So langsam platzt mir der Kragen
Ulli Lust ist eine der renommiertesten deutschsprachigen Comic-Autorinnen, die hauptsächlich die typischen Graphic-Novel-Themen bearbeitet - Reportage-Comics, autobiographische Comics, Literaturadaptionen. Sie hat für ihre Arbeiten zahlreiche internationale Preise gewonnen. Ihr Hauptwerk Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens wurde in mehrere Sprachen übersetzt und soll jetzt als Film adaptiert werden.
Simon Schwartz ist einer der renommiertesten deutschprachigen Comic-Autoren, der hauptsächlich die typischen Graphic-Novel-Themen bearbeitet - historische, biografische und weltgeschichtliche Stoffe. Er hat für seine Arbeiten zahlreiche nationale Preise gewonnen. Sein Hauptwerk Packeis wird bestimmt bald in irgendwelche Sprachen übersetzt und wurde einmal beinahe als Hörspiel adaptiert.
Was haben diese zwei Menschen gemeinsam? Beide publizierten genannte Werke im Berliner Avant-Verlag, einem der Hauptakteure der Graphic-Novel-Lobby. Beide gehören auch zu den ErstunterzeichnerInnen des Comic-Manifestes, das ja, wie ich schon herausgearbeitet hatte, bewusst oder unbewusst ziemlich deutlich an Manga vorbei konzipiert war. Beide werden widerstandslos im Feuilleton gefeiert. Beide publizieren nicht nur Comics, sondern unterrichten sie auch an diversen Kunsthochschulen. Und beide haben dieses Jahr Interviews im Online-Magazin Comicgate veröffentlicht, in denen sie sich auf ebenso uniformierte wie abfällige Art zu deutschsprachigen Manga-ZeichnerInnen geäußert haben.
Simon Schwartz beantwortet in besagtem Interview die Frage nach dem Vormarsch weiblicher Autorinnen auf dem deutschen Comicsektor mit folgender Dichotomie: Da gibt es auf der einen Seite die guten, tollen Autorinnen. Das sind Leute, die mit ihm im selben Verlag publizieren und/oder mit ihm bei Anke Feuchtenberger in der HAW in Hamburg studiert haben. Erinnert sich noch jemand an die Betonung des Comic-Manifestes auf die Kunsthochschulen als einzig nennenswerten Quell deutscher Nachwuchs-ComiczeichnerInnen? Bingo. Und dann gibt es da eben diese Manga-Mädchen. Im O-Ton heißt es da:
An diesen paar Sätzen ist so viel falsch, da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Vielleicht mit dem Hinweis, dass die meisten und bestverkauften in Deutschland publizierten Manga immer noch shounen manga (also für Jungs) sind, was beweist, dass Schwartz nicht einmal rudimentärste Grundkenntnisse über die deutsche Mangaszene hat, über die er sich Urteile erlaubt. Dass sich hier Frauen und Mädchen ein von Männern besetztes Gebiet zurückerobert haben und mit ihren eigenen Wertungen aufladen, dass die großteils weibliche Manga-Szene und noch größerenteils weibliche Mangaka-Szene eben nicht auf ein fast auschließliches Angebot an "Mangas für Mädchen" zurückführbar sind, hat Schwartz' Betonschädel noch nicht durchdrungen. Dass Schwartz seine Vorurteile gegen Manga gleich auch noch mit chauvinistischen Vorstellungen bündelt - männliche Comiczeichner sind innovativer, weil sie keine Mangas lesen - ist hierbei ja nur die Spitze des Packeisberges.
Die Gleichsetzung von Manga mit Daily Soaps ist zum einen natürlich totaler Blödsinn, zum anderen aber - und das ist viel schlimmer - ein knallharter normativer Abwertungs- und Diskreditierungsversuch einer ganzen Erzählform, die in Deutschland immer noch rund 70% des Comic-Marktes ausmacht. Hier wird wirklich aufs Übelste mit Dreck geworfen, und wenn mir noch mal jemand vorwerfen will, dass ich hier mit meinen Artikeln aufmache, erfundene Gräben zwischen den einzelnen Comicbereichen aufzuziehen (was einer der Mitinitiatoren des Comic-Manifestes letztens getan hat) - Tschuldigung, die Gräben waren schon da, und wenigstens hab ich nicht den Stacheldraht gespannt.
Bevor wir uns dem Rest widmen, schauen wir uns erst einmal an, was Ulli Lust gestern dazu meinte:
Diese gibt sich, nachdem sie uns ausführlich veranschaulicht, dass die Idee hinter der Graphic-Novel-Marketing-Kampagne ja total anarchistisch und kein Stück elitär ist (hauptsächlich, weil sie es so sagt), zuerst etwas diplomatischer: "Mangas finde ich gut", heißt es da. Aber gleich im nächsten Satz: "Ich warte noch auf die richtig geilen deutschen Mangas." - Liebe Ulli! Ich habe einen ganzen Schrank davon! Alles deutschsprachige Eigenproduktionen. Du kannst gerne mal vorbeikommen und sie dir angucken. Wir wohnen ja quasi in benachbarten Kiezen. Ansonsten: Nur weil man etwas nicht sieht oder nicht sehen will, heißt das nicht, dass es nicht existiert.
Aber auch bei Ulli Lust geht es nicht nur um Uninformiertheit. Leider. Damit könnte ich irgendwie noch leben. Wenn man von etwas keine Ahnung hat, sollte man sich dazu vielleicht nicht unbedingt öffentlich äußern. Aber der Interviewer hatte dummerweise danach gefragt. Das zu tun, war anscheinend ungefähr so schlau wie sich bei Marusha nach Empfehlungen zur Bundestagswahl zu erkundigen, aber egal. Das eigentliche Problem ist, dass sie ein paar Zeilen später ähnlich diskreditierende Vorurteile predigt wie Schwartz:
Lust argumentiert hier auf einem Standpunkt von geschätzt 2005. Die Entwicklung, die sie vermisst, hat längst stattgefunden. Wenn man sich mal ernsthaft anschaut, war gegenwärtig an Manga-Eigenproduktionen publiziert wird, ob bei Verlagen oder als Doujinshi, findet man besagte Klischees nur noch sehr selten, und oft auch nur bei nach sehr jungen Nachwuchs-ZeichnerInnen. Im Manga-Sektor wird eben sehr viel jünger angefangen zu publizieren, in der Regel im Schulalter, und das meint nicht die Kunsthochschulen, die das Manifest zu hochhebt.
Schwerwiegender ist allerdings das Vorurteil, dass sowohl bei Schwartz wie auch bei Lust auftaucht, dass Manga-ZeichnerInnen bevorzugt ab- und nachzeichnen würden. Schwartz bläst das sogar zu "Mega-Scheuklappen" auf. Man würde ja nur den japanischen Vorbildern nachhecheln und wäre zu kreativer Eigenleistung nicht fähig, weil am Ende alles gleich aussieht. BULLSHIT!
Die meisten (semi-)professionellen deutschsprachigen Mangaka haben ihren eigenen Stil über Jahr intensiv entwickelt, von denen keiner exakt wie ein bestimmtes japanisches Vorbild aussieht. Die meisten von ihnen kann ich problemlos an ihrem Stil erkennen. Natürlich setzt das voraus, dass man sich einen Blick dafür erarbeitet, die Nuancen erkennen zu können. Und das wiederum setzt voraus, dass man sich damit beschäftigt hat. Was offensichtlich weder Lust noch Schwartz getan haben.
Sicherlich arbeiten sich hiesige Mangaka an japanischen Vorbildern ab und versuchen von den Meistern zu lernen. Das liegt aber nicht daran, dass sie unfähig und unwillens zu kreativer Eigenleistung sind, sondern dass Manga eine zeichentechnisch und erzählerisch hochkomplexe und anspruchsvolle Erzählform ist, bei der das technische Handwerk sehr viel wichtiger ist als bei anderen Comicformen. Perspektive, Dynamik, Strichführung, Anatomie, Figurendesign, Expressivität - als das ist bei Manga von zentraler Bedeutung und bedarf zur Perfektionierung jahrelange intensive Übung. Man muss das nicht mögen, man muss auch nicht unbedingt einen Blick dafür entwickeln - aber man sollte es verdammt noch mal respektieren können, wenn man schon meint, sich Urteile darüber erlauben zu müssen!
Dass viele junge Mangaka recht vehement auf ihre Stile bestehen, was ja die Erfahrungen sind, auf die sich sowohl Lust als auch Schwartz in ihrer Tätigkeit als Comic-Dozenten beziehen, hängt auch damit zusammen, dass Manga als Stilform an den Kunsthochschulen nur selten akzeptiert und mit fast identischen Vorurteilen bedacht wird, wie Lust und Schwartz sie hier aufzeigen. Wir alle kennen die Geschichten von Nachwuchs-Mangaka, die an Kunsthochschulen abgelehnt wurden, weil sie Manga machen - nicht weil sie schlechte Manga machen, sondern einfach weil sie Manga machen. Da kommen dann oft ganz ähnliche Sprüche. Besonders der Vorwurf des Abzeichnens gegenüber Manga scheint an den deutschen Kunstakademien irgendwie zum guten Ton zu gehören. Und aus Unverstandenheit wird dann eben leicht Trotz.
Das Problem an unseren beiden Ansichtsexemplaren hier ist ja auch, dass der eine sich intensiv mit Rassismus, die andere intensiv mit Sexismus beschäftigt hat und beide daher eigentlich wissen sollten, wie normative, generalisierende Vorurteile wirken und was sie anrichten können. Und trotzdem sehen sie sich dazu genötigt, eine gesamte Comicströmung schlecht zu reden, über die sie offensichtlich bei Weitem nicht genug wissen, um sich ein qualitatives Urteil darüber erlauben zu können.
Fazit: Seufz ...
P.S. Die Rosa_Maus hat das sich als Betroffene und (Ex-)Ulli-Lust-Fan dem Thema heute früh auch schon auf Facebook gewidmet. Die Diskussion darunter ist auch sehr lesenswert. [edit:] Ist leider nur mit Darfschein von Herr Zuckerberg UND Frau Schober einsehbar.
Disclaimer: Ich habe sowohl Packeis wie auch Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens tatsächlich gelesen. Aber meine Meinung dazu tut hier nichts zur Sache.
> Und würde auch nix bringen; Solche Etepete Comiczeichner halten sich wie Du so schön sagtest das Maß aller Dinge. Selbst wenn Du sie auf die Nase stößt werden sie das nicht weil sie auch nicht sehen wollen.
>
> Aber ich hätte ein Interesse welche Mangas Du meinst ;3
Ich weiß. Das macht es ja so frustrierend, aber Vorurteile sind leider sehr hartnäckig. Das würde ganz anders aussehen, wenn zumindest in den Medien einmal ein positives Bild gezeichnet werden würde, aber ich vermute, da friert eher die Hölle zu.
Ich meine solche Mangas wie z. B. Berserk, Shin Angyo Onshi, Vinland Saga, Fullmetal Alchemist, Death Note und meinetwegen auch noch Code Geass (wobei ich davon nur den Anime kenne). Alles Geschichten, die ohne die offenbar verhasste "Daily Soap" auskommen und - abgesehen von CG - auch ohne die "großen Augen". Ganz zu schweigen davon, dass gerade die ersten drei zeichentechnisch auf einem sehr hohen Niveau sind, unabhängig davon, ob man den Stil mag oder nicht.
> Nicht immer; Eine Zeichnerin, die ich kenne, hat sich auch nicht weiterentwickelt. Ob es daran liegt dass sie nicht dazu fähig ist oder einfach keine Lust hat kann ich nicht sagen.
> Meistens ist es so dass man sich weiterentwickelt.
Ich denke, das hängt auch davon ab, wie viel Zeit man investiert. Vielleicht hat sie aber auch für sich den Stil gefunden, der ihren Ansprüchen gerecht wird.
> Was sind eigentlich "Frauenspiele"? Die Spiele, die ich kenne kann jeder daddeln auch wenn es Themen innehat, die angeblich mehr das eine Geschlecht ansprechen (GTA für Männer (das würde mich schon reizen 8D für Frauen.... äh, da fällt mir kein Game ein).
Mir würde spontan kein Spiel einfallen, das für Frauen (nicht Mädchen!) konzipiert wäre. Das ist auch mehr eine Sache des persönlichen Geschmacks. Wenn ich so lese, was die Kolleginnen im "Clan der Zockerinnen"-Zirkel spielen, muss ich immer wieder schmunzeln, weil es so gar nicht in dieses Männer-/Frauen-Schema passt, in das man alles reinquetschen will. Ein schönes Rollenspiel kann eine Frau ebenso genießen wie ein Mann. Vielleicht legt man(n) auf andere Aspekte wert, aber das macht das Spiel an sich nicht weniger geeignet für das eine oder das andere Geschlecht.
Lange Rede, kurzer Sinn: wir sind uns wohl alle einig, dass die zitierten Aussagen jeglicher Grundlage entbehren.
Alister: "Reiner Zufall, wenn du mich fragst."
Zip: "....tse, komischer Name für 'n Schwert."
Klar gibt's bei shoujo manga viel redundanten Mist. Aber den gibt's genauso bei shounen manga, frankobelgischen Funnies, Abenteuercomics, Superheldengeschichten und autobiografischen Seelenstriptease-GraNos. Ich meine, dass das typische GraNo-Angebot zwischen Biografien, Reportage-Comics, Autobiografien, Literaturadaptionen und Biografien mit Nazi-Bonus jetzt (auf den ersten Blick) kein wirklich sonderlich breites Spektrum abdeckt, sollte man in dem Zusammenhang dann ja auch anmerken dürfen. Ich glaube, da ist Manga thematisch noch um einiges breiter aufgestellt.
+++DManga-Zirkel - Alle Infos rund um Manga aus dem deutschsprachigen Raum
Code Geass ist eine originäre Anime-Storyline, die Novel- und Manga-Adaptionen sind auf Basis des Animes entstanden. Es ist als Beispiel für Mangakultur also n schlechteres Beispiel.
Es gibt auch im typischen Shojo-Bereich, mit den großen Augen etc. echt krasse Storylines (Yuu Watase...), generell kann ich als reiner Leser schon aus meiner überschaubaren Sammlung ad hoc ne ganze Menge Zeug rausziehen, dass man zur Illustration der Stilvielfalt heranziehen kann (Angel Sanctuary vs. Fullmetal Alchemist vs. Death Note vs. Vampire Miyu vs. Eagle vs. Wild Adapter...), und so ziemlich jeder geübte Leser kann auf einen Blick Autoren oder wenigsten Stilrichtungen unterscheiden. und wenn man die verschiedenen Stile in Beispielbildern nebeneinander legt, sieht auch ein Anfänger die Unterschiede.
Wie bereits festgestelt: die Kritiker haben sich üblicherweise genauso wenig mit Manga befasst, wie meine Oma. sie haben mal gesehen und gehört, dass das diese japanischen Comics sind, und haben so ein diffuses Dragonball-SailorMoon-Naruto-Pokemon-Bild davon. Ich bezweifle auch, dass die überhaupt eine komplette Manga-Seite gelesen haben, meist beschränkt sich das Wissen eben tatsächlich nur auf Sekundärquellen. das ist gerade für Leute, die sich mti Kunst auskennen wollen, ft sehr armselig, aber hey, bekanntlich hilft bei Dummheit keine medikamentöse Behandlung.
("A man shouldn't die with no understanding of why he's been murdered" - Matthew Stover)
>Von Sachen wie Die Rose von Versailles fang ich gar nicht erst an.
Ein gutes Beispiel für "Geschichten, die sich in unserer Realität" abspielen, auch wenn es sich dabei um historische Ereignisse handelt. Und dieser Manga ist dazu noch gute 40 Jahre alt. Nicht gerade eine junge Nachahmungskünstlerin, die weit entfernten Idealen nachhechelt.
Azamir:
> Code Geass ist eine originäre Anime-Storyline, die Novel- und Manga-Adaptionen sind auf Basis des Animes entstanden. Es ist als Beispiel für Mangakultur also n schlechteres Beispiel.
Ok, das wusste ich nicht. Dann streichen wir das. (wieder was dazu gelernt)
Alister: "Reiner Zufall, wenn du mich fragst."
Zip: "....tse, komischer Name für 'n Schwert."
Du kannst noch so eine tolle, innovative Story haben, wenn Verläge eben gerade nur auf redundante Shojo-Serien stehen, kommst du damit womöglich nicht durch.
Dass es verdammt gute japanische Exemplare gibt dürfte klar sein (oder wird halt einfach trotzdem nicht akzeptiert)..
»This Weighted Companion Cube will accompany you through the test chamber. Please take care of it.« ♥
> Was ich auch noch in den Raum stellen möchte: Nachfrage bestimmt das Angebot. Ich würde das "Nachäffer-Problem" nicht unbedingt nur bei den Zeichnern sehen. Nicht alles, was bei einem Verlag eingeht, wird verlegt und nicht jeder Verlag erkennt eine gute Story auch direkt. Die suchen sich schiesslich aus, was sie verlegen möchten und für marketingfähig halten. Schön, wenn manche Leute den Luxus haben und ihr Verlag alles so druckt, wie sie das ansetzen, aber ich behaupte, das ist nicht die Regel. Bei den großen US-Verlägen quatschen doch auch ständig irgendwelche Editors in die Geschichten und richten damit einiges an Schaden an, was die Fans verärgert. Warum sollte das bei deutschen Verlägen anders sein? Ich will sicher nicht sagen, dass man hier alles diktiert kriegt, aber dass sich da keiner einmischt oder nicht in eine bestimmte Richtung vorsortiert wird oder wurde, kann ich mir nur sehr schwer vorstellen.
> Du kannst noch so eine tolle, innovative Story haben, wenn Verläge eben gerade nur auf redundante Shojo-Serien stehen, kommst du damit womöglich nicht durch.
Also hier würde ich gleich in mehrerer Hinsicht widersprechen. Erstens würde ich stark in Frage stellen, dass ein Werk durch redaktionelle Betreuung grundsätzlich schlechter wird. Gerade die meisten deutschsprachigen Nachwuchs-Mangaka hätten eigentlich eine viel intensivere redaktionelle Betreuung notwendig, um sich besser entwickeln zu können. Das Problem ist eher das exakte Gegenteil, dass nämlich die Redakteure der Großverlage haputsächlich mit japanischen Lizenztiteln beschäftigt sind und sich zeitlich zu wenig um die Eigenproduktionen kümmern können.
Zweitens veröffentlichen die Verlage nur sehr wenig redundante shoujo-Eigenproduktionen. Mit innovativeren, thematisch originelleren Projekten hättest du derzeit tatsächlich bessere Chancen bei einem Verlag, solange zeichnerische und erzählerische Qualität stimmen. Und nebenbei, wenn beim Thema shoujo-Kitsch dann qualitativ etwas wie "Feed Me Poison" rauskommt - dann hey, her mit noch mehr shoujo-Kitsch!
Fairerweise muss man auch anmerken, dass sich Lust und Schwartz eben nicht auf Verlags-Mangaka beziehen. Verlags-Mangaka gehen nicht in Comic-Kurse. Die sind ja schon da, wo sie hinwollen. Verlags-Mangaka kennen die zwei ja gar nicht. Sie kennen nur die, die es (noch) nicht geschafft haben und verallgemeinern dann auf die ganze Szene. Leute, die vielleicht auch einfach noch nicht so gut sind. Aber selbst das ist andererseits wieder zweifelhaft, da ich Stories über abfällige Bemerkungen von Kunsthochschulseite auch schon von richtig guten Leuten gehört habe.
Und wenn sich bei Lust und Schwartz wirklich nur eher schwache Nachwuchs-Mangaka in die Kurse trauen, sollten sie sich vielleicht eher fragen, warum die guten Leute ihren Kursen fernbleiben, statt sie einfach weg zu erklären.
+++DManga-Zirkel - Alle Infos rund um Manga aus dem deutschsprachigen Raum
> Also hier würde ich gleich in mehrerer Hinsicht widersprechen. Erstens würde ich stark in Frage stellen, dass ein Werk durch redaktionelle Betreuung grundsätzlich schlechter wird. Gerade die meisten deutschsprachigen Nachwuchs-Mangaka hätten eigentlich eine viel intensivere redaktionelle Betreuung notwendig, um sich besser entwickeln zu können. Das Problem ist eher das exakte Gegenteil, dass nämlich die Redakteure der Großverlage haputsächlich mit japanischen Lizenztiteln beschäftigt sind und sich zeitlich zu wenig um die Eigenproduktionen kümmern können.
Das wollte ich damit auch nicht sagen, ich habe eigentlich eher ganz allgemein aufzeigen wollen: die Zeichner machen die Comics/Mangas nicht allein, Markt und Verlage spielen auch eine Rolle. Von daher finde ich es irgendwo unfair, die Zeichner so persönlich anzugreifen wie die Herrschaften in den Beiträgen das tun. Verlage oder die Betreuer sind auch nicht unfehlbar. Allerdings habe ich schon von einigen Leuten gehört, die es mal bei Verlagen versucht haben und als Antwort bekamen "Ach, das Genre suchen wir grade nicht" oder "Kannst du die Story nicht etwas mainstreamiger" machen. So, wie die Zeichner aus dem Artikel da klingen, wirkt es auf mich irgendwie so, als würde jeder verlegt werden, der möchte, ohne dass sich da der Faktor Verlag einmischt.
> Zweitens veröffentlichen die Verlage nur sehr wenig redundante shoujo-Eigenproduktionen. Mit innovativeren, thematisch originelleren Projekten hättest du derzeit tatsächlich bessere Chancen bei einem Verlag, solange zeichnerische und erzählerische Qualität stimmen. Und nebenbei, wenn beim Thema shoujo-Kitsch dann qualitativ etwas wie "Feed Me Poison" rauskommt - dann hey, her mit noch mehr shoujo-Kitsch!
Das mit dem Shojo war auch eher ein Beispiel, weil es davor so oft benutzt wurde. Selbst wenn ich das Genre persönlich nicht mag, will ich ihm sicher nicht seine Daseinsberechtigung absprechen XD" Ich wollte sagen, dass es bestimmte Trends gibt und man daher sicher nicht jederzeit bei jedem Verlag mit jedem Werk durchkommt. Bei Romanen ist es ja auch so, man bedenke nur gewisse Fluten von Paranormal-Romance-Büchern.
> Fairerweise muss man auch anmerken, dass sich Lust und Schwartz eben nicht auf Verlags-Mangaka beziehen. Verlags-Mangaka gehen nicht in Comic-Kurse. Die sind ja schon da, wo sie hinwollen. Verlags-Mangaka kennen die zwei ja gar nicht. Sie kennen nur die, die es (noch) nicht geschafft haben und verallgemeinern dann auf die ganze Szene. Leute, die vielleicht auch einfach noch nicht so gut sind. Aber selbst das ist andererseits wieder zweifelhaft, da ich Stories über abfällige Bemerkungen von Kunsthochschulseite auch schon von richtig guten Leuten gehört habe.
Um so seltsamer ist es dann, finde ich. Als erfolgreicher Comiczeichner sollte man doch wissen, dass man erstmal mit Imititieren anfängt.
Ich kenne die Bemerkungen sogar aus erster Hand (nein, ich will damit nicht sagen, ich sei gut, aber ich hab mich halt in diesen "Kreisen" rumgetrieben). Von daher musste ich über die Leutchen da ziemlich schmunzeln, wie sie so schön alles wiederholen, was ich schon so oft gehört habe. Immerschön nachplappern, was man einem beigebracht hat, ohne die Dinge zu hinterfragen. Das sorgt für Innovation! Ehrlich: diese Schulen sind furchtbar manipulativ...
> Und wenn sich bei Lust und Schwartz wirklich nur eher schwache Nachwuchs-Mangaka in die Kurse trauen, sollten sie sich vielleicht eher fragen, warum die guten Leute ihren Kursen fernbleiben, statt sie einfach weg zu erklären.
Aber unbequeme Tatsachen wegzuargumentieren ist doch viel einfacher! XD
>als würde jeder verlegt werden, der möchte, ohne dass sich da der Faktor Verlag einmischt.
nya, da hängt partiell halt auch ne independent-szene dahinter, in der man 'einfach' auf selbstverlag geht. in die großen verlage reinzugehen ist da nicht unbedingt der erstbeste weg, sondern eben sich einen namen zu machen mit sienen stories, indem man die eben auf andere weise vermarktet. Was viele, viele, viele Mangaka in Deutschland ja auch machen - sei es hier über die doujinshis auf animexx, unabhängig erscheinende anthologien usw.
Editing ist ne seeeehr komplexe Sache - das ideale Werk kommt meines erachtens nach nur heraus, wenn Editor und Autor gut zusammen arbeiten und der Editor dem Autor schlicht aufzeigt, wo eben Verbesserungspotential ist. Wenn ich mir Autoren angucke, deren Bücher sich nur wegen dem Autorenname wie warme Semmeln verkaufen, stelle ich oft fest, dass ein bisschen Editing gut getan hätte (Harry Potter ab Band 4/5, Sond of Ice and Fire ab Band 3/4, etc.). Einfach um so manche interessante, aber für die Story letztlich eher redundante Idee des Autors rauszustreichen, damit die Geschichte sich auf das, was dem Autor wirklich wichtig ist, fokussieren kann. und sich nicht in Nebensächlichkeiten und Kuriositäten verliert.
Viele Leute in den Medienbereichen sind leider wenig innovativ und verkaufen lieber altbekannt-erfolgreiches so lange, wie sie können, weil es "sicher" ist, statt das Risiko einzugehen, einen neuen Trend oder einen exorbitanten Flop zu landen. Daher kommt dieses fetsklammern an mainstreamigen - und es ist halt von daher auch nicht unbdeingt in schlechter Tipp für einen neuen Autor, weil er mit dem "sicheren" Mainstream halt seine Werke erstmal ans Publikum kriegt, sich einen Namen machen kann, und danach dann eine Fanbase hat, die sich auch einem etwas anderen Werk von ihm zuwendet, idealer Weise.
Andersherum kann man natürlich auch mit einem großen "Bäm!" und einem innovativem Werk auf den Plan treten - aber leider sind gerade bei jungen Autoren die Werke nicht ganz so innovativ, wie der Autor meint, und es ist eben ein Risiko, dass man komplett am aktuellen Interesse vorbei arbeitet, und sich eben niemand für das Werk interessiert. Und ein Autor, dessen Erstlingswerk ein kompletter Ladenhüter ist, wird nicht unbedingt sofort eine zweite Chance bekommen....
Aza.
("A man shouldn't die with no understanding of why he's been murdered" - Matthew Stover)
Aaaah, ich glaube die Leute interpretieren zu viel in meine Aussagen rein oder ich habe mich falsch ausgedrückt! XD"
Da stimme ich dir zu. Ich kann auch verstehen, warum manche Verlage das machen. Ich will nicht sagen, dass es grundlegend schlecht ist, aber eben auch irreführend sein kann. In der Tat habe ich extra für diesen Zweck sogar schon Doujinshis geschrieben und "mainstreamisiert", doch nie abgeschickt, denn offengestanden entmutigen mich Geschichten wie dieser Blogbeitrag regelmäßig das mal zu tun (natürlich nur der Anlass dafür, sicher nicht der Blog selber!).
Aber gerade bei diesen Praktiken finde ich es seitens dieser zitierten Autoren nicht fair auf den Zeichnern allein rumzuhacken, dass sie unoriginell seien, wenn die Industrie mit ihnen auf "Nummer Sicher" gehen will. Ich will weder behaupten, dass alles den Bach runtergeht, wenn sich ein Editor einmischt, noch dass die Verlage regelmäßig kreative Goldgruben in ihrem Postfach übersehen.
Was mich halt irritiert ist, dass diese Profi-Zeichner es scheinbar nichtmal in Betracht ziehen, dass das auch eine Marketing-Sache sein kann, weswegen man gefühlte Millionen "Glubschaugen" im Regal sieht. Sollten die nicht wissen, wie es läuft oder zumindest mal die Statistiken checken?
Dass die nichtmal von der Industrie reden, sondern nur auf ihren Schülern rumhacken, mag ich zugegebenermaßen auch einfach übersehen oder verdrängt haben denn... sorry, das erscheint mir einfach zu unprofessionell für jemanden, der anderen etwas beibringen will...
Denn anscheinend hat vor ein paar Jahren Brösel (Zeichner von Werner) vor dem japanischen Botschafter und Publikum sich so dermaßen abfällig über Manga geäußert. Im Jahr drauf war das Japanische Konsulat dann kein Sponsor mehr (Warum nur?) und seitdem gibt es dort immer weniger Veranstaltungen mit dem Thema Manga, was dazu geführt hat, dass ich mir, wenn ich überhaupt hingehe, kein Ticket mehr kaufe.
Und zu der Problematik, dass Manga so abwertend betrachtet werden: Ich seh das wie mit den Games. Denn da jetzt die ersten Gamer selbst Eltern sind und sich deswegen auch in den älteren Generation immer mehr Gamer finden, ist das ganze natürlich immer gesellschaftsfähiger geworden. Und ich denke stark, dass das bei Manga/Anime auch passieren wird.
Und wegen Manga, die keine Soap Opera sind: Buddha von Osamu Tezuka
(藤本義一(作家))
http://www.cracked.com/blog/5-responses-to-sexism-that-just-make-everything-worse/
Dort steht, dass es durchaus Frauen in der Comic-Szene, dass sie aber quasi unsichtbar bleiben, weil die Comic-Szene immer noch als Männerdomäne dargestellt wird.
Pokemon-Weblog-Übersicht
Team Rocket-Fan-Zirkel
S.N.O.R.T. ~ Snape Needs Our Respect Too
Aber abgesehen von dem Ärgernis mit den Kunsthochschulen und den Fördergeldern ist mir der Tenor in der Comiszene zu (deutschen) Manga egal. Was soll ich mich über Leute ärgern über deren Kunst ich selbst auch kein gutes Wort zu verlieren hätte? Sie werden schon wissen warum sie sich beruflich mit dem beschäftigen mit dem sie sich beschäftigen. Ich hoffe sie haben ein erfülltes Leben und ich bin froh, dass sie nicht versuchen stattdessen selbst am Medium Manga rumzudoktern.
Aber vielleicht ist "krasser" auch der neue Mainstream?
Fakt ist, dass viele Mythen rund um deutsche Zeichner gar nicht stimmen. Mein Verlag jedenfalls nimmt nur geringen Einfluss auf meine Story. Geändert werden Logikfehler (eh klar) und häufig die Texte. Das hat zwar schon zu dem ein oder anderen Unbill geführt, weil die Bedeutung verändert wurde oder der Charakter plötzlich sprachliche Marotten hatte, die nerven (lol), aber damit konnte ich leben. Man hat ab nem gewiwssen Punkt ziemliche Narrenfreiheit! In Japan ist das eher nicht so. Da müssen sich die Zeichner viel strenger an Genreregeln halten, weil die Stories meist in exakt auf die Zielgruppe zugeschnittenen Magazinen veröffentlicht werden.
Hach, Mann... mal sehen, was die Zukunft bringt!
https://www.facebook.com/Mangasalat
> Dort steht, dass es durchaus Frauen in der Comic-Szene, dass sie aber quasi unsichtbar bleiben, weil die Comic-Szene immer noch als Männerdomäne dargestellt wird.
Ja, das ist aus amerikanischer Sicht natürlich noch mal ein ganz anderes Problem. Da versteht man unter Comics in erster Linie Marvel & DC, wo natürlich fast nur Männer arbeiten.
Die Situation ist in Deutschland natürlich etwas komplizierter, weil es hier keinen wirklichen Mainstream gibt. Wenn du nach den Medien gehst, sind der Mainstream hier eben Graphic Novels, die am ehesten vergleichbar wären mit der alternativen Comicszene in den USA. Da ist die Geschlechterverteilung schon etwas gemischter, wenn auch tendenziell immer noch etwas eher männlich.
Das liegt aber auch wieder daran, dass die meisten Feuilletonisten Männer sind. Und da spielt Manga dann eben wieder keine Rolle, weil das als so ein Frauending wahrgenommen wird, wodurch natürlich dann auch wieder die zahllosen weiblichen Mangaka unsichtbar gemacht werden. Das Problem ist hier eben, dass die Geschlechtefrage mit einer medialen Legitinierungsfrage zusammenprallt - akzeptierte mediale Formen / Hochkultur auf der einen Seite und eben der ganze Unterhaltungsschund, zu dem auch Manga zählt, auf der anderen Seite.
Manga ist in dieser Hinsicht quasi doppelt diskriminiert - einmal als (angebliches) Frauending und zum anderen als nicht ernstzunehmende, nicht akzeptale mediale Ausdrucksweise. Und wenn dann auch noch beides zusammenkommt, wie bei Simon Schwartz, wird's richtig hässlich.
+++DManga-Zirkel - Alle Infos rund um Manga aus dem deutschsprachigen Raum
Rosa_Maus:
> Man hat ab nem gewiwssen Punkt ziemliche Narrenfreiheit! In Japan ist das eher nicht so. Da müssen sich die Zeichner viel strenger an Genreregeln halten, weil die Stories meist in exakt auf die Zielgruppe zugeschnittenen Magazinen veröffentlicht werden.
wohl war gesprochen
Zu dem Ulli Lust-Interview hatte ich mich ja auch schon unter Frollein Schobers Facebook-Kommentar geäußert und auch hier noch mal kurz zusammengefasst:
Ihre Aussagen fand ich keineswegs prekär, da ich nicht das Gefühl hatte, dass sie die komplette deutsche Manga-Zeichner-Szene abdecken will. Zwischen den Zeilen konnte zumindest ich doch deutlich rauslesen, dass sie vom Durchschnitt spricht. Und auf den Durchschnitt gerechnet, hat sie Recht. Gerade wenn man auf Animexx Doujinshi sichtet, muss man doch zugeben, dass das sehr schablonenhaft und unkreativ wirkt, was man da meist zu sehen bekommt.
Jetzt könnte man diesen Punkt natürlich noch weiter ausdifferenzieren und sagen, dass der wesentliche Grund dafür im Durchschnittsalter der AutorInnen liegt. Liegt das Durchschnittsalter zwischen 14 und 17 Jahren, ist ja relativ klar, dass noch nicht das künstlerische Kalkül, der narrative Feinschliff, der kritisch-reflexive Umgang mit dem Medium ausgereift ist. Ein natürlicher Entwicklungsschritt, der sich in der Regel verwächst.
In der Nicht-Manga-Comic-Ecke bzw. den Ecken tauchen AutorInnen in der Regel erst auf, wenn sie reifer sind. Herr Schwarz ist ein gutes Beispiel dafür.
Doch ich würde mich mal aus den Fenster lehnen und behaupten, dass sie alle mal als stupide Abzeichner und Abschreiber begonnen haben. Selbst die Moores, Millers und Gaimans. Ja, selbst die Lusts und Schwarzens.
Wie gesagt: Ein natürlicher Punkt.
Frau Lust würde ich nicht ankreiden, dass sie nicht über diesen Punkt hinaus gesehen hat. Mit ihrer prinzipiellen Aussage hat sie ja Recht.
Und dass sie noch nicht über die richtig geilen deutschen Mangas gestolpert ist, kann man ihr ja nicht vorwerfen. Zumindest hat sie nicht gesagt, dass es sie nicht gibt. Ihrer Ausssage zufolge, ist es ja möglich, dass sie schon da draußen rumgeistern, jedoch lediglich noch nicht vor ihre Flinte geflattert sind.
Was sich Herr Schwarz da geleistet hat, ist jedoch noch nicht mal mit der Durchschnitts-Argumentation zu rechtfertigen.
Mit einer ausführlicheren Erläuterung seiner Punkte hätte er sich vielleicht auf einen grünen Ast retten können, denn unterm Strich glaube ich, dass auch er einen korrekten Punkt ansteuert. Aber derart polarisierend und hetzerisch kommt natürlich nihts Vernünftiges bei rum.
Wenn er jetzt damit seinen ersten großen Shitstorm riskiert, würd ich´s mal drauf schieben, dass er - trotz des großen Erfolgs mit Packeis - noch recht frisch in der Szene ist. Und die deutsche Comiclandschaft is nun mal ein Haifischbecken, wie man hier in dieser Diskussionsrunde gerade sieht.
Der eine Punkt, wo er - von Weitem betrachtet und im Kern - nicht unrecht hat, ist, dass Mädchen medienbiographisch im Durchschnitt mehr durch Manga geprägt sind. Und diese Manga sind im Durchschnitt keine Innovationsfeuerwerke.
Für diese beiden Punkte gibt es zwei Belege:
- Es gibt empirische Zahlen darüber, dass es ein deutliches Ungleichgewicht gibt, was männliche und weibliche Manga-Leser anbelangt. Mädchen bilden eine deutliche Mehrheit.
- Die wirklich verqueren, innovativen, kreativen Stoffe (egal ob Manga oder Film oder sonstwas) haben es beim deutschen Publikum schon immer schwer gehabt. Das trifft den Manga "Shamo" wie die US-Fernsehserie "Sopranos", das trifft den Manga "Gute Nacht, Punpun" wie das Lebenswerk von Lars von Trier.
Jetzt darf man aber nicht vergessen, dass das ein völlig abstrakter Sachverhalt ist, der wenig mit all den Einzelfällen da draußen gemein hat. Im Durchschnitt sind auch alle Menschen weibliche Chinesen und befinden sich gerade in einem Gewässer.
Also unterm Strich:
Mit Ulli Lust geh ich mit, Simon Schwarz hat sich da gehörig in die Nesseln gesetzt.
> Also zunächst mal: Schöner Artikel. Wär doch auch mal was für Comicgate.
Hier erreich ich tatsächlich deutlich mehr Leute. Außerdem wär's schon was von Querpinkeln, da über die eigenen Interviews zu wettern.
> Ihre Aussagen fand ich keineswegs prekär, da ich nicht das Gefühl hatte, dass sie die komplette deutsche Manga-Zeichner-Szene abdecken will. Zwischen den Zeilen konnte zumindest ich doch deutlich rauslesen, dass sie vom Durchschnitt spricht. Und auf den Durchschnitt gerechnet, hat sie Recht. Gerade wenn man auf Animexx Doujinshi sichtet, muss man doch zugeben, dass das sehr schablonenhaft und unkreativ wirkt, was man da meist zu sehen bekommt.
Ich find's ehrlich gesagt sehr schade, dass du die ganze Zeit mit irgendwelchen Durchschnitten argumentierst. Durchschnitte sind nicht relevant. Wir reden hier über das kreative Potential einer Erzählform, und das ist nicht im Durchscnitt begründet. Durchschnitte sind zudem fiktiv, eine statistische Erfindung. Es gibt nicht den oder die deutsche/n Durschschnitts-Mangaka, es gibt nur sehr viele individuelle deutsche Mangaka, aus denen Statistiker dann und bestimmten Gesichtpunkten und Blickwinkeln Durchschnitte postulieren. Durchschnitt ist immer eine ideologische Aussage. Und das meistens auch nicht empirisch, sondern nach Gefühl. In jedem Fall wird das Potential des Einzelnen dadurch glattgebügelt. Das sollte eigentlich niemand so gut nachvollziehen können wie du.
Aus diesen Durchschnittsannahmen ergeben sich dann wiederum die Vorurteile. Da kommt jemand mit Manga, und bei den Hochschuldozenten gehen die Warnleuchten an. Ist es dann auch noch eine junge Frau, wird es dann gedanklich gleich auch noch unter "typisch" verbucht, ist es zur Abwechslung mal ein Mann oder zeigt sie Interesse an anderen Ausdrucksformen, ist es eine "Ausnahme". Es gibt immer den angenommenen, negativen Normalfall, gegen den dann angekämpft werden muss, um akzeptiert zu werden. So bildet sich ein hierarchisches Gefälle verschiedener Comic-Erzählformen, das von HochschuldozentInnen und FeuilletonistInnen vorgegeben wird, und bei dem Manga eben immer der Bodensatz ist, von dem ein paar Auserwählte wie Carolin Walch oder Olivia Vieweg sich dann emporklimmen dürfen. Genau diese Denkweisen müssen durchbrochen werden, denn sie sind hochgradig schädlich gegenüber einer respektvollen gegenseitigen Akzeptanz auf Augenhöhe.
Dass Durchschnittsthesen selbst mit empirischem Fundament zu extrem verzerrten Annahmen führen, hast du mit deinem Hinweis auf das Publikationsverhalten in der Mangaszene ja eigentlich schon selbst belegt. Wenn hier deutlich mehr und deutlich jünger publiziert wird (dabei zu einem Großteil eben auch im Hobbybereich, der durch Boards wie Animexx ja extrem begünstigt wird, was recht einmalig in der deutschen Comicszene ist), zieht das natürlich deinen fiktiven Durchschnitt runter. Aber dadurch ist eben exakt NICHTS gesagt! Schau dir an, wozu einzelne Leute fähig sind und wie ihre Erzählform nutzbar ist. Dann kannst du anfangen, vergleiche zu ziehen.
> Doch ich würde mich mal aus den Fenster lehnen und behaupten, dass sie alle mal als stupide Abzeichner und Abschreiber begonnen haben. Selbst die Moores, Millers und Gaimans. Ja, selbst die Lusts und Schwarzens.
> Wie gesagt: Ein natürlicher Punkt.
Jens Harder ist, wie wir alle wissen, da auch immer noch nicht drüber hinaus. Aber das gibt Preise ohne Ende und ist dann irgendwie wieder okay, weil APLHA so ein tolles weltumspannendes Projekt ist. Spür la Doppelnatür!
> Frau Lust würde ich nicht ankreiden, dass sie nicht über diesen Punkt hinaus gesehen hat. Mit ihrer prinzipiellen Aussage hat sie ja Recht.
Hat sie nicht. Sie sagt, das prinzipielle Probem deutschsprachiger MangazeichnerInnen wäre das Nachmachen - sie nennt es ja sogar "Nachhecheln". Und das ist erstens faktisch nicht wahr und zweitens auch kein Problem, weil es eben, wie du selbst sagst, Teil eines natürlichen Entwicklungsprozesses ist.
> Und dass sie noch nicht über die richtig geilen deutschen Mangas gestolpert ist, kann man ihr ja nicht vorwerfen. Zumindest hat sie nicht gesagt, dass es sie nicht gibt.
Doch, hat sie. Die inszeniert sich als jemand, der etwas zu deutschen Mangas zu sagen hat (sie hätte ja auch einfach sagen können: Tut mir Leid, dazu kann ich nichts sagen, da kenn ich mich nicht gut genug aus), und dann sagt sie eben wortwörtlich: "Ich warte noch auf die richtig geilen deutschen Mangas." - Heißt: Es gibt sie (noch) nicht.
Dein respekt für Ulli Lust in allen Ehren, aber diese Aussagen in ihrem Interview muss man sich schon echt schön saufen, um sie so auszulegen wie du.
Ich merke auch, dass du ihre Vorurteile zu einem gewissen Grad teilst, besonders weil du da auch wieder als "Mann" einen Blick auf den "typischen" Mädchen-Manga wirfst, von dem du dich ja auch in deinen Publikationen stark abgrenzt. Ich hab auch gerade per Privatnachricht einen Kommentar zu meinem Blog bekommen, ebenfalls von einem Mann, der meinte, was Manga angeht, haben die zwei ja definitiv nicht recht, aber bei BL-Manga doch irgendwie schon.
Ohne dir zu nahe treten zu wollen, aber: Frag dich mal selbst, ob du über das Thema wirklich vorurteilsfrei reden kannst. Ich kann es jedenfalls selbst nicht. Ich kann mich nur dazu zwingen, zu versuchen, mich dem immer weiter anzunähern. Eigene Ideologien hinterfragen ist sehr schwierig, weil du diese selbst immer als etwas Natürliches empfindest.
> - Es gibt empirische Zahlen darüber, dass es ein deutliches Ungleichgewicht gibt, was männliche und weibliche Manga-Leser anbelangt. Mädchen bilden eine deutliche Mehrheit.
Gibt es die? Ich habe schon lange danach gesucht, und keine vertrauenswerten gefunden. Es gibt emprirische Daten zur Fanszene, aber kaum welche zur Käuferschaft. Das wird häufig durcheinandergewürfelt. Ich hab da mal mit dem Max Müller (damals noch bei Panini) drüber geredet, und der meinte, die Käuferschaft ist tatsächlich recht ausgeglichen. Es gibt einfach sehr viele Jungs, im Alter etwa 10-14, die Manga kaufen, in der Fanszene aber völlig unsichtbar sind. Da die Szene selbst deutlich weiblicher geprägt ist (etwa 70 zu 30, geht man nach Statistiken von beispielsweise Animexx), werden Jungs da auch weniger leicht Teil von. Wenn dann wieder man emprische Umfragen von den Hochschulen aus durchs Netz geistern, werden die wiederum innerhalb der Fanszene verbreitet, die dadurch nur wieder ihre weibliche Dominanz reproduziert, ohne dass es irgendeine tatsächliche Korrelation zur Käuferschaft geben muss. Und schwupps, schippert deine ach so unvoreingenommene Empirie meilenweit an den Tatsachen vorbei.
Die Annahme, Jungs hätten weniger häufig Manga gelesen als Mädchen, ist tatsächlich totaler Quatsch. Was stimmt, ist, dass Mädchen ihre zeichnerische Sozialisation sehr viel eher durch die weiblich geprägte Fanszene nehmen. Aber das ist eben auch nur ein Teil der Wahrheit, wie die Reaktionen auf das dämliche Asterix-Beispiel hier ja auch unterstreichen.
Solange Leute wie Schwartz und Lust also Manga-Werke nicht als indivivuelle Produktionen begreifen, und dann sagen: Bei dem Werk hat mir das nicht gefallen, oder: Die Zeichnerin arbeitet mir in der Hinsicht zu klischeehaft, sondern sich nur generalisierend an ihren Vorurteilen und gefühlten Empirien abarbeiten, sind solche Interviewaussagen für mich unter keinen Umständen in irgendeiner Form zu rechtfertigen.
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Ich denke diese Vorurteile bestehen also nicht nur bei den professionelleren Zeichnern und an Hochschulen oder in Studiengängen.
Allerdings stimmt es ja, dass wenn man vor ein Mangaregal tritt vor allem die knallbunten Shojo-Cover ins Auge springen, daher kann ich irgendwo auch verstehen, dass Leute die sich nicht auskennen erst einmal nur das sehen. Schade ist, dass Zeichner, die aus einer angrenzenden Szene kommen und sogar unterrichten sich nicht mehr informieren.
Und irgendwo muss ich Yeo leider auch rechtgeben, was das unkreative und schablonenhafte betrifft, das Thema hatten wir unter (weiblichen, größtenteils Manga-)Zeichnern neulich auch schon. Da kam der Punkt auf, dass zwar sehr gern auf das Optische geachtet wird, nicht so sehr aber auf den Erzählfluss. Da ging es nun aber konkret auch eher um Doujinshi, und nicht um Verlagszeichner. Und vor allem heißt das ja auch ganz und gar nicht, dass es gar keine guten Sachen gibt. :/ Zudem heißt es nichtt, dass es keine Luft nach oben gibt, so etwas ist ja alles zu lernen, auch im Mangabereich.
An dem Punkt find ich es übrigens schwierig. Ich finde es schade, dass viele Mangazeichner so blockiert werden, von Anfang an, denn jeder kann sich gut entwickeln, wenn da eine Chance gegeben wird. Andererseits kenne ich auch einige, die im Mangastil zeichnen und unglaublich kritikresistent sind. Wenn man dann mit Kritik zur Technik kommt, wird gern als Argument ins Feld geführt, dass das eben der Stil sei. Von dem Standpunkt aus gesehen kann ich auch irgendwo verstehen, dass die Szene vielleicht eingesteift wirkt. Leider stechen ja oft eher die Negativbeispiele heraus, das ist aber in jeder Szene so.
Und bevor ich nun einen Shitstorm ernte: Ich stimme diesem Blogeintrag auf jeden Fall grundlegend zu und ich bin durch die selbe Problematik gegangen, als ich noch eher im Mangastil gezeichnet habe. Es ist sehr schade. Und das, was Schwartz da erzählt, ist einmal kompletter Blödsinn, da ich genügend weibliche Zeichner kenne die Comics geliebt haben und selbst mit Asterix und Batman aufgewachsen bin... :'D Und durch den Zeichnertisch kenne ich genug interessante Zeichnerinnen, die sich ganz und gar nicht nach irgendwelchen "Ikonen" richten. Vor allem bei Fortgeschrittenen Zeichnern verändert sich der Stil dann ja auch oft weg von dem Vorbild, welches man einmal anstreben wollte.
Edit: Allerdings hört man von der Mangaszene umgekehrt genau das gleiche. Dass Comiczeichnungen mit wenig ausdruck arbeiten, allesamt dem gleichen Stil nachgehen und so weiter. Also, es gibt in jeder Szene Idioten, die sich für etwas besseres halten, denke ich mal. :/
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Genau das ist glaub ich auch ein Problem. Es ist ja in Ordnung zu sagen "Moment mal, so wie die das ausdrücken stimmt es aber auch nicht!", aber irgendwie sollte man ja schon beluchten, dass trotz der etwas abgehobenen Ausdrucksweise ein Körnchen Wahrheit dort verborgen liegt. >_< Da muss man eben aufpassen, dass man jetzt nicht wieder zu wütend reagiert und die Mauer noch höher gebaut wird, wie es ja leider oft der Fall ist, bei solchen... "Meinungsverschiedenheiten".
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Auf alles kann ich jetzt aus Zeitgründen nicht eingehen, aber zunächst mal hast du natürlich Recht, dass auch ich absolut nicht offen und gleichzeitig nüchtern über das Thema sprechen könnte. Tatsächlich ist es so, dass ich recht viel Kritik mit mir rumschleppe. Kritik an bestimmten Erscheinungen innerhalb der Szene, Kritik an manchem Publikationen usw. Doch aufgrund meiner Stellung innerhalb der Community und dem Bewusstsein darüber, wie schnell sich eine Aussage zum Bumerang verwandeln kann, behalt ich derartig potenziell prekären Äußerungen lieber für mich. Und ich glaube, das ist der Kernpunkt, auf den die Diskussion hier und viele andere ähnliche Diskussionen in der deutschen Foren-Landschaft hinauslaufen: Die Frage, wo man etwas für sich behält, weil es vielleicht zu emotional geladen ist.
Und die beiden Interviews hatten diese Ladung in verschiedenen Schärfegraden sicherlich.
Doch wie gesagt: Bei Ulli Lust fand ich persönlich das Ganze weniger problematisch und würde mich auch davon distanieren, eine ausführliche Textanalyse zu bemühen. Mag sein, dass unter bestimmten Gesichtspunkt ihre Syntax einen mehr oder weniger offensichtlichen Comic-Faschismus birgt, aber im Zweifelsfall würde ich hier von der öffentlichen Hinrichtung absehen wollen, weil ihre Aussagen vielleicht auch einfach nur etwas zu unglücklich gewählt sind.
Und es mag auch stimmen, was du über Durchschnitte sagst, aber der Normalbüger denkt nun mal nicht so ausführlich über alle Facetten und Risiken des Begriffs nach. Wenn in meiner Lesart Frau Lust Durchschnitte anspricht (die zumindest ich wiederum rauslese), fühlt sich das nicht so schlimm an wie wenn du darin Aussagen über einen Durchschnitt siehst.
Denn wie gesagt: Man kann davon ausgehen, dass Frau Lust einfach nicht genügend Manga-Leseerfahrung sammeln konnte und daher einfach nur stichprobenarig Pech hatte, wenn sie sich doch mal mit der Materie befasst hat. Denn wenn man stichprobenartig in die Manga-Regale greift oder die Animexx-Dojinshi-Rubrik reinliest, dann stehen die Chancen nun mal recht hoch, dass man nicht das Ei des Kolumbus findet. Das "richtig Geile" halt.
Diese Problematik gilt natürlich in ähnlichen Verhältnissen für so ziemlich alle Medien, alle subkulturellen Erzeugnisse usw.
Ich hab z.B. so gut wie immer Pech, wenn ich mir mal blind einen Superhelden-Comic kaufe, weil das zu etwa 80 % - nach meinen Qualitätskriterien bemessen - infantiler Quark is.
Wenn man also Frau Lust in dem Fall was vorwerfen kann, dann dass sie sich nich klarer ausgedrückt hat und es daher überhaupt zu diesen Diskussionen kommen konnte.
Ihr aufgrund mangelnder Kenntnis des Themas komplett die öffentliche Meinung darüber zu verbieten, wäre eben auch nicht richtig. Ferner liegt es hier im Aufgabenbereich des Lesers sozusagen on the fly ihre Aussage einzuordnen und zu erkennen, dass sie nicht allzu ernst zu nehmen ist, da ihr eben die Expertise fehlt.
Marusha dürften ja die meisten auch nicht automatisch komplett für voll nehmen, wenn sie von Politik redet.
Bei Herrn Schwarz hingegen ist Hopfen und Malz verloren, was eine Diskussionsgrundlage anbelangt. So etwas sollte man einfach nicht sagen in der Position, in der er sich befindet.
Und hier ist eben der feine Unterschied zu Frau Lust (den zumindest ich herauslese), dass er von vornherein eine totalitäre Aussage macht und das dreifach unterstreicht. Wo ich zumindest bei Frau Lust noch Unkenntnis aufgrund mangelnder Leseerfahrung herauslesen kann (oder will?), erkenne ich bei Herrn Schwarz mangelnde Leseerfahrung und die Anmaßung trotz dieser bewusst beleidigende, allgemein gültige Aussagen zu machen, die weit jenseits seines Horizonts liegen. Und das ist natürlich Mist.
Ach, das geht schon wieder alles sehr weit hier.
Aber gut, dass wir drüber geredet haben.
Nur frag ich mich trotzdem, ob diese Diskussion hier im Gesamtkontext der deutschen Comiclandschaft nicht besser aufgehoben wäre.
> Tatsächlich ist es so, dass ich recht viel Kritik mit mir rumschleppe. Kritik an bestimmten Erscheinungen innerhalb der Szene, Kritik an manchem Publikationen usw. Doch aufgrund meiner Stellung innerhalb der Community und dem Bewusstsein darüber, wie schnell sich eine Aussage zum Bumerang verwandeln kann, behalt ich derartig potenziell prekären Äußerungen lieber für mich.
Ja, das ist natürlich ein großes Problem in einer eher kleinen Szene, wo jeder irgendwie jeden kennt, besonders, wenn man versucht, sowohl als Autor wie auch journalistisch mit Comics zu arbeiten. Entweder verrätst du dein Gewissen, wenn du bei offensichtlichen Problemen brav die Klappe hältst, oder du riskierst Konflikte mit potentiellen Arbeitgebern. Da gibt es sicherlich keine goldene Mitte. Meine persönliche Strategie ist:
- Versuchen, nachvollziehbar zu argumentieren.
- Versuchen, nicht persönlich zu werden.
Das garantiert natürlich nicht, dass Leute es nicht trotzdem persönlich nehmen, aber irgendwie erwarte ich von professionellen Szeneinstanzen auch, damit umgehen zu können. (Ich weiß, oft erwarte ich da zu viel.)
Wie gesagt, ich habe auch kein persönliches Problem mit Simon Schwartz und Ulli Lust. Ich kenne die ja gar nicht und so will ich das hier auch nicht verstanden wissen. Ich kritisiere nur ihre Aussagen, nicht sie selbst als Person.
Andererseits finde ich es bei solchen Themen weitaus problematischer, nichts dazu zu sagen, weil hier einfach tiefgreifende Ungleichheiten und diskriminierende Strukturen am Werk sind, die nicht einfach von selbst weggehen, wenn man nur dazu schweigt. Ich krieg ja durchaus auch privat Feedback, unter anderem auch von Leuten aus dem Comic-Manifest-Umfeld. Die stimmen mir natürlich nicht uneingeschränkt zu, aber selbst wenn sich bei denen im Hinterkopf festsetzt, dass es hier im Hinblick auf die Wahrnehmung von Manga Probleme gibt, ist das ja schon ein Schritt in die richtige Richtung. Vorher wären sie wohl einfach gar nicht auf die Idee gekommen, das auch mal aus der Richtung zu betrachten.
Schweigen ist nie der richtige Weg, wenn man will, dass sich prinzipiell etwas verbessert - höchstens, wenn man will, dass sich für einen selbst etwas verbessert (was natürlich auch absolut legitim ist). In dem Sinne würde ich mich wirklich freuen, wenn auch aus Manga-Kreisen mal mehr Leute ihre Meinung dazu sagen, um einfach die Diversität der Ansichten zu erhöhen. Ich hab ja nun wirklich nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen und bin auch ganz sicher nicht repräsentativ für die Szene, allein schon augfrund meines Genders.
> Doch wie gesagt: Bei Ulli Lust fand ich persönlich das Ganze weniger problematisch und würde mich auch davon distanieren, eine ausführliche Textanalyse zu bemühen. Mag sein, dass unter bestimmten Gesichtspunkt ihre Syntax einen mehr oder weniger offensichtlichen Comic-Faschismus birgt, aber im Zweifelsfall würde ich hier von der öffentlichen Hinrichtung absehen wollen, weil ihre Aussagen vielleicht auch einfach nur etwas zu unglücklich gewählt sind.
Gut, das mit dem Comic-Faschismus hätt ich jetzt so nicht gesagt. XD Godwins Law und so.
Der Punkt für mich ist, dass ich dir in deiner Einschätzung von Ulli als Person höchstwahrscheinlich weitestgehend zustimmen würde (zumindest kann ich dir da nicht widersprechen; ich kenne sie ja einfach nicht). Das Problem entsteht, dass sie solche Interviews ja auch in einer gewissen Funktion gibt - als international preisgekrönte Comic-Autorin, als eines der Aushängeschilder der deutschen Comic-Landschaft, als Feuilleton-Liebling, als Comic-Dozentin, als Stimme des Comic-Manifestes. Das sind ja alles Punkte, die im Interview auch thematisert werden und daher auch ihne Manga-Aussagen kontextualisieren.
Und mit diesem Rattenschwanz an Aufladungen wird so ein Statement eben mehr als die Privatmeinung einer Privatperson, unabhängig davon, ob sie das so gemeint hat oder nicht. Und das alles potenziert eben auch das Gewicht solcher Aussagen. Darum kritisiere ich diese Aussagen ja auch nicht gemessen an ihr als Privatperson, sondern gemessen an ihrer Funktion. Dasselbe auch bei Simon Schwartz, der ihr in dieser Hinsicht ja nicht weit hintenan steht (deswegen ja auch der Einleitungsteil in dem Artikel). Und in diesem Kontext sind beide Interviews einfach hochgradig problematisch.
> Diese Problematik gilt natürlich in ähnlichen Verhältnissen für so ziemlich alle Medien, alle subkulturellen Erzeugnisse usw.
> Ich hab z.B. so gut wie immer Pech, wenn ich mir mal blind einen Superhelden-Comic kaufe, weil das zu etwa 80 % - nach meinen Qualitätskriterien bemessen - infantiler Quark is.
Da hätte ich dir zum Beispiel vor ein paar Jahren auch noch zugestimmt, bis ich mich mal näher damit beschäftigt habe und ein paar wirklich tolle Titel entdeckt habe. Das Unterschied ist aber auch: Wenn wir privat Superhelden-Comics allgemein doof finden, ist das eine Sache. Wenn wir jetzt total wichtige Menschen wären und das öffentlich so als Tatsache hinstellen würden, wäre das wieder was ganz anderes.
> Wenn man also Frau Lust in dem Fall was vorwerfen kann, dann dass sie sich nich klarer ausgedrückt hat und es daher überhaupt zu diesen Diskussionen kommen konnte. Ihr aufgrund mangelnder Kenntnis des Themas komplett die öffentliche Meinung darüber zu verbieten, wäre eben auch nicht richtig.
Jein. Solange sie das klar als ihre Privatmeinung markiert, kann sie gerne zu allem ihre Meinung sagen. Sobald sie aber (auch unbewusst) aus ihrer Funktion heraus spricht und dann anfängt zu generalisieren, sollte sie sich solche Aussagen besser verkneifen. Wenn beide Sachen zu verwischen drohen, wäre as auch am Interviewer, da durch Nachfragen Klarheit zu schaffen. Die Rolle des Interviewers bei solchen Problemen darf man ja auch nicht unterschätzen. Das war hier zum Beispiel bei beiden Interviews dieselbe Person.
> Ferner liegt es hier im Aufgabenbereich des Lesers sozusagen on the fly ihre Aussage einzuordnen und zu erkennen, dass sie nicht allzu ernst zu nehmen ist, da ihr eben die Expertise fehlt.
Um das festzustellen, muss man diese Expertise aber selbst besitzen. Ich denke, die meisten Leute, die sich nicht allzu intensiv mit Manga auseinandergesetzt haben, würden das unhinterfragt so schlucken. Bedenke auch: Beide leiten ihre Aussagen aus ihrer Tätigkeit als Comic-Dozenten ab und stellen sich damit in der Wissenshierarchie über die meisten LeserInnen der Interviews. Das ist schon sehr deutlich ein Blick von oben, was eben auch den Status als Privatmeinung relativiert.
> Aber gut, dass wir drüber geredet haben.
Ich hoffe es! ^^
> Nur frag ich mich trotzdem, ob diese Diskussion hier im Gesamtkontext der deutschen Comiclandschaft nicht besser aufgehoben wäre.
Ich glaube, du unterschätzt ein bisschen meine Reichweite. ;)
Ich hab hier bisher laut Statistik 1325 unique visits. Die kamen nicht alle von Animexx.
+++DManga-Zirkel - Alle Infos rund um Manga aus dem deutschsprachigen Raum
Nebenbei: Wenn sie schlichtweg komplett Unrecht hätte, würde es nicht so weh tun und man würde sich nicht so sehr darüber aufregen ;-)
Nun, was soll man machen gegen die ganzen Vorurteile? Geile Manga!
Sehr interessantes Thema, obgleich ich mich in den letzten Jahren wenig damit auseinandergesetzt habe.
Knapp und bündig:
Ist es denn nicht so, dass man sich in den meisten Fällen an Vorbildern orientiert?
Der eine zeichnete in seiner Jugend Sailormoon nach, während der andere dasselbe bei Spiderman getan hat. Am Ende kommt dennoch Unterschiedliches bei raus. Eigene Stile entwickeln sich, ob stilisiert, oder weniger stilisiert.
Comics gibt es in tausend verschiedenen Abspaltungen und Stilen und Stil-Unterstilen. Die Manga-Stilistik ist lediglich eine dieser Abspaltungen, oder besser gesagt Unterteilungen. Während der eine also versucht Marvel nachzueifern mit Farbgebung, Linienführung und Darstellung, abstrahiert der andere bis hin zu Strichmännchen, die nur vage Formen aufweisen. Und dann gibt es wiederum jemanden, der es bevorzugt lange Beine und große Augen zu zeichnen.
Sowohl das Eine als auch das andere kann absolut hohl sein. Und ausgelutscht. Und langweilig. Weil langsam alles hohl, ausgelutscht und langweilig wird - ein Grund, warum ich nur noch selten zu begeistern bin. Ich erhebe die Manga-Richtung nicht höher als die westliche Richtung, denn im Grunde gefällt mir seit langem schon beides nicht mehr. Und wenn mir was gefällt, dann hat es in erster Linie was mit der Story zu tun, die für mich entsprechend hübsch verpackt ist. In einem Stil, der mir durchaus gefällt, aber den ich dennoch als nichts Besonderes empfinde.
Lange Rede, kurzer Sinn:
Wann hören die Leute endlich auf zu vergleichen?
Denn wenn man die Scheiße hin und her schiebt, kann man damit enden, dass genau der Teil der Scheiße, den man von sich wegschieben wollte, wieder vor seiner eigenen Haustür landet.
Denn nur weil ich kaum Comics gelesen habe, werfe ich sie nicht gleich alle in einen Topf mit der Aufschrift: "Alles derselbe inzwischen nicht mehr kreative Mist"
Aber auch an ihnen sind immer ein Funken Wahrheit.
Mir ist auch schon oft aufgefallen, dass viel, vor allem Mädchen Manga häufig den gleichen Story- Ablauf haben. Ich bin sehr wählerisch, was Manga angeht.
Er muss wirklich sehr gut sein, um mich zu überzeugen.
Leider sieht der deutsche Mark nicht so gut aus... Da ist es kein wunder,
dass Vorurteile entstehen. oAO
Aber dass das so stimmt was Kritiker so behaupten, kann ich nicht sagen.
Es kann stereotypisch sein, aber auch überhaupt nicht.
Kommt auf den Zeichner an und auf das Publikum.
Aber ich kann sagen, ich stehe nicht auf Gewöhnlich und wenn man sucht findet man auch sehr gute Mangas und Doujinshi mit gutem Aussehen und guter individueller Story!!!
Das ist nur meine eigene Meinung, aber manche Kommentare sollten sich Leute wirklich verkneifen. Ich hoffe wenn unsere Generation erst einmal in dieser Mittelstufe ist, dass sich vieles etabliert hat und wir dann auch vielleicht etwas verständnisvoller mit der nächsten jüngeren Generation umgehen, weil wir genauso miterlebt haben, was es heißt als ganze Szene/Kultur herabgewürdigt zu werden. Ich denke viele Comicfans haben das genauso, aber sie bringen es einfach nicht mit den momentanen Umständen in Verbindung :/ manche vielleicht, aber leider nicht der Großteil. Bleibt nur auf die Zukunft zu hoffen.
Wer nur seine Schwächen sieht verliert schnell den Mut. Wer seine Grenzen sieht und nicht an Fortschritte glaubt geht unter. Geh Schritt für Schritt vorwärts, in vertrauen auf dein Talent...
Auch im Comic kann man die Individualität des Künstlers und die von Dir beschriebenen Eigenschaften sehen.
Dass viele Kunstschulen das nicht tun, da widerspreche ich Dir hingegen nicht.