Wolfsherz von HalcyTheWolf (In den Augen des Tigers) ================================================================================ Kapitel 14: Der Wolf und die Antwort ------------------------------------ Die Person trat näher an mein Bett, dann blieb sie direkt davorstehen. Als ich ihr in die Augen sah, erhöhte sich mein Puls. Diese Augen konnten nur einer Person gehören. Seua! Er nahm die schwarze Cap und die Maske ab, lächelte mich an: »Hi!« Ich fiel fast aus dem Bett, rappelte mich auf und umarmte ihn. Als sich seine Arme um mich schlossen, wusste ich, dass es sich genauso anfühlen sollte. Endlich! »P‘, du hast es geschafft!«, seine Jacke war kalt, als ich mein Gesicht dagegen drückte, doch es störte mich nicht. »Endlich ja, tut mir leid, dass ich dich so lange habe warten lassen, Cai.« »Braucht es nicht.« Als mir jedoch einfiel, dass Seua mir noch eine Antwort schuldig war, wurde ich plötzlich nervös. Nie zuvor hatte ich so lange jemanden umarmt, wie in diesem Moment. Ray und P’Star würden uns dafür hassen, aber es war mir egal. Ich sog seinen Duft ein, fühlte mich das erste Mal, seitdem ich im Krankenhaus war, wieder richtig wohl. Vorsichtig schob er mich von sich, ich sah einen nervösen Ausdruck auf seinem Gesicht. Seine Hände lagen an meiner Hüfte. Seine Augen bewegten sich unruhig hin und her, wovon ich mich langsam anstecken ließ. Er atmete noch einmal tief aus, dann sah er mich an. Ich wusste, dies würde der Moment der Wahrheit sein. »Nok liebt Wolf, aber..ich liebe dich, Cai.« Da war sie. Meine langersehnte Antwort. Seua und ich hatten unser Versprechen gehalten. Wir waren an dem Punkt angekommen, an dem die Handlung der Serie zu unserer Realität geworden war. Ich konnte es kaum glauben. Obwohl er meine Antwort schon kannte, entspannte er sich nicht. »Es gibt allerdings noch eine Sache, für die ich deine Antwort brauche«, er zog mich ein Stück näher zu sich und ich glaubte, mein Herz würde explodieren. »Willst du mit mir zusammen sein?«, es war süß, ihn schüchtern zu sehen. Wozu denn? Ich hatte längst aufgegeben, gegen irgendwas anzukämpfen. Stattdessen würde ich mich meinen Gefühlen einfach hingeben. »Ja«, sagte ich und strahlte ihn an. Mein erster Freund war ein thailändischer Star. Es war unglaublich, auch was er für Umstände auf sich genommen hatte, nur um mich zu sehen. Seua beugte sich zu mir runter und küsste mich. Romantisch im Licht der kleinen Nachttischlampe, nachts im Krankenhaus. Ich erwiderte den Kuss, spürte, dass es leidenschaftlicher war als vorher. Aber es wunderte mich nicht, wir waren uns unserer Gefühle sicher und hatten uns wochenlang nicht gesehen. Seua fuhr mir mit der Hand durch die Haare, ich legte meine Arme um ihn. Der Ärger und die Trauer fielen von mir ab, ich legte meine ganze Sehnsucht nach ihm in diesen Kuss. Egal was noch passieren würde, uns würde nichts mehr aufhalten. Wir waren schon seit Tag 1 ein Team gewesen, doch jetzt war es offiziell. Er löste sich von mir und grinste mich an: »Jetzt brauche ich ja nicht mehr zu fragen, oder?« Ich schüttelte den Kopf. Wir setzten uns zusammen auf das Bett, welches groß genug für zwei Leute war. Ich legte meinen Kopf an seine Schulter, er nahm meine Hand, sein Blick löste sich kaum noch von mir. Als er begann mir das Hemd aufzuknöpfen, stockte mir der Atem. »Was hast du vor, P‘?« Er grinste: »Keine Ahnung, woran du schon wieder denkst, Cai, aber ich wollte mir nur deine Wunde ansehen.« »O-okay«, ganz sicher war ich mir nicht, dass da nur unschuldige Gedanken hinter steckten, aber ich ließ ihn machen. Das Hemd ging auf und als seine Hand meinen Bauch berührte, verlor ich fast den Verstand. Seine kalten Finger fuhren an meiner warmen Haut entlang, was bei mir ein Kribbeln im ganzen Körper auslöste. Statt des Verbandes trug ich nur noch ein großes Pflaster, was es auch um einiges einfacher machte, sich zu bewegen. Seua strich mit der Hand darüber: »Hast du Schmerzen?« Ich war mir nicht sicher, ob ich in dieser Situation überhaupt antworten konnte, es verlangte sehr viel Konzentration von mir. »N-nein, im Moment nicht. Ich glaube, dass es ganz gut verheilt ist. Am Anfang war es schlimm, aber mittlerweile geht es.« »Das ist gut.« Ich beobachtete seine Hand, wie sie mir den Bauch entlangfuhr, hoch bis zu meiner Brust und zu meinem Nacken, wo sie schließlich blieb. Ich hob den Blick, sah den ernsten Ausdruck in seinem Gesicht. »Danke, Cai. Dass du mich retten wolltest«, sagte er leise. Der Schmerz in seiner Stimme ließ mich kurz zusammenzucken. Ich strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht: »Das ist selbstverständlich für mich. Aber ich bin einfach nur froh, dass dir nichts passiert ist. Lass uns nicht mehr darüber reden«, versuchte ich das Thema zu beenden. Doch es schien ihn nicht loszulassen, wie auch schon am Telefon. »Aber, wenn…«, mit einem flüchtigen Kuss auf den Mund, brachte ich ihn zum Schweigen. »Wie oft noch, P‘? Kein Aber mehr, okay?«, irgendwie musste ich ihn dazu bringen, sich nicht mehr schuldig zu fühlen. Grinsend nickte er und begann mein Hemd wieder zuzuknöpfen. Wir deckten uns zu und ich kuschelte mich an ihn. Zeit für einen Themenwechsel, mein Herz musste sich für einen Moment erholen. »Wie hast du es geschafft, zu fliehen?«, fragte ich, während ich seinem Herzschlag lauschte. Ich dachte darüber nach, seit wann ich so mutig war. Wobei es war nicht das erste Mal und ich hatte eben von den Besten gelernt. Er drückte mich an sich und ich verschwand halb unter der Bettdecke. »Uralte Tricks. Ich habe mich ein bisschen eingeschleimt, ihnen irgendwelche Märchen erzählt und sie abgeschüttelt, als es ging. Hab‘ sie quer durch die Stadt geschickt. Eigentlich müssten sie jetzt hier sein, aber sie wussten wohl nur, dass ich nicht abhauen durfte. Ray und P’Star werden ohnehin morgen hier sein, sie sind ja nicht dumm«, erklärte er. Das war wohl unausweichlich. Selbst wenn ich sie nicht reinlassen würde, sie wussten ohnehin, dass er nur hier sein konnte. »Der Tiger hat sich also durchgemogelt. Ich habe nichts anderes von dir erwartet, P’Seua. Aber, was machen wir wegen unseren Wachhunden?« Wieder würde ich Ray enttäuschen und langsam wurde es gruselig, wie oft das in letzter Zeit vorkam. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das jemals wieder gutmachen könnte. Andererseits fühlte ich mich immer noch betrogen von ihm, weil sie mich und Seua getrennt hatten, auch wenn das nicht seine alleinige Entscheidung gewesen sein konnte. »Gar nichts. Ich bleibe hier, egal, was sie sagen.« »Das ist klar. Im Krankenhaus kann der Psycho am wenigsten Schaden anrichten und wenn doch, dann kannst du direkt behandelt werden«, witzelte ich. Einfach nicht drüber nachdenken. Statt weiter darüber zu reden, fragte ich: »Was ist mit deinen Sachen?« »Hab‘ ich P’Hope gegeben, damit sie die solange für mich aufbewahrt.« Ich tauchte unter der Bettdecke hervor und sah ihn erstaunt an: »Ihr habt euch schon kennengelernt?« Er hatte ein nachdenkliches Lächeln aufgesetzt, sein Blick ging ins Leere: »Mein Gesicht scheint sie zu kennen, daher hat sie mich abgefangen.« Ich musste lachen. Dass sie sein Gesicht kannte, war ausnahmsweise nicht der Tatsache geschuldet, dass er berühmt war. »Kein Wunder, dass sie dein Gesicht kennt, P’Night«, neugierig beobachtete ich seine Reaktion. Das Erste, was ich sah, war Verwirrung. »Wie kommst du denn darauf?« Ich fischte die DVD vom Nachttisch und gab sie ihm in die Hand: »P’Hope und ich sind schon bei Folge 7. Jeden Abend eine.« Seua schüttelte den Kopf, versteckte sich hinter der DVD: »Ihr guckt ausgerechnet das?« Ich schob die DVD runter, um seinen peinlich berührten Ausdruck sehen zu können. »Wieso denn nicht? Klar es ist dein Debut, aber ich finde, dass du es richtig gut gespielt hast«, gab ich begeistert zu und es war echt. Ich mochte die Serie und das nicht nur, weil Seua der Hauptdarsteller war. Er seufzte: »Wenn du meinst, dann vertraue ich deiner Expertise. Aber ich muss das nicht mit euch gucken, oder?« »Klar doch! Und denk‘ bitte dran, »Wolfsherz« wird mein Debut sein, also sei bitte nicht so hart dazu.« Seua ließ die DVD sinken und als er sie betrachtete, meinte ich sowas wie Nostalgie in seinem Blick zu sehen. Sein Debut würde man wohl nicht so schnell vergessen. »Ja, Cai. Aber du bist selbst bei deinem Debut schon sehr talentiert, was ich von mir nicht behaupten kann«, es erschloss sich mir nicht, wie man an seiner Stelle noch Zweifel an den eigenen Fähigkeiten haben konnte. »Klar, P‘. Deswegen himmelt dich auch das ganze Land an«, sagte ich. Er drückte mir die DVD gegen die Nase: »Es reicht mir, wenn du mich anhimmelst.« Ich nahm ihm die DVD ab, legte sie wieder auf den Nachttisch und grinste ihn an: »Das tue ich. Cai, dein größter Fan.« Wir redeten noch eine Weile und ich erzählte ihm, dass ich mich mit Dice versöhnt hatte. Ich spürte seine Arme um mich, er legte sein Kinn auf meinen Kopf. »Echt jetzt? Was hat den denn geritten?«, fragte er ungläubig. »Er meinte, dass er nur ein Wingman für uns war und niemals für dich ins Messer springen würde.« »All die Jahre musste nur fast jemand draufgehen, damit Dice endlich aufgibt. Wenn ich das vorher gewusst hätte«, seine Stimme triefte vor Ironie. »Du bist aber nicht sauer auf ihn, oder? Ich meine, er hat endlich eingesehen, dass er keine Chance hat«, ich wollte wissen, was Seua darüber dachte. Denn nur, wenn auch er Dice verzeihen würde, könnten wir in Ruhe arbeiten. »Wenn er sich bei dir entschuldigt hat, ist alles okay. Dann können wir damit endlich abschließen.« Ich atmete erleichtert auf, endlich ein Kapitel, was wir beenden konnten. Als ich längere Zeit nichts mehr von Seua hörte, löste ich mich vorsichtig von ihm und sah nach oben. Er war eingeschlafen. Ich schloss mich ihm an, versuchte nicht über das nachzudenken, was uns noch erwarten würde. Wir waren nicht einmal richtig wach, da standen sie schon im Zimmer. Wie war das? Ich entscheide, wer ins Zimmer darf, oder nicht? Vermutlich konnte selbst P’Hope sie nicht aufhalten, als sie Seuas Verschwinden bemerkt hatten. Seua stand auf, er fuhr sich durch die Haare und baute sich vor den Beiden auf. »Seua, was soll das? Wir haben so viel Aufwand betrieben, um deinen Aufenthaltsort geheim zu halten und jetzt bist du hier? Ich verstehe es nicht. Könnt ihr nicht mal eine Sekunde ohneeinander?«, fragte P’Star aufgebracht. »Können wir nicht, siehst du ja. Was soll mir hier schon passieren? Cai hat mir das Leben gerettet und ich konnte nicht für ihn da sein. Und auch wenn es dafür vielleicht schon zu spät ist, werde ich bleiben«, sein Tonfall ließ keine Widerrede zu. Ich blieb im Bett, versteckte mich halb unter der Bettdecke. P’Star wandte sich an Ray, die Arme verschränkt: »Ray, ich übernehme den Fall, kläre alles mit dem Sender und du kümmerst dich um die Idioten hier, okay? Ich mach‘ das nicht länger mit. Lass sie ruhig ins offene Messer laufen, sie wollen es ja nicht anders. Sobald Cai entlassen wurde, drehen wir weiter.« Kaum zu Ende gesprochen, stürmte er davon. Ob es besonders schlau war, P’Star zu verärgern wusste ich nicht, aber solange Seua bei mir bleiben durfte, war es das wert. Ray trat an mein Bett, wollte mir die Decke wegziehen, doch Seua griff seinen Arm und hielt ihn auf. Es war beinahe als müsste er nachholen, mich zu beschützen. »Ich habe selbst entschieden herzukommen, Ray. Wenn du auf jemanden sauer sein willst, dann bitte auf mich«, erklärte er ruhig. Seua hatte zwar schon erlebt, dass Ray richtig sauer auf mich sein konnte, er wusste aber auch, dass er das eher verstehen würde als P’Star. Trotzdem konnte ich Ray die Enttäuschung ansehen: »Du hast es entschieden, aber Cai wusste davon, oder? Deswegen wollte er die Security nicht. Ich habe ihm vertraut und sie deswegen abgezogen, was er eiskalt ausgenutzt hat.« Es war komisch, dass er mit Seua an mir vorbeiredete, aber seine Worte taten weh. Auch wenn er recht hatte. Wieso konnte es nicht einfach mal klappen, ohne, dass wir jeden enttäuschen mussten? »Ob er davon wusste oder nicht, spielt keine Rolle. Cai hat sich an seinen Teil der Abmachung gehalten und ist geblieben. Wir wissen, dass ihr uns beschützen wollt, aber das geht doch auch anders, oder nicht?« Darauf ging Ray nicht ein. Stattdessen sah er mich an: »Wir sprechen uns noch, Cai. Ich gehe dann mal Star beruhigen, vielen Dank auch.« Kopfschüttelnd trat auch er den Rückzug an und ich klammerte mich an die Hoffnung, dass er mich zumindest nicht hassen würde. Seufzend stand ich auf, wieder herrschte diese schlechte Stimmung zwischen uns. Seua bemerkte meinen traurigen Ausdruck, legte mir eine Hand auf die Schulter, während wir in Richtung Tür sahen. »Letztes Mal haben wir das wieder hinbekommen, oder?«, er erinnerte mich daran, als wir abgehauen waren. Da hatte ich seine Wut noch verstanden, aber ich hatte gehofft, dass er uns diesmal ein bisschen mehr Verständnis entgegenbringen würde. Ray wusste zwar nichts von unserer Beziehung, aber er hatte das Bild im Auto gesehen und ich hatte ihm alles erzählt. Sich dann zu denken, dass es Seua und mir schwerfiel, länger als ein paar Stunden getrennt zu sein, war nicht sonderlich schwer. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber dass »Wolfsherz« unsere Freundschaft auf die Probe stellen würde, hätte ich nie gedacht. Auch wenn P’Star Seuas Manager war, über die Beziehung der beiden war ich mir unsicher. »War P’Star denn jemals sauer auf dich?«, ich sah ihn fragend an. Doch Seua lächelte: »Du solltest lieber fragen, wann er nicht sauer auf mich war. P’Star weiß aber, dass wir das nicht machen, um ihn zu verarschen, Cai. Das kriegen wir hin.« Mir blieb nichts anderes übrig, als seinen Worten zu vertrauen. Die Ablenkung in Form von P’Hope, die mit Seuas Sachen hereinkam, kam da sehr gelegen. »Ich habe gehört, ihr habt euch schon kennengelernt, P’Hope«, sagte ich und lächelte sie an. »Aber natürlich. Gestern Nacht, deswegen wusste ich auch sofort, wo er hinmuss. Wie geht es dir, Khun Cai?« Es war schon komisch, aber ich konnte es endlich wieder sagen: »Es geht mir gut.« »Das freut mich sehr. Ich habe auch mit dem Arzt gesprochen und er sagte mir, dass wir dich maximal noch eine Woche zur Beobachtung hierlassen, dann kannst du entlassen werden.« Eine Woche noch. Und was dann? Wir konnten weder in die Wohnung noch ins Hotel zurück. Das Krankenhaus war die sicherste Option, ich wusste aber, dass sie uns hier nicht unnötig unterbringen konnten, und wollte niemanden in Verlegenheit bringen. Als letztes fiel mir noch das Safe House ein, wo Seua untergebracht worden war. Vielleicht konnten wir dahin zurück. Ich schüttelte die Gedanken ab, versuchte mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. »Eine Woche reicht, P’Hope. Dann schaffen wir das Ende der Serie noch«, ich freute mich darüber, gleichzeitig war es mir hier, trotz der Umstände, sehr gutgegangen, dass ich gar nicht mehr wegwollte. Sie lachte, während ich sehen konnte, wie Seua geradezu kleiner wurde. »Oh, das schaffen wir. Und dabei können wir uns direkt Insiderinfos anhören, wie praktisch«, P’Hope meinte es nur gut, sie konnte nicht wissen, dass Seua das Ganze peinlich war. Belustigt beobachtete ich, wie er das Gesicht verzog. Währenddessen löste P’Hope mein Pflaster, sodass Seua die Wunde auch sehen konnte. Ich hatte die Einstichstelle schon öfter gesehen, mir machte das nichts aus. »P’Hope?« »Hm?«, sie sah nicht auf. »Ich könnte dich reich machen«, sagte ich grinsend und diesmal sah sie mich zweifelnd an. »Wie soll das denn gehen, Khun Cai?« »Ganz einfach. Ich erzähle dir ein Geheimnis zweier Stars, was noch niemand weiß. Du kannst es dann sehr teuer an die Klatschpresse verkaufen. Was sagst du?«, natürlich war das nicht ernst gemeint, aber mich interessierte ihre Reaktion. Während sie das Pflaster wieder befestigte, schüttelte sie den Kopf. »Es würde mich reich machen, ja. Aber wieso sollte ich dein Geheimnis verkaufen, Cai?« Endlich. Ich wusste nicht, ob sie es mit Absicht machte oder nicht, aber es freute mich, dass sie endlich das »Khun« wegließ. »Ich habe nie gesagt, dass es mein Geheimnis ist, P’Hope.« Seufzend deckte sie mich zu, schenkte mir ein Lächeln: »Wie wäre es damit? Du erzählst mir dein Geheimnis trotzdem und ich behalte es für mich.« Mit dem Finger deutete ich in Seuas Richtung und zwinkerte ihr zu: »Mein Geheimnis steht hinter dir.« P’Hope musste sich dafür nicht umdrehen: »Das freut mich für euch.« Am Abend musste Seua dann die Folge mit uns schauen. Da P’Hope ohnehin von uns wusste, konnte Seua auch neben mir im Bett sitzen. Aber natürlich mit etwas Abstand, ich wollte nicht, dass P’Hope sich unwohl fühlte. Gemeinsam lachten wir und wurden zwischendurch wieder still. Wie so oft war Episode 8 sehr emotional, da es langsam auf das Finale zuging. Als die Credits liefen, hörte ich Seua neben mir erleichtert aufatmen. Sah ganz so aus, als hätte ich unfreiwillig noch eine Schwachstelle von ihm herausgefunden. Ich stieß ihn spielerisch in die Seite: »Komm‘, so schlimm war es nicht.« »Danke für die Blumen, Cai. Lass mich euch lieber erzählen, was während dieser Episode am Set passiert ist«, begann er und die Verlegenheit in seinen Augen wich einer Nostalgie. »Wenn ich nicht aufgepasst hätte, wäre diese riesige Lampe fast auf mich gefallen. Aber plötzlich sind drei Leute vom Team hervorgesprungen, um sie aufzufangen. Bei diesem Dreh ist einiges zu Bruch gegangen, weil Tan, der Tollpatsch, ständig über irgendwelche Kabel gestolpert ist.« Gott sei Dank war mir das bisher erspart geblieben, obwohl ich es mir selbst durchaus zutraute. Innerlich dankte ich auch den Leuten aus Seuas Team, die die Lampe aufgefangen hatten. »Zum Glück ist nichts passiert. Man sieht sowas immer nur im Fernsehen, aber weiß gar nicht, wie viel Arbeit dahintersteckt«, sagte P’Hope nachdenklich. Sie sprach aus, was ich schon seit Beginn meiner Karriere dachte. »Ja, du müsstest mal zu uns ans Set kommen, P’Hope. Man gewöhnt sich irgendwann daran, aber alleine schon, wie viele Leute an einer Szene beteiligt sind, ist krass«, erklärte ich. »Das glaube ich. Und Seua du brauchst dich wirklich nicht schämen für dein Debut. Du hast es damit immerhin geschafft, jemanden wie mich, die gar keine Ahnung hat, zu überzeugen«, ermutigte sie ihn und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Echt? Das habe ich geschafft?«, er schien sich ehrlich darüber zu freuen. »Ja. Und ich werde mir »Wolfsherz« auch auf jeden Fall ansehen.« Damit sie das aber konnte, musste ich erst mal entlassen werden, was dann auch eine Woche später geschah. Ich fand mich in P’Hopes Umarmung wieder. »Danke für alles, was du für mich und für uns getan hast, P’Hope. Das werde ich mein Leben lang nicht vergessen«, sagte ich mit kratziger Stimme und Tränen in den Augen. Ich hatte die schlechte Angewohnheit, Leute schon nach kurzer Zeit zu sehr ins Herz zu schließen. Ihre Umarmung fühlte sich vertraut an. »Das habe ich gerne gemacht, Cai. Wir werden dich zwar hier vermissen, aber es ist gut, dass du wieder gesund bist.« Sie legte ihre Hände an meine Schultern, sah erst mich und dann ihn an: »Cai, Seua, ich mag keine Ahnung vom Showbiz haben, aber ich bin trotzdem euer Fan. Nicht als Stars, sondern als Menschen.« Ihr liebevoller Blick rührte mich, ich konnte die Tränen nicht mehr aufhalten. Ohne sie wäre ich hier eingegangen und wäre wahrscheinlich irgendwann aus dem Fenster gesprungen. »Das ist total süß von dir, P’Hope«, rang ich nach Worten. »Ach, ich sage doch nur die Wahrheit. Ihr seid hier jederzeit willkommen, am besten natürlich unverletzt. Wenn ihr Zeit habt, könnt ihr uns immer besuchen.« Sie wünschte uns noch alles Gute, dann verließ ich mit Seua und mehreren Bodyguards das Krankenhaus. Ich sah noch einmal zurück, wo sie winkend stand. Ich würde ihr die Anerkennung, die sie verdient hatte, zukommen lassen und ich wusste auch schon wie. Wir kamen zunächst im Safe House unter, denn auch wenn wir unsere Manager verärgert hatten, tot sehen wollten sie uns wohl auch nicht. Es lag deutlich abgelegener in der Stadt, unterschied sich von der Einrichtung her aber nicht großartig von Seuas Apartment. Nur den Blick über die Stadt würde ich vermissen, denn das Safe House lag im Keller, ließ daher keine natürliche Beleuchtung zu. Die Security an jedem Ein- oder Ausgang machte es auch nicht gemütlicher. Auch wenn es mir besser ging und ich glücklich war wegen Seua, rief mir diese Tatsache doch wieder schmerzlich in Erinnerung, dass es für uns noch nicht sicher war. Morgen sollten trotzdem die Dreharbeiten weitergehen und ich wollte alles dransetzen, diesen Psycho so gut es ging auszublenden. Ich saß auf dem kleinen hellblauen Sofa, las gerade das Drehbuch, musste wieder in die Serie reinkommen. Wir hatten eine lange Pause und ich versuchte mich wieder auf Wolf einzustellen. Seua kam dazu, er hielt mir sein Handy hin. Ich nahm es entgegen, sah dass er Twitter offen hatte. »Gerade trendet der Hashtag #savecaiseua auf Twitter und ich habe mir das mal ein bisschen durchgelesen. Durch die Nachrichten und das Statement des Senders wissen die Fans, was uns passiert ist. Sie haben sich zusammengetan, um zu helfen, den Typen zu schnappen«, erklärte er und setzte sich neben mich. Ich scrollte, las mir die Beiträge durch, die größtenteils auf Englisch verfasst waren. Das haben #caiseua nicht verdient. Lasst uns diesen Spinner gemeinsam mit der Polizei schnappen! Ich hoffe es geht @caigress gut. Wenn wir uns alle zusammentun, dann hat der keine Chance! #revenge #savecaiseua -> Leute, lasst uns hier alle Infos sammeln, die wir kriegen können. Der Support der Fans, sowohl in Thailand als auch international, überwältigte mich. Dass Leute sich solche Mühe nur wegen uns machten, war neu für mich. Ich gab ihm das Handy zurück. »Danke, P‘. Wir haben megatolle Fans. Am liebsten würde ich mich bei jedem Einzelnem von ihnen bedanken«, sagte ich nachdenklich. Auch nach allem, was passiert war, Thailand hatte mich unheimlich freundlich aufgenommen und unterstützt, sodass es schwierig war, meine Dankbarkeit überhaupt in Worte zu fassen. »Bei jedem könnte schwierig werden, aber du kannst ihnen trotzdem antworten«, schlug er vor und genau das würde ich tun. Doch über meinen privaten Account und nicht den von »Wolfsherz«, wir hatten P’Star schließlich schon genug verärgert. Liebe Fans, vielen Dank für euren Support, das bedeutet uns wirklich sehr viel. Auch wir wünschen uns, dass der Täter so schnell wie möglich gefasst und die Dreharbeiten sicher beendet werden können. Wir haben gesehen, dass ihr unter dem Hashtag #savecaiseua fleißig Informationen sammelt und ich bin mir sicher, dass uns dies sehr helfen wird. Macht euch bitte keine Sorgen, uns geht es gut. Wir lieben euch. Cai & Seua. Ich zeigte es ihm und als er nickte, schickte ich es ab. Ich ließ das Handy sinken, vermisste die Zeit, wo wir unbeschwert unsere Events machen konnten. Auch wenn ich glücklich war, lag diese Sache wie ein grauer Schleier über uns, sodass ich es gar nicht richtig genießen konnte. Oft genug hatte ich mir selbst gesagt, dass ich mich davon nicht unterkriegen lassen sollte, aber die Gedanken kamen immer wieder zurück. Er hatte es zwar nicht geschafft, Seua umzubringen, das hieß aber nicht, dass er es in Zukunft nicht nochmal versuchen würde. »Ich wünschte das wäre endlich vorbei«, sprach ich meine Gedanken aus. »Ich auch«, Seua breitete seine Arme aus und ich zögerte keine Sekunde, das Angebot seiner Umarmung anzunehmen. Das war im Moment der einzige Ort, an dem ich mich bedingungslos sicher fühlte. In seinen Armen. »Wir werden kämpfen, oder Cai?«, flüsterte er. »Ja«, meinte Stimme war zwar nicht mehr als ein Krächzen, doch ich meinte es ernst. Wieder am Set schlug uns jedoch erst einmal jede Menge Liebe entgegen. Alle aus dem Team umarmten uns, freuten sich darüber, dass wir zurück waren. P’Sawa strahlte uns an: »Endlich ist mein Lieblingsduo wieder zurück!« Auch ich versuchte ihnen mein bestes Lächeln zu schenken und die Security so gut es ging auszublenden. »P’Sawa, ich habe es echt vermisst, am Set bei euch allen zu sein«, sagte ich, während ich mich auf den Stuhl setzte. Er begann direkt mit dem Make-Up. »Ohne euch war das hier auch eine ziemlich traurige Veranstaltung. Die Anderen haben aber auch sehr gute Arbeit geleistet und sie haben alle Nebenszenen ohne euch schon fertig.« Ich nahm das erfreut zur Kenntnis, dass wenigstens sie arbeiten konnten. Auch wir würden nicht mehr lange brauchen, bis »Wolfsherz« beendet sein würde. Aber ich wollte nicht über das Ende nachdenken. Nicht jetzt. Die heutige Szene könnte schwierig für mich sein, aber ich beschloss mich zusammenzureißen und es zu schaffen. Seua saß auf dem Stuhl neben mir, beobachtete mich besorgt, als hätte er Angst, dass ich jeden Moment zusammenbrechen könnte. P’Sawa schaffte es mal wieder meinem müden Gesicht eine lebhafte Maske aufzusetzen. Wolf war zurück. Endlich. Als Seua und ich auf unseren Einsatz warteten, hatte ich die Arme um ihn gelegt, den Kopf an seiner Brust. Wir wollten uns vor dem Team nicht verstecken, auch wenn es durch unser Verhalten vorher, vielleicht nicht sofort auffallen würde. Die Blicke des Teams ließen mich zumindest ein bisschen schmunzeln, obwohl sie solche Gesten bei uns gewohnt sein müssten. Ich war gespannt, wann die ersten Fragen aufkommen würden. Bevor wir das Set betraten, nickten wir uns zu. Wir würden es schaffen, egal wie. - Wolfsherz – Szene 7- Ich war schon einen Monat mit Nok zusammen und absolut glücklich. Wir hatten unsere Freunde, unsere Kurse und das Leben in Thailand machte mir immer mehr Spaß. Dadurch, dass Nok aufgetaut war, war es auch für ihn leichter, auf sein Ziel hinzuarbeiten. Kurz gesagt, es lief gut und auch mein Thailändisch nahm langsam Form an. Nok und ich schlenderten an diesem milden Sommertag über das Unigelände. Da wir gerade Pause hatten, waren wir auf dem Weg zur Mensa. Ich grinste, als Nok vorsichtig meine Hand nahm. Anfangs war es ihm schwergefallen, sich vor anderen erkenntlich zu zeigen. Doch spätestens seit unsere Freunde und die meisten seiner Schüler es wussten, war es für ihn in Ordnung. Ich fühlte mich in diesem Moment, als könnte mich nichts aufhalten, bis uns eine Gruppe Jungs entgegenkam, deren abschätzige Blicke ich schon meterweit vorher sehen konnte. Sie stellten sich uns in den Weg, ihre Blicke auf unseren Händen. Mir war klar, dass, nur weil wir glücklich waren, uns nicht jeder wohlwollend gegenüberstand. Die Gesellschaft war leider noch nicht weit genug, es als normal anzusehen. Nok versteckte sich halb hinter mir, er spürte wohl auch, dass die Jungs keine guten Absichten hatten. Einer von ihnen sah mich an: »Na, Schwuchtel? Müsst ihr das hier so öffentlich zur Schau stellen? Das ist widerlich.« Leider verstand ich dank Noks Nachhilfe, jedes Wort. Er wollte mich wegziehen, doch ich ließ ihn nicht. Stattdessen drückte ich seine Hand fester und trat einen Schritt vor, um die Idioten zu konfrontieren. »Das ist nicht widerlich, das nennt man Liebe. Scheinbar haben dir deine Eltern das nicht richtig beigebracht«, warf ich ihm entgegen. Ich versuchte Noks ängstlichen Blick so gut es ging zu ignorieren. Ich konnte das auf keinen Fall ohne Weiteres stehen lassen. Als der Typ noch einen Schritt auf mich zuging, hielt ihn ein Anderer aus der Gruppe zurück: »Pass‘ auf, Del. Der küsst dich noch.« Sie lachten. Ich schüttelte nur den Kopf. Das sollten Studenten sein? Solche Sprüche kannte ich nur aus der Grundschule. »Keine Sorge, ich küsse keine Idioten«, gab ich grinsend zurück. Del löste sich von seinem Kumpel, packte mich am Kragen. Die tiefbraunen Augen funkelten mich hasserfüllt an. Das Grinsen wich aus meinem Gesicht, langsam spürte ich, dass ich die Kontrolle über die Situation verlieren könnte. »Du nennst mich einen Idioten? Weißt du eigentlich, mit wem du dich gerade anlegst? Für einen dahergelaufenen Spinner nimmst du dir ganz schon viel raus. Wird Zeit, dass dir mal jemand richtig die Leviten liest.« Ich wollte Dels unangenehmer Nähe entkommen, doch er drängte mich gegen die Wand des Gebäudes, neben dem wir stehengeblieben waren. Ich hatte keinen Zentimeter, um auszuweichen. Sie zwangen Nok und mich auseinander, hielten ihn fest. »Dein Lover soll sich ruhig ansehen, wie ich dich zusammenschlage.« Verdammt, der Wolf hatte wohl den Falschen provoziert. Ich sah seine Faust von oben auf mich herabrauschen… Meine Augen begannen zu flackern, die Faust des Statistendarstellers verwandelte sich plötzlich in ein glitzerndes Messer. Es fühlte sich an, als würde sich das Gras unter meinen Füßen in Beton verwandeln, als würden die Pfeiler der Tiefgarage aus dem Boden schießen. Mir wurde heiß und kalt, meine Augen bewegten sich unruhig hin und her. Der Darsteller vor mir trug plötzlich eine Maske, durch die ich das verkommene Grinsen sehen konnte. Es begann zu blitzen, als würde jemand ganz schnell hintereinander das Licht aus und einschalten. Ich hielt mir schützend die Hand vor das Gesicht, ertrug es nicht. Mein Mund wurde trocken, alles begann sich zu drehen. Das Set war mittlerweile zu einer seltsamen Mischung aus Außenbereich und Tiefgarage verschmolzen. Ich ließ mich an der Wand herabgleiten, doch selbst, wenn ich meine Augen schloss, sah ich alles lebhaft vor mir. Die Person, das Messer, das Blut. Wie aus Reflex griff ich mir an den Bauch, doch dort war nichts. Irgendwo tönten Stimmen, aber sie waren zu weit weg, als dass ich irgendetwas hören konnte. Menschen beugten sich über mich, ich nahm sie nur als flüchtige Schatten wahr. Alles verschwamm, ich erkannte ihre Gesichter nicht. Auch wenn ich wusste, dass das Messer nicht da war, blitzte es immer wieder auf. Schützend legte ich meine Hände auf meinen Bauch, gleich würde er mich verletzen. Doch es stach niemand auf mich ein, stattdessen öffnete ich die Augen und fand mich auf einem Bett in einem weißen Zelt wieder. Seua hielt meine Hand und ein Notarzt sah auf mich herab. »Wie geht es dir?«, wollte der Notarzt wissen und ich hatte eigentlich darauf gehofft, diese Frage erst mal nicht mehr beantworten zu müssen. Ich blinzelte noch ein paar Mal, aber von der Tiefgarage war nichts mehr zu sehen. »Ganz okay. Was ist passiert?«, ich konnte mich zwar an die komische Vision erinnern, nicht aber an das, was um mich herum passiert war. »Du warst am Set geistig abwesend und bist dann zusammengebrochen. Das Team hat mir vom Angriff erzählt und, dass die Szene wohl gewisse Ähnlichkeiten aufwies. Hast du dich an den Angriff erinnert?«, wollte er wissen. »Ja.« Er nickte wissend: »Das habe ich vermutet, weil die Symptome gepasst haben. Die Ähnlichkeit mit der Szene hat ein Flashback bei dir ausgelöst.« Langsam richtete ich mich auf. Flashback? Ich hatte schon oft davon gehört, aber es selbst zu erleben war sehr unangenehm. Ich versuchte in Seuas Blick nach Beruhigung zu suchen, doch es half nicht. Er sah durch mich hindurch, in ihm schien es zu brodeln. Auch wenn er meine Hand hielt, schien er keine Notiz von irgendetwas zu nehmen. Stattdessen starrte er auf sein Handy und murmelte: »Ich bring den um.« Immer und immer wieder, sodass es wie ein gefährliches Mantra klang. Beunruhigt beobachtete ich ihn, hatte das Gefühl, er würde gleich durch die Decke gehen. Vorsichtig legte ich eine Hand auf seine Schulter: »P‘?« Er sah mich an und als hätte sich ein Schalter bei ihm umgelegt, blickten seine Augen mich freundlich an. »Ja?« »Alles gut?« »Klar«, gab er zurück, auch wenn ich das nicht wirklich glaubte. Der Notarzt setzte sich zu uns an das improvisierte Bett: »Khun Cai, ich würde gerne mit dir sprechen. Eigentlich unter vier Augen.« Scheinbar war er sich unsicher, in welchem Verhältnis wir zueinanderstanden, daher klärte ich ihn auf: »Das ist schon, okay. Seua kann ruhig bleiben, ich vertraue ihm.« Ich sah ein kurzes Lächeln auf seinem Gesicht. »Körperlich ist bei dir alles okay, Khun Cai, außer, dass du vielleicht ein bisschen erschöpft bist. Aber du solltest versuchen auslösende Ereignisse so gut es geht zu vermeiden. Ich weiß, dass kann in deinem Job schwierig sein, aber es wird mit der Zeit besser werden.« »Können Sie mir sagen, wie lange es dauern wird?«, fragte ich und versuchte mir die Verzweiflung nicht allzu sehr anmerken zu lassen. »Ich bin leider nur Notarzt und nicht psychologisch geschult, daher kann ich das nicht sagen. Außerdem kommt es immer auf den Einzelfall an. Wenn du stark bist und ein gutes Umfeld hast, was dich auffangen kann, wirst du darüber hinwegkommen, aber wie lange es dauert, liegt an dir selbst.« »Verstehe, vielen Dank. Ich glaube schon, dass ich das schaffen kann.« Der Notarzt legte mir lächelnd eine Hand auf die Schulter: »Das ist schon mal die richtige Einstellung, Khun Cai. Geh‘ bitte erst wieder ans Set, wenn du dich vollständig dazu in der Lage fühlst.« Wir verließen das Zelt, bekamen vorsichtige Blicke vom Team zugeworfen. Ganz anders Saran, derjenige, der Del spielte, er kam nahezu auf mich zugestürmt. »Cai, es tut mir total leid«, die Panik war ihm ins Gesicht geschrieben. »Ich wollte wirklich nicht, dass dir irgendwas passiert!« Ich wusste nicht viel über ihn, nur dass er noch etwas jünger war als wir und es seine erste Serie war. Lächelnd schüttelte ich den Kopf: »Ganz ruhig, Saran. Du hast nur deinen Job gemacht, da gibt es nichts zu entschuldigen.« Er stand vor mir, als hätte er sich gerade der Hoheitsbeleidigung schuldig gemacht, ganz anders als sein Charakter Del. Auch wenn wir die Hauptdarsteller waren, wollte ich nicht, dass die anderen uns als etwas Besseres betrachteten. »Wolfsherz« konnte schließlich nur funktionieren, wenn alle Beteiligten ihren Job machten. »Alles klar, Cai. Dann hoffe ich, dass es dir bald besser geht.« »Danke.« Es war für mich schon schlimm genug, nicht richtig arbeiten zu können, da machte es der unruhige Seua neben mir nicht besser. Was war los mit ihm? Er trat von einem Fuß auf den anderen, starrte immer wieder auf sein Handy. Außerdem sah er mich kaum an. Ich versuchte mir nicht zu viele Gedanken darüber zu machen und ging mit ihm zur Teambesprechung. Dort entschieden wir uns, zunächst die Szene, in der Wolf verprügelt werden sollte, mit einem Stuntdouble zu drehen. Sie wollten mich der Szene in meinem Zustand nicht aussetzen. Auch wenn es mich enttäuschte, dass ich es nicht selbst machen konnte, nach den Worten des Arztes blieb mir wohl nichts anderes übrig. Der Rest der Szene war schon abgedreht und ich stimmte zu, danach wieder weiterzumachen. Ich machte dem Team klar, dass sie auf gar keinen Fall zu vorsichtig mit mir umgehen sollten. Wir vertieften uns in Gespräche und als es an der Zeit war, Seua wieder ins Set zu holen, fehlte jede Spur von ihm. In mir gingen sofort alle Alarmglocken an. Wurde er entführt? Würde der Typ ihn jetzt umbringen? Auch das Team war aufgeschreckt, sie begannen das komplette Set abzusuchen. Dadurch, dass wir heute an der Uni drehten, war es auch nicht gerade klein. Ich erinnerte mich an seine Worte, als ich mich damals am Sender in dem kleinen Raum versteckt habe. Aber das machte er doch bestimmt seit Jahren nicht mehr. Seua war niemand, der einfach vom Set verschwand und auch wenn wir es nicht wahrhaben wollten, diesmal schien es der Fall zu sein. In meinem Kopf arbeitete es. Ich lief zum Zelt mit unseren Sachen, griff zitternd nach meinem Handy und wählte seine Nummer. Das erste Handy war aus, das zweite auch. Verdammt. Mir fielen seine Worte und sein komisches Verhalten wieder ein. Dieser Hass, der ständige Blick aufs Handy, das Mantra. Fahrig tippte ich auf dem Display herum, schaffte es gerade eben so, Twitter zu öffnen. Falls sich meine Vermutung bestätigte, war Seua in Lebensgefahr. Mit jeder Handbewegung schlug mein Herz schneller. Dann schlug mir dieser Tweet entgegen. Leute, wir haben den Psycho gefunden! Ich stelle hier den Standort online, damit wir uns versammeln können, um den endlich dingfest zu machen. #savecaiseua. Gepostet vor zehn Minuten. Fuck. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)