Memento defuncti - Ein Requiem zu früh von Dollface-Quinn ================================================================================ Prolog: Von Stichen und Schüssen -------------------------------- Der Schmerz kam erst viel später. Im ersten Moment dachte er, die legendäre Heldin Emilia hätte ihn verfehlt. Aber das konnte nicht sein. Sie war ihm viel zu nahe gekommen, um aus dieser Entfernung nicht zu treffen. Dann sah er die Federn, welche losgelöst durch den Himmel segelten. Seine schwarzen Federn. Und er sah das Blut. Die violetten Augen weiteten sich erschrocken. Er schlug ausholend mit den Schwingen durch die Luft, um Abstand zu seiner Gegnerin zu gewinnen. Gleichzeitig richtete er die flache Handinnenseite gegen sie und sammelte genug Magie darin für einen gezielten Schuss. Doch sein rechter Flügel reagierte nicht wie sonst. Der Himmel kippte vor Lucifers Augen zur Seite und ein Gefühl überkam ihn; ein unangenehm bekanntes Gefühl. Er fiel. Er stürzte aus dem Himmel! Ein kometenhafter Schweif aus wirbelnden Federn und Blut markierte seine Flugbahn. Emilia blieb mit hasserfüllten Augen und kaltem Gesichtsausdruck weit über ihm zurück, die feucht glänzende Klinge in der Hand. Lucifer wandte den Kopf und nun entdeckte er, welchen Schaden Emilias Schlag mit Better-Half angerichtet hatte. Sein Flügel war am Gelenk tief eingeschnitten, die Sehnen größtenteils durchtrennt. Ein tiefer Schnitt setzte sich außerdem über Lucifers Körper hinweg fort, betraf seine rechte Schulter, zog sich über seine Brust und den Bauch hinunter. Der lange, schwarze Mantel klaffte offen und aufgeschlitzt, die Stoffenden flatterten geräuschvoll im Wind. Endlich überwand der fallende Engel den Schock und realisierte, was zu tun war. Die Magie, die er für einen Angriff gegen Emilia in seiner Handfläche gesammelt hatte, wurde so rasch wie möglich umgewandelt, sodass sie heilte, statt tötete. Fest presste er sich die linke Hand auf die Schulterwunde und schickte die Energie sowohl in seinen Flügel, als auch durch den Schnitt in seinem Torso. Er würde nur das Nötigste wiederherstellen und dann wieder zum Angriff übergehen. Er würde nicht einmal magische Energie damit verschwenden, seinen Sturz abzufangen und ohne seine Flügel zu schweben. Er wollte alles, was er hatte, in den nächsten Schuss hineinlegen. Diese blöde Heldenschlampe würde gleich sehen, mit wem sie sich angelegt hatte! Bisher hatte der Kampf gegen Emilia einen Heidenspaß gemacht. Der Geflügelte sah sich schon als den gefeierten Schlächter der Heldin zu Maou heimkehren. Ganz Ente Isla würde seinen Namen entweder grölen oder fortan nur noch flüstern. Nur noch ein paar Sekunden, dann konnte er es wahr werden lassen. Ein Schatten fiel auf seinen zierlichen Leib. Erschrocken sah Lucifer auf und blickte erneut in Emilias wie versteinert wirkendes Gesicht. Die abnorm langen, silbernen Haare peitschten hinter ihr durch die Luft. Sie befand sich im Sturzflug auf ihn zu, Better-Half entschlossen auf ihn gerichtet! Die blutige Klinge schien unheilvoll im kalten Gegenwind zu sirren. Sofort riss der General des Dämonenkönigs die Arme vor den Körper, sammelte destruktive Energie und schoss. Emilia nahm das magische Projektil mit Better-Half an und leitete es ab, sodass es nutzlos an ihr vorbei sauste. Für den Bruchteil einer Sekunde folgten Ihre Augen dafür dem lilafarbenen Leuchten, sodass der Gegner in ihr peripheres Sichtfeld rutschte. Diesen Moment nutzte Lucifer aus, um sich im Fallen zu drehen und aus Emilias Kurs zu segeln. Sie bemerkte es erst, als sie bereits auf gleicher Höhe fielen. So traf sie der nächste Schuss völlig unerwartet von der Seite. Aber zu Lucifers großer Überraschung, verfehlte er sie! Seine Augen richteten sich ungläubig auf die Hand, mit der er geschossen hatte. Inzwischen spürte er den Schmerz seiner Wunde sehr deutlich. Seine rechter Arm zitterte. Er konnte ihn im Wind des Sturzes nicht mehr ruhig halten. Außerdem glänzten seine Finger vor Blut. Lucifers taktischer Verstand begann die Vorstellung einer siegreichen Heimkehr zu begraben und ihm klar zu machen, dass er zu viel Blut verlor. Überdies würde er in Kürze mit fatalen Folgen auf dem Boden aufschlagen. Der Geflügelte biss die Zähne zusammen und unterdrückte einen Fluch, um Emilia gegenüber seine prekäre Lage nicht einzugestehen. Aber ihrem Lächeln nach zu urteilen, wusste sie, wie es um ihn stand. Sie fing sich geschickt aus dem Sturzflug ab und richtete ihren Körper neu aus, um nun in diagonaler Flugbahn wieder auf ihn zuzuhalten. In ihren roten Augen loderte die Obsession, ihn hier und jetzt zu erledigen. Lucifer tat das Einzige, das ihm übrig blieb. Er warf sich mit Gewalt auf den Bauch herum und schlug mit den Flügeln. Der Knall einer gerade erst wieder faserig zusammengefügten Sehne, die der Bewegung nicht standhielt und erneut auseinander gerissen wurde sowie der gequälte Aufschrei eines Engels erfüllten kurz nacheinander den leeren Himmel. Der Kämpfer kam nicht wie geplant von der Stelle und Better-Half tauchte gezielt zwischen den Rippen hindurch in Lucifers Brustkorb ein. Violette Augen weiteten sich panisch, die Pupillen verengten sich und in einem Anflug törichten Aufbegehrens packte Lucifer die Klinge, die ein gutes Stück unter seiner Achsel aus seinem Körper heraus ragte. Emilia stand das Erstaunen über diese Tat ins Gesicht geschrieben. Der Engel drückte sich von dem blutigen Stahl ab und trudelte dann in engen Kreisen, wie ein Ahornsamen, abwärts einem dichten Waldstück entgegen. Die Heldin blieb mitten in der Luft schwebend zurück, unfähig ihm zu folgen. Sein Blick, als er sich auf den Tod verwundet die Klinge aus der schmalen Brust zog, stand ihr immer noch vor Augen und machte sie schaudern. Das waren nicht die Augen eines Mörders oder Monsters und auch nicht die eines Sterbenden gewesen. Lucifers violette Seelenspiegel schienen in diesem letzten Moment, da Emilia sie sah, vorwurfsvoll in sie hinein zu blicken. In diesem Moment empfand sie ein beinahe schmerzhaft an ihr nagendes Schuldgefühl, als hätte sie etwas Furchtbares getan, das sie nicht mehr würde gut machen können. Dieser Blick allein war es, der ihr die Arme lähmte, sodass sie Lucifers letzte Flucht vor ihr zuließ. Erst als seine stürzende Gestalt im dichten Blätterdach verschwunden war, konnte sie ihre Erstarrung abschütteln und zur Schlacht zurückkehren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)