Mein Weg zu Dir von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 6: Mimi --------------- Nach dem Konzert gehen wir noch in eine Bar, um den Abend gemütlich ausklingen zu lassen. Wobei die Gemütlichkeit bei mir schon lange flöten gegangen ist. Meinem Magen geht es zwar jetzt wieder viel besser, aber ich halte es immer noch schlecht in Tais Gegenwart aus. Kari und T.K. verabschieden sich vorher schon, weil sie noch minderjährig sind und sich nach 24 Uhr nicht mehr draußen herumtreiben sollten. Da hat Tai zum Glück stets ein Auge drauf. Als wir die Bar betreten, schlägt uns Rauch und laute Musik entgegen. Der Duft von Zigarettenqualm und Alkohol erfüllt die Luft und ich weiß jetzt schon, dass meine Haare morgen eine Kur brauchen. Matt und Tai sind schon ganz schön betrunken, weshalb wir für die beiden nur eine Cola bestellen. Ich bin, dank meiner kleinen Kotzeinlage vor der Konzerthalle, wieder relativ nüchtern, während Sora doch recht angetrunken ist. Vielleicht sind beide ja am Ende des Abends so betrunken, dass sie es nicht mehr schaffen, miteinander in die Kiste zu hüpfen. Schäm dich für deine Gedanken, Mimi Tachikawa! Mein Gott. Alles, an was ich gerade nur noch denken kann, ist Sex. Wie Tai und Sora Sex haben. Wie Matt und ich Sex haben … KÖNNTEN. Wie ich mit Tai Sex haben … KÖNNTE. Nein. Nicht haben könnte. Denn der hat ja schon mit Sora Sex. Vielleicht könnten wir ja … Gott, nein, denk bloß nicht weiter! So betrunken bist du wirklich nicht mehr, um diesen Gedanken zu Ende zu führen. »Mimi?« Ich blinzle verwirrt und sehe zu Tai auf, der hinter mir steht - und werde schlagartig knallrot. »Was ist?«, fragt Tai lachend. »Du warst eben total weggetreten.« »Oh, ähm. Das ist nur … es war ein langer Tag. Wo ist Sora?« Ich suche sie mit den Augen zwischen den Leuten, kann sie jedoch nirgendwo entdecken. »Sie hat ein paar Freundinnen getroffen und trinkt an der Bar einen mit ihnen«, sagt Tai. Dann legt er unvermittelt von hinten die Arme um mich. Mein Körper versteift sich, weil ich sofort denke, dass wir so etwas nicht mehr machen dürfen - uns nahe sein. Aber dann entspanne ich mich und sinke an seine Brust, während er mich festhält. Das Gefühl der Leichtigkeit, was er mir jedes Mal gibt, ist einfach stärker. Wenn Tai mich umarmt, habe ich immer das Gefühl, dass alles gut ist. »Ich finde es schön, dass du die Kette trägst, die ich dir geschenkt habe«, wispert er an meiner Halsbeuge. Meine Hand wandert nach oben zu dem Kirschblütenanhänger. Die Wahrheit ist, dass ich sie seit meinem Geburtstag keinen einzigen Tag abgelegt habe. Sie bedeutet mir viel, denn sie ist von ihm. Auch wenn ich immer noch nicht genau weiß, warum er sie mir geschenkt hat. »Was ist los mit dir?«, fragt Tai nun mit ernster Stimme. Ich lasse die Hand wieder sinken und starre geradeaus. »Was soll sein?« »Du bist anders.« »Inwiefern?« Ich höre, wie er an meinem Hals seufzt. »Du versuchst, dich von mir fernzuhalten.« »Wie kommst du denn auf so was?«, entgegne ich und weiß, wie wenig überzeugend ich dabei klinge. Ich würde es mir ja selbst nicht abkaufen. Und Tai tut es erst recht nicht. Er kennt mich besser als jeder Andere. »Mimi«, sagt er einfühlsam und verfestigt seinen Griff um mich. »Du musst nur einen Ton sagen. Egal, was es ist, wir können das hinkriegen. Sag mir einfach, was dich bedrückt.« Nein, können wir nicht. Und ich kann dir nichts sagen, Tai. Das bringe ich nicht übers Herz. »Es ist alles in Ordnung, Tai«, lüge ich nun glaubwürdiger, drehe mich um und lächle ihn an, um meine Behauptung zu untermauern. Das Letzte, was ich möchte ist, dass er weiß, wie ich wirklich fühle. Wie ich für ihn fühle. Dass es mich stört, dass er mit meiner Freundin zusammen ist und nicht mit mir. Er würde diese Gefühle ohnehin niemals erwidern. Und obendrein würde ich damit sein neues Glück zerstören oder unsere Freundschaft. »Wirklich? Du wirkst ein wenig, als würde es dich stören, dass Sora und ich ein Paar sind. Dafür wollte ich mich ohnehin noch bei dir entschuldigen, aber du bist ja nie ans Telefon gegangen, wenn ich dich angerufen habe. Ich hatte nämlich echt ein schlechtes Gewissen, weil ich es dir nicht eher gesagt habe. War so blöd von mir. Ich weiß auch nicht, warum ich nicht einfach mit der Sprache rausgerückt bin. Ich hoffe, du bist nicht mehr sauer auf mich?«, fragt er, ganz offensichtlich geknickt und sieht mir dabei tief in die Augen. Ich muss wirklich aufpassen. Eine winzige Regung von mir und er glaubt mir kein Wort. Ich lege eine Hand an seine Wange, lege den Kopf schief und lächle so aufrichtig, wie ich nur kann. »Wirklich, Tai. Es ist alles in Ordnung. Ich war zwar ein wenig enttäuscht darüber, dass du es mir nicht selbst gesagt hast, aber …« Ich schlucke schwer und ringe mit der Fassung. Ich muss mich einfach zusammenreißen. » … das vergebe ich dir mal. Wir sind schließlich Freunde, oder?« Für den Bruchteil einer Sekunde, denke ich, es war nicht überzeugend genug, weil Tai ziemlich lange braucht, um zu antworten und stattdessen ungläubig den Kopf neigt. Aber dann lächelt er dieses sanftmütige Lächeln, was mich immer zum Schmelzen bringt und ich weiß, dass alles gut ist - zumindest bei ihm. »Ja, natürlich sind wir Freunde, Mimi - beste Freunde«, korrigiert er sich noch mal und zieht mich erneut in eine feste Umarmung. »Und ich liebe dich.« Ich liebe dich auch. Nur mit dem Unterschied, dass meine Liebe eine andere ist als deine, denn sie schmerzt, wenn ich in deiner Gegenwart bin. Ich schiebe diesen Gedanken schnell beiseite. Ich will so nicht denken. »Ich weiß«, sage ich, lege dann beide Hände auf seine Brust und schiebe ihn sanft von mir, weil ich seine Nähe nicht mehr ertrage. Genau im richtigen Moment. Sora kommt auf uns zu und lacht bis über beide Ohren. Dann fällt sie Tai um den Hals. »Woah, immer mit der Ruhe«, sagt dieser und versucht sie abzuschütteln, weil sie wirklich sehr betrunken ist. Doch sie stellt sich auf ihre Zehenspitzen und drückt ihm einen Kuss auf die Wange. In mir zieht sich alles zusammen. »Wollen wir tanzen?«, fragt sie völlig beschwipst und Tai grinst unsicher. »Ich lasse euch dann mal alleine und gehe Matt suchen«, sage ich schnell und winke ihnen zu, weil ich mir das nicht länger antun kann. Tai ruft mir noch irgendwas hinterher, aber ich höre es nicht mehr, weil ich bereits auf die Bar zusteuere und mir den stärksten Drink hole, den sie haben. Whiskey auf Eis. Ekelhaft. Aber effektiv. Mit meinem Glas in der Hand, stelle ich mich in eine Ecke und halte Ausschau nach Matt, der ebenfalls verschwunden zu sein scheint. Ich weiß genau, wenn ich meinen Drink ausgetrunken habe, greife ich mir das nächste Taxi, fahre nach Hause und heule mich in den Schlaf. Was für ein beschissener Abend. Warum bin ich noch mal mitgegangen? Ach ja. Weil ich die wahnwitzige Idee verfolgt habe, dass es mir leichter fallen würde, wenn ich mich selbst mit meinem Problem konfrontiere. War eine richtige scheiß Idee, so viel steht fest. Ich fühle mich beschissener als vorher. Ich beobachte Tai und Sora, wie sie zusammen tanzen und Spaß haben und lachen und die Eifersucht kriecht erneut meine Galle empor. Werde ich mich jemals an diesen Anblick gewöhnen? Ich sehe, wie er die Arme an ihre Taille legt und sie an sich zieht. Dann reckt sie sich ihm entgegen und küsst ihn. Leidenschaftlich. Verlangend. Während er seine Hände über ihren Rücken wandern lässt, immer weiter nach unten. Ich ignoriere für einen Moment, dass es Sora ist, die er da berührt und stelle mir vor, an ihrer Stelle zu sein. Wie es mein Körper ist, den er mit seinen Händen erforscht. Wie es sich anfühlen würde. Wie er seinen Körper an meinen presst. Wie ich meine Lippen auf seine lege und ihm ganz genau zeige, was ich von ihm will … »Erwischt!« Ich zucke so heftig zusammen, dass mein Getränk überschwappt und mir über die Hand läuft. »Sag mal, spinnst du?«, fauche ich Matt an, der plötzlich hinter mir steht und mir mit seiner tiefen Stimme an meinem Ohr einen Heidenschreck eingejagt hat. Doch er grinst mich nur frech an und ist sich keiner Schuld bewusst. »Warum erschreckst du denn so? Hast du etwas zu verbergen?« Sofort wende ich mich wieder von ihm ab. Er macht mich heute echt fertig, mit seiner überragenden Menschenkenntnis. Muss wohl am Alkohol liegen. Oder bekommt er immer so viel davon mit, was um ihn herum passiert und sagt nur nichts dazu? Matt beugt sich zu mir herunter, damit ich ihn besser verstehen kann. »Langsam wird es wirklich auffällig. Du musst besser aufpassen«, raunt er mir ins Ohr und ein Schauer durchfährt mich. »Du starrst Tai an wie eine Verhungernde im Süßigkeitenladen. Und das seit geschlagenen zehn Minuten.« Was? Wirklich? Das hatte ich gar nicht bemerkt. Oh, warum konnte ich mich nicht ein mal zusammenreißen? Es fiel mir doch früher nie so schwer, meine Gefühle für Tai geheim zu halten. Aber Matt liest in mir wie in einem offenen Buch. Das ist total scheiße! Er hat recht. Wenn ich nicht besser aufpasse, geht es Sora bald genauso. Oder noch schlimmer: Tai bemerkt es. Oh Gott. Bei der Vorstellung sträubt sich einfach alles in mir. Was würde er nur von mir halten, wenn er wüsste, an was ich gerade gedacht habe? »Du irrst dich. Ich will nichts von Tai. Nicht das Geringste.« Wütend leere ich mein Glas in einem Zug und drücke es Matt in die Hand. Dann lasse ich ihn stehen. Doch dieser stellt nur schnell das leere Glas hinter sich auf die Theke und geht mir dann nach. »Beweis es«, ruft er mir hinterher. Ich halte inne und drehe mich zu ihm um. »Was?« »Beweis es«, wiederholt er und grinst mich siegessicher an. Er kommt näher und bleibt so dicht vor mir stehen, dass wir uns fast berühren. Seine Nähe macht mich nervös. Mein Körper reagiert ganz instinktiv auf ihn. Jeder Muskel spannt sich an, während Hormone wie ein Feuerwerk durch meinen Körper schießen und mein Unterleib sich verlangend zusammenzieht, als er unerwartet einen Arm um meine Taille legt und mich an sich zieht. Ich lehne mich zurück, unsicher, was ich nun tun soll. Er beugt sich zu mir und kurz erwarte ich, dass er vorhat mich zu küssen. Doch er tut es nicht. Stattdessen legt er die Lippen an mein Ohr, was mich erschaudern lässt und flüstert: »Beweis, dass du nicht in Tai verliebt bist und schlaf mit mir.« Mein Herz bleibt für einen Moment stehen, nur um dann umso schneller weiter zu schlagen, während er mich noch enger an sich zieht. Würde er mich nicht festhalten, hätten meine Beine sicher unter mir nachgegeben. Und das Schlimme an der ganzen Sache ist: er spürt ganz genau, welche Wirkung er auf mich hat. Verdammt. Herausfordernd funkle ich ihn an. Am liebsten würde ich ihm sein überlegenes Grinsen aus dem Gesicht wischen. Ich gehe auf die Zehenspitzen und lehne mich ihm entgegen, bis auch meine Lippen sanft sein Ohr berühren. Seine Finger krallen sich erwartend in meine Haut, aber da hat er die Rechnung mit der Falschen gemacht. »Ich muss dir gar nichts beweisen.« Ich schiebe ihn von mir und mache einige Schritte rückwärts. »Geh nach Hause, Matt. Du bist total betrunken.« Fast wirkt er ein bisschen beeindruckt, dass ich ihm widerstanden habe, aber sein schiefes Grinsen bleibt. Was denkt er sich eigentlich? Dass ich mich ihm einfach so an den Hals schmeiße? Er ist völlig verrückt. Oder völlig betrunken. Oder beides, mir egal. Er antwortet nichts mehr darauf, weshalb ich mich umdrehe und gehe. Ich will wirklich nur noch weg von hier. Doch gerade, als ich gehen will, laufe ich Tai in die Arme. Ich pralle gegen seine Brust und er hält mich an den Armen fest, damit ich nicht umfalle. Als ich zu ihm aufsehe, bemerke ich den fragenden Blick, mit dem er mich mustert. Er hebt kurz den Kopf und sieht zu Matt, der immer noch ungerührt an seinem Platz verharrt. Dann sieht er wieder mich an. »Ist alles in Ordnung?«, fragt er und ich höre den Hauch von Misstrauen in seiner Stimme. Aber dafür habe ich heute keinen Nerv mehr. »Ja, alles gut. Ich will einfach nur nach Hause. Ich bin echt müde. Wir sehen uns« Und bevor er noch irgendetwas darauf erwidern kann, gehe ich an ihm vorbei und verlasse die Bar. Ich habe keine Lust mehr auf dieses Spiel. Tai und Sora. Matt. Das alles wächst mir über den Kopf. Alles, was ich gerade fühle, ist zu viel für mich. Dieser Abend hat mich komplett verwirrt. Ich denke, ich sollte sie alle eine Weile nicht sehen. Ja, das wäre wohl das Beste. Außerdem hoffe ich inständig, dass sich Matt morgen an nichts mehr erinnert. Das würde sonst nur peinlich werden, bei unserer nächsten Begegnung. Das kann ich nicht auch noch gebrauchen. Als ich ein Taxi anhalte und einsteige, hämmert mein Kopf wie verrückt. Ich drücke die Stirn gegen die Fensterscheibe und schließe gequält die Augen. Wann habe ich mich das letzte Mal so sehr auf mein Bett gefreut? Gerade, als ich drohe wegzudriften, klingelt mein Handy in meiner Jackentasche. Erschrocken fahre ich hoch und ziehe es hervor. Eine mir unbekannte Nummer leuchtet auf dem Display auf. »Hallo?«, gehe ich dennoch ran. »Guten Abend, spreche ich da mit Mimi Tachikawa?«, höre ich die Stimme einer jungen Frau am anderen Ende der Leitung. »Ja, die bin ich.« »Hier ist das St. Luke's International Hospital. Frau Tachikawa, es geht um ihren Vater. Er wurde vor einer halben Stunde hier eingeliefert.« Mir bleibt die Luft weg. Mit einem mal sitze ich kerzengerade und hellwach auf der Rückbank des Taxis. Was? Dad? Im Krankenhaus? »Was ist passiert?«, frage ich voller Panik, während mein Puls von 0 auf 100 in die Höhe schießt. »Das würden wir gerne persönlich mit Ihnen besprechen. Können Sie kommen?« Ich nicke. »Natürlich. Ich bin in einer viertel Stunde da.« Ich lege auf und weise den Taxifahrer an, eine andere Route einzuschlagen. Dad … Nein, das darf nicht sein. Nicht das jetzt auch noch. Bitte nicht. Ich schicke mehrere Stoßgebete Richtung Himmel und bete dafür, dass es ihm gut geht. Aber mein Gefühl sagt mir etwas anderes. Mein Gefühl sagt mir, dass ich ihn hätte heute nicht allein lassen dürfen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)