Persona 3 -After the Years- von fubukiuchiha ================================================================================ Kapitel 34: XXXIV - Der Teufel trägt Seide ------------------------------------------ ~~~Dienstag 31. Mai 2016~~~   Der Schultag war schneller vorbei, als Aiden es erwartet hatte, doch darüber beschweren wollte er sich garantiert nicht. Sie waren zusammen zu der Übereinstimmung gekommen, dass sie alle die Zeit bis zum nächsten Sonntag damit verbringen würden, sich bestmöglich zu erholen. Den Fakt mit dem Schlüssel würde Haruka nach ihrer eigenen Aussage übernehmen, weshalb für Aiden selbst heute mal nichts anstand. Miyuki hatte sich nach dem Unterricht sofort verabschiedet, weil sie noch ein paar Dinge zu erledigen hatte und Haruka war wieder von Sakura in Beschlag genommen worden. Luca hingegen hatte die Chance beim Schopf gepackt und seinen besten Freund einfach zu einem Spaziergang mitgezerrt, der sie allerdings in Richtung Mall führte. Unweigerlich hatte der Braunhaarige die Befürchtung, dass sein bester Freund wieder etwas aushecken könnte, doch blieb es wirklich bei einem lockeren Spaziergang, während dem die beiden Jungs sich über den Unterricht ausließen. In der Mall selbst trennten sich ihre Wege allerdings, als Luca in Richtung eines Ladens für ausländische Lebensmittel marschierte: „Sorry, Amigo, aber ich habe noch ein bisschen was zu besorgen. Wir schreiben später, okay?“ „Ja, alles klar. Wir sehen uns“, hob Aiden die Hand und sah seinem Freund nach, der kurz darauf in dem Laden verschwunden war.   Nun stand er alleine da und hing seinen Gedanken nach, wobei ihm erst jetzt wirklich bewusstwurde, wie sehr er sich an die Gegenwart seiner Freunde gewöhnt hatte. Früher war er stets ein Einzelgänger gewesen, doch jetzt, nach dem ganzen Kontakt, wieder alleine hier zu sein, nagte ein wenig an ihm. Wirklich böse konnte er auf seine Freunde aber nicht sein, denn schließlich hatte ja jeder sein eigenes Leben. Um sich etwas abzulenken, ließ der Braunhaarige den Blick schweifen und entdeckte durch das Fenster des Cafés Mirai, die in ihrer Maid-Uniform zwischen den Tischen herumwuselte und die Gäste bediente. Während er der Silberhaarigen bei ihrer Arbeit zusah, wanderten seine Gedanken zum letzten Samstag zurück, wo man ihm ebenfalls ein Jobangebot unterbreitet hatte. Unweigerlich huschten seine Augen zu der Boutique und sein Magen begann bei dem Gedanken an die blonde Frau zu rebellieren. Es war totsicher, dass er es bereuen würde, wenn er das Angebot annehmen sollte, doch sah er auch gewisse Vorteile. Momentan war er leider auf das Geld angewiesen, welches seine Eltern ihm jeden Monat zukommen ließen und damit musste er über den Monat kommen. Eine Aktion wie das Konzert, bei dem Kari um alle möglichen Souvenirs gebettelt hatte, hatten da ihre Spuren in seinem Geldbeutel hinterlassen. Zwar hatte er das Geld von seinen Eltern zurückbekommen, aber trotzdem war er für den Moment aufgeschmissen gewesen. Wie er es auch drehte und wendete, ein Nebenjob würde ihm so einiges erleichtern. Er wiegte nachdenklich den Kopf hin und her, bevor er seufzte und sich dann auf den Laden zubewegte.   Im Inneren der Boutique herrschte mal wieder Hochbetrieb, wobei er einige Mädchen aus seinem Jahrgang erkannte, die sich wohl über die neuesten Trends hermachten. Auf der Suche nach der blonden Frau ließ Aiden den Blick schweifen, doch konnte er sie nirgendwo entdecken. Seine Aktion erweckte aber die Aufmerksamkeit einer jungen Frau mit braunem Haar, die sofort auf ihn zukam und ihn freundlich anlächelte: „Guten Tag, der Herr. Suchen Sie etwas Bestimmtes?“ „Also… eigentlich Suche ich nach einer Frau, die hier arbeitet. Sie ist etwa so groß, lilafarbene Augen, blondes Haar“, erklärte der Schüler, was die Angestellte skeptisch dreinschauen ließ: „Du beschreibst Kyousho-san. Was genau willst du denn von ihr?“ „Naja, sie hat mir letzten Samstag gesagt, dass ich heute herkommen soll. Es geht um ein Jobangebot“, erklärte der Braunhaarige und beobachtete erstaunt, wie die Frau vor ihm zusammenzuckte: „D-das solltest du dir lieber noch einmal überlegen. N-nicht, dass du kein guter Kollege wärst, es ist nur… Kyousho-san ist…“ „Keine Sorge, ich kann mir denken, was Sie meinen, aber ich will es wenigstens versuchen“, unterbrach Aiden die Frau, um sie von ihren Sorgen abzubringen, woraufhin sie nickte und ihn mitwinkte: „Auf deine Verantwortung. Komm mit.“ Sie führte ihn an den Kassen vorbei durch einen kleinen Gang, in dem es mehrere Türen gab. Die erste Tür war offensichtlich die Toilette, was man an der Figur an der Tür gut erkennen konnte. Die anderen Türen waren wohl ein Aufenthaltsraum mit Umkleide für die Angestellte und eine kleine Küche, denn schließlich gab es sowas in vielen Geschäften. Sein Ziel allerdings war eine Tür, auf der die Worte „Zutritt nur für Personal“ standen. Die Brünette klopfte sanft, bevor sie die Tür einen Spalt öffnete und hineinschaute: „Kyousho-san, hier ist ein junger Mann, der nach Ihnen gefragt hat.“ „Sehr gut, schick ihn rein“, erklang es aus dem Raum, woraufhin die Brünette ihn vorbeiließ und ihm ein leises „Viel Glück“ zuflüsterte.   Mit einem leichten Nicken zu der Frau trat Aiden in das Büro ein und schloss leise die Tür, bevor er sich kurz umsah. Es war ein schlichtes Büro mit einem schönen Holzschreibtisch mit Computer, mehreren Schränken mit Akten und zwei Sessel für Besucher. Die Blondine, die hinter dem Schreibtisch saß, musterte ihn von oben bis unten, bevor sie mit einem Grinsen die Hände vor ihrem Gesicht faltete und den Jungen damit extrem an Igor erinnerte. „Wie schön, dass du doch noch kommst. Ich hatte schon befürchtet, dass du mich versetzen könntest“, flötete die Blondine und deutete mit einer Hand auf die beiden Sessel, was Aiden als Aufforderung sah, sich hinzusetzen. Als er der Bitte nachgekommen war, ergriff die Blondine wieder das Wort: „So, mein Kleiner, du willst also für mich arbeiten, ja?“ „N-naja, sie haben...“, setzet Aiden an, doch schnitt die Frau ihm scharf das Wort ab: „Ich habe da wieder ein »Ja« gehört, aber so einfach wird das nicht. Ich muss erst einmal deine Qualifikationen testen.“ Innerlich trat sich Aiden gerade in den Hintern, denn er war ihr schon wieder auf den Leim gegangen, doch am meisten ärgerte ihn, dass die Frau ihn zu manipulieren schien, ohne dass er es merkte.   Als er auf ihre Aussage keine Antwort gab, begann die Blondine noch breiter zu grinsen: „Sieh an, du bist lernfähig. Das ist gut. Um das ganze jetzt noch mal ganz offiziell zu machen. Ich heiße Kyousho Asuka und bin die Filialleiterin dieser Boutique. Du scheinst nicht ganz unfähig zu sein und ich denke, dass ich mit dir hier sehr gut arbeiten kann. Allerdings muss ich vorher noch ein paar Dinge über dich wissen, also... Füll das hier aus.“ Damit schob sie dem Jungen ein Blatt Papier hin, welches dieser sichtlich beunruhigt musterte: „Was ist das genau?“ „Du bist hier in einem Bewerbungsgespräch, was könnte das wohl sein? Ein Lebenslauf natürlich und jetzt füll ihn bitte aus, ich habe noch andere Sachen zu tun“, zischte die Blondine und schob einen Stift über den Tisch, mit welchem Aiden begann, das Papier auszufüllen. Seine persönlichen Daten und auch die seiner Eltern hatte er schnell ausgefüllt, doch bei seinem schulischen Werdegang brauchte er eine Weile, was Asuka anscheinend missfiel: „Was dauert das denn so lange?“ Gescholten zog der Junge den Kopf ein und murmelte leise eine Antwort: „Entschuldigung, aber ich war leider auf sehr vielen Schulen und die gehören ja in den Lebenslauf.“   Neugierig zog die Blondine eine Augenbraue in die Höhe, bevor sie Aiden einfach den unfertigen Lebenslauf aus der Hand riss und sich durchlas. Als ihr Blick auf die ganzen Schulen fiel, musste sie einen Moment stutzen: „Du hast echt jedes halbe Jahr die Schule gewechselt? Bist du so eine Art Kleinkrimineller, der regelmäßig von der Schule fliegt?“ „Was? Nein! Meine Eltern sind nur berufstechnisch extrem oft umgezogen und deshalb musste ich oft die Schule wechseln“, stellte er klar, denn er wollte sich nicht als Tunichtgut abstempeln lassen. Wieder richtete sich Asukas Blick auf das Papier, bevor sie weitersprach: „Heißt das, dass du in vier Monaten wieder abhaust?“ Auf die Frage erklärte Aiden, dass er die nächsten zwei Jahre hier bleiben würde, da er unabhängig von seinen Eltern in einem Wohnheim lebte und damit selbstständig war. Die Aussage schien der Blondine zu gefallen, der sie nickte zufrieden und legte dann den Zettel beiseite: „Nun, Ai-chan, ich denke, dass ich mit dir arbeiten kann. Wie du vielleicht weiß, oder auch nicht, läuft die Bezahlung in unserer Boutique nach dem Provisionsmuster ab. Wir bekommen die Waren gestellt, vermitteln sie an unsere Kunden und bekommen dafür von unseren Lieferanten eine schöne Stange Geld.“ Verstehend nickte der Braunhaarige und erinnerte sich mit einer leichten Grimasse daran, wie Asuka ihm am Wochenende den Provisionscheck wieder aus der gerissen und vernichtet hatte, weil er eben kein Angestellter war. Wenn er aber an die Summe dachte, dann könnte dieser Job wirklich lukrativ für ihn sein.   Durch sein Grinsen verstand die Blondine, dass sie ihn wohl an der Angel hatte und lehnte sich leicht vor: „Darf ich deinem Grinsen entnehmen, dass du dich dazu entschieden hast, für mich zu arbeiten, Ai-chan?“ „Na... Also, abgeneigt bin ich nicht, Kyousho-san. Wie sieht es denn mit Arbeitszeiten aus? Ich meine, ich bin schließlich immer noch Schüler“, versuchte Aiden partout, das Wort »Ja« zu vermeiden, was ihm ganz gut gelang. Asuka hingegen griff sich einen kleinen Kalender, der auf dem Tisch stand und musterte die einzelnen Wochentage: „Nun, wann hast du denn Zeit? Du bist doch bestimmt in einigen Clubs, hab ich recht?“ Sie hatte wieder so ein funkeln in den Augen und irgendwie glaubte Aiden, sie würde wieder versuchen, ihn zu manipulieren. Um ihr eine Antwort zu geben nickte er langsam: „Ich bin im Kendoclub und der findet Montags, Mittwochs und Freitags statt. Also hätte ich Dienstag, Donnerstag und Samstag theoretisch Zeit.“ Mit einem zufriedenen Grinsen nickte die Blondine und kramte nach einem anderen Blatt Papier, auf welchem sie kurz herum schrieb und es dann an den Jungen weiter reichte: „Nun, wenn es dir recht ist, würde ich dich hauptsächlich Samstags einsetzen und unter der Woche würde ich dich spontan einspannen, wenn Bedarf besteht. Ist dir das recht?“ Damit wären seine Samstage zwar hin, allerdings war das zu verkraften. So einfach durfte er sich aber nicht darauf einlassen, denn schließlich hatte er noch andere Verpflichtungen: „Wie sieht es aus, wenn ich Prüfungen habe? In der Zeit brauche ich meinen Kopf eher für was anderes.“ „Nun, in den Wochen der Prüfungen und auch die Woche davor steht es dir frei zu kommen, wenn du das möchtest. Natürlich weiß ich, wie wichtig deine Bildung ist, aber falls du Lust darauf haben solltest, etwas abzuschalten vom Pauken, darfst du gerne vorbeikommen und arbeiten“, erklärte Asuka und notierte sich das mit den Tagen auf dem Blatt, bevor sie es Aiden reichte: „Dein Arbeitsvertrag.“   Jetzt war er mehr als skeptisch, denn normalerweise brauchten Schüler, die einen Nebenjob annahmen, keinen solchen Vertrag zu unterschreiben. Irgendwas war hier im Busch und er würde herausfinden, was es war. Sorgsam las er sich den Vertrag durch, allerdings schien er nötig zu sein, da er auf Provisionsbasis arbeiten würde. Immer wieder las er sich den Vertrag durch und auch, wenn er auf den ersten Blick nichts fand war er sich sicher, dass hier etwas faul war. Bevor er sich weiter Gedanken machen konnte, war Asuka aufgestanden und neben ihn getreten: „Wird das heute noch was, Ai-chan?“ Unter ihrem stechenden Blick unterschrieb er den Vertrag und reichte ihn der Blondine, welche ihm plötzlich sanft den Kopf tätschelte: „Du bist so ein lieber, aber total naiver Trottel, Ai-chan. Und jetzt eine wichtige Lektion: Lies stets das Kleingedruckte.“ „Wie, das Kleingedruckte? Das war nichts!“, rief Aiden aus und erhob sich von seinem Sessel, woraufhin Asuka ihm die Rückseite eines der Blätter zeigte, auf dem noch klein etwas geschrieben stand: „Warum? Hier steht es doch. Oh und um dich nicht dumm sterben zu lassen: Dein Vertrag sieht vor, dass 90% deiner Provision an mich geht.“ „Was? 90%? Das ist doch nicht fair, das können Sie nicht machen!“, blieb Aiden laut und starrte die Frau an, die mit dem Vertrag vor seiner Nase herum wedelte: „Nun, ich habe hier einen von dir unterschriebenen Vertrag der sagt, dass ich das kann.“   Fassungslos starrte er die Frau an, die ein gehässiges Kichern von sich gab und ihm anschließend einen Finger unter das Kinn setzte, um sein Gesicht etwas anzuheben: „Hach, du bist wirklich niedlich, wenn du so verzweifelst. Glaube mir, von mir kannst du noch einiges lernen, Ai-chan. Auf die eine oder andere Weise“ Bei dem Letzten hatte sie sich vorgebeugt und ihm ins Ohr geflüstert, woraufhin ihm die Schamesröte ins Gesicht schoss und ihn leicht zurückweichen ließ. Immer noch völlig verunsichert starrte er die Frau an, die ihm kurz zuzwinkerte und dann hüftschwenkend aus dem Raum marschierte: „Ich erwarte dich nächsten Samstag hier, Ai-chan.“ „Was war das gerade? Was ist da passiert?“, stammelte Aiden zu sich selbst und raufte sich die Haare. So sehr er versucht hatte, sich nicht überrumpeln zu lassen, es war doch passiert und jetzt saß er in der Falle. Was die Situation für ihn nur noch schlimmer machte war, dass sich in seinem Kopf eine ihm mittlerweile vertraute Stimme meldet: „Ich bin du... Du bist ich...“ Mit einem flehenden Blick sah er zu der Tür und verfluchte wieder einmal Igor dafür, dass er ihm diese Social Links eingebrockt hatte.   Später am Abend saß Aiden vor seinem Computer und hatte einen Videochat geöffnet, weshalb auf dem Bildschirm das Gesicht seines Vaters zu sehen war. Mit sichtlichem Unbehagen hatte er seinem Vater erzählt, in was für einen Schlamassel er wegen des Jobangebots geraten war. Inständig hoffte er, dass sein Vater ihm einen hilfreichen Rat geben konnte und ihn nicht zu sehr belehren würde, denn er fühlte sich ohnehin schon extrem schlecht. Yuugo rückte seine Brille zurecht, während er auf seinem eigenen Bildschirm den Vertrag durchlas, den Aiden ihm gemailt hatte. Auf dem Gesicht des Älteren war keine Regung zu erkennen, bevor er einmal seufzte und die Brille abnahm: „Tja, da bist du mit beiden Füßen ins Fettnäpfchen getreten, mein Junge und zwar mit Anlauf.“ „Kann ich wirklich nichts dagegen tun, Papa?“, fragte der Braunhaarige fast schon verzweifelt, denn es musste doch etwas geben, mit dem er aus diesem Vertrag würde rauskommen können. Zu seinem Ärgernis schüttelte sein Vater den Kopf und faltete die Hände im Schoß: „Leider nicht. Das ist ein Standardvertrag, der lediglich diesen Zusatz in Bezug auf deine Bezahlung hat. Für gewöhnlich bekommen Schüler, die als Aushilfe arbeiten, nicht einmal einen Vertrag.“ „Ja, aber... ist das nicht irgendwie illegal oder so etwas?“, suchte der Oberschüler weiterhin nach einem Schlupfloch, doch wieder musste sein Vater ihm diese Illusion nehmen: „Nein, leider nicht. Unmoralisch auf jeden Fall, aber illegal? Da wird dir jeder vorwerfen, dass du den Vertrag besser hättest lesen müssen.“ „Schon kapiert, ich habe es vermasselt“, murmelte Aiden und bettete den Kopf auf seinen überkreuzten Armen, was seinen Vater leicht besorgt dreinschauen ließ.   Eine Weile saßen die beiden stumm da, bevor Yuugo seufzte und sich bequemer auf seinen Stuhl setzte: „Jetzt schau doch nicht so, mein Junge. Weißt du, fast jede Person gerät in ihrem Leben einmal in so eine Situation.“ Mehr als ein missgelauntes Murren bekam der Mann nicht zur Antwort, weshalb er etwas weiter ausholte: „Lass mich dir eine Geschichte aus meiner Jugend erzählen.“ „Dauert das länger?“, brummte Aiden, der momentan überhaupt keine Lust darauf hatte, sich von seinem Papa eine Geschichte erzählen zu lassen, doch ließ sich der Mann in keiner Weise beirren: „Jetzt sei doch nicht so mürrisch. Als ich ungefähr in deinem Alter war, vielleicht zwei oder drei Jahre älter, ging ich mal in ein Autohaus, um mir mein erstes eigenes Auto zu kaufen. Ich hatte die ganzen letzten Monate hart gearbeitet und gespart und wollte mir endlich einen Traum erfüllen.“ Während er über seine Vergangenheit sprach, schlich sich ein sanftes Lächeln auf Yuugos Lippen, was Aiden doch etwas überraschte und ihn dazu veranlasste, weiter zuzuhören: „Ich fand in dem Haus auch den perfekten Wagen für mich und war gewillt, ihn zu kaufen. War zwar nicht der teuerste Wagen, aber als Schüler mit Aushilfsjob muss man schauen, wo man bleibt. Dann passierte mir leider das, was dir gerade widerfahren ist. Eine hübsche, attraktive Verkäuferin, die nur ein wenig mit ihren Reizen spielen musste, hier ein offener Knopf an der Bluse, da ein Zwinkern und schon hatte sie mich am Haken. Ehe ich mich versah, hatte ich eine Finanzierung am Laufen, deren Zinsen fast schon die Rate überstiegen und dabei war es nur eine Aushilfe gewesen, die mich über den Tisch gezogen hatte.“   Mit großen Augen starrte Aiden seinen Vater an, der nun verlegen auflachte und sich am Hinterkopf kratzte: „Wie du siehst, es kann jeden treffen. Dein alter Herr ist da keine Ausnahme.“ „Wow, das hätte ich wirklich nicht erwartet, Papa. Hast du nichts gegen diese Sache unternommen?“, hakte der Junge nach und sah zu wie sein Vater seelenruhig seine Brille putzte und dann grinste: „Doch, natürlich habe ich das versucht. Es ist nur ganz anders gekommen, als ich es mir vorgestellt hatte.“ Auf den fragenden Blick seines Sohnes wurde Yuugo etwas rot um die Nase, bevor die Hand hob, an der sich sein Ehering befand: „Die Verkäuferin damals war deine Mutter.“ Diese Erkenntnis traf Aiden wie ein Keulenschlag, doch irgendwie fand er es schön mal zu erfahren, wie seine Eltern sich eigentlich getroffen hatten. Er hatte in diesem Beriech mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass seine Mutter seinen Vater so ausgenommen hatte. So sehr ihn diese Geschichte auch erheiterte, es half ihm bei seiner momentanen Situation nicht weiter. „Und was soll ich jetzt wegen meinem Job machen?“, brachte er schließlich leise hervor, woraufhin sein Vater die Antwort gab, die er am wenigsten erwartet hatte: „Wenn ich ganz ehrlich sein darf: Du solltest in den sauren Apfel beißen und den Job machen. Es zeigt, dass du dich nicht unterkriegen lässt und sieht auch gut auf deinen späteren Bewerbungen aus. Zeig deiner Chefin einfach, was in dir steckt und dann wird sich alles zum Guten wenden. Hm? Oh, ich muss los, deine Mutter ruft zum Essen.“ „Alles klar. Danke für deinen Rat, Papa. Grüß Mama und Kari von mir“, verabschiedete sich der Junge von seinem Vater, der ihm noch einmal winkte und dann den Anruf beendete. Er sollte also aus der Situation das Beste machen, wenn er es richtig verstanden hatte. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass er in einer dummen Situation endete. Irgendwie würde er das schon hinkriegen und dann würde Asuka schon sehen, wer als letztes lacht.   ~~~Mittwoch 01. Juni 2016~~~   Nach der Schule hatte sich Aiden alleine auf den Heimweg gemacht, denn auch wenn er sich gestern mit seinem Vater beratschlagt und auch zu einer Lösung gekommen war, musste er mal seine Gedanken ordnen. Im Kendo war er so mit den Gedanken abwesend gewesen, dass Sakura ihm gefühlt alles grün und blau geschlagen hatte, doch störte ihn das im Moment herzlich wenig. Seine momentane Situation war nichts im Vergleich zu dem Problem, das Setsuna im Moment hatte und immer noch fehlte ihnen die Lösung dafür. Haruka hatte sich für heute zur Aufgabe gemacht, den Schlüssel zu suchen, also musste der Rest erst einmal die Füße stillhalten und abwarten. Um sich wenigstens ein wenig abzulenken hatte sich Aiden zu einem Spaziergang mit Kiara entschieden, die majestätisch vor ihm her trottete und mit dem Schweif dirigierte, wo er langzulaufen hatte. Dieses Verhalten seines Kätzchens hob seine Laune immer wieder, weshalb er seelenruhig seinem Tier folgte.   Nach einer Weile kam er am Naganaki Schrein an und stieg langsam die Treppe nach oben, wo er seinen Blick hin und her schweifen ließ. Außer ihm und Kiara war niemand auf dem Vorplatz, weshalb er einfach eine Runde um den Spielplatz drehte und anschließend vor dem Schreingebäude zum Stehen kam. Er war nicht das, was man sonderlich gläubig nennen würde, doch wenn er schon mal hier war, könnte es nicht schaden für seine Freunde und ihre Mission zu beten. Er warf ein paar Münzen in die Spendenbox, bevor er die Hände zusammenlegte und den Kopf senkte. Wenn es eines gab, was er momentan wollte, dann war es, dass sie alle heil aus dieser Geschichte rauskommen würden. Kiara fand es nicht lustig, von ihrem Herrchen ignoriert zu werden, weshalb sie anfing, mit der Pfote nach einer der Glocken, mit denen der Schrein geschmückt war, zu angeln. Als sie eine erwischte, erklang ein leises Klingeln, was das Tier erschrocken zurückweichen ließ. Wieder konnte Aiden über das Verhalten seines Tieres nur Lachen, doch dann erklang erneut das Klingen einer Glocke. Schnell sah er sich, doch sah er nichts, was das Klingeln verursacht haben könnte, allerdings erregte etwas anderes seine Aufmerksamkeit: Rechts von dem eigentlichen Schreingebäude drang ein blaues Leuchten hervor. Er kannte dieses Leuchten, weshalb er drauf zuging und als er um die Ecke des Gebäudes schaute, erblickte er eine blau schimmernde Tür, die einfach in der Gegend herumstand. Vorsichtig griff Aiden nach der Klinke und drückte die Tür auf, woraufhin ihm ein sanftes Licht entgegenkam.   ~~~Velvet Room~~~   Meine Schritte wurden fast vollständig von dem blauen Teppich verschluckt, während ich auf den runden Tisch inmitten der Sternenwarte zusteuerte. Wie ich es mir bereits gedacht hatte, war diese Tür mit dem Velvet Room verbunden, doch fehlte etwas, was diesen Raum sonst so einzigartig machte: Igor. Der Mann mit der langen Nase, der normalerweise immer auf der Couch hinter dem Tisch saß und mich mit diesem irren Blick ansah, war heute nicht da. Gerade jetzt hätte ich ihm gerne eine Frage gestellt, weshalb ich nur mit dem Kopf schütteln konnte, dann aber nach oben sah. Ein leises Quietschen hatte meine Aufmerksamkeit erregt und an dem großen Teleskop, welches aus dem Glasdach ragte, stand Amalia und sah summend hindurch. Die Blondine hatte mich anscheinend noch nicht bemerkt, denn sie bewegte nur hin und wieder das Teleskop oder machte ein langes „Oh“. Irgendwie erinnerte die Frau an ein neugieriges Kind, doch musste ich ihr den Spaß jetzt verderben: „Guten Tag, Amalia.“ Erstaunt drehte sich die Frau zu mir um, bevor sie sich verneigte und dabei wieder die Glöckchen an ihrer Schärpe erklingen ließ: „Sei gegrüßt, Aiden-sama. Bitte entschuldige mein ungehobeltes Verhalten meinem Gast gegenüber, ich hätte dich entsprechend willkommen heißen müssen.“ „Ist wirklich nicht nötig“, winkte ich schnell mit der Hand ab und war eigentlich nicht scharf darauf, mir wieder den gleichen Text anzuhören, doch schien sie meinen Einwand nicht gehört zu haben, denn sie verneigte sich erneut vor mir: „Willkommen im Velvet Room, werter Gast. Leider ist mein Meister heute nicht zugegen.“   Ich blähte kurz die Wangen auf und blies mir etwas Luft gegen den Pony, bevor ich mit den Achseln zuckte: „Hab ich gemerkt. Ich habe Igor eigentlich etwas fragen wollen, aber... Da kann man wohl nichts machen.“ Meine Worte schienen die Frau etwas zu bestürzen, denn sie richtete sich sofort wieder auf: „Kann ich dir vielleicht helfen, Aiden-sama? Ich würde niemals behaupten, dass ich mit der Weisheit meines Meisters mithalten kann, aber ich bin gewillt, dir zu helfen, wenn es denn in meiner Macht steht.“ Wirklich zuversichtlich war ich bei Amalias Hilfe nicht, wenn man bedachte, dass diese Typen mir keine klaren Antworten auf meine Fragen gaben. Allerdings fiel mir da etwas anders ein, was ich jetzt ansprechen wollte: „Als ich damals den Schlüssel für die Tür von Tenno gefunden habe, hast du mich auf Rigel gestoßen. Wird das wieder passieren, wenn ich in der Nähe des Schlüssels von Akutagawa bin?“ „Ich habe dich auf etwas gestoßen? Nun, so könnte man es nennen, wobei ich dir lediglich gezeigt habe, dass dein wahres Ich auf dich wartet, um dir etwas zu zeigen. Er war eigentlich nicht zu übersehen“, gab mir die Blondine Antwort und strich sich dabei ihren Kimono glatt. Ein wenig kränkte mich diese Aussage, denn ich hatte damals meine Persona wirklich einfach übersehen, dennoch bemerkte ich, dass sie meiner Frage ausgewichen war: „Wird Rigel mir wieder helfen?“ „Dies steht in den Sternen“, blieb die Frau ungenau, doch mehr konnte ich wohl beim besten Willen nicht erwarten. Wenn ich so darüber nachdachte, war es vermutlich das einfachste, wenn ich einfach mal zum Haus von Akutagawa gehen und nachschauen würde, ob Rigel sich wieder zeigt.   Ich verschränkte die Arme vor der Brust und dachte einen Moment nach, bevor ich nickte und die Hände in die Hosentasche steckte: „Nun, ich werde es einfach mal versuchen. Vielleicht habe ich ja Glück.“ „So etwas wie Glück gibt es nicht, Aiden-sama. Unser Schicksal steht in den Sternen“, erwiderte Amalia und sah mich mit ihren bernsteinfarbenen Augen an, wobei ich glaubte, in ihnen ein neugieriges Funkeln zu sehen: „Gibt es noch etwas, was du mir sagen willst?“ „Wenn du erlaubst, Aiden-sama, würde ich es mir gerne zur Aufgabe machen, dir bei der Erweiterung deiner Kraft zu helfen“, gab sie endlich preis und ich stutzte kurz über diese klare Aussage. Sie wollte mir helfen stärker zu werden? Wenn sie einen guten Plan hatte und der auch plausibel klang, würde ich definitiv nicht Nein sagen. Gegen die Monster, die uns noch bevorstanden, konnte ich jede Hilfe gebrauchen, die ich kriegen konnte. „Nun, dann will ich deine Hilfe dankend annehmen, Amalia“, lächelte ich die Frau an, die daraufhin zu strahlen begann und sich tief vor mir verneigte: „Ich werde dich nicht enttäuschen, Aiden-sama. Ich werde allerdings etwas Zeit brauchen, um alles vorzubereiten. Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich mich mit dir in Verbindung setzen.“ Ich nickte nur sachte mit dem Kopf, als ich ein weiteres Mal die seltsame Stimme in meinem Kopf vernahm: „Ich bin du... Du bist ich...“   Ein weiterer Sozial Link und dieses Mal mit Amalia? Diese Sache wurde immer verrückter, aber ich würde ohnehin nichts dagegen tun können, weshalb ich mich zum Gehen wandte und mich dabei von der Blondine verabschiedete. Bevor ich den Raum verließ, sah ich noch einmal über die Schulter und sah, wie die Blondine ein dickes Buch in der Hand hielt und es strahlend betrachtete: „Wie überaus faszinierend.“ Ich hatte wirklich keinen Nerv dafür, mich weiter mit diesem Raum und seinen Bewohnern herumzuschlagen, weshalb ich mich auf den Heimweg machte und dabei den Raum endlich verließ.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)