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Review: "Winternacht - Schamanenpfade" Comicstars, DManga, Fantasy, Sarah Wisbar

Autor:  roterKater



Sarah Wisbar: "Winternacht - Schamanenpfade"
Comicstars/ Droemer Knaur
Einzelband
6,99€



Mit "Winternacht - Schamanenpfade" erschien kürzlich bei Comicstars das Debüt von Sarah Wisbar, der Siegerin des hochdotierten Comicstars-Preises 2009. Man darf als einiges erwarten, bedenkt man, gegen wen sich Sarah so alles durchgesetzt hatte (unter anderem gegen Margarita Till und Hannes Radke).


Was sicherlich zuerst auffällt, ist die wirklich beachtliche Zeichen- und Schraffurtechnik, die eher an frankobelgische Abenteuer- und Fantasy-Comics erinnert denn an typische Manga - am ehesten vielleicht noch an Miyazakis "Nausicaä", der sich ja großteils aus ähnlichen Quellen speist. Die tollen Hintergrundzeichnungen werden nur durch die nötigsten Raster ergänzt. Wer gerne wunderbar geinkte Linearts in deutschen Manga-Publikationen bewundern will, sollte allein deswegen einen Blick in den Band werfen. Die Zeichnungen sind also gerade zu Beginn unheimlich schön, episch und aufwendig, und damit einem Abenteuer-Comic mehr als angemessen.

Leider hat sich mein Lob für den Manga damit aber schon erschöpft, denn inhaltlich ist "Winternacht" eine ziemliche Enttäuschung. Es fängt eigentlich recht vielversprechend an: eine winterliche Fantasy-Welt, ein Schamanenvolk, eine abenteuerlich Reise zur Rettung der Heimat - alles Zutaten für ein schönes Fantasy-Epos. Aber Sarah macht nichts daraus. Die Figuren bleiben blass und unsympathisch, ihre Beweggründe und Gefühle sind dem Leser weitestgehend fremd. Schlimmer noch - ab Kapitel 3 passiert einfach nichts mehr. Weder kommen die Helden ihrem Ziel näher, noch tut sich sonst ein dramaturgischer Konflikt auf. Die Figuren laufen durch den Schnee und verstehen sich gegenseitig nicht. So kann man eigentlich die letzten vier Kapitel zusammenfassen.

Am frustrierendsten ist aber, dass die Story auf absolut nichts hinaus läuft. Was als klassische Heldenreise beginnt, läuft einfach ins Leere. Nicht von dem, was zu Beginn etabliert wurde, wird in irgendeiner Form eingelöst, noch kommen die Helden ihrem Ziel irgendwie näher. Das krasseste Beispiel dafür ist der farbige Prolog, der absolut nichts mit der restlichen Handlung zu tun hat. Weder die Figuren noch die angesprochenen Handlungsindizien darin tauchen später irgendwo wieder auf. Was schade ist, weil es ein wirklich guter Prolog war, der Interesse an etwas weckt, was dann einfach nicht mehr aufgegriffen wird.

So verhält es sich leider mit vielen Aspekten, die im weiteren Verlauf der Handlung angerissen werden. Die dramaturgische Grundweisheit, dass auf ein Set-Up auch ein Pay-Off erfolgen sollte, wird von Sarah geflissentlich ignoriert, und so bleibt man als Leser nur vor der resignierenden Erkenntnis, dass die Autorin einem wohl einfach nichts zu erzählen hatte. Wenn dann am Schluss von Kapitel 6 "Ende" vermerkt ist, fühlt man sich als Leser schon ziemlich verschaukelt.

Es ist natürlich ziemlich naheliegend, dass "Winternacht" hier wohl nicht in der Form vorliegt, die zu Beginn vielleicht einmal geplant war. Sonst könnte ich mir beim besten Willen nicht erklären, wie sich dieses "Konzept" gegen all die anderen Teilnehmer beim Wettbewerb durchsetzen konnte (außer zeichentechnisch). Leider sehen auch die späteren Kapitel so aus, als hätte Sarah keine Lust mehr auf das Projekt gehabt. Von den ungemein detaillierten Zeichnungen zu Beginn ist in der zweiten Hälfte fast nichts mehr zu sehen. Die Seiten werden immer skizzenhafter und weißer, die epische Abenteuerlandschaft schrumpft auf ein paar stoische Gesichtsausdrücke zusammen.

Wirklich Schade. Da war so viel Potential da, was einfach verschenkt wird. Sarah ist eine extrem begabte Zeichnerin, und allein deswegen ist "Winternacht" sicherlich einen Blick wert, aber der Band bleibt leider als Erzählung vollkommen unbefriedigend. Gerade aufgrund der Vorschusslorbeeren und der hübschen Auftaktes ist "Winternacht" so nur eine zumindest zu Beginn toll gezeichnete Enttäuschung.

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Datum: 23.12.2010 20:28
Woher beziehst´n du eigentlich die NGP-Bände?
Bei mir im Hood führt die kein Laden. Würd aber lieber erst mal reinlesen, bevor ich´s kauf.

Auch, wenn ich speziell zu dem Buch noch nix sagen kann, fällt mir das leider auch ständig auf, dass speziell hierzulande ectrem oft dieser "Keinen Bock mehr die Qualität über ´n ganzes Buch zu halten"-Effekt auftaucht.

Das is echt schade, weil dadurch das Gesamtbild des deutschen Comics im Mangastil nachhaltig geschädigt wird.
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Datum: 23.12.2010 20:35
> Woher beziehst´n du eigentlich die NGP-Bände?
> Bei mir im Hood führt die kein Laden. Würd aber lieber erst mal reinlesen, bevor ich´s kauf.

Im Berliner Comic-Fachhandel bekommt man sie, auch wenn man die Verkäufer manchmal erst dazu ermutigen muss, die auch mal mit zu bestellen. Die Bände sind ja nicht NG Pub, sondern Droemer/Knaur, und bei denen bestellen Comicläden sonst nix, weil's da ja sonst nix für sie gibt. Hab aber auch schon gemerkt, dass Hugendubel, Thalia und Konsorten irgendwie kein Comicstars führen, warum auch immer. Aber die haben eh vollkommen abgebaut im Manga-Sektor.

"Winternacht" hab ich aber tatsächlich in meinem alten Provinzkaff Halberstadt bekommen, ganz normal im Buchladen. Der einzige Laden im Umkreis von 50 Kilometern, der überhaupt Manga führt, hat Gottseidank 'ne wirklich gute Auswahl.

> Auch, wenn ich speziell zu dem Buch noch nix sagen kann, fällt mir das leider auch ständig auf, dass speziell hierzulande ectrem oft dieser "Keinen Bock mehr die Qualität über ´n ganzes Buch zu halten"-Effekt auftaucht.
>
> Das is echt schade, weil dadurch das Gesamtbild des deutschen Comics im Mangastil nachhaltig geschädigt wird.

Das ist ein Newcomer-Problem. Bei jedem, der es bis Band 2 schafft, tritt das in der Regel nicht mehr auf. Ich find's auch problematisch, Newcomer gleich an ganze Einzelbände zu setzen, weil sich da viele erstmal übernehmen. Aber was will man machen, wenn es keine anderen Formate gibt? Ein hochdotierter Wettbewerb ist offensichtlich auch keine sonderlich taugliche Vorbereitung.

***Blog zu deutschen Manga-Publikationen***
***Deutscher Manga? Japanischer Manga? Mitraten und Gewinnen!
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Datum: 06.01.2011 20:54
Naja, es gibt ja noch die Sammelbände - und da bringt ja NGP demnächst sogar einen raus ("Großstadtaiugen").

Aber leider gehen Sammelbände fast immer schlechter weg als zusammenhängender Kram - schon oft genug erlebt, manchmal auch aus erster Hand. Dabei könnte man ja denken, dass es grade attraktiv für Leser sein sollte, ´nen Querschnitt bunt durchs Gemüsefeld lesen zu können.

Und die Chibis wurden ja durch Thalia und Amazon kaputt gewirtschaftet ...
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Datum: 06.01.2011 21:09

> Aber leider gehen Sammelbände fast immer schlechter weg als zusammenhängender Kram - schon oft genug erlebt, manchmal auch aus erster Hand.

Ich versuche ja gerade ein Projekt herauszuarbeiten, das beides miteinander verbindet. Aber dafür braucht es halt Unterstützung gleich mehrerer Zeichner, und das ist ohne einen großen Verlag im Rücken leider nicht stämmbar.

> Und die Chibis wurden ja durch Thalia und Amazon kaputt gewirtschaftet ...

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