Mein ist die Dunkelheit von MariLuna ================================================================================ Kapitel 16: XVI. Kapitel ------------------------ Mao weiß, dass Urushihara Gesellschaft - du meinst Emi, flüstert eine kleine Stimme in seinem Inneren hämisch - nur zu einem gewissen Grad ertragen kann und so führt er ihn umsichtig die Treppe hinauf. Oben im Schlafzimmer ist es ruhiger. Während er ihm also stützend einen Arm um die Taille geschlungen hat und derart die Treppe hinauf hilft, macht Mao die überraschende Entdeckung, wie gern er das hier tut und wie gut es sich anfühlt. Das war bisher nie so, wann immer er das bei jemand anderen tat - nicht einmal bei Ashiya und der ist immerhin sein engster Vertrauter. „Fuck." Auf der letzten Stufe bleibt Urushihara plötzlich stehen. „Hab vergessen, zu zählen." Es dauert einen Moment, bis Mao begreift, was er meint. Unwillkürlich verstärkt er seinen Griff etwas und dann bringt er ihn erst einmal über die letzte Stufe, bevor er antwortet. „Das macht nichts. Du brauchst jetzt nicht mehr zählen. Ich bin für dich da, ich werde dir helfen." Urushihara schnauft leise, denn er ist nicht überzeugt. Doch Mao ist weit davon entfernt, sich dadurch entmutigen zu lassen. Ganz im Gegenteil. „Wir sind hier nur fünf Tage. Es gibt keinen Grund für dich, dein Hirn“, neckisch tippt er Urushihara an die Stirn, „mit so viel neuem Ballast vollzustopfen. Nicht, wenn du mich hast. Du bist hier, um dich zu entspannen, also entspann dich und vertrau mir." Urushihara schüttelt zweifelnd den Kopf, sagt aber nichts. Wenn Mao vor Begeisterung nur so strotzt wie jetzt, kann man sich entweder mitreißen lassen wie Ashiya es immer tut oder einen Schritt beiseite treten, abwarten und beobachten, so, wie er es bevorzugt. Es ist einfach zwecklos, Mao aufzuhalten, wenn sich dieser erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hat. Mao interpretiert sein Schweigen als Einverständnis und führt ihn begeistert ins Schlafzimmer. „Hier oben ist es eher klein, hier gibt es nur einen Flur, von dem nur eine Tür abgeht. Dahinter liegt unser Zimmer.“ Triumphierend schiebt er mit dem Fuß die nur angelehnte Tür zurück und führt seinen General über die Schwelle. „Hier gibt es eigentlich nur einen Schrank und ein Bett. Aber das Bett ist riesig, da könnte ich mich in meiner wahren Form ganz bequem reinlegen und es wäre immer noch Platz für meine beiden Lieblingsgeneräle.“ „Ashiya und Chiho?“ fragt Urushihara unschuldig. Mao, für einen Moment aus dem Konzept gebracht, stockt kurz. „Idiot“, meint er dann, während er ihn fest an sich drückt. „Ich meine natürlich dich und Ashiya. Chiho... ts, also ehrlich...“ tadelnd schnalzt er mit der Zunge. Dann nimmt er Urushihara an der Hand und legt sie auf eine Tür in der Wand. „Und hier geht es zum Duschbad. Es ist zwar nicht so groß wie das unten, aber dafür gehört es uns ganz allein.“ Aber gerade, als Urushihara sich über das glatte Holz tasten will, zieht Mao ihn schon weiter, Richtung Bett. „Mao, ich muß mir das doch einprägen.“ „Nein, das musst du nicht“, kommt es fröhlich zurück. „Nicht mehr. Ab heute bin ich deine Augen. Komm mit, ich muss dir das Bett zeigen. Du wirst begeistert sein.“ Urushihara seufzt nur ergeben. Unter seinen besockten Füßen spürt er glattes Holzparkett, das an einigen Stellen leise knarrt. Es ist warm, was auf eine Fußbodenheizung hindeutet. Auf seinem Gesicht kann er die Wärme der Sonnenstrahlen fühlen, also muss es hier mindestens ein Fenster nach Südwest oder Westen geben. Doch er kann nicht genauer darüber nachdenken, denn da hört er schon das Knarren einer Matratze und dann hat ihn Mao zu sich aufs Bett gezogen. Und schon liegt er auf der Seite und Mao liegt hinter ihm und hat besitzergreifend seine Arme um ihn geschlungen. „Ahem... Mao?“ „Laß mich“, murmelt dieser, vergräbt sein Gesicht noch tiefer in Urushiharas dunkelvioletten Haarschopf und drückt ihm dann einen kleinen Kuß in den Nacken, während er ihn noch ein klein wenig fester in seine Arme schließt. „Es geht nur um Körperwärme.“ Urushihara glaubt ihm kein Wort, aber er beschwert sich nicht. Er fühlt sich erschöpft und regelrecht ausgelaugt. Vor allem natürlich körperlich, aber auch emotional. Und jetzt, wo diese schwere Last seines Geheimnisses nicht mehr auf ihm lastet, kann er sich auch endlich mal gehen lassen. Es fühlt sich gut an, einfach mal nur noch zu sein und sich nicht mehr hinter Masken verstecken zu müssen. Es fühlt sich zu gut an. Sofort blubbert wieder die Angst an die Oberfläche: ist das wirklich alles echt? Oder ist es doch wieder nur eine Halluzination? „Ist dir kalt?“ fragt Mao ihn in diesem Moment und verdammt, er kann seine Lippen an seiner Wange spüren und den grünen Tee in seinem Atem riechen, er fühlt seinen warmen Körper hinter sich und die sicherheitsversprechende Umschlingung seiner Arme – das sind zu viele Details für eine Halluzination, oder? „Brauchst du eine Decke?“ Verneinend schüttelt Urushihara den Kopf. Mao ist warm genug, so warm, dass es ihm sogar bis in die Knochen dringt. Und irgendwie ist das beängstigend, denn Maos Wärme und Zuneigung gehörte bisher allen anderen - außer ihm. In der Dämonenwelt war er für Mao nie mehr als ein nützlicher Verbündeter, und während Mao zu allen anderen um sich herum respektvolle oder gar freundschaftliche Bindungen aufbaute, blieb ihr Verhältnis immer höflich-distanziert. Und hier in Japan ging Mao sogar noch einen Schritt weiter, indem er ehemalige Todfeinde wie Emi oder Suzuno plötzlich in diesen Kreis seiner Freunde mit aufnahm – während er selbst vergessen wurde. Und nachdem er sich gewaltsam wieder in Erinnerung brachte, indem er wie ein Dämon handelte – wofür ihn der Dämonenkönig bestrafte – behandelte man ihn nicht einmal mehr wie einen nützlichen Verbündeten, sondern wie ein lästiges Übel und letztendlich sogar wie einen nutzlosen Parasiten – was bei ihm dazu führte, dass er sich dann auch genauso benahm. Und dann wurde er blind und damit wirklich nutzlos und jetzt, wo das herausgekommen ist, wieso ist Mao plötzlich so nett zu ihm? Es fühlt sich nicht an, als wäre es nur aus Mitleid. Und während Urushiharas Gedanken immer weiter diese dunklen Pfade hinabsteigen, gehen Maos in eine ganz andere Richtung. Zuallererst wundert er sich über sich selbst. Es entspricht nicht seinem Naturell, so lange so still dazuliegen, wenn er nicht verletzt oder krank ist oder schläft. Er muss immer irgendwie aktiv sein – und sei es nur, dass er einen Manga liest. Aber jetzt ist diese innere Unruhe auf einmal wie weggeblasen. Es genügt ihm völlig, hier zu liegen und seinen General in den Armen zu halten. Sein allererster General. Bei diesen Gedanken verziehen sich Maos Lippen zu einem stolzen Lächeln. Der damals mächtigste Dämon, vor dem alle anderen erzitterten. Dessen Macht nur von seiner Faulheit übertroffen würde, denn er begann nie einen Kampf, wenn es nicht sein musste. Und größer als seine Faulheit war und ist nur seine Neugier. Nur aus Neugier schloß er sich Mao an und nur aus Neugier folgte er seinen Plänen und Befehlen. Und wenn ihm ein Befehl nicht passte, weil er ihn für schwachsinnig hielt, dann sagte er ihm das geradeheraus und verweigerte sich. Und dafür bewunderte Mao ihn schon damals. Und inzwischen geht das, was er für ihn empfindet, weit über Bewunderung hinaus. Mao atmet kräftig ein, zieht Urushiharas Duft, diese sanfte, pudrige Note, süß und gleichzeitig leicht holzig, tief in seine Lungen. Er riecht warm und vertraut. Mao liebt es. Früher kam noch der Geruch von seinem Ledermantel hinzu. Maos Lippen kurven sich zu einem versonnenen Lächeln, als er an all die kostbaren, kurzen Momente in seiner Kindheit zurückdenkt, wo er sich verstohlen an Lucifer kuschelte. Immer nur für einen flüchtigen Augenblick und er ließ es immer wie Zufall aussehen, so dass es niemandem, vor allem nicht Lucifer, auffiel. Lucifer roch nicht wie ein Dämon und damals verstand er noch nicht warum, aber er wußte eines: er fühlte sich unheimlich gut, wenn er in diesem warmen Duft schwelgen durfte und er konnte nie genug davon bekommen. Das ist heute immer noch so. Unwillkürlich kuschelt sich Mao noch dichter an ihn. Das ist schön. So könnte er ewig liegen. Urushihara gibt einen leisen Laut von sich. „Oh, stimmt ja", betroffen hält Mao inne. „Du magst das ja nicht. Entschuldige. Bin ich dir zu anhänglich?" Leicht schüttelt Urushihara den Kopf und unterstreicht es noch damit, indem er seine Hände auf Maos legt und sie dort festhält, wo sie sind: auf seinem Körper. Mao grinst erleichtert, ringelt sich noch ein klein wenig enger um ihn und drückt ihm wieder einen Kuss in den Nacken. Er küsst wirklich gerne. Die erste Person, die er küsste, war Alas-Ramus. Er hatte sich schon immer gefragt, was die Menschen daran so toll finden, aber als Dämonenkönig hatte er einen Ruf zu wahren und sich an die Traditionen zu halten. Und Dämonen küssen nun einmal nicht. Aber jetzt ist er hier auf der Erde und mehr Mensch als Dämon und Alas-Ramus ist seine Ziehtochter, also darf er sie auch ganz offiziell abknutschen. Als er Lucifer das erste Mal küsste, war es noch ein Ausrutscher, aber je öfter er ihm seine Lippen auf die Haut drückt, desto besser fühlt es sich an, also hört er nicht damit auf. Er ist so froh, dass Urushihara all diese Zärtlichkeiten und Nähe zuläßt und vielleicht empfindet er ja genauso wie er? Plötzlich durchläuft ein leichtes Zittern den schmalen Körper in seinen Armen, gefolgt von einem kurzen, rauhen Husten. „Alles in Ordnung bei dir?" erkundigt sich Mao erschrocken und besorgt. „Tut's weh?" Urushihara schüttelt den Kopf. Im Moment ist der Husten nur lästig, aber er schmerzt nicht und wenn er Glück hat, bleibt es dabei. „Soll ich dir einen Tee holen oder warme Milch mit Honig?" Wieder schüttelt Urushihara den Kopf und dabei umklammert er Maos Unterarme ganz fest, um ihm zu verdeutlichen, dass er bleiben soll. Zufrieden drückt Mao ihn an sich und küsst nochmal seinen Nacken. „Bitte verzeih mir, dass ich so ein furchtbarer Stoffel bin. Das wird sich ab sofort ändern, das verspreche ich dir.“ „Ich werde dich daran erinnern", murmelt Urushihara leise. Zu Maos großer Enttäuschung klingt er nicht sehr überzeugt. Aber er kann es ihm auch nicht verdenken. Mao schließt die Augen und lässt sich für einen Atemzug einfach in das hier fallen. Und schon wenig später, weiß er genau, was er zu tun hat. Es wird Zeit, dass er aufhört, sich wegzuducken. Schließlich kam er ja auch hierher, um die Gelegenheit zu nutzen und Chiho klipp und klar zu sagen, dass er nie mehr als Freundschaft für sie empfinden wird. Und auch wenn er niemals vor hatte, so offen mit seinen Gefühlen hausieren zu gehen, wird er sich auch nicht mehr verstecken. Neben all der Tragik ist dies hier schließlich jetzt die Gelegenheit! Vorsichtig tastet er nach einer von Urushiharas Händen und verschränkt ihre Finger miteinander. „Ich werde Alas beweisen, dass sie nicht Recht hat“, murmelt er leise. „Hm?“ kommt es fragend von Urushihara zurück. „Ach, nichts. Ich hab nur laut gedacht“, erwidert Mao schnell, drückt ihm einen Kuss in den Nacken und kuschelt sich dann ganz fest an ihn. Schon wieder. Urushihara erschauert innerlich, lässt sich nach außen hin aber nichts anmerken. Es ist nicht so, dass er diese kleinen Zärtlichkeiten abstoßend findet, eher ganz im Gegenteil - und genau das ist sein Problem. Vielleicht ist das hier wieder nur etwas, was ihm sein gestresstes Hirn vorgaukelt? Aber er ist einfach zu müde, um groß darüber nachzudenken, also geht er den Weg des geringsten Widerstandes und lässt sich einfach nur stillschweigend in Maos Wärme und Nähe und all die schönen, zuckerwattigen Gefühle fallen, die das in ihm auslöst.       Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)