Lost in Time von Shelling__Ford (ShinichixRan) ================================================================================ Kapitel 33: Pain ---------------- -Rückblick „So ist das also…“ Heiji, der durch das Flüstern seines Kollegen aufmerksam geworden war, schaute diesen fragend an, seine Augen wurden groß, als er das Funkeln im Blick seines Freundes erkannte. „Kudo?“ Der aber drehte sich nur mit einem Nicken zu ihm um, doch das triumphale Lächeln auf seinen Lippen blieb aus, als er nickte. -Rückblick Ende Pain Megure hatte die Spurensicherung sich selbst überlassen, war mit den neusten Informationen zu Mori ins Krankenhaus gefahren, um zu sehen, ob aus Kabawa noch etwas raus zu holen war. Er würde sie über den Zustand des Patienten auf dem Laufenden halten. Auch wenn alle Beteiligen wussten, dass mehr dahinter war… denn selbst wenn Kabawa ein Mörder und ein noch größeres Ekel war, so fühlte der Hauptkommissar sich doch verantwortlich dafür, dass sie ihn nicht besser hatten schützen können. Sato hatte währenddessen den Doktor tatsächlich in seinem Apartment gefunden, der ihnen bestätigte, die Untersuchung am vorherigen Abend durchgenommen zu haben, das Haus jedoch heute noch nicht verlassen hatte. Das Letzte, woran sich der kurz gewachsene ältere Herr noch erinnerte, war, wie es an seiner Tür geklingelt hatte und er geöffnet hatte… danach war sein Gedächtnis leer. Er war erst im Bett von ihrem Klingeln wieder aufgewacht, hatte geglaubt, einfach wieder eingeschlafen zu sein, ein Schwächeanfall, in seinem Alter nichts Ungewöhnliches. Während Sato dem Verbleib des Arztes nachgegangen war, hatte Megure sie ziehen lassen, wenn auch ungern. Der Hauptkommissar hatte darauf bestanden, dass wenigstens Takagi sie begleiten sollte, doch er hatte keine andere Wahl, da er im Krankenhaus den größeren Einfluss haben würde als sein Inspektor. Viel Zeit für großartige Pläne war ohnehin nicht gewesen. Sie hatten beschlossen, behutsam vorzugehen, sodass sich die beiden Polizisten an der Hintertür postierten, während er mit möglichst unschuldiger Miene am Haupteingang stand, und mit trockener Kehle die Klingel betätigte. Das Knacken des Türschlosses ließ Shinichis Adrenalinspiegel in die Höhe schießen, sein Kopf aber war kühl und klar, er hatte die Karten in der Hand und musste sie nun nur noch richtig ausspielen. Von diesen Minuten hing nicht nur die Auflösung der Mordserie ab, sondern auch ein möglicher Schachzug gegen die Organisation. Die Türklinke bewegte sich und wie auf Knopfdruck erschien das freundliche Lächeln auf Bells falschen Lippen. Jetzt oder nie. „Professor Bell?“ Die grünen Augen unter den buschigen Brauen, blinzelten ihn kurz verwundert an, das Lächeln auf Shinichis Lippen aber blieb. „Guten Tag, Doktor Matsudo.“ Der Pathologe runzelte noch immer die Stirn, bemühte sich nun aber auch um ein kleines Lächeln, während er sprach. „Ich muss gestehen, es wundert mich Sie hier zu sehen, Professor. Was kann ich für Sie tun?“ „Es geht um das vierte Opfer.“ Bells Blick war mit einem Mal ernst und auch der Doktor konnte seinen Worten folgen. „Das Vierte? Mhm… also gut, es ist wohl besser wir besprechen es im Haus. Kommen Sie rein, Professor.“ Während Bell der freundlichen Geste des Pathologen nachkam wusste er, dass in diesem Moment Takagi und Heiji nur noch angespannter wurden, die ihr Gespräch über einen kleinen Sender in Bells Jackettasche mitverfolgten. Matsudo lud den Amerikaner nicht auf die unbequem anmutende eckige Ledercouch ein, sondern blieb inmitten des Wohnzimmers stehen, wartete auf eine Reaktion von Bell, der sich in der etwas zu sterilen Wohnung des Pathologen umsah. Shinichis Schritte führten ihn zu der kleinen Kommode, abermals fiel der Blick des Detektivs auf das einsame Bild des Hochzeitspaares. Er sah, was er letztes Mal auch gesehen hatte und dennoch nahmen seine Augen erst jetzt das wahr, wonach sein Blick suchte. Ihr immer noch bezauberndes Lächeln, umspielt von einzelnen roten Haarsträhnen. „Wie hieß sie?“ Die Frage kam über seine Lippen, obwohl Shinichi die Antwort schon längst kannte. Ein paar Anrufe hatten genügt, um den Fall von vor zwanzig Jahren erneut aufzurollen. Er kannte den Namen von Matsudos Frau, wusste, wie sie umgekommen war und durch wen. Und doch wartete er jetzt gespannt auf eine Antwort. „Minako…“ Der Oberschüler hinter dem Silikon nickte, stellte das Bild langsam zurück auf die Kommode und wandte sich dem älteren Doktor zu. „Sie kommen aus der Branche, Sie wissen, dass man in ihrem Fall damals alles versucht hat, weitere Beweise zu finden. Und für die Körperverletzung mit Todesfolge kam es zur Inhaftierung des Tatverdächtigen. Das einzige, was die Richter dem Täter damals nicht nachweisen konnten, war, dass der Mord vorsätzlich begangen wurde. Deswegen kam es nicht zur Todesstrafe. Sie wissen, dass geschultes Personal anhand dessen, was ihnen der Staatsanwalt vorlegt, über das Strafmaß urteilt. Sie sollten wissen, dass uns dieses Urteil nicht zusteht. Wir machen unseren Job, aber wir haben kein Recht, unsere Meinungen und Taten über dieses Urteil zu stellen.“ „Sie haben doch keine Ahnung…“ Der Blick des Pathologen war von ihm abgefallen, doch die Wut in seiner Stimme machte jeglichen Augenkontakt überflüssig. „Sagen Sie bloß, es ist Ihnen nicht zuwider, dass diese Leute wieder auf die Straße kommen.“ Er lachte hohl, schüttelte abwertend den Kopf. „Aber wem erzähle ich das überhaupt… natürlich können und wollen Sie das nicht verstehen.“ Bells erhobene Augenbrauen spannten die Schusswunde auf seiner Haut, doch Matsudo sah nicht auf, erkannte nicht, dass sein Gegenüber nicht verstand, worauf er hinauswollte. „Sie wissen nicht, wie es ist… wenn einem das genommen wird, was einem auf der Welt am meisten bedeutet. Sie wissen nicht, wie weit ein Mensch bereit ist zu gehen, um das zu verhindern, oder die Tat zu rächen.“ Shinichi hörte eine kleine Stimme in seinem Ohr flüstern, wagte es jedoch nicht, hinzuhören, sondern konzentrierte sich weiter unvermindert auf den Pathologen. „Dieses Urteil… so gut überlegt und so rechtskräftig wie es auch sein mochte, war ein Schlag ins Gesicht. Ihren Verlust zu ertragen war das eine… aber zu wissen, dass so jemand, dass dieses Schwein weiter leben durfte… das ist keine Gerechtigkeit. Das ist krank.“ Der Detektiv schwieg, als ihn die mittlerweile verengten Pupillen des Pathologen aus seinen grünen Augen heraus musterten. Shinichi konnte die beklemmende Vertrautheit der Gedanken nicht abschütteln, vermutlich dachte ein Großteil der Öffentlichkeit so, wenn es um den ein oder anderen Fall ging und doch waren die Leute vernünftig genug, dem Gesetz zu vertrauen, auch wenn der Preis, den man dafür zahlte, manchmal mehr als nur eine schlaflose Nacht war. Nicht so Dr. Matsudo… „Warum haben Sie den Mörder ihrer Frau nicht auf die gleiche Weise umgebracht, wie er Minako?“ Das laute Gelächter, in das der Pathologe ausbrach, ließ Shinichi zusammenzucken, das tiefe Lachen des älteren Herrn hallte dumpf und klanglos in der kahlen Wohnung wieder. Es dauerte eine Weile, bis er seine Stimme wieder fand. „Ganz einfach, Professor. Ich war es nicht.“ Ein genüssliches Lächeln schlich sich auf die schmalen Lippen des Arztes, als er die Verwunderung auf den Zügen Bells erkannte. „Glauben Sie nicht, ich hätte nicht vor gehabt, diesen Mistkerl umzubringen. Aber Fakt ist, dass mir jemand zuvor gekommen ist. Ein simpler Verkehrsunfall, mit Fahrerflucht.“ Fast so etwas wie Bedauern war in der Stimme des Arztes zu hören. „Sie können sich nicht vorstellen, welche Genugtuung es mir bereitete, ich bin sogar zur Beerdigung erschienen. Aber auch wenn es befriedigend war zu wissen, dass dieses Schwein durch zahlreiche Blutungen, Knochenbrüche und ein Schädel-Hirn-Trauma dahingerafft wurde, gab es etwas, das mir fehlte… “ Das kalte Grinsen auf den sonst eher weichen Zügen des Mannes wurde schnell wieder bitter. „Gerechtigkeit. Was hatte der Unfall mit dem Tod meiner Frau zu tun… nichts. Was hatte ein solcher Tod überhaupt mit dem zu tun, was die Opfer selbst erleiden müssten, was mit dem Trauma, mit dem sie ihre Angehörigen hinterließen. Nichts. Es reichte nicht. Es würde nie reichen…“ „Deswegen haben Sie das Mordmuster der Täter wiederholt, sie so umgebracht wie auch ihre damaligen Opfer zu Tode gekommen sind.“ Bells Worte ließen den Pathologen wieder steif werden, in seine wartende Haltung zurück fallen, die er zu Anfang bereits innegehabt hatte, das Lächeln auf seinen Lippen aber war neu. „Bitte, nur zu, fahren Sie fort, Professor.“ Shinichi schluckte, die Ruhe seines Gegenübers beunruhigte ihn, wunderte ihn jedoch nicht. Er zwang sich dazu, lange aus zu atmen, rückte sich die Brille zurecht und begann zu sprechen. „Das letzte Problem.“ Er machte einen Schritt auf den Arzt zu, vergrub die Hände in den Hosentaschen, während er sprach. „Diese letzte Erzählung sollte nicht nur Doyles Werk zu Ende bringen, sondern es hat auch die „Holmes“ Morde beendet. Ihre Morde, Doktor.“ Matsudo reagierte nicht, seine grünen Augen langen noch immer auf dem Detektiv, er wartete. „Denn diesmal haben Sie einen Fehler begangen.“ Shinichi schluckte, hörte wie Bells Stimme rau wurde, kalt. „Man hat Sie in die Falle gelockt.“ Die buschigen Augenbrauen des Pathologen zuckten kurz, Shinichi sah wie sich sein Kiefer unter großem Druck spannte, dennoch war Bell es, der das Gespräch fortsetzte. „Man hat Ihnen eine Flasche gegen, die sie mit dem eigentlichen Gegenmittel austauschen sollten, welches der Hauptkommissar nach dem Freispruch in den gekühlten Safe hatte legen lassen. Zu dem sie, dank ihrer Verkleidung, noch immer Zugang hatten. Die Nachricht war bereits auf der neuen Flasche, das einzige was Sie später noch tun mussten, war das Etikett von der einen abzumachen und auf die neue draufzukleben, um „Holmes“ Nachricht auf den ersten Blick zu überdecken.“ Die Finger des Pathologen zuckten kurz, Shinichi sah wie er Daumen und Zeigefinger nervös aneinander rieb, bis er bemerkte, dass der Detektiv ihn beobachtete. Der aber wandte den Blick nicht ab, räusperte sich nur. „Und genau das haben Sie auch getan, allerdings nicht einfach so. Denn das Etikett mit behandschuhten Fingern abzumachen ist unmöglich, für irgendwelche technischen Hilfsmittel hatten Sie keine Zeit, also mussten Sie unweigerlich die Handschuhe ausziehen. Der Fingerabdruck den die Spurensicherung finden wird, wird nicht schön sein, aber genug um ihre Schuld zu beweisen.“ Shinichi schluckte, sah sein Gegenüber lange und eindringlich an. „Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass Sie selbst diese Situation nicht überdacht haben. Wieso von der Karte plötzlich zum Etikett wechseln und solch einen Fehler provozieren? Die einfachste Erklärung ist in diesem Fall zugleich die plausibelste: Die letzte Nachricht von „Holmes“ war nicht von Ihnen. Da liegt die Vermutung nahe, dass der Rest auch nicht aus Ihrer Feder stammt Doktor.“ Der Pathologe hatte sich während all dieser Zeit nicht gerührt, allein sein Gesicht hatte einen wächsernen, beinahe durchscheinenden Ton bekommen. Die grünen Augen hafteten nicht länger auf dem Amerikaner, steiften ziellos umher, ehe sie auf dem Hochzeitsfoto hängen blieben, ohne es jedoch wirklich zu sehen. „Ich wusste es…, dass es ein Fehler war.“ Das Seufzten das Pathologen zitterte. „Ich hatte gehofft, dass diese kleine Spur Sie nicht gleich zu mir führt. Dass Sie an einen Fehler glauben, oder ich noch einen anderen Ausweg finden würde.“ „Das war keineswegs der erste Fehler den Sie gemacht haben Doktor, nur der erste, den Sie nicht zu verschulden haben.“ Die rüde Stimme Bells riss den Pathologen aus seinen Gedanken, zum ersten Mal zeigte sich so etwas wie Überraschung in seinem Gesicht. „Was?“ „Ich sagte doch bereits… die Spurensicherung ist noch nicht durch, noch haben wir den Abdruck nicht. Aber es gibt mehr als nur diesen Fingerabdruck, der Sie verraten hat.“ Die Stimme des Pathologen wurde kalt, was seine mangelnde Perfektion anbelangte schien Bell jetzt tatsächlich einen wunden Punkt getroffen zu haben. „Und welche sollen das sein?“ „Wie Sie wissen, war uns im Laufe der Untersuchungen bereits klar, dass der Täter sehr wahrscheinlich Zugang zu den Akten und Daten der Polizei hat, kurzum, es jemand aus den eigenen Reihen sein muss.“ Shinichi machte eine Pause, ließ dem Pathologen Zeit, Widerspruch einzureichen, als dieser jedoch nur weiter schwieg, fuhr er fort. „Sie werden mir bestimmt nicht wiedersprechen Doktor, wenn ich sage, dass auch Sie in diesen Kreis der Verdächtigen hinein passen.“ „Sie sprachen von Fehlern.“ Die Unterbrechung des Pathologen verriet seine Ungeduld und Nervosität, der Shinichi nur ein ruhiges Lächeln entgegen brachte. „Aber natürlich, denn auch wenn der Verdacht gegen Sie erst spät entstanden ist, gab es da Dinge, die mich schon vorher stutzig gemacht haben, denen ich aber bis heute keine große Bewandtnis habe zukommen lassen.“ Shinichi räusperte sich, vergrub die Hände in Bells Hosentaschen während er sprach. „Die Morde haben Sie zweifellos perfekt geplant und nicht zuletzt auch mit der benannten Hilfe ohne große Missgeschicke ausgeführt. Sobald Sie sich jedoch in sicheren Gewässern wähnten, ließ Ihre Vorsicht nach. Bei meinem ersten Besuch in der Pathologie zum Beispiel, erwähnten Sie bei der Untersuchung des zweiten Opfers die Kugel, die niemand von der Spurensicherung hatte auftreiben können. Sie sagten, dass sie vermutlich in der nächsten U-Bahn gelandet sein musste.“ „Na und?“ Ein kleines Lächeln schimmerte auf Bells blassen Lippen. „Ich frage mich Dr. Matsudo, woher Sie wussten, dass zum Mordzeitpunkt eine U-Bahn dort entlang gefahren ist?“ Der Arzt aber konnte nichts weiter tun als Bell abschätzend und leicht fragend ansehen. „Natürlich kann es sich bei diesem Versprecher um einen simplen Zufall handeln. Und doch wundert es mich… denn erst am folgenden Tag konnte der Postbote und Freund des Opfers eine Aussage machen und erwähnte das zum Tatzeitpunkt tatsächlich eine U-Bahn diese Stecke genommen hatte. Schon erstaunlich… finden Sie nicht?“ Der Adamsapfel des Doktors rutschte kurz nach oben, während er auf die weiteren Ausführungen des Detektivs wartete. „Kommen wir zu Opfer Nummer drei Frau Kikuja, die Besitzerin des Cafés. Ich gehe davon aus, das Takagi Ihnen dieses kleine Detail in seinem Bericht unterschlagen hat, deswegen möchte ich gerne aufführen, das Sie uns sehr wohl einen Hinweis auf ihren Angreifer hat geben können.“ „Ach?“ „Sie sagte, es habe nach Krankenhaus gerochen. Ich bin wahrscheinlich der Letzte, der Ihnen erklären muss aus welchen Komponenten sich dieser Geruch zusammensetzt. Schließlich haben Sie selbst Tag täglich mit genau diesen Stoffen zu tun nicht wahr Doktor? Ich sage es nicht gerne, aber der Geruch in der Pathologie ist nicht viel anders, als der eines Krankenhauses. Sie arbeiten mit ähnlichen Instrumenten, mit den gleichen Desinfektions- und Waschmitteln, wie Ihre Kollegen am lebenden Organismus auch. Kein Wunder, dass Frau Kikuja keinen Unterschied darin erkennen konnte.“ Shinichi schluckte, versuchte das hoffnungsvolle Gesicht der Café-Besitzerin aus seinen Gedanken zu verdrängen, solange er mit dem Pathologen sprach. „Natürlich waren die Bedingungen, um dem Mord erfolgreich zu Ende zu bringen, nach meinem Einschreiten, andere als die, die Sie sonst gewohnt waren. Diesmal konnten Sie ihrem Opfer nicht einfach aus dem Hinterhalt auflauern. Wenn man jedoch weiß, mit wem Sie zusammenarbeiten, wird der Trick recht einfach… denn Sie haben einen entscheidenden Beweis zurückgelassen Dr. Matsudo.“ Der Pathologe fragte nicht nach, wartete ruhig und für Shinichis Geschmack schon beinahe zu geduldig darauf, dass er ihm erklärte, wovon er sprach. „Die Wanduhr im Gang vor Miss Kikujas Zimmer ging um eine Stunde vor.“ Matsudos Mundwinkel zuckte, mehr nicht. „Sie selbst haben die Wachen der ersten Schicht abgelöst.“ Shinichi griff nach Bells Brille, nahm sie behutsam von der Nase und begann in kleinen, kreisrunden Bewegungen die Gläser zu putzen, während er sprach. „Sie wussten, wen Megure für die Überwachung abgeordnet hatte. Sie kannten ihre Gesichter und so war es ein Leichtes, die passenden Masken anfertigen zu lassen. Sie sind eine Stunde vor der offiziellen Wachablösung in Begleitung erschienen, um die beiden Männer abzulösen, zuvor haben Sie sowohl ihre eigene Armbanduhr als auch die Uhr im Gang um eine Stunde vorgestellt, sodass ihr verfrühtes erscheinen nicht weiter auffiel. Selbst wenn einer ihrer vermeintlichen „Kollegen“ etwas bemerkt hätte, wäre es leicht dies dem eigenen Geisteszustand zu so später Stunde zu zuschreiben. Nichts desto trotz, ein riskanter Plan, wahrscheinlich aus der Not heraus geboren. Um nur eine Stunde zu gewinnen. Genügend Zeit also um die Tat zu begehen ehe die echten Wachen erschienen. Außerdem genügend Zeit für Sie, um ihre Verkleidung zu wechseln. Der Hauptkommissar nimmt für solche Überwachungen gerne Mitarbeiter mit… nun recht beeindruckender Statur. Sie konnten also die Uniformen und alles was die darunter trugen anlassen und mussten nur Ihr Gesicht, mit den Vorbereiteten Masken ändern und Ihre Armbanduhren erneut umstellen, um den Wachwechsel diesmal pünktlich, ein zweites Mal durchzuführen.“ Matsudo lachte hohl, schaute den Detektiv mit einem säuerlichen Grinsen an. „Na, damit kennen Sie sich ja bestens aus.“ Shinichi schluckte, überging die Anspielung von „Holmes“ und setzte die Brille wieder auf und fuhr fort. „Sie haben allerdings zwei Fehler begangen, zum einen haben Sie vergessen, die Uhr im Krankenhaus wieder richtig zu stellen, zum anderen hatten Sie- warum auch immer, die Karte bei dem Opfer vergessen. Ich weiß nicht, ob es aus Eile war oder ob die Anwesenheit Ihres „Partners“ Sie nervös gemacht hat. Fakt war, die Botschaft des Mörders fehlte, als Megure am nächsten Morgen dort eintraf… tauchte erst wieder auf, nachdem Sie mit der Leiche fertig waren. Allerdings spielte Ihnen Ihr eigener Einsatz in diesem Fall auch wortwörtlich in die Hände.“ Ein bitterer Tonfall begleitete das trockene Lächeln Bells. „Schließlich ist der Pathologe neben der Spurensicherung immer als erstes bei dem Opfer. Gewebe, Fingerabdrucke oder Haare, die von ihm an den Leichen gefunden werden, werden daher von der Spurensicherung nicht weiter beachtet. Ihr vermeintlicher Fehler bei der Untersuchung des dritten Opfers, als Sie die Handschuhe vergessen hatten, diente also nur dazu, die Spuren die sie vielleicht während der Tat hinterlassen hatten, mit bewusst hinterlassenen Spuren zu vertuschen.“ Der Pathologe stand da wie versteinert, verzog keine Miene, während der Detektiv vor ihm zerstörte, was er in den letzten Wochen erarbeitet hatte. „Nun zu Mr. Kabawa. Der letzte Mord hat so viele Ecken und Kanten, dass es mich wundert, dass Sie überhaupt auf diesen Plan eingegangen sind. Vermutlich wurde Kabawa gestern etwas ins Essen geschmuggelt, um Übelkeit hervorzurufen und ihm einen Termin beim Arzt zu verschaffen. Vermutlich kennen Sie Doktor Korioshi gut genug, um zu wissen, dass er den Häftling am nächsten Morgen auch noch mal sehen will. Diese Chance haben Sie genutzt, um seinen Platz einzunehmen. Sie gaben ihm vor der Anhörung etwas gegen die Übelkeit. Was Kabawa jedoch nicht wusste war, dass Sie schon vor seinem Freispruch sein Todesurteil besiegelten. Denn die versprochene Medizin war nichts weiter als Gift, das eine gewisse Zeit braucht, um seine Wirkung zu entfalten, was Ihnen in diesem Fall nur recht war. Wir haben den echten Doktor in seiner Wohnung gefunden, es war also klar, dass jemand seinen Platz eingenommen hatte. Und um Kabawa zu täuschen lag die Vermutung nahe, dass dieser jemand über medizinische Kenntnisse verfügen musste. Auch die Schnittwunde des ersten Opfers die so präzise nachgeahmt wurde, sprach von einem Mediziner. Sie sehen also, dass der Fingerabdruck nur der letzte, wenn auch entscheidende, Beweis ist, Doktor.“ Shinichi schluckte, seine Kehle war vom vielen Reden trocken und doch spürte er, wie auch seine Unruhe langsam wuchs. „Warum haben Sie die Tat so ausgeführt? Warum sind Sie ihnen so blind in die Falle gegangen?“ Ein bitteres lächeln schlich sich auf die Lippen des Pathologen. „Ich wusste gleich, dass man ihnen nicht trauen kann…“ Die grünen Augen huschten ziellos im Raum umher, bis sie auf Bell zur Ruhe kamen. „Ich wusste, dass ich einen Pakt mit dem Teufel eingehe und Sie hatten mich ja gewarnt… ab irgendeinem Punkt würde ich nutzlos werden. Ich war bereit, den Deal einzugehen… schließlich konnte ich so noch einen weiteren Mörder in die Schranken weisen. Hätte ich das Gegenmittel nicht vertauscht, hätte dieses Schwein schließlich gute Chancen gehabt, zu überleben. Um seinen Tod zu garantieren, blieb mir also gar nichts anderes übrig. “ Matsudo lachte hohl, schüttelte den Kopf wie über einen Witz, den außer ihm keiner verstand. Die grünen Augen wurden kurz trüb, während er sprach, seine Stimme klang hol, Anklage hallte in ihr wieder. „Wahrscheinlich ist es ohnehin besser so… vielleicht soll es genauso sein. Denn am Ende können wir uns doch nicht vor dem verstecken, wer wir sind. Das sollten Sie doch wissen Professor.“ Die Stimme des Pathologen wurde scharf und kroch Shinichi unter die Haut. „Die Maske, hinter der Sie sich verstecken, verwandelt Sie nicht in einen anderen, sie zaubert aus Ihnen keinen besseren Menschen hervor!“ Shinichi aber hörte die Beschuldigungen Matsudos nicht, in seinem Verstand arbeitete es. Masken, Verwandeln, Zaubern… Ein kurzes Lächeln schlich sich auf die Züge des Detektivs. Das letzte Problem. Diese Geschichte fand hier genauso wenig ein Ende wie Doyles Detektiv in den Reichenbachfällen. Er schluckte, richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Mörder vor ihm. „Ich ahne was man Ihnen erzählt hat, Doktor und… ich kann nicht mal behaupten, Sie lägen falsch. Es stimmt ich trage Schuld an ihrem Tod. Allerdings bin ich nicht derjenige, den Sie fürchten sollen, die wahre Gefahr, die waren Mörder sind die, mit denen Sie diesen Pakt geschlossen haben.“ Ein müdes Lachen zeigte sich auf den Lippen des Pathologen. „Manchmal muss man eben mit dem Teufel ins Geschäft kommen, um an sein Ziel zu gelangen. Aber egal… um Sie muss ich mich nicht mehr kümmern…“ Die grünen Augen wurden glasig, das müde Lächeln auf den Lippen des Pathologen ließ Shinichis Puls beschleunigen. „Wenigstens kann ich diese Welt noch von einem weiteren Mörder befreien.“ Der Detektiv erkannte die Handbewegung des Arztes sofort und war doch zu spät es zu verhindern. „Verdammt! Hattori!“ Noch ehe er den Namen des Osakaners ausgesprochen hatte war dieser zusammen mit Takagi durch die Hintertür gestürmt. Zu zweit warfen sich die beiden Polizisten auf „Holmes“ brachte ihn unsanft zu Fall. Sie hatten genug von dem Gespräch mitbekommen, um zu ahnen, dass ihr Mörder gerade dabei war, einem Urteil aus dem Weg zu gehen. Während Takagi den Mann mit seinem Gewicht am Boden hielt, machte sich der Kommissar aus Osaka an den verkrampften Kiefer von Holmes zu schaffen. „Hier wird sich nicht vom Acker gemacht, du wirst uns sagen, wo wir se finden, damit wir dem Ganzen ein Ende machen können, na los doch, spuck´s aus!“ Doch der Pathologe hörte sie schon nicht mehr, zuckte nur noch, während sein Körper den viel zu süßen Duft von gebrannten Mandeln verströmte. „Verdammt!“ Mit einem Stöhnen ließen die beiden Männer von „Holmes“ Leiche ab. Die Zähne des Kommissars knirschten unter dem Druck seines Kiefers, unwirsch fuhr er sich durchs Haar. „Was machen wir jetzt… Kudo?“ Doch seine Frage blieb unbeantwortet. „Kudo?“ Nachdem sich nun auch Takagi verwundert umsah spürte Heiji wie die Farbe aus seinem Gesicht floh. „Nein…“ Das Klingeln seines Handys überraschte ihn, obwohl er bereits darauf gewartet hatte, riss das Gebimmel Megure aus seinen Gedanken. „Heiji, was-…“ Doch der Kommissar unterbrach ihn. „Kudo ist weg.“ „WAS? Wohin?“ Der Osakaner schnaufte, Hektik war in der Stimme des Polizisten zu hören. „Wenn ich das wüsst‘ würd ich Sie wohl kaum anrufen, Megure.“ „Verdammt, was hat der Junge jetzt schon wieder vor?“ Das heisere Fluchen war weniger für Heijis Ohren bestimmt als die Anweisung seines Vorgesetzten, die folgte. „Ich schicke euch jemanden der sich um Matsudo kümmern soll, dann-…“ „Das eilt nicht,… er ist tot.“ Der Hauptkommissar antwortete mit Schweigen. Eine Mischung aus Erleichterung und Versagen breitete sich in seinem Inneren aus… aber zumindest das war vorbei. „Seht zu, dass ihr ihn findet, Heiji.“ „Natürlich.“ Der Finger des Osakaners schwebte schon über der Handytaste, um das Gespräch zu beenden, ehe er noch eine letzte Frage einschob. „Wie geht´s dem Opfer?“ Der Knoten im Hals des Hauptkommissars zog sich langsam zu. Die Schreie in den Fluren der Notaufnahme waren verstummt, die Stille jedoch sagte mehr als dem Polizisten lieb war. Er seufzte, vergrub seine fleischige Hand tief unter seinem Hut. „Es sieht nicht gut aus, Heiji…“ Die Welt wurde unklar und verschwommen. Die großen Augen starten glasig ins Leere, hatten nichts weiter im Blick als den so plötzlich erschienen Schmerz, der mit nichts Bekanntem auf dieser Welt zu vergleichen war. Fragen nach dem Was?, Wie? und Warum? schwebten im dichten Nebel aus Gedanken umher, ohne eine Antwort zu finden. All das Denken half nichts, brachte nur noch mehr Schmerz, der sich in die Knochen seines Opfers einbrannte. Sie so weich und zäh wie Gummi werden ließ, während ein Feuer von Innen heraus alles zu verbrennen schien, das noch übrig war. Die Hitze war unerträglich und wurde doch nur schlimmer. Mit jedem Herzschlag wurde das Leben immer und immer weniger und die schier endlose Pein größer. Tod? Fühlte sich so sterben an? Verstand und Körper gaben gleichermaßen nach, verschwammen zu einem heißen Klumpen Teer, der weder Form noch Licht übrig ließ, sondern alles mit sich nahm. Selbst Angst hatte in dieser glühenden Hölle keinen Platz mehr, wurde verdrängt von der schier endlosen Qual. Es tat so weh… Die Angst ging und der Schmerz brachte einen gefährlichen Freund mit sich… einen Freund der dem Tod voraus ging, der den Weg ebnete für das was kommen könnte, für das was kommen sollte. Hoffnung. Denn egal wie, es würde gleich vorbei sein. Zu Ende. Bald. Das war alles was noch zählte, dass diese Qualen vorüber gehen würden. Gleich vorbei… Bitte! Doch die brennenden Lippen hatten andere Pläne, bettelten nicht, sondern sprachen das aus, was ihnen am meisten bedeute. Der einzige Gedanke der dem Schmerz wirklich Linderung verschaffte. Der Gedanke der alle anderen Vertreiben konnte… der das Leiden beenden konnte. „Shinichi…“ „RAN!“ Hallöchen ihr Lieben, Erst mal herzlichen Glückwunsch an alle die mit ihrer Vermutung richtig lagen (und auch an die die mit einer (oder zwei) anderen Ideen auch nicht ganz falsch lagen *gg*) Nicht mein bester Mord leider.. einige Ecken und Kanten hat er schon fürchte ich. Allerdings denke ich das dennoch einige Fragen im Raum stehen, aber ich würde behaupten die meisten davon werden noch gelöst. Wäre ja auch untypisch für mich euch ganz aufgeklärt zurück zu lassen ohne weitere Rätsel und Zweifel zu streuen. Nicht zu letzt dieser Cliffhänger, mein persönlicher liebling *gg* Denn nein, ihr Name am Schluss ist kein Fehler ];) Ich würde sagen… jetzt geht’s los, der letzte Abschnitt der FF ist somit eingeleitet. Und ich bin natürlich suuuper gespannt was ihr dazu sagt ^///^ Wie immer vielen Dank für eure teure, *sichjetztversteckengeht* Bis dann, eure Shelling Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)