zukünftige Schüler der Klasse 1-A. Hatte es diesen Zwischenfalls im Manga auch gegeben? Ich könnte schwören, dass nicht. Am liebsten hätte ich mich direkt selbst auf den Weg gemacht, um dafür zu sorgen, dass sich ein Profi dieser Sache annahm. Letzten Endes war es vermutlich Nemuris Hand an meinem Unterarm, der mich davon abhielt. Die Kamera blendete ab. Am liebsten hätten ich frustriert geschrien. Im Ernst? Ausgerechnet jetzt? Wir würden halt alles verpassen! Hektisch sah ich zwischen den Bildschirmen hin und her. Zahlreiche fremde Gesichter, ein paar bekannte und doch nirgends Erenya. Verdammt, das war zum Verrücktwerden! Zumindest war ich scheinbar nicht die Einzige, die nach Erenya suchte, denn vor mir konnte ich die hochstehenden blonden Strähnen All Mights sehen, die ebenfalls von links nach rechts wippten, als suche der Held etwas. Später musste ich unbedingt fragen, woher er Erenyas Eltern kannte. Vielleicht waren sie Teil des Hauptplots des Mangas! Falls dem so war, musste ich Eri einschärfen, nicht zu viel Unfug zu anzustellen, auch wenn ich mir wenig Hoffnungen machte, dass sie darauf hörte. Nezu tippt auf der Tastatur vor sich herum, ein Bildschirm flackerte, dann zeigte er ein neues Bild. Da war sie! Mein Blick hatte Erenya gefunden. Sie kroch bäuchlings über den Boden, wohl um sich dem Jungen zu nähern, den man auf einer Einblendung sehen konnte. Aus seinen Augen schossen noch immer wie zufällig Laser. Er war sichtlich in Panik und damit eine Gefahr für seine Umgebung und sich selbst. Wieso nur war ich nicht erstaunt, dass Erenya sich ihm trotz der Gefahr für sich selbst näherte? Sie hatte keine Möglichkeit sich gegen den Laser zu verteidigen, das gab ihre Fähigkeit einfach nicht her. Ich bemerkte nicht einmal, dass ich vor lauter Anspannung den Atem anhielt. Der Laser richtete sich von ihr weg, sie sprang auf und lief los. Am liebsten hätte ich mir die Augen zugehalten. Oh bitte, Eri, mach keinen Unfug. Wo waren die echten Helden, wenn man sie brauchte? Die saßen hier und hielten Kaffeekränzchen. Mit großen Augen konnte ich beobachten, wie Erenya es schaffte, sich förmlich auf den Jungen zu stürzen ohne sich dabei zerlasern zu lassen. Was genau sie ihm sagte, übertrug die Kamera nicht, aber sehr wohl den groben Kontext. Offenbar waren wir nah herangezoomt, sodass das Mikrofon nicht mehr leistungsstark genug war. Klar war jedoch jedem von uns, dass Erenya den Jungen zu beruhigen versuchte und zwar mit durchschlagendem Erfolg. Mit einem erleichterten Seufzen sank ich zurück auf meinen Platz und versuchte, das nachsichtige Lächeln Nezus zu ignorieren. Dass er das einfach so hinnehmen konnte. Ein Seitenblick zu Nemuri verriet mir, dass auch sie noch entspannt war. Was ging nur bei den Leuten hier? Wieso war der einzige, der ähnlich nervös wirkte wie ich, All Might? Aber auch der hatte sich keinen Millimeter gerührt. Gott, wie ich hoffte, dass es einfach daran lag, dass die Schule ganz hervorragende Sicherheitsmaßnahmen vor Ort hatte und Recovery Girl einsatzbereit wartete. Die Kamera ließ uns beobachten, wie der Laseraugenjunge und Erenya sich unterhielten. Er hielt die Augen inzwischen geschlossen, zum Glück, und wirkte auch viel ruhiger als noch Sekunden zuvor. Für mich war damit längst klar, dass sich die kleine Erenya, ob sie nun meine Eri war oder nicht, ordentlich Rescue Points verdient hatte. Ihr war es wichtiger gewesen, einem Menschen in Not und Angst zu helfen und eine Gefahrenquelle abzustellen, als die Chance zu nutzen, um im Chaos Punkte abzugreifen. Ihr war das Wohl eines Menschen wichtiger gewesen und in meinen Augen qualifizierte sie das mehr als irgendeinen punktegeilen Idioten, der sich durch die Weltgeschichte sprengte. “Gut gemacht”, hörte ich All Might leise flüstern und gab ihm still recht. Das hatte Erenya wirklich gut gemacht. Eine Explosion war zu hören, dann rauschte Bakugo, als hätte er meine Gedanken gelesen, durch das Bild, das eben noch Erenya und den Jungen mit den Laseraugen gezeigt hatte. “Nun, ich denke, wir sollten unsere Aufmerksamkeit auch anderen Prüflingen widmen”, meinte Nezu, dem dieser Wechsel wohl gelegen kam, gelassen und schaltete ein anderes Bild groß. Als die praktische Prüfung offiziell endete, lagen meine Nerven blank - und dabei hatte ich nicht einmal mitgemacht. Allein zuzusehen und all diese verschiedenen Quirks dabei in Aktion bereitete schon Kopfschmerzen, ganz zu schweigen von dem heillosen Chaos, das eigentlich überall ausgebrochen war. Nahm man es zusammen, hatte es überall Leute gegeben, die sich in meinen Augen als Heldenmaterial erwiesen hatten, weil sie es eben vorzogen, denen in Not zu helfen, statt sich selbst zu profilieren. Auf der anderen Seite aber hatte es von genau diesen Egomanen auch mehr als einen gegeben. Bei ein paar Teilnehmern konnte man fast das Gefühl bekommen, dass sie nur mitmachten, um im Rampenlicht zu stehen und später mit ihren Punkten angeben zu können. Nicht unbedingt heroisch, wenn man mich fragte. Aber auch solche Leute schafften es in die Heldenfakultät, ob mir das nun schmeckte oder nicht. Diese Kinder würden meine Schüler. Der Gedanke war immer noch befremdlich. Present Mic und einige andere hatten sich entschieden, die Prüflinge zu verabschieden, von denen nicht ganz wenige eine Behandlung von Recovery Girl erhielten. Allen voran natürlich Deku. Dem hatten wir auch noch ausgiebig zugesehen und wenigstens da war alles wie erwartet abgelaufen, sodass der Junge nun mit gebrochenen und verdrehten Gliedern im Dreck lag. All Might sagte nichts, aber ich konnte mir gut vorstellen, was ihm durch den Kopf ging. “Das hat er gut gemacht”, sagte ich also leise und diesmal war es vielleicht, zumindest bildete ich es mir ein, der Held vor mir, der im Stillen zu stimmte. Damit waren wir wohl quitt, wenn man so wollte. “Wir treffen uns in einer Stunde wieder hier”, brummte Aizawa in den Raum hinein, ehe er ohne ein Wort der Erklärung den Raum verließ. Nemuri stand ebenfalls auf. Fragend sah ich sie an. “Hast du gar keinen Hunger? Wir essen jetzt erstmal was und dann treffen wir uns wieder her, um uns die Videoaufnahmen über die einzelnen Anwärter anzusehen und unsere Punkte endgültig zu vergeben”, grinste sie mich an. Kurz überlegte ich, dann erhob ich mich ebenfalls. “So weise mir den Weg, holde Dame”, flötete ich ihr entgegen. Hunger hatte ich zwar keinen, aber angesichts der Anspannung der letzten Stunde würde ich morden für irgendetwas mit Schokolade. Auch wenn ich das ausgerechnet an einer Akademie für zukünftige Helden besser nicht laut ausspräche. Nicht, dass das hier noch jemand in den falschen Hals bekam. Aus den Augenwinkeln konnte ich noch sehen, dass nur All Might und Nezu zurückblieben. Den Grund konnte ich mir denken, also tat ich einfach, als bemerke ich nichts. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)