Because I'm Stupid ... von Lina_Kudo (»Weil ich ein Idiot bin ...« (Seiya&Usagi)) ================================================================================ Kapitel 2: One-Sided Love? -------------------------- Kapitel 2: ONE-SIDED LOVE? »Das, was ich für dich empfinde, darf keine ›Liebe‹ sein …« Schweigend standen wir uns gegenüber. Mein Blick war zu Boden gerichtet. Ich traute mich gar nicht, ihm in die Augen zu sehen nach allem, was passiert war. Aber aus welchem Grund eigentlich? Es hatte sich doch zwischen uns gar nichts geändert. Seiya war nach wie vor Seiya. Immer noch mein bester Freund. Warum sollte also jetzt etwas anders sein? Warum sollte ich ihn anders behandeln als vorher? Nur, weil er mehr Gefühle für mich hatte, als es für einen besten Freund üblich war? Wer hätte jemals gedacht, dass wir uns einmal in so einer Situation befinden würden? In so einer … hoffnungslosen Situation? Zumindest für ihn. Oder traf diese Beschreibung etwa auch auf meine Lage zu? Auf jeden Fall hätte ich es niemals für möglich gehalten, dass sich unsere Verbindung zu so etwas … ja, Kompliziertem entwickeln würde. Ich hatte bis zum gestrigen Abend nicht einmal einen blassen Schimmer von seinen Gefühlen für mich gehabt. Wie konnte ich auch nur so blind gewesen sein? Denn erst nach diesem gestrigen Vorfall hatte sich mein eingeschränktes Sichtfeld endlich geweitet. Erst ab diesem Zeitpunkt waren mir all die Dinge aufgefallen, die mir hätten offenbaren sollen, dass Seiya in mir mehr als nur ein gewöhnliches Mädchen sah. Allein schon, wie wir uns kennengelernt hatten. Wie er mir von Anfang an schöne Augen gemacht hatte. Er hatte mich schon bei unserem ersten Treffen »Schätzchen« genannt. Okay, das hätte ich vielleicht wirklich noch als harmlose Flirterei abstempeln können. Denn dass er ein Draufgänger war – daran gab es nicht den geringsten Zweifel. Man sah es ihm sogar auf den ersten Blick an: Er war attraktiv, charmant und strahlte ein gigantisches Selbstbewusstsein aus. Wenn nicht sogar eine leichte Arroganz, die jedoch trotzdem etwas Sympathisches und Liebenswürdiges an sich hatte. Doch spätestens, als er damit begann, immer wieder meine Nähe zu suchen, hätte ich stutzig werden müssen. Erst jetzt ließ ich alle Anzeichen Revue passieren. Er hatte seinen freien Tag mit mir verbringen wollen und hat mich um ein Date gebeten. Oder was heißt gebeten: Er hatte es beschlossen. Bei keinem anderen Typen wäre ich darauf eingegangen, doch ich war trotzdem erschienen. Sogar überpünktlich, was bei mir so gut wie nie vorkam. Doch es war mir irgendwie wichtig, zu kommen. Weil mir doch etwas an ihm gelegen hatte, auch wenn ich es mir selbst nie hatte eingestehen wollen. Und auch, als er sich sofort bereiterklärt hatte, mein Bodyguard zu sein an dem Tag, wo ich hätte alleine zu Hause sein müssen. Während die anderen mich eiskalt hätten alleine gelassen, war er gekommen – und das, obwohl er als angesehener Star eigentlich ziemlich beschäftigt gewesen war. Unerklärlicherweise hatten meine Freundinnen dann plötzlich doch Zeit gehabt. Was mich im Nachhinein fast schon ein wenig gestört hatte, musste ich insgeheim zugeben. Seine ziemlich begrenzte Freizeit hatte er auch damit verbracht, mir das Softballspielen beizubringen, obwohl er sicher viel sinnvollere Dinge zu tun gehabt hätte. Er hatte immer ganz besonders auf mich aufgepasst, mich nach Hause begleitet und mir zugehört. Auch dachte ich zurück an den Abend im Flugzeug. Wie nahe er mir gekommen und mir versichert hatte, dass er mich beschützen würde. Seine Augen hatten Bände gesprochen. Voller Zuversicht, mich mit Einsatz seines Lebens zu beschützen. Er war sogar so weit gegangen, mir sein größtes Geheimnis zu offenbaren und sich vor meinen Augen in Sailor Star Fighter zu verwandeln. Er hatte immer sein Wort gehalten mir gegenüber. Nicht zu vergessen seine Botschaft an dem Abend in dieser Radiosendung. Und unmittelbar danach sein geglückter Versuch, mich vor Tin Nyankos Attacke zu retten, was ihn selbst fast das Leben gekostet hätte. Er hatte sich ohne zu zögern vor mich geworfen. Nicht nur damals, sondern auch bei unserem großen Kampf gegen Galaxia. Oder wie er am Abend vor dem Schulfest unter meinem Fenster stand. Welcher junge Mann spannte vor dem Fenster einer jungen Frau, wenn kein Interesse da gewesen wäre? Und als er am nächsten Tag tatsächlich beim Schulfest aufgetaucht war, dann doch nur, um mich zu sehen. Warum fielen mir all diese eindeutigen Hinweise erst jetzt auf? Ich bin doch so dumm gewesen. Viel zu dumm. Wieso ärgerte mich das denn überhaupt? Hätte es irgendetwas an unserem Stand geändert, wenn ich mir über seine Gefühle schon eher im Klaren gewesen wäre? Hätte es das? Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann wir uns jemals so lange angeschwiegen hatten. Zwischen uns gab es doch nie eine längere Gesprächspause von einigen Sekunden. Wir hatten uns immer irgendetwas zu erzählen gehabt. Erst in diesem Moment, wo es eben nicht mehr der Fall war, merkte ich, dass mir diese Offenheit zwischen uns fehlte. Wie sehr ich es genossen hatte, über alles mit ihm sprechen zu können und mich in keinster Weise zurückhalten zu müssen. Er war der Einzige, bei dem ich so ausgelassen sein konnte. Waren diese schönen Zeiten nun endgültig vorbei? Allein der Gedanke tat höllisch weh. Diese Stille zwischen uns war erdrückend und zerriss mich innerlich. Zu meiner großen Erleichterung ergriff Seiya endlich das Wort. »Das gestern … das war ehrlich gemeint«, begann er und schloss seine Augen. Sofort rief ich mir seine Worte zurück ins Gedächtnis. Obwohl das eigentlich gar nicht notwendig war – schwirrten mir jene Worte doch sowieso schon den ganzen Tag im Kopf herum. Die Worte, die ein für alle Mal keine Fragen mehr offenließen. Die Worte, die selbst mir als personifizierte Begriffsstutzigkeit deutlich machten, wie viel er in Wirklichkeit für mich empfand. Die Worte, die nur einen einzigen Schluss zuließen: dass er mich liebte. »Bin ich denn nicht gut genug für dich?« Ich hatte ihm keine Antwort gegeben. Viel zu verdattert war ich über diese unerwartete Frage gewesen. Die Frage, die im Nachhinein gesehen gar nicht so unerwartet gekommen war. Die für einen Schnellchecker, für den es ein Leichtes war, alles gleich zu durchschauen, sogar absehbar gewesen wäre. Nun hatte ich mir aber eigentlich fest vorgenommen, klare Verhältnisse zu schaffen, weil ich Seiya nicht unnötig verletzen wollte. Doch leichter gesagt als getan. Wie sollte ich ihm bloß schonend beibringen, dass es für uns keine gemeinsame Zukunft geben konnte? Es war einfach nicht möglich, auch wenn ich gewisse Gefühle für ihn entwickelt hatte. Das konnte ich nun nicht mehr abstreiten. Ich hätte damit nur meine eigenen Gefühle verleugnet. So langsam war ich aus dem Alter raus. Denn würde ich ihn wirklich nur als einen Freund sehen, hätte mich sein Geständnis doch nie so aus der Bahn geworfen, oder? Wie sollte ich ihm denn nur klarmachen, dass er zwar mehr als nur gut genug für mich war, ich jedoch trotzdem bereits Mamoru hatte? Und dass wir uns gerade deswegen, wie Haruka mir vorhin schon gesagt hatte, nicht mehr wiedersehen sollten? Wie sollte ich ihm das erklären? Doch so offen musste ich zu ihm sein. Es führte kein Weg daran vorbei. Ich hatte gar keine andere Wahl. Das war ich ihm schuldig. Das war das Mindeste, was ich für ihn tun konnte. Denn ich … kannte meine Zukunft bereits. Ich wusste, was unweigerlich geschehen würde. Und es war meine Aufgabe, mein Schicksal zu erfüllen. »Seiya, ich muss dir … «, brach ich mitten im Satz ab. Kriegte ich eigentlich überhaupt irgendetwas gebacken? Warum nur fiel mir das nur so verdammt schwer? Etwa, weil ich es selbst gar nicht wollte? Weil ich ihn auch in meiner Zukunft wiedersehen wollte? Weil ich diejenige war, die ihn nicht verlieren wollte? »Bitte fühl dich nicht verunsichert, dass ich dich liebe. Ich weiß genau, dass es eine einseitige Liebe ist.« Während er diese Worte aussprach, klang er so seltsam heiter. Zwang er sich dazu oder ging es ihm wirklich gut? Ging es ihm womöglich sogar besser als mir, obwohl das in Anbetracht der Situation eigentlich undenkbar war? Was lief hier bloß falsch? Plötzlich ging er auf mich zu und näherte sich meinem Gesicht. Sein frischer Atem streichelte meine Wange. Mich überkam augenblicklich eine wohlige Gänsehaut. Meine Wangen glühten und ich hoffte inständig, dass sie kein Rotschimmer schmückte – doch ich befürchtete es fast. »Nach dem Konzert entführe ich dich in ein wunderschönes Traumland«, hauchte er leise. Überrumpelt zuckte ich zusammen. Mein Herz überschlug sich fast mehrfach. So laut schlug es, dass ich bereits Sorge hatte, dass Seiya es hören könnte. So heftig, dass es mir vorkam, dass es immer wieder gegen meine Rippen schlug – was natürlich völliger Quatsch war. Was war das für ein Gefühl? Solch ein starkes Herzklopfen hatte ich noch nie verspürt. Noch nicht einmal … bei Mamoru. Entsetzt fuhr ich hoch. Was hatte ich da eben gedacht? Wie konnte ich nur auch nur solche Gedanken hegen? Es war mir verboten, so etwas auch nur zu denken. Kein anderer Mann außer Mamoru durfte so eine überwätigende Wirkung auf mich haben. Niemand anderem war es gestattet, meine Gefühlswelt so durcheinanderzubringen. Doch diese innere Predigt verpuffte auf der Stelle, als ich Seiya in die unsagbar tiefblauen Augen sah und kurz davor war, mich darin zu verlieren. Am liebsten würde ich ihn direkt fragen, was genau er denn mit diesem Satz gemeint hatte. Doch zum Glück musste ich es gar nicht – denn er gab mir die Antwort auch so. Ob er meine unausgesprochene Frage aus meiner Miene abgelesen hatte? Natürlich. Er hatte mich schon immer auch ohne Worte verstanden. Seit wir uns kannten. Noch nie hatte ich mich von einem anderen Menschen so verstanden gefühlt wie von ihm. Er drehte dabei seinen Kopf weiter in meine Richtung und schenkte mir einen warmen Blick. »Inzwischen liebe ich dich so sehr, dass ich mir wünschte, ich könnte das tun, was ich gerade gesagt habe.« Mein Herz zog sich schmerzlich zusammen, als hätte es gerade einen bösen Krampf zu durchleiden. Es hatte einfach keinen Sinn: Wir lebten in verschiedenen Welten. Er musste früher oder später mit der Prinzessin, Taiki und Yaten zu seinem Heimatplaneten zurückkehren und ihn wieder neu aufbauen. Das war seine Mission. Und meine Mission war es, eines Tages zusammen mit Mamoru unser Sonnensystem zu beherrschen. Die Dinge würden so kommen. Irgendwelche Abweichungen oder Veränderungen waren ausgeschlossen. Er musste eben tun, was er tun musste. Und ich musste nun, was ich tun musste. So sollte es sein. So musste es sein. So würde es ganz gewiss auch werden. Doch warum um alles in der Welt stimmte mich dieser Gedanke daran so … unendlich traurig? »Es war mir sehr wichtig, dir zu sagen, was ich für dich empfinde. Meine Zeit als ›Seiya‹ auf dieser Erde geht langsam dem Ende entgegen.« Irrte ich mich oder versuchte er, dabei so locker wie nur möglich rüberzukommen? Die nächsten Fragen schossen sogleich wie Raketen durch mein Hirn: Warum wollte er mir etwas vormachen? Warum konnte er nicht mehr so offen und ehrlich zu mir sein wie bisher? Warum … war das so? Warum musste sich zwischen uns alles so drastisch ändern? Warum konnte es nicht so sein wie bisher? Das durfte ich nicht zulassen. Ich wollte nicht tatenlos dabei zusehen, wie unsere Freundschaft den Bach runterging. »Seiya!«, rief ich verzweifelt. Doch noch im gleichen Moment hielt ich inne. Ich wollte irgendetwas sagen. Aber was? Eine verdammt gute Frage. Schließlich wollte ich ihm keine falschen Hoffnungen machen. Dennoch wollte ich ihn unbedingt aufheitern und von seinen seelischen Qualen erlösen. Doch ich war viel zu aufgewühlt, um die richtigen Worte zu finden. Aufgewühlt, weil es mir so sehr auf der Zunge brannte, ihn zu bitten, hier bei mir zu bleiben. Ihn zu bitten, nicht zu gehen. Genau so war es. Am liebsten würde ich auf die Knie fallen und ihn hemmungslos unter Tränen anflehen, für immer bei mir zu bleiben und mich zu beschützen, weil ich mich noch nie bei jemandem so sicher gefühlt hatte wie bei ihm. Weil ich tief in mir wusste, dass er derjenige war, der mich am allerbesten beschützen konnte. Doch das durfte ich nicht. Es war nicht seine Aufgabe, mich zu beschützen, sondern die Aufgabe eines anderen. Und auch Seiya musste einzig und allein seine Prinzessin beschützen und sonst niemanden. Wie konnte ich nur so eigennützig sein und auch nur mit dem Gedanken spielen, so etwas Ungeheuerliches von ihm zu verlangen? Nur, weil ich schwaches Mädchen einen Bodyguard brauchte und er in meinen Augen am geeignetsten dafür war. Das war unverzeihlich. Viel zu feige war ich, um zu ihm aufzublicken. Was, wenn er jetzt wirklich darauf wartete, bis ich aussprach, was ich aussprechen wollte? Er würde mich doch für komplett bescheuert halten, wenn ich ihn wieder nur anschwieg. Das hatte ich mal wieder toll hinbekommen, ich Heldin! Entweder er merkte meine Zerrissenheit und war gnädig oder er wollte mich gar nicht erst ausreden lassen, als er dabei war, wieder zu Wort zu kommen. »Bitte entschuldige, aber es ist wichtig, dass ich mich jetzt auf unser Abschiedskonzert vorbereite.« Ich schreckte aus meinem inneren Wirrwarr auf. Gequält nahm ich zur Kenntnis, dass es mir wehtat, dass er unsere Unterhaltung anscheinend so schnell es ging hinter die Bühne bringen wollte. Es kam noch schlimmer: Er wollte sich nun wirklich verabschieden. Bitte nicht. Bitte lass dieses endgültige Aus niemals eintreten, lieber Gott. Diesen Verlust werde ich niemals überwinden können. »Ich wünsche dir, dass du deinen Freund bald wiedersiehst.« Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Abermals wuchs der nichtsnutzige Frosch in meinem Hals, während ich ihn nur bestürzt anstarren konnte. Ich fand in seinen unsagbar blauen Augen eine Mischung aus Sehnsucht und erzwungene Freude. Doch in erster Linie entdeckte ich darin die Liebe des kompletten Universums vereint … Es fühlte sich so verkehrt an. So falsch, gerade diese Worte aus seinen Lippen zu hören. Meine Augen füllten sich allmählich mit Tränen, denn ich konnte mir vorstellen, wie schlimm es gerade für ihn sein musste. Ich konnte seinen seelischen Schmerz nahezu am eigenen Leibe spüren. Mir war klar, dass es sein Schmerz war, der sich gerade stürmisch in meiner Brust ausbreitete. Vermischt mit meiner eigenen Verzweiflung. Es zerbrach mir das Herz, ihn so zu sehen. Warum nur musste er sich ausgerechnet in mich verlieben? Er war doch so ein wundervoller Mensch … Er hatte etwas viel Besseres als mich verdient. Jemanden, der dazu fähig war, ihn glücklich zu machen. Denn das wäre das Mindeste für ihn gewesen. Aber warum löste die Vorstellung, Seiya neben einer atemberaubend schönen Frau zu sehen, so eine Übelkeit in mir aus? Oh Gott. Ich erschrak selbst am meisten über meine kranken Empfindungen. War ich inzwischen schon so egoistisch geworden, dass ich es ihm gar nicht erlauben wollte, eine andere Frau als mich anzusehen, geschweige denn zu lieben? Ich hatte mich doch tatsächlich zu einer grausamen Hexe entwickelt. Sichtlich überfordert von der ganzen Situation brachte ich nicht mehr als ein kleinlautes »Tut mir leid« heraus, bevor ich noch irgendetwas Falsches sagen konnte, was ich später bereuen würde. Was sollte ich denn sonst großartig dazu sagen? Leider durfte ich ihm nicht den Gefallen tun und ihm die Worte zuflüstern, nach denen er sich insgeheim sehnte. Die Worte aus meinen Lippen, die er sich mehr als alles andere auf dieser Welt wünschte: Ich kannte sie. Ich konnte sie deutlich aus seiner Seele herauslesen, die er mir nun so offen wie noch nie darlegte. Dass seine Liebe nicht einseitig war. Doch das würde ich ihm niemals verraten dürfen. Ich durfte nicht so rücksichtslos sein. Von dieser bittersüßen Wahrheit durfte er nie etwas erfahren. Er winkte sofort ab, versuchte mal wieder, alles locker runterzuspielen und seine altbewährte Coolness raushängen zu lassen. Mittlerweile kannte ich ihn gut genug, um diese Geste als abgedroschene Fassade zu enttarnen. Er konnte mir nicht mehr länger etwas vormachen. Ich war lange genug blind gewesen. Doch auch diese Erkenntnis half mir nicht wirklich weiter. Ihn direkt darauf ansprechen konnte ich auch nicht. Am liebsten würde ich ihn fragen, warum er sich so sehr damit quälte. Etwa aus dem gleichen Grund wie ich? Wegen unserem unausweichlichen Schicksal, der uns dazu zwang, an dieser Stelle stehen zu bleiben und nicht mehr gemeinsam voranzuschreiten? »Nein, es braucht dir nicht leidzutun, wirklich! Ich …« Seine saphirblauen Augen leuchteten schlagartig auf, als er mich plötzlich verklärt ansah und in dieser Sekunde einen Entschluss zu fassen schien. Langsam näherte er sich mir. Instinktiv wich ich zurück. Er wollte mich doch nicht etwa … küssen? Das durfte ich nicht zulassen – wie sollte es denn danach mit uns weitergehen? Wie könnten wir uns danach noch in die Augen schauen? Wir waren doch eh schon viel zu weit gegangen. Viel weiter, als es uns eigentlich erlaubt war. Was dachte er sich nur dabei? Dachte er überhaupt? Oder war er auch ein Gefühlsmensch, der sich von seinem Herz leiten ließ – genau wie ich es tief in meiner Seele eigentlich auch war, nur gerade damit beschäftigt war, mich krampfhaft gegen mein eigenes Naturell zu wehren? Kaum als ich es mich versah, trafen seine weichen Lippen zärtlich die oberste Stelle meiner Wange. »Wie schade, dass wir uns nicht schon früher begegnet sind … mein Schätzchen.« Er lächelte dabei, doch sagte es mit unendlicher Wehmut, die ich mehr heraushörte, als mir lieb war. Mehr, als mein angeschlagenes Herz aushalten konnte. Ja, vielleicht wäre dann alles doch anders verlaufen. Aber ob sich dann auch etwas an unserer Zukunft geändert hätte? Wer wusste das schon? Doch was brachte es, sich jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen, was theoretisch hätte geschehen können? Am Ende war man doch genauso schlau wie vorher und immer noch keinen einzigen Schritt weiter. Nun konnte ich aber erst recht nicht aufhören zu weinen. Es klang nach Abschied. Nach einem Abschied für immer. War es das denn nicht auch? Das wollte ich aber nicht. Mein Herz wollte nicht, dass es zu Ende ging. Doch wir waren nun dabei, mit riesigen Schritten geradewegs auf das Ende zuzurasen. »Seiya …« Mehr brachte ich nicht heraus. Und meine Tränen fanden weiterhin kein Ende. Nein, so konnte ich das nicht zwischen uns stehen lassen. Meine Beine bewegten sich wie von Geisterhand auf ihn zu, bevor ich mich ohne Vorwarnung an seine stählerne Brust schmiss. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich zur Kenntnis nahm, dass er nach kurzem Zögern doch seine Arme um mich schlang. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, welches gerade meinen gesamten Körper durchflutete und mich gewaltsam mit sich fortriss. In dieser innigen Umarmung verharrten wir für einige Zeit. Ich konnte nicht sagen, ob es sich um Sekunden oder Minuten handelte. Das Einzige, wo ich mir sicher war, war mein verbotener Wunsch, dass er mich nie wieder loslassen sollte. Dieser Wunsch war auch nicht zu ignorieren, da die Stimme meines Herzens ihn ununterbrochen und lautstark äußerte. Es war wunderschön, so in seinen Armen zu liegen. Hier an diesem sicheren Ort konnte mir nichts auf diesem Universum etwas anhaben. Ich kostete diesen Moment aus. In vollen Zügen. Was blieb mir denn noch? Ich wusste ja, dass dies die allerletzte Gelegenheit war, ihm so nahe sein zu können. Ihm so nahe sein zu dürfen. Schließlich hatten wir hiermit das absolute Limit für uns erreicht. Auch war mir klar, dass das hier mehr als nur falsch war. Dass ich mich ihm gegenüber total eigennützig und unfair verhielt. Ich pflanzte Hoffnung in ihm, wo keine sein sollte. Ich handelte gerade rein nach meinem Instinkt – wie ein wildes Tier. Doch das war mir egal: Ich wollte ihn unter keinen Umständen gehen lassen. Wo doch schon Mamoru mich verlassen hatte. Seiya auch noch zu verlieren … das könnte ich niemals ertragen. Tja, Selbstegoismus ließ grüßen. Er hatte nun vollständig von mir Besitz ergriffen und verwandelte mich wirklich in eine selbstsüchtige, verwöhnte Göre, die nur an sich und ihr eigenes Wohlergehen dachte und keinerlei Rücksicht auf die Gefühle ihrer Mitmenschen nahm. Wie konnte ich es nur so weit kommen lassen? Die Liebe konnte einen wirklich sehr negativ beeinflussen und die hässlichste Seite aus einem herausholen. Schockiert stellten sich mir im gleichen Moment die Nackenhaare auf. Warum verband ich das Wort »Liebe« mit »Seiya«? Dass ich eine tiefe Zuneigung zu ihm hatte, ließ ich ja noch eingehen, denn so und nicht anders war es. Aber … Liebe? Ich verwarf diesen Gedanken schleunigst und begann – ohne darüber nachzudenken – offen zu ihm zu sein und ihm alles zu erzählen. »Haruka hat mir gesagt, dass ich dir sagen soll, dass wir uns nie wiedersehen dürfen. Und ich … ich habe wirklich mit dem Gedanken gespielt, es zu tun. Um es … dir einfacher zu machen. Um es uns einfacher zu machen. Doch ich … ich kann das einfach nicht. Dafür bedeutest du mir schon zu viel. Viel zu viel …« Unter Tränen offenbarte ich ihm die Umstände, war mir selbst gar nicht im Klaren darüber, was ich da eigentlich gerade von mir gab. Was meine Worte wirklich zu bedeuten hatten. Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus wie ein unbändiger Wasserfall. Ich hatte ja ihm gegenüber schon immer ein besonderes ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis gehabt. Noch nie haben sich meine Gefühle und Worte so heimisch gefühlt wie bei ihm. Sie spürten, dass sie bei ihm am besten aufgehoben waren. So war das schon immer zwischen uns gewesen: Ihm konnte ich ausnahmslos alles erzählen, ohne mich zurückzuhalten und Angst haben zu müssen, dass er sich über mich lustig machen könnte. Als Antwort blinzelte er mich nur sichtlich irritiert an. Als ob er sich allen Ernstes fragen würde, ob ich bescheuert geworden war. Na ja, so weit hergeholt war das ja gar nicht. Um nicht zu sagen: Es entsprach sogar der Wahrheit. Das war die einzig logische Erklärung für mein jetziges Verhalten. Allmählich befreite sich Seiya aus der Umarmung. Augenblicklich fing eine nahezu unerträgliche Eiseskälte an, sich in meinem Körper auszubreiten, die jedoch gleich wieder im Nebel verschwand, als er mir intensiv in die Augen sah. Mit einem Blick, der mir den Atem raubte und alles um mich herum vergessen ließ. »Sag mir … Wer bin ich für dich?« Wer du … für mich bist? Ich war wie versteinert. Jegliche Farbe wich aus meinem ohnehin schon blassen Gesicht. Von allen möglichen Fragen, die es gab – warum musste er mir ausgerechnet so eine Frage stellen? Mein armes Herz – schlug es überhaupt noch? Ich spürte keine Schläge mehr … Verbittert blickte er zur Seite, ehe ich überhaupt meinen Mund aufmachen konnte. »Egal, was du auch für mich empfinden magst … Ich werde nie mit deinem geliebten Mamoru mithalten können. Das ist mir durchaus bewusst.« Mein Blick wurde leer, als ich ihn schuldbewusst senkte. Ich war wieder einmal verstummt. Warum nur … fühlte ich mich so miserabel für meine Gefühle? So schuldig, dass ich Mamoru liebte? Warum fühlte sich das in meinem Herzen so … unrichtig an? Schließlich war es doch richtig, ihn zu lieben. So sollte es doch sein, verdammt! Abermals fasste ich einen folgenschweren Entschluss: Ich musste ehrlich zu ihm sein. Wenigstens dieses eine Mal, auch wenn danach alles völlig aus dem Ruder laufen würde. Ich musste einfach. Im Grunde konnte ich eh nichts dagegen unternehmen, weil mein Mund sich mal wieder selbstständig machte. Das war ja nicht unbedingt eine Premiere an diesem Abend. Eher konnte dieses Phänomen bald sein Jubiläum feiern in kürzester Zeit. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was du für mich bist. Ich habe immer gedacht, du wärst eine meiner engsten Freunde, doch … das stimmt nicht. Da ist … mehr.« Oh Gott – hatte ich das gerade wirklich laut ausgesprochen? Obwohl das letzte Wörtchen nicht mehr als ein Flüstern war, verriet mir seine darauffolgende Reaktion, dass er mich trotzdem sehr gut verstanden hatte. Ehe ich es mich versah, hatte er mich sanft und zugleich bestimmend an den Schultern gepackt und sah mich nun energisch an. Wieder musste ich mir eingestehen, wie sehr ich seinen dunklen Augen schon verfallen war. Sie waren so blau wie die sternenklare Nacht. »Wie kannst du so etwas Wichtiges nicht genau wissen, Usagi? Schau mir in die Augen und sag mir gefälligst, dass du mich nicht liebst! Dann schwöre ich dir bei Gott, werde ich dich damit für immer in Ruhe lassen!« Völlig entsetzt über seinen blitzartigen Gefühlsausbruch sah ich ihn mit geweiteten Augen an. Es war so, als wäre ich in eine Schockstarre versetzt worden. Wie musste das nur für ihn aussehen? Warum machte ich mir überhaupt darüber Gedanken? Es war mir doch sonst auch immer ziemlich schnuppe gewesen, was er von mir gehalten hatte. Oder? Erschöpft lehnte er seine Stirn an meiner Schulter. »Ich bitte dich …« Eine Kette von unverhofften Reaktionen fand in meinem Körper statt. Kein einziger Ton wollte meine verflixten Stimmbänder verlassen. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich hörte selbst das Rauschen meines in Wallung geratenen Blutes in den Ohren. Mein Rachenraum war zu einer staubtrockenen Wüste geworden. Ich war mir sicher, dass er trockener war als die größte Wüste der Erde. Wie hieß sie nochmal gleich? Oh je, wieder konnte ich aus dem Stegreif nicht mehr auf die Lerninhalte des Erdkunde–Unterrichts zurückgreifen. Doch eigentlich war ich in diesem Moment sowieso nicht fähig, überhaupt irgendeinen sinnvollen Gedanken zu fassen und meine Gehirnzellen zu beanspruchen. Die hatten sich schon längst von mir verabschiedet und ließen mich nun erbarmungslos im stürmischen Regen der Gefühle stehen. Und das lag nicht nur an seiner Frage, sondern auch an dieser unerwarteten Nähe zwischen uns. Plötzlich blickte er ernüchtert auf und lächelte mich entschuldigend an. Der Ausdruck in seinen Augen ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Das Unfassbare war eingetreten: Der Kampfwille von Seiya Kou war gebrochen. Er war dabei, für immer aufzugeben. »E– Es tut mir leid, Schätzchen. Meine Gefühle sind mit mir durchgegangen. Ich habe Schwachsinn gelabert. Es ist alles in bester Ordnung. Tut mir leid, wenn ich dir gerade Angst eingejagt habe. Das wollte ich auf gar keinen Fall. Du brauchst dir wirklich um mich keine Gedanken zu machen. Mir geht es gut.« Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich mich so entsetzlich mies gefühlt. Um Fassung ringend sah ich ihm in die Augen und versuchte herauszulesen, was in ihnen vorging. Alles, was ich dort fand, war unendlicher Schmerz. Auch mich erfasste zum wiederholten Male die gewaltige Welle der tiefen Trauer und Verzweiflung und spülte mich wieder weit weg. Wie konnte ich diesem Mann nur helfen? Ich hatte bereits viel zu viel offenbart. Viel zu viel von meinen Gefühlen preisgegeben, die mich selbst schockiert hatten. Auch ich hätte nie für möglich gehalten, dass er mir doch so wichtig werden könnte, wie er es heute nun war. Ich hatte mich bereits viel zu weit aus dem Fenster gelehnt. Ich durfte keinen weiteren Schritt mehr weitergehen und uns damit ins sichere Verderben stürzen. Langsam ließ er mich los, wandte sich von mir ab und bewegte sich auf die Tür zu. In diesem Moment erfüllte diese eisige Kälte von vorhin nun vollständig mein Herz. Ihre Dunkelheit nahm gänzlich Besitz über meinen gesamten Körper und ließ mich in ein endloses schwarzes Loch stürzen, aus dem ich mich aus eigener Kraft niemals wahrhaftig befreien konnte. Es war nun wirklich … vorbei. Aber ich musste stark bleiben. Ich durfte ihm nicht hinterherrufen. Ich musste ihn ziehen lassen. Nur für ihn und sein Wohlergehen. Es ging hier nicht um mich. Meine Augen waren auf ihn gerichtet. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden, war wie gebannt. Selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte ich dagegen nicht ankämpfen können. Ich war schon lange nicht mehr Herrin meines eigenen Körpers. Als ob dieser Körper gar nicht mehr mir gehörte, sondern nur geliehen war. Bei einem Kampf gegen ihn wäre ich hoffnungslos unterlegen. Ich hatte nicht mehr die Kraft, mich durchzusetzen. Ich hätte dafür dankbar sein sollen, dass er alles endlich zu einem Ende brachte. Dass er mir diese undankbare Arbeit abnahm. Doch alles, was ich empfand, war Verbitterung. Verbitterung für einen unersetzlichen Verlust. Denn der Preis, den wir für unser Schicksal zahlen mussten, war nichts Geringeres als unsere Freundschaft. »Ich muss jetzt gehen. Wenn wir es nicht schaffen sollten, das ›Licht der Hoffnung‹ mit diesem Konzert zu finden, dann …« Er drehte kurz am Türknauf und verließ entschlossenen Schrittes das Zimmer. Ließ alles hinter sich. Auch … mich. Ich spürte längst keinen Schmerz mehr in meiner Brust. Die Finsternis in meinem Herzen schien sämtliche Empfindungsfähigkeiten verschlungen zu haben. Ich fühlte nicht mehr als … Leere. Endlose Leere. »… dann werden wir in dieser letzten großen Schlacht unser Leben einsetzen. Taiki, Yaten? Lasst uns unser Bestes geben!« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)