Mein ist die Dunkelheit von MariLuna ================================================================================ Kapitel 2: II. Kapitel ----------------------   „Du bist nicht meine Mama! Ich hasse dich! Ich hasse dich!“ Emi beißt nur die Zähne zusammen und klemmt sich die wild strampelnde und laut schreiende Alas-Ramus noch etwas fester unter den Arm, während sie die vier Stufen zur Veranda hinaufsteigt, und dann etwas ungeschickt mit dem Schlüssel in einer Hand hantiert, um die Tür aufzuschließen. Das Gepäck überlässt sie gerne den anderen, sie hat alle Hände voll damit zu tun, ihre wütende Ziehtochter zu bändigen. Die Hütte ist sehr westlich und geschmackvoll eingerichtet, genau wie im Prospekt beschrieben, mit einem kleinen Garderobenflur, der sofort in die Wohnstube mit der offenen Küche führt und eine elegant geschwungene Bogentreppe führt in die oberen Räume, doch sie hat im Moment wirklich kein Auge dafür. „Alas, beruhige dich doch endlich.“ Mit weitausgreifenden Schritten durchquert Emi die Wohnstube und eilt schnurstracks durch den kleinen Flur mit den beiden Türen, wovon eine ins Badezimmer und die andere in ein Schlafzimmer führt, das durch eine weitere Tür mit einem kleinerem Raum verbunden ist. Der kleinere Raum ist für Chiho gedacht, das Durchgangszimmer hat Emi für sich und ihre Ziehtochter reserviert. „Schau, das hier ist unser Zimmer. Und sieh doch: ein Bett für dich ganz alleine. Ist das nicht toll?“ Alas-Ramus brüllt nur noch lauter auf und schnappt mit den Zähnen nach Emis Hand, als diese sie auf ihrem neuen, weichen Kinderbett abstellt. Instinktiv zuckt Emi zurück und diesen Moment nutzt die Kleine, um ihr flink wie ein Wiesel zu entwischen. Doch ihre Beine sind zu kurz, sie kommt nicht weit. Immerhin hat sie schon fast die Haustür erreicht, bis Emi sie wieder einfängt. Mao kommt gerade mit zwei Reisetaschen zur Tür herein, gefolgt von den ebenfalls schwer beladenen Ashiya und Chiho. „Papa!“ Sofort streckt Alas-Ramus beide Ärmchen nach ihm aus. „Papa!“ Der läßt sofort alles fallen und eilt zu seiner bitterlich weinenden Ziehtochter. Emi lässt sie nur widerwillig los, aber sobald Alas-Ramus spürt, wie sich der Griff ihrer Ziehmutter lockert, springt sie. Und da sich der Griff Maos um sie noch nicht gefestigt hat, rutscht sie ihm aus den Armen. Geschickt wie eine Katze landet sie auf den Füßen und rennt los, Richtung Tür. „Alas!“ Diesmal fängt Ashiya sie ein und sie quittiert es ihm mit einem Faustschlag auf die Nase. Es steckt natürlich kaum Kraft dahinter, aber der Schlag kommt überraschend genug, dass er kurz zusammenzuckt. „Ihr seid gemein!“ Alas-Ramus tobt. In ihren violetten Augen funkelt ein silbernes Licht, als für einen Moment ihr wahres Wesen hervorbricht. Sie ist ein mächtiges Wesen, gefangen im Bewußtsein und Körpers eines Kindergartenkindes, und kann ihr wahres Potential noch nicht einsetzen. Alles, was ihr bleibt, sind die Waffen eines Kindes. „Warum seid ihr immer so gemein zu Lucifer? Ich will zu Lucifer! Ich hasse euch! Ich hasse euch!“ Chiho, die direkt daneben steht, versucht sofort, sie zu trösten. „Lucifer kommt bestimmt gleich, keine Sorge, Alas.“ „Ja“, fällt Mao mit ein, der hastig zu ihnen geeilt ist und sie nun vorsichtig, aber mit festem Griff von Ashiyas Armen nimmt, „und bis es soweit ist, wollen wir nicht inzwischen deine Kuscheltiere ausräumen? Denk doch an deinen armen Okto, er und die anderen fühlen sich bestimmt schon ganz eingesperrt in deinem Köfferchen und haben Sehnsucht nach dir. Und du wirst sehen, wenn wir damit fertig sind, steht Lucifer vor der Tür.“ Alas-Ramus hört auf sich zu sträuben und starrt ihn aus großen, vertrauensvollen Augen an. „Versprochen?“ „Ja, Alas, das verspreche ich dir.“ Sie schnieft, wischt sich das verrotzte Gesicht an seiner Jacke sauber und ist erst einmal beruhigt. Denn Mao hat sie noch nie belogen und er nimmt seine Versprechen sehr ernst.     „Ich hoffe, das hat keiner gesehen.“ Urushihara spürt, wie seine Wangen trotz der Kälte brennen – wahrscheinlich ist er vor Scham knallrot im Gesicht. Aber was blieb ihm übrig? Es liegt an dieser Kälte. Er war ihr kaum ein paar Minuten ausgesetzt, schon meldete sich seine Blase und er kann sich ja wohl kaum in die Hose machen. Jetzt hofft er nur, dass der kurze Kontakt seines empfindlichsten Körperteils mit der Kälte keine bleibenden Schäden hinterlassen hat. Hastig zieht er sich wieder ordentlich an und verflucht seine immer klammer werdenden Finger, die das Zuziehen des Reißverschlusses zu einer wahren Herausforderung machen. Dann legt er seine Hände flach auf den Baumstamm vor sich, tastet sich über die rissige Rinde, bis er die tiefe Furche spürt, die ihm als Anhaltspunkt dient. Jetzt noch einen Schritt nach rechts, eine halbe Drehung und dann zehn Schritte und er sollte die Straße wieder erreichen. Er konzentriert sich so stark, daß er die Kälte für diese wenigen Minuten ganz vergißt. Als er spürt, wie er wieder auf festem Asphalt steht, stößt er einen erleichterten Seufzer aus. Jetzt wird es wieder leichter. Solange er mit seinem rechten Fuß auf der Straße geht und mit dem linken auf dem matschigen Schnee am Straßenrand, kann ihm gar nichts mehr passieren. Als zusätzliche Orientierungshilfe dienen ihm die Leitpfosten, die alle fünfzig Meter seinen Weg kreuzen. Nach ungefähr sechzig Leitpfosten wird ein Weg von der Straße fortführen, dem muss er nur folgen, dann wird er (hoffentlich) auf die Hütte treffen, die Emi für diese eine Woche Urlaub im Schnee gemietet hat. Urushiharas Lippen verziehen sich unter dem Schal abfällig, als er an die hitzige Diskussion zurückdenkt, die Emis Urlaubspläne im Haushalt ausgelöst hatten. „Wer sagt, du kannst mitkommen, du blöder Dämonenkönig?“ Emi war alles andere als begeistert, als Alas-Ramus ihr kleines Geheimnis brühwarm weitererzählte und Mao sich natürlich sofort in ihre Pläne mit einklinkte. Er würde es nie zulassen, dass Emi seine Ziehtochter und ihn voneinander trennt. Er sah diese Urlaubspläne daher als das, was sie waren: eine Kriegserklärung an seinen Titel als bester Papa des Jahres. Und er sagte Emi klipp und klar, was er von ihren Plänen hielt: „Du darfst nicht einfach ohne mich mit Alas wegfahren. Ich bin schließlich ihr Papa.“ „Ich nehme Chiho und Suzuno mit, das reicht Alas als Rodel- und Ski-Partner. Nicht wahr, Alas?“ Alas-Ramus sah nur aus ihren großen Augen zu ihrer Ziehmutter auf. „Aber kommen Papa, Alciel und Lucifer nicht mit? Ich will, dass sie mitkommen.“ Und damit war die Sache eigentlich schon beschlossen, auch wenn danach noch eifrig auf beiden Seiten argumentiert wurde. Er weiß nicht mehr, was genau alles an Sticheleien hin und her flog, glaubt aber, sich zu erinnern, dass Emi wie üblich allmählich von Mao als Hauptziel abwich und einen Nebenkriegsschauplatz in seine Richtung eröffnete, aber viel bekam er von ihren Beleidigungen nicht mit, weil da schon Alas-Ramus auf seinen Schoß kletterte und ihn bat, ihr im Internet die neue Folge ihres Lieblingsanimes zu zeigen. Wenn er gewußt hätte, dass dies das letzte Mal sein würde, dass er Alas-Ramus sah, hätte er sich viel besser auf sie konzentriert. Jetzt bleiben ihm nur die Erinnerungen an das Strahlen ihrer Augen und ihr Lächeln und selbst das verblasst mit jedem Tag etwas mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)