Immer dienstags von DieLadi ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Mycroft Holmes saß an seinem Schreibtisch, als sein Handy klingelte. Das private Handy, dessen Nummer nur ausgewählte Personen hatten. Er schaute auf das Display. Sherlock. Er verdrehte ein wenig die Augen. Es kam so gut wie nie vor, dass der ihn freiwillig anrief. Eigentlich nur, wenn er in Schwierigkeiten steckte oder wenn er seine Hilfe brauchte. Von Schwierigkeiten war derzeit nichts zu ahnen, daher vermutete Mycroft eher letzteres. Und so ging er an sein Telefon und nahm das Gespräch entgegen mit den Worten: „Was willst du?“ Einen Augenblick lang hörte er Sherlock nur schnaufen, doch dann schrie der geradezu ins Telefon: „Mycroft! Das kann nicht dein Ernst sein!“ Mycroft runzelte die Stirn. „Was?!“ „Bitte, Bruder“, sagte Sherlock sichtlich genervt, „sag mir, dass das nicht dein Ernst ist!“ „Sherlock, wovon in Gottes Namen redest du?“ Einen winzigen Augenblick schwieg Sherlock, dann sagte er mir offenbar mühsam unterdrücktem Ärger: „Du datest MEINEN Inspektor?“ Wie bitte? Mycroft glaubte sich verhört zu haben. „DEINEN Inspektor? Wir reden hier von Gregory Lestrade, mein Lieber. Ja, ich date ihn. Aber wie kommst du dazu, ihn als 'Deinen' zu bezeichnen?! Ich möchte gerne wissen, was Dr. Watson dazu zu sagen hätte!“ „Unfug“, schnaufte Sherlock. „Ich arbeite mit ihm zusammen. Er ist der einzige im Yard, der annähernd intelligent genug ist, um nicht daran zu verzweifeln. Und der daher klug genug ist, zu erkennen, dass dieser inkompetente Verein auf meine Hilfe angewiesen ist. Also ... ist er mein Inspektor, was die Arbeit betrifft. John weiß das.“ Mycroft schmunzelte. „Sherlock“, sagte er dann, „was genau ist jetzt dein Problem?“ „Ich ...“ Es war erstaunlich, dass ausgerechnet Sherlock jetzt keine Worte fand. Mycroft trommelte ungeduldig mit den Fingern auf die polierte Edelholzfläche seines Schreibtisches. „Sprich dich aus, Bruder, oder lass mich meine Arbeit weitermachen. Es ist ja nicht so, als ob ich nur auf deinen Anruf gewartet hätte.“ „Nun gut“, sagte Sherlock, „Marc Anthony. Ha. Wie lächerlich. Warum hast du ihm nicht gesagt, wer du wirklich bist?“ Mycroft schwieg. „Mycroft, ich kenne Lestrade nun schon einige Zeit, und ich weiß, dass er nicht so ist wie du und ich. Er ist in vieler Hinsicht ein ganz gewöhnlicher Mensch ...“ Mycroft schnaubte protestierend, doch Sherlock ließ ihn nicht zu Wort kommen. „... nein nein, ich meine damit: er leidet wie die meisten unter diesen chemischen Defekten, die sich 'Gefühle' nennen. Er wird an deiner Eiseskälte kaputt gehen! Ein bisschen mit ihm spielen, ein bisschen Sex haben, und ihn dann fallen lassen, wie du es immer tust ... das kannst du mit ihm nicht machen. Er zerbricht daran!“ Mycroft schüttelte sich. „Hör zu, kleiner Bruder, ich habe keinesfalls vor ...“ Doch Sherlock fuhr dazwischen. „Ach hör doch auf! Du bist doch gar nicht fähig, echte Gefühle zu empfinden, also gaukele mir hier nichts vor! Schon allein, dass du ihm einen falschen Namen genannt hast und deine Identität verschwiegen hast. Was meinst du denn wie er damit umgehen wird? Hintergangen zu werden?“ „Nun, ich würde es nicht gleich hintergehen nennen ...“ „Das ist es aber! Hör zu, ich weiß, ich bin kein Experte, was menschliche Gefühle betrifft. Dennoch haben ich nicht zuletzt Dank John eine Menge gelernt. Und ich kann dir eines sagen: Er wird das nicht einfach verzeihen.“ Sherlock schnaubte. „Mycroft, sag mir eins. Was genau sind deine Absichten?“ Mycroft musste nicht lange überlegen. „Ich weiß, das ist für dich schwer vorstellbar. Aber ... zum ersten Mal in meinem Leben ist hier ein Mann, von dem ich gerne mehr möchte als nur ein wenig Vergnügen. Gregory bedeutet mir etwas. Ich möchte mir mit ihm etwas aufbauen. Aber ... ich weiß nicht, ob ich dazu fähig bin. Ich weiß es einfach nicht. Und das ist dann auch auch der Grund, weshalb ich ihm mein Pseudonym genannt habe.“ „Sag es ihm“, sagte Sherlock. „Was?!“ „Sag ihm, wer du bist. Wenn du wirklich ernste Absichten hast, sag ihm deinen Namen. Und warum du das getan hast. Er ist kein Mann, der es verträgt, belogen zu werden. Und je länger die Lüge andauert, desto schwerer wird er sich damit tun, sie zu verzeihen. Glaub mir.“ „Gut ...“, sagte Mycroft zögernd. Und dann: „Ich kann es nicht glauben, dass mein eigener kleiner nerviger Bruder mir Beziehungstipps gibt.“ „Und ich kann es nicht glauben, dass mein großer, ach so überlegener, eiskalter Bruder überhaupt eine Beziehung anstrebt!“ Wieder schwiegen sie einen Moment, dann sagte Mycroft: „Danke, Sherlock.“ Einen Augenblick lang war Sherlock versucht, zu spotten: Ach, mein Herr Bruder bedankt sich? Geht jetzt etwa das Abendland unter? Doch dann verkniff er es sich. Das, was da gerade zwischen ihnen schwang, fühlte sich irgendwie … gut an. Und er wollte es nicht kaputt machen. „Schon gut“, sagte er daher nur. Dann grinste er und dachte: irgendwie war das jetzt beinahe ein 'Wenn du ihm weh tust, bring ich dich um' – Gespräch. Ach verdammt. John ist Schuld. John macht mich einfach zu weich. Und während er einhängte, ging ihm durch den Kopf: Nein. Nicht zu weich. Das ist schon gut so wie es ist. Und das Lächeln auf seinem Gesicht wurde überaus zärtlich, als er an seinen Doktor dachte. 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