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"Götterboten" - Review Comicstars, DManga, Götterboten, Lisa Santrau

Autor:  roterKater




Lisa Santrau – "Götterboten"
 
Comicstars/New Ground Publishing/Knaur; Einzelband; 6,99€
 
Pünktlich zur Connichi erschien nun die dritte Druckveröffentlichung unter dem neuen Comicstars-Label. Und – korrigiert mich, wenn ich mich irre, aber wir erleben hier gerade wirklich eine Premiere: "Götterboten" ist meines bescheidenen Wissens der erste waschechte Magical-Girl-Manga aus Deutschland! Obwohl das populäre Genre insbesondere durch "Sailor Moon" die deutsche Szene nachhaltig geprägt hat wie kaum ein anderes, blieb es bisher bei den heimischen Zeichnern doch nur bei ein paar spielerischen Kurzgeschichten zu dem Thema. Aber jetzt gibt es ja Lisa Santrau, die mit ihrem Debut einen munteren Shôjo-Manga präsentiert, bei dem sich Magical-Girl-Fans sicherlich gleich heimlisch fühlen werden!
 
"Götterboten" bedient sich für seine Figuren in der antiken griechischen Mythologie, was dem Manga einen originellen Aufhänger gibt. Der jugendlich aussehende Götterbote Hermes verliert durch einen Zwischenfall die Hälfte seiner göttlichen Macht an die Schülerin Chidori und muss nun gegen seinen Willen mit ihr zusammen gegen das Böse kämpfen. Weil die zwei sich nun nicht mehr trennen können, zieht er kurzerhand mit seinem Assistenten, einem fliegenden Kuglfisch, bei ihr ein, und da der grummelige Hermes und die aufbrausende Chidori sich ungefähr so gut verstehen wie Feuer und Wasser, ist für reichlich Beziehungschaos gesorgt. Damit nicht genug, haben es auch noch drei Erinyen, Rachegöttinnen aus der Unterwelt, auf das Chaos-Duo abgesehen... Das Set-Up ist also perfekt für eine schwungvolle Magical-Girl-Story einschließlich bunter Verwandlungsszenen, wenn die zwei zum Kampf gegen das Böse schreiten müssen.
 
Was zuerst auffällt, ist das sehr gelungene Chara-Design. Die Figuren sind toll gezeichnet, phantasievoll entwurfen und sympathisch umgesetzt. Von den Kostümen bis zu den Frisuren und Gesichtsausdrücken gibt's an der Charaktergestaltung absolut nichts zu meckern, was ich für ein Taschenbuch-Debut-Werk schon hervorhebenswert finde, und mit dem fliegenden Kuglfisch ist Lisa ein schräger Sidekick gelungen, der geradezu nach Plüschi-Merchandise schreit. Auch kann der erste Blick aufs Buch sofort überzeugen: das Cover und die Farbseiten sind traumhaft schön. Lisas traditionelle Kolorationskünste können wirklich überzeugen. In der wie üblich tadellosen Großformatausgabe aus der Comicstars-Reihe kommen diese Vorzüge auch sehr gut zur Geltung.
 
Die eigentlichen Kapitel können das Niveau leider nicht ganz halten. Zwar sind die Seiten durchweg klar und übersichtlich strukturiert, aber das Paneling ist doch teilweise sehr großzügig ausgefallen. Es gibt viele Seiten mit sehr wenigen Panels, und ganzseitige Zeichnungen verwendet Lisa teils recht gehäuft. Weil sie auch mit den Hintergründen recht sparsam umgeht, entstehen viele leere Flächen, die dann mit sich teils recht oft wiederholenden Rasterstrukturen ausgefüllt werden. Zwar sehen die meisten Seiten trotzdem sehr ansehnlich aus, was dem tadellosen und sauberen Inking mitzuverdanken ist, aber gerade durch das große Seitenformat fällt die zeichnerische Ökonomisierung doch ein wenig ins Auge. Die wie erwähnt tollen Chara-Zeichnungen fangen das zu einem großen Teil auf. Dennoch würde man sich wünschen, dass Lisa in Zukunft etwas mehr in ihre Seiten investiert. Denn ihre Zeichnungen haben wirklich immenses Potential.
 
Insgesamt liest sich "Götterboten" äußerst flott und unterhaltsam. Besonders die witzigen Dialoge können sich wirklich sehen lassen. Wenn sich Hermes und Chidori mal wieder wegen irgendwas in die Wolle kriegen, bleibt so schnell kein Auge trocken. Die Dialoge fügen sich natlos in die hohe Qualität der Chara-Designs ein und machen einfach Spaß. Die Geschichte selbst kann leider noch nicht so ganz überzeugen. Das originelle Set-Up gefällt, aber den Figuren fehlt es ein bisschen an Motivation und Hintergrund für ihr Handeln. Über Hermes' Aufgabe auf der Erde wird kaum ein Wort verloren. Was es mit seinem Zauberbuch auf sich hat, bleibt weitestgehend im Dunkeln.
 
Das Problem mit der Motivation betrifft aber insbesondere die Antagonisten, von denen man sich die ganze Zeit fragt, was sie eigentlich von Hermes und Chidori wollen. Die – naja – Erklärung, die Lisa dafür im letzten Kapitel schuldbewusst nachreicht, ist leider doch eher ein schlechter Scherz und macht den Abschluss des Bandes etwas enttäuschend. Wieder einmal zeigt sich, dass deutsche Zeichner häufig die Dramatik im Storytelling scheuen. Das sieht man auch in den Kampfszenen: nach sorgfältigem Aufbau und tollen Verwandlungsszenen sind die eigentlichen Kämpfe doch ziemlich unspektakulär und eigentlich schneller vorbei als sie begonnen haben. Sie richtig mitfiebern kann man mit unseren Helden leider nicht. Trotz hohem Chibi- und Zuckeranteil bleibt der Manga aber dafür auch weitestgehend Kitsch-frei, was wir besonders dem schlagfertigen Protagonistenpaar zu verdanken haben.
 
Insgesamt sollten sich Magical-Girl- und Fantasy-Fans angesichts der tollen Chara-Designs und der extrem witzigen und lebendigen Dialoge aber gut unterhalten fühlen. Ein durchaus vielversprechendes Debut, das Lust auf mehr macht!



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