Wolfsherz von HalcyTheWolf (In den Augen des Tigers) ================================================================================ Kapitel 1: Der Wolf in der Falle -------------------------------- »Cut! Das war’s für heute«, hörte ich den Direktor sagen und es wie Musik in meinen Ohren. Ein langer 12-stündiger Drehtag ging zu Ende und es wurde auch Zeit. Ich ließ mich gerade in der Maske abschminken, sah im Spiegel wie ich wieder der wurde, der ich eigentlich bin. Meine müden, grünen Augen betrachteten mich, meine blonden Haare rührten sich wegen des vielen Haarsprays kein Stück. Lange blieb ich nicht allein, da kam mein Manager rein. Ich wusste, dass er immer sehr professionell wirken wollte, mit dem Anzug und dem Handy. Doch wer ihn besser kannte, wusste, dass es null zu ihm passte. »Gute Arbeit, Cai. Nicht mehr lange, dann sind die Dreharbeiten abgeschlossen.« Ich war noch nicht lange Schauspieler und das hier war die erste Hauptrolle, die ich bekommen hatte. Gerade hier in Amerika war es nicht leicht, sich unter den ganzen Stars und Sternchen durchzusetzen. Noch schwerer war es, in der Masse aufzufallen. Die einzige Möglichkeit war es zu sehr vielen Vorsprechen zu gehen und auf diesem Wege eine Rolle zu bekommen, die ein bisschen größer war. Ich glaubte, dass das, was ich tat, schon in die richtige Richtung ging, auch wenn es ein verdammt anstrengender Job war. Szenenwiederholungen, Setwechsel und die langen Tage. »Alles klar. Ich fahr‘ dann gleich nach Hause« informierte ich ihn. Normalerweise würde er mir einen schönen Abend wünschen und gehen. Stattdessen stand er weiterhin da, begann nervös seinen Anzug zu richten. Auch wenn ich ihn meinen Manager nannte, waren wir mittlerweile eher Freunde, da er mich schon seit dem Beginn meiner Karriere begleitete. Daher sollte er auch wissen, dass er vor mir nichts verheimlichen konnte. »Schieß‘ los«, befahl ich ihm. Mir fielen fast die Augen zu, also wollte ich es schnell hinter mich bringen. »Heute morgen habe ich eine Jobanfrage reinbekommen«, begann er und die Müdigkeit wich sofort von mir. Das waren super Neuigkeiten, warum war er so nervös? »Sie wollen dich als Hauptdarsteller, ohne Vorsprechen oder Casting. Es ist eine thailändische Produktion, die in Bangkok gedreht wird, allerdings…« Eine Hauptrolle? Ohne Casting? In Thailand? Ich konnte mich kaum halten vor Freude, das war als würde mein Traum gerade eben wahr werden! Ich wollte schon immer bei einer ausländischen Produktion mitwirken, vor allem in Asien. Schnell packte ich meine Sachen zusammen, um doch noch irgendwann nach Hause zu kommen. Mit seinem Arm hielt Ray mich auf, als ich schon fast zur Tür raus war. »Warte. Willst du dir nicht wenigstens das Drehbuch anschauen?« Das war die gängige Praxis, aber ich war zu aufgeregt und dachte keine Sekunde darüber nach, das Angebot abzulehnen. Ich winkte ab: »Ach, sag‘ einfach zu. Die werden schon wissen, was sie tun.« Zwei Monate später saß ich mit Ray im Flieger nach Thailand. Endlich! Vor Drehbeginn war ich immer aufgeregt, diesmal aber ganz besonders. Es war meine erste richtige Reise ins Ausland. In der Zwischenzeit hatte ich mir einige Grundkenntnisse in der Sprache angeeignet, auch wenn ich beim Dreh englisch benutzen durfte. So viel wusste ich schon. Ray hatte immer wieder versucht, mir das Drehbuch unterzujubeln, doch ich ließ ihn nicht. Riskant, ich weiß. Doch ich würde es schon noch früh genug lesen. »Bist du wirklich sicher, dass du das machen willst?«, fragte er mich schon gefühlt das hundertste Mal. »Ja. Später unterschreibe ich ohnehin den Vertrag.« Vielleicht lag seine Nervosität darin begründet, dass es meine erste Produktion im Ausland war. Allzu komische Serien würde er schon nicht annehmen. Freundlich stieß ich ihm in die Seite: »Entspann‘ dich. Ich werde dich schon nicht lynchen.« Plötzlich drehte er sich zu mir, zeigte mit dem Finger auf mich: »Versprich‘ es! Egal, was das für eine Serie ist, du wirst hinterher nicht sagen, dass es meine Schuld war!« Ich lachte: »Wenn es dich beruhigt, verspreche ich es.« Tatsächlich ließ er sich danach in seinen Sitz gleiten, sah gleich etwas entspannter aus. Irgendetwas musste anders sein als sonst, denn Ray war immer sehr sicher in Projekten. Ich zuckte mit den Schultern, verwarf diesen Gedanken und beschloss, mich auf die Reise zu konzentrieren. Wir würden für etwas mehr als drei Monate dortbleiben. Mir war schon klar, dass ein Dreh nicht mit Urlaub zu vergleich war, trotzdem fühlte es sich genauso an. »Endlich komme ich mal ins Ausland! Ich kann es kaum abwarten!«, sagte ich aufgeregt. Ray schmunzelte: »Das habe ich gemerkt. Ich musste nur Thailand sagen und du warst sofort dabei.« »Es ist mein Traum, Ray. Wie könnte ich da nein sagen? Wenn dir jemand eine Million Dollar schenkt, würdest du es auch nicht ablehnen«, erklärte ich verträumt. Nicht nur, dass es meiner Karriere guttun würde, schon als Kind hatte ich diese gewisse Faszination für Asien entwickelt. Durch das Studium und den Job hatte ich aber bisher weder die Zeit noch das Geld gehabt, Asien zu bereisen. Nach einem gefühlt endlos langen Flug, den obligatorischen Checks und Transfers, kamen wir am nächsten Tag abends am Hotel an. Das würde unser Zuhause für die nächsten Monate werden. Der Sender TMM TV bezahlte alles, dementsprechend luxuriös sah es aus. Schon im Foyer lag bordeauxroter Teppich, das Licht war gedimmt und irgendwo spielte leise Jazz-Musik. Alle Oberflächen waren aus Marmor. Ray und ich nickten uns anerkennend zu. Das war auf jeden Fall mal ein Upgrade zu den Motels, in denen ich sonst unterkam. An der Rezeption wurden wir von einem Herren im Anzug empfangen, der uns sofort erkannte und eincheckte. Zum Glück kühlte die Klimaanlage das Hotel schön runter, denn obwohl wir abends angekommen waren, war es noch ziemlich heiß draußen. Ray hatte das Zimmer direkt neben mir, netterweise wurden wir vom Sender in Suiten einquartiert. Das Team hatten wir über unsere Ankunft informiert, doch sie wollten uns nicht im Hotel treffen, weil es zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Mir war das mehr als Recht. Ich sah mich in meiner Suite um, es war das erste Mal, dass es sich anfühlte, als wäre man ein richtiger Star. Wunderschöner Ausblick auf die nächtliche Kulisse in Bangkok, hochwertige Sofas, mehrere Räume, eine riesige Dusche und natürlich alles mit Teppichboden und Marmor verkleidet. Ich stellte mir vor, wie man mich zur Oscar-Verleihung auf dem roten Teppich empfangen würde und ich vorne vor den ganzen Berühmtheiten meine Rede halten würde. Meine Müdigkeit und der Jetlag holten mich jedoch schnell ins Hier und Jetzt zurück. Ich duschte schnell und legte mich ins Bett. Morgen würden wir den Vertrag unterschreiben, dafür musste ich fit sein. Am nächsten Morgen fuhren Ray und ich schon früh zum Sender, ich gab mir Mühe, war aber noch nicht ganz wach. Wir fuhren in eine Tiefgarage eines sehr großen Gebäudes mitten in der Stadt. Die Fahrt zum Sender hatte nicht lange gedauert, was natürlich von Vorteil war. Auch hier wurden wir an der Rezeption erwartet, bekamen unsere Ausweise und wurden in einen kleinen Raum gebracht. Dieser war jedoch eher unspektakulär. Weiße Wände, in der Mitte ein großer Tisch mit mehreren Stühlen. Wie ein Besprechungsraum einer normalen Firma. Doch es gab eine kleine Besonderheit, dann an jedem Platz standen Namensschilder. An meinen Platz stand: »MC „Wolf“ Caiden Gresson.« Wolf? Das war dann wohl der Name des Charakters, den ich spielen würde. Cool. Hinter das Schild hatten sie eine Karte gestellt, auf der stand: »Willkommen in Thailand ♥« Noch dazu hatten sie verschiedene Getränke und Snacks an jeden Platz gestellt. Bei mir stand außerdem noch eine kleine Plüschfigur, die so aussah wie ich und eine thailändische Flagge in der Hand hielt. Ich nahm die Figur an mich, um sie mir genauer anzusehen. Ich hielt sie neben mein Gesicht und machte ein Selfie. Auch Ray staunte nicht schlecht: »Das nenne ich mal einen netten Empfang.« Wir setzten uns, nach und nach kamen auch die anderen Leute, von denen ich ausging, dass es die Darsteller waren. Ohne etwas zu sagen, setzten sie sich auf ihre Plätze. Ich nahm nur leise war, dass manche sich untereinander auf Thai unterhielten, was für mich natürlich noch nicht zu verstehen war. Ab und zu warfen sie mir neugierige Blicke zu. Es waren so viele neue Gesichter, dass ich die Leute alle gar nicht zuordnen konnte. Als alle saßen, blieb nur der Platz neben mir frei. Der Mann von Sender sagte auf Englisch: »Gut, wir waren noch auf unseren weiteren Hauptdarsteller, dann können wir mit der Unterzeichnung beginnen.« Wie auf Kommando ging die Tür auf und alle Blicke richteten sich dorthin. Ein schlanker, junger Mann mit tiefschwarzem Haar trat in den Raum. Mein Blick blieb direkt an seinen Augen hängen, für eine Sekunde sahen wir uns an. Ich konnte es nicht erklären, aber über die Jahre hatte ich diese seltsame Faszination für asiatische Augen entwickelt. Er trug ein weißes Hemd mit einem Logo, eine schwarze Hose mit schwarzem Gürtel und schwarzen Schuhen. Wie ich mittlerweile wusste, war das das typische Outfit einer thailändischen Uni. Er nahm seine Umhängetasche ab und entschuldigte sich dafür, dass er zu spät war. Er setzte sich neben mich, nickte mir kurz zu. Ich nickte zurück. Der Mann vom Sender stellte sich als P’Star von TMM TV vor und sagte: »Da wir nun vollständig sind, möchte ich, dass sich die zukünftigen Darsteller einmal kurz vorstellen. Ab jetzt bitte nur noch auf Englisch.« Mein Sitznachbar stand auf: »Freut mich euch kennenzulernen. Mein Name ist Natthapon Ayutthaya, mein Spitzname ist Seua. Ich bin 24 Jahre alt und zurzeit Student.« Für einen Moment war ich überrascht von seinem perfektem Englisch. Er hatte nicht mal einen Akzent! Wahrscheinlich sprach er sogar besser Englisch als ich. Nach ihm sollte ich mich vorstellen: »Mein Name ist Caiden Gresson, gerne auch Cai. Ich bin 23 Jahre alt und Schauspieler aus den USA.« Ich fühlte mich seltsam, weil mich alle anstarrten, als wäre ich eine seltene Trophäe. Doch dann lächelten sie und klatschten. Direkt im Anschluss wurden uns die Verträge auf Englisch und Thai ausgehändigt. Ray nahm den Vertrag sofort an sich, ich nahm ihm den aber sofort wieder ab. Statt ihn zu lesen, unterschrieb ich einfach. Ich war hier, war Teil des Teams, da würde ich doch nicht jetzt noch einen Rückzieher machen. Ray nahm zumindest die Kopie an sich, die er mit hochgezogenen Augenbrauen las. Neben dem Vertrag hatten wir auch einen Zeitplan und eine Kopie des Drehbuchs bekommen. Der Zeitplan sah schon direkt Programm am nächsten Tag vor, nämlich das Lesen des Drehbuchs, ein Fotoshooting für das Cover, sowie eine Party am Strand. Uff, die verschwendeten wirklich keine Sekunde. »Für heute haben wir alles Wichtige besprochen. Wir ihr schon gesehen habt, möchten wir morgen eine Kennlernparty für das Team machen, es wäre schön, wenn alle kommen könnten«, schloss P’Star. Ich packte meine Sachen zusammen, bedankte mich bei allen für die Geschenke. Ray und ich machten uns auf den Weg zurück zum Hotel. Es war zwar noch früh, aber ich wollte mich entsprechend auf die kommenden Tage vorbereiten, also beschlossen wir, den Tag im Hotel zu verbringen. Vor meinem Zimmer drückte Ray mir die Unterlagen in die Hand: »Tu‘ mir den Gefallen und ließ wenigstens jetzt das Drehbuch.« »Klar.« Spätestens jetzt musste ich mich auf die Rolle vorbereiten und genau das hatte ich vor. Ich verabschiedete ihn an der Tür und er verschwand auf seinem Zimmer. Ich wollte gerade in mein eigenes Zimmer gehen, da ging die Tür gegenüber auf. Es war Seua. Nachbarn waren wir also auch. »Auf gute Zusammenarbeit!«, sagte ich und lächelte ihn an. Er grinste: »Ganz meinerseits. Ich hoffe, du weißt, worauf du dich eingelassen hast«, dann ließ er seine Tür ins Schloss fallen. Keine Ahnung, was er mir damit sagen wollte. Ich beschloss es zu ignorieren, machte es mir auf der Couch gemütlich und nahm das Drehbuch zur Hand. Der Titel war: »Wolfsherz«, kitschig, aber auch irgendwie mysteriös. Da es zu lang war, ganz zu lesen, begnügte ich mich zuerst mit der Zusammenfassung. »Nok ist ein schüchterner Uni-Student, der es kaum schafft, überhaupt mit Leuten zu reden. Allerdings möchte er sich seiner Angst stellen und meldet sich bei einem Programm als Helfer an, welches Austauschstudenten bei ihrem Zurechtfinden in den thailändischen Alltag helfen soll. Nok erfährt, dass er den zwei Jahre älteren Wolf aus den USA betreuen wird. Anders als er, ist Wolf jedoch alles andere als schüchtern. Als Dank für die Hilfe will er Nok helfen, seine Schüchternheit zu überwinden. Wolf und Nok verbringen jeden Tag miteinander und kommen sich näher. Irgendwann merkt Wolf, dass seine Gefühle für Nok alles andere als freundschaftlich sind, doch wird er es schaffen, den schüchternen Nok für sich zu gewinnen?« Es war als hätte sich ein Schalter umgelegt in meinem Gehirn, plötzlich verstand ich alles. Wolf= Ich, Nok=Seua, keine freundschaftlichen Gefühle? Rays Nervosität und Seuas Kommentar machten plötzlich Sinn. Das war Boys Love?! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)