Die Sonne scheint für alle von MariLuna ================================================================================ Kapitel 30: ------------ XXX.   Erschöpft lässt sich Mao Sadao auf die unterste Treppenstufe sinken. Er fühlt sich ausgelaugt, aber das ist normal und wird sich schnell wieder geben. Es kostet viel Energie, sich drei Kilometer weit von Dach zu Dach zu teleportieren. Er hätte wirklich daran denken sollen, als er sich heute von Sasaki-san mitnehmen ließ, dass er ohne sein Fahrrad so gut wie aufgeschmissen ist. Natürlich hätte er den Heimweg mit dem Bus bestreiten können – aber das dauerte ihm zu lange. Er wollte so schnell wie möglich wieder nach Hause. Zum Glück ist sein Magiekern noch gut aufgeladen, so dass er auf seine Teleportationskräfte zurückgreifen konnte. Heimlich. Über die Dächer, damit man ihn nicht sah. Und in kleinen Etappen, weil er sehen muss, wohin er sich teleportiert – er landet ungern mitten in einer Mauer. Und das alles nach einer Doppelschicht, zu der er sich dummerweise überreden ließ. Früher hätte er sich über diesen Zusatzlohn wirklich gefreut, doch heute empfindet er das Ganze nicht nur rückblickend als verschwendete Lebenszeit. Das ist ein völlig neues Gefühl für ihn. Aber er musste ständig an Lucifer denken und daran, wie er diese Zeit am Burgergrill oder hinter dem Verkaufstresen viel besser nutzen könnte. Mit ihm und Alciel. Wie gerne würde er das von gestern Abend noch einmal wiederholen. Es fühlte sich so gut, so aufregend und warm an, als sie ihren Engel mit Zärtlichkeiten überschütteten, und als dieser langsam unter ihnen dahinschmolz, schmolz auch etwas in ihm, und er will mehr, viel mehr davon. Ob das dieses Gefühl ist, das die Menschen Sehnsucht nennen? Als er so auf der Treppe sitzt und langsam wieder zu Kräften kommt, weht aus dem halbgeöffneten Fenster schräg über ihm ein seltsames Geräusch zu ihm hinunter. Es dauert etwas, bis er es als Alciels Lachen erkennt. Es ist wieder dieses herzliche, ausgelassene Gelächter, das er in den letzten Jahren so selten gehört hat, so dass er schon ganz vergaß, wie schön es klingt. Und so bleibt er einen Moment lang einfach nur sitzen und hört zu. Und als sich dann auch noch Lucifers Gelächter dazumischt, kann er sich ein kleines Lächeln nicht mehr verkneifen. Was auch immer die beiden dort machen – sie haben eindeutig viel Spaß. Plötzlich von neuem Elan durchströmt, springt er auf und eilt die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf. „Ich bin wieder zurück!“ Beschwingt tritt er durch die Tür und bleibt dann erstmal wie angewurzelt stehen. Oh. Huh. Mao blinzelt einmal und dann ein weiteres Mal, doch das Bild verändert sich nicht. Es ist nicht so sehr der mittelgroße Flachbildschirm, der plötzlich auf dem kleinen Katzentisch steht, oder die weiße Spielekonsole daneben, was ihn so überrascht– ehrlich gesagt, schenkt er all dem kaum einen Blick – sondern der Anblick seiner beiden Generäle, die nebeneinander auf dem Rücken auf den Tatamimatten liegen und ausgelassen lachen. Er hat sie zwar schon gehört, aber das … von Lucifer ist er solch ein Benehmen gewöhnt, aber Alciel? Der pingelige, immer so überaus korrekte, auf seine Würde bedachte Alciel? Und das Beste ist: er hat ihn noch nicht einmal bemerkt. Ein wenig pikiert darüber, übersehen zu werden, pellt sich Mao aus Jacke und Schuhen und versucht es dann erneut, diesmal etwas lauter: „Ich bin zurück!“ Während sich Lucifer nur lässig auf die Seite rollt und ihm zuwinkt, springt Alciel sofort schuldbewußt auf die Füße. „Oh, Mylord, verzeiht. Willkommen Daheim.“ Er macht einen hastigen Schritt auf ihn zu, bemerkt dann aber, dass er noch den Controller in der Hand hält, reicht diesen Lucifer und kommt Mao dann entgegen. „Ich sehe, ihr habt Spaß“, kommentiert Mao belustigt und ignoriert entschlossen den leisen Stich der Eifersucht in seinem Herzen. Er hätte auch so viel Spaß haben können, wenn er nicht diese blöde Schicht hätte übernehmen müssen! „Verzeiht, ich werde Euer Essen gleich auftischen.“ Alciel verbeugt sich mit hochrotem Gesicht und eilt schnell den einen Meter weiter zur Küchenzeile, wo er sofort beginnt, mit Töpfen und Tellern zu hantieren. „Ashiya“, fühlt sich Mao sofort bemüßigt, ihn zu beruhigen, „bitte, nur keine Eile. Es muss nicht immer alles schon auf dem Tisch stehen, wenn ich nach Hause komme. Ich freue mich viel mehr darüber, wenn ich sehe, dass ihr euch so gut versteht.“ „Oi, Mao-Baka, du bist doch nicht etwa neidisch?“ ruft Lucifer da vergnügt. „Wir haben noch einen dritten Controller, komm her und spiel mit.“ Vielsagend deutet er auf einen einsam auf dem Tisch liegenden Controller. Das läßt sich Mao nicht zweimal sagen. „Hast du den ganzen Laden leergekauft?“ scherzt er, als er sich schließlich neben ihm niederlässt. „Keine Sorge“, grinst Lucifer, während er sich wieder aufrappelt, „der Bildschirm und die Konsole waren Vorführmodelle, die waren supergünstig.“ Und dann fügt er verschmitzt, mit einem schnellen Blick zu dem Blonden in der Küche hinzu: „Ich kann doch nicht riskieren, dass mein Ehemann Alciel einen Herzinfarkt bekommt. Das wäre meinem anderen Ehemann Mao-sama bestimmt nicht recht.“ Maos Antwort besteht aus einem zustimmenden Brummen. Er hört ihm nur mit halben Ohr zu, während er versucht, aus den verschiedenen Knöpfen auf dem Controller irgendwie schlau zu werden. Warum sieht das so kompliziert aus? Es ist doch nur ein Spiel. „Jakobu?“ „Hm?“ fragend blickt er auf und sieht sich plötzlich mit einem überraschend schüchternen Lucifer konfrontiert. „Hier.“ Mit vor Verlegenheit hochroten Wangen reicht er ihm eine kleine Schachtel. „Für dich.“ Verdutzt nimmt Mao sie entgegen und seine Verwirrung steigert sich noch, als er erkennt, dass es sich um ein Smartphone handelt. „War ein Angebot“, beeilt sich Lucifer zu versichern und fügt dann mit einem schiefen Lächeln und einem verlegenen Schulterzucken hinzu: „Alciel hat dasselbe bekommen. Du kannst schließlich nicht immer nur mit diesem alten Klapphandy herumrennen. Und wenn ihr mir schon eine Spielekonsole gestattet, dann kann ich ruhig noch etwas für euch drauflegen, oder?“ Perplex starrt Mao erst ihn an und dann auf die kleine Schachtel in seiner Hand. Er hat plötzlich ein furchtbar schlechtes Gewissen. Aber es dauert nicht lange, und dann überwiegt die Freude. Wenn Lucifer ihnen gegenüber so großzügig ist, bedeutet das doch, dass der Bruch zwischen ihnen wirklich heilt, nicht wahr? „Danke-“, beginnt er, doch in diesem Moment beginnt Alciel hinter ihnen laut zu greinen. „Oh nein, wie konnte mir das nur passieren? Mylord, ich habe einen furchtbaren Fehler gemacht.Ich war zu sehr abgelenkt und habe vergessen, den Reiskocher anzustellen. Es dauert noch eine halbe Stunde, bis das Essen fertig ist.“ Mao öffnet den Mund, doch Lucifer ist schneller. „Dann komm wieder her und spiel mit uns, Alciel!“       Das Abendessen verläuft in einer genauso entspannten Atmosphäre wie das Frühstück – und diesmal gesellt sich sogar noch Lucifers ungewohnt vergnügte Stimmung dazu. Selbst sein offensichtliches Handicap in Form seines geschienten Unterarms und der eingeschränkten Nutzbarkeit seiner Hand scheint ihn diesmal nicht wirklich zu stören. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass Alciel ihm anstatt Stäbchen diesmal Gabel, Löffel und Messer gibt. Mao jedoch verspürt bei diesem Anblick, wie Lucifer umständlich das Essen in sich hineinschaufelt, nur wieder ein schlechtes Gewissen. Und daher zieht er sich nicht wie sonst nach dem Abendessen mit einem Manga zurück – oder, was heute vielleicht eher der Fall wäre, greift zum Controller um sich mit seinen beiden Generälen wieder ein virtuelles Rennen zu liefern – sondern holt kurzentschlossen ihre Jacken und wirft sie ihnen zu. „Kommt mit.“ „Ich auch?“ erkundigt sich Lucifer irritiert. „Ja, Lucifer, gerade du.“ Lucifer runzelt die Stirn, zieht es aber vor, bei diesem Tonfall und unter diesem rotglühenden Blick lieber nicht zu protestieren. Dabei hatte er wirklich gehofft, dass sie weiter MarioKart zocken könnten, denn er hatte selten so viel Spaß. Wenn sie mit ihren Avataren mitfiebern zeigen sich Mao und Alciel mal ganz unverfälscht und lassen ihren Emotionen freien Lauf und es gibt nichts Faszinierendes als einen nach Herzenslust fluchenden Alciel oder einen heimtückisch kichernden Mao, wenn dieser wieder eine Bananenschale in den Weg seiner Gegner wirft. Wenn diese dämonische Seite unter ihrer angepassten, menschlichen Fassade hervorblitzt, fühlt sich das beruhigend vertraut an – vorausgesetzt, es richtet sich nicht gegen ihn. „Wohin gehen wir, Mylord?“ fragt Alciel, während er gehorsam in seine Jacke schlüpft. „Wir“, erklärt Mao mit unternehmungslustig blitzenden Augen und stemmt die Fäuste in die Hüften, „gehen jetzt ins Kino und sehen uns den schlimmsten Horrorfilm an, den sie zu bieten haben. Und wenn das nichts bringt, wechseln wir zu einem Porno.“ „Unser Budget...“ jammert Alciel automatisch, bis ihm Lucifers Geld wieder einfällt. Dann zieht er zwar immer noch eine Grimasse, klappt aber den Mund wieder zu. Lucifer verdreht nur die Augen, wirft sich seine Jacke über die Schultern und trottet dann zu den anderen beiden hinüber zum Schuhschrank. „Ich habe Lucifer ein Versprechen gegeben und es wird Zeit, dem Taten folgen zu lassen“, erklärt Mao derweil ernst. „Einen Versuch ist es wert und wenn es nicht klappt, hatten wir wenigstens einen schönen Abend zusammen.“ Lächelnd wuschelt er Lucifer durch die Haare. Der seufzt nur ergeben.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)