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Love of an angel

(an Angel Sanctuary Fanfiction)
von

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Part 03 - Yetzirah

99-11-06

Love of an angel

Part 03
 

Yetzirah
 

Vorsichtig öffnete ich die Augen. Mein ganzer Körper schmerzte, als ob ihn jemand mit tausend Nadeln gespickt hätte. Mein Blick wurde zusehends klarer und ich begann mich an das Dämmerlicht zu gewöhnen. Die verschwommen Umrisse bekamen langsam wieder Konturen. Ich lag in einem riesigen Bett, umgeben von Unmengen an Kissen und über mir spannte sich ein Baldachin, der sich an den Seiten verlief und wie ein Vorhang das gesamte Bett umschloß. Wie zum Henker bin ich hierher gekommen? Ich versuchte mich zu erinnern, was geschehen war und wenn auch sehr langsam begriff ich. Das Letzte, an das ich mich erinnern konnte war dieses intensive Licht, das von Setsunas Körper ausging und mich danach voll erwischte. Ebenso wie Katan und Kirie. Alexiel ist also wieder erwacht. Aber was ist mit Katan geschehen? Ich erinnere mich noch, daß er zu Boden fiel und ich zu ihm rannte...

Was war danach passiert? Der Versuch sich aufzusetzen wurde von höllischen Schmerzen begleitet, aber ich biß die Zähne zusammen und schaffte es mich halbwegs bequem hinzusetzen. Ein's steht fest, wenn ich noch solche Schmerzen habe, wie möchte es dann erst Katan gehen? Schließlich heilt mein Körper schneller als jeder andere. Verdammt noch mal Katan was ist mit dir geschehen? Rociel hat dich ja ganz schön im Stich gelassen. Wo steckt der überhaupt? Schließlich ist er für diesen ganzen Mist verantwortlich! Es bringt absolut nichts sich hier weiterhin den Kopf zu zerbrechen. Wer Antworten will, sollte sie suchen gehen. Also kletterte ich aus diesem Monstrum von Bett. (Da hätten locker fünf Leute genügend Platz und es wäre noch nicht annähernd gefüllt!) Und orientierte mich kurz. Dieser Raum sagte mir rein gar nichts. Wo bin ich eigentlich? Hinter mir wurde irgendwo eine Tür geöffnet und ich zog es vor erstmal unentdeckt zu bleiben. Das Dämmerlicht kam mir hier sehr zu gute, so würde mich hinter dem Bett sicherlich niemand bemerken. Behutsame Schritte näherten sich dem Bett und ich sah, wie jemand den Baldachin zur Seite schob.

"Ma'am sind sie wach?" Fragte zaghaft eine sanfte, weibliche Stimme. Was soll das? Seit Jahren hat man mich nicht mehr so angeredet.

"Entschuldigen sie die Störung, aber Rociel-sama hat mich beauftragt ihm sofort Bescheid zu geben, wenn sie wieder bei Bewußtsein sind. Ma'am?" Rociel also! In mir stieg Wut auf, doch ich beherrschte mich. Die Person, wer immer das auch sein mochte, schien mittlerweile bemerkt zu haben, daß etwas nicht stimmte, denn sie begann in den Kissen zu wühlen. Wenn ich es also Rociel zu verdanken habe, das ich hier bin, dann kann etwas nicht stimmen. Nun gut jetzt weiß ich ja, wen ich suchen muß, um ein paar Antworten zu erhalten.

"Oh nein! Ma'am? Ma'am?! Ma'am!!!! Sie ist weg! Großer Gott! Rociel-sama wird äußerst empört darüber sein! Ich muß sie unbedingt finden!" Hastig rannte sie aus dem Raum, ohne darauf zu achten, die Tür wieder hinter sich zu schließen. Ich harrte noch etwas aus, bis ihre Schritte nicht mehr zu hören waren. Soll sie mich doch suchen! Ich bin mir sicher, daß ich Rociel vor ihr finde. Von mir aus kann er dann auch ruhig wütend sein, das wäre ja nichts neues. Vorsichtig schlich ich mich aus dem Raum und bewegte mich wie ein Dieb über die Flure. Was hauptsächlich daran lag, das ich außer einem etwas zu großem Hemd nichts weiter mehr anhatte. Sich zu denken, wer dahinter steckt ist auch mehr als einfach. Dafür revanchiere ich mich noch Rociel! Wenn man mich so entdeckt, wäre es ein Wunder nicht aufzufallen. Irgend etwas muß ich tun und zwar schnell. Dieser Aufzug gefällt mir ganz und gar nicht! Schwere Schritte näherten sich mir und es blieb einzig die Möglichkeit schnell in eine Wandnische zu huschen und zu hoffen, das keiner auf die Idee kommen würde eben genau diese zu betreten. Eine mehr als unangenehme Lage. Vorsichtig spähte ich um die Ecke und erstarrte. Es näherten sich circa zehn uniformierte Männer, was mich nicht weiter gestört hätte, aber jeder von ihnen war von der Aura eines Engels umgeben. Engel! Ausgerechnet Engel!! Wo kommen die her?! Ich biß mir auf die Zunge um nicht laut zu schreien. Rociel, wo hast du mich hingebracht? Ich muß ihn unbedingt finden. Zu meinem Glück hatte der Letzte dieses Trupps in etwa meine Statur und ehe er sich versah hatte ich ihn schon außer Gefecht gesetzt. Die Anderen hatten nichts bemerkt und gingen ohne sich einmal umzudrehen weiter. Kann mir nur recht sein. Gerade, als ich fast mit dem Umziehen fertig war wachte mein Opfer auf. Vorsichtshalber hatte ich ihn gefesselt und geknebelt, was sich bezahlt machte, denn er versuchte prompt Alarm zu schlagen, was mehr als kläglich mißlang. Belustigt sah ich ihn an, ein völlig hilfloser Engel. Irgendwie gefällt mir dieser Anblick sehr gut. In aller Seelenruhe knöpfte ich die Uniform zu und begegnete seinem flackernden Blick.

"Shh... schön ruhig, dann passiert dir nichts. Ich leihe mir nur mal kurz deine Uniform und wenn du brav bist gebe ich sie dir hinterher auch wieder. Solange kannst du das hier haben." Ich warf ihm das Hemd zu und begann damit meine Haare unter die Mütze zu stopfen. Er schien nicht zu verstehen, was vor sich ging und versuchte sich zu befreien. Lächelnd kniete ich mich neben ihn und sah ihm fest in die Augen.

"Das ist umsonst! Je mehr du dich bewegst, desto fester ziehen sich die Stricke. Außerdem brauchst du keine Angst vor mir zu haben. Schätzungsweise spürst du meine Abneigung gegen Engel, aber ich töte nie ohne Grund. Auch wenn viele Engel den Tod verdient hätten... Jetzt aber mal ehrlich, die Uniform steht mir doch? Oben rum vielleicht ein bißchen eng..." Er starrte mich fassungslos an, wahrscheinlich begriff er gar nichts mehr. An seiner Stelle wäre ich wohl auch am Zweifeln, ob das alles wahr ist, was hier passiert oder doch nur ein Traum. Aber ich bin nicht an seiner Stelle und so kann es mir auch egal sein. Ich stand auf, verstaute noch seine Waffen sicher in den dafür vorgesehenen Taschen und wollte gerade die Nische verlassen, als mir noch etwas einfiel. Ich warf einen kurzen Blick zurück.

"Übrigens beweg dich circa fünf Minuten nicht, dann lösen sich die Fesseln von allein. Aber ich warne dich, komm bloß nicht auf die Idee mir die anderen Engel auf den Hals zu hetzen. Bis dahin werde ich mein Ziel längst erreicht haben!" In seinen Augen flackerte Panik. Fast hätte er mir leid getan, aber nur fast und so verließ ich lachend die Nische. Einen Engel zurücklassend, der gerade dabei sein dürfte ernsthaft an seinem Verstand zu zweifeln. Soll er. Ich für meinen Teil muß erstmal Rociel finden, um endlich an eine Erklärung zu kommen. Trotz meiner Verkleidung bewegte ich mich mit größter Vorsicht. In dieser Umgebung fühle ich mich überhaupt nicht wohl! Wo man auch hinkommt, überall Engel oder sonst irgend etwas, was ihre Reinheit, Anmut, Unfehlbarkeit, etc., etc. preist. Uäh, da kann man 'ne richtige Allergie gegen bekommen. In mir keimte ein furchtbarer Verdacht auf. Verdammt, das hat er nicht gewagt! Er hatte mich doch nicht...

Nein, daran will ich gar nicht erst denken! Langsam wird es wirklich Zeit, daß ich ihn finde und sei es nur, um ihm den Hals umzudrehen.

Schüsse rissen mich aus meinen Gedanken, gefolgt von schnellen Schritten. Hört sich ganz so an, als wäre da jemand auf der Flucht. Hey, das kann vielleicht interessant werden. Die Geräuschkulisse näherte sich mir und ich konnte sie schon lange sehen lange, bevor sie überhaupt ahnten, daß ich hier stand. Ein äußerst günstiger Standplatz! Die Szenerie, die vor meinen Augen ablief ließ mir kaum noch Zeit zum Nachdenken, da sie sich mit jeder Sekunde, die verstrich, meiner Deckung mehr und mehr näherte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie mich bemerken würden. Schätzungsweise fünf uniformierte Engel jagten einen Einzelnen, der völlig in schwarz gekleidet war. Eigentlich fehlte nur noch das Schild Hello! I'm the spy! oder so was ähnliches. Unauffälliger geht's nun wirklich nicht mehr. Plötzlich tauchte er vor mir auf und blieb wie angewurzelt stehen. Sein Blick suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit zur Flucht. Er zitterte vor Angst und machte keinerlei Anstalten an mir vorbeizurennen, sondern suchte nach einem anderen Weg. Mir ist völlig schleierhaft warum, denn ich werde ihn bestimmt nicht aufhalten. Bis mir wieder die Uniform einfiel, die ich ja immer noch trug. Bevor ich mir richtig im Klaren darüber war, was ich eigentlich in Begriff war zu tun, packte ich ihn am Arm, stieß ihn etwas unsanft hinter eine der zahlreichen Statuen und wies ihn an sich ruhig zu verhalten. So, jetzt wird man ja merken, ob die Tarnung reicht. Die Verfolger stoppten kurz vor mir und salutierten. Ich mußte mir mühselig ein Lachen verkneifen. Engel, die vor mir salutieren! Das ist einfach zu komisch. Um nicht unnötig aufzufallen erwiderte ich den Gruß und ließ nebenbei die Bemerkung fallen, daß eine auffällige Person vor circa zwei Sekunden den Flur weiter geradeaus herunter gerannt sei. Augenblicklich setze sich der Trupp wieder in Bewegung und verschwand hinter der nächsten Biegung. Es ist ja so einfach...

Jetzt mußte ich einfach lachen, das Ganze ist zu komisch gewesen.

"Du? Eine Frau?!" Whoops, den habe ich doch glatt vergessen. Immer noch lachend nickte ich und beobachtete, wie er sich mühselig wieder auf die Beine stellte. Vielleicht ein bißchen zuviel Schwung?

"Danke für deine Hilfe." Ich winkte ab, ich wollte seinen Dank nicht. Schließlich ist er ebenfalls ein Engel und ich hatte nur aus einem Reflex heraus gehandelt.

"Wieso hast du das eigentlich getan?" Ratlos hob ich die Schultern. Soll ich ihm etwas von einem Reflex erzählen? Ich bin schließlich selbst lange genug vor Engeln geflohen, um zu wissen, daß das alles andere als angenehm ist. Was er nun wirklich nicht zu wissen braucht.

"Wenn sie es herausfinden werden sie dich töten!" Er sah mich bedauernd mit klaren, bernsteinfarbenen Augen an. Langsam werde ich ihm wohl antworten müssen, wenn er noch länger hier rumsteht würde es irgendwann auffallen und was dann passiert kann man sich leicht ausrechnen.

"Möglich, aber das glaube ich nicht. Dafür sind sie zu dämlich. Wie sollten sie es denn herausfinden? Nur wir beide wissen davon und solange das so bleibt ist die Sache..."

"Ein Geheimnis." Beendete er meinen Satz und sah mich an, als wäre ich das siebte Weltwunder höchstpersönlich. Bevor er noch mehr Fragen stellen konnte kam ich ihm zuvor.

"Du solltest langsam verschwinden, falls sie zurückkommen sind wir beide dran." Im selben Moment ertönte ein lautes

"HALT! Stehenbleiben!", das genau aus der Richtung kam in der vorhin der Verfolgertrupp verschwunden war. Hätte ich doch bloß meine Klappe gehalten. Jetzt haben wir den Salat!

"Los jetzt! Sieh zu, das du wegkommst! Ich geb dir Deckung!" Dabei drückte ich ihm eine der Pistolen in die Hand und wandte mich dem Trupp zu.

"Aber sie werden dich töten!" Diese Naivität ist einfach herrlich. Unwillkürlich begann ich wieder zu lachen.

"Eines kannst du mir glauben SIE werden mich nicht töten. Dafür erleben sie vielleicht eine kleine Überraschung und jetzt hau endlich ab!" Diesmal stieß ich ihn an, damit er ja nicht mehr auf die Idee kam diese Unterhaltung noch länger fortzusetzen und endlich begriff er. Er rannte los. Die Anderen hatten inzwischen auch etwas begriffen, nämlich das ich ihm half und schon pfiffen mir die ersten Kugeln um die Ohren. Na gut, das kann ich auch! Die zweite Pistole erwies sich als äußerst nützlich und mit einigen gezielten Schüssen entwaffnete ich vorerst meine Gegner und schaffte es nebenbei, sie so sehr zu reizen, das sie geschlossen hinter mir her jagten. (Ist auch nicht sonderlich schwer gewesen, sind ja Engel.) Dabei vergaßen sie ihr eigentliches Opfer völlig. Oh man, hoffentlich ist das kein Fehler. Tja, im Prinzip bereue ich die Sache jetzt schon. Unsere Verfolgungsjagd zog einiges an Aufmerksamkeit auf sich und die Zahl meiner Verfolger wuchs von Mal zu Mal.

Scheiße, das nächste Mal sehe ich mich besser vorher mal nach einem Fluchtweg um! Wenn das so weitergeht erwischen sie mich irgendwann, was eher nicht in meiner Absicht liegt, aber sie haben Heimvorteil. Ich will doch nur heimlich still und leise verschwinden und dann Rociel weitersuchen. Eine Biegung wäre mal nicht schlecht, oder 'ne Tür. Es hat einfach keinen Sinn sich den ganzen Tag durch diese ellenlange Flure jagen zu lassen. Ist zwar ein gutes Training, aber auf Dauer einfach nur nervig. Da ich mich drauf beschränkte nach meinen Verfolgern Ausschau zu halten. (Argh, wo kommen die denn bloß alle her?! Hier muß irgendwo ein Nest sein!) Und Möglichkeiten um unauffällig zu verschwinden, bemerkte ich auch nicht, wie sich auf einmal eine Tür öffnete, jemand kurz heraustrat und sofort wieder darin verschwand, ich sah nur die offene Tür, bremste kurz ab und verschwand darin ohne mein Tempo großartig verlangsamt zu haben. Wodurch ich prompt unsanft zurück geworfen wurde und auf dem Boden landete.

"Shit!" Fluchend stand ich auf.

"Welcher Trottel baut so kurz hinter einer Tür 'ne Wand?!" Dafür werde ich Rociel jede Feder einzeln ausrupfen! Netterweise hielt man mir in dem Moment, als ich meine Flucht fortsetzen wollte, einen Revolver unter die Nase.

"Na toll, erwischt." Meine gute Laune kann das auch nicht ändern. Kaum zu glauben, aber mir hat dieses Spielchen echt gefallen. Schließlich werde ich auch so an mein Ziel kommen. Es ist so vielleicht auch noch einfacher. Langsam hob ich den Blick. Das gibt's doch nicht! Da stehen zwei Engel vor mir, der eine in fast derselben Uniform wie ich, er hielt mir auch die Waffe unter die Nase und der Andere, ist der Engel, dessen Uniform ich mir geliehen habe. Jetzt trug er das Hemd von mir, das nicht sonderlich viel verhüllte und Boxershorts mit geflügelten Herzchen, die einen Heiligenschein haben! Mit meiner Beherrschung war es fast vorbei und ich versuchte mühselig nicht laut loszulachen.

"Nette Boxershorts!" Den Spruch konnte ich mir einfach nicht mehr verkneifen. Er sah mich völlig perplex an. Was wohl auch daran lag, daß ich ihm belustigt zu zwinkerte, als auch noch mein Verfolgertrupp auftauchte.

"Ist sie das?" Der Andere riß ihn aus seinen Gedanken. Erschrocken nickte er. Scheinbar erinnerte er sich noch an meine Worte, denn er musterte mich vorsichtig. Mein Verfolgertrupp stand inzwischen neben uns, sichtlich erleichtert, daß diese Verfolgungsjagd nun endlich vorbei war und schon sah ich in einige Revolvermündungen mehr. Scheinbar fehlt es ihnen allen an Kondition, die sehen ja richtig fertig aus und sie scheinen wirklich zu glauben, das sie mich mit ihren Waffen im Ernstfall aufhalten könnten. Diese Naivität ist wirklich herrlich! Als mein Opfer unter meinen Verfolgern auch einige in weißer Uniform entdeckte wurde er sichtlich blaß. Es scheint fast so, als hätte er Angst vor ihnen. Die Sache wird zusehends amüsanter! Vor allem, nachdem die Weißen wissen wollten, wohin mein Freund verschwunden sei und ich sie dabei konsequent ignorierte oder nur ausweichend antwortete.

"Püh, ein Engel ein Freund von mir?! Das wäre ja noch schöner!" Langsam aber sicher schienen sie vor Wut zu kochen und fingen an sich gegenseitig die Schuld für die Flucht des Terroristen in die Schuhe zu schieben. Interessant, das hat Katan also gemeint. Weiß gegen Schwarz und ich stand genau dazwischen, sichtlich bemüht nicht unkontrolliert loszulachen. Irgendwie glauben sie immer noch, daß mir durch ihre Drohungen Angst und bange werden müßte. Weit gefehlt, ich finde die Situation köstlich! Wahrscheinlich stempeln sie mich mittlerweile auch als völlig lebensmüde und wahnsinnig ab. Jedenfalls äußerten einige dieser Ansicht. Ein ziemlich hoch gewachsener Kerl in weißer Uniform mit zig Abzeichen baute sich vor mir auf und hielt mir seinen Revolver genau zwischen die Augen.

"Wo ist er?" Der typische Befehlston von jemanden, der an seine Überlegenheit glaubt. "Antworte endlich oder stirb." Mir gefiel sein Ton überhaupt nicht und ich sah nicht ein ihm auch noch eine zufriedenstellend Antwort geben zu sollen, aber mir kam eine andere Idee.

"Glaub mir, wenn du mich tötest, dann wirst du dir wünschen es niemals getan zu haben." Mein ruhiger Ton und das Lächeln, das sich um meine Lippen legte brachten ihn fast aus der Fassung, aber er fing sich sofort wieder.

"Wie kannst du es wagen?!" Er zitterte vor Wut und der Rest machte den Eindruck, als stünde eine Katastrophe kurz bevor. Man warf mir flehende Blicke zu, ihm doch lieber zu antworten. Ich tat es nicht und sah ihn weiterhin herausfordernd an.

"Rede endlich!" Er begann die Waffe zu spannen. Sollte er wirklich versuchen abzudrücken würde sich sein Schuß in Nichts auflösen. Er steht so günstig, das ein Tritt ihn entwaffnen wird. Merkt er das denn überhaupt nicht? Vielleicht sollte ich mal mit Rociel ein Wörtchen oder auch zwei über sein sogenanntes Wachpersonal wechseln? Um mein Gegenüber nicht ganz ohne Antwort zu lassen schüttelte ich den Kopf. Jetzt ist er endgültig auf 180, aber dafür hat er sich verdammt gut im Griff. Die Anderen starrten mich ungläubig an. Sie sahen scheinbar zum ersten Mal in ihrem Leben jemanden, der es wagte einen Engel der weißen Garde zu reizen. In einigen Blicken lag auch eine gewisse Bewunderung für meine Kühnheit, was mich wieder zum Lachen brachte. (Als wenn ich damit aufgehört hätte!)

"Dann stirb eben!" Er hob die Waffe an und sein Finger begann sich um den Abzug zu krümmen. Ich spannte mich und war bereit ihn zu entwaffnen noch bevor er dazu kommen würde abzudrücken.

"Halt! Wartet! Ich bin hier!"

Der Schuß blieb aus und ich löste die Spannung wieder. Alle drehten sich in die Richtung, aus der die Stimme aufgeklungen war. Noch halb im Schatten der Säulen verborgen näherte sich uns der Engel, dem ich vorhin die Flucht ermöglicht hatte. Was zum Henker denkt der sich dabei?! Inzwischen standen wir beide in etwa auf gleicher Höhe und der Kreis schloß sich wieder um uns. Die Waffen zielten nun hauptsächlich auf ihn.

"Trottel!" Fuhr es über meine Lippen.

"Jetzt sitzen wir beide fest!" Meine Laune sank, es wird nicht einfach werden zwei Leute heil aus dieser Situation herauszubringen. Er sah mich aufmunternd an, doch ich konnte seinen Optimismus nicht so recht teilen. Es ist kein Problem hier alleine zu verschwinden, aber ihn muß ich ja wohl notgedrungen mitnehmen. Schließlich riskiert er sein Leben für mich. Dabei will ich das überhaupt nicht! Na ja, irgend etwas fällt mir hoffentlich noch ein. Tja, und außerdem werden sie mich eh nicht mehr gehen lassen, dafür habe ich das Ego von Weiß zu sehr angeknackst. Der freute sich gerade einen Keks über seine Gefangenen und hielt uns einen Vortrag über das, was uns noch blühen würde. Mein Leidensgenosse versuchte vergeblich mich freizubekommen und wurde zusehends blasser. Langsam sollte ich mich wohl doch mal wieder einmischen. Beruhigend klopfte ich ihm auf die Schulter.

"Sag mal, habe ich um Hilfe gerufen, oder wieso kamst du auf diese Schnapsidee?" Ihm fiel fast die Kinnlade raus. Es haute ihn um, das ich so ruhig blieb. Bevor er etwas erwidern konnte fuhr ich fort.

"Ich hatte die Sache voll im Griff, bis du aufgetaucht bist. Sie hätten mir nichts getan, denn sie haben absolut keine Ahnung, wer ich bin." Er stand immer noch fassungslos vor mir und schien nichts mehr zu begreifen. Na hoffentlich bleibt der so ruhig, dann kann man die Situation vielleicht doch noch retten.

"Hey, Whitie!" Oh man, wenn Blicke töten könnten wäre ich jetzt fällig. Zufrieden lächelte ich ihn an und fuhr in einem süssihaften Tonfall fort.

"Ich möchte ja nicht deine Methoden kritisieren." Okay, das tue ich zwar gerade, aber vielleicht merkt er es ja nicht.

"Stehen wir hier nicht schon etwas zu lange rum? Es wäre doch ganz sicher angebracht sich langsam mal zur nächst höheren Instanz zu begeben und von diesem Erfolg berichten. Nun guck nicht so, als würdest du mich im nächsten Moment umbringen wollen, das wäre der größte Fehler deines Lebens! Denk mal nach, was wird wohl geschehen, wenn eine äußerst mächtige Person alles andere als erfreut darüber ist? Was wird wohl mit dir passieren? Willst du allen Ernstes diese Verantwortung übernehmen?" Meine Worte zeigten die erhoffte Wirkung, es entstand ein Gemurmel unter den Uniformierten und sie schienen sich zu fragen, ob ich nur bluffte oder doch mehr an der Sache dran war. Nach meiner Einschätzung dürfte ihnen das Risiko zu hoch sein und sie würden uns zur nächsten Instanz bringen und da Rociel als stärkster Engel galt (diese Predigt kenne ich mittlerweile auswendig) wird das wohl er sein. Damit sind dann zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Tja, mein Leidensgenosse fragte sich wohl gerade, ob ich noch ganz bei Trost sei, aber ich signalisierte ihm ein OK. Ich erhielt ein Kopfschütteln als Antwort. Wenigstens mischt er sich nicht ein, das ist schon ein Vorteil. Wenn die nicht bald zu einer Einigung kommen schlage ich hier noch Wurzeln! Ich verkniff es mir allerdings Whitie noch mehr zu ärgern, nachher bekommt der noch einen Herzinfarkt. Ah, scheinbar sind sie sich einig geworden. Jedenfalls baute sich Whitie breit grinsend vor uns auf.

"Gut, du hast es ja nicht anders gewollt. Wir bringen euch zu Sevothtarte, damit er entscheidet, was mit euch geschehen soll, dann wird auch dir das Lachen im Halse stecken bleiben!" Das glaube ich zwar weniger, aber er ist schon gestreßt genug und so verkniff ich es mir ihn darauf hinzuweisen. Abrupt drehte er sich um und rief sichtlich erfreut seine Leute zusammen, damit sie uns abführten. Mein Partner schloß zu mir auf und nun begannen die Fragen.

"Bist du völlig irre?! Hast du auch nur die geringste Vorstellung davon, wer Sevothtarte ist und mit wem du dich da anlegst?!"

Soweit ich weiß derjenige, der Rociels Posten übernommen hat, bis dieser zurückkehrt. Jedenfalls hat das Katan mir das mal so erklärt. Nach meiner Meinung braucht er das aber nicht zu wissen. Der Knabe ist ohnehin schon nervös genug. Wahrscheinlich wird Rociels Name ihn nur noch mehr in Panik versetzen. Hey, und außerdem soll ich ihm etwa die Überraschung verderben? So schüttelte ich nur den Kopf. Er hob ratlos die Hände und murmelte etwas von total lebensmüde vor sich hin. Wir erreichten einen Saal, in dem sich schon zahlreiche Engel versammelt hatten und Whitie steuerte auf einen bestimmten Punkt zu, den ich nicht sehen kann, weil mir zu viele Uniformen die Sicht versperren. Meinem Gegenüber begannen die Knie zu zittern, als Whitie sich hinkniete und anfing mit einer, noch halb im Schatten, uns den Rücken zuwendenden Gestalt, zu sprechen. Engel haben doch alle dieselbe Macke!

"Sevothtarte-sama vergebt mir die Störung, aber-"

"Du sprichst mit dem Falschen! Sevothtarte steht dort drüben." Mit diesen Worten drehte sich die Gestalt um und trat ins Licht.

"Ro... Rociel-sama?!" Na toll, darauf hätte ich wetten sollen, die Sache wäre hundertprozentig sicher gewesen. Es waren sichtlich alle erstaunt ihn zu sehen. Ei, wer hätte das nur gedacht, er ist zurückgekehrt. Mein Gott, was für Pappnasen!

"Bitte verzeiht mir. Ich wußte nicht, das ihr zurückgekehrt seit." Nein, was ist er nur für ein Blitzmerker. Er beugte sich noch tiefer hinab und die Anderen taten es ebenfalls. Ein paar Zentimeter mehr und sie küssen den Boden.

"Komm bloß nicht auf die Idee den Schwachsinn nachzumachen!" Zischte ich meinem Partner zu und er blieb augenblicklich wie angewurzelt stehen. Rociel hob eine Augenbraue leicht an und begann zu lachen.

"Wie ich sehe habt ihr zwei Gefangene, die keinen Respekt vor mir haben! Es scheint, daß du deine Aufgabe zu meiner vollen Zufriedenheit erledigst, doch sag mir Soldat, was haben sie getan?" Da ist vielleicht jemand erleichtert uns beim allergrößten Engel anschwärzen zu dürfen. Richtig ekelig, wie der sich dabei freut. Langsam näherte sich Rociel uns und wies die Anderen an weiterhin zu knien. Oh man, warum muß er immer so eine Show abziehen?! So circa drei Meter vor uns blieb er stehen und wartete ab. In der Zwischenzeit hatte sich jemand zu ihm gesellt und sah uns an, als wären wir sein nächstes Frühstück. Irgendwie ist mir diese Gestalt auch suspekt. Fast völlig in weiß gekleidet, die Haare ebenfalls weiß und tierisch lang (meine sind zwar auch nicht gerade kurz, aber so lang ist wirklich übertrieben), auf der Stirn so 'ne Art Schmuck und unterhalb der Augen wird das Gesicht von einem ebenfalls weißen Tuch verhüllt. Sieht fast aus wie 'ne Mumie. Weiß als Farbe der Unschuld...

Hmm, paßt nur gar nicht zu diesen grimmig dreinblickenden Augen, aber der Typ ist ja auch ein Engel. Langsam geht mir die Sache echt auf'n Keks! Wo man auch hinkommt überall Engel! Gibt es denn keine normalen Menschen mehr auf dieser Welt? Man kann ja fast schon eine Allergie bekommen. Mein mehr oder weniger Partner hatte sich wieder gefangen und murmelte etwas von Höllenqualen, Bestrafung durch den weißen Engel, Folter, ewiger Verdammnis, wie man nur so wahnsinnig sein kann, sich freiwillig dort hinein zu begeben und, und, und. Wenn der so weitermacht wird mir noch der Geduldsfaden reißen. Um das deutlich zu machen sah ich ihn vernichtend an und er schwieg wieder. Bei so was kann man ja depressiv werden! Scheinbar kam er mit der Situation nicht allzu gut klar. Sein Blick flackerte unaufhörlich und der Schweiß stand auf seiner Stirn. Ich ignorierte ihn und wandte mich wieder Rociel zu, der immer noch grinste und auch nicht im geringsten daran dachte dieses Spielchen zu beenden. Na gut, wenn er diese Schau unbedingt weitermachen will, an mir soll's nicht liegen. Mit einer Handbewegung ließ ich ihn davon wissen. (Ein bißchen Freude braucht ja schließlich jeder mal.) Vorzugsweise schwieg ich und überließ ihm den nächsten Zug. Zufrieden nickte er und fuhr fort.

"Also, wenn ich meinem Soldaten hier glauben schenken kann und es besteht kein Grund an seiner Loyalität zu zweifeln." Bah, wie ekelig, gegenseitiges schleimen.

"Dann seit ihr Beide diejenigen, die einem meiner Männer die Uniform gestohlen haben um ungesehen einen Anschlag auf die Führungsspitze vorbereiten zu können."

Oje, das wird dauern. Man sah den fragenden Blick von der Mumie abwechselnd auf uns und auf Rociel ruhen. Allerdings machte dieser keinerlei Anstalten diesen Blick zu beantworten. Scheinbar macht es ihm Spaß als Einziger mehr zu wissen, als alle Anderen und wenn ich ehrlich bin mir auch. Wer weiß schon, wie lange er dieses Spielchen noch spielen wird. Eigentlich kann ich es ja beenden, aber das ist mir einfach zu blöd. Mein Gesichtsausdruck sprach wohl mal wieder Bände und mir scholl das Lachen von Rociel entgegen.

"Ich sehe schon, das dir die Sache zu lange dauert. Mal ehrlich. nachdem ich erfahren habe, daß du spurlos verschwunden bist, hatte ich eigentlich schon früher mit dir gerechnet. Was hat dich solange aufgehalten?"

Tja, da sind jetzt wohl sämtliche Anwesenden mehr als überrascht. Vor allem die Mumie konnte es nicht fassen und sprach Rociel darauf an. Er bekam keine Antwort von ihm. Gut, dann bin ich jetzt an der Reihe. Ich zwinkerte meinem Partner vergnügt zu und der begriff endgültig nichts mehr.

"Ganz richtig vermutet, das dauert mir wirklich schon viel zu lange und aufgehalten wurde ich vorhin auch noch. Erst von dem Typen hinter mir, dann von einer Schar Verfolger und zu letzt eine Einmischung, die nicht geplant war. Wenn diese Type sich vorhin rausgehalten hätte, dann wäre ich schon lange hier! Von diesen inkompetenten Pfeifen in Uniform, die Dinger sind übrigens verdammt unbequem, gar nicht zu reden. Bis die mal in Aktion treten hat sich jeder halbwegs intelligente Verbrecher, Attentäter, oder was auch immer schon längst nach einer Fluchtmöglichkeit umgesehen und nutzt diese! Schätze mal, das du mir so ein bis zwei Erklärungen schuldest. Oder was meinst du Rociel-chan?"

Wer bis dato noch nicht perplex war, der war es spätestens jetzt. Sie starrten mich fassungslos an. Jemand, der so mit Rociel redet und immer noch lebt ist hier wohl eine Seltenheit. Selbst die Mumie schnappte bei soviel offensichtlicher Respektlosigkeit nach Luft. Rociel bekam einen Lachanfall und bemühte sich schnell wieder um Fassung.

"Du bist wirklich die einzige Person, die mir bis jetzt über den Weg gelaufen ist, die den Mut besitzt so mit mir zu reden und dabei nicht die geringste Angst um ihr Leben hat. Von dem fehlenden Respekt vor Engeln einmal ganz abgesehen." Tja, was soll ich dazu noch sagen? Er hat es ausnahmsweise mal vollkommen und richtig erkannt. Er lachte erneut und die Umstehenden begannen sich langsam zu fragen, was hier eigentlich los war. Mich beginnt die Sache auch zu nerven. Tatenlos rumstehen ist noch nie eine meiner Stärken gewesen.

"Wo bin ich hier eigentlich?" Auf diese Frage will ich unbedingt eine Antwort haben, auch wenn ich schon ahne, das sie mir nicht gefallen wird.

"Yetzirah." Er sah mich abwartend an.

"Das ist nicht wahr." Fuhr es kaum hörbar über meine Lippen.

"Wie konntest du mich nur hierher bringen?!" Ich war wütend und das merkte man auch. "Wer gibt dir das Recht dazu?!" Mir fehlten die weiteren Worte. Meine Gedanken rasten im Kreis hin und her. Er hat mich eiskalt erwischt. Es gibt nicht den geringsten Grund an seinen Worten zu zweifeln, ich bin mir sicher, das er es getan hat. Widerwillig schüttelte ich den Kopf.

"Was ist so schlimm daran in Yetzirah zu sein?" Ich sah in das besorgte Gesicht meines Partners. Wie soll ich ihm die Sache erklären? Mein Schweigen blieb die einzige Antwort. Allerdings war auf Rociel's Einmischung verlaß.

"Sie wäre niemals freiwillig hierher gekommen, also mußte ich einen anderen Weg finden. Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, sie kann Engel nicht ausstehen." Sein gehässiger Tonfall brachte meine Gedanken zum Stillstand. Langsam konnte ich wieder ruhig und zusammenhängend denken. Wer sagt denn, das ich hierbleiben muß? Es gibt bestimmt einen Weg zurück. Ich muß ihn nur finden. Der Gedanke bis dahin aber in Yetzirah bleiben zu müssen gefiel mir trotzdem nicht.

"Du kannst was nicht?!" Mein Partner sah mich entsetzt an.

"Warum hast du mir dann geholfen?" Ich murmelte irgend etwas von Reflex und ja, ich würde sie hassen vor mich hin, wodurch sich seine Augen weiteten. Seltsamerweise mischte sich auch die Mumie ein, die scheinbar jedes meiner Worte verstanden hatte.

"Dann kannst du nur ein Dämon sein und die werden hier getötet!" Mein Blick streifte über den Boden und auf meine Lippen legte sich wieder ein Lächeln. Wenn die Sache nur so einfach wäre...

Als ich den Blick hob und ihn eiskalt ansah, erkannte ich für einen kurzen Moment so etwas wie Furcht in seinen Augen. Meine Stimme war mehr als kühl, als ich ihm antwortete.

"Da irrst du dich mehr als du denkst weißer Engel. Ich bin kein Dämon!" Herausfordernd sah ich ihn an.

"Mach dich nicht lächerlich nach Yetzirah gelangt niemand, wenn er nicht Engel oder Dämon ist." Ich würde ihm nur zu gerne zeigen, was ich wirklich bin, doch das hätte eine nicht mehr aufzuhaltende Katastrophe bedeutet. Mein Partner sah mich prüfend an und meinte.

"Folglich mußt du ein Engel sein." Atemlose Stille, die von Rociels und meinem unterdrückten Lachen gebrochen wurde. Mein Kopfschütteln ließ sie völlig verschwinden und ein Gemurmel unter den Umherstehenden begann, das sehr schnell von Rociel beendet wurde.

"Und ihr nennt euch Engel?!" Seine Stimme hatte einen gefährlichen Unterton angenommen, der einem das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte, was bei mir allerdings denn völlig gegenteiligen Effekt hatte. Ich bemühte mich krampfhaft nicht laut loszulachen. Seine Stimmungswechsel sind immer wieder erstaunlich und auch jetzt fuhr er ruhig und besonnen fort.

"Fällt euch das den wirklich nicht auf?" Keine Spur mehr von dem drohenden Unterton.

"Vor allem du enttäuschst mich Sevothtarte, als mein Stellvertreter, ich möchte immer noch wissen, wer dich dazu gemacht hat, müßte es dir doch sofort auffallen!" Na vielleicht doch noch ein bißchen.

"Sie sagt die Wahrheit. Sie ist weder das Eine noch das Andere und hier, weil ich es so will! Sie stammt aus Assia!" Ah ha, die Mumie ist also Sevothtarte und wird soeben blaß, falls das überhaupt noch möglich ist bei der hellen Haut.

"Ihr meint sie ist ein Mensch?!" Rociel nickte kurz und lächelte ihn an. Selbst mir fiel es schwer jetzt nicht zu lachen. Dieser völlig irritierte Blick, zum Schießen!

"Wieso habt ihr sie dann hierher gebracht? Dieser Ort ist seit jeher für Menschen verboten! Wie soll ich das verstehen?"

"Keine Sorge, du wirst und selbst wenn nicht, stehen meine Entscheidungen außer Frage. Ich bin noch nie einem Lebewesen wie ihr begegnet. Ihr Tod wäre Verschwendung gewesen. Ist sie nicht fast so schön wie ein Engel? Sollte ich so ein Wesen etwa sterben lassen."

Nein, wie überaus freundlich mich als Wesen zu bezeichnen! Der Knabe regt mich langsam auf! Nicht nur, das er so über mich redet. Nein, er schleicht auch noch um mich rum und nimmt mir die Mütze vom Kopf, wodurch eine Flut von dunklen Haaren zum Vorschein kam, die sich langsam über meine Schultern ausbreitete, bis sie wieder ihre völlige Länge erreicht hatten. Danach setzte er mir die Mütze gütigerweise auch wieder auf. Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu, den er lächelnd ignorierte. Ich hasse nichts mehr, als wenn man mich mit Engeln vergleicht und es macht ihm jedesmal aufs neue Spaß damit anzufangen. Wenn ich könnte, würde er sich schon lange die Radieschen von unten begucken, aber leider hat Katan mich ja daran gehindert. Andererseits hat er auch Rociel daran gehindert, dasselbe mit mir zu tun. Ausgleichende Gerechtigkeit? Anscheinend sorgte mein Erscheinungsbild jetzt für noch mehr Verwirrung. Es scheint, als erkennen mich einige als Sängerin von 'White Demon Feather' wieder. Was größtenteils sehr freudig aufgenommen wurde. Argh, wenn ich gewußt hätte, das so viele Engel zu unseren Fans zählen, dann hätten wir uns doch erheblich mehr erlauben können! In den Augen von Sevothtarte spiegelte sich Unglauben und tiefste Abneigung wieder. Scheinbar kennt er die Band und ist mit der Musik nicht allzu glücklich. Wen wunderst? Wo wir doch so lieb mit den armen Engelchen umspringen. Das kann ja noch heiter werden.

"Ah, wie ich sehe erkennen dich nun doch einige von ihnen." Rociel's ach so charmante Art geht mir wirklich auf'n Keks. Gut, er ist hier vielleicht der höchste Engel, aber muß er deshalb so angeben? Und meine Rolle dabei gefällt mir ganz und gar nicht! Ich habe nicht vor hier einfach als hilfloser Mensch stehenzubleiben.

"Bist du fertig, oder muß ich mir das noch länger antun?" Es nervt mich wirklich und er macht keinerlei Anstalten die Situation zu klären. Langsam wird es Zeit mal ein paar Fakten auf den Tisch zulegen.

"Rociel-chan, um die Sache kurz zu machen. Langsam tun mir meine Beine weh und was zu trinken wäre auch nicht schlecht. Vielleicht 'ne Cola? Die Pappnase hinter mir steckt nur in der Klemme, weil er unbedingt meinte meinen Hals retten zu müssen. Laß ihn am Besten laufen. Whitie hier, teilt diese Ansicht zwar nicht, aber darüber kann ich hinwegsehen. Auch darüber, das er sehr leicht reizbar ist. Tja und eigentlich wollte ich nur wissen, wo ich bin und da das mittlerweile geklärt ist, kann ich ja wieder gehen. So schön es hier auch sein mag, ich für meinen Teil bevorzuge weiterhin Assia als Heimat." Eine leichte Verbeugung andeutend wandte ich mich zum Gehen um, woran mich allerdings Whitie hinderte.

"Geh mir sofort aus dem Weg!" Diesmal war es meine Stimme in der ein bedrohlicher Unterton lag. Seine Augen flackerten leicht, aber er blieb stehen. Gut, dann eben nicht! Entnervt drehte ich mich wieder zu Rociel um und stellte fest, das es nicht er gewesen war, der Whitie dazu aufgefordert hatte sich mir in den Weg zustellen, sondern Sevotharte. Na toll, wer hat hier nun das Sagen?

"Du kannst nicht nach Assia zurück!" Um Rociels Lippen legte sich ein hinterhältiges Lächeln.

"Verrätst du mir auch den Grund? Soweit ich bemerkt habe sind Menschen an diesem Ort mehr als überflüssig. Es wäre also für alle nur von Vorteil wenn ich wieder zurückkehre und du kannst mich nicht aufhalten!" Immer noch dieses Lächeln, das ich nicht deuten kann.

"Du weißt doch sicherlich, das meine Schwester Alexiel erwacht ist." Ich nickte kurz.

"Nun ihr Erwachen ist gleichbedeutend mit der Zerstörung von Assia. Eigentlich solltest du das wissen, denn schließlich warst du dabei. Was die andere Sache angeht, mach dir keine Sorgen. Niemand hier wird es wagen eine meiner Entscheidungen anzuzweifeln."

Mir ist als hätte mir gerade jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Assia zerstört? Was ist mit meinen Freunden? All den Menschen, die dort leben passiert? Soll ich etwa glauben, das sie alle tot sind? Mein Blick striff hilfesuchend umher. Das kann nicht wahr sein. Selbst wenn Assia zerstört ist, es können unmöglich alle tot sein! Irgendwo muß es eine Möglichkeit geben sie zu finden und hierbleiben will ich auf gar keinen Fall! Überall werde ich bleiben, nur nicht hier in den Himmeln. Na nu, da steht ja immer noch mein Partner. Auch er sah sich hilfesuchend um, aber wahrscheinlich aus anderen Gründen. Er sah mich flehend an. Okay, Assia kann noch etwas warten. Schließlich kann ich ihn nicht so einfach seinem Schicksal überlassen. Dann wollen wir mal!

"Meinst du nicht, das ist lächerlich?" Ich deutete auf Whitie, der seine Wut nur mühsam unterdrücken konnte.

"Aber dadurch hast du mich an etwas erinnert. Was habt ihr mit ihm vor?" Meine Hand wies nun auf meinen Partner und er zuckte merklich zusammen. Er scheint zu glauben, das ich ihn ins offene Messer laufen lasse. In seine Augen zeigte sich auf einmal Verachtung. Was mich wieder zum Lächeln brachte. Sevothtarte beantwortete meine Frage.

"Er wird angemessen für seinen Verrat bestraft werden!"

Diese Stimme ist eiskalt und emotionslos. Ich will erst gar nicht erfahren, was genau er damit meint und griff das Gespräch wieder auf.

"Das glaube ich nicht! Er gehört mir!" Sevothtarte war perplex und wollte gerade darauf antworten, als Rociel sich einmischte.

"Du findest an einem Engel Interesse? Wirst du da nicht deinen Prinzipien untreu?" Mir gefällt dieser zweideutige Tonfall ganz und gar nicht, aber das läßt sich leider nicht ändern, wenn die Sache klappen soll.

"Du irrst dich. Ich begleiche nur eine Rechnung. Also gehört er mir?" Langsam näherte ich mich unserem Gesprächsobjekt und es zeigte seine Angst ziemlich deutlich. Gut, so wird es nicht weiter auffallen.

"Mach dir keine Sorgen. Ich hole dich hier raus." Ich flüsterte diese Worte in sein Ohr und danach war er nicht mehr der Einzige, der mich verwundert anstarrte. Unwillkürlich begann ich zu lachen und Rociel reagierte.

"Gut meinetwegen, du kannst ihn haben. Unter einer Bedingung." Das wäre ja auch mal zu schön gewesen um wahr zu sein. Bei Rociel hat eben fast jede Sache einen oder mehrere Haken, also warum bin ich überhaupt noch überrascht? Fragt sich nur, was er sich diesmal ausgedacht hat.

"Welche?"

"Zeig dich würdig, daß du unter uns Engeln weilen darfst. Gib ihnen einen Beweis deiner Qualifikation. Du, die du fast selbst ein Engel bist, geboren in einer menschlichen Hülle." Noch schlimmer kann die Sache ja nicht mehr werden...

"Du übertreibst maßlos! Ich bin kein Engel und das weißt du genauso gut, wie ich! Also hör auf so einen Quatsch zu reden! Um nichts auf dieser Welt würde ich ein Engel sein wollen! Komm endlich zum Punkt, du hast dir doch sicher schon zurecht gelegt, wie ich diesen Beweis antreten soll!"

"Du enttäuschst mich, aber du hast recht. Die Bedingung ist, das du singst."

Bis dato bin mir noch nicht bewußt gewesen, wie verblüfft ich sein konnte. Nun jetzt weiß ich es. Das ist wirklich alles? Mehr will er nicht? Die Sache macht mich mißtrauisch, das ist einfach zu leicht.

"Und wenn ich mich weigere?" Mal testen, was passiert. Ich bin mir sicher, das da noch ein Haken existiert.

"Dann gehört er Sevothtarte! Oh nein, Sevothtarte sag nichts, ich habe hierfür meine Gründe und die wirst auch du einsehen."

Da steht jemand kurz davor zu platzen. Wahrscheinlich hindert ihn nur die Tatsache, das Rociel mächtiger ist als er daran ihn direkt anzugreifen. So flüsterte er nur ein

"Wie ihr befehlt Rociel-sama" und starrte ihn haßerfüllt an. Erstaunlich, da muß eine Menge Selbstdisziplin und Übung hinterstecken.

"Ach ja, eine Bedingung gibt es noch." Wie jetzt? Ich denke es ist nur von einer die Rede gewesen. Nun ja, just as I said.

"Was du singst bleibt dir überlassen, nur möchte ich, das du so singst, wie damals in dem Theater, wo du davon ausgingst allein zu sein."

Mir verschlug es den Atem. Er ist dort gewesen?! Ich biß mir auf die Lippen. Verdammt, er ahnt etwas! Ich hätte viel vorsichtiger sein müssen. Wenn ich nicht aufpasse, ist ein Teil meines Geheimnisses bald keines mehr. Sobald ich hier ohne Zurückhaltung singe merken sie oder ahnen es zumindest, das ich doch kein ach so normaler Mensch bin. Dieses Risiko ist verdammt hoch und Rociel weiß das ebenfalls. Sie dürfen es auf keinen Fall herausfinden! Auf meine Zunge leckte sich ein salziger Geschmack. Meine Lippen hatten begonnen zu bluten. Es ist von Anfang an eine Falle gewesen und ich bin blind hingelaufen ohne es zu merken. Jetzt sitze ich fest und wenn ich mein Versprechen halten will, muß ich dieses Risiko eingehen. Mein Blick wanderte durch den Raum. Wahrscheinlich werden viele der hier anwesenden Engel überhaupt nichts merken, aber Rociel und Sevothtarte machen mir Sorgen. Ich bin mir ganz sicher, das zumindest Rociel etwas im Schilde führt. Der Engel, dessen Leben nun in meinen Händen liegt, sah aus wie ein Häufchen Elend. Er scheint zu glauben, das die Sache niemals so einfach sein kann, genau wie ich. Der Geschmack in meinem Mund verstärkte sich und ich schluckte ihn herunter, was nicht allzuviel brachte, weil er bald darauf wiederkehrte. Dieses Mal hätte selbst ein Blinder gemerkt, wie wenig mir diese Situation behagte. Warum fällt mir bloß nichts ein? Ich kann ihn unmöglich Sevothtarte überlassen, soviel steht fest. Doch wenn ich Rociels Bedingung erfülle, dann erhält er wahrscheinlich eine Bestätigung für was auch immer er vermutet. Verdammter Mist!

"Was zögerst du solange? Es ist nie einfacher gewesen jemanden das Leben zu retten." Rociel klang richtig gönnerhaft und ich würde ihm dafür am liebsten den Hals umgedrehen. Er weiß nur zu genau in was für eine Situation er mich gebracht hat. Nun gut, scheinbar gibt es nur diesen einen Weg und ich muß wohl oder übel in den sauren Apfel beißen. Langsam atmete ich ein und wischte mir das Blut von den Lippen.

"Also gut, einverstanden. Es gibt wirklich keine weitere Bedingung mehr?" Ich sah ihn prüfend an. Das kann einfach noch nicht alles gewesen sein, dafür kenne ich ihn inzwischen zu gut. Seine Augen begannen zu glitzern und er lächelte schon wieder.

"Du scheinst mich wirklich zu durchschauen. Es gibt noch eine Bedingung, aber die sollte dir ebenfalls nicht allzu schwer fallen, sonst wäre das Ganze doch zu einfach. Meinst du nicht auch?" Was habe ich gesagt? Meine Begeisterung kennt absolut keine Grenzen mehr.

"Die letzte Bedingung ist, das du hierbleibst und zwar solange, wie ich es wünsche. Selbstverständlich stehst du unter meinem Schutz und niemand wird auch nur im Ansatz auf die Idee kommen Hand an dich zu legen." Scharf sah er die umstehenden Engel an, die sofort zusammen zuckten. Es traf mich wieder total unerwartet und ich registrierte gerade noch den zufriedenen Blick von Sevothtarte, als meine Knie nachgaben.

"Niemals! Das ist nicht dein Ernst! Ich kann nicht hierbleiben! Nein, vollkommen unmöglich! Das kannst du nicht von mir verlangen!" Meine Worte waren mehr ein Flüstern als alles Andere. Ich schüttelte den Kopf, ohne meinen Blick zu heben. Mir ist, als hätte er soeben mein Todesurteil verlesen. Schritte näherten sich mir, doch ich sah gar nicht hin, der Schock saß. Das hat er von Anfang an beabsichtigt! Er weiß ganz genau, das mich nichts hätte hier halten können und nun nutzt er die Situation schamlos aus! Warum bin ich nur auf die Idee gekommen, das es anders sein könnte? Eigentlich hätte ich es von Anfang an besser wissen sollen. Jemand kniete sich neben mich und eine Hand an meinem Kinn zwang mich den Kopf zu heben. Ich sah direkt in Rociels Gesicht, das kaum noch eine Handbreit von meinem entfernt war.

"Ich habe doch versprochen, das du mit mir nach Yetzirah kommen würdest und dort bleibst solange, wie ich es verlange! Wie du siehst halte ich mein Wort." Zu seinem Glück bin ich viel zu geschockt, um zu reagieren zu können, ansonsten hätte er sich sonst was eingehandelt. Ich war wie gelähmt, doch in meinem Inneren brodelte es. Mit einem Ruck löste ich mich aus seinem Griff und starrte wütend den Boden an. Der Preis ist hoch! Viel höher als ich erwartet habe. Ein Leben in einem golden Käfig. Hier wo ich niemals sein wollte. Ist es das wirklich wert? Und überhaupt, was schert mich das Leben eines Engels? Doch wenn ich nicht akzeptiere werden sie ihn töten und dann bin ich keinen Deut besser als sie. Nein, soweit darf es nicht kommen! Dafür haben sie mir zu viel angetan! Dieses Schicksal wünsche ich keinem. Um meine Lippen legte sich ein verbittertes Lächeln.

"Sag mir nur eines Rociel-chan. Hattest du die Sache von Anfang geplant, oder ist es Zufall?" Sein Kichern drang in meine Ohren und ich spürte wie er seinen Arm um mich legte, wobei er mich immer näher zu sich heran zog. Sein Atem strich über meine Wange.

"So gerne ich das hier auch geplant hätte, ich muß leider zugeben, das es purer Zufall war, der mir einiges erleichtert hat und dich in meine Hände spielt. Aber wenn du dich fragst, ob du auch sonst in diese Situation geraten wärst, so lautet die Antwort ja. Es gibt noch einiges anderes mit dem du in die gleiche Falle geraten wärst." Diesmal sah ich ihn abrupt an und schob seinen Arm beiseite. Er hätte mir also von Anfang an keine andere Wahl gelassen, egal, was auch geschehen wäre...

"Na, wer wird denn gleich so böse werden. Schließlich lasse ich dir noch die Wahl. Noch kannst du dich frei entscheiden!" Er stand auf und setzte sich auf seinen Thron gefolgt von Sevothtarte, der sich rechts neben ihn stellte. Er begreift wahrscheinlich nicht, was Rociel bezweckt, aber die Situation scheint im mittlerweile zu gefallen. Seine Augen funkelten vor Freude und auch Whitie freute es mehr als alles andere mich am Boden zu sehen. Der wird sich noch wundern, denn so bleibt es garantiert nicht. Langsam stand ich auf. Meinetwegen soll Rociel seinen Willen haben. Irgendwann wird er es bereuen...

Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Sofort wandte ich mich um und sah in das fragende Gesicht meines Partners.

"Ich habe keine Ahnung, was hier vorgeht, aber ich bitte dich geh nicht darauf ein. Nichts kann es wert sein, das man sich sein Leben lang unterwirft. Tu es nicht!" Er versteht es wirklich nicht. Mit einem Kopfschütteln gab ich ihm zu verstehen, daß meine Entscheidung bereits feststand und es sinnlos war mich jetzt noch davon abbringen zu wollen. Ich hatte mich entschieden und ging entschlossen auf Rociel zu.

"Hast du deine Entscheidung getroffen?"

Diese Frage war mehr als überflüssig in seinen Augen konnte ich sehen, das er die Antwort darauf bereits kannte.

"Ja, ich akzeptiere die Bedingungen, wenn er für den Rest seines Lebens vor dir und sämtlichen Soldaten sicher ist." Seine Augen weiteten sich leicht, doch mehr war von seinem Erstaunen nicht zu sehen. Er begann wieder zu lachen.

"Ich hätte wissen müssen, das du dich niemals so einfach geschlagen geben würdest. Hmm, nun gut, halte dich an meine Bedingungen und ihm wird keine Gefahr drohen, weder von mir noch von sonst irgend jemanden." Man konnte den Umstehenden anmerken, das sie mit dieser Entscheidung alles andere als einverstanden waren, aber sie schwiegen. Durch ein kurzes Nicken nahm ich an und wandte mich zum Gehen.

"Einen Moment!" Shit, hätte ja ruhig klappen können!

"Hast du nicht etwas vergessen? Ich bin sicher, du weißt ganz genau, was ich meine. Für so dumm kannst du mich unmöglich halten." Argh, warum nur? Hätte er nicht einfach mal darüber hinwegsehen können? Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern und tat so, als sei es Zufall, das ich fast die erste Bedingung vergessen hatte. Probieren kann man es ja mal. Seufzend fügte ich mich. Allerdings soll Rociel sich nicht einbilden, das ich von jetzt an klein beigeben werde! Wenn ich schon singen muß, dann etwas, was meiner Meinung nach diese Situation verdeutlicht und meinen Standpunkt angemessen vertritt. Ohne mir die Mühe zu machen mich umzudrehen, um in Rociels Gesicht zu sehen setzte ich mich auf den Boden und schloß die Augen. Mir scheint nichts passender zu sein als dieses Lied, das ich ohnehin schon immer mal ohne Zurückhaltung singen wollte und so begann ich. Diesen Text würde ich sogar im Schlaf noch können.
 

Ich will nicht

gehorsam,

gezähmt und

gezogen sein.

Ich will nicht

bescheiden,

beliebt und

betrogen sein.

Ich bin nicht

das Eigentum von dir,
 

Vor der nächsten Zeile holte ich noch einmal tief Luft und sang weiter. Jeder soll merken, was hier mein Standpunkt ist.
 

denn ich

gehör nur mir.
 

Ich möchte

vom Drahtseil

herabsehen

auf diese Welt.

Ich möchte

aufs Eis gehn

und selbst sehn,

wie lang's mich hält.

Was geht es dich an,

was ich riskier.
 

Ich

gehör

nur mir.
 

Inzwischen ist es mir egal, ob sie es merken oder nicht. Endlich ohne Zurückhaltung singen zu können machte mir richtig Spaß und ich ließ meine gewohnte Stimme völlig außer acht. Wieder so zusingen, wie ich es schon in meiner Jugend getan habe gibt mir ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit wieder.
 

Willst du mich belehren,

dann zwingst du mich bloß,

zu fliehn vor der lästigen Pflicht.

Willst du mich bekehren,

dann reiß ich mich los

und flieg wie ein Vogel ins Licht.

Und will ich

die Sterne,

dann finde

ich selbst dorthin.

Ich wachse

und lerne

und bleibe

doch wie ich bin.

Ich wehr mich,

bevor ich mich verlier.

Denn ich

gehör nur mir.
 

Ich will nicht

mit Fragen

und Wünschen

belastet sein.

Vom Saum bis

zum Kragen

von Blicken

betastet sein.

Ich flieh',

wenn ich fremde Augen spür'.

Denn ich

gehör nur mir.
 

Ich spürte, wie meine Stimme von den Wänden weiter getragen wurde und auch in den letzten Winkel des Saales drang. Keiner der Anwesenden würde nichts hören. Wie lange ist es her, das ich mich zu letzt so unbeschwert gefühlt habe?
 

Und willst du mich finden,

dann halt mich nicht fest.

Ich geb meine Freiheit nicht her.
 

Und willst du mich binden,

verlaß ich dein Nest

und tauch' wie ein Vogel ins Meer.

Ich warte

auf Freunde

und suche

Geborgenheit.

Ich teile die Freude,

ich teile

die Traurigkeit.

Doch verlang nicht

mein Leben,

das kann ich dir

nicht geben.

Denn ich

gehör nur mir.
 

Nur mir!
 

Seltsamerweise war es still um mich herum, als auch der letzte Ton allmählich verklang. Mich beschleicht das dumpfe Gefühl, das ich Rociel eigentlich danken muß, aber das ist Gott sei Dank nur von kurzer Dauer. Langsam öffnete ich meine Augen wieder und sah genau das, was ich befürchtet hatte. Man sah mich an, als sei das, was sie soeben gehört hatten unmöglich. Ich schielte über die Schulter in Richtung Rociel, der zufrieden vor sich hinlächelte und nun zu klatschen begann. Was auch immer er gesucht hat, jetzt hat er seine Bestätigung. Der Rest des Saals begann ebenfalls zu klatschen und schon bald herrschte ein ohrenbetäubender Lärm. Nur kann ich den Applaus nicht richtig genießen...

>Eine Stimme, die selbst Engel zum weinen bringen könnte.< Diesen Satz hatte mir einst ein alter Freund mit auf den Weg gegeben und wie es scheint sollte er damit recht behalten. Damals an seinem Totenbett, war es mir unglaublich schwergefallen ihm die letzte Ehre zu erweisen. Er war einer der Wenigen gewesen, die noch die ganze Wahrheit über mich gekannt hatten und ihn sterben zu sehen zerriß mir fast das Herz. Selbst jetzt ist es schmerzhaft an ihn zu denken. Keinem habe ich mehr so vertraut wie ihm. Keiner meiner jetzigen Freunde kennt auch nur annähernd die Wahrheit. Das Risiko ist einfach zu hoch. Ich verlor mich in meiner Erinnerung.

>Ich bin so froh dich gekannt zu haben und hoffe, das du eines Tages das findest, wonach du suchst. Niemand hätte es mehr verdient ein glückliches Leben zu führen. Nein, schüttle nicht den Kopf, du verdienst es. Auch wenn du dich noch so sehr verstellst, ich weiß, wie sehr du dich nach einem friedlichen und sorgenfreien Leben sehnst, das ich dir leider nie ermöglichen konnte. Was ist das? Du weinst? Mein törichter, kleiner Engel du wußtest doch, das ich irgendwann sterben würde. So geht es allen Menschen.< Er holte tief Luft.

>Ich habe dich aus einem ganz bestimmten Grund noch einmal rufen lassen, auch wenn ich damit unser Versprechen gebrochen habe. Ich wollte nicht sterben, ohne vorher noch einmal diese Stimme gehört zu haben, die selbst Engelschöre vor Neid erblassen läßt. Tust du mir diesen Gefallen? Erfülle bitte einem törichten, alten Mann seinen letzten egoistischen Wunsch.< Ich tat es mehr als gerne und sang für ihn eines seiner Lieblingslieder. Als ich aufhörte zu singen sagte er noch...

>Wunderschön! Es gibt wohl nichts schöneres auf dieser Welt... kümmere dich bitte noch eine Zeitlang um meine Familie, bis sie meinen Tod verkraftet haben. Bevor ich endgültig lebwohl sage, muß ich dir noch ein Geständnis machen. Damals habe ich gelogen. Ich wußte nicht wer du warst, bis du es mir erzählt hast. Es tut mir leid, aber bitte glaube mir, das ich dich nie verletzen wollte.<

Ein Ruck an meinen Schultern brachte mich wieder in die Gegenwart zurück.

"Vermißt du nicht etwas?" Es war Rociels Stimme und als ich den Kopf zur Seite drehte konnte ich direkt in sein breit grinsendes Gesicht sehen. Man hat der heute eine gute Laune. Richtig abartig! Keine Ahnung, was er meint.

"Hmm, ich sehe, dir ist es bis jetzt noch nicht aufgefallen." Mit diesen Worten zog er etwas aus der Tasche seines Mantels und ließ es in einiger Entfernung vor meiner Nase baumeln. Das Kreuz! Sofort war ich wieder auf den Beinen. Verdammt, wieso ist mir nicht aufgefallen, das es fehlt? Was aber noch wesentlich schlimmer ist, ist die Tatsache, das es sich momentan in Rociels Händen befindet. Wenn er nun das Siegel entdeckt hat? Nein! Ausgeschlossen! Nur ich kann das Siegel sehen und zerbrechen!

"Wie ich sehe hast du es wiedererkannt. Es ist sonderbar, diese Abneigung gegen Engel und dann dieses Kreuz, das du normalerweise nie ablegst. Mir scheint, das sich mehr dahinter verbirgt, als du bereit bist zuzugeben und jetzt weiß ich es. Ich habe mir die Freiheit genommen es untersuchen zu lassen."

Scheiße! Ich schaffte es nicht mehr mein Entsetzen noch länger zu verbergen. Wenn er es herausgefunden hat, bin ich geliefert!

"Es schützt dich und zwar mit einer immensen Macht, die selbst mich verblüfft. Obwohl du direkt daneben standest, als Alexiel erwachte bekamst du nicht einen Kratzer ab. Das Kreuz hüllte dich in einen Kranz aus Licht an dem die Kraft Alexiels abprallte, als sei sie nicht vorhanden. Ich möchte nur zu gerne wissen, welche Macht dahinter steckt. Eines Tages finde ich es heraus, das ist ein Versprechen!" Er warf das Kreuz kurz in die Luft, fing es wieder auf und hängte es mir lächelnd um den Hals.

"Du mußt jemanden schwer beeindruckt haben, das man dir solch einen Schutz zukommen läßt." Ich war vollkommen perplex. Er hat verdammt viel rausgefunden und das in ziemlich kurzer Zeit. Gott sei Dank kommt er nicht auf das wirkliche Geheimnis des Kreuzes! Ganz so falsch ist seine Theorie ja nicht, doch ich werde mich hüten ihn darauf hinzuweisen. Soll er glauben, was er will, Hauptsache er findet es nicht heraus.

"Du siehst ganz schön blaß aus." Ich spürte seinen Atem an meinem Ohr.

"Was macht dir Sorgen? Assia? Die anderen Engel? Katan? Wegen ihm brauchst du dir keine zu machen, er ist in Sicherheit."

Treffer, das saß. Natürlich habe ich mich gefragt, was mit Katan passiert ist, aber ich erwähnte es mit Absicht nicht in Gegenwart der anderen Engel, da sie gewisse Dinge einfach nicht zu wissen brauchen. Rociel hat es geschickt angestellt. Niemand von den Anderen hatte seine Worte gehört. Er scheint derselben Ansicht zu sein wie ich. Aber muß er mir deshalb so auf die Pelle rücken?! Langsam komme ich mir wie die Maus vor, mit der die Katze spielt, bevor sie von dieser gefressen wird. Diese Rolle lag mir noch nie und als clevere Maus werde ich jetzt einfach mal die Flucht nach vorn probieren. Mal sehen, wie die Katze reagiert. Meine Laune steigerte sich sichtlich, schließlich ist jetzt fast alles erledigt. Bleibt nur noch meinen Partner hier herauszubringen und Katan zu finden, beides sollte nicht mehr allzu schwer werden. Dezent schob ich Rociel beiseite, packte meinen Kollegen am Arm und ging schnurstracks auf die Tür des Saals zu, durch die wir gekommen waren. Das ist zwar eher ein Tor, aber so genau muß man ja nicht sein. Es klickte, jemand hatte hinter uns seine Waffe gespannt und ich ahnte schon welcher Trottel das war. Lernt der denn nie dazu? Ich ließ meinen Engel los und drehte mich wieder um. Whitie starrte mich haßerfüllt an und hielt die Waffe in Anschlag, genau auf mein Herz gerichtet. Ohne den entsetzten Blick von Sevothtarte und die dunkle Drohung, die von Rociel ausging zu beachten. Muß sein Ego ja ziemlich stark geknickt haben...

Auch egal! Wenn er abdrückt, dann kann ich noch so schnell sein er würde treffen und zwar tödlich. Gar nicht mal schlecht, solange zu warten, bis ich völlig frei stand, ohne den Hauch einer Chance auf Deckung. Hmm, wenn ich näher an ihn rankäme wäre die Sache schnell vorbei. Mal sehen, wie gut er wirklich ist. Im äußersten Notfall hätte er ohnehin keine Chance, doch dann wäre auch meine Tarnung im Eimer...

"Was soll das werden, wenn's fertig ist?" Oh ha, der ist sauer! Seine Augen sprühten geradezu vor Zorn und er stand kurz davor zu explodieren. (Wird 'ne ziemliche Sauerei geben.) Die Antwort blieb aus, aber mit einer Hand winkte er mir näher zu kommen. Prima, Problem gelöst! Langsam schritt ich auf ihn zu, nicht ohne vorher deutlich zu machen, das sich alle Anderen raushalten sollten. Was dringend notwendig war, denn Rociel stand kurz davor ihn einfach über den Jordan zuschicken. Sevothtarte hingegen machte den Eindruck, als ginge ihn das alles nichts an. Mir auch recht. Etwa einen halben Meter vor Whitie blieb ich stehen. Schon wieder, der Kerl merkt einfach nicht, wie leicht man ihn entwaffnen kann. Tja Alter, wenn du nicht bald die Kanone wegpackst, dann wirst du dir noch weh tun. Ich begann zu lächeln, was ihn noch wütender machte. Richtig niedlich er läuft rot an.

"Hör auf zu lächeln!" Seine Stimme klang ziemlich gepreßt. Kein Wunder, er spielt hier schließlich nicht nur mit meinen Leben, sondern auch mit seinem. Bleibt immer noch die Frage, warum? Also fragte ich ihn.

"Du gehörst hier nicht hin. Auf Menschen wie dich legt hier niemand wert! Yetzirah muß rein bleiben!" Vollkommen plemplem, aber was habe ich von einem Engel auch anderes erwartet? Was mir überhaupt nicht gefällt ist seine Betonung der Worte Menschen wie dich fast so, als wäre das was Ekeliges. Inzwischen hatte er die Waffe angehoben und ich konnte in die Mündung sehen. Hmm, 8mm. Na gut Kleiner, du willst es ja nicht anders! Mit einer schnellen Handbewegung irritierte ich ihn, duckte mich und schlug ihm die Waffe aus der Hand. Noch bevor er wußte, was überhaupt passiert war plazierte ich einen Fuß in seiner Magengegend und er wurde zu Boden geschleudert. Lächelnd fing ich seine Waffe auf und hielt sie ihm vor die Nase.

"Schätze im Ernstfall wärst du jetzt tot!" Seine Augen starrten mich ungläubig an.

"Kleiner Tip unterschätze niemals deinen Gegner, sonst tötet er dich!"

Ich ließ ihn liegen und überließ ihn den anstürmenden Uniformierten. Ah, das hat richtig gut getan! Lachend zwinkerte ich Rociel zu, der ausnahmsweise mal sprachlos war und nutzte diese Gelegenheit zum Gehen. Meinem Engel tippte ich kurz auf die Schulter, damit er mir folgte.
 

99-12-10

Next Part 04 - Secret Watergarden
 

Das Lied, das Shao hier singt stammt aus dem Musical Elisabeth. Sie hat einige Zeit am Broadway verbracht, bevor sie wieder nach Japan zurück kehrte. Diese Musical hat sie faszinierd und es fiel ihr sehr schwer ihre wahre Stimme nicht zeigen zu können, da sie ansonsten Gefahr lief von ihren Verfolgern entdeckt zu werden.
 

Das Musical wird übrigens in Essen aufgeführt. Wer Zeit und Lust hatte sollte es sich auf jeden Fall einmal ansehen. Es lohnt sich ^-^



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