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Solange ich atme, hoffe ich Dir en grey, Dum Spiro Spero, Review, Rezension

Autor:  Chrolo
 
REVIEW zu Dir en grey – Dum spiro spero

 
Nach längerer Zeit gibt es jetzt mal wieder ein Album-Review von mir. Bekanntlicherweise mache ich mir solch eine Mühe ja nur wenn mich ein Album ziemlich begeistert und das ist auch diesmal absolut der Fall. Speziell weil mit Ausnahme von Para:Noir schon lange keine japanische Band mehr ein Album auf den Markt gebracht hat, was mich wirklich vom Hocker gehauen hat. Im Gegensatz zum Debut-Album von Para:Noir haben Dir En Grey mit ihrem achten Longplayer aber ein Meisterwerk geschaffen, wo sich die Songs nicht schon nach mehrmaligem Hören abnutzen.
Nachdem der Vorgänger Uroboros 2008 bei mir wie eine Wolke vorbeigezogen ist und stattdessen eher Marrow of the Bone nachträglich zu gefallen wusste (anfangs konnte ich mich mit Kyos Gekreische überhaupt nicht anfreunden), haben sich Diru diesmal wesentlich mehr Zeit gelassen und man merkte schon an den Single-Auskopplungen, dass sich das gelohnt hat. Immerhin hatte ich ‚Hageshisa to kono mune…‘ und ‚Different sense‘ zu den beiden besten Dir En Grey-Songs gekührt, die ich je gehört habe. Daher war die Vorfreude auf Dum spiro spero (schon der Titel „Solange ich atme, hoffe ich“ ist klasse) enorm groß.
Beim Reinhören habe ich dann aber sofort gemerkt, dass dieses Album schwierig zu bewerten wird, da die Progressivität der meisten Songs noch höher als die der Singles ist und kaum ein Song mit einem einprägsamen Chorus gespickt ist; Eingängigkeit sucht man auf diesem Album verglichen zu den bisherigen Werken vergebens. Stattdessen wirken die Songs eher wie mehrere ineinander übergehende Episoden, teilweise wie wachsende Geschichten; ein Spiel aus düsteren Emotionen. Aber ein sehr unterhaltsames und vor allem qualitativ würde ich es in allen Bereichen „Outstanding“ nennen – ähnlich genial finde ich diesbezüglich eigentlich nur DespairsRay‘s [Coll:Set].
Während Despa nun wesentlich mehr Eingängigkeit in ihren Songs hatten, bestechen Dir En Grey mit einer Stimmgewalt Kyos die seinesgleichen sucht. Der kleine Giftzwerg kreischt, growlt, gruntet, squeelt, shoutet UND singt – tief, hoch, irgendwo dazwischen und teilweise sogar mit Kopfstimme -> und egal was er tut, er macht es verdammt gut. Parallel dazu überzeugen auch all seine Bandmitglieder mehr denn je als Virtuosen an ihren Instrumenten und auch die oft benutzten synthetischen Soundeffekte, die hauptsächlich für eine ziemlich doomige Atmosphäre sorgen, werden exzellent eingesetzt.
Und während ich bisherige Reviews eher etwas überhastet geschrieben habe, kann ich diesmal behaupten, dass ich mich mit dem Album sehr intensiv beschäftigt habe – ich versuche es mal trotz der fehlenden Eingängigkeit Track für Track durch zu gehen:
 
Ich persönlich fand den Einstieg mit dem rauschenden und knacksendem Intro und dem folgenden ‚The blossoming Beelzebub‘, welches sich acht Minuten lang ohne Hookline in einem eher trägen Tempo hinzieht, ziemlich schwer. Während ich in einer offiziellen Rezension gelesen habe, dass gerade die ersten drei Tracks (das Intro mitgezählt) alles bisherige Dir En Grey-Material wegfegen würden, beginnt das Album für mich erst ab ‚Different sense‘ so richtig, da ich zu ‚The blossoming Beelzebub‘ auch nach mehrmaligem Hören keinen richtigen Zugang gefunden habe.

Während ‚Different sense‘ für mich das Paradebeispiel eines perfekten Diru-Songs bleibt und sogar mit einem im Ohr bleibenden, clean gesungenem Chorus glänzt, war ‚Amon‘ der erste für mich neue Song, der es mir richtig angetan hat. Vor allem die Bassline treibt diesen Song unaufhörlich vorwärts und macht ihn zu einem wirklichen Opening. Auch die genau wie der Bass sehr tief eingestellten Gitarren prägen den neuen noch düsteren Dir En Grey-Sound ungemein.

Yokusou ni Dreambox‘ ist danach der „psychotischste“ Song auf dem Album; Kyo singt hier über einen längeren Zeitraum so hoch, dass es sich fast wie Kopfstimme anhört und kann dabei doch überzeugen, weil der Song eine absolut stimmige und eigene „Geisterhaus-Atmosphäre“ kreirt, ehe er sich im Mittelteil in ein Metalkonzert mit vielen Tempowechseln verwandelt. Auf jeden Fall Gänsehaut-Faktor der etwas anderen Art.

Juuyoku‘ kommt danach richtig rotzig rüber und besticht vor allem durch die geshouteten Growls und das satte Tempo, welches sich durch den ganzen Song zieht. Ein wenig mehr Eingängigkeit könnte dem Song zwar nicht schaden, aber gerade als er etwas zu belanglos werden zu scheint, setzt ein fantastisches kurzes Gitarrensolo mit folgendem gesanglichen Höhepunkt ein, welches dem Song eine ganz eigene Note gibt.

Shitataru mourou‘ ist einer meiner Favoriten auf dem neuen Album; nicht nur weil Kyos etwas tieferer Gesang genau meinen Nerv trifft, sondern vor allem weil die Hookline mit dem Wechselspiel aus tiefen Growls und klarem Gesang mehr als nur überzeugt und sich festsetzen kann. Bildlich gesehen bewegt sich der Song für mich nach einer rasanten Achterbahnfahrt (‚Juuyoku‘) tief unter der Erde und Diru ziehen erst mit dem folgenden ‚Lotus‘ wieder langsam ans Tageslicht. Die erste Single-Auskopplung ist ein solider Song, sorgt bei mir aber nie für einen „Aha-Moment“ bzw. den Drang den Finger zur Replay-Taste zu führen.

Spätestens jetzt hätte ich eigentlich eine hauchzarte Ballade erwartet, stattdessen folgt aber ein weiterer langer und ziemlich vertrackter Akt, der dem Intro in Langatmigkeit Konkurrenz macht. Beim ersten Hören habe ich ‚Diabolos‘ tatsächlich als Ballade gebrandmarkt, da es insgesamt der bisher ruhigste Song ist – allerdings kommt die wirkliche Ballade mit ‚Vanitas’ dann später doch noch. Zu ‚Diabolos‘ lässt sich abschließend sagen, dass er mir etwas besser als ‚The blossoming Beelzebub‘ gefällt, aber ebenfalls etwas in seiner Progressivität erstickt.

Akatsuki‘ lebt von seinem exotischen Refrain, wo Kyo wieder seine Kopfstimme auspackt (nur dem Klang nach, ich denke in Wirklichkeit ist es zu keinem Zeitpunkt eine) und ist auch insgesamt ein sehr exotischer, nicht uninteressanter Song, der etwas weniger metallastig ist, ehe ‚Decayed crow‘ dann wieder volles Rohr lospustet. Neben ‚Juuyoku‘ der aggressivste und schnellste Song und ebenso mit einer Prise klarer solotypischer Gitarrenspuren am Ende. Ich glaube es ist auch der einzige Song, der komplett auf cleanen Gesang verzichtet (den ersten Bonus-Track mal weg gelassen).

Dann folgt nach dem bereits bekannten ‚Hageshisa to kono mune…‘ (nach wie vor einer meiner Favoriten und einer der ausgeglichensten Dir En Grey-Songs, besticht genau wie ‚Different sense‘ mit einem eingängigem Chorus) die erwähnte Ballade, welche allerdings nicht auf die Tränendrüse drückt, sondern von einer recht verträumten Melodie getragen wird. Erinnert mich diesbezüglich etwas an Despas ‚Abyss‘ und schafft es leider auch etwas ohne direkte emotionale Einstiche an mir vorbei zu ziehen.

Als Rausreißer fungiert dann ‚Ruten no Tou‘, welcher mich zeitweise irgendwie etwas an die alten Dir En Grey erinnert, zumindest wäre der Song auf Uroboros oder gar vorher nicht unbedingt durch starke Abweichungen vom Schema oder Sound aufgefallen. Insgesamt auch ein solider Song.

Schon ohne die beiden Bonus-Tracks ein gelungenes Album, setzen Diru in ihrer Deluxe-Version nun allerdings so richtig einen drauf. Das Remake von ‚Rasetsukoku‘ aus alten Macabre-Zeiten kann sich wirklich sehen lassen und zieht eine für mich fast etwas verwundernswerte Verbindung zu den ganz alten Dir En Grey, da der Song im Vergleich zu den ganz neuen Songs absolut nicht unstimmig klingt; allerdings ist er weniger komplex und wird vordergründig von den unscharf klingenden Growls bestimmt wird – in den neuen Songs wird selten ein Song so durchgehend von einer Gesangsart dominiert, auch das immer wiederkehrende Gitarrenriff fällt da schon etwas auf.

Das worauf ich in dieser Review am meisten warte ist aber der Schlusspunkt – die Symphonic-Version von ‚Amon‘, welcher mich ja so schon absolut überzeugt hat; wo ich mit den beiden aktuellen Single-Auskopplungen und ‚Shitataru mourou‘ schon drei Songs hatte, die Dir En Grey für mich auf ein komplett neues Level gehoben haben, ist dieses Meisterwerk mit den beachtenswert genial eingesetzten symphonischen Klängen noch einen Deut spezieller, noch ein bisschen ultimativer… der treibende Kern des Songs bleibt absolut erhalten, die Power wird sogar noch gesteigert und gleichzeitig ist es ein einzigartiges Klangerlebnis, welches sämtliche Seiten von Dir En Grey inklusive einer ganz neuen zeigt, ohne zu irgendeinem Zeitpunkt überladen oder gar sperrig zu wirken. TOP!
 
Bisher waren Diru für mich eine gute Band, die ich trotz vieler cooler Songs ziemlich selten gehört habe, aber auf Dum spiro spero haben sie (musikalisch gesehen) die fehlende Eingängigkeit in eine Weiterentwicklung umgemünzt und eine Atmosphäre geschaffen, die mich echt fesselt. Während ich von einigen anderen schon gehört habe, dass sie mit dem neuen Sound nicht allzu gut klar kommen und sich die alten Dir En Grey aus Vulgar- oder Withering to death-Zeiten zurückwünschen, begrüße ich die Veränderung absolut, gerade weil das ganze Visual Kei-Genre sich zurzeit eher in Richtung „innovationsloser Einheitsbrei“ bewegt und endlich mal wieder eine japanische Metal-Band ein Ausrufezeichen zu setzen vermag (ich weiß, dass Diru längst kein VK mehr sind, aber soundtechnisch bewegt sich das VK-Genre ja in der Praxis sehr stark im Rock/Electro/Metal-Bereich, wo Diru nach wie vor auch zu Hause sind).
Auf jeden Fall eine absolute Empfehlung für Freunde von japanischer Musik und progressivem Metal. Aber Vorsicht, man muss sich in einige Songs erstmal reinfinden ;)
 
Bewertung: 18/20 Punkte

Favoriten: Amon (Symphonic Version), Different sense, Hageshisa to kono mune…, Shitataru mourou, Yokusou ni Dreambox…, Juuyoku, Amon

Anmerkung: Meine Reviews beziehen sich nicht auf die Lyrics, sondern nur auf das Songwriting bzw. das musikalische Moment ;)
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Datum: 19.09.2011 21:02
Schade, dass du nicht hast zum Konzert überreden lassen ;)
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Datum: 19.09.2011 21:10
Ja das stimmt ^^"
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