Mein Weg zu Dir von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 51: Mimi ---------------- Nun habe ich schon drei Mal geklingelt und er macht mir immer noch nicht die Tür auf. Wenn er denkt, dass ich so leicht aufgebe, hat er sich geschnitten. Sein Abgang nach dem Casting vor ein paar Tagen war bühnenreif. Matt ist einfach so eine Diva. Seitdem reagiert er auf keine Anrufe oder Nachrichten, nicht mal auf die von den Jungs. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Matt so nachtragend sein kann. Heute Abend hat die Band einen Auftritt und so langsam werden alle unruhig, ob ihr Sänger und Gitarrist sie im Stich lässt. Deshalb habe ich mich, aufopferungsvoll wie ich bin, bereit erklärt, in die Höhle des Löwen zu gehen. Und weil es mein Job ist, die Angelegenheit zu klären. Ja, vor allem ist es jetzt mein Job, deshalb versuche ich mich, professionell zu verhalten. »Mach endlich die Tür auf, ich weiß genau, dass du zu Hause bist, du dummer Ignorant«, brülle ich wütend wie eine Furie und hämmere gegen Matt's Tür. So viel zum Thema Professionalität. Wenn dieser Kerl nicht endlich auf macht, dann werde ich … Ich bin drauf und dran, mit dem Fuß gegen die Tür zu treten, doch in dem Moment, als ich die Hand hebe, öffnet sie sich tatsächlich. »Bist du völlig durchgedreht, hier so rum zu schreien?« Ich lasse meine Hand wieder sinken und sehe Matt erbost an. »Dann solltest du mich vielleicht in Zukunft besser nicht mehr ignorieren«, antworte ich anstatt einer Begrüßung und drücke mich, ohne zu Fragen, an ihm vorbei in die Wohnung. »Wie siehst du eigentlich aus?«, kommentiere ich sein Outfit, was aus einem abgenutzten Shirt und einer dreckigen Jogginghose besteht. »Warst du seit Tagen nicht mehr vor der Tür? Du siehst aus wie ein Landstreicher.« Matt zischt und zieht eine Augenbraue in die Höhe. »Wer benutzt denn heute noch das Wort Landstreicher? Kommst du aus dem Mittelalter? Und nein, ich habe einfach meiner kreativen Ader freien Lauf gelassen und an ein paar neuen Songs geschrieben. Wie gut, wenn man seine Wut in etwas Positives verwandeln kann«, erklärt mir Matt, ohne auch nur die geringste Regung von Emotion und geht in die Küche, um sich ein Glas Wasser einzuschenken. »Es sind Solo Stücke.« Nun sehe ich sein fieses Grinsen über den Rand seines Wasserglases, was er gerade an seine Lippen setzt und innerhalb weniger Sekunden leert. Ich bin versucht, es ihm über den Kopf zu schütten. Eine Dusche würde ihm sicher nicht schaden. »Ha ha, sehr witzig, Ishida«, kommentiere ich diesen fiesen Einwurf nur, während er wortlos an mir vorbei auf den Balkon geht und sich eine Zigarette ansteckt. Ich folge ihm, auch wenn ich den Gestank von Tabak schon immer gehasst habe. »Was ist los mit dir?«, konfrontiere ich ihn. »Du verhältst dich wie eine Diva. Bist du wirklich so beleidigt?« Keine Antwort. Er ignoriert mich, während ich direkt neben ihm stehe und nimmt genüsslich den nächsten Zug von seinem Glimmstängel. Dieser arrogante … Ich beiße die Zähne zusammen. Okay. Andere Taktik. »Es tut mir leid, Matt«, sage ich und versuche, einen etwas versöhnlicheren Ton anzuschlagen. »Was denn?« »Dass ich dich mit dieser Idee so überfallen habe. Aber hätte ich vorher mit dir darüber gesprochen, hättest du es sofort abgeblockt und wärst nicht mal mit zum Casting gekommen.« »Womit ich eine Menge Lebenszeit gespart hätte.« Ich stöhne leise und schlage mir die Hand gegen die Stirn. »Gott … warum bist du nur so stur?« »Das Gleiche könnte ich dich fragen.« Stutzig sehe ich ihn an, während er mich immer noch keines Blickes würdigt. »Was soll das denn jetzt bitte heißen?« »Ich frage mich nur, warum du so versessen darauf bist, mir meinen Platz in der Band streitig zu machen, das ist alles.« »Oh lieber Gott, Matt«, entgegne ich verständnislos. »Niemand will dir deinen Platz streitig machen. Du hast die Band gegründet und du wirst immer der Frontmann bleiben. Immer der Gitarrist. Immer der Liedsänger. Ich dachte nur … Nein, ich bin überzeugt davon, dass eine weitere Stimme eure Musik um so vieles bereichern könnte. Vor allem, wenn es so eine Stimme ist, wie Zoey sie hat. Sie könnte der Funken sein, der euch zum großen Erfolg fehlt.« Matt pustet den Qualm aus und wendet sich mir dann zu. Das erste Mal sieht er mir nun direkt in die Augen und ich erkenne vor allem eins darin: Zweifel. Aber woran? An mir? An meinem Urteilsvermögen, weil ich keine Erfahrung im Musikbusiness habe? An der Band? An sich selbst? Was ist es, das ihn so quält? »Mimi, weißt du, was mit Bands passiert, in denen eine Frau hinzukommt und dann auch noch als Sängerin?« Irritiert sehe ich ihn an, weil ich keine Ahnung habe, worauf er hinaus will. »Sie übernimmt die Band. Sie wird die Frontfrau. Sie wird alle Blicke auf sich ziehen. Es ist ihre Stimme, die die Leute hören wollen, nicht meine. Sie wird im Mittelpunkt stehen. Sie wird sich von uns allen abheben, weil sie eben nun mal eine Frau ist und wir dann nur ihr Beiwerk. Weil sie fantastisch singen kann.« Ich kann es nicht verhindern, dass meine Mundwinkel leicht zucken, bei diesem Geständnis. »Also hat dir ihr Auftritt doch gefallen«, stelle ich triumphierend fest, woraufhin Matt ein Zischen von sich gibt, als wäre das nicht offensichtlich gewesen. »Ich habe keine Tomaten auf den Ohren, Mimi. Natürlich war sie grandios.« Ich kann mir denken, wie viel Kraft ihn das kostet, sich das einzugestehen und dann auch noch vor mir. »Aber sie ist so gut … wozu braucht sie uns? Ehe wir uns versehen, würden wir alle in den Hintergrund rücken und sie würde die Bühne rocken. Die Leute würden nur noch sie sehen.« Ist es das, was er will? Gesehen werden? »Ich möchte, dass meine Songs bei den Menschen ankommen und ich möchte derjenige sein, der sie zu ihnen trägt. Für mich hat es keinen Wert, all diese Texte zu schreiben, wenn sie am Ende jemand anderes singt.« Okay, das ist ein Argument. Eines, dass ich sehr gut verstehen kann. »Hey, nun hör mir mal zu«, sage ich sanft, greife nach seiner freien Hand und drücke sie leicht, während ich ihm in die Augen sehe. »Es war nie geplant gewesen, dich durch irgendwen zu ersetzen oder dass eine andere Person deine Songs singt. So was würde ich mir niemals anmaßen, selbst als eure Managerin nicht. Ich bin ausschließlich an eurem Erfolg interessiert. Und ich weiß einfach, dass ihr ihn haben könntet. Ihr seid so so gut. Euch fehlt nur noch das gewisse Etwas. Was hältst du von einem Kompromiss?« Matt drückt die Zigarette im Aschenbecher aus und verschränkt dann die Arme vor der Brust, nur, um mich mit hochgezogener Augenbraue zu mustern. »Und wie soll der aussehen?« »Du singst ein Lied mit ihr, heute Abend, bei eurem Auftritt.« Matt schnappt hörbar nach Luft. »Aber Mimi, wir haben gar nicht mit ihr geprobt und außerdem …« Ich winke eilig ab, damit er mich ausreden lässt. »Ein Lied«, wiederhole ich. »Heute Abend. Vor Publikum. Ihr habt vorher noch eine Stunde Zeit, um es einzuproben. Es ist keine große Sache. Ihr macht es ganz am Ende eures Auftritts, sozusagen als kleine Überraschung. Geht es in die Hose und sind die Leute nicht davon begeistert, werde ich diese Idee nie wieder ansprechen und ihr bleibt für immer eine Vier-Mann-Band. Versprochen.« Wie zum Schwur hebe ich zwei Finger in die Luft. »Aber wenn es ihnen gefällt und vor allem, wenn es dir gefällt …« » … was sicher nicht passieren wird.« » … dann lässt du dich zumindest darauf ein, es mit Zoey zu versuchen. Ich meine, letztendlich kannst du sie jederzeit wieder rausschmeißen. Du bist der Chef.« Matt legt den Kopf schief und fährt sich mit der Hand seufzend über den Nacken. Nach einer Weile sieht er mich an. »Du bist echt unmöglich, weißt du das?«, sagt er, aber ich sehe genau, wie seine Mundwinkel zucken. »Sehe ich da etwa den Anflug eines Lächelns?«, entgegne ich breit grinsend, woraufhin auch Matt sich nicht mehr unter Kontrolle hat und endlich lächelt. Schön, so versöhnlich gefällt er mir viel besser. »Okay, hast mich überredet. Aber wenn das mit uns nicht funktioniert, wirst du mich nicht länger damit nerven.« »Juhu!« Ich klatsche wie ein kleines Kind in die Hände und mache einen Luftsprung. Dann falle ich ihm unerwartet um den Hals. »Du wirst es nicht bereuen.« »Okay, ist ja gut, halte gefälligst Abstand, du erdrückst mich!« Schnell lasse ich ihn wieder los und rümpfe die Nase. »Ist kein Problem, du müffelst echt. Wie wär's mit einer Dusche?« Demonstrativ wedle ich mit der Hand vor meiner Nase rum. Matt grinst. »Hatte ich eh vor. Kommst du mit?« Ich rolle mit den Augen. »Wir hatten eine Abmachung, schon vergessen?« »Nein, aber würde ich gern.« Sein Grinsen wird noch breiter, woraufhin ich ihm einen Tritt gebe, damit er endlich rein geht. Als er drin ist, atme ich noch mal tief durch. Gott, ich hoffe, dass meine Bemühungen nicht umsonst waren … Später am Abend bin ich natürlich die Erste von uns, die im Club ist. Als Managerin der Band nehme ich meinen Job sehr ernst und schaue, ob das Equipment vor Ort und ob auch sonst alles da ist, was die Jungs so brauchen. Außerdem besorge ich noch ein paar Snacks und Getränke, die ich hinter die Bühne in den Proberaum bringe. Als die Jungs gemeinsam den Raum betreten, staunen sie nicht schlecht. Tatsuya gibt ein anerkennendes Pfeifen von sich, als sein Blick auf die bunte Platte mit den vielen Köstlichkeiten fällt. »Wow, nicht schlecht, Mimi. Wir wurden noch nie wie Könige behandelt, kurz vor einem Auftritt.« Ich schenke ihm ein zufriedenes Lächeln und verkreuze dabei die Hände hinter dem Rücken. »Ich möchte nur, dass ihr euch so wohl wie möglich fühlt.« »Warum haben wir sie nicht früher engagiert?«, lacht Koichi, als er sich eine der gekühlten Coladosen greift und diese mit einem Zischen öffnet. Matt stellt seinen Gitarrenkoffer ab. »Und? Wo ist sie?« Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr und öffne zeitgleich den Mund, um ihm zu sagen, dass Zoey jeden Moment hier sein müsste. Als auch schon ein Poltern von draußen zu hören ist. Wie auf Kommando stürmt eine Sekunde später Zoey durch die Tür des Proberaums, völlig außer Atem, offensichtlich hierher gerannt. Gott, ist dieses Mädchen denn eigentlich immer in Eile? »Da bin ich«, verkündet sie schwer atmend, als wüsste sie, dass Matt eben bereits nach ihr gefragt hat. Dieser zieht jedoch nur eine Augenbraue in die Höhe und mustert sie auffallend. »Schön und du hast sogar deine Schuluniform zu Hause gelassen«, kommentiert er ihr Outfit, was aus einem kurzen, schwarzen Rock, Stiefeln und einem einfachen Top besteht. Ihr langes, blondes Haar, trägt sie diesmal offen. Nicht übertrieben aufgestylt, aber völlig ausreichend für einen Auftritt mit einer Rockband. »Darfst du hier überhaupt schon rein?«, will Matt wissen und klingt dabei äußerst skeptisch. Zoey stemmt sofort die Hände in die Hüfte und wirft ihm einen missbilligenden Blick zu, als hätte er sie eben beleidigt. »Ich sagte doch, dass ich keine Schülerin mehr bin.« »Und wieso bist du dann neulich zum Vorsingen in einer Schuluniform aufgetaucht?«, bohrt er weiter, anstatt ihr einfach zu glauben. Ich seufze innerlich. Warum ist er so verbissen darauf, irgendetwas an ihr zu finden, das nicht geht? »Na, weil ich gerade aus der Schule kam. Warum sollte ich sonst so rumlaufen?«, entgegnet Zoey, woraufhin Matt sie noch verwirrter ansieht. »Aber du sagtest doch eben …« »Dass ich keine Schülerin bin, richtig. Aber manchmal tue ich so, das ist doch nicht verboten, oder?« Zoey guckt in die Runde, als wäre diese Erklärung völlig logisch und normal, allerdings habe ich das Gefühl, dass bei diesem Mädchen so gar nix normal ist. Um ehrlich zu sein, denke ich sogar, dass sie eine kleine Schraube locker hat. Was sie für mich nur noch interessanter macht. »Keine Sorge, Matt«, mische ich mich nun doch ein. »Ich habe ihr Profil gecheckt. Sie ist bereits 22.« Mürrisch murmelt er irgendetwas vor sich hin, was von uns allen hier keiner so richtig versteht. Dann wendet er sich seinem Gitarrenkoffer zu, öffnet ihn und holt seine Gitarre raus, um sich mit ihm auf dem einzigen Sofa zu setzen, das dieser Raum hergibt. »Also?«, beginnt er. »Ich habe gehört, wir singen heute zum Abschluss einen Song zusammen. Welcher wäre das?« »Cold Heart«, antworte ich, weil ich es bin, die den Song für die beiden ausgesucht hat. »Ernsthaft?« »Was hast du gegen Elton John?«, kommt es sofort von Jingle, der offensichtlich einen etwas anderen Musikgeschmack als Matt hat. Ich zucke mit den Schultern. »Ich dachte, der Titel passt ganz gut zu dir«, sage ich räuspernd, während die anderen Jungs kurz drauf los lachen, jedoch sofort wieder verstummen, als sie Matts Blick trifft. »Na, schön«, entgegnet dieser schließlich, allerdings deutlich genervt. »Alles, was du willst, Prinzessin.« Zufrieden grinse ich. »Ich lasse euch dann mal alleine. Enttäuscht mich nicht.« Ich schenke Zoey ein Augenzwinkern und sie lächelt mich zuversichtlich an. Man, jede andere wäre wahrscheinlich schon wieder rückwärts aus dem Raum gerannt. Bei Matt's offensichtlicher Abneigung wundert es mich wirklich, dass sie noch hier ist. Sie hat diese Abneigung bereits beim Probesingen zu spüren bekommen. Aber als ich sie dann doch anrief und sie um diesen Gefallen gebeten habe, hat sie sofort zugestimmt, was mich ziemlich überrascht hat. Entweder es ist ihr völlig egal, was Matt von ihr hält oder sie will ihm eins auswischen und ihn beim Auftritt nachher blamieren. Aber dann wäre sie eh raus aus der Nummer. So oder so, jeder würde heute Abend das bekommen, was er wollte - ich hoffe, das trifft letztendlich auch auf Matt zu. Denn nur für ihn mache ich das hier alles … Es vergeht noch eine weitere Stunde, bis der Auftritt endlich beginnt. Wahrscheinlich wartet Zoey hinter der Bühne auf ihren Einsatz, denn sie ist nicht mehr nach vorne zu mir an die Bar gekommen. Ob sie nervös ist? Ich weiß, dass sie nicht wirklich Bühnenerfahrung hat. Die Jungs spielen ihre Songs und man merkt ihnen an, dass sie Profis sind. Wenn ich so an den ersten Auftritt zurück denke, bei dem ich live dabei war, muss ich grinsen. Denn inzwischen betrachte ich alles mit anderen Augen. Damals war es einfach nur Musik für mich gewesen. Es war schön, Matt auf der Bühne zu sehen. Aber jetzt schaue ich mir seine Auftritte aus einer anderen Perspektive an. Ich beobachte genau, wie das Publikum sich bei jedem einzelnen Song verhält, wie die Begeisterung ist, ob sie zunimmt oder abnimmt. Ich habe im Blick, ob auch keiner von den Jungs seinen Einsatz verpasst und ich kenne die Playlist auswendig und weiß genau, welches Lied als nächstes gespielt wird. Zufrieden lächelnd sitze ich etwas weiter hinten mit einem Cocktail an der Bar und schaue der Band dabei zu, wie sie ihr Bestes gibt - nicht, ohne auch ein bisschen stolz zu sein. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal zugeben würde, aber … dieser Job macht mir wirklich Spaß. Es ist, als hätte ich endlich eine sinnvolle Aufgabe für mich gefunden. Ein Organisationstalent war ich schon immer, nur hätte ich nie gedacht, dass ich das mal zu meinem Beruf machen könnte. Und dass ausgerechnet Matt derjenige sein wird, der mich auf diese Spur bringt. Oder besser gesagt … Tai. Denn eigentlich war das alles hier seine Idee. Das Puplikum applaudiert, als der Song endet und ich weiß, wir sind nun noch zwei Lieder vom letzten Song entfernt, bei dem Zoey mit dazu stoßen wird. Hippelig wie ein kleines Kind vor Weihnachten, rutsche ich auf meinem Barhocker hin und her. Scheiße, bin ich aufgeregt. Hoffentlich geht alles gut. Während ich die Hände falte und mich schon jetzt auf das Duett freue, bemerke ich erst gar nicht, wie sich jemand neben mich stellt. Erst, als derjenige »Ein Bier, bitte« in Richtung des Barkeepers sagt, erkenne ich die Stimme. Sofort erwacht jede einzelne Zelle in mir zum Leben und ein aufgeregtes Kribbeln macht sich in meiner Magengegend breit, als ich den Kopf drehe und direkt in Tais Augen schaue … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)