Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Ronya − Akt 1, Szene 2 ---------------------- 7 Jahre vor Team Shadows Gründung   Ronya klopfte zum wiederholten Mal an ihre Zimmertür und wartete darauf, dass Thea sie von alleine reinlassen würde. Sie konnte den Trotz ihrer Schwester nachvollziehen, schließlich hatte sie bei dem Abendessen überreagiert, aber sie hatte keine Lust, schon wieder zu ihrer Mutter nach unten gehen zu müssen, damit diese Thea umstimmte. Die letzten drei Tage waren peinlich genug gewesen. „Lass mich rein, Thea“, flehte sie und klopft erneut. Stille begrüßte ihre Bitte. Genervt ging Ronya in die Hocke und spähte durchs Schlüsselloch. Sie konnte nicht viel sehen, aber ihre Schwester schien auf dem Hochbett zu sitzen. In der Hand hielt sie … „Thea!“, schrie sie, sprang auf und hämmerte nun doch gegen das dunkle Holz. „Gib mir mein Buch zurück!“ „Es ist auch mein Buch!“, ertönte es aus dem Zimmer, schrill und gedämpft durch die Tür zwischen ihnen. „Wir sind Schwestern, alles was dir gehört, gehört auch mir!“ „Das Buch gehört der Bibliothek und ich habe es ausgeliehen!“, fauchte Ronya und trat so fest gegen die Tür, dass sie sich einen Zeh stieß und aufheulte, als der Schmerz durch ihren gesamten Fuß raste. Sie biss die Tränen zurück. „Lass mich rein, dann darfst du darin lesen, wenn ich fertig bin.“ „Nein!“, erschallte Theas Stimme. „Geh weg! Du magst mich nicht mehr!“ „Was ist da oben für ein Radau?“, rief ihre Mutter aus dem Flur herauf. Als Ronya keine Antwort gab, ertönte das Knarzen der Treppenstufen. Wenige Sekunden später stand Darleen hinter Ronya im kleinen Flur, ein Handtuch um die Stirn gewickelt, und schaute ihre Tochter kritisch an. „Thea lässt mich nicht rein“, sagte Ronya kleinlaut. „Das schon wieder …“ Seufzend klopfte ihre Mutter ebenfalls an die Tür. „Thea, lass sofort deine Schwester in euer Zimmer, oder ich streiche dein Taschengeld für diesen Monat. Drei Tage dieses Unsinns sind wirklich genug.“ Einige Sekunden lang geschah nichts. Ronya fürchtete bereits, dass ihre Schwester sich sogar jetzt noch querstellen würde, aber dann hörte sie, wie sich Schritte von der anderen Seite näherten, gefolgt von dem metallischen Schrammen, als Thea den Schlüssel umdrehte. Die Tür schwang auf. Thea stand mit verheultem Gesicht vor ihr, Buch fest an ihre Brust gepresst. „Gib das wieder her“, befahl Ronya und schnappte nach dem Wälzer, aber Thea begann nur noch mehr zu weinen und sprang zurück. „Mamaaa“, heulte sie und ließ sich auf die Knie fallen. „Ronya lässt mich nicht in ihrem Buch lesen!“ „Du hast versucht, mich auszusperren“, erwiderte Ronya wütend. „Und das ist mein Buch.“ „Wir sind Zwillinge!“, schrie Thea. „Also ist es unser Buch!“ „Ruhe jetzt, alle beide“, fauchte Darleen und zog Ronya an der Schulter zurück, damit sie nicht weiter versuchen konnte, Thea das Buch zu entreißen. „So geht das nicht weiter. Ich dachte, ihr regelt euren Streit wie sonst auch, aber ich sehe schon, dass ihr nicht in der Lage seid, normal miteinander zu reden. Thea, leg das Buch auf den Schreibtisch und gib mir den Schlüssel für euer Zimmer. Danke. Und jetzt setzen wir uns zusammen und klären diesen Streit ein für alle Mal.“ Wenige Minuten später fand Ronya sich am Esszimmertisch wieder. Thea saß ihr mit roten Augen gegenüber, ihre Mutter hatte die neutrale Position am Kopfende eingenommen. „Also, was ist das Problem?“, fragte sie. Ronya schwieg stoisch. Thea schniefte, wischte sich über die Augen und schaute ihre Schwester böse an. „Sie mag mich nicht mehr“, sagte sie trotzig und zog die Nase hoch. „Ronya will nicht, dass wir Schwestern sind.“ „Das habe ich nie gesagt!“, protestierte Ronya sofort. Ihre Mutter warf ihr einen strengen Blick zu. „Ganz ruhig“, mahnte sie. „Du musst nicht schreien, wir verstehen dich auch so.“ Ronya lief rot an. „Thea will nur Trainer werden, weil ich Trainer sein will. Und jetzt will sie, dass wir dasselbe Pokémon haben und immer zusammenreisen und mein Buch will sie auch. Ich will aber selbst aussuchen.“ „Ich dachte, wir bleiben für immer zusammen“, flüsterte Thea. Tränen tropften wieder ungehemmt auf ihr Kleid und ihre geballten Fäuste. Ronya schluckte. Sie hasste es, ihre Schwester so zu sehen, aber wenn sie jetzt nachgab, würde sie niemals ihre Freiheit bekommen. Thea würde sie weiter nachahmen und in Beschlag nehmen, bis nichts von Ronya übrig war. Sie durfte nicht nachgeben. Sie durfte keine Kompromisse machen. „Ich gebe zu, dass ich mich über euren Wunsch gewundert habe“, sagte Darleen nach einer Weile. „Du hast dich doch nie für Pokémonkämpfe interessiert, Thea. Warum machst du nicht das, was du willst?“ „Ich will Trainerin werden!“, kreischte Thea hysterisch. „Ich werde Trainer und niemand wird mich davon abhalten. Und ich werde dasselbe Pokémon haben wie Ronya, daran kannst du nichts ändern!“ „Thea“, unterbrach ihre Mutter sie sofort. „Nicht in diesem Ton. Du hast natürlich das Recht, Trainerin zu werden. Warum vereinbaren wir nicht ein Treffen mit Professor Eibe? Dann kannst du dir ein Plinfa aussuchen und deine Schwester wird ihre eigene Entscheidung treffen.“ Thea hob trotzig den Kopf und sah Ronya in die Augen. Eine ungewohnte Boshaftigkeit war in ihrem Blick, die Ronya dort nie zuvor gesehen hatte. Sie krallte sich an dem Jeansstoff ihrer Latzhose fest, um ein Zittern zu unterdrücken. Diese Thea war ihr völlig fremd. „Wenn Ronya kein Plinfa will, dann will ich auch keins.“ Darleen atmete frustriert aus. „Wir sollten das besprechen, wenn euer Vater wieder hier ist“, sagte sie schließlich. „Ronya, es würde mich freuen, wenn du Thea in deinem Buch lesen lässt. Ein Grund für schlechtes Klima in diesem Haushalt ist eindeutig genug.“ Ronya konnte nicht mehr atmen. Alles, was sie liebte, wurde ihr genommen. Schon jetzt war ihr Traum von einem eigenen Pokémon, das niemand sonst in Fleetburg hatte, zerstört. Ihre Hobbys waren nicht mehr ihre eigenen, ihre Entscheidungen, nicht mal ihr Aussehen. Thea nahm ihr alles. Sie sprang auf und rannte die Treppen hinauf in ihr Zimmer. „Ronya, warte!“, rief ihre Mutter, doch Ronya blieb nicht stehen, auch nicht, als sie die schnellen Schritte ihrer Schwester dicht hinter sich hörte. Wenn sie das Buch nicht alleine lesen konnte, würde niemand es lesen. Sie schnappte es vom Schreibtisch, riss das Fenster weit auf und ließ das Buch hinunterfallen, wo es im dichten Gras ihres Gartens landete. Ronya selbst holte Schwung und sprang aus dem Fenster. Die Eiche, deren Äste sich in alle Richtungen streckten, ragte etwa zwei Meter von dem Fenster entfernt in den Himmel, aber es war nicht das erste Mal, dass Ronya diesen Weg wählte. Sie schleuderte sich vorwärts und schlug heftig auf dem fetten Ast auf, der ihren Fall abfing. Keine Zeit, die blauen Flecken an ihrem Bauch zu begutachten. Mit gekonnten Bewegungen, und ohne hinab zu sehen, hangelte Ronya sich in den Garten hinab, packte das Buch und rannte davon. Theas Schreie verfolgten sie aus dem Fenster den ganzen Weg durch den Garten, aber Ronya hatte richtig gewettet. Ihre Schwester mochte ihr wie ein Spiegelbild gleichen, aber sie waren zwei unterschiedliche Persönlichkeiten. Wo Ronya Risiken einging, war Thea vorsichtig und ängstlich. Der Sprung aus dem Fenster auf die Eiche war zu viel für sie, und bis Thea durch die Haustür kam, war Ronya schon die Straße entlang und zwischen zwei Häusern verschwunden. Erst einige Zeit später, als ihr Herz so heftig pochte, dass ihr schlecht wurde, blieb sie stehen. Schweiß tropfte auf den Asphalt, als sie sich würgend vornüberbeugte, aber anstatt sich hinzulegen, trottete sie unermüdlich vorwärts. Solange die Gefahr bestand, von ihrer Schwester eingeholt zu werden, durfte sie sich keine Pause erlauben.     „Schätzchen?“ Ronya hob erschrocken den Kopf. Die alte Bibliothekarin, die ihren Ausweis überprüft und das Buch zurückgenommen hatte, stand vor ihr und lächelte sie besorgt an. „Wir schließen gleich“, sagte sie. „Holen deine Eltern dich ab?“ Es erforderte Mühe, ihr Schnauben zu unterdrücken. Ihre Eltern waren sicher außer sich vor Wut, weil Ronya einfach abgehauen war. Sie hatte mehrere Stunden in einem der Lesezimmer verbracht, die nur für Mitglieder zugänglich waren und in einem neuen Buch gelesen. Erste Schritte im Pokémontraining – Wie sie typische Fehler vermeiden, von Maxwell Starling. Eine wahre Offenbarung, wenn man Ronya fragte. Während sie las, hatte sie alles andere vergessen können, aber die mütterlichen Augen der Bibliothekarin ließen die Geschehnisse des Tags neu in ihr aufkeimen. „Mein Vater ist auf dem Weg hierher“, log sie. „Es ist nicht weit. Wir treffen uns immer am Gelatini.“ „Ah, dann ist gut.“ Die alte Frau nickte, als Ronya mit ihrer Wortwahl bewies, dass sie sich in Fleetburgs Nordviertel auskannte. Die lokale Eisdiele war tatsächlich ein naher Treffpunkt, den sie oft mit ihrem Vater vereinbart hatte. Heute würde dort niemand auf sie warten. „Möchtest du das Buch ausleihen?“, fragte die Bibliothekarin, als Ronya sich erhob. Sie zögerte. Wie gerne sie heute Nacht weiterlesen würde! Aber der Gedanke an Thea ließ sie den Kopf schütteln. „Ich komme morgen wieder und lese hier“, sagte sie und erhob sich. Ronya ließ sich mit dem Rückweg Zeit. Sie hatte keinen Grund, sich zu beeilen. Es war schon spät, das Abendessen wahrscheinlich längst vorbei. Wenn sie Glück hatte, konnte sie über die Eiche zurück in ihr Zimmer klettern, ohne dass Thea sie bemerkte. Sie hatte keine Lust, ihre gesamte Familie wach zu klingeln. Als sie sich ihrem Haus näherte, brannte im Erdgeschoss noch Licht. Ronya umrundete vorsichtshalber das Haus, aber das Fenster zu ihrem Zimmer war geschlossen. Sie drehte um, stopfte die Hände in die Bauchtausche ihrer Latzhose und klingelte am Eingang. Die Tür flog Sekunden später auf. Darleens Augen waren rot gerändert. Einen Moment starrte sie Ronya nur an, dann fiel sie auf die Knie und zog sie in eine Umarmung, die Ronyas Knochen knirschen ließ. „Tu mir das nie wieder an!“, befahl sie, als der erste Schock über ihre Rückkehr überwunden war. Ronya hielt den Blick gesenkt. Sie hatte mit Wut gerechnet, nicht mit so viel Erleichterung. Sie fühlte sich schuldig, einfach abgehauen zu sein, aber Theas Worte hatten sie rot sehen lassen. „Ja, Mama“, flüsterte sie kleinlaut und ließ sich ein weiteres Mal umarmen. Über Darleens Schulter hinweg entdeckte sie Jakob, der ihr erleichtert zulächelte. Thea saß auf seinem Schoß und erwiderte grimmig ihren Blick. Was immer ihre Mutter sich mit der Aussprache erhofft hatte, Ronya war sicher, dass es nichts gebracht hatte. Im Gegenteil. Es hatte ihre Zwillingsfehde nur noch schlimmer gemacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)