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LBM 2015: Interview mit Takeshi Obata Leipziger Buchmesse 2015, Death Note, Takeshi Obata, Bakuman, All you need is kill, Bericht, Death Note

Autor:  halfJack

Letzten Samstag, am 14. 03. 2015, kam Takeshi Obata, der Zeichner von Death Note, Hikaru no Go, Blue Dragon RalΩGrad, Bakuman und der Mangaadaption zu All you need is kill auf Einladung nach Deutschland, um auf der Leipziger Buchmesse ein Interview zu geben, live zu zeichnen und zu signieren.
Bislang konnte ich im Internet nicht mal eine Zusammenfassung dieses Interviews finden, wäre also sehr dankbar für Links oder Ergänzungen, weil ich selbst nicht alles gehört und natürlich einiges vergessen habe. Unterdessen werde ich versuchen, so viel wie möglich von dem Interview wiederzugeben. In Klammern schreibe ich meine eigenen Ergänzungen. Die Reihenfolge ist an ein paar Stellen vermutlich anders gewesen.

Während der Unterhaltung zeichnete Obata-sensei, wie sollte es auch anders sein, einen L für seine Fans, der überraschenderweise sogar eine Haribo-Tüte in der Hand hielt und sich gerade etwas davon in den Mund steckte. Für L habe sich Obata-sensei entschieden, weil das von all seinen Figuren sein persönlicher Favorit wäre. Es sei sicherlich nicht undenkbar, meinte er, nachdem gerade der Schriftzug auf der Verpackung erkennbar wurde, dass L auch Süßigkeiten von Haribo essen würde. (Die Marke gibt es in Japan durchaus, allerdings nicht in allen, sondern mitunter nur in speziellen Geschäften; allerdings sind die Tüten dort im Vergleich zu unseren oft nur halb so groß und doppelt so teuer.)

Es war das erste Mal, dass Obata-sensei überhaupt nach Deutschland reiste. Sein erster Eindruck, als er aus dem Flieger stieg, war "kalt". (Das Klima in Japan, zumindest auf der Hauptinsel Honshu, unterscheidet sich zwar nicht stark von unserem, doch besonders jetzt zur Kirschblütenschau ist es im Raum Tokyo/Yokohama oder Kyoto längst nicht mehr so kalt.) Die Interviewerin schlug ihm vor, er könne ja später mal im Sommer nach Deutschland kommen, und er antwortete, das würde er gern tun. Hoffen wir, dass es keine Höflichkeitsfloskel bleibt.
Vorher hatte Obata-sensei keine Vorstellung davon, wie gut seine Serien in Deutschland ankommen. (Das kann man wohl besonders auf Death Note beziehen angesichts der vielen Auflagen, unterschiedlichen Aufmachungen und Übersetzungen des Manga, der Ende des letzten Jahres erschienenen zwei Boxen des Anime und dem erstmals in Deutschland übersetzten und veröffentlichten Artbook Blanc et Noir. Aber auch der Go-Bereich, der ursprünglich durch Hikaru no Go ins Leben gerufen wurde, ist nach wie vor fester Bestandteil der LBM.)
Auf die Frage, ob Obata-sensei ein deutsches Lieblingsgericht habe oder ob es generell etwas gäbe, das er hier gern essen würde, antwortete er mit "Brot und Käse". (Wer Yakitate!! Japan kennt, weiß, dass Deutschland das Brotland Nummer 1 ist. Nirgendwo sonst gibt es so viele verschiedene Brotsorten.) Obata-sensei erklärte, er äße daheim gern Körnerbrot und ähnliches, aber das Angebot an Käse sei in Japan kaum ausgeprägt (häufig bekommt man dort in den Supermärkten nur Analogkäse). Daher fragte er in die Runde, ob man ihm Empfehlungen aussprechen könnte, und erhielt prompt die Zurufe "Gouda" und "Emmentaler". Er bedankte sich, diese Sorten würde er sich merken.

Danach folgten die üblichen Verdächtigen unter den Interviewfragen, also Informationen, die den meisten vermutlich bekannt sind. Schon sehr früh in der Schule habe Obata-sensei Skizzen in sein Notizbuch gemalt, bis er seine Kurzgeschichte 500 Kōnen no Shinwa bei Shueisha einschickte und damit den jährlichen Tezuka-Preis gewann. Seine großen Erfolge kamen jedoch erst, als er mit diversen Gensaku-sha zusammenzuarbeiten begann, also Autoren wie Tsugumi Ohba, die das Szenario schrieben und selbst nicht zeichneten. (Es scheint, als wäre Obata-sensei tatsächlich besser zum Zeichnen als zum Konzipieren von Geschichten geeignet; in einem anderen Interview gestand er einst, dass er nicht sonderlich einfallsreich sei und keine Ideen habe.) Zudem meinte er, wenn es sich ergäbe, würde er sich über eine nochmalige Zusammenarbeit mit Tsugumi Ohba sehr freuen.
Zumindest der Anfang seiner eigenen Geschichte erinnert an Saiko bzw. Moritaka Mashiro, den Zeichner des Manga-Duos aus Bakuman, und in der Tat gab Obata-sensei zu, dass gewisse Parallelen zwischen ihm und Saiko existierten; beide hätten einen eher ruhigen, größtenteils gelassenen Charakter.
Das sind nicht die einzigen Ähnlichkeiten. Die Interviewerin erkundigte sich, wie viel von Bakuman der Wirklichkeit entspräche oder wie ernst man diese Serie in Bezug auf ihren Wahrheitsgehalt nehmen könnte. Hierauf erklärte Obata-sensei, dass besonders der enorme Zeitdruck und Stress aus seiner eigenen Erfahrung stammten. So ginge es vielen Managaka und die Interviewerin fügte hinzu, dass Obata-sensei sogar jetzt bei seinem Aufenthalt in Deutschland seine Zeichenutensilien bei sich habe, um im Hotel an seiner aktuellen Serie zu arbeiten. Hierbei handelt es sich um Gakkyū Hōtei (School Investigation Court), worin es, soweit ich das mitbekommen habe, um einen Schüler geht, der quasi als Anwalt für seine Mitschüler agiert. Ähnlichkeiten zu erdachten Serien, die in Bakuman auftauchen, seien wohl rein zufällig. (Ich vermute, die Interviewerin sprach damit auf Magical Detective TRAP an.) Insgesamt sei Bakuman jedoch absolut realistisch, nicht nur in Hinsicht auf die ganzen Abläufe beim Shonen-Jump, sondern auch, was die einzelnen Redakteure anbelangt. Keiner der Namen wurde geändert. Der ebenfalls anwesende Redakteur von Obata-sensei fügte nur scherzend hinzu, dass sie alle im Manga wesentlich hübscher gezeichnet wurden, als sie tatsächlich aussehen. Ob es bei einem derartigen Eindringen in die Privatsphäre der Redaktion keine Bedenken oder Unbehagen gegeben habe, wollte die Interviewerin daraufhin wissen und erhielt die etwas zynische Antwort, die habe es schon gegeben, aber letztlich ginge es in erster Linie darum, ob sich die Serie gut verkauft.

Des Weiteren berichtete Obata-sensei von seinem Tagesablauf. Morgens würde er von seinem Stuhl aufwachen, zeichnen, frühstücken, zeichnen, den Rest des Tages zeichnen und abends irgendwann auf seinem Stuhl einschlafen. Grob war es das. Aufstehen würde er im Prinzip nur, um ins Bad zu gehen. Essen würde er bloß am Morgen, deshalb wäre er auch so dünn. Wie ernst man diese Aufzählung nehmen kann, bleibt jedem selbst überlassen, aber wir wissen immerhin alle, wie hart das Leben eines Mangaka ist, also wird es im Wesentlichen wahrscheinlich wirklich so sein. Sobald Obata-sensei quasi Urlaub oder Freizeit hat, würde er erst einmal ordentlich essen und ansonsten verschiedene Sportarten betreiben, um wieder in Bewegung zu kommen.

Die Interviewerin wollte wissen, ob es nach seinen vielen Erfolgen denn noch Ziele gab, die er anstrebte. Obata-sensei erklärte, er wolle im Zeichnen besser werden, zum Beispiel seine Fähigkeiten mit digitalen Medien steigern. Bei seiner aktuellen Serie habe er traditionell angefangen und würde derzeit digital weiterarbeiten. Außerdem zeichne er gern hübsche Menschen und bemühe sich stets, ihre Mimik ausdrucksstark darzustellen. (In einem anderen Interview hat er bereits erklärt, dass es ihm leichter fallen würde, älteren Personen mit ihren unterschiedlichen Gesichtsformen und Falten einen starken Ausdruck zu verleihen. Junge Personen hingegen haben kein so variables Gesicht, gerade Frauen würden bei ihm häufig einfach nur hübsch aussehen.) Je mehr er zeichnete, desto einheitlicher und ausdrucksloser würde die Mimik seiner Figuren werden; daran wolle er arbeiten.

In der Zwischenzeit war das Bild von L fertig – hockend, mit nackten Füßen, zerzausten Haaren, Süßigkeiten essend, eben genau, wie wir ihn kennen und lieben – und ein neues Portrait von Ryuk wurde begonnen.

Ein kurzer Abstecher zu All you need is kill erfolgte ebenfalls, dem Manga, der auf der gleichnamigen Novelle von Hiroshi Sakurazaka basiert, welche wiederum als Vorlage für den Film Edge of Tomorrow mit Tom Cruise in der Hauptrolle diente. Auf Nachfrage der Interviewerin meinte Obata-sensei, er habe sich für diese Adaption nicht mit dem Autor abgesprochen (was auch daran liegen könnte, dass Ryosuke Takeuchi für das Szenario verantwortlich war und Yoshitoshi ABe bereits die Novelle illustrierte). Eine Übertragung in ein anderes Medium, zum Beispiel vom Roman zum Manga, würde ganz neue Möglichkeiten mit sich bringen, die in der Regel nur dem Experten des jeweiligen Gebietes richtig vertraut sind. Deshalb hat man als Mangaka in solchen Fällen meistens freie Hand. Nach Bakuman, das eher einen comicartigen Stil hatte, wollte Obata-sensei jedenfalls wieder etwas Realistischeres zeichnen.

Zum Schluss fällt mir nur noch eine Sache ein, die in dem Interview angesprochen wurde. Obata-sensei konnte keinen einzelnen Zeichner benennen, der ihn in seiner Kindheit und Jugend beeinflusste oder prägte. Er las viele Manga und hat sich quasi von allem inspirieren lassen, das ihm gefiel, vor allem Sci-Fi interessierte ihn sehr. Es gab nun eine Serie, die er besonders mochte. Ich habe den Titel davon nicht mitbekommen oder wieder vergessen und wäre sehr froh, wenn sich jemand daran erinnert und es mir mitteilt. Darin soll es nämlich einen Charakter geben, der Nummer 4 (oder 5?) heißt und offenbar aus Deutschland stammt. Als sich der anwesende Redakteur plötzlich einschaltete und meinte, Obata-sensei hätte ihm gegenüber erst kürzlich zugegeben, dass L auf einer deutschen Figur basiert, da rückte dieser mit der Antwort heraus, dass es sich eben um den besagten Charakter aus seiner damaligen Lieblingsserie handelt. Der relativ emotionslose Gesichtsausdruck, die fehlenden Augenbrauen, die insgesamt stoische Art seien alles an dieser Figur orientierte Züge von L gewesen. Das habe er, so Obata-sensei, vorher noch nie erzählt (und er hätte es vermutlich auch nicht erzählt, hätte sich sein Redakteur nicht auf einmal zu Wort gemeldet).
Falls mir jemand mehr dazu sagen kann, wäre ich sehr dankbar.

Ansonsten war das soweit alles, woran ich mich erinnere. (Abgesehen von der grausigen Aussprache der Interviewerin, zum Beispiel "Obaaata" oder "Mangaaaka" – man sollte den Leuten mal erklären, dass Japaner selten wie wir die vorletzte Silbe betonen und dass es total bescheuert klingt, es doch zu tun.)
Ergänzungen und Korrekturen sind gern gesehen. Gleicher Bericht im Zirkel Perfect World.

 

Edit 1:

Bei der Serie handelt es sich vermutlich um Cyborg 009 von Shotaro Ishinomori.

Darin geht es um neun Menschen unterschiedlicher Nationalität, die von der Organisation Black Ghost entführt und bei Experimenten in Cyborgs verwandelt werden. Gemeinsam schaffen sie es, zu fliehen und fortan für ihre Freiheit zu kämpfen.

Nummer 4 (also Cyborg 004) ist der Deutsche Albert Heinrich. Sein kompletter Körper kann zu Waffen umfunktioniert werden. Von Black Ghost aufgegriffen wurde er, als er sich zur Zeit des Kalten Krieges mit seiner Freundin Hilda auf der Flucht nach Westdeutschland befand. Bei diesem Ereignis wird Hilda getötet, er selbst schwer verletzt. So jedenfalls ist es im Manga, wohingegen Hilda im Anime (Serie und Film) seine Co-Pilotin ist. In der Serie von 2001 entwickelt 004 nach seinem Erwachen starke suizidale Tendenzen, als Nebeneffekt der Modifikation, die ihn physisch und psychisch belastet. Charakterlich soll er nicht nur ähnlich stoisch wie L sein, sondern auch relativ skrupellos in der Wahl seiner Mittel. Seine äußerliche Schroffheit allerdings verbirgt tatsächlich eine eher milde und pazifistische Persönlichkeit.

 

Edit 2:

Danke an IiraEllaos für diese Informationen! Das hat mein Gedächtnis wieder aufgefrischt.

Es gibt noch weitere kleine Hinweise in Death Note, die auf Deutschland verweisen. Die Waffe, die L im Hubschrauber, kurz vor der Festsetzung von Higuchi, Light reichen möchte, ist eine Walther (wahrscheinlich P99), ein deutsches Fabrikat. (Natürlich lehnt Light ab, weil Waffen in Japan für Zivilisten normalerweise verboten sind.) Außerdem fährt Watari ein deutsches Auto, vermutlich eine Limousine alten Typs von Mercedes Benz. (Ich dachte immer, er fährt einen Rolls Royce bzw. Bentley, weil er Brite ist, wobei das Unternehmen ja ohnehin mittlerweile an die Volkswagen AG ging und seinen Namen an BMW verkauft hat, von daher wäre das auch wieder deutsch.)

Obata-sensei selbst fährt offenbar einen Volkswagen. Er hat sich schon länger gewünscht, mal nach Deutschland zu kommen (sonst hätte er sich diesen Stress neben seiner laufenden Serie vermutlich nicht angetan). Auf die Frage, was er sich hier gern mal anschauen würde, nannte er den Kölner Dom; er würde Dome und Kirchen mögen.

Zu Gakkyū Hōtei wurden einige Bilder vom Smartphone via Leinwand gezeigt. Der Redakteur meinte, dass er sich freuen würde, wenn Tokyopop die neue Serie in Deutschland herausbrächte, und die Interviewerin versicherte ihm, sie würden ihr Bestes tun. (Sollten sie Wort halten, würde ich mir das garantiert nicht entgehen lassen.)

Ach so, auf der Haribo-Tüte stand übrigens noch "XL für L". :D

 

Datum: 18.03.2015 16:45
Danke für diese schöne Zusammenfassung. Da ich selber nicht anwesend sein konnte ( und mich das unglaublich ärgert - immer noch xD ), ist es schön so etwas hier lesen zu können. Besonders die Fakten zu Bakuman finde ich gut
Datum: 18.03.2015 18:56
Vielen Dank für diesen Weblog! Ich bewundere Obata sehr und es freut mich, so viel lesen zu können :)
Datum: 19.03.2015 12:29
Hallo :)

Vielen Dank für diese schöne Zusammenfassung!

Was mir noch einfällt:
- auf der Haribo Tüte stand: "XL für L" (war ja eine Riesentüte Haribos XD)
- er selbst fährt einen Volkswagen
- er wurde gefragt, was er sich denn gerne mal in Deutschland anschauen würde, Antwort: Kölner Dom, er sagte, er mag Dome und Kirchen
- der Redakteur hat von seiner neuen Serie einige Bilder gezeigt
- der Redakteur hat auch gesagt, dass er sich freuen würde, wenn Tokyopop seinen neuen Manga in Deutschland rausbringen würde - Interviewerin daraufhin: "Wir werden unser Bestes geben!"

Von seinem Lieblingsmanga weiß ich den Titel leider auch nicht mehr, war irgendwas japanisches. Ich weiß noch, dass es ein Robotermanga ist und die Nr. 4, die einen Deutschen darstellt, ist ein Roboter mit vielen Waffen. Und natürlich hat er die von dir beschriebenen Charakterzüge, die L auch hat :)

Dann hat er noch einige Details aus Death Note erzählt, die seine Liebe zu Deutschland ausdrücken. Davon weiß ich noch, dass Watari eine deutsche Waffe hat, den Rest habe ich mir leider nicht gemerkt (irgendein deutsches Auto ist glaube ich noch vorgekommen).
Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass er Deutschland so mag und er, was er sich auch schon länger gewünscht hat, zu einem Besuch nach Deutschland kommen konnte.

Ich hätte es nur schöner gefunden, wenn das Motiv auf dem Shiskishi mehrere seiner Serien vereint hätte (besonders Hikaru no Go!). Aber man kann ja nicht alles haben. Ich bin so unendlich froh, dass Tokyopop ihn eingeladen hat und dieses Interview mit Live-Zeichnen möglich gemacht hat.
Das Shikishi werde ich mir auf jeden Fall einrahmen und aufhängen :D
Nobuhiro Watsuki kommt zur AnimagiC! Soooooooo genial! *freu freu*


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