
SPIEGEL-Redakteure im Chat: Protokoll
Den vollständigen Text des Chats, der auch einen Einblick in journalistische Verfahrensweisen liefert, gibt es im Anhang.
(Anmerkung: An einigen Stellen wurden mehrere Frage-Antwort-Paare zusammengestellt, die zu einem gemeinsamen Thema gehören. Bei jeder Frage steht aber nach wie vor die zugehörige Antwort, es gibt keine Weglassungen oder Änderungen bei Text oder Rechtschreibung.)
DocSleeve: Die Manga-Vereine Animexx e.V. und Anime no Tomodachi sind selbst im Medienbereich aktiv. Warum keine Kontaktaufnahme, statt dessen ungeprüftes US-Material?
Kulturspiegel: Leider war unser Archivmaterial fehlerhaft. Das ist sehr bedauerlich. Soll nicht wieder vorkommen.+
Utopia: hi. ich hab eine frage wegen ihrer recherche. stimmt es, dass sie das interview mit den beiden mädchen einen tag vor dem abgabetermin ihres artikels geführt haben?
Kulturspiegel: Es waren zwei Tage, aber wir kennen die Mädchen schon länger. Und wir haben uns mit dem Thema viel länger beschäftigt als zwei Tage, falls das die Frage ist.+
PZ1: Wieviele Mangas haben sie beiden in ihrem Leben eigentlich schon gelesen?
Kulturspiegel: Wir haben mit Akira angefangen, als es noch in Farbe war. Seitdem haben wir über die Jahre die Veröffentlichungen der deutschen Verlage verfolgt.
Kulturspiegel: Natürlich lesen wir keine 25 Serien pro Monat.+
DocSleeve: Manga-Fans werden unterschwellig als "perverse Sonderlinge" dargstellt. Tatsächlich gibt es große bundesweite Treffen - ohne Alkohol, Drogen oder Gewalt. Ein Widerspruch?
Kulturspiegel: Wo in dem Artikel steht "perverse Sonderlinge"? Wir verwahren uns gegen diese Unterstellung. Wir wollen Manga-Leser nicht diskreditieren.+
Astrid1: Wie konnten Sie ein Medium, dass so vielschichtig ist, auf eine "Spielart" reduzieren und diese auch noch verallgemeinern?
Kulturspiegel: Es handelt sich nicht um eine Verallgemeinerung, sondern um eine Darstellung eines bestimmten Elements von Mangas: Sex und Erotik. Wir beschäftigen uns mit einem Aspekt
Kulturspiegel: und behaupten nirgends, über alle Mangas zu sprechen. Wir sind erstaunt über die moralische Entrüstung der Fans.+
lukian: Wenn sie die dt. Mangas seit 10 Jahren verfolgen, warum haben sie dieses Zitat von einem Mangaka "Asuka Rei" übernommen, der/die doch ansonsten fast unbekannt ist?
Kulturspiegel: Da ist uns tatsächlich ein Fehler unterlaufen.+
dasBlubbs1: haben sie mit so einer reaktion auf ihren artikel gerechnet???
Kulturspiegel: Nein, haben wir nicht.+
Mithi: Wenn ihr nur über dieses eine Element schreiben wolltet (was natürlich legitim ist) warum wurde das in dem Artikel nicht klar dargestellt?
Kulturspiegel: Wir waren der Meinung, wir hätten das deutlich genug gemacht. Es sind ja auch ganz klar andere Aspekte von Mangas (Erzählstruktur, Vielschichtigkeit) behandelt worden.+
Minty: Entsprechen die Aussagen in ihrem Artikel auch ihrer persönlichen Meinung zum Thema Manga und Gewalt?
Kulturspiegel: Welche Aussage? Wir beschreiben ein Thema, wir werten nicht.+
Ichiro: Ein reisserisches Cover, eine gewagte Doppelseite, und Sie wenden sich als KuSp an Leser, die keine Fans sind. Wie soll das denn dann nicht missverstanden werden?
Kulturspiegel: Durch Lektüre des Textes.+
Myrmidon: Sie haben zwar auch andere Aspekte von Mangas genannt, aber eigendlich immer in einem Atemzug mit Sex und Pornographie
Kulturspiegel: Das sehen wir anders. Wir haben deutlich unterschieden zwischen allgemeinen Aussagen auf der einen und Sex und Erotik auf der anderen Seite. Das war ja auch unser Thema.+
AnnaGL: Weswegen werden ausgerechnet Sailor Moon und Dragonball, die mit Sex und Eroktik sehr, sehr wenig am Hut haben, als Beispiele für erotische Mangas genannt?
Kulturspiegel: Es sind die beiden populärsten Mangas, und auch sie beinhalten erotische Elemente. Deshalb schienen sie uns als Beispiel geeignet.+
Shinji: Was sagen Sie zu Vorwurf dass durch genau diese Art unseriösem Journalismus die Versuche Mangafans ins bessere Licht zu rücken um Jahre zurückgeworfen werden?
Kulturspiegel: Nochmal: Wir halten unsere Arbeit nicht für unseriös. Wir haben außerdem Mangas nicht negativ bewertet.+
Dude1: Wolen Se wirklich sagen, dass der Artikel nicht polarisierend ist und dem mange unerfahrenen Leser kein Bild von Sex, Gewalt und Perversion verschafft?
Kulturspiegel: Ja. Das haben wir nun schon mehrfach geschrieben.
Nausicaa1: Warum wurden als Manga-Leserschaft ausgerechnet 16-jährige Mädchen genannt, wenn es doch so klar um "Erwachsenen"-Manga gehen sollte?(Erotik-Manga sind ab 18 !!)
Kulturspiegel: Nein, es ging nicht nur um Pornografie, sondern auch um Erotik, die auch in Mangas für Jüngere enthalten ist. Außerdem: Manche 16jährige lesen Mangas für Erwachsene.+
kasumi1: Was ist mit den amüsanten Abenteuern in Dragonball? Wenn man den Artikel liest, kommt es einem so vor, als sei es aus sexueller sicht geschrieben?
Kulturspiegel: Humor in Mangas ist ein anderes Thema, falls wir die Frage richtig verstanden haben. Dragonball war nur ein Beispiel für "amouröse Abenteuer" in Mangas.+
Milkmaster1: Wie stehen Sie dazu, dass die Aussagen der beiden Mädchen vom Sinn her umgedreht wurden? (Laut Aussage der beiden.)
Kulturspiegel: Das stimmt überhaupt nicht. Warum sollten wir das tun? Wir sind erschrocken, dass die beiden das so empfinden, aber wir haben das Interview auf Band.+
Nausicaa1: Auch die Aussage, dass Manga sich an Mädchen richten, schien mir sehr seltsam. Woher haben sie diese Annahme??
Kulturspiegel: Falsch herum: Auch Mädchen interessieren sich für Mangas, war die Aussage. Im übrigen gibt es spezielle Mädchenmangas, aber um die ging es in dem Text nun gar nicht.++
Utopia: nach welchen kriterien haben sie die bilder ausgesucht, die für den artikel verwendet worden sind? das "tentakel" bild ist noch nicht mal aus einem manga
Kulturspiegel: Das ist ein Kunstbild, ausgestellt derzeit in der Fondation Cartier. Es zeigt,, wie in dem Artikel erläutert, wie Mangas von der Kunst bearbeitet werden.+
DocSleeve: Warum verwenden Sie "Ladie's Comics" als Beispiele? Die gibt es in Deutschland nicht.
Kulturspiegel: Aber in Japan, und es ist eine Frage der Zeit, wann es sie hier geben wird.+
Shasty1: Wie reagierte die Spiegel-Redaktion auf die Offenen Briefe der ComicVerlage?
Kulturspiegel: Mit zwei persönlichen Briefen an die Verleger und diesem Chat für die KulturSPIEGEL-Leser und Manga-Fans.+
Omi: Warum, glauben Sie denn, reagiert die Manga-Fangemeinde und die Verlage so empört und negativ auf Ihren Artikel, wenn er doch (nach Ihrer Ansicht) seriös und korrekt war?
Kulturspiegel: Keine Ahnung. Das wollten wir in diesem Chat auch gerne erfahren.+
animexxKim1: Was halten Sie von der Reaktion der Leser in Ihren Leserforen?
Kulturspiegel: Wir freuen uns über jede engagierte Diskussion.+
Aera: Stimmt es, dass sie den Artikel erst in der letzten Nacht geschrieben haben?
Kulturspiegel: Schöner Mythos. Aber wir arbeiten meistens tagsüber.+
animexxKim1: Denken Sie nicht, dass der Nachweis, dass Teile Ihres Artikels schlichtweg _abgeschrieben_ wurden, die Reputation Ihrer Were berechtigterweise schmälern könnte?
Kulturspiegel: Abgeschrieben? Wo? Wir haben natürlich Quellen verwendet, das ist normales journalistisches Handwerk.+
PZ1: Gab es einen bestimmten grund warum sie als Thema Hentai gewählt haben? Persönliche vorliebe oder vorlage vom Verlag?
Kulturspiegel: Wir fanden es interessant.+
luzi1: Warum haben Sie dann nicht angegeben, dass es sich um Hentai-Mangas handelt
Kulturspiegel: Es ging ja nicht nur um Hentai. Sondern auch um Erotik und Sex in normalen Mangas. Sailor Moon ist kein Hentai.+
PV1: Denken Sie nicht, dass sie mit dem Artikel Neulinge in diesem Gebiet eher abschrecken könnten, oder war das beabsichtigt?
Kulturspiegel: Wir wollen niemanden abschrecken und glauben auch nicht, das getan zu haben.+
PZ1: Haben sie vor noch andere Artikel, über all die anderen interessanten Themen zu schreiben?
Kulturspiegel: Wir nehmen uns grundsätzlich vor, interessante Artikel über interessante Themen zu schreiben. Ist doch klar, oder?+
DarkSol: Sind sie der Meinung, dass der Erfolg von Mangas in Deutschland sich durch die von ihnen behandelten "aspekte" einiger Mangas auszeichnet?
Kulturspiegel: Sex und Erotik sind ein Bestandteil von Mangas. Ob sie deshalb gekauft werden, kann die Marktforschung entscheiden.+
bubby: Finden sie nicht, dass der Text einfach so geschrieben ist, wie es die Leser haben wollen? Viel Erotik und Gewalt, und dann noch ein bisschen "echtes" mit eingebaut?
Kulturspiegel: Wir möchten alle Texte so verständlich schreiben, dass alle Leser mit ihnen etwas anfangen können. Wir versuchen, sie für das zu interessieren, was wir spannend finden.+
Aera: Aber warum sind sie nicht näher auf die Einteilung der Mangas in verschiedene Genre eingegangen? So denkt jeder, dass Mangas grundsätzlich Sex&Erotik enthalten
Kulturspiegel: Nochmal: Es handelt sich um einen Artikel, der einen bestimmten Aspekt beschreibt. Man muss nicht immer das Ganze beschreiben, um dann einen Teilaspekt zu beleuchten.+
DocSleeve: Wie sehen Sie Mangas im Vergleich zu US-Comics und frankobelgischen Comics?
Kulturspiegel: Es handelt sich um eine eigenständige und faszinierende Kunstform.+
animexxKim1: Meinen Sie nicht, daß Ihr Versuch, die Leser für etwas zu interessieren, mit diesem Artikel deutlich nach hinten losgegangen ist?
Kulturspiegel: Wieso? Das Interesse ist doch sehr groß.+
MR1: Wieso die Implikation, dass Mädchen gerade wegen den expliziten Sex- und Gewaltdarstellungen vermehrt Mangas lesen? Diskussionen z.B. im Comicforum zeigen das Gegenteil..
Kulturspiegel: Die Implikation stammt nicht von uns. Im übrigen ist das, was Leute öffentlich über Sex sagen oft etwas anderes als das, was sie wirklich tun.+
Niddhogg1: Planen Sie eine Richtigstellung oder zumindest Stellungnahme zu ihrem Artikel in einer der nächsten Ausgaben des [kultur]Spiegels?
Kulturspiegel: Es gibt im KulturSPIEGEL keine Leserbriefseite. Deshalb nehmen wir hier und jetzt zu allem Stellung.+
DocSleeve: Sehen Sie Mangas als "Gefahr" für die etablierte Comic-Szene?
Kulturspiegel: Nein, Mangas sind längst Teil der etablierten Comic-Szene und haben schon deutsche Verlage gerettet.+
Shinji: Ernsthaft, wenn Sie als Erziehungsberechtigter diesen Artikel gelesen hätten, würden Sie Ihren Kindern weiterhin erlauben Mangas zu lesen?
Kulturspiegel: Wir würden darauf achten, dass 6jährige keine Hentais mit ihren Freunden tauschen.+
Seashore1: Haben Sie auch Zuschriften/Kommentare von Lesern erhalten, die keine Manga-Fans sind?
Kulturspiegel: Das wissen wir nicht , so genau haben sich nicht alle Leser selbst beschrieben.+
Kestrel1: Meinen Sie daß es überhaupt möglich ist das Phänomen Mango in solch einem (doch recht kurzen Artikel) zu beleuchten, oder ist der Artikel nur ein Test?
Kulturspiegel: Das war natürlich kein Test. Wofür auch?+
Klopfer: Der Untertitel des Artikels lautet "Deutsche Mädchen sind ganz wild auf japanische Sex-Comics". Warum haben Sie dann keine Mädchen interviewt, auf die das zutrifft?
Kulturspiegel: Comichändler haben uns ganz deutlich versichert, dass diese Aussage zutrifft. Wir wollten niemanden, vor allem keine jungen Mädchen, vorführen.+
Whiskey: Es ist schwer zu glauben das Comichändler ihnen bestätigen das junge Mädchen wild auf Sex-Comics seien, die Verlage aber gleichzeitig empört über ihren Artikel sind.
Kulturspiegel: Fast alle Verlage verdienen sehr gut an Erotik-Mangas. Mangas wie "Golden Boy" werden nicht ohne Grund eingeschweißt.+
Aera: Haben sie auch zustimmende Reaktionen auf ihren Artikel erhalten?
Kulturspiegel: Selbstverständlich. Von Fachleuten sogar.+
FelioS1: fachleute? wen meinen sie da genau?
Kulturspiegel: Wir nennen keine Namen ohne Rücksprache. Das ist ein journlastisches Prinzip.+
DocSleeve: Begeisterung für Mangas ist mehr als nur das Lesen von Comics. Warum haben Sie es auf diesen Aspekt eingeengt?
Kulturspiegel: Wir wollten kein Buch schreiben. Man muss sich im Journalismus meistens beschränken.+
AyanamiChan1: Haben sie auch direkt mit den Manga-ka (den zeichnern der Mangas) Kontakt aufgenommen?
Kulturspiegel: Nein. Wir sprechen leider kein Japanisch.+
creature1: Welche Mangas sind eigentlich gemeint mit "Sex-Comics"?
Kulturspiegel: Die Frage ist doch in dem Artikel beantwortet.+
PZ2: Das vorhin war eigentlich eine gute frage. In der überschirft wird von "Sex-Comics" geredet, im Artikel wird aber z.B. von Sailor Moon gesprochen. Ist das so richtig?
Kulturspiegel: Nochmal: Sailor Moon ist ein Beispiel für Erotik in Comics. Wie Zetsai ein Beispiel für Homosexualität ist.+
DocSleeve: Betrachten Sie die Fanszene als etwas "Exotisches", oder erkennen Sie sie als normalen Bestandteil der deutschen Jugend an?
Kulturspiegel: Fantum war schon immer wichtiger Teil der Jugendkultur.+
Troper101: Sind Sie sich der Probleme bewusst die dieser Artikel für Mangafans nach sich zieht?(Beispiele; Lehrer, in der Buchhandlung angepöbelt werden etc.)
Kulturspiegel: Falls das zutrifft, tut uns das sehr leid. Aber diese Prüderie überrascht uns sehr.+
Serecia1: Wie ordnen sie Erwachsene Fans ein?
Kulturspiegel: Fans sind Fans. Und mündig genug, sich seine Lektüre frei auszusuchen.+
David: Wie sind sie auf die Idee gekommen, einen Artikel zu diesem Thema zu verfassen?
Kulturspiegel: Wie kommt man auf Ideen? Sie fallen einem ein. Und durch Gespräche, Beobachtung, Recherche, Lektüre.+
Guest6: Und ist jeder Manga, in dem der nackte Oberkörper einer Frau auftaucht auch gleich ein Sex-comic ?
Kulturspiegel: Nein, aber er enthält erotische Elemente. Und was ist denn eigentlich daran so schlimm, dass man das offenbar nicht schreiben soll?+
D11: Welche Manga-Serien haben Sie persönlich (richtig) gelesen?
Kulturspiegel: Akira, Dragonball, Crying Freeman zum Beispiel.+
Lucan1: Sind sie ein Fan von Mangas?
Kulturspiegel: Wir sind Comicfans und mögen auch viele Mangas.+
Bishojo1: Sind Mangas Kinderkram?? Einige meiner Freunde lachen mich aus weil ich mangas lese
Kulturspiegel: Nein. Lachen Sie zurück.+
Klopfer: Laut Artikel ist es in Japan erlaubt, Genitalien von Kindern naturalistisch darzustellen. Dem ist aber keineswegs so. Irrtum oder bewusste Fehlinformation?
Kulturspiegel: Das ist tatsächlich so. Ob man es glaubt oder nicht.+
genesisDRAGON1: Denken sie inzwischen anders über die Jugend die durch die Sex-comics verdorben wird?
Kulturspiegel: Wie kommen Sie darauf, dass die Jugend durch Sex-Comics verdorben wird? Uns wird doch, im Gegenteil, vorgeworfen, wir würden zu viel Werbung für Sex in Mangas machen.+
Animanga1: Wenn sie selber Mangafan sind, wieso schreiben sie dann einen Artikel der die Leute geradezu dazuauffordert schlecht über die Jugend die Mangas liest zu denken?
Kulturspiegel: Das haben wir nicht getan. Wir denken nicht schlecht über Mangas, nicht schlecht über Sex und nicht schlecht über Jugendliche.+
dasblubbs2: über was würden sie schreiben, wenn sie noch einmal einen artikel zum Thema Manga verfassen sollen?
Kulturspiegel: Das wissen wir jetzt noch nicht. Wir hoffen, dass wir alle Fragen beantwortet haben und sagen danke für das Interesse! JB und CD+