Die Sonne scheint für alle von MariLuna ================================================================================ Kapitel 24: ------------ XXIV.   Mißmutig starrt Lucifer auf die Rücken seiner beiden Pseudo-Ehemänner. Ihre Rollen sind vertauscht. Jetzt sitzen sie vor seinem Laptop und er an dem niedrigen Tisch und versucht, sich mit einem von Maos Mangas abzulenken. Nicht, dass ihm das bei der Geräuschkulisse wirklich gelingt. Ergeben klappt er den Manga wieder zu und legt ihn beiseite. „Ich kann nicht glauben, dass ich zulasse, dass ihr euch das anseht.“ Und warum hat er ihnen nur diese Website gezeigt? Warum nochmal erschien ihm das wie eine gute Idee? Mao wirft ihm nur einen kurzen Blick über die Schulter zu und beugt sich dann noch ein paar Zentimeter weiter vor Richtung Bildschirm. „Oh, Lucifer, hör auf zu jammern. Das ist aus reinen... wie nennt man das, Ashiya?“ „Ich glaube, das Wort, dass Ihr sucht, Mylord, lautet Forschungszweck.“ „Ja, genau. Das ist aus reinen Forschungszwecken.“ Lucifer rollt mit den Augen. Jetzt erinnert er sich wieder. Es war seine Idee gewesen, weil er sie in Verlegenheit bringen wollte. Nun, das ist nicht der erste Plan, der sich als Bumerang erweist. „Stellt wenigstens den Ton ab.“ Er verzieht das Gesicht, als die anfänglichen Stöhngeräusche immer lauter werden. Er hofft inständig, dass ihre Nachbarin nichts davon mitbekommt. Er kann sich leider nicht erinnern, ob der Eindämmungszauber auch ganz allgemein für Geräusche gilt oder nur für Worte. Als das nächste Keuchen an seine Ohren dringt, krümmen sich ihm bei der Tonlage fast die Zehennägel. „Das ist viel zu übertrieben! So klingt doch keiner!“ „Ich vergesse immer wieder, dass du hinreichend Erfahrungen damit hast“, kommt es schnippisch von Mao zurück. „Genau wie ihr! Und genau deshalb verstehe ich nicht, wieso ihr euch das reinziehen müsst. Ihr wißt doch, wie es geht.“ „Ja“, erwidert Alciel todernst, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen, „aber wir haben jetzt menschliche Körper. Also müssen wir erforschen, wie es die Menschen machen. Wir wollen schließlich nicht auffallen und Mao-samas Reputation ruinieren.“ Lucifers Ächzen macht dem, das aus den eingebauten Lautsprechern kommt, Konkurrenz. „Seine hochgeschätzte Reputation leidet garantiert, wenn du so etwas in der Öffentlichkeit machst!“ Er hätte ihnen einen verdammten Disney-Film zeigen sollen. „Wir sind hier nicht in der Dämonenwelt!“ Wobei man auch dort Wert auf seine Privatsphäre legt. Nur die Heilige Kirche denkt, dass Dämonen es wild überall und mit jedem treiben. Ph, Menschen! Ungewollt blitzen vor seinem inneren Auge die noch relativ frischen Erinnerungen an Finger, die brutal an seinem Haar ziehen, eine verwilderte Parkecke und einen Baum auf. Entschieden schiebt er sie beiseite. Er rutscht näher, wirft einen Blick über Maos Schulter auf den Bildschirm und schnaubt. „Das ist ein Film! Das ist nicht echt! Wenn du hier so etwas machst, ist sofort die Polizei hinter dir her!“ Aber Mao und Alciel schauen nur weiter wie gebannt zu, wie die beiden Laiendarsteller ihrer Leidenschaft nach Drehbuch frönen. In der gepflegten Gartenanlage eines Krankenhauses. Das alte Klischee von Arzt und Krankenschwester. Wobei die Krankenschwester sich nach dem Ausziehen als ziemlich strammer Kerl entpuppte. Lucifer wagt es, einen verstohlenen Blick erst auf Maos und dann auf Alciels Schoß zu werfen. Zu seiner großen Erleichterung kann er keine verdächtigen Ausbuchtungen erkennen. „Ich warne euch: nicht mit mir. Sowas mache ich nicht mit euch, wenn andere zusehen. … Und sowas mache ich generell nicht.“ Schaudernd wendet er sich wieder ab, als die „Krankenschwester“ ihren „Arzt“ mit einer Reitgerte züchtigt und ihm dann ihren Fuß ins Gesicht rammt, damit dieser ihr brav den Stiefel leckt. „Was?“ erkundigt sich Mao verdattert, jedoch ohne dabei den Blick vom Bildschirm zu nehmen. „Dich als Krankenschwester verkleiden? Jemanden auspeitschen und demütigen? Oder meinst du das andersherum – auspeitschen lassen und Stiefel lecken?“ Aufgebracht starrt Lucifer auf seinen Hinterkopf. Dämonenkönig hin oder her – wenn er solch ein Thema mit ihm bespricht, sollte er sich gefälligst zu ihm umdrehen. „Nichts davon“, zischt er und fügt dann mit einer wohldosierten Portion Gehässigkeit hinzu: „Hab ich schon ausprobiert. Bringt mir nichts.“ Es ist zwar schon Ewigkeiten her und an Einzelheiten erinnert er sich nicht, nur daran, dass ihm diese Sado-Maso-Rollenspiele nie behagten. Aber als er jung war, fügte er sich oft den Wünschen anderer - in allen Bereichen seines Lebens - immer in der Hoffnung, etwas zurück zu bekommen, ganz egal, wie er sich dabei fühlte. Auf sein Kommentar hin wirft ihm Alciel einen schwer zu deutenden Blick zu. „Was ist?“ verunsichert starrt Lucifer zurück. Warum fühlt er sich jetzt unter diesem Blick bitteschön schuldig? „Ich hatte ein Leben, bevor ich euch traf. Und ein noch viel längeres, bevor ich auf diesen apokalyptischen Mond kam, den ihr Heimat nennt.“ Alciel öffnet kurz den Mund, als wolle er etwas sagen, besinnt sich dann aber eines besseren und schließt ihn wieder. Er hat sich schon halb wieder dem Laptop zugewendet, da entschließt er sich doch noch anders und dreht sich wieder um. „Lucifer...“, beginnt er behutsam. „Deinem Tonfall entnehme ich, dass du zwar über eine Unmenge an Erfahrungen in diesem Bereich verfügst, aber es scheinen hauptsächlich keine guten gewesen zu sein. Zuhause hast du auch nie großes Interesse gezeigt, egal, wie willig sie dir zu Füßen lagen.“ „Und sie waren sehr willig“, ergänzt Mao unvermittelt und dreht sich nun ebenfalls zu ihm um. Er und Alciel zeigen beide dieselbe auffordernde Miene. Lucifer fühlt sich sofort unter Druck gesetzt und seine erste Reaktion besteht in Verleugnung und Abwehr, doch seine Vernunft ist schneller. Dieser Tag war seit langem der Beste, seit er hier auf der Erde ist und es wäre töricht, das alles aus einer Laune heraus zu ruinieren. „Worauf wollt ihr hinaus?“ erkundigt er sich daher vorsichtig. Mao und Alciel wechseln einen schnellen Blick. „Ich glaube“, meint Mao schließlich gedehnt, „was uns beide nicht loslässt, ist die Diskrepanz zwischen deinen Erfahrungen, deiner Zurückhaltung Zuhause und der Tatsache, dass du hier freiwillig Menschen an dich herangelassen hast, obwohl wir wissen, wie wenig du auf Körperkontakt stehst. Na ja“, schränkt er mit einem verlegenen Grinsen ein, „wenn man die letzten Tage mal außer Acht lässt, aber ich glaube, das ist etwas völlig anderes, nicht wahr?“ Lucifer wünscht sich, er hätte die Klappe gehalten, denn dann würden sie noch ihren Porno „studieren“ und er wäre nicht gezwungen, sich selbst zu erklären. „Ich lasse mich nun einmal nicht gerne von jedem ungefragt antatschen. Und was den Sex betrifft... im Himmel gibt es nicht viel Abwechslung. Natürlich habe ich Erfahrung, genau wie ihr. Aber ich stellte schnell fest, dass sie weniger an mir als an meinem Status als Erzengel interessiert waren. Und in der Dämonenwelt war es genau dasselbe. Ja, sie waren willig, aber doch nur, weil ich Satans General war. So nötig hatte ich es nun auch wieder nicht. Nicht, wenn ich stattdessen durch die nächste Wolkenfront fliegen konnte.“ In seine Augen tritt ein verklärter Glanz und um seine Lippen zuckt ein versonnenes Lächeln, als er unwillkürlich die Arme etwas ausstreckt und die Finger bewegt, ganz so, wie er es immer macht, wenn er hoch droben am Himmel mit den Fingern durch eine Wolke streicht. Dann wird ihm siedendheiß bewußt, was er hier tut. Hastig faltet er die Hände im Schoß. „Und was die Menschen hier betrifft … es war die einzige Möglichkeit, schnell und legal an viel Geld zu kommen.“ Über die Sache mit der Magie redet er nicht, das wissen sie und er will es sich ersparen, daran mehr als nötig zu denken. Schweigend denken Mao und Alciel darüber nach. Ihnen ist beiden der bittere Unterton in Lucifers Stimme nicht entgangen und sie wissen beide nicht so recht, wie sie darauf reagieren sollen. Würden sie nun einfach nur ihren Impulsen folgen, hätte jeder von ihnen den gefallenen Engel ganz fest umarmt, aber jetzt, vor dem jeweils anderen, verspüren sie beide eine große Unsicherheit. Im Hintergrund läuft immer noch der Porno und das Keuchen und Stöhnen und Betteln der Akteure ist in dieser Zeit die einzige Geräuschkulisse in der kleinen Wohnung. So lange, bis Lucifer mit gequälter Miene zu ihnen rutscht, zwischen sie langt und die Website wieder schließt. „Hört zu...“ beginnt er, wird jedoch durch ein lautes, polterndes Geräusch, das von draußen hereindringt, unterbrochen. Die drei erstarren unwillkürlich. Dann seufzt Mao einmal lange und gequält auf. „Emi...?“ Instinktiv springen sie alle drei auf die Füße und wirbeln zur Eingangstür herum, da gibt es ein erneutes Poltern, diesmal jedoch, weil sich jemand oder etwas gegen die Tür wirft. Sie wird so heftig geöffnet, dass der Rahmen bedenklich knirscht und dann stürmt eine aufgelöste Sasaki Chiho herein.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)