Birds von Scharon ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Als ich die Augen wieder aufschlage, spüre ich Schmerz im linken Arm und am Kopf. Ich sitze zusammengesackt am Boden, nur der linke Arm ist nach oben gestreckt. Was zur Hölle ist gerade passiert? Ich will mich bewegen, doch mein Arm wird zurück gehalten. Da erkenne ich die Stahlplatte, welche quer über mein linkes Handgelenk an der Wand neben mir fest geschweißt ist. Im Reflex versuche ich meinen Arm zu befreien, doch die Lücke zwischen Stahl und meiner Hand lässt nicht genug Platz um hindurch zu kommen. Am Daumen angelangt, bleibe ich stecken. „Versuchs nicht.“ Das ist die Stimme vom Blonden. Ich sehe auf. Er steht direkt neben mir. Grob packt er mich am Kragen und zieht mich zu sich hoch, bis ich auf meinen Füßen stehe. Mein Schädel dröhnt, der Kreislauf ist noch nicht wieder stabil. „Was soll das?“, sage ich mit einem zusammen gekniffenen Auge. Er lacht auf. „Alles läuft nach Plan.“ Ich erschrecke. Dann wende ich den Kopf. Von dem Gebäude steht kaum noch eine einzige Mauer. Du wütest durch die Trümmer, umzingelt von grausam zugerichteten Leichen. Ein paar Männer stehen noch, befeuern dich. Doch du lachst nur quietschend. Rote Male wandern über deine Arme und deine Wangen. Dies ist die wahre Gestalt deiner Fähigkeit. Das rücksichtslose Monster, welches dein Selbst übernommen hat, ist nicht zu übersehen. So habe ich dich kennengelernt. Ich schlucke. Du hast auf mich gehört, diese tödliche Fähigkeit angewandt, mal wieder. Finger graben sich in das Haar an meinem Hinterkopf und zerren es schmerzhaft nach hinten. Ich keuche auf. „Sieh nur hin. Sieh gut hin.“, kichert der Mann neben mir. „Das Lachen wird dir gleich vergehen. In diesem Zustand kennt Chuya keine Grenzen mehr. Er wird dich mit samt deiner gesamten Sippe in Staub zerbröseln.“, fauche ich wütend. „Warum denkst du, bist du noch am Leben?“ Seine dunkeln Augen sind auf mich gerichtet. Ich blinzel, beiße die Zähne zusammen. „Weil ich will, dass du es mit ansiehst.“ Meine Augen weiten sich erstaunt. Dann dreht er meinen Kopf, dass ich wieder zu den Explosionen vor mir sehen muss. „Sie zu, wie wir unsere Mission erfüllen.“ Was? Du schreist, beschießt ein paar Männer mit roten Lichtkugeln, quetschst andere mit samt ihren Waffen in den Erdboden. „Denkst du wirklich es geht darum Schulden zu begleichen?“ Mein Herz setzt einen Schlag aus. „Viele Grüße von der Kröte... Osamu Dazai.“ Ich schnappe nach Luft, da trifft eine der Lichtkugeln den blonden Kerl und reißt ihn mit sich. Ich sehe ihm nicht nach. Mein Blick haftet auf dir. Blut rinnt dir aus Nase und Mund während du abartig lachst. Du bist vollkommen verrückt geworden. Ich zerre an meinem Arm, während ich dich anstarre. Die Stimme des Blonden hallt in meinem Kopf. Ihre wahre Mission? Ihr Ziel ist es nie gewesen, die Hafenmafia um ihr Geld zu betrügen. Viel zu spät erkenne ich, worauf sie es wirklich abgesehen haben, während ich feststelle, dass ich hier festgekettet bin, ohne Aussicht dich erreichen zu können. Ihr Ziel war nicht die Hafenmafia generell. Es warst einzig und allein du. Der Tod von Chuya Nakahara. Verdammt, ich kann sie nicht gewinnen lassen! Verzweifelt zerre ich an meinem Arm, dass mein Handgelenk beginnt aufzuscheuern. Es hat keinen Zweck. Ruckartig drehe ich den Kopf zu dir. „Chuya!!“, brülle ich aus voller Brust. Du hörst mich nicht, lachst nur glucksend während dich deine Beine kaum noch aufrecht halten. Dennoch bombardierst du deine Umgebung. Ich schüttel den Kopf. Wie lange wütest du schon hier rum? Du siehst ein Vielfaches schlimmer aus als bei unserer ersten Begegnung. Ich beiße die Zähne fest zusammen und sehe meine Hand wütend an. Hastig durchsuche ich meine Taschen, doch die Waffe wurde mir weg genommen. Das Handy, welches ich aus der Hosentasche ziehe ist in zwei Teile gebrochen. Nein. Ich balle die rechte Hand zur Faust und betrachte meine linke Hand zornig. Wenn meine Hand nicht wäre, dann wäre ich frei. Ein unangenehmes Zucken fahrt durch meine Brust, bei dieser Erkenntnis. Meine Augen werden schmal und ich hole mit der rechten Faust aus. Mit einem tiefen Schrei, ramme ich meine Faust gegen das Gelenk am Daumen der linken Hand. Ich kann fühlen, wie die Knochen brechen. Beißender Schmerz strömt in meinen Arm. Ich ignoriere das kühle Brennen, zwänge die Hand stöhnend durch die schmale Öffnung, während das Blut, durch die aufgerissene Haut, meinen Arm hinunterläuft. Ich bin frei. Sofort fahre ich herum, renne zu dir. Von mir abgewandt wackelst du von einem Bein aufs andere, hast aufgehört zu lachen, gibst nur noch erstickte Laute von dir. Ich werfe mich nach vorne, schlinge meine Arme um deinen Körper, presse die Finger der rechten Hand an deinen Hals und deine Wange. „Du seist als Mensch disqualifiziert...“, hauche ich und meine Fähigkeit hüllt uns in blaues Licht, welches deine Fähigkeit zerschlägt. Ich spüre augenblicklich wie deine Muskeln entspannen. Vollkommen haltlos sackst du in meinen Armen in dich zusammen. Mein Hals schmerzt, es sticht in meiner Brust. Ich lasse dich an mir herunter gleiten, bis du in meinem Arm liegst. Der Blick auf dein Gesicht, nimmt mir die Luft zum atmen. Überall ist Blut, an deiner Nase, dem Mund, Kinn, Hals, Brust. Es läuft über deine Arme und nun auch über meine. Es tropft auf den Boden in die Lache unter dir. Du hast bestimmt bereits zwei oder drei Liter verloren und es wird stetig mehr. „Chuya...“, kommt es gepresst über meine Lippen, während sich mein Blick trübt. Deine Wange lehnt an meine Brust, deine Augen sind geschlossen. „Chuya... Mach die Augen auf...“, bitte ich dich, spüre Tränen über meine Wangen laufen. Du zuckst, dann heben sich tatsächlich deine Lider ein kleines Stück. Deine glasigen Augen suchen meinen Blick, als du mir in Zeitlupe den Kopf zuwendest. Mit jedem flachen Atemzug fließt ein Schwall Blut über deine Lippen. Dann fokussierst du mich plötzlich mit so gezieltem Blick, dass ich erschrecke. Ein Lächeln zieht sich über deine Lippen und ich beginne zu schluchzen. Dich so zu sehen... „Ah, Dazai...“ Deine Stimme ist leise, fast weich. „Dein Gesicht... so herrlich von Tränen entstellt... Was für ein wunderschöner Anblick...“ Ich drücke die Finger in deine Schultern. „Ich bin zu spät...“, spreche ich meine dunkelste Angst aus. Ich bin zu spät... Nichts kann dich mehr retten und Hilfe kann ich auch nicht rufen. Du blinzelst langsam, hältst dein Lächeln aufrecht. „Ja... Ich sterbe. Ich kann es fühlen...“ Warum wirkst du so unbeeindruckt? War es dir klar, dass es irgendwann so enden würde? Oder bist du einfach schon viel zu müde, um irgendetwas zu entgegnen? Ich schnappe nach Luft, lasse zu dass weitere Wassertropfen über mein Gesicht rollen. „Es tut mir leid...“ Ich schniefe. „Es tut mir so schrecklich leid...“ Ich kann rein gar nichts für dich tun. Diese lähmende Hilflosigkeit frisst sich in mein Herz und löst einen mir bis dahin völlig unbekannten Schmerz aus. Du ziehst mitleidig die Augenbrauen zusammen. „Ich weiß... Schon gut.“ Was soll das heißen? Verzeihst du mir etwa, dass ich dich sterben lasse?! Ich blinzel irritiert, doch du lächelst einfach weiter. Dann stöhnst du auf, bewegst den Arm. Was machst du denn? „Dazai...“ Du hebst deine Hand mit großer Anstrengung an, legst sie an meine Wange. Ich spüre deine heißen, feuchten Finger auf der Haut. Ein warmer Schauer durchfährt mich. Was tust du denn da? „Hör zu.“ Ich nicke. „Ich...“, setzt du an, da füllen sich deine Augen mit Tränen. Chuya... „Ich... ich bin immer...“, wimmerst du, die Tränen laufen dein Gesicht hinunter. Du willst genauso wenig hier sterben, wie ich es von dir will. „Ich bin wirklich immer gerne... mit dir zusammen... auf Missionen ge...“ Mein Herz schlägt wild in der Brust. Was sagst du da? Bevor du weiter sprechen kannst, verschwindet der Ausdruck in deinen Augen. Erschrocken sehe ich zu, wie deine Hand meine Wange verlässt und über deinen Bauch auf den Boden rutscht. Du schließt die Augen in der selben Bewegung, mit der deine Wange gegen meine Brust kippt. Ich spüre, wie du deutlich schwerer in meinen Armen wirst und ein letzter Blutschwall aus deinem Mund auf mein Hemd fließt. Nein. Nein, das darf nicht sein. „Chuya...?“ Ich schüttel deine Schulter. Schlaff schwankt dein Körper mit meiner Bewegung mit. „Chuya?“ Stechender Schmerz breitet sich in meiner Brust aus. Vergeblich versuche ich zu atmen, doch meine Brust ist wie zugeschnürt. „Mach die Augen auf...“, flehe ich obwohl ich weiß, dass meine Bitte nicht erhört werden wird. „Chuya...“ Mein ganzer Körper zittert, auch als ich endlich Luft in meine Luge zwingen kann. Als wäre ein Staudamm in mir gebrochen, fließt all der Schmerz durch meine Adern, den ich schon seit Jahren nicht mehr gespürt habe. Ich schreie, so laut und verzweifelt, wie ich es noch nie zuvor getan habe. Krampfhaft presse ich deinen leblosen Körper an mich. Ein weiterer Schrei entfährt meiner Kehle, so heftig das mein Hals brennt. Du bist tot. All mein Schreien und Flehen wird dich nicht zurück bringen. Ich habe verloren. Ich habe dich verloren. Erstickte Laute dringen aus meinem Mund, während ich meine Tränenflut an deiner Schulter verreibe. Es tut so weh, mein Herz droht zu zerspringen. All die Jahre habe ich dich gehasst. Du konntest nicht weit genug von mir entfernt sein. Alleine deine Stimme zu ertragen, hat mich größte Mühen gekostet. Also warum? Warum zum Teufel fühlt es sich an, als würde mir jemand die Eingeweide herausreißen? Ich fahre mit der Hand in deine wirren Locken schmiege meinen Kopf an deinen. Warum? Warum kann ich nicht aufhören dich an mich zu drücken? Wir waren doch nie Freunde, du bedeutest mir nichts. Langsam versiegen meine Tränen und ich beruhige meinen Atem. Erschöpft wandern meine Augen zu deinem Hut, der mir von einer Windböe ans Bein geweht wird. Dieses alberne Teil hast du immer voller Stolz getragen. Ich nehme deinen Hut vom Boden hoch und setze ihn auf deinen Kopf. Da gehört er hin. Das Feuer deiner Explosionen flackert um uns herum und hat begonnen den angrenzenden Wald in Brand zu stecken. Wir müssen hier weg. Oder soll ich einfach mit dir zusammen hier verbrennen? Nein. Mit festem Blick stehe ich auf, ziehe dich mit mir hoch, bis ich dich mit einem Arm über meiner Schulter tragen kann. Ich ignoriere die Schmerzen in meiner linken Hand, drücke dich an mich während ich damit beginne einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ich muss zurück zum Boss. Die Kröte. Sie haben dich getötet. Dafür werde ich sie bezahlen lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)