Wolfsherz von HalcyTheWolf (In den Augen des Tigers) ================================================================================ Kapitel 12: Der Wolf und das Date --------------------------------- Plötzlich bekam diese Notiz eine ganz andere Bedeutung. Eine Nummer, die nur die wichtigsten Menschen in seinem Leben hatten? Dankbar lächelte ich ihn an: »Danke für dein Vertrauen, P’Seua.« Er fixierte mich mit einem eindringlichen Blick: »Speicher‘ sie ein oder lern‘ sie auswendig und vernichte diese Notiz dann, Cai.« Ich fühle mich, als hätte ich gerade Top-Secret Unterlagen erhalten. Wobei, war es nicht auch so? Wer hatte schon die private Nummer eines Stars? »Okay. Ich werde sie behandeln wie ein Staatsgeheimnis.« »Besser so. Auf unseren Plan scheint das nicht zuzutreffen«, erwiderte er mit einem bösen Grinsen. »Naja, du solltest den Wolf eben nicht zu sehr provozieren. Dann kann es schon mal sein, dass er angreift.« Seua überwand auch noch das letzte bisschen Distanz zwischen uns, legte seinen Kopf auf meine Schulter. »Genau deswegen mache ich das«, flüsterte er. Er küsste mich auf die Wange. Ich hatte ihm mal wieder eine Steilvorlage geliefert und er nutzte es schamlos aus. Ich legte meine Arme um ihn, wollte den Moment nutzen, in dem wir unbeobachtet waren. »Mitch hat uns sowieso gesehen. Auch wenn es mir vielleicht ein bisschen peinlich ist, ewig können wir es ohnehin nicht verstecken.« »Hast du es ihm erzählt?«, wenn er sprach, spürte ich seinen Atem in meinem Nacken. »Ja. Ist das schlimm?« Wenn Seua es nicht gewollt hätte, wäre es ohnehin zu spät gewesen. Ich hoffte, dass es ihn nicht stören würde, denn schließlich hätte ich ihn auch fragen können. »Nein, du solltest schon ehrlich sein zu deiner Familie. Aber alleine lassen mit ihm willst du mich wohl nicht?« Ich sollte aufgeben, irgendetwas vor ihm verstecken zu wollen: »Lieber nicht. Das wäre nicht gut für meinen Ruf. Du hattest Glück, dass deine Oma kein Englisch kann.« »Dann werde ich erst recht dafür sorgen, die Gelegenheit zu bekommen, mit deinem Bruder zu reden. Wer soll mir sonst die peinlichen Geschichten aus deiner Kindheit erzählen?« »Im besten Fall niemand.« Seua trat zurück, sein trauriger Blick entging mir nicht. Doch als ich ihm wieder näherkommen wollte, wich er zurück. »Cai, geh‘ zu deiner Familie. Du wirst noch genug Zeit mit mir verbringen können. Jetzt bist du hier und das solltest du nutzen.« Ich strich ihm über den Arm, dann gingen wir wieder zu den anderen. Mom war immer noch damit beschäftigt, den Kuchen zu verteilen. »Cai, da bist du ja. Hier«, sagte sie und gab mir einen Teller mit einem Stück Torte in die Hand. Seua bekam auch eins. »Jetzt müssten alle versorgt sein. Cai, kannst du mal gucken, wo Ray ist? Irgendwie habe ich ihn seit dem Essen nicht mehr gesehen«, sagte sie, ohne vom Tisch aufzusehen. Während ich durch den Garten lief, um Ray zu suchen, aß ich meine Torte. Ich konnte mir schon denken, mit wem er verschwunden war. Ray kannte meine Familie auch ziemlich gut, war auch Teil davon. Auch wenn er sie nicht oft sah, die Stories über mich verbanden sie. Ich wollte gerade um die Hausecke laufen, da hörte ich Stimmen. »Sei doch nicht so schüchtern, Ray.« Aha. Ich lugte um die Ecke, in der einen Hand hielt ich den Teller, mit der anderen kramte ich mein Handy aus der Tasche. Ray und Noah standen noch relativ weit auseinander, ich wollte das beobachten. Noah ging auf ihn zu, doch er wich zurück. »Doch nicht hier«, sagte er, die Panik war ihm in die Augen geschrieben. Irgendwie kam mir das bekannt vor. Es war jedenfalls spannend genug, dass ich nebenbei meine Torte essen konnte. »Stell‘ dich nicht so an«, Noah ging immer weiter, bis Ray wegen der Mauer hinter ihm nicht mehr zurückweichen konnte. Doch auf einmal sah ich etwas anderes in Rays Blick, etwas Forderndes. »Gut, aber beschwer‘ dich nicht, wenn uns jemand sieht«, sagte er, legte ihm eine Hand in den Nacken, zog ihn zu sich und küsste ihn. Bei dem Anblick dieser Szene, musste ich aufpassen, dass mir die Torte nicht runterfiel. Das war ein ganz neue Seite an ihm. Schnell machte ich ein Foto für meine Stalking-Sammlung und verließ dann meinen Beobachtungsposten. Als ich zurück zu den Tischen kam, sah Mom mich fragend an: »Wo ist Ray denn jetzt?« Grinsend setzte ich mich neben sie: »Ray ist gerade schwer beschäftigt. Der wird schon noch auftauchen.« Schulterzuckend nahm sie es hin. Ich zeigte Seua heimlich das Bild auf meinem Handy. »Pass‘ auf, dass du deswegen nicht noch in die Hölle kommst.« Während meine Familie sich am nächsten Tag auf ihre Einzelszenen vorbereitete, hatten Seua und ich frei. Es war selten, dass wir am Set nicht gebraucht wurden, aber heute war das der Fall. Wir kamen gerade die Treppe runter, das Team war schon wieder völlig im Arbeitsmodus. Mitch stand neben Noah, ließ sich alles von ihm erklären. »Mitch!«, er drehte sich zu mir um. »Oh, Cai. Was gibt’s?« Ich zeigte auf Seua hinter mir: »Können wir uns dein Auto ausleihen?« Für mich war ein Auto nie in Frage gekommen, weil es ohnehin nur bei meinen Eltern rumstehen würde. Er kramte den Schlüssel aus seiner Tasche und warf ihn mir zu. Mit einer Hand fing ich ihn auf. »Viel Spaß. Aber fahr‘ mir keine Macken rein.« Ich war froh, dem ganzen Trubel ein bisschen entkommen zu können. Mein Plan war, Seua heute die Gegend zu zeigen, daher fuhr ich wieder mit ihm zur Bay. Dort angekommen stieg ich aus, öffnete ihm die Autotür. »Bitte sehr, Khun Seua.« Lächelnd stieg er aus. Bei Tag bot sich hier ein ganz anderer Anblick. Es war traumhaftes Wetter, nur der Nebel hatte sich wieder über der Golden Gate ausgebreitet. Das hielt aber niemanden davon ab, in der Umgebung unterwegs zu sein. Ich verriegelte das Auto, dann gingen wir los. Ohne zu Zögern nahm er meine Hand. »Warum guckst du so ängstlich, Cai? Mich kennt doch hier sowieso niemand.« »Mich auch nicht«, gab ich leise zurück und verschränkte meine Finger mit seinen. Auf der einen Seite war das ein bisschen traurig, aber für uns war es die Gelegenheit unterwegs zu sein, ohne Papparazzi im Nacken zu haben. Gemütlich schlenderten wir runter, in Richtung Golden Gate. Seua machte Fotos, für die er meine Hand loslassen musste, doch danach nahm er sie sofort wieder. Wir waren zwar nicht zusammen, aber ich mochte dieses Gefühl und von mir aus konnten die Leute es ruhig denken. In der Mitte der Brücke machten wir ein Selfie. Später liefen wir durch den Golden Gate Park, wo es jede Menge Blumen und auch Brunnen zu bestaunen gab. Nach einem langen Schweigen sagte er: »Was meinst du? Ist das ein Date, Cai?« Nicht seine Frage ließ mich stocken, sondern der leise und zögerliche Tonfall, den ich überhaupt nicht von ihm kannte. Aber ich konnte es nachvollziehen, schließlich waren wir unsicher, was unsere Gefühle betraf. »Ich denke schon.« Die Erklärung unseres Ausflugs zum Date änderte die Stimmung, ich merkte meine Anspannung deutlich. Doch es war diese positive Anspannung, wie wenn man sich auf etwas freute. Unsere nächste Station war der Hafen, San Francisco war berühmt für die Robben, die ich ihm unbedingt zeigen wollte. Selbst ich war nur selten hier, weil man als Einheimischer normalerweise Touristenspots mied. Nicht, dass ich Zeit für Sightseeing hätte. Bevor wir hier drehen würden, wollte ich es ihm persönlich zeigen. Zufällig war gerade ein Guide dort, sodass wir ein bisschen die Hintergründe der Bay erfuhren. Nach der Erklärung kam er auf uns zu: »Wir bieten auch Schiffstouren an, dann können Sie einmal um die Bay fahren und sich noch einmal alles vom Wasser aus ansehen.« Wir sahen uns an. Das klang nach einer guten Idee, daher entschieden wir uns dafür. Als wir auf dem Schiff waren, fragte ich ihn: »Gefällt es dir?« »Ja. Ich mag es, mich nicht verstecken zu müssen, Cai«, während er das sagte, legte er seinen Kopf auf meine Schulter. Ich legte meinen Arm um ihn. Es ist ein Date, also kann ich das machen. Das Schiff fuhr langsam durch die Bay, wir genossen den Ausblick und konnten gleichzeitig etwas über die Geschichte von San Francisco lernen. Vorne stand eine Frau mit Mikrofon, die Sehenswürdigkeiten erklärte, wenn wir an ihnen vorbeifuhren. »Gleich werden wir unter der Golden Gate Bridge herfahren. Eine der markantesten Sehenswürdigkeiten, überall auf der Welt bekannt. 1933 markiert den Baubeginn, vier Jahre später wurde sie fertiggestellt.« Ich konzentrierte mich weniger darauf, was sie sagte, sondern eher auf die Wellen, die leichte Brise und Seua in meinem Arm. Wenn ich in einem Paralleluniversum leben würde, könnte es einfach so bleiben. Und Sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende. Schneller als mir lieb war, wurde ich aus meinem Traum aufgeweckt. Die Tour war zu Ende, wir liefen die Stufen hinunter und standen wieder am Hafen. »Cai, wenn ich dich jetzt frage, wann Alcatraz geschlossen wurde, kannst du das beantworten?« »21. Mai 1963«, sagte ich, ohne zu Zögern. Damit hast du wohl nicht gerechnet, hm? »Ihr hattet das bestimmt in der Schule, als ob du zugehört hättest«, erwiderte er, nahm meine Hand und zog mich in Richtung einer Bank. Dort setzten wir uns. »Ja hatte ich. Komischerweise war unsere Lehrerin ein ziemlicher Freak, was das anging. Sie hat uns das eingeprügelt. Tja, P‘, hättest du mich mal was anderes gefragt. Aber ist das denn okay? Ich meine wir sind nur am Hafen, dabei gibt es noch viel mehr hier«, brachte ich Zweifel an. »Das passt schon, Cai. Wir haben auch noch Zeit. Außerdem habe ich nichts dagegen, es mal ein bisschen ruhiger angehen zu lassen.« Damit konnte ich leben. Auch wenn viele in ihrem Urlaub Sightseeing machten, konnte es schon stressig sein. Man brauchte für alles Tickets, musste schauen, wie man wohin kam. Bei uns, mit dem Auto, war das zwar anders, aber sich zu entspannen konnte auch nicht falsch sein. Wir sahen den Möwen dabei zu, wie sie versuchten, den kleinen Kindern das Essen aus der Hand zu klauen. »Wenn du nicht Schauspieler wärst, was wärst du dann, P‘?« »Wahrscheinlich wäre ich dann Lehrer geworden. Das war zumindest der Plan.« Seua als Lehrer? Ich stellte mir vor, wie er vor einer Klasse stand und ihnen englische Wörter erklärte. Mit seiner ruhigen Art hätte er das bestimmt gut gekonnt. »Ja, das hätte gut zu dir gepasst.« Er sah mich an: »Was ist mit dir, Cai? Hattest du jemals etwas anderes im Sinn?« Ich dachte für einen Moment darüber nach. Aber egal wie weit ich in meine Vergangenheit zurückblickte, ich erinnerte mich an nichts. »Es war schon immer mein Traum, für mich gab es nie etwas anderes.« »Dann lebst du gerade deinen Traum, das bewundere ich, ehrlich. Gescoutet werden kann jeder, das ist keine Kunst. Aber du hast studiert und hart gearbeitet, um so weit zu kommen«, sinnierte er. Ich biss mir auf die Lippe, versuchte nicht zu sehr zu zeigen, wie glücklich es mich machte, wenn er von Bewunderung sprach. »Danke, P‘. Aber ich hätte natürlich auch nichts dagegen gehabt, gescoutet zu werden. Weißt du eigentlich, wie P’Star darauf kam, mich anzufragen?« Schon seit Drehbeginn wollte ich das wissen, aber die Gelegenheit hatte sich nicht ergeben. Vielleicht könnte Seua das nicht beantworten, doch wenn ich Glück hatte, wusste er etwas darüber. »Ich kann dir nur sagen, was ich gehört habe. Wissen tue ich es nicht, da musst du P’Star fragen. Was ich mitbekommen habe, war, dass sie einen Rookie haben wollten, mit möglichst wenig Erfahrung. Das soll nicht heißen, dass es schlecht ist, sie wollten einfach jemanden haben, der noch keine großartige Karriere hat und sich damit eine aufbauen kann. Wie genau die eigentliche Suche ablief, keine Ahnung. Vielleicht haben sie deine Agentur kontaktiert«, erklärte er. Das war zumindest ein Anfang. Ich beschloss P’Star bei der nächsten Gelegenheit zu fragen. »Und euch haben sie gecastet?« Seua lachte: »Mich nicht. Ich bin beim Sender unter Vertrag und P‘Star wusste, dass er mich für das Projekt haben will. Dice war auch sofort dabei. Pravat und die Mädels wurden gecastet. Sie sind auch Rookies. Ich hoffe, es klang nicht zu arrogant.« »Auf keinen Fall! Ich bin froh, dass P’Star dich für »Wolfsherz« ausgesucht hat«, sagte ich und drehte mich zu ihm. Lange sahen wir uns an. Seua deutete auf die Schiffe, die in Sichtweite vor Anker lagen. »Was hältst du davon, wenn wir uns einfach absetzen und auf einer einsamen Insel ein einfaches Leben führen?« Manchmal wünschte ich wirklich, ich wüsste, was in ihm vorgeht. Wie kam er auf sowas? Doch wenn ich genau darüber nachdachte, war es nicht allzu absurd. Außerdem trieben mich ähnliche Gedanken um. Ich hörte raus, dass es ihm guttat ein bisschen Ruhe zu haben und, dass er sich an manchen Tagen wünschte, nicht berühmt zu sein. »Ich denke drüber nach, P‘. Aber lass uns erst den Dreh beenden«, antwortete ich halb im Scherz, halb im Ernst. »Na gut.« Wir liefen durch die Stadt, ich war froh, dass wir den Hafen hinter uns lassen konnten. Ziellos sahen wir uns Geschäfte oder kleinere Sehenswürdigkeiten an. In einem dieser Geschäfte kauften wir uns passende, kitschige Schlüsselanhänger, mit der Golden Gate als Motiv. Da fühlte ich mich selbst wie ein Tourist. Zum Schluss ging es noch in ein schickes Restaurant, wie es sich für ein Date gehörte. Auch wenn wir inkognito unterwegs waren, zog Seua alle Blicke auf sich. Mich an seiner Seite blendeten sie einfach aus. Daher musste ich ein bisschen aufpassen. Wer weiß, hinterher würde er auch hier noch gescoutet werden. Nach dem Essen war es schon dunkel, als wir zum Auto zurückgingen. Ich hatte lange nicht mehr so viel Spaß gehabt. »Ich hoffe, ich war als Tourguide nicht allzu schrecklich, P‘.« Trotz der Dunkelheit konnte ich entspannt durch unbeleuchtete Ecken laufen, weil er mich festhielt und ich ihm vertraute. »Nein, du warst super, Cai. Ich fand es wirklich schön heute«, sagte er in einem nachdenklichen Tonfall. »Ich auch.« Erst als wir am Auto ankamen, ließ er meine Hand los. Von mir aus könnte dieser Tag auch einfach nie enden. Seufzend stieg ich ein, doch als wir im Auto saßen, hielt ich zwar die Hände am Lenkrad, aber fuhr nicht los. Wir standen unter einer Straßenlaterne, also konnte ich alles gut sehen. Eigentlich vermieden Mitch und ich nächtliche Autofahrten, aber wenn wir wussten, dass die Routen gut genug beleuchtet waren, ging es. Minutenlang hingen wir den eigenen Gedanken nach. In diesem Moment spürte ich mein Herzklopfen ganz besonders intensiv. Meine Vermutung, dass er etwas sagen wollte, bestätigte sich: »Cai? Darf ich dich was fragen?« Wieso hatte ich das Gefühl, dass es etwas Wichtiges sein würde? Immer noch die Hände am Lenkrad, sah ich geradeaus: »Ja.« Doch zunächst wurde es wieder still. Ich wagte es nicht, ihn anzusehen. Was auch immer er fragen würde, wenn selbst er Zeit brauchte, um es anzusprechen, war das ein sicheres Zeichen dafür, dass es ernst war. »Nehmen wir mal an, wir wären keine Stars. Uns könnte alles egal sein…und unsere Gefühle wären echt. Was würdest du tun?«, aus dem Augenwinkel sah, ich, dass er den Kopf in Richtung des Fensters gedreht hatte. Ich wusste genau, worauf er hinauswollte. Es war unser erstes Date und auch wenn wir uns in einer undefinierbaren Phase befanden, war es einfach nur schön gewesen. »P‘«, brachte ich hervor, was ausreichte, damit er mich ansah. Warum zögerte ich überhaupt noch? Sein Blick fing mich ein, hypnotisierte mich. Wenn ich das wirklich tun würde, glich es einem Geständnis. Doch in diesem Moment schaltete ich meine Gedanken ab und meinen Kopf aus. Für diesen Tag gab es nur dieses eine Ende. Es konnte einfach nicht anders sein. Ich streckte meine zitternde Hand aus, legte sie ihm an die Wange. Angespannt beobachtete er mich. Ich musste schlucken: »Wenn alles egal wäre?« »Ja«, hauchte er. Ich zog ihn zu mir und küsste ihn. Zaghaft erwiderte er den Kuss, es fühlte sich an, als würden wir das zum ersten Mal machen. Seine Hand lag an meiner Hüfte, ich spürte, dass auch er zitterte. Ich ließ von ihm ab, sank zurück in meinen Sitz. Meine Hände zitterten immer noch und ich konnte ihn auch nicht ansehen, daher starrte ich wieder geradeaus. Ich hatte endgültig verloren. Game Over. Nicht der Wolf war dem Tiger verfallen, sondern ich. Ich habe mich verliebt. Wie ich es in diesem Zustand geschafft hatte, uns lebend nach Hause zu bringen ist mir ein Rätsel. Die nächste Woche waren wir die ersten Tage beschäftigt, wir drehten unser Date mit Wolf und Nok. Nachts hätten wir zwar die Gelegenheit gehabt zu reden, doch ich brachte es nicht über mich. Noch nicht. Ansonsten war alles wie gehabt, doch ich nahm seine Nähe noch intensiver wahr als vorher. Seua benahm sich auch wie sonst, aber seine Gesten waren vorsichtiger, was mir zeigte, dass er das Versprechen ernst nahm. Meine Familie hatte sich unterdessen mit dem halben Team angefreundet und auch die Szenen schienen gut gelaufen zu sein. Ich war gerade in meinem Zimmer, da klopfte es. »Ja?« Ray kam herein, hatte einen ernsten Ausdruck aufgesetzt: »Wir müssen reden, Cai.« Das hieß bei ihm nie etwas Gutes. Er schloss die Tür und sah mich an. Auch wenn mein Kopf die ganze Zeit woanders war, hatte ich meinen Stalking-Fund noch nicht vergessen. Ich suchte das Bild auf meinem Handy raus und hielt es ihm vor das Gesicht. »Stimmt. Also?«, wollte ich meinen Trumpf ausspielen. Doch das störte ihn nicht, stattdessen hielt auch er mir sein Handy hin. Mir stockte der Atem. Auf dem Bild sah man, wie Seua und ich uns im Auto küssten. Damit hatte Ray mir sämtlichen Wind aus den Segeln genommen. Aber woher hatte er das? Ich setzte mich aufs Bett. »Ich wünschte ich wäre ein Stalker wie du und hätte das Bild selbst gemacht, Cai. Aber leider hat mir das ein Paparazzi geschickt. Ich konnte im letzten Moment noch eine Veröffentlichung verhindern«, erklärte er und ließ das Handy sinken. So viel dazu, dass uns niemand hier kannte. Ich studierte seinen Blick, doch er schien zum Glück nicht sauer zu sein. Da wollte ich ihn auflaufen lassen, während er mich rettet. »Man, ich dachte wir wären hier sicher. Sorry, Ray, wir…«, mit einer Handbewegung brachte er mich zum Schweigen. »Ich weiß. Es hat niemand damit gerechnet. Ich musste jedoch einen Deal wegen diesem Foto aushandeln«, Ray setzte sich neben mich. »Einen Deal?« »Der Typ hat darauf bestanden, dass wir tun, als hätte er für euch ein Interview mit Good Morning America ausgehandelt. Daher wird heute eine Außenreporterin kommen, um das Interview mit dir und Seua aufzunehmen. Ich dachte mir, dass es die bessere Lösung ist, als dieses Foto überall kursieren zu lassen.« Das war mein Manager. Hätte er das nicht gemacht, wären wir jetzt ziemlich in Bedrängnis. Es war deutlich das geringere Übel, auch wenn wir dann definitiv hier nicht mehr inkognito unterwegs sein könnten. »Hast du es Seua erzählt?«, wollte ich wissen. Er nickte: »Ja, ich habe ihm alles gesagt und er hat es gelassen aufgenommen.« Erleichtert seufzte ich auf. Seua würde diese Interviewsache genauso wenig gefallen wie mir, aber solange niemand außer Ray das Foto sah, waren wir sicher. Ich ließ mich rücklings auf das Bett fallen, sah den Himmel durch das Dachfenster. »Du kannst ruhig fragen, Ray«, anstatt Antworten von ihm zu verlangen, hatte ich das Gefühl, dass ich ihm eine Erklärung schuldig war. Mein Plan war nach hinten losgegangen und ich würde warten müssen, bis er es mir von selbst erzählte. Langsam war es mir auch peinlich, ich hatte zugegeben, ihn beobachtet zu haben. Ray legte sich neben mich in der gleichen Haltung. »Das werde ich. Wir sind zwar immer zusammen unterwegs, aber wirklich Zeit zu reden haben wir nicht. Abgesehen von der Arbeit.« Seit Seua an meiner Seite war, war ich selten allein. Aber das war gar nicht schlecht. Gut, Ray musste dann eben hintenanstehen. »Also?« Ich erzählte ihm alles von Anfang an. Dass ich wegen dem Kuss abgehauen war, dass Seua mit mir den Plan durchziehen will und dass unser Ausflug ein Date war. Er lachte leise: »Das klingt, als hätte es euch beide ganz schön erwischt.« »Ich kann nur für mich sprechen«, es fiel mir leichter, darüber zu sprechen, wenn ich mich dabei auf den Himmel konzentrierte. »Du hast dich verliebt?«, das von ihm zu hören ließ mich zusammenzucken. Es war, als würde es dadurch erst richtig wahr werden. »Ja.« Ich linste kurz zu ihm rüber, sah aber keine Überraschung in seinem Gesicht. War es so offensichtlich? »Wirst du es ihm sagen?« »Ich habe es vor, aber ich habe noch nicht das richtige Timing gefunden«, ich griff mir an die Brust, schon bei dem Gedanken daran, fühlte es sich an, als würde ich innerlich explodieren. Die Möglichkeit, dass es bei ihm keine echten Gefühle waren, bestand schließlich. Ray legte mir eine Hand auf den Arm: »Stress‘ dich nicht zu sehr damit, Cai. Am Ende wird es nur eine Antwort geben.« »Ich weiß.« Schon seit dem Abend unseres Dates dachte ich darüber nach, aber ich konnte es einfach nicht. Noch nicht. »Da du uns beobachtet hast, Cai, brauche ich dir unsere Geschichte nicht zu erzählen«, erklärte er und ich war froh über den Themenwechsel. »Schon, aber ich hab‘ dir auch alles erzählt«, schmollte ich. »Also. Dass es angefangen hat, als ihr abgehauen seid, weißt du schon. Er hat mich unterstützt, als ich ziemlich fertig war. Ich fand seine aufdringliche Art manchmal ein bisschen nervig, aber als er mir geholfen hat, habe ich gesehen, was er alles kann. Irgendwie hat mich das fasziniert und gleichzeitig fand ich es süß. Wir kamen uns relativ schnell näher und sind jetzt zusammen.« Ich war froh, dass er mir das einfach erzählte, vielleicht fiel es ihm leichter, weil wir in einer ähnlichen Situation waren. Auch wenn ich nicht viel mehr wusste als vorher, weil er alle Details ausließ. »Danke, Ray. Und wie ist das so? Ich meine, ich habe nie großartig mitbekommen, wann oder ob du einen Partner hattest«, merkte ich an. Das war bei uns nie ein Thema, deswegen interessierte es mich. »Es ist schön, kann aber auch stressig sein. Schließlich arbeitet er oft viel länger als ich, auch wenn ich die ganze Zeit am Set bin. Außerdem hast du gesehen, dass er ziemlich viel Aufmerksamkeit braucht. Wir haben es zwar nicht nötig, irgendetwas zu verstecken, aber ich möchte es auch nicht an die große Glocke hängen.« Das klang ganz nach ihm. Ich konnte es mir absolut nicht vorstellen, wie Noah es geschafft hatte, ihn weich werden zu lassen. Ray war niemand der sich leicht in die Karten schauen ließ und er würde seine Wand erst fallen lassen, wenn man ihn länger kannte. Noah muss es ihm also angetan haben, anders konnte ich mir das nicht erklären. »Solange du ihn in Schach halten kannst«, sagte ich lachend. »Einigermaßen«, er stimmte in mein Lachen mit ein. Für eine Weile schwiegen wir, dann fragte ich: »Hast du eigentlich was mit dieser Reise zu tun?« Meinen Beobachtungen zufolge gab es nicht viele Leute, die dahinterstecken könnten. »Ja und nein. Sagen wir mal, ich war nicht derjenige, der den Anstoß dazu gegeben hat, aber den kennst du ziemlich gut. Wir haben natürlich erst die Zustimmung von einigen Verantwortlichen vom Sender einholen müssen und logistisch war das auch ein ziemlicher Aufwand. Flüge buchen, Hotels raussuchen, Equipment versichern und so weiter. Entweder hat der, der es organisiert hat, einen sehr guten Draht zum Sender oder er hat es irgendwie geschafft, die zu überzeugen. Ich finde es auch authentischer, hier zu drehen. Und deine Familie hat auch geholfen. Weil der Cast noch nicht feststand, haben wir sie gefragt, ihre Zusage hat einiges leichter gemacht.« Jemanden den ich gut kenne? Damit meinte er bestimmt Seua. »Ich bin euch allen sehr dankbar dafür. Ich zeige es vielleicht nicht, aber du musst wissen, ich weiß sehr zu schätzen, was du für mich oder besser gesagt für uns tust, Ray. Ich hoffe, dass du ab jetzt nicht mehr so viel Stress haben wirst«, ich sah ihn an. Er hatte seinen Kopf auf die Seite gedreht, einen nachdenklichen Ausdruck aufgesetzt: »Wann hat man denn bitte keinen Stress mit dir, Cai?« Bevor ich den kontern konnte, mussten wir unser Gespräch unterbrechen. Die Reporterin von Good Morning America stand vor der Tür. »Ich bin Kailey Smith, Außenreporterin von GMA. Hinter mir ist unser Kameramann Tony.« Das Leuchten in den Augen meiner Mom war nicht zu übersehen. Sie nahm die Hände der Reporterin: »Sie haben die Außenreportage über Lost Places gemacht, oder? Das war sehr interessant!« »Vielen Dank«, gab sie zurück, doch das Lächeln war nicht echt. Es war ein Lächeln, was Profis aufsetzen, wenn sie freundlich wirken wollten. Wie auch immer, Mom sah eindeutig zu viel fern. Sie kamen rein, doch da wir unser eigenes Fernsehteam vor Ort hatten, machte P’Sawa unsere Maske. Im Garten vor dem Zaun bauten wir Stühle und ein Zelt auf, da die kalifornische Mittagssonne unbarmherzig auf uns schien. Kailey setzte sich uns gegenüber, hatte uns direkt das Du angeboten. Ihre braunen Haare waren zu einem strengen Zopf nach hinten gebunden, ihre grünen Augen funkelten uns neugierig an. Wir trugen weiße Hemden, sie eine lilafarbene Bluse. Sie stellte uns vor, erklärte kurz worum es in »Wolfsherz« ging. »…ein Trend, der in Thailand und anderen asiatischen Ländern schon seit einigen Jahren sehr präsent ist, ist Boys Love. Seua, was glaubst du, woher kommt die Faszination für dieses Genre?« »Für viele war und ist die gleichgeschlechtliche Liebe ein Tabuthema und anfangs war es daher mutig, solche Serien zu produzieren und zu senden, auch wenn das vermutlich schon viel eher geschehen ist. Doch den Leuten wurde schnell klar, dass es eben nur eine von vielen Formen von Liebe ist, und es wurde von den Fans sehr gut aufgenommen. Die Industrie wurde nach und nach mutiger und dann ist ein regelrechter Hype entstanden. In Thailand gehört Boys Love mittlerweile zum festen Bestandteil der Szene und ist wegen ihres Erfolges nicht mehr wegzudenken.« Für einen Moment schien Kailey erstaunt zu sein, was nicht nur an dieser professionellen Antwort, sondern vermutlich auch an seinem perfekten Englisch lag. Auch ich musste mich zusammenreißen, ihn nicht die ganze Zeit fasziniert anzustarren. Als sie Seua nach seiner Karriere fragte hörte ich zu, konnte mich aber kaum konzentrieren, weil ich Angst davor hatte, was sie mich fragen würde. »Kommen wir zu dir, Cai. Als amerikanischer Schauspieler in einer thailändischen Serie gecastet zu werden, ist wirklich eine Leistung. Wie ging es dir damit, als du davon gehört hast?« »Als mein Manager mir davon erzählt hat, hat mich das natürlich total gefreut. Ich weiß nicht, was den Sender dazu bewegt hat, ausgerechnet mich auszusuchen, aber ich bin ihnen sehr dankbar«, erklärte ich lächelnd. »Du arbeitest im Ausland unter anderen Bedingungen, war das nicht ein Kulturschock?«, Kaileys Fragen waren präzise und auf den Punkt, wie ich es mir vorgestellt hatte. Meine Familie stand mit etwas Abstand vom Zelt, sie mussten sich das unbedingt alles live ansehen. »Natürlich ist es nie einfach, in einem anderen Land zu leben und zu arbeiten. Aber durch die Unterstützung von P’Seua und dem ganzen Team, habe ich mich sofort wohlgefühlt.« Sie nickte, nahm meine Aussagen hin, ohne zu zeigen, was sie davon hielt. »Wir von GMA haben uns natürlich über das Genre informiert und es scheint in den meisten Fällen üblich zu sein, dass man einen festen Drehpartner hat. Doch weil sich viele Schauspieler sehr gut verstehen, beziehungsweise sich für das Fernsehen und die Fans verstellen, kommen schnell Gerüchte auf. Vor allem in Bezug auf die Beziehung der Schauspieler. Wie geht ihr mit Gerüchten um und wie viel davon, was ihr vor der Kamera zeigt, ist echt?« Diese Frage schlug ohne Zweifel bei mir ein. Ich musste mich einen Moment sammeln, hoffte inständig, dass Seua sie übernehmen würde. Er nahm meine Hand, was mich für einen kleinen Moment Erstaunen in Kaileys Augen sehen ließ. Zum Glück übernahm er auch die Antwort: »Das stimmt. Es kommen immer wieder Gerüchte auf, das Einzige, was wir in dieser Hinsicht machen können, ist zu hoffen, dass die Fans glauben, wenn wir etwas bestätigen oder dementieren. Alles, was Sie von mir und Cai vor der Kamera sehen ist echt. Wir verstehen uns gut und spielen das nicht für die Fans.« Solange er nicht erwähnte, wie gut wir uns verstanden, konnte ich mit dieser Antwort leben. Vor allem war sie neutral und ließ einiges offen. Diese Frage in Kombination mit der Hitze hatte mir ganz schön den Schweiß auf die Stirn getrieben. Kailey sah uns zwar mit hochgezogenen Augenbrauen an, ging zum Glück aber nicht weiter darauf ein. »Was würdet ihr sagen, wenn euch jemand fragt, worum es in »Wolfsherz« geht?« Diese Frage war schon leichter für mich zu beantworten: »Es geht um Freundschaft, Liebe und vor allem darum, dass man sehr viel erreichen kann, wenn man über seinen Schatten springt.« Kailey nickte anerkennend: »Das klingt sehr schön. Cai, glaubst du, dass die Serie aufgrund der englischen Sprache und dich als amerikanischem Schauspieler, auch hier erfolgreich sein wird?« Langsam hatte ich mich an die Interview-Atmosphäre gewöhnt und konnte mich ein bisschen entspannen. »Wenn ihr von GMA ordentlich Werbung für uns macht, bestimmt. Spaß beiseite, ich glaube schon, dass die Verbindung der Länder und Drehorte entscheiden für den Erfolg sein kann. Auch hier wird es viele Fans thailändischer Serien geben, die bisher aber wenig Repräsentation bekommen haben. Das werde ich dann übernehmen und hoffe, dass die Fans sich freuen, ihre Heimat in der Serie wiederzufinden.« »Natürlich werden wir »Wolfsherz« zusammen mit dem Interview vorstellen und ich hoffe, dass ihr auch hier erfolgreich sein werdet. Ich wünsche euch alles Gute und viel Erfolg für den Dreh weiterhin. Vielen Dank für das Interview«, schloss sie. Danach stellten wir uns noch für ein Foto zusammen. Was immer die Motivation dieses Paparazzi gewesen sein mochte, es würde uns nur helfen. Ray hatte von einem Deal gesprochen, aber ich war mir sicher, dass es von Anfang an geplant war. Es war kein Foto, wo ein Paparazzi der Veröffentlichung widerstehen könnte. Ich machte mir nicht weiter Gedanken darum, solange das Foto in unseren Händen blieb. Kailey verabschiedete sich von uns, sprach kurz mit Mom. Vermutlich würde das Interview noch in dieser Woche ausgestrahlt werden. Die Ausstrahlung erfolgte tatsächlich ein paar Tage später, der Sender hatte uns die Datei zukommen lassen. Wie versprochen stellten sie die Serie vor und zeigten einen Ausschnitt aus dem Trailer. Auch wenn ich schon monatelang Teil des Ganzen war, fühlte es sich surreal an, das im amerikanischen Fernsehen zu sehen. Ich war stolz darauf, was wir erreicht hatten. Auch das Interview wirkte ziemlich entspannt. Am Abend saßen Seua und ich im Bett, es war einer der letzten Tage, die wir hier sein würden. Ich lehnte an ihm, er hatte seine Arme um mich gelegt. Seua hatte dafür gesorgt, dass ich es normal fand, ihm nah zu sein. Trotzdem war es besser, dass er mein rotes Gesicht in diesem Moment nicht sehen konnte. Wir sahen uns den Nachthimmel durch mein Dachfenster an. Es wäre der perfekte Moment für ein Geständnis, doch ich brachte es nicht heraus. Immer wieder überlegte ich, wie ich es sagen sollte, doch alles hörte sich in meinen Gedanken nicht gut genug an. Ich zog die Stirn in Falten, bewegte den Kopf hin und her. »Womit kämpfst du, Cai?« »Mit mir selbst.« Er verstärkte seinen Griff um mich: »Was immer es ist, lass‘ dir Zeit, Cai.« Seufzend ließ ich meinen Kopf auf seine Schulter sinken. Wenn er nur wüsste. Doch es war nicht alles, was mich beschäftigte. Die Zeit hier war richtig schön, ich konnte Seua alles zeigen und meine Familie hat ein Praktikum beim Fernsehen gemacht. Viele Gefühle strömten auf mich ein, wenn ich daran dachte, übermorgen zurückzufliegen. Trauer wegen des bevorstehenden Abschieds, Nervosität wegen des Tigers, Aufregung, weil wir kurz vor der Vollendung von »Wolfsherz« standen und Angst, wie es in Zukunft weitergehen sollte. Manchmal wünschte ich mir, man könnte Gedanken einfach ausschalten. »Was ist mit dir, P‘? Woran denkst du?« »Daran, dass es hier echt schön war und du nicht alleine deine Familie vermissen wirst.« Mir war nicht entgangen, wie gut sie sich mit Seua verstanden. Das Wolfsrudel schien Eindruck auf ihn gemacht zu haben. »Dann vermissen wir sie eben zusammen, P‘. Aber wir werden sie ja wahrscheinlich bei der Premiere sehen«, gerade als ich das sagte, ging meine Tür einen Spalt weit auf. Ich sah zwar nichts, aber der Einzige der so geisterhaft Türen öffnete, konnte nur Mica sein. Auch ihn würde ich sehr vermissen. Er hatte mir immer zugehört und meine Träume nie für sinnlose Schwärmerei gehalten. Ich hörte seine Pfoten über den Boden tapsen, dann sprang er auf meinen Schoß. »Na, Mica? Du weißt, dass wir bald gehen, oder?«, sagte ich in meiner besten Babystimme. Mit ihm redete ich immer so. Er sprang an mir hoch, begann mir das Gesicht abzulecken. »Ja, ist doch gut, Kleiner«, sagte ich und zügelte ihn schnell wieder. Er schnupperte noch an Seuas Händen, rollte sich dann auf meinem Schoß ein. Seua lachte: »Redest du immer so mit ihm?« Nachdenklich streichelte ich Mica über das Fell, sah wie er ruhig atmete. »Macht man das nicht so bei Hunden?«, es war mir ein bisschen peinlich. »Weiß‘ nicht, aber es ist süß.« Ich legte meinen Kopf an seinen Hals und schloss die Augen. Bei Seua im Arm und mit Mica auf meinem Schoß fühlte ich mich geborgen und wünschte mir, dass dieser Moment nie zu Ende ging. Leider wurde mir dieser Wunsch nicht erfüllt und schon standen Seua und ich wieder mit gepackten Koffern vor meiner Familie. Ich hasste Abschiede, nahm mir immer vor, standhaft zu bleiben, aber am Ende konnte ich die Tränen nie zurückhalten. Seua wurde von allen umarmt, Mitch klopfte ihm auf den Rücken: »Pass‘ gut auf meinen kleinen Bruder auf. Gute Heimreise und viel Erfolg beim Dreh.« Seua erwiderte die Geste: »Werd‘ ich. Vielen Dank und bis zur Premiere.« Auch von Mica verabschiedete er sich kurz, ging dann mit seinem Koffer zu P’Joe. Wehmütig sahen sie ihm hinterher. »Ach, es wäre schön, wenn ihr einfach die ganze Serie hier drehen könntet«, sagte Mom und stellte sich mit ausgestreckten Armen vor mich. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und umarmte sie. Dad und Mitch schlossen sich an und ich spürte den Kloß in meinem Hals. Lange genug hatte ich versucht mich zurückzuhalten, doch als ich mich zu Mica runterbeugte, um mich zu verabschieden, spürte ich die Tränen auf meinen Wangen. Ich wand mich ab und stieg zu Seua in den Van, ohne mich noch einmal umzusehen. Wir sehen uns, Leute. Der Rückflug verlief ereignislos und ich hatte genug Zeit, mich zu beruhigen. Als wir am Abend ankamen, baten wir P’Joe uns an der Wohnung von Seua abzusetzen, weil er dort nach dem Rechten sehen wollte. Wie üblich, den Aufzug rauf, durch den Flur und…mir blieb für einen Moment das Herz stehen, als ich sah, dass die Tür offenstand. Wie ein Schatten raste jemand an uns vorbei. Seua und ich warfen einen kurzen Blick in die Wohnung, die völlig auseinandergenommen worden war. Überall lagen Zettel, alle Sachen waren wahllos verteilt und der Fernseher war kaputt. Ich hatte noch gar nicht realisiert, was passiert war, da ließ Seua seinen Koffer stehen und rannte los. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)