Wolfsherz von HalcyTheWolf (In den Augen des Tigers) ================================================================================ Kapitel 15: Der Wolf und die Konfrontation ------------------------------------------ Die letzte, kleine Hoffnung in mir, dass er sich doch noch irgendwo am Set befand, verschwand. Er wusste, wo sich der Typ aufhielt, und würde sich jetzt vermutlich auf genau dieser Mission befinden. Ich winkte Ray zu mir heran, denn, wenn ich auch verschwinden würde, mussten sie es wenigstens wissen. »Cai?« »Ich weiß, wo Seua sein könnte. Wir haben keine Zeit, also stell‘ bitte keine Fragen. Ich schicke dir den Standort, schick‘ da bitte Polizei hin. Ach, und versuch‘ nicht, mich aufzuhalten!«, sagte ich hektisch. Ich wartete nicht auf eine Antwort, sondern bahnte mir rennend den Weg aus dem Set. P’Joe stand an seinem Wagen, er hatte wohl nicht mitbekommen, was am Set passiert war. Außer Atem hielt ich ihm mein Handy mit dem Standort hin: »Kannst du mich zu diesem Ort fahren, P’Joe? Schnell? Jetzt?« Mein Auftreten schien auszureichen, um ihm den Ernst der Lage bewusst zu machen. Wortlos öffnete er die Tür für mich und dann fuhren wir los. Im Auto schickte ich Ray den Standort, alle Versuche mich anzurufen, blockte ich ab. Was auch immer ich für eine Situation vorfinden würde, das Wichtigste war, dass Seua da heile rauskam. Angesichts der Eile bahnte P’Joe sich den Weg durch den Stadtverkehr und er fuhr auch garantiert schneller, als es erlaubt war. Die Anspannung hatte sich auch auf meine Hände übertragen, ich konnte kaum noch das Handy bedienen. »Kann ich sonst noch was tun, Khun Cai?«, fragte P’Joe und sah mich über den Rückspiegel an. »Ja, es wäre gut, wenn du auf Standby bleibst. Falls wir abhauen müssen.« Ich sah, dass er skeptisch die Augenbrauen hochzog, doch dann nickte er. Als wir ankamen, hielt ich kurz den Atem an. Auf dem Vorplatz eines Shoppingcenters hatte sich eine Menschentraube gebildet. Ich sprang aus dem Auto, die Menge machte sofort Platz für mich. Einige riefen mir etwas zu, doch ich verstand es nicht. Dann sah ich sie. Seua und der Täter standen sich in der Mitte gegenüber. Der Täter hatte eine schwarze Cap auf, aber zum ersten Mal konnte ich sein Gesicht sehen. Es war niemand, den ich kannte. Der Anblick ließ mich komplett erstarren, als hätte man mich am Boden festgefroren. Wieder sah ich diesen Hass in Seuas Augen und egal wie oft ich versuchte, es abzustreiten. Es machte mir Angst. Er sprach Thai mit dem Täter, doch jemand neben mir begann zu übersetzen. Nicht, dass die Situation schon absurd genug wäre, Seuas Stimme verzerrt zu hören, machte es nicht besser. »Bist du jetzt zufrieden? Du hast uns getrennt, ihn fast umgebracht und wegen dir ist er traumatisiert! Niemand, der Cai auch nur ansatzweise mag, hätte ihn so gequält wie du!« Man musste die Sprache nicht verstehen, um zu merken, wie ernst es war. »Das war doch nie der Plan! Ich wollte dich umbringen, nicht ihn!« Seua ging mehrere Schritte auf ihn zu. Ich wollte ihn aufhalten, aber meine Beine ließen mich nicht. »Wenn Cai wegen dir seinen Job nicht mehr machen kann, den er liebt und jahrelang gelernt hat, dann bist du es, der umgebracht werde sollte! Versuch‘ doch mich umzubringen, los trau‘ dich, Idiot!« Was machst du denn, Seua? Verzweifelt beobachtete ich die Reaktion des Täters, dessen Augen verengten sich. »Traust dich was, Seua. Ich bereue es, Cai verletzt zu haben, aber ich werde weiterhin dafür sorgen, ihn für mich allein zu haben«, rief er und zog eine Pistole hervor, die er auf Seua richtete. Alle hielten den Atem an. Mir liefen die Tränen über das Gesicht, als mich wieder diese Hilflosigkeit überkam. Das Messer hatte ich überlebt, aber eine Waffe? Ich spürte, wie mich irgendjemand stützte, als ich wieder kurz davor war, zusammenzubrechen. Doch ich durfte der Tiefgarage keine Chance geben. Nicht jetzt. Nicht hier. Irgendwas musste ich doch tun können! Auch mit dem Risiko im Kopf, dass ich es nicht ertragen könnte, trat ich vor Seua. Ich sah dem Täter in die Augen, hoffte, dass er dadurch seinen Plan überdenken würde. Tatsächlich ließ er die Waffe sinken: »Cai?« »Ich habe es vorher nicht zugelassen, dass du Seua verletzt, und ich werde es auch jetzt nicht zulassen!«, rief ich ihm entgegen. Alles um mich herum blendete ich einfach aus. Seua legte seine Arme um mich, als ich kurz nach hinten taumelte. Ich konnte nur noch mit seiner Unterstützung stehen. Der Täter wollte zurückweichen, doch die Leute ließen ihn nicht. »Du kannst es dir überlegen, Cai. Wenn du jetzt zu mir kommst, wird niemandem etwas passieren«, dieser sanfte Tonfall widerte mich an. Nach allem, was er getan hatte, immer noch solche Illusionen zu haben, war einfach nur krank. Und vor so eine Wahl ließ ich mich bestimmt nicht stellen. Was konnte ich tun oder sagen, um es endlich zu beenden? Wieder hob er die Waffe: »Also?« Zitternd wollte ich zum Sprechen ansetzen, als sich plötzlich eine Lücke in der Masse auftat. Polizisten stürmten auf den Täter zu und überwältigten ihn ohne Mühe. Innerhalb von Sekunden lag er auf dem Boden, die Handschellen klickten. Erstarrt beobachtete ich das Schauspiel, fühlte mich erleichtert aber gleichzeitig auch einfach müde. Es tat einfach nur weh, wenn man ständig um das Leben des Menschen bangen musste, den man liebte. Einer der Polizisten fragte uns, ob alles in Ordnung sei und ich nickte nur. Als de Täter im Polizeiauto verschwand, schloss sich die Menge wieder schützend um uns. Ich verstand endlich, dass es unsere Fans waren. Egal wo ich hinsah, niemand hatte sein Handy in der Hand, niemand filmte. Durch die Fans kamen auch die Medien nicht zu uns durch, obwohl sie es schon versucht hatten. Es war ein Ort, an dem wir sicher waren. Ich drehte mich um, nahm ihn in den Arm und begann einfach zu weinen. Seua strich mir tröstend mit der Hand über den Rücken. Ich hoffte inständig, dass es endlich vorbei war. »P‘, das war viel zu gefährlich, du hättest sterben können«, murmelte ich. Diesmal hörte ich seine echte Stimme, die viel schöner war, als die des Übersetzers. »Es tut mir leid, aber als ich gesehen habe, wie schlecht es dir am Set ging, war ich so sauer. Ich konnte nicht anders. Wären die Fans nicht gewesen, hätte ich ihn zusammengeschlagen«, erwiderte er mit einem Zittern in der Stimme. Als ich aufsah, merkte ich, dass er ebenfalls weinte. Ich wischte ihm die Tränen aus dem Gesicht: »P‘, ich verstehe das. Aber du wusstest, welche Absichten er hat.« »Ja, ich bin ein Idiot. Ich kann dich nicht beschützen, Cai. Stattdessen bist du derjenige, der sich vor mich stellt. Außerdem bist du nicht dumm, ich hätte wissen müssen, dass du hierherkommst. Du hättest hier nicht eine Sekunde stehen dürfen, vor allem nicht, nachdem was der Arzt gesagt hat«, sein entschuldigender Blick und seine Tränen trafen mich. Es brachte nichts, wir drehten uns im Kreis. Nicht nur ich, auch Seua musste endlich damit abschließen. Lächelnd schüttelte ich den Kopf. »Danke, P‘«, sagte ich und hoffte, dass er verstand, dass er der Letzte war, dem ich die Schuld geben würde. Lange blieben wir weinend in dieser Umarmung, beschützt von unseren Fans. Es war ein verletzlicher Moment, doch es fühlte sich gut an. Endlich würden wir damit abschließen können. Niemand würde uns verletzen oder trennen. Ich schniefte, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und wandte mich an die Fans. Wir konnten uns wirklich glücklich schätzen, solche Fans zu haben. »Vielen Dank, dass ihr uns geholfen, nicht gefilmt, uns beschützt und den Täter gefunden habt. Ihr seid wirklich toll. Ich werde mit dem Management sprechen und hoffe, dass wir noch ein Fan-Event für euch organisieren können.« Seua übersetzte für mich und die Fans applaudierten. Ich wurde mir bewusst, dass wir wie Wolf und Nok auch Hater haben, aber diese Fans machten alles wieder gut. Der Grat zwischen Bewunderung und Obsession schien ein sehr schmaler zu sein. Wir mussten aufpassen, dass nicht mehr Leute auf komische Ideen kamen. Wir verließen die Menge und gingen direkt zum Auto, wo Ray uns erwartete. Er sah erleichtert aus, uns zu sehen. »Wenn ihr irgendetwas braucht, ich habe zur Sicherheit auch einen Krankenwagen gerufen«, sagte er und erst jetzt fiel es mir auf. Hinter P’Joes Wagen standen ein Krankenwagen und ein weiterer Polizeiwagen. Ich löste mich von Seua und fiel Ray in die Arme. »Du hast uns diesmal gerettet, danke. Tut mir leid, dass wir immer so anstrengend sind«, sagte ich entschuldigend. Ganz anders als Seua, erwiderte er die Umarmung sehr zögerlich. »Als ob das jetzt gerade eine Rolle spielen würde. Klar, ab und zu tanzt ihr uns auf der Nase rum, aber diesmal konntet ihr nichts dafür. Ich bin nur froh, dass es euch gut geht. Alles andere können wir irgendwann später klären. Cai, es war sehr geistesgegenwärtig von dir, mir wegen der Polizei Bescheid zu sagen«, ich hatte das Gefühl Ray war auch ein bisschen durch den Wind, versuchte alles gleichzeitig zu sagen. Er schob mich von sich, lächelte unsicher. Offenbar brachte ihn meine Anhänglichkeit in Verlegenheit. »Ray, ich möchte mich bei dir entschuldigen. Wir werden euch in Zukunft vermutlich weiterhin Ärger bereiten, aber ihr wisst ja, dass es nichts gegen euch ist«, sagte Seua schmunzelnd. Er wusste einfach, dass wir nicht anders konnten, als den beiden Ärger zu machen. »Danke für das Heads-up, Seua. Ich weiß. Jetzt ist aber erst mal wichtig, dass ihr euch ausruht. Nichts anderes.« Ein paar Tage später waren wir wieder am Set, um die Szene fertig zu drehen. Da wir keine Notwendigkeit mehr darin sahen, im Safe House zu bleiben, waren wir wieder in einem Hotel untergebracht. P’Star warn außer sich, als er hörte, in welche Gefahr Seua sich gebracht hatte, was dieser sich dann auch ein paar Minuten anhören musste. Doch irgendwann würde P’Star ihm schon verzeihen. Dank‘ der Fans hatten die Medien nicht viel über Seua und mich zu berichten und fokussierten sich daher lieber auf die Festnahme des Täters. Ich versuchte mich wieder ganz auf Wolf zu konzentrieren, mich wieder mit dem zu beschäftigen, was ich liebte. Ohne immer die Hintergedanken haben zu müssen, dass uns jederzeit jemand angreifen könnte. Ich wusste nicht, wann ich endlich wieder komplett sorgenfrei am Set sein konnte, aber ich würde alles dafür geben, es so schnell wie möglich zu schaffen. - Wolfsherz – Szene 7 – Fortsetzung Ungelenk tupfte Nok meine Wunden im Gesicht ab, ich zuckte vor Schmerzen zusammen. Von der Begegnung mit Del hatte ich einiges an blauen Flecken davongetragen, mein Gesicht sah auch nicht besonders gut aus. »Nok, ich weiß, dass du sowas nicht gut findest, aber ich musste mich nun mal wehren«, erklärte ich. Doch sein abschätziger Blick zeigte mir, dass das nicht reichen würde. »Ich hätte mir gewünscht, wir wären einfach weitergegangen, P’Wolf«, er legte den Tupfer weg. Wir saßen auf einer Steintreppe außerhalb des Uni-Gebäudes. Nok würde nie den Unterricht schwänzen, aber da er mich nicht allein lassen wollte, hatte er sich vorsorglich beim Dozenten abgemeldet. »Ich weiß, aber das ging nicht, Nok. Nicht, nachdem was er gesagt hat.« Heute war Nok besonders schwer von meinen Argumenten zu überzeugen. Seine friedliebende Natur machte ihn aber auch so charmant. Das kriege ich schon hin. Doch er verschränkte die Arme, mied meinen Blick und rutschte auf der Treppe weiter nach unten. Ich rutschte neben ihn, legte ihm meine Arme um die Schulter. »Ich wollte ihnen nur sagen, was richtig ist, hatte nie die Absicht mich mit jemandem zu schlagen«, versuchte ich es weiter. Doch er zog einen Schmollmund. Soll er ruhig, ich fand es süß. »Ja, aber du hättest dich einfach nicht darauf einlassen sollen. Du hast gehört, was der Dozent gesagt hat. Was ist, wenn du deswegen von der Uni fliegst?«, in seinem Blick lag Angst. Und seine Sorge war durchaus berechtigt, denn das Gespräch mit dem Dozenten hatte ich schließlich noch vor mir. Trotzdem war ich lange nicht so besorgt wie er. Es wäre schon ein Armutszeugnis, wenn ich deswegen von der Uni fliegen würde. Ich zog Nok noch enger an mich, doch er machte keine Anstalten, es zu erwidern. Seufzend legte ich ihm eine Hand an die Wange, drehte seinen Kopf zu mir. Nok sah mir direkt in die Augen, was mich für einen Moment aus dem Konzept brachte. »Deswegen fliege ich nicht von der Uni. Schließlich bin ich nicht alleine Schuld«, flüsterte ich und konnte beobachten, wie sich seine Wangen rot färbten. »I-ich habe einfach Angst, dass du nicht bei mir sein kannst, P’Wolf «, sein besorgter Blick zog mich in seinen Bann. »Brauchst du nicht«, sagte ich und zog sein Gesicht näher zu mir. Hektisch sah er sich um. »Aber, P‘…«, er kam nicht mehr dazu, zu Ende zu sprechen, weil ich ihn küsste. Ganz zögerlich erwiderte er den Kuss. Diese Sanftheit von ihm war es, die mich regelmäßig um den Verstand brachte. Nok wollte eigentlich nicht in der Öffentlichkeit geküsst werden, aber ich konnte nun mal nicht anders und wollte auch ein Zeichen setzen. Nok legte seine Arme um mich, wurde ein bisschen mutiger. Noks Nähe war mir durch seine Nachhilfe, die er gab, fast schon ein bisschen zu wenig geworden. Daher genoss ich diesen Moment zwischen uns besonders. Atemlos löste er sich von mir und alles, was ich vorher in seinem Blick gesehen hatte, die Enttäuschung, die Wut und die Besorgnis, waren verschwunden. Übrig blieb nur noch Liebe. »Wenn du jetzt glaubst, dass ich dir verziehen habe, P’Wolf«, er lächelte mich an. »Dann liegst du richtig.« Ich wusste doch, dass es nicht schwer war, er konnte schließlich nicht lange sauer auf mich sein. Ich erwiderte sein Lächeln: »Gut, dann zeigen wir denen, dass sie gegen uns keine Chance haben.« Als ich aufstehen wollte, hielt er mich auf, zog mich in eine Umarmung. Überrascht wusste ich überhaupt nicht, was ich tun sollte. Was war denn los mit ihm? »Du bleibst bei mir, oder?«, flüsterte er. Angesichts der Tatsache, dass ich nicht mehr ewig bleiben konnte, versetzte mir seine Frage einen Stich. Vorhin konnte ich das noch ganz normal beantworten, aber je öfter er fragen würde, desto schwerer würde mir die Antwort fallen. Keine Ahnung, ob es ihm bewusst war, aber es waren nur noch zwei Monate. Ich schluckte, versuchte mich aufs Hier und Jetzt zu konzentrieren, diesen Gedanken zu vergessen. »Ja.« Später standen Nok, Del und ich vor dem Dozenten, der wissen wollte, was sich abgespielt hatte. Natürlich waren wir alle alt genug, aber bei Gewalt kannte die Uni kein Pardon. »Also, Wolf, was hast du gemacht, was Del nicht ertragen konnte?«, fragte er mich direkt. Ich nahm Noks Hand, hielt sie vor den Dozenten: »Das.« »Mehr nicht?« Während ich mir sicher war, dass wir das hier ohne Probleme hinkriegen würden, lag Noks Blick die ganze Zeit auf dem Dozenten, als könnte er ihn hypnotisieren. »Nein, mehr nicht. Ich bin mit meinem Freund über den Campus gelaufen«, erklärte ich und grinste Del triumphierend an. Vielleicht verstand er jetzt, wie dämlich es war. »Also, was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen, Del? Für mich klingt das nicht nach einem Grund, jemanden zu schlagen«, sagte der Dozent leicht genervt. »Es hat mich einfach genervt, okay? Sie müssen es ja nicht raushängen lassen«, zischte er. Wie ich es mir dachte, für sowas gab es meistens keine guten Gründe. Der Dozent verdrehte die Augen, hatte sicher Besseres zu tun, als sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. »Was genau ist dein Problem, Del? Der Campus ist groß genug, aber du musst dich zwei Leuten in den Weg stellen, die friedlich ihrem Alltag nachgehen?« Doch Del stellte die Gegenfrage: »Sie haben gar nichts dagegen?« »Wogegen?«, für eine Weile schien es, als wüsste der Dozent nicht, wovon Del sprach. Del stieß einen lauten Seufzer aus, man konnte spüren, dass er sich unwohl mit der ganzen Sache fühlte. Dann fiel dem Dozenten wieder ein, was Dels Problem war: »Dass Wolf und Nok zusammen sind? Wieso sollte ich was dagegen haben?« Plötzlich schlug er die Hände auf den Tisch, sodass wir alle zusammenzuckten. »Hör zu, Del. Wir sind hier an einer Uni, wo man sich normalerweise mit anderen Dingen beschäftigt. Du entschuldigst dich bei Wolf und Nok, sollten sie deine Entschuldigung annehmen, geht ihr alle ohne Strafe hier raus. Es sei denn, Del, ich höre nochmal, dass du jemanden schlägst oder beleidigst, dann ist das eine andere Sache. Ich lasse die Beiden entscheiden«, schlug er vor. Auch wenn ich mir sehr gewünscht hatte, dass Del seine gerechte Strafe kassiert, Nok und ich hatten uns gerade erst vertragen und ich würde keine Sekunde damit verschwenden, unsere Stimmung wegen solchem Blödsinn zu ruinieren. Was tat man nicht alles für seinen friedliebenden Freund? Del drehte sich zu uns, die Zähne zusammengebissen. Wie schwer konnte es sein, sich zu entschuldigen? Nervös sah der Dozent auf seine Uhr. »Del, ich muss gleich in meine Vorlesung. Können wir diesen Kindergarten hier bitte endlich beenden?«, hielt er ihn zur Eile an. Del knetete seine Hände, ich konnte immer noch die Wut in seinen Augen sehen. »Es tut mir Leid«, brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Das war weder eine besonders gute, noch ernstgemeinte Entschuldigung. Aber was solls. Hauptsache wir brachten es schnell hinter uns. Um Noks erwartungsvollen Blick nicht zu enttäuschen, rang ich mir ein: »Entschuldigung angenommen«, ab. Sein Strahlen war es allemal wert. Auch der Dozent war glücklich damit und entließ uns aus dem Zimmer. Del trat schnaubend den Rückzug an, während mir Nok in die Arme fiel. »P‘, ich bin so froh, dass alles gut ausgegangen ist«, seine Erleichterung übertrug sich auf mich, obwohl ich überhaupt nicht angespannt war. Nachdenklich strich ich ihm über den Rücken. Auch ich war froh, dass diese Sache vorbei war, aber mich ließ der Gedanke an die begrenzte Zeit, die uns noch blieb, einfach nicht los. Als die Szene durch den Direktor schon unterbrochen war, hatte Seua immer noch seine Arme um mich gelegt. Saran kam zurück, er strahlte förmlich. Del war schon wieder aus seinem Ausdruck verschwunden. »Das war richtig cool. Vor allem die Szene auf der Treppe«, schwärmte er, in seinen Augen glitzerte die Bewunderung. Ich drehte mich zu ihm, sodass Seuas Arm noch auf meiner Schulter blieb. »Findest du?«, eigentlich sollte ich Bewunderung gewohnt sein, trotzdem brachte es mich in Verlegenheit. Außerdem war es ein Kompliment an uns, was mich sehr freute. »Ja! Ihr beide seid ein richtig gutes Team. Wenn man es nicht besser wüsste…« »…würde man meinen, ihr seid wirklich zusammen«, ergänzte P’Amy seinen Satz, die dazugekommen war. Erstaunt sah Saran sie an: »Oh, P’Amy. Komisch, genau das wollte ich auch sagen.« Erwartungsvoll betrachteten sie uns, als wären wir ihnen eine Antwort schuldig. Hilfesuchend sah ich Seua an, war mir nicht sicher, ob wir das vor dem Team aussprechen sollten. Verstecken taten wir es zwar nicht, aber wir hatten es auch niemandem erzählt. Wie immer sprang er für mich ein: »Das…überlasse ich eurer Fantasie.« P’Amy sah heute streng aus, mit der Brille und den zusammengebundenen Haaren. Sie hatte das Drehbuch in der Hand und ich fragte mich, ob ich sie jemals ohne gesehen hatte. P’Amy grinste: »Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, Seua. Ich habe eine blühende Fantasie.« Entweder er wollte es wegen P’Star nicht sagen, oder er plante irgendetwas. Ich vermutete letzteres. »Und neben meiner Fantasie, auch eine ziemlich gute Menschenkenntnis«, ergänzte sie und richtete ihre Brille. Ihr wissendes Grinsen war nicht zu übersehen und vermutlich dachte sie sich ihren Teil. Doch Seua blieb hartnäckig: »Soll heißen?« »Dass ich glaube, den Unterschied zwischen Schauspiel und Realität ausmachen zu können. Euer Schauspiel ist mir schon ein bisschen verdächtig.« Seua zog mich noch näher zu sich und grinste: »Nur ein bisschen?« Lachend schüttelte sie den Kopf: »Schon verstanden, Es ist ja auch nicht erst seit heute, dass ich euch verdächtige.« Während wir es verstanden und ich auch kein Problem damit hatte, dass P’Amy es wusste, stand Saran noch ein bisschen auf dem Schlauch: »Das ist nicht gespielt?« Ich schüttelte leicht den Kopf: »Schon länger nicht mehr.« Er sah uns mit großen Augen an, daher legte ich mir einen Finger an den Mund: »Aber das wissen noch nicht viele.« Saran hielt inne, als hätte er gerade etwas realisiert: »Jetzt macht alles Sinn.« Spät am Abend lag ich im Hotelbett, starrte die weiße Decke an. Wolfs Gedanken über einen nahenden Abschied hatten sich auf mich übertragen. Mir wurde schmerzlich bewusst, dass unsere Zeit hier begrenzt war. Ich konnte nur bis zur Premiere denken, danach war alles schwarz und unbekannt. Wie würde es weitergehen? Ich wusste es nicht. Die Zimmerdecke konnte es mir auch nicht beantworten. Stattdessen sah ich Seua über mir, mit nassen Haaren, der meine Gedanken in ganz andere Sphären abdriften ließ. Gab es denn nicht mal einen Moment, in dem er nicht gut aussah? »Was ist los, Cai?«, fragte er. »Nichts«, sagte ich, versuchte mich auf seine Augen zu konzentrieren. Noch bevor er mich hypnotisieren konnte, verschwand sein Gesicht über mir und er legte sich neben mich. Seine nassen Haare verschafften mir eine angenehme Abkühlung. »Kann ich dich was fragen?«, begann er plötzlich und das ließ mich hellhörig werden. Ich drehte mich zu ihm, stützte meinen Kopf auf meinen Arm. Seua spiegelte die Geste. »Was denn?«, immer wenn ich diesen ernsten Blick sah, erhöhte sich mein Puls. Denn dann war es wichtig. »Du weißt ja, dass wir in ein paar Tagen eine PK machen werden«, das wusste ich nur zu gut. Denn als P’Star diese Pressekonferenz angekündigt hat, war mir mulmig zumute gewesen. Ich hatte zwar gesagt, dass es in Ordnung war, aber ich wollte nicht mehr über den Angriff sprechen. Trotzdem war mir ebenso klar, dass wir alles restlos aufklären mussten, damit die Medien nicht ihre eigenen Geschichten sponnen. Bei dem Gedanken zog sich mir der Magen zusammen und ich spürte die Tränen, die ich mir schnell wegwischte. Seua sah mich erschrocken an. »Hey, so schlimm?«, fragte er leise und wischte mir eine Träne aus dem Gesicht. Für einen Moment schloss ich die Augen: »Es geht schon, P‘. Ich wünschte mir, wir würden einfach nicht mehr darüber reden.« Ich wollte einfach nicht ständig daran erinnert werden, denn es nahm mich immer noch mehr mit, als ich mir eingestehen wollte. Seine sanften Berührungen ließen mich etwas ruhiger werden. »Ich weiß, wie wir umgehen können, dass du dich dazu äußern musst«, erklärte er und ich sah ihn neugierig an. Seua hielt meine Hand und ich war dankbar für diese Stütze. »Ja?« »Ich werde den Medien alles Wichtige erzählen, damit du es nicht musst. Und dann kommst du rein und wir lenken die Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das für dich okay ist.« Sein vorsichtiger Blick ließ mich schon vermuten, dass es sich nur um dieses eine Thema handeln könnte. »Okay. Was willst du den Leuten denn sagen?«, feststand, dass ich es zuerst von ihm hören wollte, falls ich doch komplett falsch lag. Diesmal wandte er seinen Blick ab: »Ich möchte unsere Fans nicht anlügen. Kurz gesagt: Ich möchte unsere Beziehung öffentlich machen.« Genau mit diesem Thema hatte ich gerechnet. An sich war es kein Problem für mich, doch ich fand es schwierig, die Reaktion der Fans und nicht zuletzt des Managements abzuschätzen. Ich äußerte meine Zweifel. Seua lag mittlerweile auf dem Rücken, den Blick nach oben gerichtet. »Man kann sich nie sicher sein, wie die Leute auf so etwas reagieren werden. Aber ich glaube, dass es schlimmer wäre, wenn sie es auf anderen Wegen herausfinden und glauben, dass wir es geheim halten wollen. Das wäre ein schlimmerer Vertrauensbruch, als von Anfang an die Wahrheit zu sagen«, sinnierte er. Natürlich war es einfacher, ehrlichen Leuten zu verzeihen. Aber restlos überzeugt war ich nicht: »Das stimmt, P‘. Aber nach allem, was passiert ist, möchte ich einfach nur, dass »Wolfsherz« sicher seine Premiere feiern kann.« Wieder sah ich sein Gesicht über mir, er hatte wieder diesen Ausdruck aufgesetzt, der mich schwach werden ließ. »Ich verspreche dir, dass es das wird.« »Das kannst du nicht«, sagte ich schmollend. Seua war ein Star, aber auch er konnte nicht kontrollieren, was passierte, sonst wäre es nicht so aus dem Ruder gelaufen. »Lass‘ uns ein letztes Mal volles Risiko gehen und den Fans vertrauen. Ich weiß, dass das hier dein Traum ist und ich würde ihn gerne mit dir zusammen leben.« Seine Worte ließen mir einen warmen Schauer über den Rücken laufen. Egal was er mit dieser sanften Stimme sagte, ich würde alles tun. Er ließ sich auf mich sinken, sein Gesicht an meinem Hals. Wie aus Reflex legte ich die Arme um ihn. »Du hast gesehen, wie uns unsere Fans beschützt haben. Glaubst du wirklich sie würden uns dafür hassen?« »Würden Sie nicht«, gab ich leise zurück. Aber wenn wir es tun würden, wäre es das größte Risiko, welches ich jemals in meiner Karriere eingehen werde. Nur eine Woche später stand ich mit Ray am Eingang zum Pressezentrum, sie hatten zugestimmt, dass ich mich nicht zu den Vorfällen äußern musste. Ich beobachtete, wie Seua zusammen mit P’Star vor die Presse trat. Langsam begann ich in meinem Anzug zu schwitzen, wenn ich daran dachte, was uns bevorstehen würde. Sie würden für mich übersetzen, sodass ich zumindest zuhören konnte. Ray beobachtete mich, er schien meine Nervosität auf den Vorfall zu beziehen: »P’Star hat gesagt, dass du nicht hier sein musst, Cai.« Aber genau das musste und wollte ich. »Ist schon okay, ignorier‘ mich einfach, Ray.« Die Pressekonferenz startete und sie begannen, ihre Fragen zu stellen. »Der Täter ist ein extremer Fan von Khun Cai. Gab es im Vorfeld Anzeichen dafür, dass so etwas passieren könnte?« »Ja, es gab einen Drohbrief. Doch da wir kurz vor unserem Amerikaaufenthalt standen, wollte ich kein großes Aufhebens darum machen«, wie immer antwortete er absolut professionell. Schon mit dieser Antwort war mir klar, heute würde Seua ehrlich sein, komme was wolle. »Wissen Sie, wie der Täter die Adresse ausfindig machen konnte?« »Diese Information ist uns nicht bekannt. Aktuell sind die Ermittlungen auch noch nicht vollständig abgeschlossen«, erwiderte P’Star. »Was wissen Sie über die Motivation des Täters? Stalker sind in diesem Business nicht selten, aber normalerweise sind sie nicht gewalttätig.« Selbst von hier aus konnte ich erkennen, wie Seua sich immer wieder durch die Haare strich, seinen Blick wandern ließ. Auch ihm schien es nicht leichtzufallen, darüber zu reden. »Er konnte offenbar nicht damit leben, dass Cai und ich uns gut verstehen. Der Täter wollte mich umbringen, um Cai für sich beanspruchen zu können«, er stockte kurz, behielt jedoch die Fassung. »Schlussendlich wurde der Aufenthaltsort des Täters durch die Fans bekannt. Es ist erstaunlich, dass die Fangemeinde es eher geschafft hat als die Polizei. Wussten Sie davon?« »Ja, wir haben gesehen, dass es diese Anstrengungen gab. Dafür sind wir ihnen sehr dankbar. In unserer schwersten Zeit standen unsere Fans mit vollem Einsatz hinter uns und haben uns beschützt.« Bisher nahmen die Journalisten alles interessiert auf, aber es dauerte nicht lange, bis die entscheidende Frage kam: »Schon vor einiger Zeit gab es Gerüchte, ein paar interessante Fotos und Videos, durch die man den Eindruck bekommt, Sie und Khun Cai seien mehr als Drehpartner. In der Szene ist das prinzipiell nichts Ungewöhnliches, aber machen Sie es nur für die Kameras oder steckt mehr dahinter?« Nach dieser Frage wurde es komplett still im Saal, alle Augen waren auf Seua gerichtet. Nachdem was die Fans für uns getan hatten, stand es ihnen nur zu, die Wahrheit zu wissen. Und wenn wir untergehen würden, dann gemeinsam. Es war Zeit für meinen Auftritt. Als ich das Pressezentrum betreten wollte, hielt Ray mich am Arm fest. »Was hast du vor?« »Ich werde ehrlich sein, Ray«, gab ich nur zurück und befreite mich aus seinem Griff. Bevor er mich aufhalten konnte, stand ich schon auf dem Podium. Auch Seua stand auf. Jetzt oder Nie. Ganz kurz ging ich in mich, dann nahm ich seine Hand. Nach unserem Gespräch hatte ich lange darüber nachgedacht, doch auch ich wollte mich nicht verstecken. Das war unsere Chance reinen Tisch zu machen und sicherzugehen, dass es jeder mitbekommen würde. »Es wäre einfach zu sagen, dass alles nur gespielt ist. Aber das ist es nicht. Seua und ich sind zusammen.« Nach einer kurzen Stille setzte das Klicken der Kameras ein. Mir klopfte das Herz bis zum Hals, dieses Bild und dieses Video würden wir vermutlich demnächst überall sehen. Trotzdem war ich stolz auf mich, dass ich das durchgezogen hatte. Seua lächelte mich ermutigend an, während P’Star uns mit offenem Mund anstarrte. Die Journalisten verließen ihre Plätze, strömten alle auf einmal mit ihren Fragen auf uns ein, doch P’Star stellte sich schützend vor uns. »Keine weiteren Fragen bitte.« Zusammen mit ihm verließen wir den Raum und ich beobachtete ihn ängstlich, als er die Tür hinter uns schloss. Er seufzte schwer: »Es scheint euch echt schwerzufallen, sich einmal an einen Plan zu halten. Ich werde mit Ray die Reaktionen beobachten und sehe euch dann morgen in meinem Büro.« Besorgt sah ich Seua an. War ich doch zu weit gegangen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)