Zum Inhalt der Seite



Storytelling-Workshop #1 – Der Protagonist Manga, Protagonist, Storytelling, Workshop

Autor:  roterKater
Auftakt zu einer Reihe mit kleinen Aufsätzen zum Storytelling mit besonderem Hinblick auf Manga. Hoffe, sie sind bei der Konzeption von euren Stories eine kleine Hilfe!
 
Heute: Der Protagonist
 
Dramaturgische Funktion:
 
Der Protagonist die die Hauptfigur eurer Geschichte. Um ihm entfaltet sich die Handlung und er ist die aktive, treibende kraft der Erzählung. Eine klassische Erzählung hat viele handelnde Figuren, meist auch gleich eine ganze Reihe zentraler Figuren, aber nur einen Protagonisten. Die Geschichte des Protagonisten ist dabei der Hauptplot der Erzählung, das heißt die Geschichte fängt mit ihm an (oder führt ihn sehr früh ein) und hört mit ihm auf, wobei der zentrale Konflikt der Erzählung am Ende des Hauptplots steht und eine aktive Entscheidung des Protagonisten an den Höhepunkt der ganzen Erzählung setzt. So zumindest bei in sich geschlossenen Stories. Bei Episodengeschichten erfolgt eine Reihe mehr oder weniger in sich geschlossener Handlungsabschnitte, die alle nach diesem Prinzip aufgebaut sind.
 
Ein Protagonist hat ein übergeordnetes Handlungsziel. Er will irgendetwas erreichen, aber dabei stehen ihm Hindernisse ihm Weg, die er überwinden muss, wodurch sich das Konfliktpotential der Erzählung ergibt . Dieser Grundkonflikt ist der Motor jeder Story. Die Hauptfigur will irgendetwas erreichen, zahlreiche Dinge stehen ihr im Weg, und erst ganz zum Schluss der dieser Konflikt gelöst und das Ziel erreicht (oder auch nicht). Der Protagonist muss dabei aktiv sein. Er muss aus eigenem Antrieb auf sein Ziel hinarbeiten und dabei wichtige Entscheidungen treffen. Er kann nicht nur auf Situationen reagieren, sondern er muss selbst aktiv den Fortgang der Story im Hinblick auf sein Handlungsziel prägen.
 
In einer klassischen Romance-Geschichte zum Beispiel dreht sich der Hauptplot in der Regel um die Frage, ob sie ihn kriegt (oder er ihn bei BL). Die Protagonistin hat also das übergeordnete Handlungsziel, mit jemand bestimmten zusammenzukommen. Dabei stellen sich ihr zahlreiche Hindernisse in den Weg: die Schulzicke, die es auf sie abgesehen hat, Konkurrentinnen mit dem selben Ziel, die eigene Tollpatschigkeit, Verwechslungen und Missverständnisse... ihr kennt das ja alles. Jetzt darf sie sich aber, um eine echte Protagonistin zu sein, nicht mit der schwierigen Lage abfinden, sondern muss sich selbst am Riemen reißen und diese ganzen Hindernisse nacheinander überwinden, wobei diese Konflikte im Fortgang der Story immer dramatischer und schwieriger zu überwinden werden. So wird aus einem Handlungsablauf eine richtige und vor allem spannende Story.
 
Oder nehmen wir mal die großen Shônen-Manga, wo man das auch sehr deutlich erkennen kann. Zum Beispiel "One Piece". Protagonist: Ruffy. Übergeordnetes Handlungsziel: Piratenkönig werden. Hindernisse: keine Crew, kein Schiff, kann nicht schwimmen, andere Piraten, Soldaten, Seeungeheuer, Freunde in Not... daraus leiten sich dann untergeordnete Handlungsziele ab: ein Schiff finden, eine Crew anheuern, denen bei ihrem jeweiligen Problemen aus der Patsche helfen, damit sie sich ihm anschließen, die zahlreichen Gegner besiegen, die Gand Line besegeln und so weiter. Ein solches  Vorgehen ist für Fortsetzungsgeschichten besonders günstig, da man gewisse einzelne Unterziele, die alle Teil eines größeren Ziels sind, hintereinander abhaken kann und so mehrere auf sich folgende Spannungsbögen aneinanderreihen kann. Die nacheinander angeheuerten Crewmitglieder bekommen so alle ihre eigenen Subplots, wodurch sich die Handlung sehr gut strecken lässt, ohne an Spannung zu verlieren. Das große übergeordnete Handlungsziel des Protagonisten bleibt aber die ganze Zeit präsent. Zum Thema Haupt- und Subplot in einem späteren Beitrag mehr.
 
Oder "Naruto", ist im Wesentlichen genau das gleiche. Protagonist: Naruto. Übergeordnetes Handlungsziel: Will der stärkste aller Ninja und nächster Hokage werden. Untergeordnete Handlungsziele und Hindernisse: Muss die einzelnen Prüfstationen in der Ninja-Ausbildung überstehen. Im Weg steht ihm dabei meist die eigene Dummheit. Muss in Aufträgen und Prüfungen gefährliche Gegner besiegen. Diese sind meist auf den ersten Blick stärker als er. Er kann sie nur besiegen, wenn er Verbündete gewinnt. Diese muss er sich aber auch erst erkämpfen. Und so weiter... Auch bei "Naruto" erkennt man sehr gut den stufenweisen Fortschritt im Hinblick auf ein übergeordnetes Handlungsziel (zum Beispiel die einzelnen Prüfungen). Das ist die Grundessenz aller Battle-Manga.
 
Das übergeordnete Handlungsziel eines Protagonisten kann sich im Verlauf einer Erzählung auch ändern, oder besser: eine tiefere, bedeutsamere Schicht an den Tag legen. Mal ein Beispiel aus dem Kino: "Avatar". Jake Scully, der im Rollstuhl sitzt, hat als erstes Handlungsziel, seine Beine wiederzugewinnen. Dafür muss er für seinen Kommandanten das Vertrauen der Na'vi gewinnen und sie ausspionieren. Im Laufe der Zeit entdeckt er jedoch ein neues, bedeutsameres übergeordnetes Handlungsziel: die Na'vi zu beschützen. (Ja, ich weiß, ich hätte hier auch "Pocahontas" anführen können, aber es geht ja nur ums Grundprinzip...) Der Protagonist macht eine innere Reifung, einen Veränderungsprozess durch, durch den er innerlich wächst und ein bedeutsameres Handlungsziel erreicht. Dafür muss er auch bereit sein, Opfer zu bringen, ein Dilemma zu überwinden und sich für die "richtige" Sache entscheiden. Er kann nicht seine Beine zurückgewinnen UND die Na'vi schützen, also opfert er seine Beine – nur um sie nach Hollywoods Happy-End-Logik am Ende doch zu bekommen, wenn auch in neuer Form: durch seine Wiedergeburt als Na'vi. Man könnte sagen, das klassische Happy End ist die Belohnung des Protagonisten dafür, dass er an anderer Stelle etwas geopfert hat (in Action-Plots in der Regel seine Sicherheit, wenn er sich in Lebensgefahr begibt). Ein starker Protagonist entwickelt sich also auch weiter, nicht nur, indem er immer stärker wird, sondern auch indem er moralisch reift. Das trifft auf "Avatar" genauso zu wie auf "Naruto" oder "Harry Potter", sowie auf tausende andere Erzählungen.
 
Wenn ihr eure Story plant, stellt euch also am besten folgende Fragen:
 
- Wer ist der Protagonist? Um wen geht es in der Geschichte hauptsächlich?
- Was ist das übergeordnete Handlungsziel des Protagonisten? Was will er unbedingt erreichen?
- Was steht ihm dabei im Weg? Welche Hindernisse muss er überwinden, um sein Ziel zu erreichen?
- Wie verändert und entwickelt er sich durch seine Handlungen?
 
Wenn ihr diese Fragen alle beantworten könnt, habt ihr den Hauptplot eurer Stroy und damit das Rückrat eurer Dramaturgie schon zusammen, und das ist tatsächlich das wichtigste! Diesen Hauptplot solltet ihr dann bei der Ausgestaltung immer im Auge haben niemals aus dem Blick verlieren.  Dann kann bei eurer Erzählung eigentlich schon gar nicht mehr viel schieflaufen!
 
Demnächst in diesem Blog:
- Die Gestaltung des Protagonisten
- Doppel- und Mehrfachprotagonisten
- Die Sache mit dem Konflikt
- Haupt- und Subplot
- ...

Bis zum nächsten Mal!
Avatar
Datum: 08.08.2010 20:28
>Wenn ihr diese Fragen alle beantworten könnt, habt ihr den Hauptplot eurer Stroy und damit das Rückrat eurer Dramaturgie schon zusammen, und das ist tatsächlich das wichtigste!

es ist für manche vielleicht das 'mindeste'. aber das ist bei weitem nicht das 'wichtigste'.
das wichtigste sind immer noch die ideen, also zumindest mmn.

das sind die hilfslinien, aber zuerst kommen die ideen!
Avatar
Datum: 08.08.2010 21:15
> Für die Plot allgemein habe ich noch einige Grafiken, die dich interessieren könnten. Sie wurden 2009 auf Create or Die vorgestellt
> http://xkcd.com/657/large/
> http://createordie.de/cod/news/Wenn-Filme-zu-Grafiken-werden-052190.html

Interessante Grafiken! Die spiegeln ja nur die Figureninteraktion wieder und weniger die Dramaturgie. Auf Lord of the Rings wollte ich nochmal später bei Mehrfachprotagonisten zu sprechen kommen.

Bei "Jurassic Park" gibt es ja die interessante Theorie, dass der eigentliche Protagonist der T-Rex ist, da die menschlichen Helden ja in der zweiten Hälfte nichts weiter tun als Weglaufen. ^^

Und Danke fürs empfehlen!

> es ist für manche vielleicht das 'mindeste'. aber das ist bei weitem nicht das 'wichtigste'.
> das wichtigste sind immer noch die ideen, also zumindest mmn.

> das sind die hilfslinien, aber zuerst kommen die ideen!

Die Ideen mögen sicherlich zuerst kommen, was den Prozess der kreativen Schaffens betrifft. Aber sie nützen dir alles nichts, wenn du sie nicht zu einer schlüssigen Handlung verbinden kannst. Ideen hat jeder. Aber das macht noch keine Erzählung.

Ich würd da auch mit Robert McKee gehen, dass man zuallererst die Konventionen kennen, verstehen und anwenden können muss, bevor man sie mit seinen Ideen bevölkern kann. Aber zum Thema Konventionen schreib ich hoffentlich auch später nochmal, daher lass ich das mal einfach so stehen fürs erste! ;)

Im Abschnitt "Gestaltung des Protagonisten" wird's aber verstärkt um die Ideen gehen. Hoffe, das vertröstet dich ein wenig!
Avatar
Datum: 08.08.2010 21:17
Gern geschehen.
Solche Linien, wie die Protagonisten miteinander agieren, wurde in Heroes in der ersten Staffel mit eingebaut. Da gibt es nämlich einen Darsteller, der durch die Zeit reisen kann und das macht Ursache und Wirkung sehr interessant.
My name is BIRD and I haven´t gotta clue!
Erfülle mir einen Wunsch! | ► Animexx-Sidebar Tutorial
Avatar
Datum: 19.08.2010 15:43
Catboy wenn ich mal berühmt bin (xDD) dann machen wir mal zusammen einen Manga! :D
Du hast wirklich wirklich Ahnung von der Materie. Den Artikel sollten die Verlage vor Vertragsabschluss den Zeichnern in die Hand drücken!
Ich biete Auftragszeichnungen an! Bei Interesse bitte Link klicken
http://animexx.onlinewelten.com/mitglieder/steckbrief.php?id=168042
Avatar
Datum: 19.08.2010 19:32
> Catboy wenn ich mal berühmt bin (xDD) dann machen wir mal zusammen einen Manga! :D

Gerne doch! Mit berühmten Leuten arbeitet es sich ja auch gleich doppelt so gut! ;)



Zum Weblog