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Wegen eines Bissen Brotes Literatur, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

In seinem autobiografischen Werk beschreibt Elie Wiesel, wie er am Ende des Zweiten Weltkrieges mit hundert anderen Juden in einem Güterwaggon von einem Konzentrationslager in ein anderes verfrachtet wurde.

Wir erhielten keinen Proviant. Statt von Brot lebten wir von Schnee. Die Tage glichen den Nächten, und die Nächte ließen in unseren Seelen die Hefe ihrer Finsternis zurück. Der Zug fuhr langsam, hielt oft einige Stunden und fuhr dann weiter. Es schneite ununterbrochen. Tage und Nächte hindurch hockten wir wortlos aufeinander. Wir waren nur noch ausgekühlte Körper. Mit geschlossenen Lidern warteten wir nur auf den nächsten Halt, um unsere Toten ausladen zu können.

Zehn Tage, zehn Nächte Reise. Manchmal, meist morgens, fuhren wir durch deutsche Ortschaften. Arbeiter blieben auf dem Weg zur Arbeit stehen und blickten uns kaum verwundert nach.
Als wir einmal anhielten, zog ein Arbeiter ein Stück Brot aus seinem Brotbeutel und warf es in einen Wagen, was einen Aufruhr verursachte. Dutzende von Ausgehungerten brachten sich gegenseitig für ein paar Krumen um. Gebannt schauten die deutschen Arbeiter diesem Schauspiel zu.

In dem Viehwagen, in den das Stück Brot gefallen war, entstand eine wahre Schlacht. Man stürzte aufeinander los, trat, zerfleischte und zerbiss sich gegenseitig - entfesselte Raubtiere mit hassverzerrtem Blick, denen eine plötzliche, ungewöhnliche Lebenskraft Zähne und Klauen gewetzt hatte.
Eine Schar von Arbeitern und Gaffern lief am Zug zusammen. Vermutlich hatten sie noch nie einen derartigen Güterzug gesehen. Bald flogen an vielen Stellen Brotstücke in die Waggons, und die Zuschauer schauten den ausgemergelten Gestalten zu, die wegen eines Bissen Brotes einander den Garaus machten.

Jahre später wohnte ich in Aden einem ähnlichen Schauspiel bei. Die Passagiere unseres Schiffes belustigten sich damit, den "Eingeborenen" Münzen ins Wasser zu werfen, nach denen diese tauchten. Eine aristokratisch aussehende Pariserin empfand besonderes Vergnügen bei diesem Spiel. Plötzlich sah ich zwei Kinder, die sich auf Leben und Tod balgten, wobei das eine das andere zu erdrosseln suchte.
"Ich flehe Sie an, gnädige Frau, werfen Sie keine Münzen mehr hinunter!", bat ich die Dame.
"Warum denn nicht?", antwortete sie. "Ich tue gern Gutes."

"Die Nacht" von Elie Wiesel

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Datum: 11.07.2019 17:58
Gewaltig. Vernichtend. Und sehr nah. Ich habe mal beim Zeitzeugenbericht von Hermann Zimmermann, einem KZ-Überlebenden gesessen und gelauscht. Ich war echt fertig danach. Der Text erinnert mich daran und auch, wie unüberlegt, dumm und grausam die Welt sein kann.
Be unique.
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Datum: 11.07.2019 20:19
Gänsehaut und Tränen.
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Datum: 12.07.2019 07:22
Ich empfehle den ersten Band seiner Autobiografie: "Alle Flüsse fließen ins Meer"
[[🐄]] Lies meinen Finanzblog https://www.animexx.de/weblog/442279/813106/ denn Twixer empfieht: "uninteressante blogs vom selben Autor, ohne nennenswerten Mehrwert für irgendwen".


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