Lost in Time von Shelling__Ford (ShinichixRan) ================================================================================ Kapitel 6: Schwarze Spuren -------------------------- Schwarze Spuren Bell und Matzudo waren getrennt losgezogen, trotz dessen, dass sie beide den gleichen Termin hatten, war der Pathologe mit einem entschuldigenden Lächeln erst zur Uni aufgebrochen, während Shinichi sich direkt ins Präsidium aufmachte. Einem alteingesessenen Pathologen würde man die Verspätung vielleicht verzeihen, ihm aber ganz bestimmt nicht. Das Polizeihauptquartier von Tokio wieder zu sehen, malte ein Lächeln auf Bells Lippen; das Gebäude, welches sich äußerlich nicht verändert hatte zu besuchen, tat Shinichi unverhofft gut und half den ersten Tag seines Aufenthalts ein Stück weit zu vergessen. So schlimm konnte das heute gar nicht werden. Auch wenn es ihn immer noch ein wenig stichelte, dass Megure ihm die zweite Botschaft ohne mit der Wimper zu zucken vorenthalten hatte. Nachdenklich ging er durch die ihm wohl bekannten Flure, wieso Megure es ihm nicht erzählt hatte, war ihm ein Rätsel, spätestens heute Morgen hätte er es sowieso erfahren… wieso also war es dem Kom- nein, Hauptkommissar, so wichtig, ihn bis heute im Ungewissen zu lassen? Er würde es wahrscheinlich gleich erfahren. Shinichi sah auf, merkte, wie ihn ab und an ein Blick fragend streifte; abschätzend und pikiert war nur ein Teil der Gesichtsausdrücke, die ihm begegneten. Augenscheinlich wussten die Beamten genau, mit wem sie es zu tun hatten und wozu er da war, auch wenn ihn keiner direkt darauf ansprach. Während Shinichi das Konferenzzimmer ansteuerte, in das Megure ihn bestellt hatte, versuchte er, das ein oder andere Gesicht in dem zum Teil blau uniformierten Wirrwarr von Polizisten wiederzuerkennen, doch sie alle blieben für ihn namenlose Figuren. Kurz vor seinem Ziel hörte er durch die braune Holztür des Sitzungsraums eine aufgebrachte Stimme, deren Grund zur Wut Shinichi bis eben verdängt hatte. „Was fällt dem Kerl eigentlich ein!“ Noch vor der Tür zuckte der Detektiv zusammen, dachte mit einem zerknirschten Lächeln auf den Lippen an Flucht, während Megure weiter Schimpftriaden gegen ihn ausstieß. „Einfach Kinder hierher zu bestellen-„ „Aber wir sind keine Kinder mehr!“ „-als ob er hier das Sagen hätte!“ „Wir haben Ihnen doch schon öfter bei einem Fall geholfen!“ „D-Das stimmt Hauptkommissar Megure, die Kinder…“ Doch auch Takagis Worte konnten Megure nur schwer besänftigen. „Ich weiß ja, ich weiß, dennoch hier geht es nicht um irgendeinen Fall. Außerdem geht’s hier ums Prinzip! Wenn er euch heute einlädt haben wir hier morgen den ganzen Pressevorstand sitzen!“ Shinichi hatte die Tür einen Spalt weit geöffnet, sah Megure die Hände auf den Konferenztisch gestützt vor sich stehen, der Hauptkommissar war in Rage, die pochende Ader an seiner Schläfe konnte auch sein Hut nicht verbergen. Er sah die Kinder unschlüssige Blicke tauschen, dass der Amerikaner hier eigentlich nicht erwünscht war, hatten sie nicht erwartet und dass er ihretwegen nun Ärger bekam, wollten die drei nun doch vermeiden. „Im Grunde genommen… also eigentlich hat er uns gar nicht wirklich-„ „Schon gut, Mitsuhiko.“ Er öffnete die Tür nun ganz, blieb aber in deren Rahmen stehen, bevor die Oberschüler die Schuld auf sich luden, wollte er lieber einschreiten. Megures Gesicht spannte sich kurz, schwankte zwischen gespielter Höflichkeit und seiner Wut, bis er sich kurzerhand für ein Mittelding entschied. „Ich muss schon sagen Professor, einfach Kinder hierher zu bestellen, obwohl Sie wissen, dass der Fall größter Geheimhaltung unterliegt, ist schon ein starkes Stück!“ Der rüge Tonfall des Hauptkommissars wurde von dem kurzen Zucken seines Schnurrbartes begleitet, das andeutete, was er noch viel lieber gesagt hätte. Bell aber bemühte sich um einen freundlichen Ton, lächelte Megure entschuldigend an, während er weiter in den Raum ging und sich dem Hauptkommissar gegenüber stellte. „Guten Morgen, allerseits. Nun Hauptkommissar Megure, ich kann verstehen dass Sie aufgebracht sind, allerdings versicherten die Kinder mir, dass sie Ihnen schon öfter behilflich waren, und angesichts ihrer Leidenschaft für Holmes dachte ich, sie könnten uns vielleicht wirklich helfen.“ Die Augen der Detektivboys wurden groß, genauso groß wie das dankbare Lächeln, das sich nun auf den Lippen der drei ausbreitete. Dieser Amerikaner haute sie tatsächlich in feinster Manier aus dieser Sache raus, log, um ihnen zu helfen, ohne mit der Wimper zu zucken. Als Bells Blick sie streifte, wussten sie gleich, dass nun auch sie Einsatz zeigen mussten. „Genau so war es!“ Pflichtete Ayumi ihm bei. „Wir haben doch schon öfter mitgearbeitet.“ Doch Megures Stimme blieb hart, auch wenn seine Gesichtszüge ihm leicht entglitten. „Das hier ist aber kein Fall für euch. Ihr seid in der Oberstufe und solltet euch weiß Gott um die Schule kümmern!“ Mitsuhiko aber ließ sich nicht abschütteln, schlug einen protestierenden Ton an. „Das ist unfair. Shinichi durfte Ihnen bei den Fällen doch auch helfen!“ Megure zuckte bei dem Argument merklich zurück, doch die angespannte Ruhe währte nur kurz. „Stimmt… und auch ich hab meine Nase in manch polizeiliche Angelegenheit gesteckt Megure, und se können wohl kaum behaupten, das wir nich hilfreich gewesen wären.“ Shinichis Herz setzte einen Schlag aus als er den Dialekt hörte, die Stimme, von der er auch ohne hinzusehen wusste, wem sie gehörte. Dort wo eben noch Bell gestanden hatte grinste er ihnen nun herausfordernd entgegen. Wie alle hatte auch Shinichi sich zur Tür herum gedreht, anders jedoch als die anderen, die dem Neuling freudig und erwartungsvoll entgegen sahen, war er zu keiner Regung fähig. Mit weit aufgerissenen Augen und achtlos offen stehendem Mund betrachtete er den Mann im Türrahmen, als hätte er nie zu vor etwas Ähnliches gesehen. Dabei stimmte das so bei weitem nicht… Heiji Hattori konnte man nicht vergessen, selbst nach zehn Jahren nicht. Shinichi erkannte direkt, dass sein Freund noch ein Stück gewachsen war, seine Statur hatte sich seinen siebenundzwanzig Jahren angepasst und wie es schien, hatte ihn endlich jemand dazu überredet, die verschlissene Baseballkappe zu beerdigen, oder zumindest weit weg von ihrem Träger aufzubewahren. Der Ausdruck in seinen Augen war jedoch scharf wie eh und je. Noch immer unfähig etwas zu sagen oder zu denken, starrte er seinen alten Freund an, der seinen überraschenden Auftritt nun in altbekannter Manier abrundete. „Lassen se die Kinder doch helfen Megure. Wir können doch jede Hand gebrauchen… sonst hätten wir ja bestimmt nich die Ehre, Mr. Bell hier willkommen zu heißen, oder?“ Heijis Augen richteten sich nun auf Shinichi. Hitze schoss ihm in die Wangen, als hätte der Blick seines Freundes in verbrannt. Hattori hatte ihn schon einmal durchschaut, seinem alten Freund etwas vorzumachen, würde nicht leicht werden. Er schluckte, erwiderte den Blick des Detektivs mit einem kurzen Nicken. Nein, das Ganze würde es für ihn nicht einfacher machen, langsam hatte sich jeder, mit dem er früher einmal etwas zu tun gehabt hatte, um ihn versammelt. Etwas in ihm schrie förmlich danach, sich ihnen mitzuteilen, wenigstens ein paar Neuigkeiten auszutauschen oder zu erfahren, wie es dem jeweils anderen ging, doch sein Verstand stellte dieses Verlangen unter Arrest. Er durfte nicht. Er konnte nur als unbeteiligter Zuschauer beobachten, wie Megure seinen alten Freund nun herzlich begrüßte. „Heiji! Schön das du so schnell kommen konntest!“ Der angesprochene erwiderte das Lächeln Megures, schüttelte ihm freudig die Hand. „Hallöchen Hauptkommissar, freut mich, Sie mal wieder zu sehen, auch wenn die Umstände ja leider weniger angenehm sind.“ Megure nickte, klopfte dem jungen Mann jedoch stolz auf den Rücken. „Na, jetzt wo wir dich haben, kann ja nichts mehr schief gehen! Ach ja…“ Megures Blick richtete sich an Bell. „Wenn ich vorstellen darf, Kommissar Heiji Hattori aus Osaka.“ Heiji verstand die Aufforderung, trat einen schritt auf Bell zu und reichte ihm die Hand. „Professor Bell, nehme ich an? Freut mich sehr, Sie kennen zu lernen.“ Doch Shinichi kannte den Mann aus Osaka gut genug, um zu wissen, dass das freundliche lächeln auf seinen Lippen keineswegs einfach nur „Willkommen“ hieß, eher stand in den leuchtend grünen Augen herausfordernd geschrieben „Mal sehen ob du mich schlagen kannst.“ Shinichi grinste innerlich, vielleicht würde es zumindest ein wenig lustig werden, auch so mit seinem alten Freund zusammenzuarbeiten. Er erwiderte Heijis Lächeln und ergriff die Hand des Detektivs. „Freut mich ebenfalls! Was macht denn ein Kommissar aus Osaka in Tokio?“ „Das Gleiche wie’n Amerikaner, denk ich.“ Die Atmosphäre war gespannt, der freundliche Händedruck war ein deutliches Zeichen dafür, dass Bell den Federhandschuh aufhob, den Heiji ihm vor die Füße geworfen hatte. Megure, der die leichte Spannung zwischen den beiden Detektiven zu merken schien, wollte die Besprechung nun endlich eröffnen. „Nun gut, nachdem wir die Begrüßung abgeschlossen haben, lassen Sie uns mit dem Fall beginnen.“ „Wir können also bleiben, ja?“ Megure, der die Anwesenheit der drei Oberschüler schon längst vergessen hatte, sah sie nun überrascht an, die Detektivboys hatten das breite Lächeln aufgesetzt, mit dem sie ihn schon früher zu dem ein oder anderem überredet hatten. „Also schön.“, gab er seufzend nach. „Aber ihr macht genau das, was man euch sagt! Verstanden?“ „Klar doch!“ „Wie immer!“ Das breite Grinsen der drei ging über zu Heiji, der sich grade neben Mitsuhiko niederließ. „Jetzt, wo du mit von der Partie bist, wird es bestimmt doppelt so spannend Heiji!“ Inspektor Takagi nickte den drein zu. „Allerdings, fast so wie in alten Zeiten!“ Die Ruhe, die nach Takagis Worten plötzlich eintrat, verwirrte Shinichi, die bedrückten Gesichter, die für eine Sekunde lang Einzug hielten, ehe Megure mit einem Räuspern die Stille durchbrach. „Nun… lasst uns anfangen, ehe dieser Irre sich ein neues Opfer sucht.“ Sie nickten, doch die Stimmung war noch immer gespannt. Bell, der sich grade einen Stuhl gegenüber Heiji zurechtrückte, beobachtete Sato und Takagi, die grade ein „unterirdisches“ Gefecht aus zu tragen schienen, bei dem Sato, Takagis schmerzverzerrter Mine nach zu urteilen, siegte. „Au! Mensch, Miwako…“ „Selbst schuld!“, zischte sie, nickte dann zu den Detective Boys, die nun weit weniger fröhlich den Erläuterungen Megures zuhörten. „Du bist selbst Vater! Da könnest du ruhig ein wenig einfühl-„ „Takagi! Sato!“ Das Paar zuckte zusammen, rutschte unter dem scharfen Blick des Hauptkommissars ein wenig tiefer in ihre Stühle. „Was immer es auch ist, regeln Sie ihre Privatangelegenheiten bitte in Ihren eignen vier Wänden!“ Die beiden nickten synchron und leicht errötet, lauschten nun still den Erläuterungen ihres Vorgesetzten. Die Besprechung der bisherigen Untersuchungen blieb größtenteils ergebnislos, auch der Pathologe, der wie ankündigt etwas verspätet hinzu kam, hatte der Truppe nicht viel Neues mitzuteilen. Bei beiden Leichen waren in Blut- und Organanalyse unauffällig, die Opfer waren an den offensichtlichen Ursachen gestorben. Keines wies Anzeichen eines Kampfes, auffällige Fingerabdrücke, Haut- oder Stoffpartikel auf. Die Vermutung, dass der Täter dem ersten Opfer zu urteilen eher ein Mann war, blieb anhand des zweiten Mordes eine Vermutung. Mehr hatte Matzudo ihnen nicht zu sagen, teilte ein paar Kopien der Laborergebnisse aus und verabschiedete sich dann von der Gruppe, die durch ihn nicht grade schlauer geworden war. Knurrend zog sich Megure einen Stuhl zurück, ließ sich seufzend darauf nieder und überfolg die Ergebnisse mit einem schnellen Blick. Seine Miene hatte sich verfinstert, dieser Fall war so undurchsichtig wie die eklige Gerstensuppe, die Midori immer machte, wenn sie sauer auf ihn war. Sie wusste genau, dass er die Pampe nicht mochte. Sie könnte ja auch gar nichts kochen, aber nein, sie saß lieber daneben und sah mit dem friedlichsten Lächeln dieser Welt zu, wie ihr Mann die Suppe auslöffelte. Megure verzog das Gesicht bei dem Gedanken, dass der Mörder jetzt wohl genau dasselbe tat, dem nicht genug, er konnte es sich ganz offensichtlich nicht verkneifen, seine Taten noch mit Worten zu schmücken, um der Polizei das Ganze erst richtig zu versalzen. Seufzend schüttelte er den Kopf, sah nun wieder in die Runde. „Sieht ganz so aus, als kommen wir mit bloßen Beweisen nicht weiter, am besten, wir widmen uns noch den Briefen, bevor wir uns mit den Zeugen beschäftigen. Ach ja, Bell sie sollten wissen das-„ „Schon gut Herr Hauptkommissar, die Nachrichten gestern Abend waren sehr informativ.“ Bell lächelte nicht, auch wenn er die leichte Röte auf Megures Wangen genoss, der ihn ertappt ansah. „Aber eine Frage habe ich doch. Wie kommt es, dass, obwohl dieser Fall strengster Geheimhaltung unterliegt, eine solche Information an die Presse gelangt?“ Megure zuckte kurz zusammen, dem genervten Ausdruck auf dem Gesicht des Beamten nach zu urteilen, hatte Shinichi da grade einen wunden Punkt erwischt. „Das ist allerdings ein Problem.“, gab der Hauptkommissar grummelnd zu. „Noch ein paar Sekunden, bevor wir am Tatort waren, muss ein Photograph vor Ort gewesen sein. Diesem Gesindel ist es zwar untersagt, etwas über die Identität des Toten bekannt zu geben, ehe nicht alle Angehörigen informiert wurden… so eine Nachricht allerdings wird wohl keiner dieser Aasgeier länger als nötig zurück halten.“ Takagi nickte bekümmert. „Der Kerl hat das Weite gesucht, als wir kamen, diese Hunde wissen genau, dass sie nicht an den Tatort gehören. Auch wenn es schon seltsam ist… die Geschwindigkeit, in der die Presse diesmal da war.“ „Ist es nicht möglich, dass er Ihnen aufgelauert hat?“ „Wie?“ Die Augen aller Anwesenden richteten sich auf Ayumi, die sich von der Aufmerksamkeit der Erwachsenen jedoch nicht beirren ließ. „Na ja, das Ganze hat doch ziemlich viel Aufsehen erregt, durch den ersten Brief hat man doch nur auf einen zweiten Mord gewartet!“, erklärte die Oberschülerin, wurde dabei von Mitsuhiko tatkräftig unterstützt. „Genau! Da wäre es doch denkbar, dass sich jemand hier postiert hat und nur darauf gewartet hat, dass sie losstürmen, oder nicht?“ „Es wäre zumindest eine Möglichkeit.“ „Allerdings gibt es da auch noch eine andere.“ Gespannt huschten die Augen aller auf Kommissar Sato. „Vielleicht steckt der Mörder ja mit der Presse unter einer Decke?“ „Das glaube ich eher nicht.“ Doch die beiden Detektive kamen ins Stocken, nachdem sie den Satz gleichzeitig ausgesprochen hatten, sahen sich nun verwirrt an. Auch die Augen der Anderen Anwesenden ruhten überrascht auf ihnen und brannten wie kleine Armeisenstiche auf Bells Haut. Shinichi schluckte, reagierte schnell hob ergeben die Hände und überließ Heiji damit den Vortritt. „Nur zu Kommissar Hattori, übernehmen Sie.“ Der jedoch inspizierte seinen Konkurrenten genau, ehe er damit begann, den Gedanken beider laut auszusprechen. „Äh… gut. Also, wenn wir uns noch einmal den zweiten Brief anschauen, wird der Widerspruch deutlich, wären se so freundlich Megure?“ „Was? Ja, ja natürlich doch!“ Der Hauptkommissar kramte kurz in den Akten ehe er eine Kopie des Briefes auf den Tisch legte, die nicht nur Heiji nun noch einmal eingehend inspizierte. „Ganz wie ich‘s in Erinnerung hatte.“ begann der Kommissar aus Osaka von neuem. „Der Mörder hat es selbst geschrieben: Ein stummer Hund ist seltener als ein übereifriger Polizeibeamter, dennoch scheinen Sie die Presse nicht im Zaun halten zu können, ich hoffe für Sie, dass sich das ändert, bevor ich mir mein Klientel nicht mehr persönlich aussuchen kann. Das erwähnen der Presse in diesen Zeilen is wohl kaum’n diffiziler und verstrickter Hinweis, ich denke, es steht ganz deutlich geschrieben. Sollten wir es nich schaffen, die Presse aus dem Fall herauszuhalten kann er sich seine „Klienten“ nich mehr persönlich aussuchen. Das heißt-„ „Er wird jemanden von der Zeitung töten!“, warf Ayumi ein, ergatterte sich so von Heiji ein kurzes Nicken. „Ganz Recht. Er kann es sich dann nicht mehr aussuchen, wie er schreibt, sondern muss es seiner Meinung nach tun.“ Das Gesicht Heijis spannte sich kurz, nervös benetzte er sich die Lippen. „Allerdings-„ „Allerdings gibt es da noch eine Möglichkeit.“, schloss Bell Heijis Satz. Der schaute den Amerikaner kurz skeptisch an, ließ ihn jedoch, wenn auch ungern, gewähren. „Es könnte genauso gut auch ein Ablenkungsmanöver sein, denn es besteht nicht nur die Möglichkeit, dass der Mörder mit einem Fotografen unter einer Decke steckt.“ Die blauen Augen Bells wurden gefährlich schmal. „Unter umständen handelt es sich bei ihm selbst um einen Menschen aus diesem Milieu, denn dann würde uns diese Nachricht, so wie beschrieben, natürlich vom Täter ablenken.“ Megure stöhnte auf, zupfte sich nervös am Schnurrbart. „Das heißt, wir sind wieder genau da wo wir angefangen haben, nicht mehr und nicht weniger schlau.“ Ein kurzes niedergeschlagenes Grummeln ging durch die kleine Gruppe, mit Ausnahme von Heiji, der Bell mit einem scharfen Grinsen taxierte. „Wieso lassen wir den Herrn Professor nich einmal erläutern, was er von den Briefen allgemein hält, schließlich is er nich umsonst unser Holmes-Experte, oder?“ Ungläubig ob dieser scheinbaren Kooperation starrte Megure ihn an. „Ja, aber Heiji, ich dachte du könntest uns da auch schon ein wenig weiter helfen!“ „Was?!“ Perplex schaute Heiji den Hauptkommissar an, während sich auf Bells Lippen ein Lächeln immer mehr in die Breite zog. „Na ja, was Holmes anbelangt, ein Detektiv wie du wird sich da doch bestimmt auskennen!“ „Äh… also wisse se Megure, Holmes war noch nie ganz meins. Ich mein, die Arroganz dieses Mannes ist einfach unerträglich, mal abgesehen davon, dass das Ganze einfach total veraltet is-… Äh… ich mein natürlich, es is mit dem heuten Ermittlungstandart leider nich mehr zu vergleichen!“, korrigierte Heiji, nachdem er die vor Wut funkelnden Augen der Detective Boys gesehen hatte. Der Hauptkommissar schien von dieser Offenbarung jedoch mehr als enttäuscht und reichte Bell geschlagen die Kopien beider Briefe. „Also schön Professor, vielleicht können Sie uns weiter helfen.“ Shinichi nahm die Kopien entgegen, rückte sich die Brille zurecht und studierte abermals die kurzen Texte die er ohnehin schon fast auswendig konnte. Es scheint als ob die Einäugigen nun gänzlich erblindet sind. Ich erlaube mir deswegen, Ihnen meine Hilfe zur Verfügung zu stellen, um die Studie in Scharlachrot erfolgreich zu Ende zu führen. Ein stummer Hund ist seltener als ein übereifriger Polizeibeamter, dennoch scheinen Sie die Presse nicht im Zaun halten zu können, ich hoffe für Sie, dass sich das ändert, bevor ich mir mein Klientel nicht mehr persönlich aussuchen kann. Beide unterschrieben mit Sherlock Holmes. Shinichi schluckte, versuchte die Wut zu ignorieren, die sich in seinem Magen bei dem Gedanken an eine solche Frechheit bildete. Allerdings brachte die saubere, wenn auch verschnörkelte Schriftart der mit PC getippten Nachricht, und der Name, der in goldenen Lettern darunter prangte, nichts Neues, das Ganze sah eher aus wie eine Visitenkarte, über deren Inhalt er sich schon die ganze Zeit den Kopf zerbrochen hatte. „Nun… ich fürchte ich kann noch nicht allzu viel dazu sagen, außer, dass es sich ganz offensichtlich auch um einen Angriff auf die Polizei selbst handelt.“ „Wie!?“ Sichtlich überrascht und ebenso schockiert starrten die Beamten den jungen Kriminalistikprofessor an. „Sie meinen, wegen der Drohung bezüglich der Presse?“ „Nein, nein es ist-„ „Ja, aber was denn dann? Ich meine … das ein stummer Hund ist seltener als ein übereifriger Polizeibeamter, ist doch eher ein Kompliment, oder?“ Bell aber schüttelte nur geduldig den Kopf nach Gentas Einspruch. „Nein, darauf will ich nicht hinaus, die Feindseligkeit gegen Ihre Abteilung, Hauptkommissar Megure, findet ganz offensichtlich schon im ersten Brief statt.“ Er schob die Kopie so über den Tisch, dass sie für jeden einsichtig war. „Die Einäugigen unter den Blinden…“ geduldig ließ sich Shinichi in seinem Stuhl zurückfallen, sah auffordernd in die Runde. „Kommt das denn wirklich keinem bekannt vor?“ Die Kriminalbeamten zermarterten sich einschließlich Heiji nahezu ergebnislos den Kopf, bei allen schien die Lektüre des berühmten Holmes schon eine ganze Weile zurückzuliegen. Allerdings enttäuschten die Kinder seine Erwartungen nicht. „Natürlich!“ Es war Ayumi, die ihn nun freudig ansah. „Holmes hat die Polizei so bezeichnet… das heißt, nur ein paar von ihnen, denn die anderen-„ „-waren gänzlich blind. Ganz Recht. Um genau zu sein, waren dies Inspektor Lestrade von Scotland Yard und seine Kollegen Gregson, Hopkins und Jones. Wobei Holmes mit Lestrade wohl die meisten Fälle, aber auch die meisten Probleme hatte.“ Bell konnte sich ein kurzes Grinsen nicht verkneifen, ehe er fortfuhr. „Jedenfalls waren das für Holmes die Einäugigen unter den Blinden, das diese laut unseres Täters nun gänzlich erblindet sind, lässt sich leider nur auf eine Kritik an der japanischen Polizei zurückführen.“ Megure nickte, unmerklich verärgert, drängte den Professor mit einer Handbewegung dazu, weiter zu machen. „Was haben wir noch?“ „Nun … wie erläutert, die Presse, auch wenn ich bis jetzt noch keinen besonderen Zusammenhang mit Holmes sehe, und aus dem ersten Brief noch natürlich die Studie in Scharlachrot, die Sie schon ganz richtig gedeutet haben könnten, nämlich als Beginn einer ganzen Serie von Morden.“ Shinichi verkiff es sich, die Finger ans Kinn zu legen, trommelte stattdessen nachdenklich mit den Fingerkuppen auf dem Tisch herum. „Allerdings bleibt der erwähnte Hund im zweiten Brief für mich bis jetzt ein Rätsel.“ „Aber es gibt doch einen Hund bei Holmes!“, warf Sato ein. „Dieses Buch ist so berühmt, dass ich nicht umhin gekommen bin, den Film zu sehen. Der „Der Hund der Baskervilles“!“ „Oder auch „Der Hund von Baskerville“ je nachdem wie man es gerne übersetzen möchte, ja… allerdings wüsste ich nicht, wie dieser Geisterhund in unseren Mordfall passen sollte.“ „V-Vielleicht war es ja ein Geist!“ Sofort waren die Detective Boys wieder hellwach, verzogen gleichermaßen das Gesicht bei dem Gedanken an das Übernatürliche. In Bells Gesicht erschien unwillkürlich ein ungläubiges Grinsen. „Nun is aber gut mit dem Geschwätz! Ihr habt se doch nich mehr alle! Geister gibt’s nich und selbst wenn, würden se uns wohl keine netten Briefchen schreiben und ne Reihe von Morden anzetteln, oder! Also kriegt euch mal wieder ein!“ Heiji blaffte die drei aufbrausend an, sein Temperament, bemerkte Shinichi, hatte er offenbar noch nicht unter Kontrolle. „Also is es möglich, dass er sich darauf bezieht, oder nich?“ Gereizt wandte sich Heiji nun wieder an Bell, der ihm leicht unsicher antwortete. „Möglich ist es durchaus, allerdings entzieht sich mir, wie gesagt, bislang noch der Sinn der Sache…“ <Überhaupt…> Nachdenklich begann Shinichi mit dem gelben Kugelschreiber vor ihm auf dem Tisch zu spielen. <… dass sich jemand, der sich Sherlock Holmes nennt, nur auf so wenige Details aus den Geschichten selbst bezieht, ist seltsam. Eigentlich sollte man meinen, dass es sich dann auch um einen Fan handelt, der da so außer Kontrolle gerät, ein Kenner. Oder ist da noch mehr? Und wir sehen es bloß derzeit nicht?> „Sich darüber jetzt den Kopf zu zerbrechen, is doch ohnehin sinnlos!“ Überrascht sah Shinichi auf, Heijis Stimme hatte den Tonfall, den sie immer bekommen hatte, wenn es irgendwie unangenehm wurde. „Es bringt nichts, sich über den zweiten Brief den Kopf zu zerbrechen, solange wir noch nich einmal wissen, ob’s überhaupt derselbe Täter war, da die Presse einen solchen Wind um den Fall macht, könnt’s sich genauso gut auch um nen Nachahmungstäter handeln.“ Bell nickte zustimmend. „Leider ja. Waffe, Ort, Art des Opfers, das alles ist anders als beim ersten Mord. Das Einzige, was wir haben, ist der ähnlich klingende Wortlaut der beiden Botschaften.“ Shinichi bemerkte nicht, dass Heijis Augen auf ihm hängen blieben, irgendetwas stimmte mit diesem Kerl nicht. Die Art und Weise, wie er sprach und kombinierte, und doch die ewige Geheimnistuerei, er sah es dem Kerl doch an, dass er noch lange nicht alles aussprach, was er dachte. Genervt rollte der Detektiv die Augen. Megure, der nun seufzend die Papiere ordnete, vermittelte klar und deutlich, dass diese Aufgabe jetzt in die zweite Runde gehen würde. „Eine nicht zu übersehende Tatsache, leider. Ich fürchte, wir kommen heute hier nicht weiter, es ist ohnehin Zeit. Am besten, wir hören uns an, was die Zeugen zu sagen haben, vielleicht bringt das ja ein wenig Licht ins Dunkel.“ Wenigstens regnete es nicht. Das wahr wohl der einzig positive Gedanke, den das kleine Gespann von Ermittlern auf dem Weg zum Tatort im Sinn hatte. Viele waren nicht mehr übrig geblieben, nachdem man die Detective Boys weggeschickt hatte, bei einer Zeugenbefragung war schließlich Feingefühl gefragt, zu viele Leute waren da nicht grade etwas, das zum Reden anregte. Widerwillig hatten die Oberschüler es akzeptiert, wenn auch mit dem hochheiligen Versprechen, morgen wieder vor Ort zu sein. Sato hatte mit der Recherche bezüglich der Verbindungen zu den Personen begonnen, außerdem sollte sie herausfinden, wer von der Presse für die Bilder der Nachricht verantwortlich war, schließlich war das die einzige Spur, der sie derzeit folgen konnten - somit war sie nun auch nicht mehr Teil der Truppe, die langsam auf Kogoro zumarschierte. Der bedeutungsvolle Zeuge wartete mit Kogoro am Tatort auf sie. Sein Gesicht war rot und geschwollen, als hätte ihn jemand windelweich geschlagen, es war deutlich zu erkennen, dass sich der Mann nur zusammenriss, weil Mori ihn mit einem strengen Blick bewachte. Shinichi schluckte, wenn sein „Onkelchen“ wüsste, wer da auf ihn zukam, würde die Mordserie ohne Zweifel noch anderweitig fortgesetzt werden. Er nutze die Entfernung, die ihn jetzt noch trennte, um sich den alten, neuen Polizeibeamten genauer anzusehen. Dass er wieder arbeitete, schien ihm gut zu tun, jedenfalls hatte sich der Bierbauch Kogoros nicht so entwickelt, wie Shinichi es nach Conans Abtritt erwartet hatte. Der Schnauzbart des Detektivs war graumeliert und Shinichi war sich sicher, dass er, was seine Haare betraf, heimlich nachgeholfen hatte, auch wenn Mori dies natürlich niemals zugeben würde. Die lichter werdende Stelle am Hinterkopf konnte er jedoch nicht verbergen. In dieser Gegend musste Mori jedoch nicht fürchten, dass jemand die kahle Stelle des ehemals berühmten schlafenden Detektivn fotografierte und meistbietend an die Presse verkaufte. Der zweite Mordplatz befand sich in einem ruhigen Teil des Bezirks, so früh am Morgen konnte man an einem solch herrlichen Tag sogar vereinzelt Vögel zwitschern hören. Die Schatten der Bäume rund um den kleinen Weg neben den Gleisen brachten das Sonnenlicht zum Tanzen, die Bewegung der ersten Blätter im Wind erweckte die Illusion, dass der Boden auf dem sie gingen, sich bewegte. Shinichi aber stöhnte innerlich auf, es war ihm nicht vergönnt, das warme Sonnenlicht zu genießen, ganz im Gegenteil, er wusste, dass sich an einem Tag wie heute die von ihm auferlegte Lüge nur umso schmerzhafter in sein Gesicht einbrannte. Kogoro grinste ihnen entgegen, wie immer sehr überzeugt von der Wichtigkeit seines Auftrags. „Morgen Megure, Auftrag erfolgreich ausgeführt!“ „Ja, ja, schon gut, Mori.“ Ohne Kogoro weiter zu beachten, wandte sich Megure dem schmächtig aussehenden Mann zu, der auf den Namen Noburu Tome hörte. „Ich hoffe, es geht Ihnen heute besser, Herr Tome, sodass Sie uns vielleicht den Tatverlauf ein wenig näher erläutern könnten.“ Der Teint des Befragten wurde augenblicklich blasser, dennoch schien er fest entschlossen zu sein, den Mord an der Frau, die er offensichtlich scheute seine Freundin zu nennen, aufzuklären, sodass er ihnen mit brüchiger Stimme erläuterte, was vorgefallen war. Eigentlich hatte er sich sowieso gewundert, dass sie gekommen war, er hatte in letzter Zeit schon befürchtet, das sie krank war oder ihr etwas… etwas zugestoßen war. Jedenfalls kam sie ihm wie sonst auch entgegen, ganz offensichtlich bemerkte sie die Gestalt hinter sich nicht, als er die Waffe gesehen hatte, wollte er sie warnen, aber… „Sie… sie hat mich nicht gehört. Sie hat mich einfach nicht gehört.“ die Hände das Mannes verkrampfen sich, als wollte er den ausschlaggebenden Moment zurück holen und an sich reißen, um das Ende doch noch umzugestalten. Bell betrachtete den Mann skeptisch, irgendwie wurde Shinichi noch nicht ganz schlau aus der Sache, Heiji aber kam ihm zuvor. „Wie kann’s denn sein, dass sie Sie nich gehört hat? Sie werden doch geschrieen haben, oder nich?“ Tome schaute kurz verwirrt auf, es war offensichtlich, dass der Mann nicht wusste, was er ihnen eben erzählt und was er ausgelassen hatte, wiederholte so stotternd, was geschehen war. „Ich…, sie hat mich nicht gehört, wahrscheinlich… wahrscheinlich wegen dem Zug.“ Megure war wieder hellwach, musste an sich halten, den jungen Mann nicht an den Schultern zu packen, in der Hoffnung er könnte die Informationen aus ihm heraus schütteln. „Was für ein Zug? Wovon sprechen Sie, Mann?!“ „Na ja, es ist allgemein so, das Timing… in der Regel, wenn der Lockführer und ich pünktlich sind, dann…“ „Mensch, nun reden Sie schon!“, blaffte Kogoro dazwischen, schien unverhofft jedoch die richtige Methode gefunden zu haben, Tome zum Reden zu bringen. „Es kam ein Zug, deswegen hat sie mich wahrscheinlich nicht gehört.“ Heiji nickte dem Zeugen zu, sein Blick jedoch blieb an Bell hängen, seine Gesichtszüge hatten Heijis Aufmerksamkeit erregt. Der Blick Bells war starr, die Pupillen des Professors huschten hin und her, ganz als ob er das eben Gehörte nun schriftlich vor sich sah. Nur kurz darauf breitete sich ein triumphierendes Lächeln langsam auf Bells Lippen aus, das Heijis Atem zum Stocken brachte. Dieses Grinsen. Er wusste, woher es kannte und hatte doch geglaubt, er würde es nie wieder sehen. Heiji schluckte, seine Kehle war mit einem Mal trocken und in seinen Inneren übernahm eine kalte Leere die Überhand, die er schon lange nicht mehr gespürt hatte. Er schluckte, ertränkte die kurze Hoffnung in bitterer Wahrheit. Er hatte schon lange aufgehört, diesem Phantom hinterher zu jagen, es war unmöglich, alle Beweise sprachen gegen ihn, so sehr er es sich auch wünschte. Shinichi hatten den Kampf damals verloren und er, der sich geschworen hatte, das zu vollenden, was sein Freund angefangen hatte, auch. Er schluckte schwer, versuchte das bittere Gefühl in seinem Magen zu bekämpfen, jetzt war bestimmt nicht die Zeit für Selbstmitleid und Rache. Sein Blick huschte wieder zu Bell, auf dessen Lippen immer noch ein Lächeln prangte, welches dem seines besten Freundes so ähnlich war… aber auch seinem eigenen, wie Ran immer beteuerte. Er schluckte, spürte wie sich sein Herz zusammenzog. Immer wenn er in Tokio war, vermied er es, einen Fall in Rans Anwesenheit zu lösen, sie sagte immer wie ähnlich er ihm doch sei und Heiji wusste genau, das es ihr weh tat. Aber wenn sein Lächeln dem Shinichis ähnelte, war es wohl auch kein Wunder, dass dieser Amerikaner ihnen ähnlich wahr. Genau das machte ihn aber in den Augen des Kommissars so gefährlich. Denn eins war klar, der Grund für dieses Grinsen könnte nur eine Erkenntnis sein, die der Professor ihnen anscheinend nicht mitteilte, sondern genügsam lächelnd verschwieg. Heijis Augen wurden schmal, während er den Gastermittler beobachtete. Shinichi merkte nicht, dass die Augen seines Freundes ihm im Nacken saßen, viel zu zufrieden war er zumindest ein Rätsel einmal gelöst zu haben. Nachdenklich schob er die Hände in die Taschen seines Sakkos, wie immer warf die eine Antwort gleich tausend Fragen auf. Bells Ton war nüchtern und gehaltlos, als er die Stimme erhob, Heiji beobachtete ihn trotzig, dieser Kerl wollte sich wirklich nichts anmerken lassen. „Sagen Sie, Herr Tome, können Sie uns den Mörder beschreiben? Sie müssen ihn doch gesehen haben?“ Das zweifellos ansehnliche Gesicht des Postboten bekam bei dem Gedanken an dieses Ungeheuer unkontrollierbare Zuckungen, die seinen Mund zu einer von Angst und Schmerz verzerrten Fratze verzogen. „Ich- ich fürchte, ich kann Ihnen nicht großartig helfen, die Sonne stand ihm im Rücken. Ich … ich konnte nicht viel erkennen.“ Reumütig brach er ab, deprimiert darüber, wie hilflos er war. „Ja, aber Sie müssen ihn doch wenigstens gesehen haben!? War es ein Mann oder eine Frau?“ „Ich… keine Ahnung, anhand der Größe würde ich auf einen Mann tippen, aber es kann auch-„ „Es kann auch ne hochgewachsene Frau gewesen sein.“ vollendete Heiji ernüchternd. „Was ist mit der Statur? Kleidung? Irgendwas?!“ Megures stimme schwankte bedrohlich, es war dem Hauptkommissar anzumerken, wie sehr dieser Fall ihm an die Nieren ging, Tome schien dies zu spüren und wich den Blicken aller Anwesenden aus, während er sprach. „Das… das kann ich Ihnen nicht sagen, die Kleidung ja … aber eben deswegen kann ich nichts über die Statur sagen. Er, der Täter hatte einen langen Mantel an, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, der … der Mantel sowie auch der Rest der Kleidung- er kam ganz in schwarz, wie der Tod selbst… deswegen, war er mir ja gleich so suspekt!“ Shinichi traf es wie ein Schlag, jeder Muskel in seinem Inneren verkrampfte sich, während er über das Unvorstellbare nachdachte. Er hatte das Gefühl, hunderte von Ameisen wurden über seinen Körper laufen, während er versuchte, zu begreifen, was die Worte dieses verstörten Mannes für ihn bedeuten könnten. Die Organisation. Die Organisation, hier in Japan. Er schluckte, seine Hände verkrampften sich automatisch. Abwehrend schüttelte Bell den Kopf. Nein, nein, das konnte nicht sein. Woher sollten sie wissen, dass er es war, niemand, absolut niemand, wusste wer sich hinter William Bell verbarg, außer ein paar wenigen Leuten vom FBI selbst. Aber was, wenn sie einfach so mit dem Fall zu tun hatten? Langsam benetzte er sich die zitternden Lippen. Wenn das stimmte, bedeutete das eine Gefahr für sie alle. Ehe Shinichi darüber nachdenken konnte, wie er dem ganzen am Besten auf den Grund gehen sollte, riss Heijis Gebrüll ihn aus seinen Gedanken. „WAS SAGEN SE DA?!“ Sofort war der junge Kommissar dem Mann an den Kragen gesprungen, seine Augen glühten förmlich, waren weit aufgerissen. „Nun red schon! Ganz in schwarz? Komplett? Wie sah er aus? Wie?! Sag was, verdammt noch mal!“ „Heiji!“ Megure legte beunruhigt den Arm auf die Schulter seines Kollegen, schaffte es dadurch, ihn aus seiner Raserei aufzuwecken. Nur mühsam gelang es Heiji, sich von dem Zeugen abzuwenden, seine Hände öffneten und schlossen sich in einer krampfhaften Bewegung, während Megure behutsam auf ihn einredete. „Nun reiß dich zusammen Heiji, so bekommen wir nie die Infos, die wir brauchen…“ Shinichi beobachtete die Szene geschockt. Die Haut beider Kriminalbeamten war bleich geworden, auch Takagi, der ein wenig hilflos dastand, machte ein bekümmertes Gesicht, während Heiji langsam versuchte, die Kontrolle über sich wieder zu erlangen. Seine Kehle fühlte sich rau an, verkrampft versuchte Shinichi zu schlucken, erst jetzt wurde ihm klar, welchen Schaden er damals wirklich verursacht hatte. Natürlich wusste Heiji von der Organisation. Und durch Desaster vor zehn Jahren wusste die Polizei zumindest im Zusammenhang mit dem kleinen Conan von der Verbrecherbande deren Markenzeichen die Farbe schwarz war. Nervös biss sich der Oberschüler auf die Lippen. Sein Blick blieb auf Heiji ruhen, sein alter Freund hatte anscheinend die gleichen Schlüsse gezogen wie er, aber dass er deswegen so ausrastete, war eigentlich ganz untypisch für ihn. Zwar hatte der Detektiv aus Osaka schon immer etwas mehr Temperament als er selbst, aber es gelang ihm eigentlich recht gut, es im Zaun zu halten. Shinichis Augen wurden schmal. Sein Freund konnte doch unmöglich so dumm gewesen sein und der Organisation nachgejagt sein … er konnte doch nicht wirklich hoffen, dass er durch diesen Mord einen Zugang zu ihr bekommen konnte. Er schluckte, biss sich nervös auf der Lippe herum, selbst wenn die Organisation etwas mit dem Mord zu tun hatte, er könnte unmöglich zulassen, das Heiji und die anderen da hinein gezogen wurden. Allein bei dem Gedanken spürte er, wie die Übelkeit in ihm hochstieg. Nein. Das musste er verhindern. Er atmete kurz aus, ging mit einer beschwichtigenden Geste auf die Gruppe zu. „Na, na, wozu dieser Aufruhr? Es ist doch ganz normal, dass sich ein Täter in Schwarz kleidet, grade bei der Dämmerung. Es wäre übereilt, jetzt schon-…“ „Was verstehen Sie denn schon davon!“, zischte Heiji von der Seite, er war immer noch außer sich, von dem kühlen Pokerface des Ermittlers war in diesem Augenblick nicht mehr viel übrig. Dennoch versuchte Bell seinen Kurs zu ändern. „Wieso glauben Sie denn, dass die Kleidung des Täters so wichtig ist? In jedem noch so billigem Krimi taucht der Mörder stets in Schwarz auf! Ich weiß wirklich nicht, warum das für Sie so relevant ist, Kommissar Hattori.“ Heiji aber ging nicht auf Bell ein, er spürte, dass hinter dem verwunderten und verwirrten Blick des Amerikaners schlichte Berechnung und auch ein wenig Nervosität steckte. Er beobachtete einen kleinen Schweißtropfen, der sich den Weg über Bells Hals in seinen Hemdkragen suchte, es war ganz so, als suchte der Professor krampfhaft eine Ausrede, die ihm von seinem Verdacht ablenken sollte. Argwöhnisch betrachteter er ihn, wollte grade dem Ganzen auf die Spur gehen, als Megure leise flüsternd von hinten an ihn heran trat und davon abhielt. „Er hat Recht, Heiji… es heißt noch lange nicht, dass es etwas damit zu tun hat, wir sollten wirklich mit der Befragung fortfahren.“ Er hatte die Lippen schon zum Widerspruch geöffnet, eher er sie trotzig zusammenkniff, stur wandte er sich von Bell ab, der das Ganze noch immer mit einer Unschuldsmiene beobachtete. Heiji schloss die Auge, nickte widerwillig und ließ Megure fortfahren. Shinichis Blick blieb auf seinem alten Freund hängen, es fiel ihm schwer ihn so zu sehen, er bemerkte, dass Heiji sich quälte, weil er wohl glaubte, ihm würde gerade die Chance entgehen, die Organisation zu finden. Shinichi schluckte, er tat es Heiji nur ungern an, aber er wusste, es war besser so… für sie alle. Auch wenn er es sich bei weitem einfacher vorgestellt hatte, seinen Freund zu belügen. Seufzend legte er den Kopf in den Nacken, sah in den unergründlich blauen Himmel über Tokio. Es war tatsächlich so, nicht Shinichi sondern Bell war in Japan, alles was er tun konnte, war still dem Treiben der anderen, aber auch seinem eigenen, zuzusehen. Ein bitteres Lächeln verirrte sich auf seine Lippen, er hatte es mal wieder geschafft, sich zum Gefangenen seiner eigenen Figur zu machen, das Phantom das seinen Gedanken entsprungen war, hatte nun die Macht über ihn und anstatt das zu tun und das zu sagen was er wollte, blieb ihm nur die Lüge. Shinichi schluckte, spürte das leichte Zittern seine Hände. Er war immer noch Conan, keine Maske, kein FBI und keine Lüge dieser Welt würde daran etwas ändern. Halli Hallöchen meine Lieben, ich hoffe sehr das Kapitel hat euch gefallen, wie immer würde ich mich natürlich mehr als freuen wenn ihr mir eure Meinung hinterlasst ^.^ Die, die selbst schreiben unter euch wissen, bestimmt wie hilfreich ein netter Kommentar ist (natürlich ist aber auch Kritik erwünscht!) Ansonsten möchte ich gerne noch einmal der lieben Leira für ihre Beta Arbeit Danken! Ohne sie würdet ihr nichts zu lesen bekommen ;D Ich wünsche euch allen ein wunderschönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Allerliebste Wintergrüße, eure Shelling__Ford Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)