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Teaser: Bigger Wow 2 -- Even Bigger Wow Crisis Core: Final Fantasy VII, Fanfiction, Final Fantasy, Final Fantasy VII, Genesis Rhapsodos

Autor:  tobiiieee

„Weißt du, was wir machen sollten?“ Genesis sah träge von seinem Buch auf, als Ramon plötzlich die angenehm müßige Stille durchbrach, die eben noch zwischen ihnen geherrscht hatte. Von dem Sofa aus, auf dem er es sich halb sitzend, halb liegend mit seinem Buch gemütlich gemacht hatte, warf er einen Blick quer durch das Wohnzimmer zu dem Küchentisch, an dem Ramon saß, um Aufsätze für sein nächstes Forschungsprojekt durchzuarbeiten. Genesis hob fragend eine Augenbraue, als er bemerkte, dass Ramon nur träumerisch aus dem sonnendurchschienenen Fenster vor sich schaute. Sicher, dass sein Verlobter seine Skepsis schon noch früher oder später förmlich spüren musste, machte Genesis zunächst keine Anstalten, weiter nachzuhaken, bis Ramon sich ihm breit grinsend zuwandte und scheinbar endlich mit der Sprache herausrücken wollte. „Wir sollten noch mal nach Sintra fahren!“
            Das hatte Genesis nicht erwartet; ihm waren spontan viele flüchtige Ideen durch den Kopf gegangen, was Ramon vorhaben könnte, angefangen dabei, ob sie ihren nächsten Kaffee zu Hause oder auswärts einnehmen sollten, über die Frage, ob sie bei dem schönen Wetter – dem vielleicht letzten Sonnenschein für ein paar Wochen, da der Herbst vor der Tür stand – zum Fluss gehen sollten, bis hin zu Überlegungen, wie sie ihr Abendessen gestalten könnten. Alles in allem empfand Genesis seine Gedanken als praktisch und naheliegend, doch so ganz konnte er nicht verstehen, wie Ramon bei der Lektüre wissenschaftlicher Aufsätze auf die Idee kam, noch einmal an denselben Ort zu fahren, den sie vor einem halben Jahr besucht hatten. Zugegeben, damals, im Mai, hatte ähnliches Wetter geherrscht, aber Sonnenschein war zwischen Frühling und Spätsommer nichts Ungewöhnliches.           
            Ramon unterbrach Genesis‘ Gedankengang. „Was ist? Ich dachte, du würdest begeisterter sein.“
            „Echt? Wieso? Nein, ich meine“, fügte er schnell hinzu, bevor es zu Missverständnissen kommen konnte, „ich will wissen, wie du jetzt darauf kommst.“
            „Mir ist nur eben eingefallen, dass sie im Wetterbericht gesagt haben, dass sich wohl bald ‘ne Wolkendecke über die Gegend legen wird, und ich sag dir eins: Du musst Sintra mal bei verhangenem Wetter sehen.“ Er machte eine bedeutungsschwere Miene, als ob er über weltbedeutende Erkenntnisse spräche.
            Genesis runzelte leicht die Stirn. „Du meinst das ernst, oder?“ Ramon nickte in seriöser Akademikermanier; Genesis hatte ihn lange nicht so ernst erlebt, jedenfalls nicht seit seinem Heiratsantrag Anfang August. Also gab Genesis wieder eine ähnliche Antwort: „Ja, ok, warum nicht? Und ich übertrage dir auch die volle Verantwortung für den Ausflug.“
            Auf Ramons Gesicht breitete sich ein zufriedener und fröhlicher Ausdruck aus. „Dann ist das abgemacht.“ Und er wandte sich seelenruhig wieder seiner Forschung zu.

Das ständig wolkenverhangene, mitunter etwas verregnete Wetter, das im November folgte, fiel zielsicher in eine für Ramon außergewöhnlich arbeitsame Zeit, in der Genesis viele Stunden und meistens auch das Abendessen allein zubrachte, indem er nach Sonnenuntergang durch die Straßen schlenderte, Touristen beobachtete und vom Rand des einen oder anderen großen Platzes geistesabwesend auf den Tejo oder die vielen Lichter auf der anderen Seite starrte, irgendeinen in Plastik verpackten Imbiss in den Händen. War er vorher nicht ganz überzeugt von der Idee gewesen, noch einmal nach Sintra zu fahren, so sehnte er sich jetzt nach einem Tag, den er vollkommen ungestört und von früh bis spät nur mit Ramon verbringen konnte, egal wo. Und Sintra war ja auch sehr schön; ihm war nur vorher nicht ganz klar gewesen, was der Sinn daran sein sollte, irgendwo hinzufahren, wenn sie auch so zusammensein konnten.
            Seufzend erhob er sich mit vom Wind etwas steifen Gliedern von der Mauer, von der aus er den Fluss betrachtet hatte, in einer Hand eine Verpackung, in der nur noch die Knochen des Hähnchens zu sehen waren, das als sein Abendessen hatte herhalten müssen; er hatte es sich in einem Bahnhof in der Nähe geholt, wo man entweder fertig Verpacktes oder selbst Zusammengestelltes kaufen konnte. Ihm war nicht danach gewesen, mit den Verkäuferinnen zu sprechen, also hatte er sich einfach irgendwas gegriffen, das aussah, als ob es ihn sattmachen konnte.[1]
            Er machte sich auf den Weg über den Platz, den langsam, aber sicher junge Leute mit Alkoholflaschen bevölkerten; es war Freitag und trotz gelegentlichen Nieselns noch nicht wirklich kalt, und Genesis konnte nicht behaupten, die Anziehungskraft des Atlantikwassers, das der Fluss führte, nicht zu verstehen. Er gönnte es den Gruppen Heranwachsender und junger Studenten, das Leben zu feiern. Nur ihm war gerade nicht danach. Mit etwas hängendem Kopf platzierte er die Plastikschachtel seiner einsamen Mahlzeit im nächsten Mülleimer, trat durch den hochaufragenden Torbogen am andern Rand des Platzes auf eine noch immer belebte Straße, in der auch die Touristen sich nach einem ausgedehnten auswärtigen Abendessen langsam in ihre Hotels zu begeben begannen, dann allerdings stehen blieben, weil nun Verkäufer und Künstler die Straße säumten.
            Genesis hingegen kannte die Darbietungen zur Genüge; er wollte jetzt nach Hause und ins Bett, in der Hoffnung, am nächsten Tag neben Ramon aufzuwachen und bei einem ersten Kaffee am Morgen zu hören, dass Ramon sich jetzt zwar noch etwas erholen wollte, am nächsten Tag aber wieder voll und ganz für ihn da sein könnte, weil er endlich einmal nicht das Wochenende durcharbeiten müsste. Die Hände tief in den Taschen, fühlte Genesis sich frustriert, wie er da spätabends, eigentlich fast schon nachts durch diese Menschenmengen hindurchlief, aber zu niemandem dazugehörte wie früher. Und der Mensch, zu dem er gehörte, hatte kaum einen Blick für ihn übrig, oder ein offenes Ohr für ihn. Nicht dass er der gesprächige Typ Mensch war; aber war ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit zu viel verlangt? Ramon kam nach Hause, wenn Genesis längst schlief, und brach wieder zur Arbeit auf, noch bevor Genesis ein erstes müdes Auge öffnete. Der einzige Hinweis auf Ramons zwischenzeitliche Anwesenheit war die Veränderung auf der anderen Bettseite, die Form des Kissens, die Drapierung der Decke, das Wasserglas auf dem Nachttisch. Kein Zettel in der Wohnküche, kein freundlich hinterlassenes Frühstück für Genesis. Was er Ramon allerdings zugutehalten musste, war die Tatsache, dass er hinter sich aufräumte und zumindest nicht die halbe Wohnung in Chaos stürzte und erwartete, dass Genesis schon Ordnung schaffen würde. Was Genesis sowieso nie gemacht hätte.
            Es war kein weiter Weg vom Fluss zu ihrer Wohnung, deren Tür Genesis, immer noch tief in seinen düsteren Gedanken, aufschloss, ohne es wirklich zu merken. Erst als er plötzlich gegen das in der Wohnung herrschende Licht anblinzeln musste, richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Umgebung. Er hatte das Licht nicht angelassen. Ramon war vor ihm heimgekehrt. Er stand, den Rücken Genesis zugewandt, an der Küchentheke, an der er sich offensichtlich gerade ein Glas Wasser gegen seine häufigen Kopfschmerzen eingegossen hatte. Als Genesis die Tür ins Schloss fallen ließ, drehte Ramon, das Wasserglas wieder absetzend, zumindest den Kopf, ein breites Strahlen im Gesicht. „Wo warst du denn?“, fragte er vergnügt. Genesis bemerkte mit einem Blick auf die Uhr, dass es langsam auf Mitternacht zuging.
            „Du bist ja schon zurück“, bemerkte er, statt die Frage zu beantworten. Er durchquerte den kleinen Raum und ging auf Ramon zu.
            „Ja, ich hab, ähm – früher Schluss gemacht.“ Genesis verstand die Selbstironie dieser Antwort. Er kam vor Ramon zum Stehen, hielt allerdings etwas Abstand. Er wartete. Ramon ergriff wieder das Wort. „Ich hab eine Flasche von deinem Lieblingswein mitgebracht, aber ich wollte sie ohne dich nicht aufmachen.“ Er zeigte auf eine dunkle Flasche voll, wie Genesis wusste, tiefroter Flüssigkeit neben der Spüle. Sie beide bevorzugten schwere Rotweine der Art, von der man nur geringe Mengen auf einmal trinken konnte, jedenfalls, wenn man am nächsten Tag noch etwas vorhatte.
            Genesis ging näher auf Ramon zu. „Du siehst müde aus“, sagte er und griff vorsichtig auf beiden Seiten nach Ramons Brille, um sie ihm so sanft wie möglich abzunehmen und sie behutsam auf der Theke abzulegen.
            Ramon seufzte tief. „Ich bin auch unglaublich müde“, sagte er mit leidender Stimme, während er wieder nach dem Wasserglas griff. „So sehr, mir ist schon schwindelig wie verrückt, wobei ich natürlich nicht weiß, ob das die Müdigkeit ist oder die Nebenhöhlen – oder beides.“ Er leerte das Glas und stellte es wieder ab. Er schaute Genesis an, der immer noch reglos vor ihm stand und abwartete. Ramon streckte einen Arm nach Genesis aus, der der Aufforderung ohne weiteres Folge leistete und sich an Ramon schmiegte, der ihn fest an sich drückte. „Du hast mir gefehlt“, murmelte Ramon irgendwo neben Genesis‘ Ohr.
            „Du mir auch“, seufzte Genesis leise. Er löste sich sanft aus der Umarmung und schaute Ramon ins Gesicht. „Wie wär’s, wenn wir den Wein stehen lassen und einfach ins Bett gehen? Du kannst doch kaum noch stehen. Und morgen wird ausgeschlafen“, fügte er befehlend hinzu.
            Ramon imitierte scherzhaft einen Salut in Anspielung auf Genesis‘ Militärvergangenheit; wäre Ramon sein Rekrut gewesen, hätte Genesis ihm diesen kläglichen Abklatsch einer Respektbekundigung nicht durchgehen lassen. Aber so lächelte er einfach nur geheimnisvoll, packte Ramon am Kragen und sah zu, dass er zeitnah ins Bett kam.

Am nächsten Morgen hingen noch immer dicke Wolken am Himmel; sie schienen keinen schweren Regen zu bringen, dachte sich Genesis, als er mit einer Tasse Kaffee zum Fenster heraussah, aber dunkler als sonst war es dennoch, wo doch sowieso schon für gewöhnlich nur wenig Licht ins Wohnzimmer drang. Er war vor Ramon wach geworden, hatte sich angezogen und wollte sich mit einem Buch aufs Sofa legen, musste aber feststellen, dass er sich nicht recht konzentrieren konnte. Nun trank er also seinen Kaffee und wartete. So leid ihm Ramon am Abend zuvor getan hatte, so konnten eine einzelne Aufmerksamkeit, eine Umarmung und eine Beteuerung, wie sehr er ihm gefehlt hatte, doch keine zwei Wochen des Frusts und der Einsamkeit wettmachen. Ramon wusste, dass Genesis in Lissabon keine wirklichen Freunde und kaum Anschluss gefunden hatte und somit auf Ramons Gesellschaft angewiesen war. Die Kontakte, die er vor ihrer Verlobung gehabt hatte, waren nicht emotional tief gehender, sondern sexueller Natur; mit keiner seiner vorigen Bekanntschaften konnte oder wollte er auch nur so etwas wie eine Freundschaft beginnen. Während es Genesis nie schwergefallen war, Männer für eine Nacht zu finden, hatte er doch an den meisten Menschen nicht genügend Interesse, um eine tiefere Beziehung auszuloten ...
            Hinter sich hörte er Geräusche aus Richtung des Schlafzimmers; die Tür öffnete und schloss sich. Genesis drehte sich aber nicht nach der Geräuschquelle um. Erst als er Ramon „Hey, na?“ sagen hörte, wandte er sich ihm halb zu. Ramon steckte seinen verschlafenen Lockenkopf zur Tür hinein und grinste ihn fröhlich an. Genesis erwiderte nichts, was Ramon möglicherweise verstand, denn er zog sich zurück und ging ins Bad.
            Vielleicht eine halbe Stunde später saß Ramon ebenfalls mit einer Tasse Kaffee neben Genesis, dem er ein großes Omelette mit Kartoffeln vorgesetzt hatte, am Küchentisch. Eine Weile widmeten sie sich schweigend ihrem jeweiligen Frühstück, bis Ramons Kaffee ausgetrunken und Genesis‘ Omelette immerhin schon zur Hälfte vernichtet war. Ramon betrachtete ihn. „Was hast du eigentlich so getrieben in letzter Zeit?“, fragte er stirnrunzelnd.
            „Ach, nichts weiter“, winkte Genesis ab.
            Ramon schien diese Antwort für ein paar Momente zu akzeptieren, ehe er doch sagte: „Du wirst doch wohl irgendwas unternommen haben.“
            „Jedenfalls nichts Weltbewegendes, worüber es sich jetzt noch zu reden lohnen würde“, sagte Genesis schulterzuckend. „Natürlich war ich mal hier oder da. Du könntest einfach ab und zu anrufen, dann wüsstest du Bescheid.“
            Ramon ließ diesen Vorwurf kurz auf sich sitzen. „Oder du mich“, schlug er dann vor.
            „Natürlich, freilich, aber weiß ich, wann es dir gerade passt?“, gab Genesis zurück, während er den letzten Rest des Omelettes gabelte.
            „Ja, hast wohl recht“, gab Ramon zu.
            „Natürlich hab ich recht“, sagte Genesis, „hör mal, ich will dich nicht beschuldigen oder dergleichen, ich denke einfach logisch.“
            „Ist gut, ich verspreche Besserung“, sagte Ramon in einem Versuch, Genesis zu beruhigen. Genesis glaubte Ramon, dass er sein Verhalten überdenken würde; er musste sich ebenso einsam gefühlt haben wie er selbst. Was ihn anging, so war die Sache damit praktisch geregelt. Er hatte sein Ziel erreicht, sich für die Zukunft mehr Aufmerksamkeit von Ramon zu generieren. Und dennoch war da etwas ... Er konnte nicht ganz sagen, was, vielleicht war es das Wetter, das auf seine Stimmung drückte, aber obwohl alles aus der Welt geschafft schien, war Genesis immer noch nicht dazu aufgelegt, wieder unbeschwert auf Ramon zuzugehen.
            So saßen sie wieder schweigend nebeneinander und hingen ihren jeweiligen Gedanken nach. Genesis fiel auf, dass die Flasche Wein, die Ramon mitgebracht hatte, noch auf der Küchentheke stand. Es gab ein, zwei Hersteller, deren Weine Ramon eigentlich lieber mochte als denjenigen, den er mitgebracht hatte. Genesis wusste die Geste zu schätzen. Er ahnte, wie leid Ramon alles tat, und wie ratlos er war, wenn es darum ging, etwas wieder gutzumachen. Doch Genesis ging es nicht um Gesten, Geschenke oder Worte. Ihm war wichtig, dass es beim nächsten Mal anders lief – und Ramon hatte ihm glaubhaft machen können, dass er dafür sorgen würde.
            „Und ist wirklich alles in Ordnung?“ Ramon holte Genesis mit seiner plötzlichen Frage in die Realität zurück. Er blinzelte.
            „Ja, natürlich, hab ich doch gesagt“, erwiderte Genesis überrascht. Er wusste nicht, worauf Ramon hinauswollte.
            „Und es steht wirklich nichts zwischen uns?“, beharrte Ramon, wobei er beinahe nervös wirkte. „Du bist sicher, dass ... ich weiß nicht ... dass das alles ist?“
            „Meine Antwort hat sich nicht geändert“, sagte Genesis entschieden. „Was willst du gerade eigentlich von mir?“
            Ramon druckste ein wenig herum. „Ich schätze, ich möchte nur sicher gehen ... ich weiß nicht ..., dass alles ok ist, denk ich.“
            „Ramon“, sagte Genesis, in völlig ernstem Ton, „von zwei Dingen kannst du ausgehen. Wenn ich zustimme, dann mein ich es auch so. Und wenn mir etwas nicht gefällt, dann sag ich das auch. Kurzum, ich bin ein ehrlicher Mensch und sage meine Meinung. Alles klar?“ Ramon sah ihn etwas erstaunt an, nickte allerdings. „Ich bin nicht der, der immer alles in sich reinfrisst, ständig behauptet, dass alles in Ordnung wäre, wenn dem offensichtlich nicht so ist, um am Ende auszurasten, alles zu zerstören und dann wieder von vorne anzufangen, ohne jemals dazuzulernen. Ja, es hat mich gestört, dass wir uns die letzten zwei Wochen kaum gesehen haben, aber das lässt sich nicht vermeiden, ich hab dir gesagt, dass du häufiger anrufen sollst, du hast gesagt, dass du das machst, die Dinge werden sich schon regeln. Ok?“
            Ramon ließ diese kleine Rede erst einmal kurz auf sich wirken, ehe er erneut zustimmend nickte. „Verstanden“, sagte er. „Das ist doch ein Wort.“
            Genesis fiel aus allen Wolken. „Ich hab doch vorher genau das Gleiche gesagt“, wandte er ein. „Oder nicht?“
            „Ich weiß nicht“, sagte Ramon etwas nachdenklich. Dann fügte er, jetzt wieder zu Scherzen aufgelegt, hinzu: „Ich frag dich also nie wieder nach deiner Meinung, richtig?“
            Genesis musste unwillkürlich lachen; Ramon stimmte fast augenblicklich mit ein. Die Stimmung zwischen ihnen war endlich wieder gelöst und unbeschwert; sie hatten ihren Konflikt beseitigt. Jetzt wieder gut gelaunt, stand Ramon auf, um Genesis‘ Teller wegzuräumen und sich einen neuen Kaffee zu machen; befreit seufzend setzte er sich wieder zurück an den Tisch und nahm ein paar Schlucke Kaffee.
             „Es ist immer noch so dunkel“, kommentierte er den wolkigen Himmel, der noch immer nur wenig Licht ins Zimmer dringen ließ, „ich werd kaum richtig wach.“
            „Oder vielleicht liegt es an dem zweiwöchigen Schlafdefizit“, schlug Genesis geistesgegenwärtig vor. Ramon nickte zustimmend, sagte aber nichts weiter dazu, sondern nippte weiter an seiner Tasse, ehe er sich zu Genesis umwandte und Anstalten machte, ihm näher zu kommen. Genesis hingegen nutzte Ramons vorübergehende Unaufmerksamkeit, griff an ihm vorbei zur Kaffeetasse und genehmigte sich einen großzügigen Schluck daraus. Auf Ramons amüsierten Blick sagte er nur: „Du machst guten Kaffee.“
            „Ja, ich hab die Maschine ganz gut im Griff“, sagte er souverän, überbrückte diesmal tatsächlich die kurze Distanz zwischen ihnen und drückte seine Lippen sanft auf Genesis‘. Der genoss den kurzen Kuss und schloss für einen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, hatte Ramon seine Kaffeetasse zurückerobert. „Wie wär’s, wenn wir heute ein bisschen in der Stadt rumlaufen?“, fragte er aus heiterem Himmel.
            „Laufen?“, fragte Genesis überrascht.
            „Nur ein bisschen in der Gegend, ich möchte mich mal wieder etwas bewegen, ich bin so wenig dazu gekommen“, erklärte Ramon. „Und ich hab auch nicht vergessen, dass du meinem Vorschlag zugestimmt hast, noch mal nach Sintra zu fahren, das könnten wir morgen machen. Wenn du noch willst“, fügte er hinzu, als Genesis nicht sofort reagierte. Einen Sekundenbruchteil später seufzte er. „Das letzte hab ich natürlich nicht gesagt.“
            Genesis legte seine Hand beschwichtigend auf Ramons Arm. „Lass uns erst mal abwarten“, sagte er mit einem Lächeln.


[1] Ich finde, diese Situation ist auf einem sehr hohen Einsamkeitslevel anzusiedeln. Es gibt ja mehrere denkbare Szenarien, wie Genesis sein Abendessen gestalten könnte, selbst wenn er allein ist. Immerhin ist der einfache Akt der Nahrungsaufnahme weithin ein sozialer Akt und wird geradezu zelebriert. Auch wenn er nicht in der Gruppe oder zumindest mit Ramon zusammen isst, könnte er sich ja immerhin was Gutes tun und sich irgendwie was Leckeres besorgen (Genesis selbst kocht nicht), aber nicht mal das macht er. Und wenn es schon ein Fertiggericht sein muss, könnte er es wenigstens in einer netten Atmosphäre zu sich nehmen, auch das fällt weg. Und er holt sich kein Takeaway bei einem Imbiss mit Sitz- oder Stehmöglichkeiten, sondern in einem Bahnhof. Ich finde das ziemlich traurig, wie er alles ablehnt, was Essen irgendwie schön macht, er sitzt nicht mal an einem gedeckten Tisch, sondern auf einer Mauer draußen in relativer Kälte. Während diese Details, wo er sich das Essen holt und wie, erst einmal nicht sehr relevant scheinen, hoffe ich, dass ich damit den Eindruck verstärken konnte, wie einsam Genesis sich ohne Ramon wirklich fühlt. Er ist so belastet, dass er nicht mal mehr mit Leuten reden will. 

 

Boom.



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