Im Nebel der Vergangenheit von Charly89 (Mystery Spell) ================================================================================ Prolog: Neues Jahr ------------------ Neujahr ist das Tor, durch das sich Deine Probleme von einem Jahr ins andere schmuggeln. Willy Meurer   Emma erholte sich in den nächsten Wochen – zumindest körperlich – recht gut. Die erste Woche an der Uni war gut um wieder in die Normalität zurück zu kehren. Doch das Kindermädchen wusste, dass sie nicht umhinkam sich dem zu stellen, was zwischen ihr, den Brüdern und Sebastian geschehen war. Noch dazu, wo das auffällige Verhalten der besagten Individuen sie immer wieder damit konfrontierte. Sie hatte Nicolae irgendwann zur Sicherheit gefragt, ob sie wieder ‚normal‘ sei, weil sie sich unsicher war, ob das offensichtlich immer noch vorhandene Interesse … nun … ehrlich war oder nicht. Nach einem angestrengten Räuspern hatte er ihr versichert, dass sie wieder völlig normal sei. Ende November hatte sie sich dann entschieden. Nach langem hin und her hatte Emma mit Sarah gesprochen. Sie brauchte jemanden mit dem sie zumindest grob über die Herren reden konnte. Und dem, was sie für sie empfand. Die Meinung ihrer Freundin war im ersten Moment sehr deutlich: sie solle sich Sebastian schnappen! Was nicht verwunderlich war, wenn man bedachte wie sie zu den Bartholys stand. Aber die junge Osbourne hatte sich schließlich doch auf eine Detaildiskussion eingelassen, die, widererwartet, doch recht objektiv war und dem Kindermädchen die Möglichkeit gab, sich und ihre Gefühle etwas besser zu sortieren. Am Ende stand die Frage, ob sie ihre Erinnerungen nun wieder möchte, oder nicht. Das Gespräch darüber war sogar noch länger und widersprüchliger wie das Gespräch über die Männer. Für und Wider wurde wieder und wieder hergebetet … ohne eindeutiges Ergebnis. Als Sarah dann irgendwann flapsig meinte, dass es ja den Bartholys gegenüber eigentlich unfair wäre, dass sie sich nur an die Nacht mit Professor Jones erinnern könnte, lief Emma hochrot an. Und sie stimmte ihr gedanklich zu. Ihre Freundin hatte schon irgendwie recht … Und damit war die Entscheidung schneller gefallen, wie es die ewige Diskussion hätte vermuten lassen. Noch am selben Abend hatte sie Nicolae darüber informiert, dass sie ihre Erinnerungen doch gerne wiederhätte. Seine Reaktion war schwer zu deuten, aber widersprechen konnte er nicht; er hatte es ihr ja angeboten und indirekt versprochen. Am Wochenende vor Weihnachten erfüllte er schließlich ihren Wunsch und die junge Frau konnte ihre Gedächtnislücken schließen. Nun musste sie mit den neugewonnen Erinnerungen erstmal umzugehen lernen und schließlich eine finale Entscheidung treffen; denn so wie es die letzten Wochen gelaufen war, konnte es nicht weitergehen. Die junge Frau brauchte Sicherheit und eine klare Linie, eine Richtung, in der sie sich weiterbewegen wollte. Und auch die Männer hatte es verdient, endlich zu erfahren, woran sie nun bei ihr waren …   „Und?“, brüllt Sarah ihr förmlich ins Ohr, um die extrem laute Musik, und die noch lautere Meute um sie herum zu übertönen. Fragend und mit skeptisch hochgezogener Augenbraue sieht Emma ihre Freundin an. Sie ahnt was sie meint; will die Frage aber eigentlich nicht beantworten und mimt deshalb die Unwissende. Die junge Osbourne wackelt mit den Augenbrauen und lehnt sich noch näher an das Kindermädchen. „Welcher der Herren soll es denn nun sein?“, hakt sie kichernd nach. Gespielt empört stößt Emma ihr Gegenüber mit der Schulter und beginnt dann ebenfalls zu kichern. Ja, der Alkohol zeigt seine Wirkung überdeutlich. Aber was soll’s. Es ist Silvester und die Party im vollem Gange. Die Uni hat, wie jedes Jahr, eine eigene Feier organisiert und alle Studenten dürfen kommen. Die beiden Frauen sind natürlich dabei. Sarah hätte den Abend sonst mit ihrer Großmutter verbringen müssen und Emma mit den Bartholys. So sehr sie sie liebt, aber eine Feier mit ihnen … das wäre wohl eher peinlich oder totlangweilig geworden. Der einzige der noch versteht, wie „feiern“ geht ist Drogo, weil er regelmäßig bei Partys ist und auch gerne mal die Clubs und Bars unsicher macht. Peter und Nicolae … das Kindermädchen hat da so ihre Zweifel. Außerdem schienen sie sich eh nicht viel aus dem letzten Tag des Jahres zu machen – was wiederum verständlich ist. Wenn man so alt ist und unsterblich, was bedeutet da ein Jahr mehr oder weniger schon. So sind sie hier gelandet und haben schon ordentlich gefeiert, und getrunken. Mitternacht rückt minütlich näher und das angekündigte Feuerwerk lockt mehr und mehr Menschen aus der Turnhalle und Mensa ins Freie. Emma nutzt diesen kleinen Strom der sich gebildet hat und schließt sich an. Sie zieht Sarah mit sich. Hier in der Menge wird ihre Freundin erstmal nicht weiter nachfragen, zumindest hofft sie das. „Du entkommst mir nicht“, orakelt die junge Osbourne mit verstellter Stimme und muss dann loslachen. Dem Kindermädchen ist das nur allzu bewusst. Sie haben so oft darüber gesprochen, und auch über ihre Unsicherheit und ihre Bedenken – bei allen. Keiner von den Männern ist „leichte Kost“ so viel steht fest. Bei jedem kommt ein Stapel Probleme auf sie zu. Sarah musste sich alles anhören, wieder und wieder. Verständlich, dass sie jetzt nun auch wissen will wie sie sich entschieden hat. Tatsächlich war das ein Deal: Silvester wird sich spätestens entschieden. Auch wenn sie damit eigentlich nicht so richtig glücklich war, hat das Kindermädchen zugestimmt. Manchmal braucht man einfach ein Ultimatum, einen Arschtritt, um endlich eine Entscheidung zu treffen. Und die hat sie getroffen; vor mehreren Wochen schon um ehrlich zu sein. Aber davon weiß noch niemand etwas. Sie muss eigentlich nur Sarah sagen wie ihre Entscheidung ist. Wobei es sich anfühlt, als müsste sie den Mount Everest besteigen. Es laut auszusprechen wird es wahr und real machen; und davor fürchtet sich Emma ein wenig. Aber es muss! Genau deswegen der Deal; eine feste Deadline und das mitteilen der Entscheidung. Sie kennt sich, sie würde alles noch die nächsten Jahre vor sich herschieben. Das wäre ungesund für sie; und unfair für die Männer. Draußen empfängt die feiernde Meute der eisige Dezember. Es gab noch keinen Schnee aber sein Geruch liegt bereits in der Luft und er wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Der Platz vor der Uni und die Wege sind mit Fackeln gesäumt, die Licht und ein winziges bisschen Wärme erzeugen. Die Studenten sind unruhig, laut und völlig überdreht. Ein Monitor an der Außenwand eines der Flügel zeigt die Uhrzeit, exakt mit Sekunden. 23:52:47. Emma wird mulmig, und das liegt nicht am konsumierten Alkohol. Noch nie hat sie dem neuen Jahr so entgegengefiebert und sich gleichzeitig gefürchtet. Es wird sich eine Menge ändern, dass ist das einzige was gewiss scheint. „Naaaaa?“, säuselt Sarah und hakt sich bei ihrer Freundin ein. „Wer ist denn nun der Glückliche?“ Sie grinst bis über beide Ohren und ihre Wangen sind nicht nur wegen der kalten Luft rot. Ihre Augen glänzen verräterisch und sie schwankt etwas. Das Kindermädchen muss sich zusammenreißen, dass sie beim Anblick des hübschen Energiebündels nicht direkt in Gelächter ausbricht. Noch dazu, wo sie selber wohl nicht viel besser aussieht. „Keiner“, flachst sie. „Ich wandere nach Australien aus“, erklärt sie und bemüht sich nicht zu grinsen. Im ersten Moment ist die junge Osbourne entsetzt, dann begreift sie, dass es nur ein Scherz war und prustet los. 23:57:12. Ihr Blick klebt förmlich an dem Monitor und verfolgt die Zahlen. Emmas Magen rebelliert mehr und mehr. Wird sie es wirklich sagen können? Muss sie das überhaupt? Am liebsten würde sie einfach wegrennen. Die Beine in die Hand und los. Aber das wäre nicht in Ordnung und würde niemanden helfen. „Komm schon“, nörgelt Sarah. Sie verzieht das Gesicht und macht einen Schmollmund. Das Kindermädchen seufzt. „Du sagst es niemanden. Niemanden, hörst du?“ Auf Grund des übertrieben eifrigen Nickens ihres Gegenübers muss sie unweigerlich loslachen. 23:58:36. Die beiden Frauen gehen einige Schritte um etwas abseits zu sein. Emma holt mehrfach tief Luft und knetet ihre Finger. Sie ist nervös ohne, dass es einen wirklichen Grund dafür gibt. Trotzdem fürchtet sie sich ein wenig vor der Reaktion ihrer besten Freundin – und noch mehr davor, dass sie sich jemanden gegenüber verquatscht. Aber sie hat es versprochen, und es wichtig für sie, dass sie sich ihre Entscheidung auch selbst offenbart in dem sie sie laut ausspricht. 23:59:20. „Es wird Unglück bringen, wenn du es zu spät sagst“, fotzelt Sarah und zieht neckisch die Augenbraue hoch. „Schon gut.“ Das Kindermädchen beugt sich nach vorn und flüstert ihrer Freundin leise ins Ohr Die Augen der jungen Osbourne werden groß und ihr steht der Mund einige Momente offen. Sie wendet ihren Blick zu Emma und sieht sie schelmisch an. „Wirklich?“ Ein schüchternes Nicken ist die Antwort. 00:00:00. Ein buntes Spektakel breitet sich am klaren Nachthimmel aus. Feuerblumen und leuchtende Wasserfälle formen sich unter lautem Getöse und Jubel. Die Menschen rufen laut und wünschen sich ein frohes neues Jahr. Kapitel 1: Katerstimmung ------------------------ Kein Kater ohne Katzenjammer. Kuno Klaboschke   Inzwischen ist es halb drei morgens und Emma auf dem Weg nach Hause. Die Strecke kommt ihr ungewöhnlich lang vor. Natürlich ist sie sich bewusst, dass es vornehmlich am Alkohol liegt und der Tatsache, dass sie nicht so geradeaus und so sicher läuft wie sonst. Sie kichert unbeschwert vor sich hin bei dem Gedanken. Die Feier war großartig und unbeschwert gewesen, trotz allem was sie beschäftigt hat. Und Sarah hat auch erheblich besser reagiert, wie das Kindermädchen vermutet hätte. Nun gut, ihre beste Freundin war auch ordentlich angeheitert. Vielleicht kommt die ungeschönte wahre Reaktion, sobald das hübsche Energiebündel nüchtern und wieder Herrin ihrer Gedanken ist. Doch jetzt gerade ist der jungen Frau alles egal. Nun … Fast alles … Ihr Weg bereitet ihr gerade zunehmend Kopfzerbrechen. Sie sollte doch eigentlich längst am Herrenhaus sein – trotz ihres Zustands. Sie bleibt stehen und sieht sich um. Wo zum Kuckuck ist sie überhaupt? Emma runzelt die Stirn. Sie erkennt die Straße nicht wirklich wieder, wenn sie ehrlich ist. Vielleicht hätte sie doch einfach bei Sarah übernachten sollen, anstatt betrunken nach Hause zu wanken. Doch so groß ist Mystery Spell eigentlich nicht, dass man sich hier ernsthaft verlaufen könnte … selbst stockbesoffen nicht. Plötzlich hört das Kindermädchen ein Flüstern. Es kriecht in ihr Ohr wie eine Horde Ameisen und lässt sie schaudern. Irgendwas stimmt hier nicht. Ein ungutes Gefühl kriecht ihr Rückgrat hinauf und sie bekommt Herzklopfen. Das Wispern wird lauter und deutlicher, dennoch versteht sie kein Wort. Die junge Frau läuft langsam rückwärts, lässt aber die Straße vor ihr nicht aus den Augen. Ihr Blick huscht hin und her, sucht die parkenden Autos und die Fenster der Häuser ab. Niemand ist zu sehen. Am liebsten würde Emma einfach laut um Hilfe rufen, aber was soll sie erklären? Das sie Stimmen hört die ihr Angst machen? Schlimm genug, dass sie verlorene Seelen sehen kann … Moment! Womöglich ist hier ein Seelenfragment, was sie wahrnimmt. Aber warum sieht sie es nicht? Immer weiter schleicht sie zurück. Das Flüstern kommt definitiv irgendwo von vor ihr, und obwohl sie sich davon wegbewegt, wird das es immer lauter. Aber je lauter es wird, umso mehr verliert es die Ähnlichkeit mit einer Stimme. Das Geräusch wächst zu einem Rauschen heran, dass sich in ihrem Gehörgang festsetzt und ihren Verstand kriecht. Ohne, dass das Kindermädchen Einfluss darauf hat schießen ihr Tränen in die Augen. Schmerztränen. Denn das Rauschen klingt hoch und schrill. Es fühlt sich an, als würden ihre Trommelfelle jeden Moment nachgeben. Der grässliche Ton gräbt sich immer tiefer in ihren Körper, scheint ihr Blut und in Säure zu verwandeln. Stechender Schmerz schießt durch sie hindurch und ihre Knie geben sofort nach. Die junge Frau legt ihre Hände auf ihre Ohren, in der Hoffnung diesen fürchterlichen Ton damit einzudämmen. Aber es hilft nichts. Immer mehr macht es den Eindruck, als würde das Geräusch direkt in ihrem Inneren entstehen und gar nicht von außen kommen. In dünnen Fäden laufen Emma Tränen aus den Augenwinkeln. Ihr Herz rast in einem beinahe unmenschlichen Takt und ihre Atemzüge sind kurz und hektisch. Sie sinkt immer mehr in sich zusammen und wimmert. Die Welt um sie herum verschwimmt und die Ohnmacht rückt in großen Schritten näher. Gerade, als sie sich ihr ergeben will, dringt etwas zu ihr durch. „Emma?“ Da ist eine Stimme, eine reale Stimme. Die junge Frau nimmt die Hände von den Ohren und sieht auf. Ihre Sicht ist durch Sauerstoffmangel, Schmerz und Tränen aber derart verschwommen, dass sie nichts erkennt. „Emma?!“ Deutlich hört sie die Sorge und das Entsetzen heraus. Aber sie kann immer noch nichts erkennen, oder die Stimme vernünftig zuordnen. Das schrille Rauschen dämpft alle anderen Geräusche und verfremdet sie. Die Ohnmacht kämpft sich wieder hoch, diesmal stärker wie vorher. „Emma!“ Das Kindermädchen kann nicht mehr und gibt nach; sie lässt los und alles hört auf – das Rauschen, der Schmerz und auch die Welt ist plötzlich weg …   Helles Zwielicht hüllt die junge Frau ein. Es ist grell und blendet. Staubkörnchen scheinen durch die Luft zu tanzen. Eine seidige Stille erfüllt die überbelichtete Leere und fühlt sich wie Balsam für die Ohren an. Sie spürt hinter sich eine Präsenz und dreht sich um. Ein gelbes Augenpaar sieht sie an; besorgt und entschuldigend irgendwie. Ungläubig legt Emma den Kopf schief. „Du? Aber ich dachte …“, stammelt sie unsicher. Das Tier kommt zu ihr und beugt sich zu ihr hinunter. Es legt seine Arme um sie und drückt sie an sich. Fest genug, damit die junge Frau nicht wegkann, aber nicht so fest, dass es schmerzhaft wäre. Seine Schnauze legt sich auf ihren Rücken und ein leises Winseln ist zu hören. Das Kindermädchen kann nicht einordnen was passiert, aber sie spürt deutlich, dass ihr Gegenüber sich Sorgen macht. Sie hebt die Hand und streicht ihm über den riesigen Kopf. „Schon gut“, flüstert sie. So stehen sie eine Weile und alles andere scheint vergessen. Schließlich löst sich das Tier und richtet sich wieder zu voller Größe auf. Sein weicher und warmer Blick liegt auf der jungen Frau und er brummt leise. „Ich dachte du seist weg“, erklärt Emma immer noch überrumpelt von der Begegnung. „Ich dachte, du seist mit ihr hinüber ins Jenseits …“ „Das hätte ich nicht gekonnt.“ Erschrocken weiten sich die Augen des Kindermädchens und ihr Mund steht kurz offen. „Du …? Wieso kannst du jetzt reden?“ Obwohl reden so nicht stimmt. Die Schnauze des Tiers hat sich nicht bewegt, also ist eher Telepathie? „Weil du weißt wer ich bin, und mich akzeptiert hast“, erklärt die Stimme, die irgendwie sogar nicht zu dem Wesen passen will. „Du musst vorsichtig sein, Emma. Dinge gehen vor sich, die in der Vergangenheit ihren Anfang nahmen und nun zu voller größer herangreift sind.“ Die junge Frau seufzt ein wenig genervt. Geht jetzt wieder das Rätselraten los? „Geht es nicht genauer?“, fragt sie hörbar ärgerlich. „Im Moment weiß ich auch noch nicht mehr. Wirklich, ich würde es dir sonst sagen.“ Das Tier lässt niedergeschlagen den Kopf hängen und scheint sich zu schämen. „So war das nicht gemeint.“ Die junge Frau lächelt verlegen, sie streckt die Hand aus und legt sie auf den haarigen Unterarm. „Ich … tut mir leid, Ludwig.“ Die gelben Augen des Werwolfs suchen die von Emma und versinken in denen einen Augenblick. Das Zwielicht beginnt plötzlich zu flackern und wird immer heller. Ein grelles Aufleuchten folgt, dann ist alles verschwunden.   „Emma?“ Blinzelnd öffnet die junge Frau die Augen. „Peter?“, fragt sie irritiert das Offensichtliche. Vorsichtig setzt sie sich auf und sieht sich um. Sie ist Wohnzimmer des Herrenhauses. Das Feuer im Kamin knistert, ansonsten herrscht Stille. Das Kindermädchen sieht den Mittleren der Bartholys an, der neben der Couch hockt und sie besorgt mustert. „Was ist passiert?“ „Ich habe mir Sorgen gemacht und dich gesucht. Du hast auf der Straße gekniet und sahst aus als hättest du Schmerzen“, erklärt Peter und fährt sich durch die Haare. Emma nickt. „Ja, da war ein schreckliches Geräusch.“ Sie erinnert sich, wie es ihr in den Ohren gerauscht hat. Wie Schmerz und Angst sie übermannt haben … „Ich habe nichts gehört.“ Er klingt etwas betreten, als hätte er Sorge, dass er ihr mit seiner Aussage auf die Füße tritt. „Kann sein“, nuschelt die junge Frau. „Es war irgendwie nicht aus dieser Welt.“ „Wie meinst du das?“, fragt der Mittlere der Brüder nach. Es ist unüberhörbar das er beunruhigt ist. Die Ereignisse mit dem übergriffigen Seelenfragment liegen zwar mehrere Monate zurück, aber es ist immer noch sehr präsent. Vor allem weil das Verhältnis aller Beteiligten dadurch angespannt ist. „Ähm. Keine Ahnung. Das Geräusch schien irgendwie direkt in meinen Ohren zu entstehen …“ Plötzlich spannt sich das Kindermädchen an. „Dann war mein Geist nicht mehr hier und ich habe einen alten Bekannten getroffen“, hätte sie beinahe noch gesagt. Sie kann nicht erzählen, dass sie in der Zwischenwelt war und Ludwig getroffen hat. Er ist offiziell immer noch der Böse. Sie hat mit keinem der Bartholys über die Wahrheit gesprochen um zu verhindern, dass Nicolae erfährt, was wirklich vorgefallen ist. Er war in den Wochen nach den Geschehnissen schon kaum wiederzuerkennen. Und da war er nur der Annahme das Ludwig unschuldig war. Sollte er je erfahren, dass er mit seinem Handeln und seinem Leid in den Jahrhunderten, seine Verlobte in den Wahnsinn getrieben hat … Nein, sie will lieber nicht darüber nachdenken. Nun sitzt sie in einem ziemlich im Schlamassel diesbezüglich. „Wo ist der Rest?“, fragt Emma um unauffällig das Thema zu wechseln. „Noch jagen. Dadurch das heute Nacht viele Menschen sehr lange draußen unterwegs waren, mussten wir unsere Aktivitäten nach hinten verlegen.“ Peter steht auf und streckt der jungen Frau die Hand hin. „Ich denke, den Rest der Nacht solltest du lieber in deinem Zimmer verbringen.“ Das Kindermädchen muss Grinsen. Den Rest der Nacht … er meint wohl eher ihren restlichen Rausch. Ja, sie merkt den Alkohol noch mehr als deutlich. Dankend nimmt sie seine Hilfe an und lässt sich in ihr Zimmer bringen. Die Treppenstufen hätte sie ohne Unterstützung wohl nur mit Müh und Not geschafft – wenn überhaupt. Emma verabschiedet sich von Peter und lässt auf ihr Bett fallen. Sie rollt sich in ihre Decke ein und schließt die Augen. Kurz flackert der schwarze Werwolf in ihren Gedanken auf. Hoffentlich täuscht sich Ludwig und es ist nichts. Sie ist gerade dabei ihr Leben wieder zu sortieren und Ordnung in ihre Gefühlswelt zu bringen, da kann sie keinen neuen Ärger gebrauchen. Das Kindermädchen hört leises Gemurmel im Flur; scheinbar ist der Rest der Familie nun auch zurück. Müdigkeit und Alkohol übermannen sie aber und sie schläft ein.   Am nächsten Morgen, obwohl es tatsächlich schon Mittag ist, kriecht Emma aus dem Bett. Ihr Schädel brummt und ihr Magen ist flau. Schleichend geht sie ins Badezimmer. Die Dusche erfrischt sie nur mäßig und nachdem anziehen fühlt sie sich immer noch schrecklich. Im Schneckentempo geht es die Treppe hinunter. Die ewige Stille im Herrenhaus ist im Moment eine Wohltat für ihren hämmernden Schädel. Sie braucht dringend eine Aspirin und ein großes Glas Wasser. Emma geht ins Esszimmer und von da aus in die Küche. Zum Glück ist niemand hier. Sie will gerade keinen sehen, und vor allem sprechen. Ihre Kopfschmerzen sind höllisch und sie hat die Befürchtung, dass das kleinste Geräusch dazu führen wird, dass ihr Kopf explodiert. Das Kindermädchen schluckt die Tablette und trinkt das komplette Glas leer. Die Flüssigkeit fühlt sich gut an, ihr Mund ist trocken wie die Sahara. Sie füllt es erneut und trinkt es wieder aus. Ihre Augen schweifen ziellos durch den Raum. Plötzlich fällt ihr Ludwig wieder ein. Die junge Frau weiß nicht warum, aber irgendwie fühlt es sich gut an, dass er noch da ist. Allerdings beunruhigt sie, was er gesagt hat. Etwas geht in der Zwischenwelt vor sich … Was bedeutet das? Und dieses eigenartige Geräusch … war das Ludwig? Hat er sie so in die Zwischenwelt geholt? Fragen über Fragen; und das gleich am ersten Tag des Jahres … Sie würde zu gern mit jemandem darüber reden, aber die einzige Person die ihr einfällt ist nicht da. Sebastian Jones ist noch vor Weihnachten zu einer Expedition aufgebrochen und wird erst in ein oder zwei Wochen zurückerwartet. Emma stöhnt, ein wenig genervt, aber vor allem schmerzbedingt. Sie trinkt das restliche Wasser und stellt das Glas in die Spüle. Gemächlich verlässt sie die Küche. Im Esszimmer begegnet sie dem ersten Lebewesen heute, mehr oder weniger. „Guten Mor … Tag“, amüsiert sich Nicolae mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. Er mustert das Kindermädchen, ein wenig hämisch, aber auch etwas mitfühlend. „Dicker Kopf?“ Die junge Frau nickt leicht und massiert sich die Schläfe. „Nie wieder …“, murrt sie und verzieht das Gesicht. „Möchte ich wissen, wie oft du diesen Vorsatz schon hattest?“, hakt das Familienoberhaupt nach und legt seine Hand auf Emmas Schulter. „Zu oft?“ Sie schaut den Ältesten der Brüder unschuldig an. Eine warme Welle schwappt plötzlich durch ihren Körper. Sie flutet ihren Kopf und der Schmerz löst sich auf. Mit großen Augen sieht sie den Mann vor sich an. „Warst du das?“, fragt sie erstaunt. Im nächsten Moment wird ihr bewusst, wie dämlich die Frage ist. Wer sollte es denn sonst gewesen sein? „Ich bin doch kein herzloses Monster. Wenn ich dir helfen kann, dann tue ich das.“ Wohlwollend und amüsiert lächelt Nicolae und zieht seine Hand wieder zurück. „Danke“, sagt sie immer noch erstaunt. „Hätte ich das gewusst, hätte ich mir die Aspirin sparen können“, kichert sie ein wenig peinlich berührt. „Aber nicht das du annimmst, dass das jetzt ein Freifahrtsschein ist und du deinen Vorsatz direkt über den Haufen wirfst“, erklärt das Familienoberhaupt mit einem scharmanten Lächeln. Seine graugrünen Augen verlieren sich einen Moment in der Betrachtung der jungen Frau. „Keine Sorge“, versichert das Kindermädchen und senkt verschämt den Blick. Sie fühlt sich peinlich berührt, wenn er sie so ansieht. Außerdem kommen ihr bei solchen Gelegenheiten die Erinnerungen wieder hoch. Wenn sie ehrlich ist, bereute sie gelegentlich ihre Entscheidung dahingehend. Seit sie nun ihre Gedächtnislücken wieder gefüllt hat, denkt sie dementsprechend auch an die Geschehnisse zwischen ihr und den Brüdern. „Und sonst?“, hakt Nicolae nach. Neugierig sieht er sie an und wartet scheinbar auf etwas Bestimmtes. Emma runzelt die Stirn; sie ist verwirrt. Was genau will er jetzt hören? Dann trifft sie die Erkenntnis. „Peter?“, stellt sie mehr fest, wie sie wirklich fragt. Der Älteste der Brüder nickt. „Er macht sich Sorgen; und ich dementsprechend auch.“ Die junge Frau seufzt. Die Bartholys und ihre Sorgen immer. Das Peter aber direkt zu Nicolae ist … Nun gut, es lässt sich halt auch nicht mehr ändern. „Alles gut. Keine Ahnung, was da so richtig los war gestern Nacht … heute Früh … wie auch immer“, stammelt sie überfordert und bemüht sich um ein Lächeln. „Sollte irgendetwas sein, kannst du jederzeit mit mir sprechen.“ Das Familienoberhaupt räuspert sich. „Oder Peter. Wegen mir auch Drogo, falls dir danach ist.“ „Bestimmt“, antwortet das Kindermädchen trocken. Um den Blonden macht sie einen Bogen, wenn sie kann. Und er auch um sie. Wenn sie sich denn mal Begegnen, verläuft das immer ziemlich … schroff, abweisend, beleidigend. Als wären sie wieder ganz am Anfang angelangt. Sie erinnert sich genau, wie er sich benommen hatte, als sie hier frisch eingezogen war. Ein Arschloch sondergleichen! Über die Monate hinweg, hatte Emma eigentlich das Gefühl, dass sich zwischen ihnen eine Freundschaft entwickelt hatte. Zumindest war er nicht mehr ganz so schrecklich zu ihr gewesen. Und ja, sie hatte in der Zeit gelernt, auch dank Peters Hilfe, den Jüngsten der Brüder besser einzuordnen; vor allem was er so von sich gab. Seine provokante Art und dieses Spielerische welches er immer an den Tag legte, hatte mitunter einen hohen Unterhaltungswert, wenn man es richtig verstand. Und wenn man gelernt hat seine sarkastischen Äußerungen zu durchschauen und zu verstehen, war er ziemlich witzig. Ganz davon zu schweigen, dass er ihr oft genug unerwartet zu Hilfe gekommen war. Vor allem gegen Loan … Doch jetzt sind sie wieder auf null zurück. Die Erinnerung an den Zwischenfall im Esszimmer, als er sie beinahe gebissen hätte, ist präsenter wie die heiße Zusammenkunft im Wald. Aber sie hat sich schon einige Male gefragt, was genau sein Problem mit der Situation ist; ohne nennenswerte Ergebnisse. „Nun gut. Ich denke, ich gebe dir den restlichen Tag frei. Du solltest dich gut ausruhen.“ Nicolaes Blick schweift kurz umher und richtet sich dann wieder auf Emma. Er lächelt verhalten und verlässt dann das Zimmer. Die junge Frau steht etwas verloren da. Toll. Neues Jahr, alte Probleme. Zumindest ist ihr Kopfschmerz weg, das ist doch schon mal etwas. Und sie muss sich heute nicht um Lorie kümmern. Also ist das Glas wohl eher halbvoll wie leer. Sie verlässt das Esszimmer und geht nach oben und grübelt. Was macht sie denn nun mit ihrem freien Tag? Im Flur vor ihrem Zimmer bleibt sie stehen. Eine angenehme Melodie schwebt durch die Luft und zaubert ihr kurz ein Lächeln auf das Gesicht. Peter. Kapitel 2: Peter ---------------- Gespräch ist gegenseitige distanzierte Berührung. Marie von Ebner-Eschenbach   Schwermut überkommt Emma. Der Pianist fehlt ihr. Er war immer derjenige mit dem sie am meisten geredet hat. Seine ruhige und sanfte Art haben ihr oft geholfen runter zu fahren und ihre Probleme mit einer gewissen Distanz zu betrachten. Außerdem ist er einfach eine nette, und meistens auch unproblematische Gesellschaft gewesen. Im Gegensatz zu den anderen beiden, mit denen es meist kompliziert war. Er hat sich immer bemüht ihr die Dinge zu erklären und nahe zu bringen, damit sie besser versteht wie die Familie funktioniert und die einzelnen Mitglieder ticken. Die Situation zwischen ihr und dem Mittleren der Brüder nagt am meisten an ihr. Im Grunde, wenn sie ehrlich zu sich ist, ist er ihr bester Freund. Dass, was da durch die Manipulation von Nicolaes Verlobter passiert ist, hat sie ins Ungleichgewicht gebracht und nun steht es unausgesprochen zwischen ihnen und brodelt vor sich hin. Das Kindermädchen spürt, wie der Riss zwischen ihnen mit jedem Tag größer wird. Mehr als einmal hat sie darüber nachgedacht es ihm zu sagen; ihm zu sagen wie sie zu dem steht, was sie fühlt und was nicht. Aber jedes Mal hat sie die Angst übermannt. Was, wenn er es völlig anders sieht? Würde sie ihn damit noch mehr ins Unglück stürzen? Peter ist eh schon so melancholisch; würde sie ihn damit womöglich vollends zerstören? Auf der anderen Seite sieht sie genau wie die aktuelle Situation sich genauso negativ auf ihn auswirkt … Ihm geht es auch nicht gut damit wie die Dinge im Augenblick sind. Die Studentin fasst sich ein Herz. Dieses Jahr soll besser werden und dafür muss sie etwas tun. Sie geht zum Ende des Flurs und bleibt vor der Tür zum Zimmer des Pianisten stehen. Unsicher lauscht sie den Klängen des Klaviers, dann atmet sie durch, spricht sich Mut zu und klopft entschlossen. Die Musik verstummt und einen Augenblick später öffnet sich die Tür. Peter sieht überrascht aus, und traurig, und besorgt. Er mustert die junge Frau unschlüssig und ringt sich ein Lächeln ab. Keiner der beiden sagt etwas; sie stehen sich gegenüber und scheinen beide die Lage einschätzen zu wollen, ohne sich selbst zu verraten. Emma spürt, wie ihr direkt das Herz wieder in die Hose rutscht und sie am liebsten einen Rückzieher machen würde. Wie schon so oft in den letzten Wochen. Doch es bringt sie beide nicht weiter und sie leiden einfach nur sinnlos darunter. „Hast du kurz …?“, fragt sie leise. Der Mittlere der Brüder sieht wenig überzeugt aus im ersten Moment, nickt aber schließlich und geht beiseite. Er deutet ihr mit der Hand das sich reinkommen soll. Das Kindermädchen atmet durch und betritt das Zimmer. Sie war schon unzählige Male hier, sie kennt den Raum und seinen Bewohner. Trotzdem wirkt es jetzt anders. Die unzähligen Bücher und DVD`s, die CD`s und all die anderen Dinge lassen sie sich unwohl fühlen; deplatziert. Sonst war sie gern hier, aber jetzt … Hypernervös setzt sie sich auf das Bett während der Pianist sich auf dem Hocker vor seinem Instrument niederlässt. Angespanntes Schweigen breitet sich im Zimmer aus und kriecht in alle Ecken und in jede Ritze. Die Blicke des Vampirs und der jungen Frau führen einen merkwürdigen Tanz auf, in dem sie versuchen einander auszuweichen und sich trotzdem zu sehen um sich einschätzen zu können. Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so traurig und ernst wäre. Schließlich gibt sich Emma einen Ruck. „Du fehlst mir, Peter“, nuschelt sie erschöpft und niedergeschlagen. Sie reibt sich über die Stirn und versucht ihre Gedanken zu ordnen und in die richtigen Worte zu verpacken. Der Mittlere der Brüder sieht betreten drein und fährt sich durch die Haare. Es ist offensichtlich, dass er nicht so recht weiß, wie er das interpretieren soll. „Ich … Du fehlst mir auch … aber …“, stammelt er unsicher. „Du fehlst mir“, unterbricht die junge Frau ihn, bevor er sich womöglich noch in irgendwelchen Erklärungen verstrickt, „wie mir Sarah fehlen würde. Wenn ich plötzlich nicht mehr mit ihr sprechen oder Zeit mit ihr verbringen könnte würde es mir das Herz brechen – genauso fühlt es sich mit dir an.“ Sie weiß, dass dieser Vergleich Peter wohl eher nicht gefallen dürfte; die Bartholys mögen die Osbournes nämlich genauso wenige wie umgekehrt; aber er erklärt am schnellsten und verständlichsten wie sie ihre Worte meint. Es erklärt, was er ihr bedeutet und wie sie ihn sieht; ohne, dass man es missverstehen könnte. Und ohne, dass sie ihn zu sehr vor den Kopf stößt, falls er doch andere Intentionen haben sollte. Die smaragdgrünen Augen des Vampirs mustern das Kindermädchen. Ein glückliches Funkeln entsteht tief in ihrem Inneren und lässt sie strahlen, wie sie schon seit Monaten nicht mehr gestrahlt haben. Ein sanftes Lächeln entsteht und er wirkt, als wäre er von einem dunklen Schleier befreit. Als Emma das sieht seufzt sie vor Erleichterung. Ihr wird ganz leicht ums Herz und sie fühlt sich seit langen wieder richtig gut. Sie breitet grinsend die Arme aus. „Jetzt brauche ich aber ganz dringend eine Umarmung“, sagt sie und muss lachen. Peter stimmt in das glückliche Gelächter mit ein und rückt näher. Er nimmt die junge Frau in den Arm und drückt sie an sich. „Du weißt, dass Vampire eigentlich keine Kuscheltiere sind“, witzelt er leise, verstärkt seine Umarmung gleichzeitig und wirkt mehr als zufrieden mit der Entwicklung. „Ist mir egal“, nuschelt das Kindermädchen und seufzt zufrieden. Die Gegenwart des Mittleren der Brüder gibt ihr Sicherheit und sein unverwechselbarer Duft vermittelt ihr Ruhe. Jetzt, wo sie ihn „wiederhat“, wird ihr erst richtig bewusst wie groß das Loch war, dass seine Abwesenheit hinterlassen hatte. Sie verharren einige Minuten so und genießen ihre wiedergewonnene Nähe. „Ich könnte mir in den Hintern beißen“, sagt die junge Frau schließlich und löst die Umarmung. Auch wenn es albern klingt; sie fühlt sich endlich wieder komplett. Und das fühlt sich verdammt gut an. „Warum?“, hakt Peter irritiert nach und mustert sie. Er scheint nicht wirklich zu verstehen worauf sie hinaus will. „Weil ich das schon früher machen wollte, mich aber nicht getraut habe. Ich hatte Angst, dass … nun ja … wegen dem was passiert ist … und so … und …“ Emma sieht den Vampir mit großen Augen an und bereut eigentlich direkt, dass sie das Thema überhaupt angeschnitten hat. Auch wenn sie sich wieder nah sind, fühlt es sich komisch an darüber zu sprechen. Betreten sieht der Pianist zu Boden und fährt sich durch die Haare. „Ja, mir ging es ähnlich … Ich wollte dich nicht vor den Kopf stoßen. Ich hatte Sorge, dass du es falsch verstehen könntest“, gibt er offen zu und scheint geniert zu sein. „Falsch verstehen?“, fragt die junge Frau ein wenig argwöhnisch nach. Was will er ich ihr gerade sagen? Das er Angst hatte das sie ihm an die Gurgel geht, wenn er ihr sagt, dass er keine romantischen Gefühle für sie hat? Vermittelt sie wirklich so einen Eindruck?! „Du bist immerhin eine Frau; und ich ein ziemlicher alter Mann. Ich habe oft genug erlebt, dass das weibliche Geschlecht Dinge gern missversteht … und sich dann auch nicht eines Besseren belehren lässt“, antwortet der Vampir leicht schmunzelnd und ist sichtlich erheitert, was nicht zu Letzt auch an dem Gesicht liegt, dass die Studentin macht. Gespielt empört richtet sich das Kindermädchen auf und gibt ihrem Gegenüber einem Klaps gegen die Schulter. Allerdings hat er ja irgendwie recht. Es hätte gut sein können, dass sie es in den falschen Hals bekommt und sich die Kluft zwischen ihnen dadurch noch vergrößert. Doch sie hat Lust die wiedergewonnene Nähe ein bisschen zu nutzen und Peter zu ärgern, vor allem, weil diesen kleinen Neckereien auch schon vorher zu ihrer Freundschaft gehört habe. Sie richtet sich auf und reckt ihre Nase ein wenig in die Höhe. „Du wolltest mir also sagen, dass es nicht gut war und du deswegen lieber nur eine platonische Beziehung zu mir möchtest?“, näselt sie vornehm. Der Kopf des Pianisten schnellt in die Höhe. „Was?! Nein, das nicht. Also es war gut, deswegen nicht … aber … das wollte ich nicht sagen …“ Er bricht ab, als er das breite Grinsen auf den Lippen der jungen Frau sieht. „Du …“, grummelt er und muss dann aber Lachen. Emma lacht ebenfalls und sie fühlt sich angenehm leicht. Peter wieder bei ihr zu wissen tut ihr gut. Ja, Sarah steht ihr immer mit Rat und Tat zur Seite, aber sie ist nun mal eine Hexe; mit mehr Vorurteilen wie man erwarten möchte. Und sie wohnt nicht im Herrenhaus. Dieser düstere, melancholische Pianist hier, ist ihr Freund, Bruder und Komplize. Er hilft ihr, steht ihr bei und nimmt ihr manchmal Lorie ab, wenn er merkt, dass sie gerade so gar keine Nerven für die Kleine hat. Im Gegenzug leistet sie ihm Gesellschaft, holt ihn aus seiner manchmal sehr lethargischen Haltung und lässt ihm am Leben teilhaben in dem sie ihm von ihrem erzählt … und ihn gelegentlich gegen seinen Willen irgendwo hin mitnimmt. Nachdem das Lachen der beiden verklungen ist, dreht sich Peter um und beginnt mit einem zufriedenen Lächeln Klavier zu spielen. Die junge Frau beobachtet einige Augenblicke, wie die Finger des Vampirs geschickt über die Tasten wandern, dann schließt sie die Augen. Er spielt eine fröhliche, lockere Melodie die einen auf einen kleinen Spaziergang durch eine Frühlingwiese mitnimmt. Die Blumen blühen in sämtlichen Farben und emsige Insekten schwirren durch die Luft. Es erstaunt sie immer wieder, wie er es schafft mit seiner Musik die Stimmung, die Seelen der Zuhörer, zu beeinflussen. Er schafft es, ganze Bilder und Filme in den Kopf zu zaubern … Ungewollt kommen plötzlich andere Bilder dazwischen. Die hübsche Wiese weicht einem mit Mondlicht ausgeleuchteten Zimmer, zwei nacktem Körpern und einer erotisch geladenen Atmosphäre … Erschrocken öffnet Emma die Augen und hüstelt. Sie braucht kurz um zu merken, dass Peter aufgehört hat zu spielen und sie unsicher über seine Schulter hinweg ansieht. Die junge Frau ist etwas verunsichert. War das jetzt sie selbst, oder er? Sie atmet kurz durch. Sie müssen darüber sprechen, ob sie nun wollen oder nicht. Auch wenn sie sich wieder näher sind, und sie wissen, dass sie keine romantischen Gefühle für einander hegen, steht das zwischen ihnen und könnte irgendwann zu einem Supergau führen, dass will sie um jeden Preis verhindern. „Versteh mich nicht falsch Peter … aber es war schön. Besonders und außergewöhnlich …“, flüstert sie verlegen und sieht den Mittleren der Brüder an. Dieser scheint zwischen geschmeichelt und peinlich berührt zu schwanken. Seine Wangen werden leicht rot und er sieht weg. „Und wieder etwas gelernt“, scherzt sie um die Stimmung zu lockern. „Und was?“, fragt Peter, während er sich durch die Haare fährt. Er dreht sich um und sieht das Kindermädchen abwartend an. „Ich wusste nicht, dass ein Vampir rot werden kann“, feixt Emma und kichert. Der Pianist lacht ebenfalls und schüttelt den Kopf. Er wird wieder etwas ernster und seufzt. „Ja, es war außergewöhnlich. Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir nicht gefallen hätte. Aber …“ „Aber?“, hakt die junge Frau nach einer Weile nach, weil ihr die Redepause zu lange dauert. Sie ein wenig Angst vor dem „Aber“, aber sie möchte nicht das irgendetwas unausgesprochenes zwischen ihnen steht. „Aber, es war nicht echt. Nicht auf emotionaler Ebne“, erklärt er. Peter lächelt wohlwollend und etwas schüchtern. Emma nickt. Sie sehen sich eine Weile an und lächeln schließlich. Es wird wohl ein wenig dauern, aber sie werden es schaffen, das Geschehene irgendwann einfach als eine schöne Erinnerung zu betrachten. Ein besonderes Ereignis, das unter merkwürdigen Umständen passiert ist. Vielleicht wird der Tag kommen, da sie darüber reden werden und herzlich lachen müssen, weil sie so verklemmt damit umgangen sind am Anfang. „Und; wer ist der Nächste?“, hakt Peter spitzbübisch nach. Er mustert sie eingehend und schmunzelt. Das Kindermädchen streckt ihm die Zunge heraus und kichert dann. Die Spitze hat sie verdient, dass weiß sie. „Keine Ahnung. Nicolae schätze ich. Drogo … Mit ihm will eigentlich nicht reden.“ Ihr wird mulmig bei dem Gedanken. Der Blonde hat sich aufrichtig bei ihr entschuldigt wegen dem was im Esszimmer beinahe passiert wäre. Sie hat gesehen, wie sehr es ihm leidtat und wie sehr ihn dieser Kontrollverlust beschämt und geschmerzt hat – und trotzdem hat sie ihm noch nicht so wirklich verziehen. Das Gespräch mit Nicolae dürfte aber auch nicht gerade ein Spaziergang werden. Der Älteste der Brüder sieht sie sehr eindeutig an manchmal. Sie weiß, dass sie die Reinkarnation seiner Verlobten ist. Wohl auch optisch; oder vor allem? Emma ist sich nicht sicher. Das Ding, das sie in der Zwischenwelt getroffen hatte, war nur der Schatten dessen, was einst die Frau war in die sich der Älteste der Brüder verliebt hatte. Sie weiß also nichts über die ursprüngliche Person … Aber sie muss etwas Besonderes gewesen sein. Nicolae ist kein gewöhnlicher Mann. Die junge Frau kann sich nicht vorstellen, dass er sich in eine gewöhnliche Frau verliebt hätte; noch dazu auf so unsterbliche Art und Weise. Und da ist das Dilemma des Kindermädchens. Das Familienoberhaupt hat Interesse, und macht das auch deutlich. Nicht zu aufdringlich, nicht zu offensichtlich; aber spürbar für sie. Die Frage ist aber; gilt das wirklich ihr? Oder eher dem was sie symbolisiert? Ihr wird schon wieder schlecht, wenn sie an das kommende Gespräch denkt … Peter bemerkt das Unwohlsein von Emma. „Aber nicht mehr heute; oder?“, fragt er sanft und legt seine Hand auf ihren Unterarm. Kurz etwas verwirrt sieht die junge Frau auf und nickt fahrig. „Definitiv nicht mehr heute. Dafür muss ich fit sein, sonst endet es in einem fürchterlichen Chaos.“ Ihr Verhältnis zu den anderen beiden Brüdern war nie so wie das zu ihm hier. Weder den einen noch den anderen würde sie als Freund bezeichnen. Das Familienoberhaupt war für sie immer eher wie … ein Familienoberhaupt eben. Tja und Drogo … sie waren von Anfang an eher wie Hund und Katz. „Auf jeden Fall. Nicolae wird definitiv ein schwererer Brocken werden wie ich“, sinniert der Musiker vor sich. Er dreht sich um und lässt seine Finger wieder über die Tasten tanzen. „Wie meinst du das?“, hakt die junge Frau nach. Natürlich wird ihm aufgefallen sein, wie das der Älteste der Brüder sie ansieht, aber seine Andeutung scheint eine tiefere Bedeutung zu haben. Weiß er womöglich etwas? Haben die beiden über sie gesprochen? Peter sieht über seine Schulter, ohne sein Spiel zu unterbrechen. Seine grünen Augen sehen sie intensiv an. „Du verheimlichst etwas“, flüstert er. „Er spürt das.“ Emma sinkt in sich zusammen. Genau das ist der Punkt. Genau deswegen hat sie Angst vor dem Gespräch. Was, wenn sie sich verrät? Was, wenn Nicolae die Wahrheit erfährt? Sie kennt ihn einfach nicht gut genug. Der Pianist hier kennt ihn. Vielleicht kann er ihr helfen, die richtigen Worte zu finden … Und ihr eine Einschätzung geben, ob sie es überhaupt erzählen soll. Allerdings müsste sie ihn zum Mitwisser machen … Eine schwierige Entscheidung, die sie nicht heute treffen wird. Sie will ihren freien Tag lieber nutzen, um noch etwas Energie zu tanken … und um noch etwas Zeit mit Peter zu verbringen. Kapitel 3: Wiedersehen ---------------------- Berührung ist kostenlose, rezeptfreie Medizin für die Seele. Helmut Glaßl   „Mit Drogo musst du auch sprechen.“ Der trockene Ton reißt das Kindermädchen aus ihren Gedanken. Ungläubig sieht sie den Pianisten an. „Ich will aber nicht. Das wird furchtbar … Du kennst doch deinen Bruder!“, sagt sie weinerlich. Wie kann er ihr das einfach so an den Kopf werfen? Er weiß doch sehr wohl wie angespannt die Situation zwischen ihnen ist. „Stimmt, ich kenne ihn“, bestätigt er. Peter beendet sein Spiel und dreht sich um. Er stützt sich mit den Ellenbogen auf den Knien ab und nimmt Emmas Hand. Ganz sanft und zart fährt er mit dem Daumen über ihren Handrücken. „Er … er gibt sich hart, aber das ist er nicht. Ihn bekümmert die Situation, auch wenn er es nicht zeigt.“ Die junge Frau seufzt. Sie weiß das der Mittlere der Brüder recht hat … Trotzdem! Ein Gespräch mit Drogo unter vier Augen, noch dazu allein … Das ist wirklich das letzte was sie will. Alles in ihr sträubt sich dagegen, doch die Art wie der Pianist sie ansieht trifft sie. Er kennt seinen Bruder natürlich besser wie sie; und offenbar bekümmert ihn und damit nun auch sie. „Ich denke darüber nach“, knickt sie schließlich widerwillig ein. Emma verbringt noch eine Weile bei dem Musiker. Sie reden, scherzen und holen die letzten Wochen nach. Am späten Nachmittag verlässt sie das Zimmer, und anschließend auch das Herrenhaus. Dick eingepackt macht sie einen Spaziergang durch den Wald. Das hat ihr schon immer geholfen, ihre Gedanken zu sortieren. Nicolae und Drogo … und Sebastian, wenn er wieder da ist. Da stehen noch drei mächtige Gespräche an von denen sie zwei nicht wirklich führen will. Und das dritte lässt sie auch nicht gerade vor Freude springen. Alles ist so schrecklich kompliziert geworden. Die Sonne steht bereits recht tief und die Kälte wird immer stechender. Durch die kahlen Baumkronen bricht sich das Licht und wirft lange Schatten auf den unscheinbaren Trampelpfad auf dem sich Emma bewegt. Dampfwolken formen sich vor ihrem Mund und bilden einen seichten Nebel vor ihrem Gesicht. Sie kennt den Weg, ist ihn schon unzählige Male gelaufen. Er führt in einem Bogen durch den Wald. Eine Lichtung mit großen Felsen ist der erste Punkt, dann kommt der einsamen See. Ja, der See. Jedes Mal, wenn sie daran vorbei läuft spürt sie das Kribbeln in ihrem Unterbauch. Danach geht es durch einen fast toten Bereich, in dem vor einigen Jahren offenbar ein Feuer gewütet hat. Das kleine Nebengebäude ist die letzte Station auf dem Weg, von dort geht es dann über Stock und Stein zurück zum Herrenhaus. Die Studentin seufzt und bleibt stehen. Ihr Blick wandert in den klaren, bleichen Himmel. Sie weiß nicht so recht, wie es nun weitergehen soll. Die nächsten Tage hat sie noch frei … Vielleicht sollte sie das nutzen um zumindest das Gespräch mit Nicolae zu führen. Auch wenn sie Angst davor hat, ist ihr gerade diese Aussprache besonders wichtig. Gleichzeitig weiß sie jetzt schon, dass sie ihm wehtun wird. Das will sie nicht, aber es geht nicht anders. Ihre Gefühle für das Familienoberhaupt sind eindeutig und das muss er wissen, egal, was er davon halten mag. Über der jungen Frau ertönt ein leiser Ruf. Mit einem breiten Grinsen sieht sie sich um und entdeckt recht schnell den Urheber; was bei den kahlen Ästen auch kein Kunststück ist. „Moony!“, ruft sie begeistert und läuft einige Schritte. Die weiße Eule sitz recht weit oben und sieht neugierig hinunter. Sie ruft erneut und fliegt leise los. In einem kleinen Bogen umrundet sie das Kindermädchen und landet auf einem der Felsen. Ihre großen gelben Augen leuchten in der untergehenden Sonne beinahe mystisch. „Na Kleines?“, flüstert Emma. Sie geht zu dem Tier und betrachtet es. Schon erstaunlich wie menschlich Moony immer wirkt. Schon oft hat sie darüber nachgedacht, ob die Eule auch eine magische Kreatur ist. Die Abende an denen die Eule sie dazu verführt hat ihr nach zu laufen, erst zu dem See, dann zu dieser kleinen Lichtung, waren schon erstaunlich. Beide Male hat sie das Tier zu Professor Jones geführt, als hätte es eine Verbindung zu ihm. Sie wollte Sebastian eigentlich fragen, aber vor seiner Abreise hat sie ihn nicht mehr sprechen können. Und die Wochen davor war ihr Verhältnis schwierig und undefinierbar gewesen. Moony gurrt und plustert sich auf, als wolle sie ihrer Freude über ihr Wiedersehen zum Ausdruck bringen. Es scheint als würde sie lächeln. Die Studentin lacht und streckt ihr Hand aus. Sie lässt ihre Finger durch weichen Federn der Eule gleiten und krault sie sanft. Ein Gefühl von Frieden und Wohlbefinden macht sich in ihrem Brustkorb breit. Wie immer ist ihre Freundin zu Stelle, wenn sie etwas Trost und Zuspruch braucht. Als würde sie es fühlen, wann sie sie braucht. „Was mach ich jetzt nur?“, fragt Emma und sieht in diese großen goldenen Augen. Ihr wird schwer ums Herz. „Ich werde ihm weh tun fürchte ich. Aber es kann nicht bleiben wie es ist …“ Moony sieht die junge Frau mitfühlend an, als würde sie verstehen, was ihr Gegenüber empfindet. Sie ruft leise, und irgendwie traurig. Sie schmiegt sich in die Hand und scheint sie trösten oder aufmunternd zu wollen. Das Kindermädchen lächelt melancholisch. Sie lässt ihre Finger noch einmal durch das Federkleid ihrer Freundin gleiten. „Ich muss weiter. Mein Weg ist noch weit.“ Wie wahr, denkt sie sich und richtet sich auf. Sie hat noch einiges vor sich, real und symbolisch. Etwas leichter ums Herz beobachtet sie, wie die Eule lautlos davonfliegt und ist ein wenig neidisch. Die junge Frau verlässt die Lichtung und läuft gedankenverloren weiter. Die Sonne blinzelt nur noch knapp über den Horizont und bald wird die Nacht um sich greifen. Sie läuft und läuft und ist so auf ihren Weg konzentriert, dass sie verdutzt ist, als sie plötzlich schon am See ankommt. Die Oberfläche liegt ruhig und dunkel da; kein Vollmond lässt sie funkeln. Am Himmel steht lediglich eine schmale Sichel umrundet von einigen Sternen. Emma spürt, wie sich eine gewisse Aufregung meldet und ihr Herz schneller klopft. Sebastian. Die Erinnerung an diese Begegnung vor so vielen Monaten löst sofort wieder Hitze in ihr aus. Wie Professor Jones nackt in diesem See stand … Ein wahrhaft göttlicher Anblick; und der Beginn von so vielen Ereignissen. Guten und schlechten. Das letzte halbe Jahr hat so viel verändert; hat sie verändert. Die junge Frau hat den Eindruck, nicht mehr dieselbe Person wie davor zu sein. Plötzlich hat sie das Gefühl, als würde sich heller Nebel in ihrem Kopf bilden. Die Realität wird zunehmend dumpfer … leiser … unschärfer … Ehe sie richtig begreift, was passiert, ist ihr Geist aus dieser Welt verschwunden und taucht in eine andere ein … Angst überkommt die Studentin als sie plötzlich vor einer kleinen, runtergekommenen Holzhütte steht. Es ist dunkel und es regnet, sie spürt die Kälte des Wassers deutlich auf ihrer Haut; viel zu deutlich. Der Wald um sie herum wirkt bedrohlich und der Geruch von nasser Erde kriecht ihr in die Nase. Automatisch beginnt sie zu zittern und schlingt ihre Arme um ihren Körper; wegen der Kälte, und auch wegen der Angst. Etwas liegt in der Luft, etwas … Gefährliches. Wo ist sie nur? Und viel wichtiger; warum? Sie sieht sich um. Wald, Regen und Dunkelheit. Die Hütte, die wirkt als würde sie jeden Moment zusammenbrechen, ist der einzige Anhaltspunkt auf irgendetwas. Doch auch das hilft ihr nicht. Ihr kommt nichts bekannt vor; nicht mal ansatzweise. Unerwartet umgreift sie von hinten Wärme und der Regen hört scheinbar auf. Erschrocken dreht sich Emma um und macht große Augen. „Ludwig?“, fragt sie überwältigt. Verwirrt von der erneuten Begegnung blinzelt sie mehrfach, dann bemerkt sie erst das Sonderbarste. Der junge Mann steht als junger Mann vor ihr; nicht als Werwolf. Er steht ganz dicht bei ihr, so nah, dass sie sich leicht berühren. Seine Wärme überträgt sich allmählich auf sie und ihr Zittern hört auf. Ludwig hat seinen schwarzen Mantel geöffnet und hält ihn über die junge Frau um sie gegen die Himmelsflut abzuschirmen. Sein braunes Haar klebt ihm strähnig am Kopf und Rinnsale laufen seitlich sein Gesicht hinab. Immer noch schweigt er, betrachte sie still. Die beiden sehen sich an, nur ihr atmen und der Regen sind zu hören. Ihr Blick fährt das Gesicht des Mannes ab. Sein kurzer Bart passt perfekt zu seinem männlichen Gesicht. Die leichte Bräune betont seine goldenen Augen und seine sinnlichen Lippen. Er hat etwas Wildes an sich, etwas Ungezähmtes, dass durch die Narbe auf seiner Wange noch unterstrichen wird. Irgendwie erinnert er sie an Sebastian. Ob das an ihrer tierischen Seite liegt? Auch wenn sie unter unterschiedlichen Flüchen leiden, tragen sie doch beide einen Wolf in sich. Und hat nicht Nicolaes Verlobte auch irgendetwas in die Richtung gesagt? Dass die beiden Männer gleich wären? Ihr wird plötzlich bewusst das sie ihn anstarrt und sie senkt verlegen einen Moment den Blick. Schließlich besinnt sie sich wieder und sieht auf. „Warum hast du mich hergeholt?“, flüstert die Studentin leise. Das Gesicht von Ludwig spannt sich an, aber seine Augen werden weich und warm. „Ich wollte dich sehen …“, haucht er. Emma muss schmunzeln. „Eine trockenere Umgebung wäre nett gewesen“, neckt sie ihn. Sie weiß nicht so wirklich, was sie hiervon halten soll. Er wollte sie sehen; schön und gut, aber wie er sie ansieht, dass ist … verstörend. Sein Blick taucht intensiv in ihren ein und das auf eine Art und Weise, die kaum Spielraum über seine Absichten lässt. Sie kann sich dem nicht so richtig erwehren. Ludwig ist ein überaus stattlicher Mann. Er überragt sie um einen Kopf und seine breiten Schultern vermitteln bereits auf den ersten Blick seine Kraft. Das schlimmste ist aber, dass er sie so sehr an Professor Jones erinnert. Schon verrückt und eigenartig, und gefährlich, wenn sie genauer darüber nachdenkt. Das Herz der jungen Frau klopft aufgeregt bei der Erkenntnis. Er löst etwas in ihr aus, dass sie nicht so richtig zu fassen bekommt. Unsicher und nervös leckt sie sich über die Lippen. Ludwigs Augen verengen sich, werden dunkler, und ein tiefes Knurren dröhnt in seinem Brustkorb, als er das sieht. In seinen Augen taucht ein regelrechtes Feuer auf und er scheint sich stark darauf konzentrieren zu müssen, sich zurückzuhalten. Im nächsten Moment befinden sie sich in einem Labor; einfach so, ohne Übergang. Eben standen sie noch im Wald, jetzt sind sie hier. Es wirkt altertümlich und aus einem anderen Jahrhundert. Die Gerätschaften sind altmodisch und die Zeichnung der menschlichen Anatomie, die an der Wand hängt, ist auch alles andere als genau. Die Studentin ist zu tiefst verwirrt. Wo ist sie denn jetzt? Und wo ist Ludwig? Bevor sie weiter darüber nachdenken kann spürt sie einen warmen, kräftigen Körper an ihre Rücken und heißen Atem in ihrem Nacken. Leise knurrt es und dann legen sich Lippen auf ihre Haut. Hingebungsvoll küssen sie sich ihren Hals hinab. Erschrocken keucht Emma und spannt sich an. Was wird das?! „Ludwig …“, haucht sie ungläubig, obwohl sie eigentlich wollte, dass es vorwurfsvoll klingt. Das tut er doch jetzt nicht wirklich?! Sie ist völlig überrumpelt und muss leider muss sie feststellen, dass ihre Empfindungen scheinbar auch ihre eigenen Wege gehen. Hitze schießt unkontrolliert durch ihre Nerven. Zarte Gänsehaut spannt ihre Haut und ein angenehmes Kribbeln beginnt tief unten in ihrem Bauch. Ihr Körper lässt sich scheinbar nichts von ihrem empörten Gehirn vorschrieben. „Du riechst großartig“, flüstert der Mann rau. Er schmiegt sich an die junge Frau und vergräbt sein Gesicht in ihrem Haar. Seine Arme legen sich um ihren Bauch und er drückt sie fest an sich. Sie spürt das Brummen an ihrem Rücken, und seine untrügliche Lust auf sie oberhalb ihres Hinterns. Und was für eine Lust! Die Studentin weiß einfach nicht, wie sie reagieren soll. Es fühlt sich zwar gut an, aber gleichzeitig auch falsch. Ihr Körper sehnt sich nach der Nähe, ihr Herz nach einem anderen Mann. Das teuflische ist, dass diese Nähe hier, der ähnelt, die sie sich von dem anderen wünscht. Kopf und Körper verbünden sich, kämpfen allerdings auch gegeneinander. Alles vermischt sich und sorgt für eine eigenartige Ohnmacht, die sie im Moment zu Tatenlosigkeit verdammt. „Ich kann dich ihn vergessen lassen“, sagt Ludwig leise und küsst sie hinter das Ohr. „Zumindest für eine Weile.“ Seine Finger Zeichen einen Kreis um ihren Nabel und anschließend wandern sie zu ihrer Hüfte. Spielerisch fährt er mit der rechten Hand unter den Stoff ihres Oberteils. Die junge Frau erschaudert unter der Berührung. Eine bekannte Hitzewelle bahnt sich ihren Weg durch ihren Unterleib und zwischen ihren Schenkel. Ein eindeutiges Pochen setzt dort ein. Scheiße! Was wird das hier? Sie muss unbedingt die Kontrolle über die Situation zurückbekommen, und über sich selbst. „Warum sagst du das?“, fragt sie mit zittriger Stimme. „Du bist traurig wegen ihm; das möchte ich nicht.“ Sanft knabbert er über ihre Schulter, lässt seine Hand auf ihrer nackten Haut ihre Seite hinauf gleiten. „Du musst es nur zu lassen, dann werde ich dich für einige Zeit auf andere Gedanken bringen“, haucht er mit brechender Stimme. Das klingt unglaublich verlockend. Sie ist nur sich selbst verpflichtet im Augenblick. Und Ludwig existiert eigentlich nicht mehr … er ist gestorben; vor Jahrhunderten schon. Kann man jemanden, mit dem noch gar nicht zusammen ist, mit einem Geist betrügen? Denkt sie ernsthaft darüber nach?! Emma keucht, als sich die zweite neugierige Hand unter den Stoff ihres Oberteils schiebt und ihre Haut berührt. Es fühlt sich so unfassbar gut an; wie Ludwig sie umhüllt, sein Geruch der ihre Sinne vernebelt und seine Wärme. Sie möchte … nachgeben … und gleichzeitig auch nicht. Es fühlt sich an, als würden die hitzigen Wellen in ihrem Unterleib mehr und mehr die Kontrolle übernehmen. Ihre Sinne werden in lustvollen Nebel gehüllt, der ihren Verstand trübe werden lässt. Ludwig scheint zu spüren, dass sie beginnt nachzugeben und intensiviert sein Tun. Seine Zähne necken die zarte Haut in ihrem Nacken, seine Hände werden unternehmungsfreudiger. Mit steigernder Intensität streicht er über die weiche Haut der jungen Frau, tastet sich zu ihrem Busen vor und kneten diesen. Die Studentin gibt endgültig nach und drückt sich gegen den muskulösen Brustkorb an ihrem Rücken. Sie legt den Kopf auf die Seite um seinem Mund mehr Spielraum zu geben. Ein heißer Strudel ergreift von ihr Besitz und schaltet ihren Verstand und ihren Anstand aus. Gleichzeitig scheint er ihre Sinne zu schärfen; der Raum gewinnt zunehmend an Wärme und Wollust. Sanft übt Ludwig Druck auf die Hüfte der jungen Frau aus damit sie sich zu ihm dreht. Seine goldenen Augen glühen förmlich, als er ihr Becken zu seinem heranzieht. Ihr zittriges Keuchen als sie seine strammstehende Männlichkeit spürt lässt ihn sicherer werden. Er legt einen Finger unter ihr Kinn um ihr Gesicht zu sich zu holen. Erregt knurrt er und beugt sich zu ihr. Ihre Lippen sind nur noch einen Hauch von einander entfernt ... Kapitel 4: Dunkle Schatten -------------------------- du mußt aus der Kälte kommen um die Wärme zu schätzen Anke Maggauer-Kirsche   Schlagartig ändert sich die Atmosphäre im Raum. Wärme und Lust verschwinden augenblicklich und eine bedrohliche Kälte greift um sich. Emma spürt, wie ihr Inneres sich ängstlich zusammenzieht. Doch bevor sie so richtig begreift was los ist, löst sich Ludwig von ihr und dreht sich um. Er baut sich regelrecht vor ihr auf um sie zu schützen. Vor was? Sie sieht nichts außer den breiten angespannten Rücken des Mannes vor ihr. Das tiefe Knurren das er ausstößt beunruhigt sie nur noch mehr. Wer ist da? Die Kälte wird immer eisiger und eine verzerrende Finsternis breitet sich aus. Das Labor verliert an Kontur und scheint wegzuschmelzen. Die Studentin spürt wie ihr schummrig wird und dann sackt sie in sich zusammen.   Feuchtigkeit ist das erste was Emma wahrnimmt, danach die eisige Kälte. Sie öffnet die Augen und ist extrem verwirrt. Vor ihr laufen dunkle Wellen über kleine Steinchen … Sie ist … am See? Mühsam setzt sie sich auf. Der See, der Wald – sie ist zurück in der realen Welt. Offenbar lag sie eine Weile auf dem Boden, ihre Sachen sind feucht. Die Kälte der Winternacht wird dadurch noch stechender und durchdringender. Sie beginnt zu zittern, wie sie noch nie gezittert hat. Die Studentin müht sich hoch. Ihre Gelenke wirken steif und wie eingefroren, alles wird durch einen stechenden Schmerz durchzogen und treibt ihr kleine Tränchen in die Augenwinkel. Was ist da vorhin passiert? Ludwig … Sein Benehmen war … eigenartig, um es nett zu sagen. Sie ist sich natürlich bewusst gewesen, dass er etwas für sie empfindet, schließlich hat er verzweifelt versucht sie vor den Übergriffen von Nicolaes Verlobten zu schützen, und er ist bei ihr geblieben danach. Er hätte bestimmt hinübergehen können, raus aus der Zwischenwelt. Aber das seine Gefühle so sind, hätte sie nicht wirklich vermutet. Und das ihre eigenen plötzlich so verrückt spielen auch nicht! Verdammt! Sie hat tatsächlich nachgegeben! Wäre dieser Schatten nicht aufgetaucht, wie weit wäre sie gegangen? Der Schatten! Was um Himmels Willen war das? War das die Gefahr vor der sie Ludwig gewarnt hat? Irgendwie schien er aber zu wissen, wer das ist … Gestern meinte er aber, er wüsste nichts Genaues. Hat er sie belogen? Oder haben die Dinge gar nichts miteinander zu tun? Hinter ihr ertönt ein Räuspern. Erschrocken fährt das Kindermädchen herum. Zwischen den Bäumen steht eine junge Frau. Ihre langen Haare sind blond und ihr Gesicht wirkt traurig. Der grüne Schimmer, der sie umgibt, verrät sie als Seelenfragment. „Sei vorsichtig“, flüstert die ruhelose Seele. Ihr Blick wandert ängstlich umher. „Er hat sich oft nicht unter Kontrolle.“ „Wovon redest du?“, fragt Emma. Sie geht ein paar zittrige Schritte auf die Blonde zu. Irgendwie kommt sie ihr bekannt vor; womöglich liegt das an der Uniform der Mystery Spell Universität die sie trägt? Also scheint sie noch nicht sehr lange tot zu sein, immerhin gibt es die Uni erst seit einigen Jahren. „Drogo“, haucht die Unbekannte und ein Schimmer aus Trauer und etwas anderem, Warmen, huscht durch ihr Gesicht. Emma schaudert es. Sofort kommen die Bilder wieder hoch: sie beide im Esszimmer, wie er sie auf dem Tisch festgesetzt hatte und diese blutrote Flut in seinen Augen. Er war damals drauf und dran sie zu beißen, dass weiß sie. „Sei vorsichtig“, wiederholt sich das Seelenfragment. „Seine Verbindung zu ihm ist sehr groß. Er würde es erfahren und dann würde er kommen … wie bei mir.“ Schmerz verzieht ihre Mimik und sie scheint sich in Erinnerungen zu verlieren. Das Kindermädchen versteht nicht so ganz, worauf die Unbekannte hinauswill. Wessen Verbindung zu wem? Was hat das mit Drogo zu tun? Allerdings gibt ihr das den nötigen Denkanstoß um sich zu erinnern, wo sie diese Frau schon einmal gesehen hat. Letztes Jahr ist eine Studentin spurlos verschwunden, sie hat zufällig in der Zeitung einen Artikel darüber gelesen. Zum Jahrestag ihres verschwindend wurde darüber berichtet. Daneben war ein Foto von der Frau abgedruckt. Sarah hatte ihr dann erzählt, dass Gemunkelt wurde, dass der Jüngste der Brüder etwas damit zu tun hatte. „Du … Du bist Mia, nicht wahr?“, fragt Emma vorsichtig und geht einen weiteren Schritt auf das Seelenfragment zu. „Mia Cooper.“ Die Frau nickt betreten. Sie sieht sich erneut nervös um bevor sie weiterredet. „Wir waren zusammen, Drogo und ich. Wir haben uns geliebt, auch wenn ich es nie so ganz zu ihm durchgeschafft habe. Er … Er hat die Kontrolle verloren und … und …“ Das Kindermädchen spürt wie ihr das Blut in den Adern gefriert. Er hat sie gebissen! Und … getötet? Auch wenn es diese extrem brenzlige Situation mit dem Blonden gab, kann sie sich das irgendwie schwer vorstellen. Er ist zwar impulsiv und hat sich mitunter schlecht unter Kontrolle, aber einen Menschen bis zum bitteren Ende aussaugen? Könnte er das? Also jetzt noch? Sie weiß, dass er früher Menschen tatsächlich nur als Vieh und Spielzeug angesehen hat, aber jetzt … Noch dazu wo sie sich ja geliebt haben, zumindest laut der Aussage ihres Gegenübers. „Es war knapp“, erzählt Mia. „Im letzten Moment hat er gestoppt … leider.“ Das letzte Wort war nur dahingehaucht, aber die Bitterkeit nicht zu überhören. „Leider?“ Emmas Stimme überschlägt sich ungewollt. Was soll das heißen?! Wollte Mia etwa sterben? Das wäre schon arg perfide irgendwie. Oder wollte sie verwandelt werden? „Ja, leider. Drogo war außer sich und überfordert, als er merkte was er getan hatte. Er lief weg und ließ mich allein. Dann … dann kam er, wie aus dem Nichts.“ Das Seelenfragment zieht sich langsam in die Dunkelheit zwischen den Bäumen zurück. „Er hat mich mitgenommen, hinfort in sein Reich; in seine Hölle. Sei vorsichtig! Sein Einfluss auf ihn ist groß …“ „Warte!“, ruft die junge Frau noch, aber die verlorene Seele ist bereits verschwunden. Wessen Einfluss, verdammt?! Wer ist aufgetaucht und hat die arme Mia in ihrem halbtoten Zustand mitgenommen? Ihre Gedanken kreisen zwar, aber es kommt nichts Vernünftiges dabei heraus. Ihr Gehirn scheint momentan genauso eingefroren zu sein, wie ihr Körper. Tatsächlich wird ihr bewusst, dass sie ihre Zehen nicht mehr wirklich spürt und auch ihre Finger werden allmählich taub. Scheiße! Der Weg zurück ins Herrenhaus ist noch recht weit … Zu weit für ihren Zustand, das wird ihr schrecklich bewusst. Emma kramt zittrig ihr Smartphone aus ihrer Jackentasche. Der Blick auf die Uhr erschreckt sie ziemlich. Es ist inzwischen fast Mitternacht. Offenbar lag sie viel länger hier in der klirrenden Kälte wie sie vermutet hat. Das erklärt auf jeden Fall ihre Unterkühlung. Krampfhaft versucht sie das Gerät zu entsperren um Peter anzurufen. Aber keine Chance! Ihre Hände zittern so sehr, dass sie den Pin nicht eingeben kann. Die Studentin spürt wie ihr Tränen der Verzweiflung kommen; und der Angst. Sie hat doch nicht das letzte Jahr überlebt, um jetzt an Unterkühlung mitten im Wald zu sterben! Das darf doch alles nicht wahr sein! „Was hat Rotkäppchen denn im Wald verloren, wenn der böse Wolf doch offenbar außer Landes ist?“, spottet es hämisch. Mehr verwirrt wie erschrocken sieht das Kindermädchen auf. Da zwischen den Bäumen, wo eben noch Mia war, steht Drogo. Er lehnt lässig gegen einen Stamm und hat sein typisches zynisches Lächeln aufgelegt; zumindest im ersten Moment. Doch kaum, dass er die junge Frau richtig angesehen hat, ändert sich seine Haltung. Er zeigt deutliche seine Sorge. Im Bruchteil einer Sekunde ist er bei ihr und legt einen Arm um ihre Schulter. „Emma, was ist passiert?“, fragt er hörbar bestürzt über ihren Zustand. Emma. Ihr Name aus dem Mund des Blonden, das hat schon etwas Eigenartiges. Es muss wirklich schlecht um sie stehen, wenn er sich dazu hinreißen lässt, sie so zu nennen und nicht wie üblich als „kleines Ding“ bezeichnet. Sie ist ehrlich erleichtert, dass sie Hilfe bekommt und würde das auch gern sagen, aber ihre Zähne klappern und machen das Sprechen schwer, bis fast unmöglich. „Kalt“, bringt sie mühsam und zittrig hervor. „Das merke ich“, antwortet Drogo trocken. Er beugt sich leicht hinunter und fährt mit dem Arm in ihre Kniekehlen. Mühelos hebt er sie hoch. „Festhalten, dass wird ein rasanter Ritt.“ Bevor das Kindermädchen etwas sagen kann, geht es bereits in halsbrecherischem Tempo durch den kahlen Wald. Der Wind, der durch die Geschwindigkeit entsteht, entzieht ihr langsam die restliche Körperwärme. Eine merkwürdige Müdigkeit fällt langsam über sie her; immer wieder fallen ihr die Augen zu. „Wach bleiben“, flüstert es besorgt und fast schon panisch an ihrem Ohr. „Wach bleiben, Emma. Bitte.“ Drogo hat „Bitte“ gesagt. Wäre die Situation nicht so brenzlig, fände das Kindermädchen das schon fast amüsant. Sie kämpft mit aller Macht gegen das Einschlafen an, stemmt sich mit aller Kraft dagegen; ohne Erfolg. Kälte und Müdigkeit übermannen sie …   Das erste was sie bewusst wahrnimmt ist ein gleichmäßiges Pochen. Es braucht ein wenig bis sie begreift, dass es sich um einen Herzschlag handelt. Ein Herzschlag. Definitiv kann das Geräusch also von keinem der Bartholys stammen. Wer ist ihr also dann so nah? Das zweite ist die eisige Kälte, die sich tief in sie hineingefressen hat und sie immer noch zittern lässt. Dieses Gefühl sitzt so tief, dass es den Eindruck macht es würde selbst von ihrer Seele besitz ergreifen. Emma spürt wie sich um sie herum etwas bewegt, also richtig um sie herum. Etwas ist an sie geschmiegt und scheint sie fast komplett zu umhüllen. Es ist warm und weich und … pelzig? Mit großer Anstrengung öffnet sie ihre Augen und sieht … Eine schwarze Schnauze. Sebastian? Aber er ist doch gar nicht da, er ist am anderen Ende der Welt. Aber da ist ein Wolf, der förmlich auf ihr liegt. „Verzeih mir“, hallt eine tiefe durch den Kopf der jungen Frau. „Ich … es tut mir leid. Ich hätte das nicht tun dürfen … nicht ausnutzen dürfen … Außerdem habe ich dich in Gefahr gebracht … das wollte ich nicht …“ Ein betretenes Fiepen ist zu hören. Das Kindermädchen macht große Augen. Ludwig? Er ist das? Das bedeutet, sie ist in der Zwischenwelt. Das heißt … Ist sie tot?! Stirbt sie gerade?! Panik schießt durch ihren Körper. Als hätte der Werwolf ihre Gedanken gelesen, drückt er sich näher an sie. „Du musst kämpfen.“ Sie spürt wie der massige Körper, der um und auf ihr liegt, sich zusammenzieht und sie noch mehr, enger umgibt. Wärme keimt langsam wieder auf und das Zittern lässt nach. Kämpfen. Sie muss kämpfen! Die junge Frau schließt wieder die Augen und konzentriert sich auf diese kleine Flamme, die irgendwo ganz tief in ihrem Inneren noch brennt. Mit aller Macht versucht sie, das Feuer wieder zu entfachen. Sie versucht alles andere auszublenden und sich nur darauf zu konzentrieren. Ludwig spürt ihre Bemühung und brummt. Er drückt sich noch fester an sie, als wolle er nicht nur Wärme, sondern auch seine Energie auf sie übertragen. Emma ist so fokussiert darauf, dass sie die Stimme die sie ruft im ersten Augenblick nicht bemerkt. Sie ist leise, aber energisch. Immer wieder ruft jemand nach ihr … ein Mann so viel ist klar, aber wer? Es ist leise und verfremdet, als würde das Rufen aus einer anderen Welt kommen … „Du musst gehen“, sagt der Werwolf lautlos und drückt sich hoch. Er legt seinen Kopf flach auf den konturlosen Boden und sieht die junge Frau mit seinen goldenen Augen an. „Er wird merken, dass ich noch da bin, wenn du länger hierbleibst.“ Zunächst ist das Kindermädchen verwirrt, doch dann versteht sie es. Genau in diesem Moment wird die Stimme plötzlich klar und deutlich. Es ist Nicolae, der ihren Namen ruft. Mit Bedauern registriert sie, dass sich Ludwig von ihr löst. Sofort fehlt ihr die Wärme, und auch das Gefühl von Schutz und Behütet sein. Doch er hat Recht, sie muss hier weg; sie gehört nicht in diese Welt! Unterkühlung hin oder her! Mit aller Macht versucht sie, den Weg zurück zu ihrem Körper zu finden. Sie versucht ihn sich vorzustellen, ihn zu spüren. Die Stimme des Familienoberhauptes leitet sie irgendwie, wie eine Spur aus Tönen führt sie sie. Stück für Stück findet sie zurück und beginnt ihre reale Hülle wieder wahrzunehmen. Die wohlige Wärme, die sie eben noch umgeben hat, weicht allmählich wieder einer leichten Kälte. Die junge Frau fühlt das typische Stechen in ihren Zehen die langsam wieder auftauen. Das Knistern von Feuer ist zu hören und leises Gemurmel. Sie öffnet die Augen und muss sich direkt zusammenreißen, nicht erschrocken zu schreien. Die Bartholy-Brüder sind unmittelbar vor ihr und sehen sie an; besorgt, erleichtert, verunsichert. Mit einer wortlosen Geste deutet Nicolae Peter und Drogo etwas auf Abstand zu gehen. Der Pianist folgt der Aufforderung, schenkt dem Kindermädchen ein kleines Lächeln und verlässt direkt das Wohnzimmer. Der Blonde hingegen richtet sich zwar auf, bleibt aber lässig neben der Couch stehen. Seine nussbraunen Augen mustern Emma intensiv und etwas ist kurz in ihnen zu sehen. Etwas, was nach Sorge und Zuneigung aussieht, aber so schnell verschwindet, dass sie sich nicht sicher ist. Im nächsten Augenblick geht der Jüngste der Brüder ebenfalls aus dem Raum. Nur sie und Nicolae bleiben übrig. Ein nervöses Kribbeln macht sich in Emma breit. Die Situation hatten sie bereits einmal. Der Kamin, sie auf der Couch … die Erinnerungen überrumpeln sie einen Moment. Die Bilder spulen sich im Eilverfahren vor ihrem inneren Auge ab und trieben ihr ungewollt die Röte auf die Wangen. Nicolae scheint zu wissen, was ihr durch den Kopf geht und räuspert sich bevor er aufsteht und Distanz zwischen sie beide bringt. Er setzt sich auf den Sessel und beobachtet die junge Frau ruhig. „Schlaf noch ein wenig“, sagt er leise. Als wäre ein Kommando gefallen dämmert das Kindermädchen sofort weg. Kapitel 5: Unerwartet --------------------- Je kleiner die Erwartung, umso größer die Erfüllung. Erwin Koch   Das Kindermädchen schläft unruhig. Eigenartige Träume begleiten sie durch die Nacht. Ludwig und Sebastian sind da, Mia Cooper, die um ihr Leben schreit und ein dunkler Schatten, der alles Leben vernichtet. Sie träumt von einem Spiegel, von Moony und auch von Drogo. Alles ist wirr und vermischt sich miteinander. Als sie die Augen öffnet fühlt sie sich alles andere als ausgeschlafen. Ihr dröhnt der Kopf und ihr Körper fühlt sich schrecklich schwer an. Es fühlt sich ein bisschen an wie eine ungesunde Mischung aus dem Kater ihres Lebens und einer beginnenden Erkältung an. Draußen auf dem Flur hört sie Lorie. Das kleine Monster kreischt laut, dass das nicht fair ist und die, ihr Kindermädchen ist. Die hätte sich um sie zu kümmern, und überhaupt sollen die Jungs nicht so nett zu ihr sein, und … Emma hört nicht mehr hin. Sie kennt das Theater bereits zur Genüge. Die Kleine ist oft eifersüchtig, wenn die Brüder nett zu ihr sind. Sie ist es nicht gewöhnt nicht der Mittelpunkt der Welt zu sein und lässt das auch alle hören. Allerdings kann Lorie auch ganz anders. Manchmal ist sie sehr anhänglich und unfassbar lieb – als würden da zwei Persönlichkeiten in ihr stecken. Schon verrückt, aber auch verständlich. Ihr Zustand wird nicht spurlos an ihr vorüber gegangen sein über die Jahrzehnte … Die junge Frau streckt sich und versucht ihren Kreislauf in Schwung zu bringen. Mühsam und energielos steht sie auf und schleppt sich ins Badezimmer. In der Zwischenzeit hört das Gezeter vor ihrer Zimmertür auf. Nach einer Dusche, die sie etwas belebt, zieht sie sich an und verlässt ihr Zimmer. Eigentlich steht ihr nicht der Sinn nach Frühstück, aber ihr Körper scheint anderer Meinung – mal wieder. Sie muss an Ludwig denken, und seine Annäherung. Das wäre beinahe schief gegangen … Auf mehreren Ebenen. Was war nur los mit ihr? Und ihm? Wenn sie noch länger da in der Kälte gelegen hätte, wäre sie womöglich … Energisch schüttelt die Studentin den Kopf. Er wollte ihr nie etwas Böses. Wahrscheinlich war er sich gar nicht bewusst, dass er sie in Lebensgefahr gebracht hat … Warum verteidigt sie ihn eigentlich?! Auch wenn sie es sich nicht eingestehen will, kennt sie die Antwort. Sie mag ihn. Aber nicht … nicht so … oder? Oder?! Das Kindermädchen seufzt schwer. Sie weiß nicht so recht; immerhin hat sie seinen Avancen nachgegeben. Sie hat sich von ihm berühren und küssen lassen … Und es hat ihr gefallen … Was stimmt nicht mit ihr?! Gerade, als sie denkt, sie hat Ordnung in ihrem Herzen geschaffen … Genervt von sich selbst brummt und öffnet die Tür zum Esszimmer. Verwundert zieht sie die Augenbraue hoch. Sie hat damit gerechnet, dass Lorie nicht hier ist; nach ihrem Wutausbruch vorhin wird sie in ihrem Zimmer schmollen und ihre Kuscheltiere quälen. Drogo hat sie auch nicht erwartet; trotz seiner Fürsorge gestern. Er hat sie gesucht und sich sichtbar Sorgen um sie gemacht, aber zwischen ihnen beiden ist es einfach zu kompliziert und eigenartig. Sie gehen sich ja schon seit Wochen aus dem Weg. Das Nicolae aber auch mit Abwesenheit glänzt ist schon ungewöhnlich … An dem großen Tisch sitzt tatsächlich nur Peter, der betreten wirkt. Ihm ist die Nichtanwesenheit der restlichen Familie scheinbar unangenehm. „Guten Morgen, verbliebenes Familienmitglied“, witzelt Emma und grinst schief. Sie will unbedingt die Stimmung etwas lockern. Und wenn es ein was gibt, dass sie überhaupt nicht mag, dann ist es, wenn sich der Mittlere der Brüder wegen dem Rest der Sippschaft schämt. Ein Umstand der tatsächlich häufiger vorkommt und wahrscheinlich auch der Grund ist, warum er sich lieber in sein Zimmer zurückzieht. „Guten Morgen, Emma“, antwortet der Pianist und lächelt etwas erleichtert. Das Kindermädchen ist zufrieden; Ziel erreicht. Frohen Mutes geht sie zum Tisch und setzt sich. Sie ist nicht wirklich böse darüber, dass der Rest der Familie fehlt. Nachdem was sie heute Morgen schon wieder von Lorie gehört hat, legt sich keinen Wert auf ihre Anwesenheit; zumindest nicht sofort. Sie wird sich später eh um sie kümmern müssen, da kann sie diese kleine Pause zuvor ganz gut gebrauchen. Und Drogo ist auch so ein schwieriges Pflaster im Augenblick, von Nicolae ganz zu schweigen. „Wie geht es dir?“, fragt der Mittlere der Brüder nach und sieht sie an. Ein Hauch von Sorge ist in seinen grünen Augen zu sehen, während er das Buch in dem er offenbar gelesen hatte um die Wartezeit zu überbrücken schließt. Die junge Frau schmunzelt, während sie einen Schluck Kaffee trinkt. „Gleich zum Verhör? Kein Vertuschungssmalltalk vorher?“, lacht sie leise. Tatsächlich ist ihr Gegenüber eher niemand, der um den heißen Brei redet; zumindest nicht wenn es um jemand anderen gehet. Themen die ihn selbst betreffen hingegen umschifft er meistens sehr galant. Allerdings tun das alle Mitglieder der Familie; was sie zwar einerseits versteht, sie aber auch oft nervt, weil sie dadurch oft nicht versteht, warum wer wie handelt oder eben nicht. Aber der Umstand wird sich wohl nie ändern, also hilft es auch nicht sich deswegen immer wieder aufzuregen. Peter schüttelt den Kopf, als wäre Emma ein hoffnungsloser Fall. Warmherzig sieht er sie anschließend an und lächelt. „Du hast mir echt gefehlt“, gesteht er leise. Dem Kindermädchen wird direkt warm ums Herz. „Du mir auch“, flüstert sie. Sie seufzt. „Mir geht es …“ Tja, wie geht es ihr? Körperlich scheint sie sich gut erholt zu haben; zwar noch schlapp, aber immerhin scheint sie keine Lungenentzündung oder sonstiges davongetragen zu haben. Emotional … ist es schwierig. Ludwig bereitet ihr Kopfzerbrechen. Problem ist, dass sie einfach mit niemandem so recht darüber reden kann. Selbst Sarah hat sie nicht die ganze Wahrheit über die Geschehnisse in der Zwischenwelt letztes Jahr erzählt. Ihre Angst war einfach zu groß. Sollte ihre Freundin Nicolae begegnen und er in ihr lesen, könnte er dadurch erfahren wer der, oder besser die, Hauptschuldige an dem Horror gewesen war. Also hat sie es verschwiegen. Und als wäre das nicht genug, ist nun auch noch Mia Cooper aufgetaucht. Soll sie dazu etwas sagen? Was macht sie nun? Über Mia könnte sie vielleicht mit Peter reden … Peter! Emma sieht von ihrer Tasse auf. Sie spürt wie sie verschämt rot wird, weil ihr gerade bewusstwird, dass sie einfach mitten im Satz aufgehört hat zu reden und stattdessen vor sich hin sinniert hat. „Mir geht es so mittelprächtig“, erklärt sie und grinst schief. „Ah. Ich dachte schon, du wärst eingeschlafen“, spottet der Pianist. Die junge Frau lacht kurz und widmet sich dann ihrem Brötchen. Eine angenehme Stille erfüllt den Raum und nach einiger Zeit beginnen die beiden zu plaudern. Kein tiefgreifendes Gespräch über den Sinn des Lebens, eher ein lockeres Geplänkel über Gott und die Welt. Nachdem Emma fertig ist mit Essen, verabschiedet sich Peter und zieht sich in sein Zimmer zurück. Und nun? Das Kindermädchen weiß nicht so recht. Sie geht ebenfalls erstmal zurück in ihr eigenes Reich. Angekommen nimmt sie gedankenverloren ihr Smartphone und lässt sich rücklings auf ihr Bett fallen. Sie spielt mit dem Gedanken Sarah zu schreiben um sie zu fragen ob es etwas Neues bei ihr gibt und entsperrt das Gerät. Huch? Sie hat fünf Nachrichten. Wer hat sie den versucht so dringend zu erreichen? Verwirrt öffnet sie die erste Mitteilung und ihr stockt der Atem. Im nächsten Moment klopft ihr Herz aufgeregt, ihre Hände werden feucht und sie spürt eine belebende Aufregung. Sebastian! Alle Nachrichten sind von ihm! Die junge Frau ist unsicher, was das zu bedeuten hat. Nach allem was war, war er den Rest des Jahres extrem distanziert zu ihr. Er hatte ihr mehrfach gesagt, dass da zwischen ihnen nichts wäre. Das wäre alles nur der Situation geschuldet und nicht echt gewesen hatte er ihr immer wieder beteuert. Trotzdem hatte sie seine Blicke gespürt. Nie offen, immer nur heimlich, wenn er dachte sie merkt es nicht. Aber ihr Körper hatte es sofort gespürt und ihr Gänsehaut und ein angenehmes Kribbeln beschert. Egal, was er gesagt hatte, die Art wie er sie manchmal mit seinen bernsteinfarbenen Augen förmlich aufgefressen hatte, macht ziemlich deutlich, dass er nicht so empfand wie er sagte. Nach einigen Wochen, sagte er dann, dass es zwischen ihnen nicht sein dürfte. Das klang schon ganz anders. Es war ein Schritt; ein Eingeständnis das da doch etwas zwischen ihnen ist. Allerdings sagte er auch, dass sie sich nichts erhoffen solle, dass sie von ihm fernbleiben solle.  Seine Stimme klang … flehend, als würde es ihm Schmerz bereiten. Emma bemühte sich, seinem Wunsch zu entsprechen. Oft genug sah sie sein Unwohlsein, wenn sie sich begegneten. Sie bemühte sich wirklich – konnte aber nicht wirklich Abstand halten. Er wirkte wie ein Magnet auf sie. Seine wilde Aura, seine männliche Ausstrahlung, seine Weichheit, wenn er sich um sie sorgte. Und ihre Wirkung auf ihn schien nicht anders zu sein. Er begegnete ihr oft, sehr oft; zu oft, dass es Zufall sein konnte. Obwohl diese Aufeinandertreffen ihm weh taten, konnte er scheinbar nicht ohne sie. Die Studentin war sich natürlich bewusst, dass es unfassbare Probleme bereiten würde, aber gleichzeitig wünschte sie sich nichts Anderes als ihn. In seinen Armen zu liegen, seine Haut zu kosten, an seiner Seite zu sein … Es war unerträglich. Diese Sehnsucht, diese Hitze die er auslöste, wenn er ihr nah war. Gleichzeitig diese Kälte die er manchmal ausstrahlte, um sie auf Distanz zu halten.  Ein Wechselbad der Gefühle das sie schlauchte und zu zerbrechen drohte. Und dann war da dieser Freitagabend, in der Uni, in seinem Büro … Gott, es war berauschend und befreiend. Zu gut um wahr zu sein. Alle Vorschriften und gesellschaftlichen Regeln waren plötzlich bedeutungslos. Nur sie und er zählten … Samstag kam die Ernüchterung. Er schickte ihr eine Nachricht, dass sie das nicht hätten tun sollen … Es zerriss ihr förmlich die Seele. So sehr es ihr Kopf verstand, so sehr hasste es ihr Herz. Die Studentin atmet durch und konzentriert sich wieder auf ihr Handy. Sie hat ein wenig Angst vor dem was er ihr geschrieben haben könnte, doch sie muss es wissen. „Ich hoffe du hattest ein gutes Silvester. Ich wünsche dir, dass dieses Jahr besser wird.“ Emma wird ganz anders. Ja, dieses Jahr wird besser! Sie hat es sich fest vorgenommen und sie wird alles dafür tun, dass es auch so wird. „Meine Expedition ist gut verlaufen. Ich werde zum Start der nächsten Vorlesungen viel zu berichten haben :)“ Sie muss Grinse. Er ist ein großartiger Dozent, der mit seinem Kurs zu fesseln weiß. Nicht umsonst ist der Hörsaal immer bis auf den letzten Platz besetzt. Sie ist schon gespannt, was es in Peru so dringendes zu erforschen gab, dass er so schnell wegmusste. „Es ist eigenartig dich so lange nicht sehen zu können …“ Was?! Die Studentin liest die Nachricht mehrfach um ganz sicher zu gehen. Sagt er ihr wirklich, dass er sie vermisst? Jetzt, einfach so? Nachdem er sie vor seiner Abreise links liegen lassen hat? Sie kann es kaum glauben und spürt zunächst Erleichterung; und dann eine tiefsitzende Angst, als sie die nächste Nachricht öffnet. Wahrscheinlich schreibt er ihr gleich, dass er es nicht so gemeint hat, oder nimmt es wieder zurück, doch … „Es ist so glanzlos ohne dich. Als würde der Welt die Farbe fehlen. Ich habe die Entdeckung meines Lebens gemacht und freue mich, aber nicht so, wie ich es würde, wenn du dabei gewesen wärst.“ Ihr bleibt die Luft weg. Sie spürt eine wachsende Unruhe, aber sie ist eher positiv. Ja, das kommt plötzlich und so per Nachricht ist es sehr unpersönlich, aber Sebastian scheint sich generell ziemlich schwer zu tun, seine Emotionen in Worte zu fassen, oder generell in geordnete Bahnen. In Anbetracht dessen war das hier wahrscheinlich ein riesiger Schritt für ihn. Das Kindermädchen atmet durch und öffnet die letzte Nachricht, die vor zwei Minuten reinkam. „Ich vermisse dich, meine Süße.“ Sie kann nicht anders und schreit kurz vor Glück. Alles andere ist sofort vergessen. Ludwig, Mia, der Schatten; alles bedeutungslos. Meine Süße. Emma spürt das Kribbeln zwischen ihren Beinen und die Szene in Professor Jones Büro wird in ihrem Kopf wieder lebendig. Da hat er sie auch so genannt, als sie sich ganz nah waren. Sein warmer Atem strich dabei über ihren verschwitzten Nacken und ein Tsunami des Glücks riss sie hinfort … Schnell besinnt sie sich und antwortet: „Du fehlst mir auch. Kann es kaum erwarten dich endlich wieder zu sehen …“ Sie drückt ihr Smartphone gegen ihre Brust und zittert vor lauter Endorphinen. Geht es jetzt wirklich bergauf? Ist das wirklich möglich? Diffus bleiben die Bedenken in ihrem Hinterkopf, dass er womöglich wieder ein Rückzieher macht sobald er wieder hier ist, aber die Begeisterung überwiegt im Moment einfach. Es vibriert an ihrem Brustkorb. Schnell sieht sie nach. „Noch drei Tage, dann bin ich zurück … und wünsche mir nur eins: dich bei mir zu haben. Ganz nah.“ Die Freude übermannt sie einen Augenblick, dann krallt sich der Zweifel aus der hinteren Ecke in ihr Herz. In drei Tagen kann viel passieren. Sebastian hat schon oft seine Meinung geändert. Wenn er zurück ist und sein Pflichtbewusstsein die Oberhand gewinnt, wird er wieder auf Distanz gehen … oder? Es klopft an der Zimmertür. „Emma? Alles in Ordnung?“, fragt die Nicolae besorgt. Sie fühlt sich ertappt; als wäre sie bei einer Dummheit erwischt worden. „Ja … Ja, alles gut“, stammelt sie und muss dann kichern. Sie fühlt sich wieder wie damals als Teenager … schon verrückt, was Sebastian in ihr auslöst. „Okay“, antwortet das Familienoberhaupt hörbar verwirrt und geht wieder. Sarah! Sie muss unbedingt ihre Freundin sehen. Schnell schreibt sie ihr, ob sie heute Zeit hat. Keine fünf Minuten später kommt die Reaktion. Die Frauen verabreden sich für den Nachmittag bei der jungen Osbourne zum Mädelstreff. Emma fühlt sich leicht und beschwingt. Mit neuer Energie verlässt sie ihr Zimmer und macht sich an die Arbeit. Lorie hütet sich schließlich nicht von selbst. Und egal was sich das kleine Monster wieder für ein Spiel ausgedacht hat, es wird ihr nichts anhaben können. Sie fühlt sich unbesiegbar im Augenblick, und auch Lorie wird ihr das nicht nehmen können! Schwungvoll betritt Emma das Kinderzimmer – und staunt nicht schlecht. Die Kleine sitzt auf dem Boden, vor ihr das riesige Puppenhaus, um sie herum ihre Puppen. Mit einem zarten Lächeln auf den Lippen kämt sie eine nach der anderen; zumindest das, was von den Haaren noch übrig ist. Die meisten ihrer Spielzeuge sehen nämlich aus, als wäre sie aus dem Film „Chucky“ entflohen. Entstellt, kahl rasiert, angekogelt, auf sonstige Weise demoliert. Ja, die Kleine hat ernsthafte Probleme, aber daran wird auch das Kindermädchen wohl nichts ändern können. Das ist auch nicht unbedingt ihr Job. Nicolae meinte damals als er sie eingestellt hat zu ihr, dass er möchte, dass Lorie etwas stabiler wird und vor allem ein weibliches Vorbild bekommt. Und, ja, sie ist mental etwas stabiler geworden in dem Jahr, und auch ihre Wutausbrüche sind weniger geworden. „Sieht aus als bräuchtest du mich gar nicht“, schmunzelt die junge Frau und geht einige Schritte in das Zimmer.   Kapitel 6: Bonus: Im Büro ------------------------- Das Büro ist die Gegend, wo der liebe Gott die bösen Engel beschäftigt. Billy   Emma steht vor der Tür zu Professor Jones Büro, die Hand erhoben um zu klopfen. Es wirkt, als wäre sie erstarrt, mitten in der Bewegung eingefroren. Soll sie wirklich? Ist das eine gute Idee? Ihr geht wieder durch den Kopf was vor einigen Minuten passiert ist: Sie war in der Bibliothek um zu lernen und zu recherchieren. Ihr ist gar nicht aufgefallen, wie die Zeit förmlich verflogen ist. Als sie bemerkte, dass es inzwischen dunkel draußen war, machte sie sich auf den Weg. Sie verließ die Bibliothek und ist unfreiwillig Loan in die Arme gelaufen. Er war charmant wie immer … Die junge Frau hatte verzweifelt versucht sich ihm zu entziehen, aber er war wesentlich aufdringlicher wie sonst. Gerade, als sie vor Verzweiflung fast geschrien hätte, oder dem Idioten eine runtergehauen, tauchte Drogo auf. So unerwartet, dass auch Loan völlig überrumpelt war. Immer noch weiß das Kindermädchen nicht was sie davon halten soll. Vor allem, wo ihr Verhältnis zueinander so angespannt ist. Der Blonde hat ihr schon oft wegen dem Quaterback geholfen, aber durch die Vorgeschichte war es diesmal anders. Aber das merkwürdigste war eher die Art, wie er Loan angegangen ist. Sonst ist er den Casanova der Uni direkt wegen ihm selbst angegangen. Hat ihn persönlich verbal angegriffen. Hat ihn beleidigt und aufgezogen. Vorhin nicht. Er hatte dem Quaterback gesagt, er solle seine dreckigen Pfoten von Emma lassen. Sie hätte ihm doch deutlich gesagt, dass sie nichts von ihm will. Und überhaupt wäre sie zu gut für einen Idioten wie ihn, hätte etwas Besseres verdient. Loan hatte sich darüber lustig gemacht; den Blonden hämisch gefragt, ob er sich für das Bessere halten würde. Der jungen Frau gefror das Blut in den Adern. Die nussbraunen Augen des Vampirs glühten regelrecht vor Wut. Sie wusste, dass er sein Gegenüber mit einem Fingerschnipp töten konnte; und womöglich auch würde. Vorsichtig legte sie ihre Hand auf die Schulter des Blonden. „Er ist es nicht wert“, flüsterte sie. Drogo ließ nach einem Augenblick von Loan ab, der sofort die Beine in die Hand nahm und das Weite suchte. Emma sah den Vampir verwirrt an und dieser unlesbar zurück. Was war nur los mit dem Blonden? Er beleidigte sie ständig, ging ihr aus dem Weg und war extrem abweisend und nun das? Was ging nur in ihm vor? Seine nussbraunen Augen wurden weich und warm. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch etwas lenkte ihn ab. Sein Blick ging an der jungen Frau vorbei und wurde schlagartig kalt. Das Kindermädchen drehte sich um und zwei bernsteinfarbene Augen starrten sie an; wütend, enttäuscht, frustriert. Am Ende des Gangs stand Professor Jones, die Fäuste geballt. Er wirkte so, als würde er jeden Moment vor Wut explodierenden. Er sagte nichts, drehte sich um und ging. Drogo verschwand genauso und Emma blieb verwirrt zurück. Ihr erster Gedanke war ein frustriertes „Männer!“ Der nächste sorgte für ein unschönes Grummeln in ihrem Magen. Was, wenn Sebastian alles gehört hat?  Er könnte die völlig falschen Schlüsse daraus ziehen. Was, wenn er jetzt glaubt, dass da etwas zwischen ihr und Drogo läuft … Und nun steht sie hier, vor seinem Büro. Sie ist hergeeilt, weil sie das klären wollte; nun traut sie sich nicht zu klopfen. Die Studentin atmet noch einmal durch und gibt sich einen Ruck. Beinahe schüchtern klopft sie. Es dauert verdächtig lang, nichts geschieht. Gerade als sie erneut klopfen will, öffnet sich die Tür. Sebastian scheint nicht begeistert die junge Frau zu sehen. Seine Haltung ist kalt, seine Augen gleichgültig. „Was wollen Sie hier, Miss Miller?“, knurrt er förmlich. Emma spürt, wie ihr seine Worte und die Art wie er sie ansieht ins Herz stechen. Doch sie darf sich nicht unterkriegen lassen! Sie ist hergekommen um etwas klar zu stellen, und das wird sie auch! Also … vielleicht … Sie spürt wie sie unter seinem Blick, seiner Ausstrahlung, förmlich zusammensinkt. Er hat diese natürliche Autorität die einen ohne viele Worte in die Schranken weist. „Sollten Sie nicht bei Helden des Tages sein?“, fragt der Archäologe herablassend. Plötzlich packt die Studentin die Wut. Wie kann er nur denken, dass zwischen ihr und Drogo … Sie macht einen energischen Schritt auf Sebastian zu und drückt ihm den Zeigefinger gegen die Brust. „Wie kannst du nur so etwas von mir denken?!“, faucht sie ihn an und ist über sich selbst erschrocken. Professor Jones offenbar auch, denn er macht überrumpelt einen Schritt zurück. Doch er fast sich schnell wieder. „Was ich denke, sollte Ihnen egal sein. Ihr Privatleben ist Ihre Sache“, gibt er trocken zurück. „Es geht nur Sie selbst etwas an, mit wem Sie …“ Die Ohrfeige kommt so schnell, dass Emma im ersten Moment gar nicht merkt, was sie da gerade getan hat. Doch Professor Jones Wange färbt sich rasant rot und ihre Handinnenfläche brennt. Die untrüglichen Beweise für ihre Kurzschlussreaktion. Blitzschnell packt Sebastian das Handgelenk der jungen Frau und zerrt sie in sein Büro. Mit einem kräftigen Tritt schließt er die Tür, die krachend zu fällt. Er sagt nichts, beugt sich nur in Zeitlupe zu ihr hinunter und fixiert sie mit seinem wilden, wütenden Blick. Das Kindermädchen spannt sich an. Die bernsteinfarbenen Augen ihres Gegenübers haben einen unheilvollen Glanz, als würde die Bestie dahinter jeden Moment hervorpreschen und sie in Stücke reißen. Gleichzeitig werden ihre Knie weich, weil sein Gesicht ihrem so nah ist, dass sich ihr Atem vermischt. Sein unvergleichlicher Geruch nach Wildnis umschmeichelt sie und sorgt für den nächsten Kurzschluss. Gott, sie stirbt vor Lust, dass er sie küsst; seine sinnlichen Lippen auf ihre legt und sie um den Verstand bringt. Eben war sie noch wütend und hat ihn geohrfeigt, jetzt will sie sich ihm hingeben. Das ist doch nicht normal! „Ich sollte nicht …“, flüstert Professor Jones. Sein Blick verändert sich. Er verliert nichts an seiner Wildheit, aber der Glanz ist nun eher leidenschaftlicher Natur. Im nächste Augenblick küsst er Emma; roh und brutal. Und sie erwidert den Kuss leidenschaftlich und ungehemmt. Das Kindermädchen vergräbt ihre Hand in seinem schwarzen Haar und drückt sich an seinen Körper. Das tiefe Knurren das sie in seinem Brustkorb spürt lässt sie schaudern. Ihre Nervenenden scheinen alle gleichzeitig zu explodierenden und sie stöhnt. Ihre Lust überrennt sie förmlich. Sebastian packt ihre Hüfte und drängt sie rückwärts. Immer weiter, während er sie hungrig küsst und sie förmlich verschlingt. An seinem Schreibtisch angelangt wandern seine Hände unter ihren Uni-Pullover. Als Emma spürt, wie er ihre Haut berührt kann sie nicht mehr an sich halten. Sie will ihn genauso anfassen, ihn kosten und genießen. Völlig von Sinnen reißt sie ihm sein Oberteil über den Kopf und bedeckt seinen kräftigen Brustkorb mit Küssen. Er hat ihr so schrecklich gefehlt; auf so vielen Ebenen, dass sie nicht an sich halten kann. Sie hört wie er sich leise über ihre forsche Art amüsiert, aber im nächsten Moment lustvoll brummt, als ihre Hand sich auf seine bereits recht straffe Männlichkeit legt und diese genussvoll durch den Stoff massiert. Das Gefühl endlich wieder seine Haut zu schmecken berauscht sie immer mehr. Hitzestöße zucken durch ihren Körper und eine unbändige Lust verschlingt ihren Geist. Es hat etwas Beängstigendes. Allerdings fühlt sie sich bei Sebastian derart sicher, dass sie sich nicht gegen diese Übernahme durch ihre Triebe wehrt. Professor Jones knurrt, legt den Kopf in den Nacken und vergräbt gleichzeitig eine Hand in ihrem Haar. Die Spur die ihre Zunge über seinen Oberkörper, und über seinen Bauch hinunter Richtung Hosenbund zieht, lässt ihn beben. Die junge Frau genießt ihre Wirkung auf den Mann vor ihr. Sie fühlt sich dadurch sexy und begehrenswert. Sie öffnet seinen Gürtel, seine Hose und entblößt seine strammstehende Männlichkeit. Ungeniert lässt sie ihren Blick darüber schweifen und spürt, wie ihre eigene Lust dadurch zunimmt. Zwischen ihren Schenkeln ist es bereits feucht und es pocht fordernd. Doch sie will dem noch nicht nachgeben. Sie will lieber noch mehr von diesem göttlichen Mann kosten wo sie die Chance hat. Emma geht auf die Knie. Sie sieht auf und muss ein Stöhnen unterdrücken in dem sie sich auf die Lippe beißt. Sebastians Augen leuchten förmlich und zeigen deutlich, dass er kaum erwarten kann, was gleich passiert. Es ist unfassbar wie seine Lust die ihre schürt. Ohne ihren Blick abzuwenden leckt sie über seine Eichel, erfreut sich an dem Zittern das sie bei ihm auslöst. Ihre Hand umschließt seinen Schaft und sie nimmt seine freudigzuckende Männlichkeit in den Mund. Sie leckt, saugt und spielt mit Intensität und Druck ihrer Lippen und Zunge. Sebastian kann seinen verklärten Blick nicht abwenden. Seine Lust wächst immer weiter und seine Finger vergraben sich tiefer in ihrem Haar ohne sie in ihrem Tun zu beeinflussen. Als sie sein bestialisches Stöhnen hört, schießt eine Welle aus Wollust und Freude durch ihren Körper und konzentriert sich in ihrem Schritt. Im nächsten Moment findet sich die Studentin bäuchlings auf dem Schreibtisch wieder. Ihr Hirn ist viel zu benebelt um sich Gedanken darüber zu machen, wie das so schnell passiert ist. Es ist zu sehr mit den großen Händen beschäftigt die über ihren Rücken wandern und ihren Pullover über ihren Kopf schieben. Knurrend drückt sich Professor Jones von hinten an sie. Seine Zähne wandern über die zierliche Schulter der Studentin, seine Zunge über ihre Wirbelsäule. Er schiebt ihren Rock hoch und zieht ihr ihren Slip über den Hintern, der direkt zu Boden gleitet. Ein vorfreudiges Zittern überfällt das Kindermädchen, als seine Finger über ihre feuchte Mitte streicheln. „Sebastian“, bettelt sie. Sie hält es nicht mehr aus, die Lust brennt sich unbarmherzig durch ihren Körper und muss dringend gestillt werden. Eine seiner Hände streicht federleicht über ihren Oberschenkel, umfasst ihre Kniekehle und hebt ihr Bein auf den Tisch. Sebastian vergräbt seine Nase in ihrem Nacken. „Emma“, flüstert er rau. „Meine Süße.“ Sie stöhnt gegen ihren Unterarm um das Geräusch einzudämmen, als seine stolze, harte Männlichkeit sich den Weg in ihr Inneres bahnt. Tief in ihr Inneres. Er grollt animalisch gegen ihr Schulterblatt und beißt schließlich in ihre zarte Haut, als seine Härte komplett in ihrer ausgehungerten Mitte ist. Jeder Stoß, ausfüllend und kräftig, entreißt ihr ein Stöhnen. Die Studentin klammert sich an den Rand des Tischs, gleichzeitig streckt sie ihr Becken diesem süßen Martyrium entgegen. Ihr Körper, ihr Seele, scheint in Flammen zu stehen und sich im brennenden Rausch der Lust aufzulösen. Sein kräftiger Oberkörper an ihrem Rücken und seine hingebungsvollen Stöße vereinnahmen sie völlig. Der Professor vergeht sich zunehmend ungehemmter an der Haut der jungen Frau. Saugt und beißt ihren Nacken, ihre Schultern. Jeder Schub seiner Hüfte ist besitzergreifender und stärker wie der vorhergehende. Seine Selbstbeherrschung erreicht ihre Grenze und er spürt, dass er seinen Höhepunkt nicht mehr verhindern kann. Emma stöhnt verzückt, als sie seine Finger an ihrer Perle spürt. Geschickt massiert er ihr Lustzentrum, bringt ihren Körper zum Zittern und schließlich zum Krampfen. Sie schreit fast, als der Orgasmus sie mit Adrenalin und Endorphin überschwemmt und ihr Inneres sich so eng um seine aufgepumpte Männlichkeit schließt, dass es fast schon schmerzt. Sebastian stimmt in ihre Explosion mit ein, stöhnt knurrend während er sich Schub und Schub der Lust ergibt. Als der Höhepunkt abebbt bricht er fast auf ihr zusammen. Sein Körper liegt schwer auf ihr, klebt an ihrem Rücken. „Meine Süße“, schnurrt er regelrecht und küsst sie hinter das Ohr. Die junge Frau schmiegt ihre Wange an seine und genießt die süßen Nachwehen des Spektakels. Sie hat das so dringend gebraucht, hat ihn so dringend gebraucht. Seine Hände auf ihrem Körper, seine Haut an ihrer. Seine Wärme, das Gefühl von Geborgenheit das er auslöst. Ja, und auch das Gefühl ihm zu gehören, sein Besitz, sein Eigentum zu sein. Auch wenn sie das letzte immer noch befremdlich findet. Sie gibt Professor Jones einen Kuss auf die Wange, auf den Mundwinkel und schließlich auf die Lippen. Sofort scheint sie sein Feuer wieder zu entfachen und er erwidert ihre Zärtlichkeit leidenschaftlich. Kurz darauf spürt sie deutlich, wie seine Männlichkeit in ihrem Inneren wieder an Stehkraft gewinnt. Seine erste sanfte Beckenbewegung entreißt ihr ein begeistertes und laszives Stöhnen. Sanft küsst Sebastian die schon arg geschundene Stelle im Nacken von Emma. „Du riechst großartig“, knurrt er gegen die sensible Haut und läutet die zweite Runde ein …   Kapitel 7: Mädchen, Mädchen --------------------------- Man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen, aber bei einer sollte man mitmachen. Paul Schibler Lorie dreht den Kopf und strahlt. Ihr braunen Rehaugen funkeln und ihr Lächeln ist begeistert und breit. „Da bist du ja endlich. Wir haben schon auf dich gewartet!“, freut sie sich lautstark. Wir haben schon auf dich gewartet … Emma läuft es kalt den Rücken hinunter. Mit den gruseligen Puppen und dem viel zu freundlichen und begeisterten Vampirkind ist das eher ein Satz, der extrem beunruhigend ist. Fehlen nur noch kreischende Geigen oder subtile Klaviermusik – eine perfekte Szene für einen Horrorfilm ist geboren. Wie war das mit dem unbesiegbar fühlen, und keiner kann ihr das nehmen? So schnell ändern sich die Dinge … Das Kindermädchen gibt sich einen Ruck; und tritt sich selbst in den Hintern. Los jetzt! Sie geht zu dem Mädchen und setzt sich im Schneidersitz dazu. „Was spielen wir denn?“, fragt sie nach, obwohl sie die Antwort wohl eher nicht hören möchte. In der ganzen Zeit die sie schon hier ist hat sie einfach zu viele eigenartige, verstörende und brutale Spiele erlebt; und mitunter auch selbst erduldet. Der letzte Streich der Kleinen hatte dazu geführt, dass sie gefesselt und geknebelt unter der Rutsche im Garten lag; über eine Stunde! Zum Glück hat Peter sie gefunden und befreit … „Herr Kopflos und Frau Spitz heiraten heute, und alle ihre Freunde sind eingeladen“, erklärt die Lorie und strahlt. Sie packt die kopflose Puppe und hält sie ihrem Au-pair auffordernd hin. Die junge Frau nimmt den armen, und einzigen, Mann der Puppenheerschar und betrachtet ihn, als hätte sie ihn gerade das erste Mal in der Hand. Eigentlich ist er keine Puppe, sondern eher ein Plüschtier; zumindest ist er aus Stoff. Und kopflos, wie sein Name bereits verrät. Man erkennt nicht mehr viel, außer, dass er einen Anzug trägt. Seine Körperform hat über die Jahre und Quälereien auch ziemlich gelitten, wodurch er unförmig und abstrakt wirkt. Ein wenig erinnert er sie immer an Slenderman, warum auch immer. „Da wird er sich aber freuen, dass Frau Spitz ihn doch noch möchte“, steigt Emma in das Spiel mit ein. Frau Spitz ist tatsächlich der Hauptgrund warum der Herr Kopflos aussieht wie er aussieht. Schon einige Male kam ihr der Verdacht, dass die beiden stellvertretend für irgendwelche reale Personen sind. Ihre eigenen Eltern vielleicht? Tatsächlich ist Lorie das Familienmitglied von dem sie am wenigsten weiß. Weder ihre wahres Alter, noch warum sie überhaupt in so sehr jungen Jahren verwandelt wurde, von ihrem menschlichen Leben ganz zu schweigen. „Frau Spitz liebt ihn doch! Sie liebt ihn immer!“, ruft das Mädchen fast schon empört. „Und heute wird geheiratet!“, fügt sie autoritär hinzu. Ihre Majestät hat befohlen und so geschieht es auch. Emma und die Kleine verbringen den kompletten Vormittag damit das Zimmer herzurichten. Es wird geschmückt, Möbel verrückt, ein kleiner Altar aufgebaut, Blütenblätter im Garten gesammelt und auf dem Teppich verstreut … alles, um eine wunderschöne kleine Puppen-Hochzeit zu feiern. Die Studentin ist am Anfang immer etwas auf der Hut, immerhin kennt sie das kleine Biest. Bei jeder Aktion rechnet sie damit, dass es doch wieder nur eine Falle oder ein fauler Trick ist um sie wieder wegzusperren, oder noch schlimmeres. Gegen Mittag ist endlich alles vorbereitet und an seinem Platz. Emma hat es auch geschafft sich Stück für Stück zu entspannen und dem Ganzen, allen voran Lorie, eine Chance zu geben. Vielleicht ist heute doch ein ganz guter Tag. Begeistert klatscht Lorie in die Hände und freut sich wie eine Königin. „Das sieht toll aus!“, tönt sie angetan und lässt ihren Blick schweifen. „Das haben wir gut gemacht. Ich denke, Frau Spitz und Herr Kopflos werden begeistert sein“, stimmt das Kindermädchen zu. Sie muss zugeben, dass es wirklich großartig aussieht. Das bisher noch nichts Grausames oder Morbides passiert ist, lässt einen kleinen Funken Hoffnung aufkeimen, dass es wirklich nur eine nette Feier wird; entgegen aller Erwartungen. Doch wahrscheinlicher ist, dass der arme Herr Kopflos auf den Altar geopfert wird, anstatt, dass er Frau Spitz heiratet. Man darf gespannt sein … „Umziehen!“, diktiert die kleine Vampirin und mustert ihr Au-pair streng, und ein wenig abfällig. „Bitte?“, verwirrt sieht die junge Frau das Mädchen an. Sie versteht nicht so wirklich worauf die Kleine hinaus will. „Wir müssen uns umziehen“, erklärt Lorie mit einem eigenartigen Lächeln. „So können wir doch nicht auf eine Hochzeit gehen“, fügt sie süffisant hinzu und deutet ausladen auf ihr Gegenüber. Die Betonung auf das wir macht deutlich, wen von ihnen beiden sie eigentlich meint. Prinzipiell gibt Emma der Kleinen recht, aber irgendwie ist die heitere Stimmung gerade gekippt und hat etwas Lauerndes an sich. Oder bildet sie sich das nur ein? Mechanisch nickt sie. Inzwischen weiß sie, dass das Kind immer sehr genau Vorstellungen hat von dem was passieren soll und wie. Und sie weiß, was passiert, wenn dem nicht so ist, also fragt sie lieber nach. „Was stellst du dir denn vor was wir tragen sollen?“ Innerlich streckt sie Zunge raus; was das Monster kann, kann sie auch! Grübelnd legt Lorie den Finger ans Kinn und ignoriert die Spitze dir ihr gerade entgegengebracht wurde. „Hmm. Etwas … buntes!“, legt sie fest und grinst siegessicher. „Bunt?!“, fragt das Kindermädchen skeptisch zurück und handelt sich einen bösen Blick ein. „Okay“, beschwichtig sie sofort. Der Tag lief bis jetzt wirklich gut, also will sie keine Diskussion vom Zaun brechen. Sie geht in ihr Zimmer, während Lorie in ihrem begehbaren Kleiderschrank verschwindet. Unsicher hat sie junge Frau für ein eher sommerliches Kleid entschieden. Bunte Blumen, luftiger Schnitt; hoffentlich ist das im Sinne des Mädchens. Um den Umstand gerecht zu werden, immerhin ist es eine Hochzeit, legt sie noch ein leichtes Make-Up auf. Ein wenig besorgt verlässt sie schließlich ihr Zimmer um wieder zu dem Vampirkind zu gehen. Und hat prompt im Flur eine Begegnung, auf die sie eigentlich ganz gern verzichtet hätte. „Wo willst du denn in diesem Aufzug hin? Hat es dir nicht gereicht, dass du gestern fast erfroren wärst?“, fragt es zynisch und herablassend hinter ihr. Emma atmet durch. Gerade als sie sich umdrehen will, springt die Tür zu Lories Zimmer auf und die Kleine kommt auf den Flur gestürmt; sichtlich sauer. Zumindest im ersten Augenblick. Kaum, dass sie ihr Kindermädchen erblickt strahlen ihre Augen. „Du siehst schön aus“, säuselt sie begeistert. Ihr Blick geht an der Frau vorbei und die Freude wird gleich noch größer. „Drogo! Du musst auch kommen!“ Schnell wie die Blitz rast das Mädchen zu ihrem Bruder und packt ihn an der Hand. Der Blonde ist überrumpelt und sieht die junge Frau fragend, und etwas hilfesuchend an, während er sich von seiner Schwester in ihr Zimmer zerren lässt. Die Studentin kann nicht anders und muss lachen. Der böse Bad-Boy, der Rebell und Zyniker in Person, lässt sich von einem kleinen Mädchen davon schleifen. Wenn man die Familie nicht kennt, könnte man sich extrem darüber wundern. Aber sie ist schon lange genug hier um zu wissen, dass der gute Drogo auch ganz anders kann – vor allem wenn es um seine kleine Schwester geht. Bei ihr beweist er oft genug, welche Engelsgeduld er haben kann; und wie weich und fürsorglich er unter seinem harten Panzer ist. Doch das würde sie ihm nie sagen, oder jemand anderen. Dieses gut gehütete Geheimnis auszuplaudern dürfte einem Todesurteil gleichkommen. Immer noch kichernd folgt sie den Geschwistern. „Setzt dich!“, weißt Lorie an und lässt ihren Bruder los. Fröhlich hüpft sie zu ihrem Bett um Frau Spitz und Herrn Kopflos zu holen, während sich der Neuzugang widerwillig auf den rosa Plüschteppich plumpsen lässt. Das Kindermädchen setzt sich grinsend neben den Jüngsten der Brüder. „Willkommen zur Hochzeit des Jahres“, witzelt sie und kann den stichelnden Unterton nicht ganz lassen. „Klasse. Ich freu mich“, antwortet der Blonde trocken. Er ist nicht begeistert hier zu sein; aber er geht auch nicht. Das kleine Mädchen ist ihm offenbar genug Wert, dass er eine Puppenhochzeit erträgt. Und es wird eine Hochzeit; und was für eine. Das Vampirmädchen hält die Zeremonie ab, und eine sehr reizende Rede. Anschließend wird groß aufgetafelt; von allem nur das Beste. Nach einiger Zeit löst sich auch die frostige Anfangsstimmung zwischen der jungen Frau und Drogo. Es wird an der grundlegenden Distanz die zwischen ihnen herrscht nichts ändern, aber zumindest einige Zeit ist ein bisschen wie früher. Und es macht deutlich, dass noch nicht alles verloren ist. Gegen Ende der Veranstaltung wird getanzt; und alle müssen tanzen, so hat es Königin Lorie beschlossen. Auch wenn sie sich versucht haben sich zu drücken, so konnte keiner der beiden am Ende den Wunsch des Mädchens abschlagen. Ja, Drogo und Emma tanzten miteinander; einen Walzer. Die junge Frau musste irgendwann lachen, weil es doch schon ziemlich absurd war. Der Blonde gab sich gekränkt und betont sarkastisch, aber auch ihn amüsierte das Ganze am Ende mehr, wie es ihn nervte. Froh darüber endlich entlassen zu werden flüchten die beiden förmlich aus dem Kinderzimmer. Im Flur tauschen sie Blicke und müssen schließlich lachen. „Falls ich jemals heirate, lasse ich Lorie die Feier organisieren“, redet das Kindermädchen schmunzelnd drauf los. Wie auch immer sie auf diesen Gedanken gekommen ist. „Ernsthaft?“, fragt der Blonde und zieht die Augenbraue hoch. Der Unglaube steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. „Ja, warum nicht. Ich finde, sie hat das gut gemacht.“ Hat die Kleine wirklich. Sie hat an alles gedacht und sich um alles gekümmert; man kann ihr definitiv nichts nachsagen. Es gab keine Enthauptung, keine Folter, keine Toten … ein voller Erfolg. So einen Tag hatte sie lange nicht mit dem Mädchen und es tut ihr unwahrscheinlich gut. Drogo brummt, nickt dann aber. „Ihr Mädchen und eure Hochzeit“, philosophiert er dann trocken vor sich hin. Seine nussbraunen Augen verlieren sich einige Sekunden im Nichts, als würde er über etwas nachdenken, dann verzieht er das Gesicht und scheint sich wieder zu besinnen. Emma boxt ihn gegen den Arm und sieht ihn böse an. „Ihr Männer und eure Plattfüße“, stichelt sie schließlich zurück. Übertrieben betroffen hält sich der Jüngste der Brüder die Brust und sie muss lachen. Er hat sehr gut getanzt, dass muss sie gestehen; aber die kleine Spitze musste sein. Einige Momente sehen sie sich in die Augen und es ist alles gut. Doch der Blick des Blonden verändert sich und er sieht betreten weg. „Falls du das Haus heute noch verlässt, solltest du dich umziehen, kleines Ding.“ Er geht und verschwindet in seinem Zimmer. Sie versteht es immer noch nicht. Warum ist er so? Dass sie selbst ein Problem hat, versteht sie. Sie findet es nicht gut und würde sich wünschen, dass sie sich nicht so verletzlich in seiner Gegenwart fühlt, kann es aber einfach nicht ganz abstreifen. Aber sein Verhalten macht keinen Sinn für sie. Sie ist sich bewusst, dass es ihm leidtut, aber das er so extrem damit kämpft verwundert sie … Außerdem sorgt sein Benehmen dafür, dass sich ihre Gefühle zu dem Thema nicht wirklich beruhigen. Es ist so, als würde er dadurch immer wieder an dieser Wunde reißen und sie damit offenhalten. Ob ihm das überhaupt bewusst ist? Während das Kindermädchen zurück in ihr Zimmer läuft schweifen ihre Gedanken weiter. Peter hat wohl recht; sie muss auch mit Drogo reden. So kann es nicht weitergehen. Aber Nicolae steht als nächster auf ihrer Liste und daran wird sie auch nichts ändern. Zurück in ihren Räumlichkeiten wirft sie einen Blick auf die Uhr. Viel Zeit hat sie nicht mehr, also zieht sie das Kleid aus und nur T-Shirt über. Sie muss eh in einer halben Stunde los, da macht sie sich selbst jetzt keine Umstände mehr. Nach einem Blick auf ihr Smartphone geht sie zu ihrem Kleiderschrank. Plötzlich kommt ihr etwas in den Sinn. Mia! Mia Cooper. Sie hatte ihr ja gesagt, dass er sie gebissen und fast getötet hat. Und dass sie sich geliebt haben. Hat das Verhalten des Jüngsten der Brüder womöglich mit ihr zu tun? Überkommen ihn deswegen immer wieder Schuldgefühle? Das würde sogar Sinn machen, wenn Emma so darüber nachdenkt. Wahrscheinlich hat das Geschehen zwischen ihm und ihr dafür gesorgt, dass die Erinnerungen an Mia wieder hochgekommen sind … Sollte sie womöglich doch erst das Gespräch mit Drogo führen? Schwierige Entscheidung. Doch jetzt geht es erstmal zu Sarah, vielleicht hat sie einen Rat für sie. Bestimmt sogar. Die junge Frau zieht sich an und verlässt das Herrenhaus. Sie fühlt sich leicht und freudig; und gleichzeitig ein wenig unruhig. Ihre Hoffnung, dass dieses Jahr besser wird schwindet allmählich, wie das Tageslicht an diesem Winternachmittag. Es gab so viel Gutes heute; und trotzdem ist da dieser leicht bittere Nachgeschmack ganz unten in ihrem Magen. Außerdem hat sie das Gefühl, etwas vergessen … Mist! Sie wollte die Kleine fragen warum sie Nicolaes Verlobet damals gezeichnet hatte. Seit Wochen will sie das schon tun, doch jedes Mal kommt etwas dazwischen, oder sie vergisst es im Trubel. Sie ist doch sonst nicht so! Warum passiert das also immer? Die Studentin schüttelt desillusioniert den Kopf. Inzwischen scheint sie hinter jeder Kleinigkeit direkt das Werk eines magischen Wesens zu sehen, oder eine Botschaft aus der Zwischenwelt. Dass ist unnormal! Sie beschleunigt ihre Schritte und schon bald steht sie vor dem Haus in dem ihre beste Freundin wohnt. Ein Klingeln und eine herzliche Begrüßung später sitzt sie bei ihr auf dem Sofa, einen Tee in der einen, und einen Muffin in der anderen Hand. Zunächst wird der Silvesterabend ausgewertet, an den Sarah ein wenig lückenhafte Erinnerungen hat. An die Entscheidung von Emma erinnert sie sich aber ganz genau. Was das Gespräch auch direkt in diese Richtung leitet. Das Kindermädchen erzählt von den Nachrichten die ihr Professor Jones heute geschrieben hat. Und auch von ihren Bedenken, weil er ja nun schon mehrfach ziemlich krasse Stimmungswechsel dahingehend vollzogen hatte. Die junge Osbourne hatte Verständnis dafür, aber auch ihre eindeutige Meinung. Immerhin würde er das Kindermädchen regelmäßig mit den Augen auffressen, selbst wenn er eigentlich so tut, als wäre sie ihm egal. Auch das Argument, dass es nicht sein dürfte, weil Beziehungen zwischen Dozent und Student verboten sind, wischt das Energiebündel einfach mit einer pikierten Geste weg. „Wo kein Kläger …“, flüsterte sie anzüglich und grinst. Auch die Puppenhochzeit und der ungewollte Walzer mit Drogo werden ausgewertet. Beide Informationen lassen Sarah ungläubig die Augen aufreißen und zusammenhanglos stammeln, was Emma einen herzlichen Lachanfall beschert. Aus dem Tee wird Wein, aus den Muffins Pizza. Die beiden Frauen machen es sich vor dem Fernseher gemütlich und schauen einen Film. Obwohl es bereits sehr spät ist, besteht das Kindermädchen darauf ins Herrenhaus zurück zu kehren, sehr zum Missfallen der jungen Osbourne. Um ihrer Freundin nicht zu große Sorgen zu bereiten ruft sie Peter an und bittet ihn sie abzuholen. Keine Stunde später ist sie wieder zu Hause und liegt zufrieden unter ihrer Decke. Sie schreibt Sarah, dass sie gut angekommen ist, da kommt eine Nachricht herein. Der Blick auf den Absender lässt sie breit Grinsen. „Schlaf schön, meine Süße.“ Das wird sie definitiv! Sie antwortet kurz und legt sich schlafen. Kapitel 8: Rotkäppchen in Action -------------------------------- Jede Kommunikation ist eine intellektuelle Herausforderung. Manuela Michael Unanständige Träume begleiten das Kindermädchen durch die Nacht. Große Hände bemächtigen sich ihres Körpers … sinnliche Lippen erkunden ihre Haut. Es ist heiß und lustvoll. Ihre Sinne beben, genauso wie ihr Körper … Es knurrt und flüstert, „Meine Süße“ … Als sie am Morgen die Augen öffnet fühlt sie sich hitzig und erregt. Ihr Nachthemd klebt an ihrem verschwitzten Rücken und ihr Höschen vor Feuchtigkeit zwischen ihren Beinen. Ihre Decke ist irgendwo am Bettende zusammengeknüllt und eines ihrer Kissen liegt irgendwo im Zimmer. Sie hatte eine bewegte Nacht, wie man deutlich sieht. Natürlich war das nicht ihr erster erotischer Traum, aber dieser war heftig und fühlte sich sehr real an. Ein wenig verschämt vergräbt sie ihr Gesicht kurz im verbliebenen Kissen. Himmel, was für ein Traum! Gut, dass keiner in ihrem Kopf sehen kann, sie würde sich für den Rest ihres Lebens zu Tode schämen. Emma steht auf und geht ins Badezimmer. Sie hält die Dusche kurz. Es hat etwas eigenartiges ihre eigenen Hände auf ihrem Körper zu fühlen nachdem was sich da letzte Nacht in ihrem Kopf angespielt hat. Diese Gefühlsausbrüche die Professor Jones in ihr auslöst beunruhigen sie ein wenig. Warum nur sind ihre Emotionen so heftig, wenn es um Sebastian geht? Es ist ja nicht da erste Mal das sie verliebt ist, aber es fühlt sich beinahe so an. Das hatte sie noch nie so extrem. Soll es so sein? Oder ist das eher schon drüber? Noch dazu, wo auch er immer etwas instabil zu wirken scheint was seine Emotionen angeht. Ob das eine gute Konstellation ist? Sie beide? Eigentlich ist sie sich sicher, aber trotzdem nagt der Zweifel. Sebastian ist wie eine verdammte Droge; sie hat von ihm genascht und nun hat sie den Salat. Der Rausch war zu großartig, hat sich zu tief in ihre Seele gebrannt. Sie kommt nicht von ihm los – will sie eigentlich auch nicht. Ob das so gut ist? Gesund? Frustriert über sich selbst verlässt die junge Frau das Bad und zieht sich an. Ihre Pläne für heute sahen eigentlich nicht vor, dass sie sich in ihren eigenen verworrenen Gedanken verläuft. Sie braucht einen klaren Kopf für das was sie eigentlich machen möchte. Ein wenig konfus geht sie schließlich ins Erdgeschoss und zum Frühstück. Erstaunt stellt sie fest, dass die gesamte Familie Bartholy am Tisch versammelt ist. Nicolae, rechts von ihm Peter, links Lorie und ihr gegenüber Drogo. Das Kindermädchen spürt ein warmes wohliges Gefühl. Es ist lange her, dass sie alle zusammen hier versammelt waren. Sie hat die Hoffnung nie aufgeben, dass es doch wieder wird; aber schon arg gezweifelt zwischendurch. „Guten Morgen“, ruft sie fröhlich in die Runde. „Guten Morgen“, kommt synchron zurück. Emma strahlt und setzt sich neben den Jüngsten der Brüder, wie früher auch. Ihre trüben und wirren Gedanken sind sofort weg und sie schlägt ordentlich zu. Am Anfang hatte sie sich immer unwohl gefühlt, als einzige zu essen, aber inzwischen hat sie sich daran gewöhnt. „Immer wieder erstaunlich, was du so alles in dich reinschieben kannst, kleines Ding“, meldet sich Drogo trocken zu Wort, ohne sie anzusehen. Das Kindermädchen stockt kurz. Eine Mischung aus Scham und Unwohlsein überkommt sie einen Moment. Eben die typischen Dinge, die er inzwischen in ihr auslöst, von dieser diffusen Angst hin und wieder abgesehen. Doch sie erinnert sich an gestern. Da war er es wie früher, zumindest eine Weile. Vielleicht sollte sie versuchen diese Emotionen zu ignorieren und sich etwas mehr Mühe geben. Vampire spüren die Gefühle ihres Umfelds recht deutlich, also ist sie womöglich auch daran schuld das Drogo sich so abweisend benimmt? Ist es eine Art Selbstschutz? Sie atmet kurz durch, dreht den Kopf und sieht ihren Sitznachbar mit hochgezogener Augenbraue an. „Wie kann man nur so alt und gleichzeitig so kindisch sein?“, fragt sie betont skeptisch nach. Der Blonde, der mit Lorie auf dem Tisch gespielt hat, hebt den Kopf und sieht Emma einen Augenblick mit großen Augen an. Das Erstaunen über ihren Konter steht ihm ins Gesicht geschrieben. Doch der Moment vergeht und man sieht den Schalk aus seinen Augen blitzen. „Eben. Ich bin schon alt, also sehr erfahren was das angeht.“ „Im kindisch sein? Das glaube ich sofort“, witzelt das Kindermädchen und macht sich mit einem extra großen Bissen über ihr Brot her. Eigentlich ist ihr schrecklich flau im Magen und sie will gerade nicht wirklich etwas Essen, aber sie will ihrem Streitpartner nicht die Genugtuung geben. Drogo widmet nun seine ganze Aufmerksamkeit Emma. Er mustert sie, als wäre er sich unsicher was hier gerade passiert. Aber er ist offenbar auch gewillt, die Situation zu nutzen. „Ich bin in allem sehr erfahren“, säuselt er anzüglich und grinst. „Außer in Sachen Bescheidenheit“, gibt die junge Frau nonchalant zurück und nimmt einen Schluck Kaffee. Sie fühlt sich immer noch etwas unsicher, aber trotzdem auch gut. Bereits gestern hat sie gemerkt, wie sehr ihr diese kleinen Sticheleien und verbalen Auseinandersetzungen mit dem Jüngsten der Brüder fehlen. Schon verrückt; hätte sie jemand gefragt, ob dem jemals so sein könnte, hätte sie lachen den Kopf geschüttelt. So ändern sich Dinge manchmal. Der Rest der Familie sitzt schweigend am Tisch und verfolgt das unwirkliche Geschehen. Peter lächelt verhalten und Nicolae wirkt durchaus zufrieden, obwohl ihm der Inhalt des Gesprächs wohl eher nicht zu sagen dürfte. Lorie spielt mit ihrem Kuscheltier und beobachtet aufmerksam ihren Bruder und ihr Kindermädchen. Würde ein Außenstehender das betrachten, könnte er auf die Idee kommen das sie einer Aufführung zusehen. „Ich habe es nicht nötig bescheiden zu sein.“ Der Blonde lehnt sich im Stuhl zurück. Ein reißerisches Lächeln bildet sich auf seinen Lippen. „Das hast du am eigenen Leib erfahren“, raunt er provozierend. Emma sieht aus dem Augenwinkel wie Nicolae erbost den Mund öffnet. Sie hebt selbstsicher die Hand um seine Einmischung zu verhindern. Das ist eine Sache zwischen ihr und Drogo, und das müssen sie miteinander klären. Sie hat mit einem Kommentar in diese Richtung gerechnet, immerhin kennt sie ihn nun schon eine Weile, und sich bereits etwas gedanklich zu Recht gelegt. „Stimmt“, antwortet die junge Frau selbstbewusst. Sie sieht den Jüngsten der Brüder in die Augen. Sie wird sich jetzt auf ziemliches Glatteis bewegendessen ist sie sich bewusst, aber eine andere Option hat sie nicht. Mental drückt sie sich die Daumen, dass ihr Plan aufgeht. „Und ich war so tief beeindruckt, dass es kein zweites Mal gab.“ Drogo ist perplex und einen Augenblick überrumpelt. Er hat scheinbar nicht mit einer derartigen Reaktion gerechnet und muss sich kurz sammeln. Der Rest am Tisch scheint den Atem anzuhalten und auf seine Reaktion zu warten. Man könnte eine Stecknadel fallen hören so still ist es. „Nicht schlecht, kleines Ding. Nicht schlecht“, lacht der Blonde ehrlich und grinst. Seine nussbraunen Augen funkeln amüsiert und er wirkt eigenartig zufrieden. Plötzlich scheint der Knoten geplatzt zu sein. Die anderen Familienmitglieder entspannen sich und dadurch auch die Stimmung im Raum. Während Nicolae und Peter sichtbar belustigt sind, runzelt Lorie die Stirn, weil sie nicht so richtig weiß was los ist. „Tja, leg dich nicht mit Rotkäppchen an, mein Freund“, antwortet das Kindermädchen lachend. Ihr fallen gerade mehrere riesige Felsbrocken vom Herz. Das Ganze hätte immerhin auch böse nach hinten losgehen können. „Warum nicht?“, hakt Drogo schelmisch nach und widmet sich wieder seiner kleinen Schwester, die sich über die Aufmerksamkeit freut. „Du weißt doch, wie die Geschichte für den Wolf endet.“ Die junge Frau trinkt ihren restlichen Kaffee und beendet ihr Frühstück. Ihr Blick fällt auf den Blonden, der sie über seine Schulter hinweg ansieht. Ein intensives Funkeln ist in seinen Augen zu sehen und sie begreift sofort warum. Sie hat ihm gerade die Rolle des bösen Wolfs zugesprochen, die er so unbedingt wollte. Nun gut, ein Unentschieden ist auch okay. Das hätte auch in einer totalen Katastrophe enden können. Das Kindermädchen will sich aber auch nichts vormachen; es ist noch weit davon entfernt wieder völlig normal zwischen ihr und Drogo zu sein. Aber ein erster Schritt ist gemacht, und das ist was zählt. Vielleicht wird der Tag doch gut. Da Lorie lieber mit ihrem Bruder spielen möchte hat Emma erstmal frei. Sie nutzt die Gelegenheit und geht ihre Kursunterlagen durch. Übermorgen beginnt der Unialltag wieder und sie will vorbereitet sein. Sie freut sich auch darauf. Der Unterricht, ihre Mitstudenten, wieder unter den Lebenden sein. Ja, sie liebt die Bartholys, aber ständig im Herrenhaus zu sein hat etwas Deprimierendes. Das Gebäude ist einfach so erdrückend manchmal, als würde es die Lasten seiner Bewohner spüren und widergeben. Und an anderen Tagen ist es richtiggehend dunkel und fast schon bösartig. Eigentlich hat sie nie daran geglaubt, aber Sarah hatte ihr erzählt, dass es besondere Orte gab, denen Magie innewohnte. Diese Orte entstanden meistens, wenn magische oder verfluchte Kreaturen sich über viele Jahrzehnte, oder gar Jahrhunderte an diesen Plätzen aufhielten. Die Magie der Bewohner sickert in den Boden, das Mauerwerk, was auch immer vorhanden ist, und reichert sich dort an. Irgendwann ist so viel der Zauberkraft vorhanden, dass sie sich verselbstständigt und ein Eigenleben entwickelt. Und es ist wie überall in der Welt: es gibt gute und schlechte; Orte, Menschen, Magie. Die junge Frau seufzt und hebt den Kopf aus ihren Papieren. Ihr Blick schweift durch ihr Zimmer, als erwarte sie das irgendwo etwa sind er Ecke lauert. Die Brüder und Lorie leben noch nicht so lange hier, dass weiß sie. Also ist es nicht ihre Magie und Anwesenheit die aus dem Herrenhaus gemacht haben was es nun ist. Viktor, das eigentliche Familien-, oder besser, Clanoberhaupt ist der Grund dafür. Seine Macht und Boshaftigkeit stecken in diesen Mauern und werden langsam wieder ausgedünstet. Plötzlich muss die Studentin lachen. Was sie sich schon wieder ausmalt … Aber so ist das nun einmal, wenn man nur die Geschichten kennt; und die Geschichten über „Papa“ Bartholy sind allesamt schrecklich. Ein Urvampir, der ausschließlich nach Macht strebt. Ein übermächtiges Wesen, für den der Rest der Welt nur Spielzeuge und Marionetten darstellt. Er ist auch der Auslöser für die Differenzen zwischen den Bartholys und den Osbournes. Er hat die Hexen damals verraten und sie wurden hingerichtet. Ein Großteil der Familie wurde damals auf Scheiterhaufen verbrannt, bei lebendigem Leibe. Eine schreckliche Vorstellung die der Alte den Überlieferungen nach wohl sehr genossen hat. Warum er die Hexen überhaupt verraten hat ist etwas ungenau … und wird wohl nie so wirklich geklärt werden. Die Temperatur im Raum scheint um einige Grad zu sinken und Emma bekommt eine eigenartige Gänsehaut. Nicht das erste Mal. Die Energie, Magie, wie auch immer, des Hauses scheint regelrecht darauf zu reagieren, wenn sie über Viktor nachdenkt. Ob dem wirklich so ist? Oder spielt ihr ihre Wahrnehmung einen Streich? Das Vibrieren ihres Smartphones holt sich aus ihren Überlegungen. In der Annahme das sie von Sarah ist öffnet sie die Nachricht und runzelt zunächst die Stirn. „Habe die ganze Nacht an dich denken müssen.“ Okay … Samantha, die Giftschlange der Uni und Chefcheerleaderin hatte mal so Andeutungen gemacht, dass die junge Osbourne wohl auf beide Geschlechter steht und ihr Interesse an dem Kindermädchen auch tieferer Natur ist, aber sie hat nie etwas darauf gegeben. Die blonde Ziege behauptete nämlich auch, dass Emma mit Loan im Bett war; und natürlich mit allen drei Bartholy-Brüdern was am Laufen hat. Gut die letzte Behauptung ist weder richtig falsch, noch wirklich wahr. Sie hatte unfreiwillig etwas mit allen drei Brüdern … aber nur je einmal … und getrennt voneinander … Das Kindermädchen atmet geräuschvoll aus. Warum rechtfertigt sie sich jetzt eigentlich vor sich selbst? Das ist doch dämlich! Sie will gerade das Smartphone weglegen, und so tun, als hätte sie diese Nachricht nie bekommen, da fällt ihr Blick auf den Absender. Ihre Augen weiten sich und glitzern glücklich. Sebastian! Er hat ihr die Nachricht geschickt! Schnell antwortet sie mit einem verschmitzten Grinsen: „Ich habe sogar von dir geträumt. Und nein, es war nicht die fromme Sorte Traum ;-)“ Kaum abgeschickt rutscht ihr das Herz in die Hose. Warum um alles in der Welt hat sie ihm das geschrieben?! Ist sie nun völlig von Sinnen?! Die Minuten verstreichen und ihr Herz klopft immer schneller und schneller. Als die Antwort endlich kommt, hat sie das Gefühl einen Herzinfarkt zubekommen vor lauter Aufregung. „Das klingt äußerst interessant. Das müssen Sie mir in zwei Tagen genauer erörtern, Miss Miller ;-)“ Emma hat Mühe ihre Emotionen in den Griff zu bekommen. Ihr Herz hämmert, ihre Hände sind feucht und ihr Magen flattert vor lauter Glück während sie noch eine Nachricht schickt: „Es wird mir ein Vergnügen sein Ihnen eine genaue und bildhafte Darstellung der Vorkommnisse zuteilwerden zulassen, werter Professor.“ Die Angst, dass es wieder wie letztes Jahr mit Sebastian wird rückt immer mehr in den Hintergrund. Vielleicht hat er sich doch endlich entschieden zu dem zu stehen was zwischen ihnen ist. Das wäre der Hammer! Die Studentin legt ihr Smartphone beiseite. Ein Blick auf die Uhr verrät ihr, dass inzwischen früher Nachmittag ist. Sie hat vorhin mitbekommen, dass Lorie und Drogo das Haus verlassen haben und Peter spielt im Moment Klavier. Die perfekte Gelegenheit ihren Vorsatz für heute in die Tat umzusetzen. Das Kindermädchen verlässt ihr Zimmer und geht hinunter ins Erdgeschoß. Im Wohnzimmer angekommen fühlt sie sich zunehmend nervöser und unsicherer. Sie hatte gehofft, dass Nicolae hier ist, aber eigentlich wusste sie bereits das es eher nicht so sein würde. Um diese Zeit, und wenn niemand mehr so wirklich im Haus ist, gibt es nur einen Ort, an den er sich zurückzieht. Die Bibliothek. Neben dem Kamin befindet sich eine Tür, die als solche nicht zu erkennen ist. Dahinter ist sein Reich, sein Refugium in das er sich zurückzieht. Schon eigenartig, wie sie es nicht stört Peter, oder auch Drogos Zimmer zu betreten, selbst das von Nicolae; aber dieser Raum hinter der geheimen Tür … Die junge Frau war schon einmal dort gewesen, als er ihr einige Bücher über Medien gegeben hatte. Es hatte sich merkwürdig angefühlt. Ein bisschen so, als würde sie ihn seine Privatsphäre eindringen. Nicolae ist das Familienoberhaupt, der Patriarch, wenn man so will. Ihn umgibt immer etwas Autoritäres und Geheimnisvolles, etwas Unantastbares. Die Brüder, und selbst Lorie stören ihn nie, wenn er dort ist – außer im absoluten Notfall. Das hier ist kein Notfall, aber sehr wichtig für das Kindermädchen. Sie hatte darüber nachgedacht und kam zu dem Entschluss, dass es womöglich besser ist Nicolae in seinem vertrauten Terrain gegenüber zu treten. Also besser für ihn. Ihr selbst behagt das Ganze nicht so wirklich. Gerade als sie mit dem Gedanken spielt, doch wieder umzudrehen … „Das ist eine gute Idee.“ Emma dreht sich um. Da steht Peter und lächelt ihr aufmunternd zu. Bevor sie etwas erwidern kann ist er schon verschwunden. Natürlich hat der Pianist Recht, sie hat sich diesen Plan ja nicht grundlos überlegt. Wider etwas mehr von sich überzeugt atmet sie durch und klopft schließlich gegen die „Wand“   Kapitel 9: Nicolae ------------------ Jeder Satz, gesprochen oder geschrieben, trägt in sich das Potential des Missverständnisses. Irmgard Nägele Es dauert eine Ewigkeit, als würden die Sekunden wie zäher Brei dahinkriechen. Die junge Frau ist sich bewusst, dass dem nicht so ist, aber ihre Unruhe verstärkt dieses Gefühl einfach. Als sich die Tür endlich öffnet will sie am liebsten die Flucht ergreifen. Sie spannt sich unbewusst an um zu verhindern das sich ihr Körper verselbstständigt. Nicolae wirkt … überrascht, aber irgendwie auch nicht. Seine graugrünen Augen sehen müde und traurig aus. Intensiv mustert er das Kindermädchen und tritt wortlos beiseite um sie herein zu lassen. Keine Frage warum sie hier ist, als würde er es wissen oder hätte sie erwartet. Schüchtern geht Emma in die Bibliothek. Ihr Blick schweift die Regalreihen ab. Buchrücken an Buchrücken. Hunderte, vielleicht tausende? Vom Boden bis zur Decke ist der eigentlich recht kleine Raum vollgestopft mit Zeugen aus den unterschiedlichen Jahrhunderten. Hauptsächlich Bücher über Magie, magische oder verfluchten Kreaturen, alten Legenden und Zeitzeugenberichten. Die Atmosphäre ist erfüllt von Zeit und Vergangenheit, als würden sie in diesen vier Wänden greifbar werden. Zwischen zwei Regalen steht ein Kamin, in der Mitte des Raums ist ein Tisch und um den herum drei Sofas unterschiedlicher Stile. Ihr Herz klopft ihr bis zum Hals und ihr Mund ist furchtbar trocken. Das Kindermädchen hat sich das nicht so wirklich gut überlegt … oder zu gut. Immer wieder ist sie in Gedanken durchgegangen was sie dem Familienoberhaupt sagen möchte, und vor allem wie. Immer wieder hat sie verschiedenen Szenarien durchgespielt; und keines hatte ein zufriedenstellendes Ende. Auf Grund dessen ist sie nun hypernervös und die Umgebung macht es nicht besser. Warum wollte sie auch so dringend Rücksicht auf Nicolae nehmen? Weil er immer Rücksicht auf sie nimmt, und sich um sie kümmert, und nett und zuvorkommend ist, und … Natürlich weiß sie, warum sie das unbedingt so „angenehm“ wie möglich für ihn machen wollte, doch ihr selbst fällt es dadurch noch schwerer wie ohnehin schon. Mit einem zaghaften Lächeln deutet der Älteste der Brüder ihr sich zu setzen. „Einen Tee?“, fragt er mit seiner gewohnten galanten Art. Emma sieht Nicolae einen Moment an, als wäre er eine Geistererscheinung, schüttelt aber schließlich den Kopf. „Nein, danke“, antwortet sie etwas heiser. Sie seufzt kurz. Wenn ihr jetzt schon das Sprechen so schwer fällt, wird es nicht besser werden, wenn es dann gleich in die Vollen geht. Sie geht zu einem der Sofas und setzt sich. Verlegen zupft sie an ihrer Hose herum und überlegt fieberhaft wie sie den Einstig nun am besten gestalten soll. Wie immer kommt ihr das Familienoberhaupt zu Hilfe. „Zwischen dir und Peter scheint es wieder besser zu sein?“, fragt er freundlich. Er setzt sich auf eines der anderen Sofas; oder nein, eigentlich lässt er sich fast schon schwerfällig darauf plumpsen. Seine graugrünen Augen sehen die junge Frau interessiert an. Etwas stimmt nicht. Das Kindermädchen hat den Verdacht schon eine ganze Weile. Er bemüht sich zwar immer, dass es nicht auffällt, aber inzwischen ist sein eher desolat wirkender Zustand nicht mehr wirklich zu verbergen. Wenn selbst ihr das auffällt, dürften es für seine Brüder doch noch offensichtlicher sein … Warum unternehmen sie nichts? Oder gibt es nichts zu helfen? Emma wird mulmig bei dem Gedanken. Doch sie sollte erst einmal den seichten Einstieg nutzen, den er ihr bietet. „Ja, zwischen Peter und mir läuft es besser. Erheblich besser. Wir … wir haben uns ausgesprochen und die Dinge bereinigt“, erklärt sie mit einem Lächeln auf den Lippen. „Das ist gut. Du hast ihm wirklich gefehlt, weißt du?“, spricht der Älteste der Brüder, während sein Blick beginnt in die Ferne zu schweifen. Einige Augenblicke verliert er sich in Erinnerungen, oder Gedanken. „Du bist inzwischen ein Teil der Familie, und für jeden von uns irgendwie wichtig“, fügt er seufzend hinzu. Die junge Frau spürt wie sie unruhig wird durch seine Formulierung. Was will er ihr damit genau sagen? Von welchen „wichtig“ redet er? Es gibt so viele Möglichkeiten, so viele Wege das zu interpretieren … Spontan fallen ihr Peters Worte wieder ein: „Du bist immerhin eine Frau; und ich ein ziemlicher alter Mann. Ich habe oft genug erlebt, dass das weibliche Geschlecht Dinge gern missversteht … und sich dann auch nicht eines Besseren belehren lässt.“ Sie sollte abwarten, was er noch zu sagen hat … auch wenn es ihr schwerfällt. „Danke, das du dich auch mit Drogo bemühst. Ich bin mir bewusst, dass es mit ihm um einiges schwieriger und problematischer ist. Er ist … war …“ Scheinbar ist das Familienoberhaupt einen Moment verwirrt über das was er sagen wollte. Als würde ihm gerade erst etwas gänzlich Anderes bewusstwerden, über das er erst einmal nachdenken muss. Nun fühlt sie sich doch genötigt ihm in seine Erklärung zu fallen. „Wir gehen uns eigentlich ständig aus dem Weg und meiden uns. Ich verstehe das nur nicht so wirklich. Ich weiß, warum ich das tue; aber ich weiß nicht warum er das tut. Ich habe das Gefühl, dass es an mir liegt und deswegen habe ich mich das letzte Mal … bemüht es wieder mehr wie vorher sein zu lassen … zumindest für den Moment.“ „Die Situation damals dürfte einige seiner Dämonen wieder geweckt haben. Sie haben noch nicht sehr lang geschlafen, aber ihre Rückkehr macht ihm arg zu schaffen. Wenn er so abweisend und hart zu dir ist, hat das nichts mit dem zu tun, was er wirklich fühlt … Aber du solltest das mit ihm klären, und nicht mit mir.“ Ein geheimnisvolles Lächeln bildet sich auf Nicolaes Gesicht. Er mustert die junge Frau ganz genau, als er weiterredet, „Zumindest hoffe ich, dass du nicht deswegen zu mir gekommen bist.“ Ihr Magen macht eine gewagte Rolle rückwärts und Emma fühlt sich merkwürdig in die Ecke getrieben. Genau diese Situationen gab es seit den Geschehnissen im letzten Herbst immer wieder; und sie nagen an ihr. Bekundet er nun Interesse seinerseits, oder sind das die Versuche die Dinge etwas zu lockern? Sie weiß es nicht; sie weiß nur, dass sie sich extrem unwohl damit fühlt. Nun sie ist sie hier, und sie will die Chance nutzen. Ein tiefer Atemzug, um ihr selbst Mut zu machen, und dann fragt sie gerade heraus: „Warum sagst du solche Sachen?“ Betreten und scheinbar etwas beschämt sieht Nicolae einen Augenblick zu Boden. „Verzeih mir. Ich … ich weiß … ich wollte nicht …“ Genervt bricht er ab und seufzt. Dem Kindermädchen sticht es kurz ins Herz. Das Familienoberhaupt so fast schon hilflos und überfordert zusehen tut ihr weh. Sie ist sich bewusst, dass es ihm selbst damit auch nicht gut geht. Er ist ein ausgesprochener stolzer Mann, der wahrscheinlich sehr unglücklich ist mit dem hier. Instinktiv versucht sie ihm unter die Arme zu greifen. „Sie hat mir gesagt, dass ich ihre … Reinkarnation bin. Also … dass ich sie bin … irgendwie … Ich will mir gar nicht vorstellen, wie das für dich ist.“ „Aber das warst du von Anfang an“, erklärt er wohlwollend. „Du sahst schon immer aus wie sie. Ich muss zugeben, dass ich das sehr … verwirrend und eigenartig fand. Ihr seid euch auch charakterlich recht ähnlich, aber eben auch nicht mehr. Du bist ihr genauso viel gleich, wie verschieden. Dennoch habe ich nie sie in dir gesehen, sondern immer nur dich. Das ich oft so besorgt um dich bin hat auch nichts mit ihr zu tun. Ich mag dich, und du gehörst zu Familie. Ich passe auf alle Mitglieder dieser Familie auf. Nur auf dich muss ich etwas mehr aufpassen, weil … nun, du bist ein Mensch und damit etwas … zerbrechlicher wie wir.“ Emma muss kurz lachen bei seiner Formulierung. „Wahrscheinlich auch Neuland für dich, oder? Auf einen Menschen aufpassen?“ Sie weiß das die Familie meistens unter sich bleibt. Ihr Geheimnis muss sicher sein und mit vielen Sozialkontakten würden sie Gefahr laufen das jemand erfährt was sie wirklich sind. Peter und Drogo gehen wenigstens noch zur Uni und Lorie in die Schule. Nicolae ist tatsächlich der einzige bei dem sie nicht weiß was er den ganzen Tag macht, wenn der Rest außer Haus ist. Er schmunzelt amüsiert. „Ja, definitiv etwas, dass ich in meinem Zweihundert Jahren noch nicht so gemacht habe. Ich bin mir bewusst, dass ich manchmal etwas übertreibe, aber … mein eigenes Menschsein liegt so lange zurück, dass ich mich kaum erinnere.“ Der Älteste der Brüder lässt seinen Blick über seine Büchersammlung schweifen, als würde er dort etwas suchen. Ihre Frage hat er immer noch nicht beantwortet, stellt die Studentin fest. Eine seiner charmanten Eigenschaften. Er lotst einen auf eine andere Fährte, macht einem diese schmackhaft und lässt einen dann den falschen Weg laufen … aber nicht mit ihr! Nicht heute! „Warum bist dann oft so zu mir? Ich … ich bin ehrlich verwirrt deswegen … weil … weil ich nicht weiß, wie ich es interpretieren soll …“, den letzten Teil haucht sie fast lautlos. „Schlechte Angewohnheit“, flüstert er. Seine graugrünen Augen ruhen schwer und bedeutungsvoll auf ihr. „Jemanden um den Finger zu wickeln ist oft der einfachste Weg um an Informationen zu kommen. Ich habe das schon oft gemacht; auch schon als Mensch.“ Er räuspert sich verzieht kurz das Gesicht. „Ich … ich will das nicht, verstehst du. Ich will nicht, das du dich unwohl fühlst, oder die falschen Schlüsse ziehst. Ich habe dir versprochen nicht in deinen Gedanken zu lesen – daran halte ich mich auch. Aber ich spüre, dass du etwas vor mir verheimlichst …“ Man sieht die Unruhe und den Anflug von Wut der ihn bei seinen Worten überkommt. Nun ist es an der jungen Frau, beschämt den Kopf zu senken. Peter hatte sie ja quasi schon vorgewarnt. Trotzdem fühlt sie sich ertappt. Und ein wenig pikiert. Sie hat sein Verhalten falsch eigeordnet, oder auch nicht. Er hat sie umgarnt, ja … aber nicht, weil er romantische Gefühle für sie hat, sondern weil er seinen alten Gewohnheiten verfallen ist. Sie ist erleichtert … gleichzeitig … enttäuscht? Sie weiß nicht so recht. An sich ist es auch erst einmal egal, sie muss sich nun entschieden, ob sie ihm die Wahrheit sagt … Einen Moment zögert sie, doch dann entscheidet sie sich und beginnt leise zu erklären, „Es … es war nicht Ludwig.“ „Das sagtest du mir bereits“, brummt das Familienoberhaupt. Seine Mine verfinstert sich, als er weiterspricht, „Ich weiß zwar nicht, wer stattdessen für den Tod meiner Verlo…“ „Das meinte ich nicht“, fällt Emma ihm ins Wort. Sie spürt wie ihr Magen rebelliert und sie eigentlich einfach nur hier wegwill. Doch jetzt hat sie angefangen, und nun muss sie es auch zu Ende bringen. Um ihrer selbst Willen und auch um dem Mann vor ihr seinen Frieden, zumindest in einem Punkt, wiederzugeben. „Ludwig hat versucht mich zu schützen. Die Alpträume dienten dazu, mich aus dem Schlaf zu holen um … um mich … vor ihrem Einfluss zu schützen. Er … er wollte mir helfen; ihr aber gleichzeitig nicht weh tun …“ Der Älteste der Brüder wirkt verunsichert. „Ihrem Einfluss?“, wiederholt er ungläubig. Er scheint bereits zu wissen, was sie ihm sagen möchte, doch noch nicht so recht zu begreifen. „Sie war der Auslöser. Sie … sie wollte das du wieder glücklich wirst … mit mir, weil ich ja sie bin. Ludwig hat mir gesagt, dass es in der Zwischenwelt nicht nur verlorenen Seelen gibt, sondern auch böse Wesen. Diese Dinger nutzen das Elend der Seelen und nisten sich in ihnen ein. Sie … sie machen sie verrückt.“ Das Kindermädchen fühlt die nahenden Tränen. Ihr tut das alles so schrecklich leid. Sie kann nichts dafür, es ist nicht ihre Schuld; aber trotzdem fühlt es sich so an. „Deine Verlobte war die ganzen Jahrhunderte da, Nicolae. Sie hat dich gesehen, dein Leid gespürt und … die Dinge gesehen die du getan hast. Sie war anfällig für diese Dinger und …“, schluchzend bricht sie ab. Der ganze Raum ist erfüllt von unerträglichem Schmerz und Elend. Als würden die Wände wiedergeben was die beiden die dort sitzen empfinden. Selbst das Knistern des Feuers klingt hart und kalt. Die Stille lässt langsam die Finsternis aus den Ecken kriechen. „Sie … sie war es …?“, wispert Nicolae. Sein Blick ist ins Leere gerichtet, plötzlich bricht die Wut über ihn herein. „Nein, ich war es. Es ist meine Schuld … alles meine … Schuld …“ Er springt auf und läuft im Zimmer auf und ab – wie ein Tiger im Käfig. Er nimmt keinerlei Notiz mehr von seinem Umfeld, murmelt immer wieder dieselben Worte vor sich hin, während sich eine bedrohliche Aura um ihn herum aufbaut. Die junge Frau überkommt ein ungutes Gefühl. Als würde ein Gewitter von unbekannten Ausmaß aufziehen scheint sich die Luft in dem kleinen Raum aufzuladen. Vorsichtig steht sie auf und steht kurz unschlüssig da. Sie beobachtet das aufgebrachte Familienoberhaupt, welches völlig weggetreten auf und ab läuft. Langsam geht sie, oder schleicht eher, zur Tür und verlässt dann fluchtartig die Bibliothek. Eilig geht sie nach oben – zu Peter. Sie weiß das sich die beiden recht nahestehen, also sollte vielleicht eher er seinem Bruder hilfreich zur Seite stehen. Kaum das sie geklopft hat, steht der Pianist bereits in der Tür. Er fragt nicht, was genau sie Nicolae erzählt hat. Allerdings erkundigt er sich besorgt und mehrfach, ob mit ihr alles in Ordnung sei. Nachdem sie ihm versichert hat, dass sie klarkommt, geht er nach unten zu seinem Bruder. Zurück in ihrem Zimmer legt sich Emma aufs Bett. Das war … schrecklich … und sie fühlt wie ihr die Energie fehlt. Diese Offenbarung zu machen hat sie mehr Kraft gekostet wie sie gedacht hätte. Zu wissen, dass sie das Familienoberhaupt über die letzten Monate verletzt hat ohne es zu wissen grämt sie schrecklich. Und es ihm jetzt gesagt zu haben fühlt sich auch nicht wirklich besser an. Sie hatte bereits geahnt das er sich selbst die Schuld für alles geben wird; einer der Gründe warum sie es ihm so lange verschwiegen hat. Inständig hofft sie, dass Peter seinem Bruder dabei helfen kann, dass alles zu verarbeiten und durchzustehen. Die Müdigkeit überkommt sie immer mehr und ohne weitere Vorwarnung dämmert sie weg … Kapitel 10: Alte Verbindung --------------------------- Trost, ehrlicher Trost, ist ein Neffe der Liebe. Stefan Wittlin   Bäume sind merkwürdig verzerrt und wirken irgendwie überdimensioniert. Zwischen den kahlen Ästen hindurch sieht sie den Himmel. Die leuchtenden Sterne wirken wie aus einer fremden Welt. Sie sind unfassbar hell und so viele, dass ihr Glitzern und Glimmen es wirken lässt, als wäre das gesamte Firmament ein atmendes Wesen. Es ist unfassbar majestätisch und ein starker Kontrast zudem, was man hier unten zwischen den Bäumen fühlt. Der Gestank von Verbranntem liegt in der Luft und ein unfassbarer Schrecken scheint auf der Lauer zu liegen. Langsam geht Emma einige Schritte vorwärts. Irgendwo in ihrem Hinterkopf erinnert sie sich, aber sie bekommt es einfach nicht zusammen. Das hier hatte sie schon einmal geträumt. Allerdings … das letzte Mal war es anders; mehr wie eine Erinnerung? Es ist als würde ein dicker Nebel in ihrem Kopf herrschen, der verhindert, dass ihre Gedanken da ankommen wo sie hinwollen. Ein lautes Heulen durchschneidet die Szene und sie schreckt hoch. Das Grauen kriecht ihr in die Knochen und lässt sie zittern. Es Grollt und Knurrt, Schreie und Kampfgeräusche dringen zu ihr. „Lauf! Lauf weg! Der Tod! Es ist der leibhaftige Tod!“, ruft ein Mann panisch durch die Dunkelheit. Ein dumpfes Geräusch folgt, anschließend ein gurgelnder Laut. Die Studentin ist verwirrt. Die Stimme kommt ihr bekannt vor … aber es ist schon eine ganze Weile her, dass sie sie gehört hat. Gerade, als sie das Gefühl hat, dass es ihr jeden Moment einfällt, wird sie unterbrochen. Etwas Feuchtes und Warmes drückt sich plötzlich in ihren Nacken und sie schreit erschrocken. Zittrig dreht sie sich um. Eine Mischung aus Erleichterung und Wut überkommen sie sofort. „Ludwig“, knurrt sie. „Du hast mich erschreckt!“ „Verzeih mir“, fiept der Werwolf und beugt sich noch etwas weiter hinunter um der jungen Frau in die Augen zu sehen. Seine Mimik wirkt angespannt und besorgt. „Wieso bringst du mich immer an solche Orte?“, fragt Emma genervt. Erst dieser Wald, dann der Wald mit dem Regen und der Hütte, das Labor … Das Labor. Eine sanfte Wärme überkommt sie für einen Moment. Das was da zwischen ihr und ihm passiert ist verstört sie immer noch. Vor allem ihr eigenes Verhalten und Empfinden. Sie hat nicht mehr darüber nachgedacht, weil es ihr unangenehm war. Dass er in seiner verwandelten Form hier ist hilft ihr direkt die Gedanken daran wieder zu verdrängen. „Ich bin diesmal nur Gast“, erklärt Ludwig wortlos. „Es ist dein Traum, ich habe damit nichts zu tun.“ „Mein Traum?“ Nun ist sie vollends verwirrt; sie träumt einfach nur schnöde? Das wäre auf jeden Fall mal eine angenehme Abwechslung … wenn das Setting nur etwas netter wäre. Aber irgendetwas hat es mit dem hier auf sich. Der Wald, das Feuer, die Stimme von dem Mann … In der Ferne hört man eine kleinere Explosion. „Was geschieht da?“, fragt das Kindermädchen und versucht etwas zu erkennen. Da ist ein Auto, es liegt auf dem Dach und brennt. Sie erkennt eine Silhouette von einem großen Mann der daneben steht. Gänsehaut bildet sich sofort auf ihrem Rücken. Etwas ganz schreckliches geht von dieser Gestalt aus. Etwas Heimtückisches und Böses. „Das darf ich nicht sagen … du … musst es selbst heraus finden“, erklärt der Werwolf. Er reibt sachte seine Schnauze über den Oberarm der jungen Frau. „Aber nicht heute. Du hast genug gelitten.“ Der Schattenmann verschwindet hinter den Flammen. Es schaudert sie einen Augenblick. Etwas Beängstigendes geht von dem Ganzen aus, gleichzeitig hat es etwas Vertrautes. Als wüsste sie, was hier vor sich geht. Warum weiß ihr geisterhafter Begleiter eigentlich immer, was mit ihr los ist? Das letzte Mal wusste er, dass sie traurig war wegen Sebastians Abwesenheit. „Wir sind verbunden, oder?“, hakt Emma nach. Natürlich sind sie verbunden, aber wie stark diese Verbindung ist, ist ihr nicht wirklich klar. Gedankenverloren hebt sie die Hand und streicht über den wuchtigen Kopf. Das Fell ist weich und rau gleichzeitig, völlig anders wie das von Professor Jones in seiner Wolfsform. Ludwig brummt und schließt genießend die Augen. „Ja, ich fühle dich, deine Emotionen, deine Gedanken“, erklärt er und schmiegt sich in ihrer Hand. Warum existiert diese Verbindung und warum ist sie so stark? Das kann doch kein Zufall sein und nicht daran liegen, dass sie die Wiedergeburt von Nicolaes Verlobter ist. Sie dreht sich zu dem Werwolf hin und betrachtet ihn. Seine goldenen Augen haben etwas Flehendes an sich, als wolle er sie bitten, das Thema ruhen zu lassen, doch sie kann nicht. „Warum?“ „Nicht heute“, antwortet Ludwig schlicht. Er drückt seine Stirn gegen Emmas Brustkorb, als ob er ihrem Blick entgehen wollte. Es hat etwas mit dem hier zu tun, so viel scheint dem Kindermädchen nun klar. Was auch immer damals(?) passiert ist, hat mit ihr und dem Werwolf zu tun. Aber offenbar ist es nicht schönes … Ihr kommt der Schattenmann wieder in den Sinn. Wer war das? Ein unausgesprochener Schrecken kriecht ihr in die Seele und ein hässlicher Kloß bildet sich in ihrem Hals. Ihr Freund hat recht, sie hatte genug Elend für einen Tag. Die Sache mit Nicolae steckt ihr mehr in den Knochen wie sie zugeben möchte. Sie hat ihm noch mehr Schmerz zugefügt wie er ohne hin schon empfunden hat wegen den Geschehnissen vom letzten Jahr. Natürlich kann sie nichts dafür, aber es tut ihr dennoch leid. Das Familienoberhaupt liegt ihr ja am Herzen und ihn so leiden zu sehen … Nein, sie sollte sich jetzt wirklich erst einmal um sich selbst kümmern. „Es ist also mein Traum …“, sinniert sie vor sich hin. Sie schließt die Augen und stellt sich etwas Anderes vor, einen anderen Ort, etwas Schönes … Es wird hell und warm. Die Sonne scheint mit aller Kraft und leises Summen ertönt. Der Geruch von Blumen und Heimat schwebt umher. Emma öffnet die Augen und muss sofort Lächeln. Sie sitzt mitten auf einer Wiese. Um sie herum sind sanfte Hügel die sich in die Ferne erstrecken. Kleinere Baumansammlungen und Felder sind zu sehen. Ihr Herz fühlt sich leichter an und ihre Stimmung bessert sich. Eine sanfte Brise weht ihr über das Gesicht und durch ihre Haare. Zwei starke, haarige Arme umschließen sie und drücken sie gegen einen kräftigen Brustkorb. Erst jetzt bemerkt sie, dass sie quasi auf Ludwigs Schoß sitzt. Er hüllt sie ein, legt seinen Kopf förmlich über ihren und brummt beruhigend. Ähnlich wie bei dem vorhergehenden Traum kommt ihr auch das hier bekannt, und auch vertraut vor. Ohne darüber nachzudenken schmiegt sie sich an die Halsbeuge des Werwolfs und versinkt in seinen Armen. Der Geruch der Blumen mischt sich mit dem Duft nach Moos und Holz von ihm. Sie fühlt sich gut; geborgen und sicher. Ihr Blick wandert über die Landschaft während sie dem mächtigen Herzschlag ihres Freundes lauscht … Freund? Sind sie und Ludwig Freunde? Schon irgendwie, aber der Gedanke gerade fühlte sich … älter und irgendwie kindlich an. Als wäre das nichts Neues, sondern schon lange so … Die Schnauze des Werwolfs reibt über ihr Schulterblatt und er drückt sie etwas fester an sich. Sie spürt wie sie regelrecht dahin schmilzt. Es ist warm, weich, geborgen und sicher. Eine wohlwollende Welle aus Liebe und Nähe überschwemmt sie und erstickt alles andere. Ihre Schuldgefühle, ihre Sorgen … alles wird ertränkt in diesem intensiven Wohlbefinden. Die Studentin hinterfragt es nicht, genießt einfach nur. Trotzdem meldet sich etwas; ein sachter Widerstand, der sie mahnt vorsichtig zu sein. Sie weiß um die Gefühle die er für sie hegt … sie sollte nicht zu … zutraulich sein … Sie kann gar nicht sagen wie lange sie schon hier sitzt. Aber es eigentlich auch egal. Das hier ist ein Traum und da dürfte Zeit keine Rolle spielen. Aber etwas Anderes spielt eine Rolle. „Wie lang bist du eigentlich schon bei mir?“, fragt die junge Frau leise, als befürchte sie, dass die Blase in der sie sich gerade befinden zerplatzen könnte. „Eine ganze Weile“, antwortet Ludwig vage und lässt seine feuchte Nase durch ihr Haar wandern. Er atmet tief ein und schließt die Augen. Emma muss schmunzeln. „Das ist keine richtige Antwort“, stellt sie amüsiert fest. Sie ist nicht genervt oder sauer wegen seiner Ausflüchte. Irgendwie kann sie das im Augenblick auch gar nicht. Sie ist völlig trunken von diesem angenehmen Gefühl das sie fest im Griff hat. Es hat etwas Kindliches, wenn sie so darüber nachdenkt. Sie fühlt sich ein bisschen wie ein Kind in der sicheren Obhut der Eltern oder des großen Bruders. Es ist gut, unschuldig – zumindest von ihrer Seite her. Der Werwolf brummt und reibt seine Schnauze über ihren Rücken. Fast wie eine Katze reibt er seinen Kopf an der jungen Frau. Sie ist sich bewusst, dass er ihr nicht antwortet; aber auch das ist ihr recht egal gerade. Das Wohlwollen das sie bei ihm spürt packt sie zunehmend in Watte. Ihr emotionaler Widerstand gegen diese absurde Situation schwindet zusehends. Ihr Körper entspannt sich, schmiegt sich enger an das pelzige Ungetüm – und es fühlt sich toll an. Wie ein riesiger, lebendiger Teddybär. Verträumt legt sie ihren Kopf auf seine Schulter und blinzelt in die Ferne. Es fühlt sich nach zu Hause an, irgendwie. Als wenn man nach einer langen Irrfahrt endlich da ankommt wo man sein sollte. Sie hat noch nie darüber nachgedacht warum sie so schnell vertrauen zu diesem eigentlich recht furchteinflößenden Wesen gefasst hat. Das ist doch merkwürdig, oder? Diffus kommen ihr Bruchstücke in den Sinn. Bruchstücke von einem kleinen Mädchen, das völlig verloren war und sich in eine Fantasiewelt flüchtete. Zu einem Fantasiefreund. Emma runzelt die Stirn. Sie erinnert sich, dass sie sich nach dem Tod ihrer Eltern sehr zurück gezogen hatte. So sehr, dass ihre Großmutter sie zu einem Psychologen brachte. Damals hatte sie einen unsichtbaren Freund der ihr Trost spendete und ihr Gesellschaft leistete. Ein großer, pelziger Freund, der ein bisschen gruselig wirkte, aber ein Herz aus Gold hatte. Stunden hat sie mit ihm verbracht und darüber die Wirklichkeit manchmal völlig vergessen. War … war er das? War er der imaginäre Freund damals? Unerwartet reißt sie eine Stimme in ihrem Kopf aus ihren Gedanken. „Lass los. Lass einfach los“, flüstert Ludwig. Sacht leckt er ihr über den nackten Oberarm, reibt danach seine Schnauze wieder über ihren Rücken. Die junge Frau kennt zwar den Ausdruck „betrunken vor Glück“ aber sie hat das immer für eine Floskel gehalten. Doch das was sie gerade empfindet fühlt sich genauso an. Leicht, sorgenfrei und einfach nur toll. Und es lässt sie unvorsichtig werden … Sie lässt ihn gerade viel zu sehr an sich heran, dass weiß sie. Sie ist das letzte Mal schon schwach geworden, und da war die Situation nicht ansatzweise so wohlige wie jetzt. Nun gut, in seiner aktuellen Form braucht sie sich doch eigentlich keine Sorgen zu machen. Es ist so, als würde sie mit einem zu großgeratenen Hund schmusen. Zumindest fühlt es sich für sie so an. Allerdings dürfte es für ihn womöglich anders sein. Sie spürt zunehmend Unsicherheit in ihr aufkeimen. Schnell wälzt sie Gedanken um sich abzulenken. Hatte sie ihm nicht eine Frage gestellt? Ja, hatte sie; und er schuldet ihr noch eine Antwort. „Wie lange, Ludwig?“, hakt sie fest entschlossen nach. Er brummt irgendwie genervt. Scheinbar stört er sich weniger an ihrer Frage als solche, sondern eher daran, dass sie versucht die Szene zu stören. „Du erinnerst dich wirklich nicht?“, fragt er sanft. Langsam schüttelt Emma den Kopf. „Nicht wirklich. Ich erinnere mich, dass ich einen Freund hatte. Er war nicht echt, nur in meinen Gedanken hat der Psychologe immer gesagt …“ Sie erinnert sich an die unzähligen Sitzungen, und wie sie sich dagegen gewehrt hat, dass ihr Freund nicht echt ist. Warum auch immer hatte sie damals den unbedingten Willen diesen Freund bei sich zu behalten; komme was da wolle. Doch irgendwann wurde ihr klar, dass der Mann wohl recht hat und es besser ist sich einen echten Freund zu suchen mit dem sie spielen konnte. Ein raues, amüsiertes Lachen unterbricht ihre Worte. „Das war wahr und gleichzeitig auch nicht.“ Er leckt über den Stoff ihres Oberteils, nur um anschließen seine Nase in ihren Nacken zu drücken. Warum nur stört sie das nicht? Warum lässt sie das zu? Schlimmer noch, sie reagiert darauf und verstärkt ihr kraulen und reibt ihre Wange über seine Schulter. Die Antwort ist einfach: es fühlt sich gut an. Und auch irgendwie richtig. Aber anders richtig. Ganz hinten weiß sie, dass er und sie das hier gerade nicht auf derselben Ebene empfinden. Ihre Intention, ihre Gefühle, sind in einer ganz anderen Region angesiedelt wie seine. Sie schätzt ihn, mag ihn; aber sie liebt ihn nicht. Ihre Gefühle sind rein freundschaftlicher Natur. Warum ihr Körper allerdings der Meinung ist auf ihn zu reagieren, ist ihr nicht so wirklich klar. „Lass einfach los …“, wiederholt sich Ludwig schnurrend. Ein hitziger Schauer erfasst die Studentin und bringt sie zum Zittern. Ihre Alarmglocken melden sich im selben Moment – doch sie kann sich nicht wehren. Statt aufzuspringen und Abstand zwischen sie beide zu bringen, seufzt sie zufrieden und legt eine Hand in den mächtigen Nacken. Verspielt huschen ihre Finger durch die Mähne des Werwolfs und kraulen ihn sanft. Verrückt! Einfach verrückt! „Ich könnte dir nie weh tun, oder überhaupt etwas tun, dass du nicht willst …“, beteuert er mit einer rauen Stimme, die ihr mehr als deutlich macht, dass seine Gefühle gänzlich andere sind wie ihre. Wenn dem so ist, was hat dann die Situation im Labor zu bedeuten? Wollte sie das? Schon irgendwie, aber doch erst nachdem er sie so umgarnt hat … oder? Womöglich sagt er das nur, um sie weiter um den Finger zu wickeln? Die Überlegungen der jungen Frau kommen immer mehr zum Erliegen. Wie Wasser in der Wüste versiegen sie und lösen sich in Luft auf. Ihr Körper genießt einfach zu sehr die Zuwendung die ihm zu Teil wird, und scheint gar nicht genug davon zu bekommen. Ein leises, fremdartiges Geräusch ist plötzlich hörbar. Es formt Worte und flüstert, dass sie sich in Acht nehmen sollte. Das Wispern sagt ihr, dass sie nicht der erste Kollateralschaden auf einer jahrhundertealten Jagd wäre … und, dass sie das auch ganz genau wüsste. „Ich will nur das es dir gut geht und du dich wohlfühlst …“, summt Ludwigs angenehme Stimme in ihrem Kopf. „Du musst nur loslassen, ich kümmere mich um den Rest …“ Worüber hatte sie gerade nachgedacht? Da war doch etwas gewesen, oder? Eine andere Stimme? Die Studentin weiß nicht mehr so recht … Loslassen und sich treiben lassen klingt immer verlockender … und irgendwie auch logisch … Kapitel 11: Nachbeben --------------------- Sympathie ist der Anfang jeder Moral, denn sie schlägt um in Empathie, die uns mitfühlen lässt. Vera Simon Emma holt tief Luft und lässt beim ausatmen alle Anspannung los. Wiese und Felder verschwinden. Der Geruch der Blumen wird durch den Duft von Holz und Regen ersetzt. Die haarige Schulter weicht warmer, weicher Haut und die Pranken auf ihrem Rücken großen Händen. Hände, die über ihre nackte Haut fahren. Sie ist nackt. Diese Feststellung sollte die junge Frau schockieren, oder wenigstens irritieren – doch nichts dergleichen erreicht ihre Gedanken. Es ist warm und geborgen. Und unfassbar sinnlich. Die Nähe zwischen ihr und ihm ist vereinnahmend und der Rest rückt in den Hintergrund. Natürlich registriert sie, dass sie in einer ihr unbekannten Hütte ist, dass Ludwig seine menschliche Form hat. Und, dass er genauso nackt ist wie sie, immerhin sitzt sie rittlings auf ihm. Aber das alles fühlt sich weder befremdlich noch falsch an. Seine Haut an ihrer, seine Lippen die ihren Hals hinauf wandern und seine Hände die ihren Hintern umgreifen … Unfassbar erotisch. Sein Geruch nach Wald und Moos hat sich mit dem Formwechsel nicht verändert und umschmeichelt sie. Wärme breitet sich in ihrem Bauch aus und Gänsehaut krabbelt ihren Rücken hoch. Obwohl draußen ein Unwetter zu toben scheint, herrscht hier drinnen eine heiße und schwüle Stimmung. Die Luft ist aufgeladen, sie knistert förmlich. Die Zeit verliert an Bedeutung. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft lösen sich auf. Sie atmet schwer, drängt sich an den muskulösen Körper und vergräbt ihr Gesicht an seiner Schulter. Das tiefe Knurren das er ausstößt erregt sie unglaublich, genau wie seine Haut die regelrecht glüht. Ihr Unterleib zieht sich zusammen und sie muss stöhnen, ohne das schon irgendetwas passiert ist. Die Lust in ihr drängt nach außen, will freigelassen werden wie ein wildes Tier. Sie kann nicht anders und gibt nach … Emma starrt ihre Zimmerdecke an und diese scheint vorwurfsvoll zurück zu starren. Was ist nur in sie gefahren?! Herr im Himmel! Scham und Schuldgefühle fluten sie und das wohlige Entspannungsempfinden, dass sie nach diesem unglaublich erotischen Traum hatte, löst sich komplett in nichts auf. Mehr noch, es schwenkt ins komplette Gegenteil um. Sie fühlt sich gestresst und panisch. Ihre Gedanken laufen Amok und ihre Magen dreht sich irgendwie auf links. Was hat sie da nur getan?! Sie hat … sie hat … mit Ludwig … Nein, sie will es nicht zu Ende denken. Am liebsten würde sie es ungeschehen machen, egal wie betörend das Ganze war. Wie konnte das nur passieren?! Und ihr geisterhafter Begleiter schien auch ziemlich genau zu wissen, was ihr gefällt … Liegt das in ihrer Verbindung? Plötzlich schießt ihr die Schamesröte ins Gesicht. Wenn ihre Verbindung so stark ist, dass er ihre Gefühle spürt, hat er natürlich auch diese Emotionen gespürt. Das heißt, dass er da war, wenn sie mit jemandem intim war. Wie peinlich und unangenehm. Die junge Frau springt aus dem Bett und eilt Richtung Badezimmer. Hastig zieht sie sich aus und stellt sich unter die Dusche. Auch wenn das gerade nicht real stattgefunden hat, hat sie das dringende Bedürfnis sich zu reinigen. Der Geruch von Moos und Holz kitzelt immer noch in ihrer Nase und auch die großen warmen Hände spürt sie noch recht deutlich auf ihrer Haut. Von dem was sie zwischen ihren Beinen fühlt ganz zu schweigen … Scheiße aber auch! Am liebsten würde sie einfach Ludwig die ganze Schuld dafür geben, aber es gehören nun mal zwei dazu. Sie hat sich so wohl und geborgen gefühlt, dass sie völlig nachgegeben hat. Es war schön in seinen Armen. Und extrem heiß unter seinen Küssen und Berührungen. Diese wilde Seite … ein wenig wie bei Sebastian … Sebastian … Auch wenn sie und der Professor kein Paar sind, hat sie das Gefühl ihn betrogen zu haben. Wie soll sie ihm in zwei Tagen nur unter die Augen treten? Das Kindermädchen seufzt und spürt wie sich eine Träne aus ihren Augenwinkel löst. Was ist sie nur für ein schrecklicher Mensch? Wie konnte sie das nur tun?! Und auch noch genießen?! Verzweiflung übermannt sie und sie gibt sich mehrere Minuten Tränen und Selbstzweifeln hin. Kaum aus dem Badezimmer raus greift sie hektisch nach ihrem Smartphone. Ihr Finger schwebt über dem Display, über Sarahs Namen. Sie will sie anrufen, mit ihr reden, ihr alles erzählen. Doch sie schämt sich zu sehr … Gleichzeitig möchte sie, dass ihr jemand sagt, dass das alles halb so wild ist. Die junge Frau beginnt an ihren Nägeln zu kauen. Das alles wirft Fragen auf. Der Mann hat sie schon zweimal in die Zwischenwelt geholt … Allerdings hat sie, zumindest am Anfang, definitiv geträumt. Es war ihr Traum, immerhin hat sie ihn verändert! Und dann? War der Rest auch Teil ihres Traums? Dass sie sich so erregt gefühlt hat, kann tatsächlich auch einfach an einem Traum gelegen haben. Als sie von Sebastian auf diese Art geträumt hat, war sie danach auch sehr aufgewühlt. Trotzdem macht sie das ziemlich fertig. Von Intimitäten mit einem anderen zu fantasieren … Das hat sie noch nie gemacht, wenn ihr Herz vergeben war; warum sollte dem also jetzt der Fall sein? Tja … der einzige, der ihr beantworten könnte was tatsächlich passiert ist, ist Ludwig. Soll sie ihn fragen, wenn sie ihn das nächste Mal sieht? Emma atmet geräuschvoll aus und legt ihr Smartphone wieder weg. Sie sollte erstmal runterfahren, sonst kommt sie noch wie ein hysterisches Weib rüber und das will sie nicht. Wenn sie ihn das nächste Mal sieht, wird sie bestimmt an seinem Verhalten merke, ob es nun echt war oder nicht. Also, so echt, wie es mit einem Geist sein kann. Danach wird sie weitersehen und sich die nächsten Gedanken dazu machen. Bestätigend nickt die junge Frau vor sich hin. Guter Plan. Ruhe bewahren und abwarten. Und verdrängen! Definitiv verdrängen! Ein Blick auf die Uhr verrät ihr, dass es bald Zeit fürs Abendessen ist. Schnell zieht sie sich an und will gerade ihr Zimmer verlassen, da klopft es an ihrem Fenster. Erschrocken dreht sie sich um und versteht im ersten Moment nichts. Doch dann … „Moony“, flüstert sie erleichtert. Die Eule sitzt auf dem Fensterbrett und legt fragend den Kopf schief. Sie plustert sich auf und schüttelt sich. Emma geht zum Fenster. Lächelnd öffnet sie es. „Hey meine Hübsche.“ Wie hypnotisiert starrt sie in die großen gelben Augen. Langsam streicht sie Moony über den Kopf und krault sie sanft. Sofort fühlt sie sich besser. Schon verrückt, welche Wirkung das Tier auf sie hat. „Was ist nur los mit mir?“, fragt sie vor sich hin und Schwermut überkommt sie. Vielleicht war das auch einfach alles zu viel … Die Sache mit Ludwig und dass er sie scheinbar einfach in die Zwischenwelt holen kann wie es ihm passt, der bedrohliche Schatten, Mia Cooper mit der sie sich auch noch auseinandersetzen sollte, die Differenzen mit Drogo und dann das Gespräch mit Nicolae. Das war vielleicht einfach zu viel in den letzten Tagen und ihr Gehirn war der Annahme, dass sie etwas Entspannung gebrauchen könnte? Schon möglich … aber ausgerechnet Ludwig? Sie hätte doch wieder von Sebastian träumen können … Die Eule flattert und ruft aufmunternd. Sie wirkt aufgeregt, als wüsste sie, dass gleich etwas passieren wird. Plötzlich hält das Kindermädchen inne. Über diese ganze Erotik hat sie doch etwas völlig vergessen. Dieser schreckliche Traum, oder Erinnerung … Der Schatten der bei dem Auto war, war das derselbe wie in dem Labor in der Zwischenwelt? Und ist Ludwig nun ihr imaginärer Freund aus ihrer Kindheit? Das würde sogar Sinn machen. Sie erinnert sich allmählich besser, als würde der Nebel der Jahre langsam verziehen. Nach dem Unfall bei dem ihre Eltern starben, hatte sie sich extrem zurückgezogen und in ihre eigene Welt geflüchtet. Irgendwann ist eine große Schreckgestalt aufgetaucht; die aber gar nicht so schrecklich war. Das Monster sah zwar wie eines aus, war aber ausgesprochen freundlich und liebevoll. Emma erinnert sich, dass sie viele, viel zu viele, Stunden mit diesem Freund verbracht hat. Er hat sie umsorgt und sich um sie gekümmert; sie hat sich gut und sicher bei ihm gefühlt. Ihre Großmutter hat sie dann zu einem Therapeuten gebracht, weil sie sich um ihr Enkelkind sorgte … Moony schließt kurz wohlwollend die Augen und gurrt leise. Scheinbar zufrieden breitet sie die Flügel aus und verlässt das Fensterbrett. Das Kindermädchen beobachtet wie der weiße Vogel im Wald verschwindet. Das hübsche Tier taucht immer auf, wenn sie sie braucht. Irgendwie hilft sie ihr, ihre Gedanken zu sortieren … „Danke“, flüstert sie und schließt das Fenster wieder. Aber jetzt auf zum Essen. Ihr Herz fühlt sich etwas leichter an, als sie die große Treppe im Foyer herunterläuft. Doch das Drücken kommt sofort wieder nachdem sie das Esszimmer betreten hat. Am Tisch sitzt lediglich Drogo. Seine nussbraunen Augen funkeln amüsiert, als er sieht wie der jungen Frau das Gesicht für einen Moment einschläft. „Enttäuscht?“, witzelt er herausfordernd, und irgendwie zweideutig. Atmen, ermahnt sich das Kindermädchen. Sie antwortet nicht und setzt sich stattdessen einfach. Nach einigen Momenten der Stille sieht sie den Blonden schließlich an. „Wie geht es ihm?“, fragt sie leise. Sie muss nicht wirklich definieren wen sie meint, er wird es ziemlich sicher wissen. Der Jüngste der Brüder brummt und verzieht das Gesicht. „Weiß nicht … ist mir auch egal.“ Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück und sieht zum Fenster hinaus. Ist es nicht, liegt Emma auf der Zunge, aber sie behält es für sich. Nicolae und Drogo geraten oft aneinander, manchmal auch recht heftig. Aber sie sorgen sich um einander und stehen sich zur Seite wenn es hart auf hart kommt. Dass der Blonde jetzt so tut, als wäre ihm sein Bruder egal ist am Ende nur ein Schutzmechanismus. Sie will ihn nicht nerven, also schweigt sie und hofft, dass er ihr doch noch etwas sagt. „Sie haben das Haus vor einer Stunde verlassen“, erklärt Drogo nach einer Weile und sein Blick richtet sich auf das Kindermädchen. Er sieht sie intensiv an und mustert ihre Reaktion genau. Die junge Frau nickt und seufzt. Hoffentlich kommt das Familienoberhaupt wieder auf die Beine. Sie würde es sich nie verzeihen, wenn sie ihn durch die Wahrheit womöglich für immer in seinen Grundfesten zerstört hätte. „Hör auf dir Sorgen zu machen, kleines Ding. Er ist mehr als alt genug um so etwas abkönnen zu müssen“, fährt der Blonde sie hörbar genervt an. Perplex sieht Emma auf. Ja, er ist nicht immer gut auf das Familienoberhaupt zu sprechen, aber dass er sie so angeht wegen ihm ist ungewöhnlich. „Was ist denn dein Problem?!“, motzt sie zurück, auch wenn ihr aufgefallen ist das seine Grundstimmung recht aggressiv zu sein scheint heute Abend. Drogo lacht hämisch und schüttelt den Kopf. Sein provozierender Blick brennt sich regelrecht in den des Kindermädchens. „Du solltest dir lieber Sorgen um dich selbst machen“, knurrt er und grinst reißerisch. Statt der Angst, wie in den letzten Wochen, überkommt sie die Wut, ohne dass sie wüsste warum. Irgendwas an ihrem Gegenüber ist gerade extrem provozierend. Sie ist sich nicht so ganz sicher, ob das wirklich an der Situation mit Nicolae liegt, aber gefallen lassen wird sie sich das nicht. Sie springt auf und starrt den Blonden an. „Du bist so ein mieses Arschloch. Deinem Bruder geht es schlecht und dir fällt nichts Besseres ein, als mich hier anzufahren.“ „Was interessiert es dich, wie es Nicolae geht?“ Der Jüngste der Brüder steht auf, langsam und bedrohlich. Sein Gesicht ist starr, aber seine Augen brodeln regelrecht. „Auf den Geschmack gekommen auf mehreren Hochzeiten unterwegs zu sein? Reichen dir deine zwei Köter nicht?“, faucht er und seine Mimik verfinstern sich. „Wie kannst du es wagen?!“, brüllt Emma. Sie ist außer sich und ehe sie es selbst richtig begreift, hat sie ausgeholt und ihm eine Ohrfeige verpasst. Sie ist irritiert und weicht automatisch einen Schritt zurück. Er hätte es problemlos verhindern können, dass weiß sie. Warum hat er das also zugelassen? Doch etwas Anderes nimmt ihre Gedanken wieder gefangen. „Nur, weil du offenbar nicht in der Lage bist, dich um etwas Anderes wie deine eigenen Belange zu kümmern, heißt das nicht, dass das für alle gilt! Eine Familie kümmert sich umeinander! Und ob du es glaubst oder nicht, ihr seid meine Familie, also mache ich mir natürlich Sorgen, wenn ich sehe, dass es jemanden offensichtlich schlecht geht! Und Nicolae geht es nicht erst jetzt schlecht, das dürftest selbst du gemerkt haben.“ Sie tut ihm Unrecht, dessen ist sie sich bewusst, aber sein Verhalten geht ihr derart gegen den Strich, dass sie nicht anders kann. Ihm weh zu tun scheint ihr gerade das einzige Mittel, um ihn in seine Schranken zu weisen. Der Vampir mustert sie noch einige Momente finster, dann werden seine Mimik und sein Blick weich und mitfühlend; zumindest für den Bruchteil einer Sekunde. „Du hättest es ihm gleich sagen sollen“, erklärt er leise. „Egal was es nun genau war, aber es hat ihm mehr geschadet, dass du es ihm verheimlichst hast. Es hat ihn beinahe aufgefressen, dass du ihm scheinbar nicht mehr vertraust.“ Der Vorwurf ist überdeutlich herauszuhören. „Das hatte nichts mit Vertrauen zu tun“, rechtfertigt sich die junge Frau leise. Also stimmt ihre Vermutung. Dem Familienoberhaupt ging es schon länger nicht gut; und die Brüder haben das auch bemerkt. Sie haben nicht geholfen, weil sie es nicht konnten – sie ist schuld an seinem Zustand, nur sie allein. Der Blonde ist inzwischen um den Tisch herumgelaufen und steht dem Kindermädchen gegenüber. Er beugt sich leicht hinunter um ihren Blick einzufangen bevor er weiterredet. „Für ihn schon. Er hat gedacht, du traust ihm nicht mehr …“ Emma verliert sich in den Augen ihres Gegenübers. Entgegen der Normalität spiegeln sich gerade unzählige Emotionen in dem klarem Nussbraun. Es lässt sich nichts zuordnen, weil es einfach zu viele sind und es generell zu ungewohnt ist, aber eines sieht sie ziemlich deutlich: Vorwürfe. Ihr wird immer elender zu mute, je länger sie darüber nachdenkt. Ungewollt hat sie das Familienoberhaupt seit Wochen gequält, dann die Sache mit Ludwig vorhin, Mia Coopers auftauchen, dass sie auch verheimlicht … Die Erkenntnis überkommt und überrollt sie. „Ich bin ein Monster“, flüstert sie und die ersten Tränen bahnen sich ihren Weg. Die junge Frau fühlt wie sie in den Arm genommen wird. Sie wehrt sich nicht und lässt es geschehen; ein bisschen Trost ist nicht verkehrt gerade, selbst wenn er von Drogo kommt und selbst wenn sie es nicht verdient hat. „Hey, mach dir keinen Kopf, kleines Ding. Als Monster bist du bei uns doch in bester Gesellschaft“, witzelt der Vampir leise gegen ihre Haare. Das Kindermädchen muss loslachen. Ja, er hat Recht. Und jemand anderes auch. „Peter lag mit seiner Einschätzung wohl auch nicht so falsch“, scherzt sie und entspannt sich ein wenig. Sie entspannt sich, in der Umarmung des Bartholy-Bruders, den sie bis vor kurzem noch gefürchtet hat; und vor dem sie gewarnt wurde - mehrfach. Absurd, einfach nur absurd. Sie sollte womöglich dringend zu Arzt und sich durchchecken lassen, wenn das so weitergeht. „Was hat den unser Trauerkloß so intelligentes gesagt?“, hakt der Blonde sarkastisch nach. Und lacht amüsiert, als ihm Emma in die Seite kneift. Er kann es einfach nicht lassen. Wie immer, wenn sie denkt das er doch nett ist, haut er wieder irgendwelchen Blödsinn raus. „Peter meinte, ich würde aus euch noch Kuscheltiere machen“, antwortet sie schließlich und entlockt Drogo damit ein ehrliches und herzliches Lachen. Nach einigen Minuten löst sie sich schließlich aus der Umarmung. Nach einem verbalen Schlagabtausch währen des Essens und der Erkenntnis, dass es offenbar auch ganz ohne klärendes Gespräch zwischen ihr und dem Jüngsten der Brüder aufwärtsgeht, kehrt Emma wieder in ihr Zimmer zurück. Lernen wird sie heute definitiv nichts mehr, also schmeißt sie sich aufs Bett und wirft ihren Laptop an. Während sie vertieft in ihre Lieblingsserie ist, trifft sie plötzlich der Schlag. „Reichen dir deine zwei Köter nicht?“ Zwei! Er hat von zweien geredet! Woher und warum weiß er das?! Panik überkommt sie, und auch Wut. Ohne darüber nachzudenken springt sie auf und stürmt nach draußen in den Flur und Richtung Zimmer des Blonden. Kapitel 12: Überfallkommando ---------------------------- Ich kenn einen Jäger, man heißt ihn "Tod" Theodor Fontane   Nichts tut sich hinter der Tür. Das Kindermädchen klopft noch einmal überaus energisch und ruft den Namen des Blonden; doch nichts rührt sich. Zumindest nicht an dieser Tür. Weiter hinten im Flur öffnet sich hingegen ein Zimmer und Lorie taucht mit einem merkwürdig entrückten Gesichtsausdruck auf. „Er ist nicht da“, erklärt die Kleine und grinst dann plötzlich. „Wir sind alleine, du und ich.“ Emma bemüht sich das Schaudern zu verbergen. Irgendetwas stimmt gerade ganz und gar nicht mit dem Kind. Also nicht, das sie sonst dem Idealstandard entspricht, aber jetzt ist sie noch spezieller wie ohnehin schon. „Gut, dann kläre ich das später mit ihm“, bringt das Kindermädchen hervor und will zurück in ihr Zimmer. Doch dazu muss sie an Lorie vorbei und alles, wirklich alles, in ihr sträubt sich dagegen. Es ist nicht so, dass sie unbedingt Angst spürt, aber etwas an der Kleinen beunruhigt sie zu tiefst. Aber eben auch nicht immer. Als würde sich manchmal ein Schatten über das Kind legen und das Gute in ihr verblassen. Das, was dann übrig bleibt ist nicht sehr … schön. „Lass mich bitte durch, Lorie“, flüstert die junge Frau. Nicolae hat ihr mehrfach gesagt, dass sie lieber keine Schwäche oder Angst dem Kind gegenüber zeigen soll, aber sie kann gerade nicht anders. Und es scheint auch nicht wirklich Lorie zu sein, die ihr Angst macht. Es ist eher etwas Böses das um sie herum ist … Das Vampirkind grinst breit und seine braunen Rehaugen werden rot. „Komm doch her … wir können noch ein bisschen spielen.“ Die kleinen spitzen Eckzähne blitzen gefährlich und sie macht einen Schritt auf Emma zu. „Bleib wo du bist!“, ruft das Kindermädchen panisch. Sie hebt die Hände zur Abwehr, wissend, dass das nicht viel bringen würde sollte sich die Kleine auf sie stürzen. Warum haben sie sie nur mit ihrer Schwester allein gelassen?! Die Brüder wissen doch genau wie unberechenbar das kleine Gör sein kann! „Ich warne dich Lorie“, droht sie, obwohl sie weiß, dass das lächerlich ist – was sie direkt bestätigt bekommt. Lorie beginnt zu lachen; aber nicht das herzliche und unschuldige Kinderlachen, dass sie mitunter hat. Dieses Lachen jetzt ist kalt, herablassend und beängstigend. Ihre Augen glühen wie heiße Kohlen und sie macht einen weiteren Schritt auf das Kindermädchen zu. „Ich kenn einen Jäger, man heißt ihn „Tod“: Seine Wang ist blass, sein Speer ist rot“, zischt sie bedrohlich, ihre Stimme klingt merkwürdig verfremdet dabei. „Sein Forst ist die Welt, er zieht auf die Pirsch, Und jaget Elenn und Edelhirsch.“ Emma stutzt. Sie kennt das irgendwo her, kann es aber nicht zu ordnen. Außerdem nimmt ihre Angst mehr und mehr überhand. Unbewusst geht sie mit jedem Schritt den das Kind auf sie zumacht einen rückwärts. Immer weiter. Die roten Pupillen nehmen sie gefangen und entführen sie in eine grässliche Welt voller Blut und Leid … „Im Völkerkrieg, auf blutigem Feld, Ist's, wo er sein Kesseltreiben hält; Hass, Ehrsucht und Geizen nach Ruhmesschall, sind Treiber im Dienste des Jägers all’ “, zitiert die Kleine ungerührt weiter. Die junge Frau hat das Gefühl völlig aus der Welt gesaugt zu werden. Diese roten Augen und dieses Gedicht entführen sie in eine andere Epoche, eine andere Zeit. Bilder flitzen vor ihr vorbei; Bilder eines Krankenhauses; Bilder von weißen Räumen mit Betten. Alles wirkt altertümlich und nicht sehr einladend. Die Stimmung ist drückend und einschüchternd. Die Fliesen werden rot, der Geruch von Strom liegt in der Luft. Plötzlich löst sich alles in Flammen auf … „Nicht fürcht ich ihn selber, wie nah er auch droht, Doch wohl seine Rüden: Gram, Krankheit und Not, Die Meute, die stückweis das Leben zerfetzt.“ Lorie bleibt kurz stehen und grinst bedrohlich. „Und zögernd uns in die Grube hetzt*“, schließt sie ab und macht noch einen Schritt auf Emma zu. Leere, absolute leere. Als das Kindermädchen es endlich begreift, ist es zu spät. Das kleine Biest hat sie rücklings zur Kellertür gedrängt, die auch noch offensteht obwohl sie sonst immer verschlossen ist. Der ominöse Keller, den sie nie, niemals, unter gar keinen Umständen, betreten soll. Obwohl sie sonst jemand ist dem Verbote mitunter egal sind, hat sie das nie in Frage gestellt. Etwas Kaltes und Gruseliges ging immer von dieser Tür aus. Etwas Bedrohliches, was sie davon abhielt sich ihr zu nähern, oder noch weitere Fragen zu stellen. Sie ist einfach zu langsam; ihr Kopf, bis er es begreift und auch ihre Reflexe, bis sie endlich reagieren … Ihr Körper kippt nach hinten und der Sturz ist nicht mehr zu verhindern. Mit ein wenig Glück wird sie sich das Genick brechen. Auch wenn es natürlich makaber ist in diesem Zusammenhang von Glück zu denken; aber womöglich droht ihr etwas Grausames dort unten. Wer weiß was dort ist. Die Brüder haben sie bestimmt nicht grundlos vor dem Keller gewarnt. Zu gern würde die Studentin schreien, aber ihr schnürt es die Kehle zu. Eisige Klauen scheinen aus den Untiefen hervorzuschießen und ihren Körper mit aller Gewalt gefangen zu nehmen. Todesangst kriecht ihr in die Knochen, in die Seele. Es macht den Eindruck, als würde sich die Dunkelheit der Welt aus dem Keller erheben um sie zu verschlingen. Schlagartig endet ihr Sturz; einfach so, mitten in der Luft. Emma begreift sekundenlang nicht warum, dann spürt sie die Hand die sich um ihren Unterarm geschlossen hat. Verwirrt sieht sie in die Richtung und blickt in Drogos Gesicht. Seine beinahe ängstlich wirkende Mimik beunruhigt sie noch mehr, wie das ganze Szenario mit Lorie eben. Mit einem kräftigen Ruck wird sie nach oben gezogen und die Kellertür fliegt hinter ihr wie von Geisterhand mit einem lauten Knall zu. Der Blonde zieht die junge Frau zu sich und nimmt sie schützend in die Arme, während sein Kopf sich zu seiner kleinen Schwester dreht. „Was sollte das?!“, donnert er außer sich vor Wut. Die Studentin zittert vor Angst. Der Schrecken steckt noch tief in ihr und wird wohl nicht so einfach verschwinden. Unsicher sieht sie über die Schulter des Mannes zu dem kleinen Mädchen. Lorie steht da, ihre Miene wirkt abwesend für einige Augenblicke, als wäre hätte jemand die Pausetaste gedrückt. Die dunkle Aura die sie umgeben hat verschwindet – zurück bleibt ein überwältigtes Kind. Tränen bilden sich in den Rehaugen und deutlich zeichnet sich Verzweiflung ab. Ohne ein Wort zu sagen beginnt sie zu weinen und flüchtet sich in ihr Zimmer. „Scheiße!“, flucht Drogo und scheint mehr als überfordert mit der Situation. „Was war los mit ihr?“, fragt Emma zittrig. Natürlich ist die Kleine manchmal echt eigenartig und manchmal auch völlig fernab der Realität, aber das hier … Wollte sie sie wirklich gerade töten? Angerdroht hat sie es ihr zwar schon einige dutzend male, aber niemals hätte sie es für möglich gehalten, dass sie das in die Tat umsetzt. Doch jetzt ist sie sich sicher; vor allem wegen dem Verhalten des Blonden. Sie spürt förmlich seine Sorge und Panik; und dass will schon was heißen. Nur leider nichts Gutes … „Ich … ich weiß nicht“, antwortet der Jüngste der Brüder und seufzt. Er lässt das Kindermädchen los und schiebt sie etwas zurück. Er sieht ihr in die Augen und wirkt so ernst wie noch nie. „Ich muss dringend mit Nicolae deswegen sprechen. Du gehst in dein Zimmer und verlässt es nicht bis ich zurück bin.“ Ist das sein verdammter Ernst?! Er kann sie doch nicht mit dem Kind allein lassen nachdem was hier gerade passiert ist! Fassungslos starrt sie den Vampir an und öffnet den Mund, aber kein Wort kommt ihr über die Lippen. Ehe sie sich versieht wird sie den Gang entlang in ihr Zimmer bugsiert. „Schließ ab und öffne nicht bevor wir zurück sind“, mahnt sie Drogo nochmal eindringlich. Er sieht sie entschuldigend und ein beunruhigt an. Fast schon zärtlich streicht er ihr über die Wange bevor er blitzschnell verschwindet. Völlig abwesend schließt sie die Tür und dreht den Schlüssel. Die Studentin spürt wie ihre Beine nachgeben und sie lässt sich zittrig auf dem Boden nieder bevor noch ein Unglück passiert. Ihr Kopf dreht sich und sie fühlt eine unfassbare Leere in sich. Und Kälte. Und Angst. Angst, dass wieder irgendwelche Dinge geschehen, auf die sie keinen Einfluss hat; Dinge, die ihr die Brüder vorenthalten um sie zu schützen und sie damit nur noch mehr ins Schlammassel stürzen. Lories Schluchzen holt sie aus ihren sich überstürzenden Gedanken. Inzwischen kennt sie jede Art des Weinens der Kleinen. Meistens handelt es sich um das typische Erpresser-Weinen, das sie an den Tag legt um zu bekommen was sie will. Manchmal ist es Wut-Weinen, weil sie nicht bekommt was sie will. Hin und wieder ist es das Manipulier-Weinen, um ihre Brüder um den Finger zu wickeln. Und selten, sehr selten, ist es echtes Weinen aus Verzweiflung oder Trauer. Das, was Emma hier durch die Wand hört, sind echte Tränen. Tränen der Verzweiflung und irgendwie auch Angst. Auch wenn sie sich dagegen sträubt, geht ihr das Geräusch an die Nieren. Minuten verstreichen doch das Weinen wird nicht weniger. Das Kindermädchen kann nicht mehr, inzwischen kommen ihr selbst die Tränen. Da ist so viel Schmerz und Verzweiflung in dem Schluchzen, dass sich ihr fast der Magen umdreht. Als würde das Leid der Jahrhunderte aus dem Kind sprudeln und sich über das Hier und Jetzt ergießen. Irgendetwas war da vorhin, was Lorie beeinflusst hat; etwas, das dafür gesorgt hat das sie nicht sie selbst war. Eine böse Macht vielleicht …? Die junge Frau schüttelt den Kopf. Versucht sie sich gerade den Mordanschlag schön zu reden? Wirklich?! Doch sie kann sich dem nicht wehren. Das Mädchen im Nachbarzimmer tut ihr leid und sie sucht eine Rechtfertigung das denkbar dümmste überhaupt zu tun. Sich einzureden, dass sie nicht sie selbst war und es nicht so gemeint hat, sorgt dafür, dass sie noch mehr Mitleid mit dem Kind hat. „Ich bin ein Idiot“, schimpft sie leise mit sich selbst und steht auf. Sie atmet durch und dreht den Schlüssel. Vorsichtig öffnet die Studentin die Tür und geht in den Flur hinaus. Sie hat Angst, das kann sie nicht leugnen, aber gleichzeitig kann sie nicht weiter zu hören wie Lorie leidet. Das Kind hat wer-weiß-was in den ganzen Jahrzenten durchgemacht und erduldet … Tatsächlich ist sie die einzige, die nie irgendetwas von sich preisgeben hat in den der ganzen Zeit. Nur ab und an hat sie etwas durchblicken lassen; nur vage und nicht wirklich verständlich. Aber es war immer zutiefst verstörend, oder noch schlimmer … Schritt um Schritt nähert sich die junge Frau der Tür zum Kinderzimmer und bleibt schließlich davorstehen. Drogo hat ihr gesagt, sie soll bleiben wo sie ist. Drogo! Herrgott noch eins, wenn er das schon sagt, wird es triftige Gründe haben. Und trotzdem steht sie hier … Es ist jetzt offiziell: sie ist verrückt! Andererseits würde die schnöde Holztür den Mini-Vampir nicht wirklich aufgehalten im Zweifelsfall. Dahingehend war die Anweisung des Blonde eigentlich auch für die Katz. Mit einer unfassbaren Ruhe, von der sie nicht weiß woher sie sie so plötzlich hat, drückt sie die Klinke runter und betritt langsam den Raum. Da liegt das kleine Mädchen, zusammengerollt auf einem viel zu großen Bett. Ein Häufchen Elend; zerbrochen und zerstört. Ihr Kopf geht vorsichtig hoch und ihre sonst so strahlenden braunen Augen sind trüb, unendlicher Schmerz ist in ihnen zu sehen. Ohne Vorwarnung springt sie auf, wirft sich ihrem Kindermädchen in die Arme und weint noch mehr wie eben schon. Emma weiß gar nicht wie ihr geschieht. Plötzlich ist das Kind in ihren Armen und drückt sich an sie, als wäre sie ihre Rettung. Sie ist unschlüssig, ob es so gut ist die Kleine so nah an ihren Hals zu lassen, aber so aufgelöst wie sie ist, will sie Lorie auch nicht wegstoßen. Zögerlich schließt sie ihre Arme um das Mädchen und streicht ihr tröstend über das Haar. „Es tut mir leid“, schluchzt die kleine Vampirin und drückt sich noch fester an die junge Frau. „Es tut mir leid, ich wollte das nicht.“ „Schon gut“, versucht die Studentin sie zu beruhigen. Langsam geht sie Richtung Bett und setzt sich hin. Das ist hier ist eine Premiere auf die sie gern verzichtet hätte. Sie musste das Kind noch nie trösten, geschweige denn im Arm halten. Eine dezente Überforderung macht sich in ihr breit. Lorie hockt auf ihrem Schoß, die Arme um ihren Nacken gelegt und ihr Puppengesicht an ihrer Halsbeuge vergraben. „Ich will doch, dass du bleibst“, weint sie und zittert wie Espenlaub. Emma atmet tief durch, versucht sich selbst und dadurch die Kleine zu beruhigen. Nicolae hat ihr schon öfters gesagt, dass ihr eigener Gemütszustand sehr starken Einfluss auf die Kleine hat. Langsam scheint ihr Plan aufzugehen; das Schluchzen wird zumindest weniger. Unbemerkt von der jungen Frau kippt die Stimmung im Raum. Kälte kriecht aus den Ecken und schleicht um das Bett. Es scheint immer dunkler im Zimmer zu werden. Etwas Konturloses breitet sich aus und verschlingt die Wände, den Boden und die Decke. Ein eisiger Strudel bildet sich um das Bett herum … „Ich will doch, dass du bleibst“, wiederholt das Kind mit einem eigenartigen Unterton. „Für immer“, fügt sie kaum hörbar und krächzend noch an. Das Kindermädchen merkt, wie sich der Griff der Kleinen um ihren Nacken verstärkt. Ein stechender Schmerz lähmt ihren Körper und alles wird schwarz. Kapitel 13: Beichtvater ----------------------- Erkannter Irrtum führt zur Wahrheit. Kazimierz Bartoszewicz     EEs fühlt sich an als wäre Emma im Nichts; in einem Raum jenseits der Existenz. Keine Gedanken, keine Kälte oder Wärme, keine Emotionen. Eine große stille Leere. Nach all den Dingen der letzten Tage hat es etwas Friedliches hier zu sein … Unerwartet spürt sie Druck an ihrer Schulter; wieder und wieder. Sie wehrt sich zunächst dagegen, weil sie nicht gestört werden möchte. Es ist schön hier, so ohne alles … Doch der Druck wird kräftiger und das Nichts füllt sich allmählich. Wie Nebel an einem Herbstmorgen zieht die Realität langsam wieder auf. Es seufzt schwermütig und amüsiert. „Warum kannst du nicht einfach tun was wir dir sagen?“, flüstert es. Schwerfällig öffnet die Studentin die Augen. Das Zimmer ist dunkel und sie liegt auf der Seite in einem Bett. Vor ihr hockt Nicolae und sieht sie wohlwollend an. „Du?“, fragt sei leise und ist noch immer verwirrt. Ihr Geist hängt noch zwischen Schlaf und Wachsein fest und sie kann sich einfach nicht erklären wo sie ist; und warum. „Das kleine Ding; überrascht uns immer wieder“, neckt Drogo, der im Türrahmen steht. Auch er spricht betont leise. Das Kindermädchen ist irritiert über dieses extrem ruhige und vorsichtige Verhalten der beiden. An ihrem Brustkorb regt sich plötzlich etwas und sie sieht an sich herab. Ein rosa Haarschopf ist an ihren Oberkörper gekuschelt und ein kleiner Arm um sie gelegt. Erst jetzt registriert die junge Frau das sie nicht in ihrem eigenen Bett liegt; nicht in ihrem eigenen Zimmer ist. Angestrengt denkt sie nach und versucht die Bruchstücke wieder zusammen zubekommen. Sofort hat sie das Weinen des kleinen Mädchens wieder im Ohr. Wie es gelitten hat und wie sie selbst, mal wieder, dass gemacht hat, was sie nicht sollte. Sie ist zu dem Kind gegangen, weil es ihr so schrecklich leidgetan hat und es trösten wollte. Und dann … Emma erinnert sich nicht so richtig. Es war dunkel und … leer? Ist sie eingeschlafen? War sie in der Zwischenwelt? Ohnmächtig? Sie weiß es einfach nicht. Gedankenverloren streicht sie Lorie über den Kopf und löst sich langsam von ihr. Nicolae hilft ihr dabei und deckt seine kleine Schwester anschließend zu. Drogo steht immer noch im Türrahmen und beobachtet die junge Frau ganz genau. Erst als sie und sein Bruder in seine Richtung laufen dreht er sich um und geht in den Flur. Immer noch etwas neben der Spur steht die Studentin da und sieht sich um. „Was … was war los?“, fragt sie schließlich und richtet ihren Blick auf die Männer. Der Jüngere sieht kurz zu Boden und anschließend zum Familienoberhaupt. Er scheint nicht zu wissen was er sagen soll, oder darf. Nicolae räuspert sich und seine graugrünen Augen fixieren das Kindermädchen. „Ich finde es unfassbar was du gemacht hast.“ Das ist kein Vorwurf, eher eine Anerkennung einer, eigentlichen, Dummheit, die ihm aber trotzdem Respekt abverlangte. „Lorie lässt niemanden so nah an sich heran; in den meisten Fällen nicht mal uns.“ Eigentlich sollte das etwas Gutes sein. Es bedeutet die Kleine vertraut ihr und diese zarte Verbindung zwischen ihnen ist nicht nur Resultat ihrer eigenen Vorstellungskraft, aber es fühlt sich nicht so an. Diese Aussage beunruhigt Emma aus unbekannten Gründen. Ein wenig so, als wäre es der Vorläufer einer Hiobsbotschaft. „Aber das war auch unfassbar gefährlich“, tadelt das Familienoberhaupt halbherzig. Er scheint einen Moment zu überlegen und sich unsicher zu sein, doch dann fährt er fort. „Sie hätte dich töten können …“, fügt er betreten hinzu. Nun ist die junge Frau vollends verwirrt. Er hat ihr immer versichert, dass ihr Lorie niemals etwas tun würde, dass das immer nur leere Drohungen wären und nun sagt er, dass sie es womöglich doch tun würde? Hat er sie an der Nase herumgeführt? „Aber … du hast immer …“, stottert sie und runzelt die Stirn. Inständig hofft sie, dass er ihre Frage verneint. „Unter normalen Umständen wäre dem auch so, aber im Moment ist die Lage etwas heikel“, erklärt Nicolae und legt Emma die Hand auf die Schulter und dreht sie um. Mit sanften Druck führt er sie in Richtung ihres Zimmers. „Morgen nach dem Frühstück setzten wir uns zusammen und ich werde versuchen es dir zu erklären.“ Morgen. Das Ganze kommt ihr bekannt vor, doch sie sollte nicht an ihm zweifeln – nicht schon wieder. Das Kindermädchen nickt; und gähnt anschließend. Sie ist schrecklich müde, obwohl sie doch gerade mehrere Stunden geschlafen hat. Oder? Irgendwie weiß sie nicht so richtig. An ihrer Tür angekommen dreht sie sich um und sieht das Familienoberhaupt an; ihr ist gerade noch etwas eingefallen. Etwas, dass ihr enorm wichtig ist und sie jetzt noch loswerden muss. „Es lag nicht am mangelnden Vertrauen. Ich vertraue dir, aber ich wollte nicht … ich wollte nicht …“ Betreten senkt sie den Blick. Ihr schmerzt es in der Seele, dass er wegen ihrer Geheimniskrämerei noch mehr leiden musste wie ohne schon. „Schon gut“, beschwichtigt Nicolae sie und lächelt sanft. „Ich weiß das du es nur gut gemeint hast.“ „Immerhin weiß er jetzt wie es sich anfühlt, wenn jemand es „nur gut“ mit einem meint“, spottet Drogo von Seitenlinie. Fast schon argwöhnisch mustert er seinen Bruder, und dann die junge Frau. Kurz huscht Sorge durch seinen Blick und er wendet ihn ab. Emma weiß nicht was das bedeuten soll. Tatsächlich interessiert es sie gerade auch nicht wirklich. Sie ist viel zu müde und verabschiedet sich einfach und schließt die Tür. Träge schleppt sie sich zum Bett und lässt sich fallen. Schnell und übergangslos schläft sie ein. Der nächste Tag startet unspektakulär. Die übliche Morgenroutine und anschließend Frühstück. Wie bereits am Vortag sitzt die gesamte Familie versammelt um den Tisch. Entgegen allen Erwartungen benimmt sich Lorie wie immer. Als wäre nichts geschehen. Als hätte sie nicht versucht ihr Kindermädchen zu töten. Als wäre sie nicht völlig aufgelöst gewesen und hätte geweint als gäbe es kein Morgen mehr. Der jungen Frau kommt das gelegen, auch wenn sie es merkwürdig findet. Sie hat keine Ahnung, wie sie mit dem Kind hätte darüber reden sollen. Das Schweigen und so tun als ob nichts war, ist ihr im Moment dahingehend lieber. Und der Rest der Familie scheint sich ebenfalls diesem Kredo unterworfen zu haben. Nach dem Essen verabschiedet sich der Großteil der Familie; nur Emma und Nicolae bleiben zurück. Nach einem stummen Blickkontakt wechseln sie ins Wohnzimmer. „Du siehst besser aus“, stellt die Studentin erfreut fest. Und recht unverblümt, wie ihr im nächsten Moment bewusstwird. Mit großen Augen sieht sie das Familienoberhaupt an und spürt wie ihre Wangen warm werden vor Scham. Im nächsten Moment muss sie lachen, als sie sein amüsiertes Gesicht sieht. „Danke, ich freu mich, dass ich offenbar wieder deinen optischen Vorstellungen genüge“, witzelt Nicolae und muss selber lachen. Emma weiß gar nicht was sie davon halten soll. Er macht so selten Witze, das es unwirklich ist ihn so locker zu erleben. Aber es gefällt ihr und zeigt auch, dass sie einen guten Schritt vorwärtsgekommen sind. Sie ist glücklich, dass wenigstens an dieser Fronst scheinbar alles geklärt ist. „Freust du dich auf die Uni morgen?“, fragt der Vampir und scheint sich zunehmend zu entspannen. Er sieht die junge Frau wohlwollend und herzlich an, ein bisschen wie ein Vater seine Tochter. Kurz ist sich das Kindermädchen unsicher. Versucht er einfach nur etwas Smalltalk zu betreiben, oder redet er um den heißen Brei? Schwierig … Nun, sie will ihm eine Chance geben ihr zu sagen was los ist, ohne, dass sie darauf bestehen muss. Also erstmal Belangloses, wenn es ihm so besser gefällt. „Ja. Versteh mich nicht falsch, aber es ist schön, wieder raus zu kommen.“ „Ich kann mir vorstellen, dass es für dich nicht immer angenehm hier ist.“ Ein wenig gedankenverloren sieht das Familienoberhaupt zum Fenster hinaus. Der erste Schnee lässt immer noch auf sich warten, die Welt ist einfach nur grau und trostlos. Die graugrünen Augen richten sich wieder auf die Studentin. „Wird Professor Jones bis dahin zurück sein?“ Emma wäre beinahe von der Couch gefallen vor Schreck. Die Bartholys und Sebastian sind keine Freunde, werden sie auf Grund ihrer Arten wohl auch nie werden … Warum interessiert ihn das also? Sie ist kurz davor ihm eine gepfefferte Antwort zu geben, da sieht sie einen eigenartigen Schimmer in Nicolaes Augen. Da ist Unruhe, und tiefe Sorge. Irgendetwas sagt ihr, das die Frage nichts mit herumschnüffeln in ihrem Privatleben zu tun hat. Trotzdem fühlt sich nicht wohl mit dem Interesse des Vampirs an ihrem schönen Professor. Sie gibt sich schließlich einen Ruck. „Er sollte morgen zurück sein“, antwortet sie vage. Das Familienoberhaupt nickt. „Das ist gut.“ Kurz schweigt er und sammelt sich. Eine lange Pause folgt, bevor er endlich beginnt auf den Kern des Gesprächs einzulenken. „Das gestern Abend war nicht Lorie; also nicht wirklich sie.“ Er seufzt und ringt um Fassung. „Er hat einen sehr großen Einfluss auf sie. Ihre Verbindung ist … anders. Sie ist tiefer; mehr als nur eine bloße Schöpfer-Schützling-Verbindung.“ Die junge Frau runzelt die Stirn. „Er?“, fragt sie nach. Ihr kommt die Formulierung bekannt vor, aber sie weiß gerade nicht so recht. Der eindringliche Blick, den ihr der Vampir zuwirft und die Abscheu die sie darin sieht, erklärt allerdings recht schnell wer mit er gemeint ist. Und auch die erwähnte Schöpfer-Schützling-Verbindung. Viktor; ihr Vater, Schöpfer. Es läuft ihr kalt den Rücken hinunter und ein eigenartiges Gefühl von Beklemmung macht sich in ihr breit. Nicolae nickt ohne etwas zu sagen. Anhand ihrer Reaktion wusste er sofort, dass sie auf der richtigen Spur ist. „Er hat auch Einfluss auf uns, aber nicht in dieser Intensität. Bei ihr ist das anders, er kann …“ Nicolae schließt einen Moment die Augen, bevor er weiterredet. „Er kann mit ihr kommunizieren und sie ist sehr anfällig für seine Worte …“ Die Studentin ist überfordert und muss das erst einmal sortieren. Er, also Viktor, hat Einfluss auf das kleine Mädchen. Wohl auch aus großer Distanz. Was will er ihr damit sagen? Dann fällt der Groschen urplötzlich. „Diese kalte Aura die von ihr ausging …“, wispert sie verstört. „War er“, bestätigt der Vampir. Seine Augen suchen nach halt und schweifen durch den Raum. Schließlich bleiben sie an denen des Kindermädchens hängen. Schmerz und Ohnmacht lassen seine Stimme schwer klingen, als er weiterspricht, „Er hat Lorie benutz. Sie ist ein Kind, sie begreift die Tragweite seiner Worte nicht, lässt sich verführen und … ist am Ende die Leidtragende.“ Das Grauen packt Emma. Viktor hat das arme Mädchen benutzt um … sie zu töten? Aber warum? Und warum jetzt? Sie ist schon über ein Jahr hier … Das ergibt irgendwie keinen Sinn, oder zumindest keinen, der sich ihr erschließt. Während sie über mögliche Gründe nachdenkt, fällt ihr etwas Anderes wieder ein. Mia Cooper hatte auch von ihm gesprochen. Hat sie auch den Patriarchen der Bartholys gemeint? Falls ja, scheint er auch auf Drogo Einfluss zu haben … und er hat die arme Frau mitgenommen und ihr wer-weiß-was angetan … „Emma?“, hakt Nicolae misstrauisch nach und reißt sie so aus ihren Gedanken. Er sieht das Kindermädchen argwöhnisch an. Natürlich hat er mitbekommen, dass sie angestrengt über etwas gegrübelt hat. Und jetzt? Er weiß das sie etwas verheimlicht, schon wieder. Die Studentin ist hin und her gerissen. Sie will ihm keinen neuen Kummer bereiten, also beschließt sie mit offenen Karten zu spielen. „In der Nacht, als mich Drogo im Wald gefunden hat … Vorher bin ich jemanden anderen begegnet.“ Das Familienoberhaupt richtet sich etwas auf und scheint verunsichert. „Wem?“ „Mia. Mia Cooper.“ Die junge Frau atmet kurz durch. „Sie hat mich vor Drogo gewarnt, dass er sich nicht immer im Griff hat und, dass er einen recht großen Einfluss auf ihn hat.“ „Ja, aber das ist anders. Lorie macht es … freiwillig, daher hat er auch mehr Möglichkeiten durch sie und mit ihr. Bei Drogo hingegen … Wenn er seine Triebe nicht unter Kontrolle hat, kann sich Viktor dieser bemächtigen, aber nicht seiner selbst“, erklärt Nicolae mit betretener Stimme. Es herrscht Schweigen, eine ganze Weile. Die Studentin versucht zu begreifen, wirklich zu begreifen, was das nun bedeutet. Viktor kann Drogos Triebe kontrollieren, wenn dieser sie nicht selbst kontrolliert? Was genau heißt das? Sie will gerade fragen, da … „Sag ihm nicht, dass sie wieder hier ist“, bittet der Vampir schließlich leise und sieht sie traurig an. „Ich glaube nicht, dass ihm das guttun würde.“ Perplex sieht Emma ihr Gegenüber an. Sie denkt nach und plötzlich versteht sie den Fehler. „Sie war nicht echt. Sie war ein Seelenfragment“, erklärt sie. Wie konnte er denken, dass sie …? Ihr Malheur wird ihr plötzlich bewusst. Viktor hat sie mitgenommen, also sind die Brüder wohl davon ausgegangen, dass er sie zu einer der ihren gemacht hat … Ihr rutscht schlagartig das Herz in die Hose. Sie hat gerade extrem taktlos davon berichtet, dass die arme Mia tot ist. „Sie ist …?“ Auch wenn es nach einer Frage klingt, ist es eher eine Feststellung Seitens Nicolae. Er versteift sich und man kann es förmlich in seinem Kopf arbeiten hören. Die graugrünen Augen sehen tief und eindringlich in die des Kindermädchens. „Das … das darf er nie erfahren. Er macht sich bereits mehr als genug Vorwürfe wegen der ganzen Geschichte.“ Sie nickt; was soll sie auch sonst tun? Die junge Frau fühlt sich schrecklich unwohl wegen all dem. Und überfordert. „Ich gehe in mein Zimmer“, sagt sie leise und abwesend. Sie steht auf und geht nach oben ohne auf das Familienoberhaupt zu achten. Den Rest des Tages verlässt sie ihren Raum nicht mehr, sie igelt sich einer kleinen Blase ein und füllt sie mit Filmen und Serien. Verzweifelt versucht sie alle Erkenntnisse, Informationen und Geschehnisse seit dem Start des Jahres, der erst vor vier Tagen war, weit von sich zu schieben. Dieses Jahr sollte doch besser werden, aber nun ist es noch schrecklicher wie das letzte. Kapitel 14: Traumfänger ----------------------- Einen geistigen Diebstahl sollte nur der begehen, der sich auch in der Lage befindet, das gestohlene Gut zu begreifen. Martin Gerhard Reisenberg Während Emma in ihren Laptop starrt ohne wirklich hinzusehen kommt ihr völlig zusammenhanglos Ludwig wieder in den Sinn. Und dieser Schatten; vor allem der. Ohne das sie es genau erklären könnte, reift eine eigenartige Überlegung in ihr heran. Könnte das auch Viktor gewesen sein? Bei Lorie hatte sie immerhin das Gefühl, als hätte sich ein Schatten über sie gelegt. Und dieses eisige Angstempfinden war ebenfalls dasselbe. Wäre das möglich? Kann der Urvampir auch in die Zwischenwelt schlüpfen? Womöglich würde das erklären, was Ludwig ihr bei ihrem ersten Wiedersehen gesagt hat, dass etwas aus der Vergangenheit nun zu voller größer herangereift ist. Ludwig … Immer noch fühlt es sich eigenartig an, an ihn zu denken. War das alles nur ein Traum, oder war es doch „echt“ was da passiert ist? Und ihr drängt sich noch eine Frage auf: ihr geisterhafter Freund kann sie hinüber holen, offenbar auch recht mühelos; ob sie auch von sich aus in die Zwischenwelt kann? Sollte sie es vielleicht einfach mal versuchen? Ein flaues Gefühl breitet sich im Magen der jungen Frau aus und ihr fällt etwas ganz Anderes wieder ein: Drogo! Er hat von zwei Kötern gesprochen, das war der Grund warum sie überhaupt draußen auf dem Flur war. Schnell setzt sie sich auf und überlegt einen kurzen Moment. Soll sie einfach rübergehen und das Thema jetzt besprechen? Gestern war sie auch einfach aufgesprungen und los, aber heute ist sie sich unsicher … Will sie die Antwort, die Wahrheit, überhaupt wissen? Ja, will sie! Trotzdem hält sie irgendetwas zurück; zumindest für einige Sekunden. Dann steht die Studentin auf und verlässt ihr Zimmer. Sie will es wissen; jetzt! Scheiß auf das ungute Gefühl. Schnurstracks läuft sie den Gang entlang und klopft an die Tür des Blonden. Es brummt genervt auf der anderen Seite, mehr passiert nicht. Wieder klopft Emma, diesmal kräftiger und energischer. „Ich habe dich gehört! Mach auf!“, knurrt sie fast schon. Sie verschränkt die Arme und wartet. Tatsächlich öffnet sich die Pforte einen Spalt. Drogo wirkt misstrauisch und mustert das Kindermädchen, dann streckt er seinen Kopf heraus und inspiziert scheinbar den Flur. „Du solltest nicht hier sein, kleine Dings“, murrt er eher halbherzig. Er steht lässig im Türrahmen und versperrt ihr den Weg. „Mag sein“, antwortet die junge Frau, „Aber wir müssen ein, zwei Sachen besprechen.“ Oder auch drei oder vier; eigentlich ein ganzes Buch voll, wenn man es genau nimmt. Aber man sollte nicht alles auf einmal wollen; erst recht nicht bei dem Vampir ihr gegenüber. Es dürfte schon an ein Wunder grenzen, wenn er ihr überhaupt irgendwas erklärt. Der Blonde zieht die Augenbraue hoch und legt den Kopf schief. „Was du nicht sagst … Und wenn ich keine Lust habe?“, fragt er herablassend nach. Ein provozierendes Grinsen schleicht sich auf seine Lippen um die Zweideutigkeit seiner Worte zu unterstreichen. Emma hätte sich beinahe hinreißen lassen ihm zu sagen, dass es nötig ist, dass sie reden, dass es sich einfach gehört und so weiter. Aber im letzten Augenblick besinnt sie sich eines Besseren; sie besinnt sich, wen sie da vor sich hat. Am besten schlägt man ihn mit seinen eigenen Waffen. „Pff. Und da prahlst du ständig, das du immer Lust hättest“, kontert sie und geht einen Schritt zurück um ihn abfällig zu mustern. Keine gute Idee, wie sie schnell feststellt. Während ihre Augen ihn abwandern kommen ihr die Bilder von der Nacht im Wald wieder in den Sinn. Schnell sieht sie ihm die Augen bevor sie weiterredet um sich nichts anmerken zu lassen, „Aber wahrscheinlich sind die Jahre doch nicht so spurlos an dir vorbeigegangen wie du behauptest …“ „Nicht frech werden, das könnte böse für dich Enden“, knurrt Drogo angefressen. Er hadert sichtbar mit sich und gibt sich dann doch unerwartet geschlagen. „Aber nicht lang; ich habe noch wichtigeres zu tun“, sagt er betont lässig und geht bei Seite. Erhobenen Hauptes, um sich nichts von ihren Zweifeln und ihrer Unruhe anmerken zu lassen, betritt sie das Zimmer des Jüngsten der Brüder. Sein Zimmer. Sie hätte vorher gründlicher über das alles nachdenken sollen. Als die Tür hinter ihr leise ins Schloss klickt zuckt sie zusammen. Sie ist manchmal echt zu impulsiv; oder zu dumm. Sie hätte auf ihr ungutes Gefühl hören sollen. Die junge Frau könnte sich selber Ohrfeigen wegen dem was sie hier fabriziert hat. Der Blonde amüsiert sich über ihre Reaktion. Er stellt sich ganz nah hinter sie und beugt sich zu ihrem Ohr. „Das hast du dir wohl nicht so gut überlegt, kleines Ding“, flüstert er süßlich. „Du und ich, allein in meinem Zimmer … was da alles passieren könnte …“ Flüchtig und kaum spürbar streicht etwas über ihren Bauch. Gänsehaut krabbelt den Rücken des Kindermädchens hinauf und lässt sie schaudern. Eine Mischung aus Furcht und Euphorie machen sich in ihr breit. Sie würde ihm gern sagen, dass er ihr keine Angst macht; aber sie bekommt kein Wort heraus. Sie würde ihm gern sagen, dass sie keine Aufregung wegen seiner Nähe spürt; aber das wäre gelogen. Er schafft es wie kein anderer ein turbulentes Emotionschaos in ihr auszulösen. Zittrig schluckt sie den Kloß in ihrem Hals hinunter und atmet durch; was dem Vampir ein leises Lachen entlockt. „Du hast zwei gesagt“, platzt es schließlich aus ihr heraus, als sie ihre Stimmbänder endlich im Griff hat. „Zwei?“, hakt Drogo belustigt nach. Er weiß scheinbar genau was sie meint, stellt sich aber gewollt dumm. „Keine Ahnung. Das müsstest du schon genauer erklären.“ Gemächlich geht er um die junge Frau herum zum Fenster und lehnt sich gegen den Sims. Auffordernd grinst er und seine nussbraunen Augen funkeln belustigt. Emma schwankt zwischen Scham und Wut. Er will das sie sich offenbart, es laut ausspricht, damit er sie verbal zerpflücken kann. Doch sie muss wissen was er weiß. Und vor allem woher! Also gibt sie sich einen Ruck, weicht aber seinem Blick aus. „Du hast gefragt, ob mir meine zwei Köter nicht reichen würden. Zwei, wie kommst du auf zwei?“ „Weil es zwei sind; also tu nicht so“, säuselt der Jüngste der Brüder und grinst hämisch. „Nur, weil der eine nicht mehr in dieser Welt existiert; heißt das nicht, das er nicht da ist“, fügt er noch an. Ertappt und verlegen kaut das Kindermädchen auf ihrer Lippe. Sie weiß nicht, was sie im ersten Moment mehr beunruhigt. Dass er es weiß; oder das er es weiß. Bei seinen Launen und Anwandlungen bringt er es womöglich noch fertig und erzählt es bei passender Gelegenheit Professor Jones. Doch die wichtigste Frage ist eine andere. „Woher weißt du von ihm?“ Sie kann sich so gar keinen Reim darauf machen. „Du hast es doch Nicolae selbst erzählt …“, gibt er vage zurück. Drogo richtet sich auf und geht einige Schritte auf sie zu. Er lässt sie keine Sekunde aus den Augen, als würde er sie mit seinem Blick festsetzen. Er und sein herausreden immer. Nichts dergleichen hat sie erzählt. Niemandem hat sie gesagt, dass Ludwig immer noch da ist, also kann er es nicht von seinen Brüdern wissen. Wut packt sie, weil sie es leid ist, dass sie immer alle für dumm verkaufen wollen und sie pfeffert ihm entgegen: „Wir wissen beide, dass du nicht auf seine bloße Existenz angespielt hast.“ Kaum ausgesprochen bekommt Emma Angst. Hat sie sich womöglich gerade selbst verraten? Wusste er gar nicht was da genau gewesen ist; oder auch nicht – immerhin weiß sie selbst nicht so richtig was passiert ist. Ein kalter Finger legt sich unerwartet unter ihr Kinn und hebt ihr Gesicht an. Der Blonde steht unmittelbar vor ihr, seine Augen versinken schamlos in ihren und er lächelt leicht. „Ja, du hast dich selbst verraten; aber nicht gerade eben erst, falls dich das beruhigt, kleines Ding.“ Die Studentin kann sich nicht mehr konzentrieren. Dieses warme Nussbraun zieht sie in seinen Bann und sorgt dafür, dass sie sich entspannt und unvorsichtig wird. Woher nimmt er das Wissen über das, was mit Ludwig passiert ist? Sie will ihn fragen, aber kein Wort kommt über ihre Lippen. Sie fühlt sich völlig machtlos und nicht mehr Herrin ihres Körpers. „Jeder hat seine besonderen Spezialitäten zu bieten.“ Drogos Lächeln wird breiter und spielerischer. Sein Finger wandert von ihrem Kinn ihre Kieferlinie entlang hinter ihr Ohr – ganz zart und sanft. „In meiner Gegenwart sollte man aufpassen, wovon man träumt“, flüstert er leise und lasziv. In Sekundenschnelle presst er seine Lippen auf die Stelle wo eben noch sein Finger war. Eine eigenartige Welle schwappt durch ihre Nerven. Die Berührung sorgt für Herzklopfen bei der jungen Frau und ihre Hände werden feucht vor Aufregung. Ihre Gedanken sind wie gelähmt und ihr Körper sowie so. Es scheint, als würde sich alles um sie herum auflösen. Nur sie und er existieren noch. Sein Duft umnebelt sie und seine leuchtenden Augen entführen sie in eine andere Welt … Plötzlich schießen ihr seine Worte wieder durch den Kopf und ihr Gehirn setzt sich wieder in Bewegung. Ihr wird bewusst, dass sie noch nie darüber nachgedacht hat, was die Vampirfähigkeit des Jüngsten der Brüder ist – aber scheinbar hat er ihr es gerade verraten. Schamesröte schießt ihr ins Gesicht und sie weicht zurück bis die Tür ihr den Weg versperrt. Er kann ihre Träume wahrnehmen? Sehen? Fühlen? Was genau nimmt er war? Immer? Nur, wenn er sich darauf konzentriert? Panik überkommt Emma und sie starrt ihr Gegenüber mit großen Augen an. Es fühlt sich unfassbar grässlich an. Man glaubt ja, dass einem seine Träume selbst gehören und niemand davon weiß, was dort geschieht. Die Erkenntnis, dass ein Fremder Zugang dazu hat ist das schlimmste Eindringen in die intimste Privatsphäre die sie sich vorstellen kann. Selbst nackt würde sie sich nicht so ausgeliefert und entblößt fühlen. Die Tatsache, dass Nicolae, theoretisch, ihre Gedanken lesen kann, findet sie im Vergleich hierzu nicht ansatzweise so schrecklich. Sie wusste um die Fähigkeit des Familienoberhauptes und er hat ihr versprochen sie nicht zu nutzen; trotzdem hat sie oft darauf geachtet, was ihr in seiner Gegenwart durch den Kopf ging. Ihre Träume kann sie nicht kontrollieren, sie gehen ihre eigenen Wege und das sollen sie ja eigentlich auch. Das Drogo in den geschütztesten Bereich ihres Geistes eindringen kann, und ihr das auch noch verschwiegen hat, reißt ihr völlig den Boden unter den Füßen weg. „Was … wie … und überhaupt …“, stammelt sie überfordert. Zittrig reibt sie sich über die Oberarme und versucht den Blick des Vampirs zu deuten – ohne Erfolg. Der Blonde antwortet nicht, grinst nur reißerisch. Langsam geht er auf das Kindermädchen zu, wie ein Raubtier das seine Beute fest im Visier hat. Eine Handbreit vor ihr bleibt er stehen. Wie in Zeitlupe streckt er eine Hand aus und legt sie neben ihrem Kopf auf die Tür. „Tststs. Das schamlose kleine Ding schämt sich wohl plötzlich?“ Er beugt sich zu ihr hinunter. Seine Wange berührt hauchzart ihre und sein Atem kitzelt ihr Ohr. „In den letzten Nächten warst du nicht so zurückhaltend und schüchtern.“ Die junge Frau spürt ihr Herz, das wie ein Motor auf Höchstgeschwindigkeit rast. Dass er sie so bedrängt und einkesselt gefällt ihr gar nicht. Sie hat Angst, gleichzeitig kribbelt es merkwürdig unterhalb ihres Bauchnabels. „Ich mag das lüsterne kleine Ding lieber“, haucht Drogo verführerisch. Seine freie Hand legt sich wie selbstverständlich auf ihre Hüfte. „Das kleine Ding, das sich schamlos unter den ungezügelten Stößen räkelt und immer mehr will.“ Um seine Worte zu unterstreichen drückt er ruckartig seine Becken gegen ihres, was ihr ein gedämpftes Keuchen entlockt. „Das laut und ungeniert seine Lust hören lässt.“ Seine Hand gleitet ihre Seite hinauf und er presst seinen muskulösen Körper gegen ihren. „Das kleine ungezogene Ding, das sich mir damals im Wald offenbart hat“, flüstert er verschwörerisch. Die Studentin bebt und zittert. Sie will schreien, aber ihre Kehle gehorcht ihr nicht. Ihr verdammter Körper tut nicht was sie will. Und sie weiß auch warum; oder glaubt es zumindest. Vampire sind in der Lage ihr Gegenüber zu hypnotisieren und die Pheromone die sie aussenden tun den Rest. Sie müssen ihre Beute nicht überwältigen, sie müssen sie nur in ihre Nähe locken. Sie ist ihm in die Falle gegangen, einfach so, weil sie unvorsichtig war. Weil sie sich in Sicherheit gefühlt hat, weil sie vertraut hat. Das Stechen in ihrem Herzen ruft sie zur Vernunft. Sie hat vertraut, weil es nie einen Grund für das Gegenteil gab. Auch wenn der Blonde manchmal unausstehlich war, konnte sie ihm immer vertrauen, auf ihn bauen. Irgendetwas stimmt hier nicht! Als würde sie schlagartig wieder in die Realität katapultiert bemerkt die junge Frau die eigenartige Kälte im Raum, und den befremdlichen Schleier in Drogos Augen. Ihre Starre löst und gibt ihre Kehle frei. „Nein!“, schreit sie so laut sie kann und duckt sich unter seinem Arm weg. Sie weicht so weit wie möglich von dem Vampir zurück, der zu tiefst verwirrt scheint. Der Blonde sieht Emma an, als würde er sich ihrer Gegenwart gerade erst bewusstwerden. Er blinzelt mehrfach und öffnet den Mund um etwas zu sagen, da fliegt die Tür auf. Nicolae kommt ins Zimmer, seine Miene schwankt zwischen Besorgnis und Ärger. Er stellt sich zwischen seinen Bruder und das Kindermädchen. Mehrere Sekunden herrscht unheimliche Stille, dann ergreift er das Wort. „Geh bitte in dein Zimmer, Emma.“ Sie fragt nicht, widerspricht nicht. Eilig verlässt sie den Raum ohne sich umzudrehen. Schnell geht sie den Flur entlang, bleibt aber vor ihrer Tür stehen und überlegt kurz. Ihr Blick geht zum Ende des Gangs und sie entscheidet sich um. Sie läuft weiter. Angekommen klopft sie nicht einmal, sondern platzt einfach rein. Peter steht fast direkt hinter der Tür, als ob er gerade hinausgehen wollte. Er scheint nicht wirklich überrascht über den unangekündigten Besuch, breitet nur wortlos seine Arme aus. Schluchzend wirft sich die Studentin in die angebotene Umarmung. Es fühlt sich gut an, sicher, und sie beruhigt sich ein wenig. „Was ist passiert?“, flüstert der Pianist gegen ihre Haare. Tröstend streicht er ihr über den Rücken. „Drogo“, antwortet Emma schniefend. „Drogo ist passiert.“ Kapitel 15: Heimkehr -------------------- Keine Begegnung ist zufällig – sie hat immer ein Ziel! Gudrun Zydek   Die junge Frau zittert immer noch leicht. Sie sitzt auf Peters Bett, in seiner tröstenden Umarmung, und versucht ihre Emotionen in den Griff zu bekommen. Der Mittlere der Brüder hat nicht weiter nachgefragt, sich ruhig ihrer angenommen; worüber sie sehr froh ist. Schon seit mehreren Minuten sitzen sie nun einfach schweigend zusammen. Vorhin war Nicolaes laute Stimme zu hören und auch die von Drogo für einen Augenblick. Es folgte das Knallen der Eingangstür im Erdgeschoss, seither herrscht auch im Haus gespenstische Ruhe. Nach einer Weile fühlt sich Emma etwas besser und sie löst sich von dem Pianisten. Sie wischt sich über die Augen bevor sie in ansieht. „Was passiert hier nur?“, fragt sie leise und ungläubig. Etwas stimmt nicht. Erst Lorie und nun auch noch Drogo. Allmählich bekommt sie den Verdacht, dass irgendetwas grundlegendes falsch läuft im Moment. Der Vampir wendet leicht geniert den Blick ab. Er fühlt sich unwohl und fährt sich durch die Haare.  „Das ist etwas kompliziert. Wir sollten mit Nicolae darüber sprechen, er kann dir das besser erklären“, weicht er aus. Gerade als das Kindermädchen nachfragen will, klopft es an der Scheibe und sie wird abgelenkt. Verwirrt sieht sie hin und muss sofort Lächeln. Das gibt es doch nicht! Sie steht auf und geht zum Fenster. „Was ist denn hier los?“ Peter ist hörbar erstaunt über das was er sieht. Er macht den Hals lang um sich zu vergewissern, dass da wirklich das ist, was er sieht. Die Studentin hockt sich auf den Sims und sieht kurz zu ihrem Freund hinüber. Sie muss wegen seinem ungläubigen Gesichtsausdruck kichern. Wäre er ein Mensch, wäre seine Reaktion verständlich. Allerdings hatte sie geglaubt, dass ein Vampir nicht so schnell zu erstaunen ist. Während sie das Fenster öffnet erklärt sie, „Das ist Moony, meine Freundin.“ „Freundin?“, fragt der Pianist nach, als könne er nicht glauben was sie gesagt hat. Kaum ist das Fenster offen, streckt die hübsche Eule ihren Schnabel herein. Ihre großen gelben Augen richten sich auf den Vampir und mustern ihn. Fragend legt sie den Kopf schief. Emma lächelt warm und sieht ebenfalls zu Peter. „Sie kommt mich besuchen seid ich hier bin. Sie … tröstet mich manchmal oder muntert mich auf“, erklärt sie. Sie hat nie jemanden von ihrer tierischen Freundin erzählt. Wenn sie ehrlich ist, wäre sie sich dumm vorgekommen das einfach so zu erzählen. Man kann einfach nicht in Worte fassen, was sich da zwischen ihr um das Tier abspielt – das kann man nur live erfahren und staunen; wie Peter in diesem Augenblick. Immer noch hockt Moony draußen und sieht erwartungsvoll zum Zimmereigentümer, als warte sie auf etwas. Sie gurrt und plustert sich auf, als würde sie allmählich die Geduld verlieren. Der Vampir runzelt die Stirn, lächelt dann aber amüsiert und schüttelt leicht den Kopf. Er sieht das Tier an. „Schön dich kennenzulernen.“ Er räuspert sich. Sich mit einer Eule unterhalten ist nichts, was er schon einmal getan hat und er fühlt sich entsprechend unwohl dabei. Er winkt leicht mit der Hand. „Komm ruhig rein.“ Sofort folgt die Eule der Einladung und hüpft auf den Sims um sich Emma zu zuwenden. Mitfühlend sieht sie an und ruft traurig. „Schon gut“, flüstert das Kindermädchen. Sie streckt die Finger aus und lässt sie zart durch das weiche Federkleid streichen. „Du musst dich nicht sorgen. Peter hat mir beigestanden und mir geht es schon besser.“ Verrückt! Dieses Mal scheint sie ihre Freundin beruhigen zu müssen statt umgekehrt. Unter ihren Finger spürt sie, dass das Herz des Tiers ungewöhnlich schnell schlägt; viel, viel schneller als sonst. Warum ist sie so aufgeregt? Aber sie kommt nicht dazu sich näher damit zu befassen. Moony plustert sich erneut auf, dann dreht sie den Kopf und sieht den Pianisten an. Wohlwollend schließt sie die Augen und gurrt, als würde sie sich bedanken wollen. Im nächsten Moment flattert sie zum Fenster hinaus und verschwindet in der Nacht. Emma sieht zu wie der weiße Fleck im Wald verschwindet. Ob die Eule auch spürt das etwas nicht stimmt? Sie selbst jedenfalls fühlt deutlich, dass etwas in der Luft liegt. Ein bisschen so, wie ein Gewitter das sich noch in großer Entfernung befindet. Man sieht und hört nichts, aber der Wind trägt bereits diesen besonderen Duft zu einem heran. Sie dreht nachdenklich den Kopf zu Peter und muss Grinsen, weil er sie mit hochgezogener Augenbraue ansieht. „Was?“, fragt sie gespielt empört und kokettiert ein wenig. Der Vampir muss lachen und schüttelt den Kopf. „Du bist schon etwas ganz Besonderes“, kommentiert er schließlich. „Besonders?“, amüsiert sie sich. „Besonders verrückt?“ Der jungen Frau ist das tatsächlich das einzige, was ihr in Verbindung mit dem Thema einfällt. Eine Eule die einen besucht und einen tröstet – verrückt eben. Aber genau deswegen passt es irgendwie so gut hier hin. Nichts hier im Herrenhaus verdient die Bezeichnung normal. „Nein, einfach besonders.“ Wohlwollend sieht Peter die Studentin an. Seine grünen Augen zeigen deutlich, dass er neugierig ist mehr zu dem Thema zu erfahren. „Und sie kommt dich oft besuchen?“ Das Kindermädchen nickt. „Ja, seit ich hier bin. Sie ist einfach eines Abends aufgetaucht …“ Wie aus dem nichts. Aber sie ist dankbar dafür. Moony hat ihr so oft geholfen; sie aber auch in merkwürdige Situationen gebracht. Allen voran die nächtlichen Begegnungen mit Sebastian gehen auch ihr Konto, wenn man ehrlich ist. Der Pianist denkt eine Weile nach und sein Blick verliert sich irgendwo auf den Tasten seines Instruments. „Macht schon irgendwie Sinn“, stellt er schließlich fest und sieht wieder zu seinem Gast. „Wie meinst du das?“, hakt sie nach und runzelt die Stirn. Wieso sollte es Sinn machen, dass sie von einem eigentlich scheuen Waldbewohner besuch bekommt? In einem Haus voller Vampire? „Eulen gelten als sehr spirituell. Es heißt die besonderen unter ihnen können in die Zukunft und Geisterwelt sehen“, erklärt Peter. Seine grünen Augen sehen tief in die der jungen Frau, als wolle er sicherstellen, dass sie versteht was er ihr gesagt hat. Emma bleibt der Mund offenstehen. „Das wusste ich nicht“, flüstert sie. Eulen können die Zukunft sehen? Sie hat ja so etwas generell für Quatsch gehalten. Ja, sie ist ein Medium, aber das heißt noch lange nicht, dass auch alle anderen magischen und mystischen Dinge automatisch echt sind. Wahrsagerei hält sie eigentlich auch heute noch für Humbug; auch wenn Sarah sie mehrfach versucht hat vom Gegenteil zu überzeugen. Und die Geisterwelt kann Moony eventuell auch sehen? Das wäre … der Hammer! Sie war schon immer allein mit ihrer Fähigkeit; zu wissen, dass es noch jemanden gibt, auch wenn es nur ein Tier ist, wäre irgendwie schön. Peter will gerade ansetzen noch etwas zu erklären, da klopft es. Als wären sie gar nicht richtig anwesend, oder Teil der Realität sehen die beiden zur Tür. Wortlos sehen sie sie an und scheinen verwirrt über das was eben passiert ist. Als Ergebnis der fehlenden Reaktion öffnet sich die Pforte wie von Geisterhand selbst. Nicolae steht im Türrahmen. Er wirkt betreten und scheint um die richtigen Worte zu ringen; etwas was sehr selten passiert. „Da ist Besuch für dich, Emma.“ Sein Gesicht spiegelt wider, dass er selbst nicht fassen kann, was er da gerade von sich gegeben hat. „Besuch?“, fragt das Kindermädchen fassungslos zurück. Sie hat in der ganzen Zeit noch nie Besuch im Herrenhaus bekommen! Sie wollte auch nie welchen. Es wäre eh nie jemand hergekommen; selbst Sarah vermeidet es in die Nähe des Grundstücks zu kommen. Der Rest der Stadt weiß zwar nicht, dass die Bewohner Vampire sind, aber sie merken natürlich deutlich, dass die Brüder und Lorie „anders“ sind. Sie werden gemieden; und es werden wilde Gerüchte verbreitet. Aber niemand; wirklich niemand, geht freiwillig zum Herrenhaus der Bartholys! Niemand! Wer also taucht hier auch? Noch dazu mitten in der Nacht? „Ja, ich kann ihn nicht reinlassen“, erklärt das Familienoberhaupt mit leichter Abscheu im Blick. Ihm passt es überhaupt nicht, dass da Jemand ist, das merkt man. Seine Höflichkeit verbietet es ihm in der Regel, dass er Widerwillen oder Abscheu offen zur Schau trägt und so begnügt er sich mit einer strengen Miene. Die Studentin begreift immer noch nicht, was los ist. Doch, dass der Gast nicht ins Haus gelassen wird macht natürlich Sinn. Seit Jahren verbergen die Bartholys ihr Geheimnis, da wären sie schön blöd jemanden herein zu lassen der vielleicht etwas entdecken könnte. „Das verstehe ich“, gibt sie zurück. „Er ist im Garten und scheint nicht gewillt zu sein wieder zu gehen bevor er dich gesehen hat.“ Nicolaes Stimme wird eindringlicher und sein Blick auffordernder. Ihm liegt noch etwas auf der Zunge, aber er sagt es nicht. Sie versteht es irgendwie immer noch nicht, verwirrt sieht die junge Frau zu Peter. Dieser deutet kaum sichtbar mit dem Kopf, dass sie lieber gehen sollte. Natürlich! Endlich begreift sie was hier los ist. Der Gast wartet unten auf sie und natürlich will das Familienoberhaupt, das er so schnell wie möglich wieder verschwindet – was er wohl erst tun wird, wenn er Emma gesehen hat. Doch wer zum Teufel will sie so dringend sehen, dass er dafür hierherkommt? Wortlos steht sie auf, verlässt das Zimmer und geht hinunter ins Foyer. Vorsichtig läuft sie die letzten Stufen und reckt den Hals, um vielleicht schon zu erahnen wer da sein könnte. Warum hat Nicolae es ihr nicht einfach gesagt?! Andererseits ist es auch albern Angst zu haben, immerhin ist das hier ein Haus voller Vampire. Sie muss sich nicht fürchten, wer auch immer da sein mag. Außerdem würde sie das Familienoberhaupt niemals irgendeiner Gefahr aussetzen … Schritt für Schritt läuft sie zur offenstehenden Terrassentür. Auf halber Strecke sieht sie ihren Besuch bereits. Ihr Herz beginnt immer schneller und schneller zu schlagen und eine warme Welle der Euphorie überkommt sie. Da steht er! Stolz und prächtig im Glanz des Vollmonds. Sebastian! Sein schwarzes Fell schimmert und seine gelben Augen leuchten förmlich. Seine Ohren sind aufgestellt und sein ganzer Körper scheint angespannt, als würde er gern einfach losschnellen um die Distanz zwischen ihnen zu überbrücken. Doch er tut es nicht; er tänzelt unruhig auf der Stelle, als würde ihn etwas abhalten sich dem Haus weiter zu nähern. Emma beschleunigt ihre Schritte und rennt ihm förmlich entgegen. Sie kann es kaum fassen. Er ist hier! Er ist zu ihr gekommen! Ohne wirklich darüber nachzudenken geht sie zu ihm, lässt sich auf die Knie fallen und legt ihre Arme um seinen Nacken. Sie vergräbt ihr Gesicht in seinem Fell und holt tief Luft. Wald und Wildnis. Geborgenheit und Wärme. Alles flutet sie und packt sie eine dicke Schicht aus dieser ganz besonderen Aura die Sebastian in jeder seiner Formen umgibt. Der Wolf fiept leise und legt seine Nase in ihren Nacken. Kurz leckt er über ihre Haut und schmiegt seinen großen Kopf anschließend an ihren Rücken. Alle Anspannung scheint von ihm abzufallen und die Muskeln unter seinem Fell entspannen sich. Die Welt scheint still zu stehen und zu schweigen. Keine Blätter rascheln, keine nachtaktiven Waldbewohner machen sich bemerkbar. Als würde nichts und niemand dieses Wiedersehen stören wollen. Das Kindermädchen schmiegt sich enger an den großen Wolf. Sie hat das Gefühl, dass es nun endlich besser wird. Er ist wieder hier und das gibt ihr irgendwie Kraft … bis ein Räuspern ertönt. Erschrocken zuckt die junge Frau zusammen und sieht auf. Sie fühlt sich peinlich berührt und ihre Wangen färben sich leicht rot. Nicolae steht auf der Terrasse, groß und majestätisch. Seine graugrünen Augen wirken wenig begeistert, gleichzeitig schimmert eine große Sorge durch. Sebastian spannt sich an und richtet seinen scharfen Blick auf den Vampir. Er scheint die Unterbrechung gar nicht zu mögen und tut das mit einem tiefen Brummen auch kund. Gleichzeitig bemüht er sich offenbar um Ruhe, denn immerhin war das Familienoberhaupt so freundlich und hat die Studentin hergeholt. Dass die beiden Männer sich nicht mögen ist kein Geheimnis, das weiß Emma. Es liegt nicht nur an ihrer Natur als Vampir und Wolf, sondern auch an der schlichten Tatsache das sie zwei Alphatiere sind. Einzig und allein ihr zu liebe bemühen sie sich ihre Feindseligkeit nicht offen zur Schau zu stellen. Um die Situation nicht allzu sehr in die Länge zu ziehen, sieht sie Nicolae fragend an. „Es ist schon spät“, erklärt er schlicht. Entgegen seiner sonstigen Art senkt er kurz den Blick. Er scheint sich zu sammeln und als er wieder aufsieht, richten sich seine Augen auf den Wolf. „Ich würde gern morgen etwas mit Ihnen besprechen. Es ist sehr wichtig.“ Das Kindermädchen spürt wie sich Unruhe in ihr breitmacht. Warum will er mit Sebastian reden? Hat es womöglich mit den jüngsten Zwischenfällen zu tun? Sie spürt wie der Wolf neben ihr nickt, anschließend gibt er ein zustimmendes Brummen von sich. Das Familienoberhaupt geht wieder in das Herrenhaus und lässt die beiden allein. Die Studentin versucht ihre Gedanken zu sortieren um zu verstehen was da gerade passiert ist, da spürt sie den großen Kopf von Professor Jones der sich an ihren schmiegt. Danach geht er einige Schritte zurück und sie fühlt sich direkt verlassen ohne seine Wärme. Sie sieht in seinen goldenen Augen und verliert sich regelrecht darin. „Wir sehen uns morgen“, flüstert sie und ringt sich ein Lächeln ab. Bedauernd kneift der Wolf die Augen einen Moment zu, drückt seine Schnauze noch einmal gegen ihren Oberarm und verschwindet dann im Eiltempo zwischen den Bäumen. Eine Mischung aus Freude, Bedauern und Angst überkommt die junge Frau als sie sich wieder in ihr Zimmer begibt. Der morgige Tag wird wohl noch viel aufreibender wie gedacht. Kapitel 16: Back to school -------------------------- Bibliotheken sind Büffets des Geistes. Unbekannt   „Emma!“ Die Studentin zuckt zusammen und schaut erschrocken ihr Gegenüber an. „Also wirklich“, empört sich Sarah, „Du hörst mir gar nicht zu.“ Die braunen Augen mustern ihre Freundin besorgt. „Ist alles okay mit dir?“ Nein, liegt dem Kindermädchen auf der Zunge. Lorie wollte mich töten, Drogo mich beißen und Nicolae will mit Professor Jones reden … Doch ihre Antwort fällt anders aus. „Ja, alles in Ordnung. Ich bin nur etwas müde.“ Todmüde um ehrlich zu sein. Sie hat die halbe Nacht nicht geschlafen. Das Wiedersehen mit Sebastian, vor allem die Tatsache das er zu ihr gekommen ist um sie zu sehen, hat sie in angenehme Euphorie versetzt. Doch kaum in ihrem Bett hat sie etwas Anderes umfangen; Angst. Drogo hatte zwar das Herrenhaus verlassen, aber sie wusste nicht ob er zwischenzeitlich zurückgekehrt war; oder später wiederkommen würde. Die Vorstellung das er einfach wieder in ihre Träume eindringt hat sie zu tiefst beunruhigt. Nachdem sie sich stundenlang hin und her gewälzt hatte ist sie aufgestanden. Sie hat etwas getan, dass sie zuvor noch nie gemacht hatte – sie ist zu Peter, und das mitten in der Nacht. Er hat sie zwar im ersten Moment schräg gemustert, aber sie nicht wieder weggeschickt. Er hat auch nicht gefragt, sie einfach reingelassen und ihr mit einem Schmunzeln dabei zu gesehen wie sie sich in sein Bett gelegt hat. Der Pianist hat sich daraufhin wieder an sein Klavier gesetzt und weiter an seinem aktuellen Stück gearbeitet. Binnen weniger Minuten war sie schließlich eingeschlafen. „Wirklich nur müde? Hast du etwa wieder Albträume?“, fragt die junge Osbourne nach. Sie greift über den Tisch und legt ihre Hand auf den Unterarm des Kindermädchens. „Du kannst mir alles sagen, dass weißt du.“ Ja, das weiß Emma, aber sie will nichts sagen. Auch wenn sich ihre Freundin bemüht den Bartholys gegenüber etwas objektiver zu sein seid den Geschehnissen letztes Jahr, ist sie alles andere als begeistert, wenn es um ihre Gastfamilie geht. Außerdem würde sie gern selber einfach erstmal verstehen was so richtig los ist. „Keine Albträume … eher Träume anderer Natur“, witzelt sie um das Thema zu wechseln. Wenn es eine Sache gibt, mit der sie das hübsche Energiebündel sofort ablenken kann, dann sind es schlüpfrige Themen. Das ist kein netter Schachzug, das weiß das Kindermädchen, aber der Zweck heiligt, zumindest im Augenblick, die Mittel. Wie erwartet springt die junge Osbourne darauf an. „Anderer Natur? So von gutbauten, animalischen Männern die einen ansehen als wollten sie einen auffressen?“, hakt sie nach und grinst breit. Im ersten Moment kichern die beiden Frauen amüsiert, doch dann trifft Emma der Schlag. Das Sarah von der Mehrzahl gesprochen hat, hat natürlich nichts zu bedeuten, aber es ruft ihr sofort Ludwig in Erinnerung. Und etwas viel Entscheidenderes: Drogo kann ihre Träume sehen. Träume! Sie ist so doof! Nun gut, sie hatte gestern auch den Kopf mit allerlei anderen Dingen voll, aber trotzdem. Es war ein Traum, einfach nur ein Traum. Eine unfassbare Erleichterung macht sich in ihr breit; auch wenn ein bitterer Beigeschmack bleibt. Sie hat von einem anderen fantasiert … Ja, das mag eigentlich normal sein, aber dennoch ist ihr das unangenehm. „Schade, dass er erst heute wiederkommt und wir ihn daher erst morgen wieder zu Gesicht bekommen“, stichelt das hübsche Energiebündel mit einem schelmischen Funkeln in den Augen. „Ja, schade“, stimmt das Kindermädchen zu. Sie wird einen Teufel tun und verraten das Professor Jones bereits zurück ist; und, dass er sie gestern Abend besucht hat. Allerdings fällt ihr dadurch wieder ein, das Nicolae heute mit ihm reden möchte. Es muss etwas Wichtiges sein, sonst würde er sich nicht dazu herablassen mit Sebastian in Kontakt zu treten. „Sehen wir uns nachher in der Bibliothek?“, fragt sie eher so nebenbei. Sie haben den Rest des Tages keine Kurse mehr zusammen, deswegen hatten sie sich noch schnell in der Cafeteria getroffen um gemeinsam einen Kaffee zu trinken bevor der Nachmittag zuschlägt. „Es geht gerade erst wieder los und du willst schon nacharbeiten, oder vorarbeiten?“, hakt Sarah ein wenig entsetzt nach und macht große Augen. „Eher … private Recherche“, erklärt Emma und steht auf. Die beiden Frauen verlassen den Speisesaal und verabschieden sich. Während die junge Frau durch die Gänge und Unmengen an Studenten läuft rempelt sie jemanden an. Sie entschuldigt sich direkt ohne gesehen zu haben wer der Unglücksrabe ist und stockt sofort, als sie zwei nussbraune Augen spöttisch mustern. Warum?! Was hat sie in ihrem früheren Leben verbrochen, dass …? Falscher Gedanke, tadelt sie sich direkt. Nicolaes Verlobte kommt ihr nämlich wieder in den Sinn. Sie weiß, dass das was ihr da in der Zwischenwelt begegnet ist nicht die ursprüngliche Frau gewesen ist, aber trotzdem überkommt sie immer ein ungutes Gefühl. Als wüsste ihr Unterbewusstsein etwas über die Geschehnisse der Vergangenheit, die ihm nicht passen. Doch sie sollte sich auf das hier konzentrieren, auf ihr hämisch grinsendes Gegenüber. Sie wirft ihm einen finsteren Blick zu und macht auf dem Absatz kehrt. Nichts wie weg hier. Auch zwischen all diesen Menschen fühlt sie sich nicht sicher. Ja, die Vampire mühen sich um Diskretion und Integration, aber Drogo genießt seinen Ruf als Bad Boy und das zu Recht. Niemand legt sich mit ihm an, absolut niemand. Eher würden alle Reißaus nehmen anstatt ihr zu helfen sollte etwas sein. Schnell und eisig legt sich eine Hand um ihren Unterarm. Gänsehaut überkommt sie und sie hält inne. Die Studentin dreht sich nicht um, sie will seinem Blick nicht ausgesetzt sein, seine Aura reicht ihr schon. Sie spürt wie er sie zu ihr beugt und erstarrt immer mehr. „Es ist noch nicht vorbei“, flüstert der Blonde. „Du solltest vorsichtig sein, kleines Ding.“ Er gibt ihr einen flüchtigen, kaum spürbaren Kuss hinter das Ohr, auf genau dieselbe Stelle wie gestern. Ehe Emma reagieren, oder auch nur denken kann, ist Drogo verschwunden. Verwirrt blickt sie in die Masse an Menschen, doch nichts zu sehen. Als wäre er nie da gewesen, als wäre das gerade nicht passiert. Zittrig und mit klopfenden Herzen bahnt sie sich hastig ihren Weg und betet, dass sie dem Jüngsten er Brüder so schnell nicht wieder begegnet.   Schon seit Stunden sitzt das Kindermädchen nun in der Bibliothek. Sarah war eine ganze Weile ebenfalls da, ist aber vor einer guten halben Stunde gegangen. Ein Date, wie sie grinsend und verschämt mitteilte. Emma war verblüfft; das hübsche Energiebündel war zwar alles andere als schüchtern, aber eine Verabredung die man auch als solche bezeichnen konnte hatte sie bisher noch nicht gehabt. Und sie hat auch noch etwas Anderes über ihr Freundin gelernt; sie ist eine Geheimniskrämerin. Trotz alles nachfragen hat sie ihr nicht verraten, wer der Glückliche ist. Jetzt sitzt sie alleine da und steckt ihre Nase in das nächste Buch. Sie will unbedingt besser verstehen was es mit ihrer Gabe, der Zwischenwelt, den Seelenfragmenten und den Reisen auf sich hat. Und Ludwigs Existenz. Irgendetwas sagt ihr, dass es nicht normal ist, dass ein Geist so an einem Menschen hängt; Medium und Wiedergeburt hin oder her. Inzwischen hat sie gelernt, dass die Seelenfragmente die sie in dieser Welt sehen kann tatsächlich nur Fragmente sind. Ein Teil einer Seele, der sich nicht lösen kann; der andere Teil hängt solange in der Zwischenwelt fest. Eine der treffendsten Bezeichnung für diese ist „irdische Geister“. Löst man einen irdischen Geist aus dieser Welt verschwindet er in die nächsten, verbindet sich dort mit dem Rest seiner Seele und geht dann direkt ins Jenseits hinüber. Und ja, ein starkes Medium ist dazu in der Lage. Es kann das Fragment aus der magischen Sphäre der realen Welt lösen und nimmt ihm damit den Halt. Der Rest passiert ganz automisch. Normaleiweise haben diese Geister keine Auswirkungen auf die echte Welt. Die meisten können sich nicht einmal bemerkbar mache. Allerdings gibt es Ausnahmen. Ein Geist einer, im magischen Sinne, sehr mächtigen Person, kann durchaus in der Lage sein Einfluss auf Dinge oder sogar Lebewesen zu nehmen. Auch Geister die emotional extrem aufgeladen waren zu ihrem Todeszeitpunkt könne solche Kräfte entwickeln. Die zweite Kategorie sind „autonome Geister“.  Diese leben ausschließlich in der Zwischenwelt. Sie können mit einem spirituellen Führer, meist einem Medium, Kontakt aufnehmen. Diese Geister können zwar auch gewaltsam in das Jenseits befördert werden, aber dafür benötigt es ein extrem starkes und außergewöhnliches Medium. Ein Medium, das in der Lage ist sich in die Zwischenwelt zu begeben. Von dort aus könnte es die Halteverbindung des Geistes kappen und er würde hinüber gerissen. Zweite Variante wäre, dass sich die Seele von selbst aus ihrer Existenz herauslöst. Über den Grenzstreifen zwischen Dies- und Jenseits hat Emma noch nicht wirklich viel in Erfahrung bringen können. Es gibt unterschiedliche Ansichten worum es sich dabei handelt. Teilweise wird er sogar mit der Vorhölle oder dem Fegefeuer verglichen. Ein Raum abseits der jeweiligen Seiten, der aber mit beiden verbunden ist. Ein Tummelplatz von Seelen und anderen Dingen. Ihr ist eine kleine Erklärung in die Hände gefallen, in welcher der Autor vermutet, dass die „bösen Wesen“ die sich dort befinden, die Seelen von Vampiren und anderen Kreaturen der Nacht sind. Sie sind dort gefangen, können weder zur einen noch zur anderen Seite überwechseln. Das alles ist zwar überaus interessant, hilft der jungen Frau aber überhaupt nicht weiter. Sie hat absolut nichts darüber gefunden, wie ein Medium in die Zwischenwelt gelangen kann; geschweige denn, wie ein Geist es schafft eines herüber zu holen. Von dieser starken Verbindung zwischen ihr und Ludwig mal ganz zu schweigen. Frustriert murrt sie vor sich hin und hebt den Kopf. Blinzelnd sieht sich das Kindermädchen um und anschließend auf die Uhr. Die Zeit ist förmlich gerast wie sie feststellt. Die Bibliothek ist verwaist und es ist bereits stockfinster draußen. Nun gut, im Winter ist das ja auch irgendwie normal. Aber es hilft alles nichts, also steht sie auf und beginnt die Bücher wieder zurück in die Regale zu räumen. Nachdem sie das letzte an seinen Platz gestellt hat fällt ihr Blick auf ein anderes eine Etage darüber. „Vom Fangen eines Traums“ steht in goldenen Buchstaben dort. Sie streckt die Hand aus und nimmt es heraus. Auf dem dunkelblauen Buchdeckel ist ein Traumfänger abgebildet, darüber steht der Titel und darunter ein Zusatz. „Die Kunst einen Traum zu manipulieren“ Ihr läuft es kalt den Rücken hinunter und sie bekommt Gänsehaut. Das Drogo ihr seine Fähigkeit verheimlicht hat, schmerzt sie enorm. Es fühlt sich an, als hätte er sie auf die schlimmst mögliche Art hintergangen. Sie fühlt sich … schmutzig, ohne das konkretisieren zu können. Von allem was in diesem noch so sehr jungen Jahr passiert ist, schmerzt sie das aktuell am meisten. Wahrscheinlich weil ihr bewusst ist, dass sich das am schlechtesten wieder geraderücken lässt, wenn überhaupt. „Schmoll nicht“, säuselt es vom Ende des Gangs. Erschrocken sieht die Studentin auf und kann die aufkeimende Panik nur schlecht verbergen. Drogo steht da, lässig an eine Regal gelehnt, und beobachtet sie. Sie will nicht mit ihm allein sein; weder im Herrenhaus noch sonst wo. Ohne ein Wort zu sagen dreht sie sich um und läuft eilig los. Sie biegt in den nächsten Gang ein und wird unsanft gestoppt; von einem kräftigen Brustkorb. Ihr kleiner Aufschrei wird sofort von einer kalten Hand unterbunden. Zitternd sieht sie auf und ihre kommt ungewollt eine Träne. Sie hätte es nie für möglich gehalten, dass sie solche Angst vor dem Jüngsten der Brüder haben könnte. Sie hat sich oft unwohl gefühlt, aber das hier sprengt den Rahmen bei weitem. Sie würde nicht so weit gehen und behaupten sie hätte Todesangst, aber viel fehlt nicht mehr bis dahin. Die nussbraunen Augen verfinstern sich, während sie dem Weg der Träne über Emmas Wange folgen. Schmerzt blitzt in Drogos Blick auf und er seufzt niedergeschlagen. „Hör auf zu winseln, kleines Ding. Das sieht dir überhaupt nicht ähnlich“, knurrt er roh. Sie muss gestehen, er hat Recht. Normalerweise lässt sie sich nicht so einschüchtern von seiner einfachen Anwesenheit. Aber es war zu viel in den letzten Tagen und ihr Nervenkostüm ist einfach überstrapaziert. Dennoch muss sich die junge Frau dringend beruhigen; immerhin hat sie einen Jäger, ein Raubtier, vor sich. Eines, das überdeutlich jede noch so kleine körperliche Reaktion von ihr wahrnimmt. Der Blonde nimmt seine Hand von ihrem Mund. Er betrachtet das Gesicht des Kindermädchens ausgiebig. Jede Linie, jede kleine Besonderheit scheint er in sich aufzunehmen und abzuspeichern. Als könnte es das letzte Mal sein, dass er sie ansehen kann. „Was tust du da?“, haucht Emma mehr, als dass sie es wirklich sagt. Es fühlt sich merkwürdig an; ein wenig wie ein Abschied. Doch statt noch mehr Angst zu bekommen, weil er womöglich vorhat sie zu beseitigen, überkommt sie eine seichte Melancholie. Er sieht sie derart zart und weich an, dass ihr fast wieder die Tränen kommen, nur diesmal eher aus Mitgefühl. „Nicht weinen, kleines Ding“, schnurrt Drogo und beugt sich zu ihr. Er küsst sie auf die Wange, dort wo eben die Angst noch ihre Spur hinterlassen hat. Und noch einmal, und noch einmal. Eine Hand legt er auf die andere Seite ihres Gesichts, die andere umfasst sanft ihre Taille. Ohne großen Druck oder Zwang zieht er sie zu sich heran und legt seine Stirn auf ihre Schulter. Die junge Frau ist überfordert, doch die Zuneigung die sie für den Jüngsten der Brüder eigentlich empfindet meldet sich. Ihm geht es mehr als offensichtlich nicht gut; und entgegen seiner sonstigen Art zeigt er es auch. Wie könnte sie ihn da zurückstoßen? Sie legt eine Hand in seinen Nacken und die andere auf seine Schulter. Vorsichtig schmiegt sie ihre Wange an sein Ohr und schließt die Augen. Sie spürt diese dunkle Melancholie und den Verdruss den er im Moment ausstrahlt. Das ist so schrecklich untypisch für den Vampir. „Hör auf Peter zu imitieren, das steht dir gar nicht“, nuschelt sie leise und hofft die Stimmung etwas lockern zu können. Der Jüngste der Brüder lacht, freudlos und schwermütig. Er zieht die junge Frau etwas fester an sich und vergräbt seine Nase in ihrem Nacken. Die Studentin schmiegt sich ihrerseits an die Schulter des Blonden und lässt die Nähe einfach zu. Sie sollte das nicht, das weiß sie; aber sie kann gerade nicht anders. Dieser Drogo hier gerade, hat nichts mit dem bösartigen Biest von gestern zu tun; und auch nicht mit dem arroganten Arschloch das er sonst immer mimt. Es schmerzt sie ihn so zu sehen und zeigt deutlich, dass unter dieser dicken Schicht aus Sarkasmus und Aggressivität ein ziemlich empfindsamer Kerl steckt, der mit den Dämonen seiner Vergangenheit noch lange nicht fertig ist. Sie verliert völlig das Zeitgefühl und plötzlich … Kapitel 17: Bonus: Grenzüberschreitung -------------------------------------- Gier ist die Sucht der Unglücklichen. Almut Adler Emma spürt wie Drogo seinen Griff um ihre Taille deutlich verstärkt. Seine Haltung verändert sich, wird besitzergreifend und vereinnahmend. Sie könnte sich selbst Ohrfeigen. Warum hat sie ihn nur so nah herangelassen? Sie weiß doch genau um die Wirkung die er auf sie entfalten kann, dieses fiebrige und dunkle Verlangen das er in ihr auslösen kann. Allerdings hat sie gehofft, nein, geglaubt, dass er das nie wieder tun wird. Ihr wird bewusst wie dumm das gewesen ist. Der Jüngste der Brüder ist weder für seine Selbstbeherrschung noch für seine moralische Standfestigkeit bekannt. Wie konnte sie nur ernsthaft glauben, dass er die Chance nicht nutzen würde – vor allem nach seinen deutlichen Worten gestern?! Die junge Frau beißt sich auf die Lippe um ein Keuchen zu verhindern, als der Blonde zart und vorsichtig ihren Hals hinauf küsst. Wie Gift breitet sich langsam eine heiße Flut in ihrem Körper aus. Sie versucht sich aus seiner Umarmung zu winden, um zu verhindern, dass er noch mehr Kontrolle über ihre Sinne bekommt. Doch weder Drogo noch sich selbst kann sie mit diesem halbherzigen Versuch überzeugen. Unabhängig davon, dass ihr Gegangen ein Vampir ist und über die entsprechenden Kräfte verfügt sie einfach an Ort und Stelle zu halten. Der Jüngste der Brüder leckt über ihre Ohrmuschel und flüstert rau, „Süßes kleines Ding.“ Seine Hände gehen allmählich auf Wanderschaft. Die von der Wange streicht abwärts, die Außenseite ihres Busens entlang um sich dann fest um diesen zu schließen; die andere rutscht von der Taille zu ihrem Hintern. Er knurrt und drückt sein Becken gegen ihres, bevor er ihr einen Kuss gibt, der so ganz anders ist. Ihre Unterlippe zittert leicht, als sich die von Drogo auf ihre legen. Ganz zart, ganz weich. Dieser Kuss passt überhaupt nicht zu seiner Körpersprache, seinem festen Griff und der gnadenlosen Massage ihrer Brust. Und gleichzeitig passt es perfekt zu ihm: die harte Schale, roh und aggressiv; und der weiche Kern, sanft und liebevoll. Der Kuss ist nicht dazu gedacht sie zu befriedigen, eher Frust und Lust in ihr zu schüren – und das funktioniert hervorragend wie sie leider feststellen muss. Beschleunigt durch diese süße Folter, schießt die Hitze immer schneller durch ihre Venen. Seinen Körper so intensiv an ihrem zu spüren lässt ihre Haut kribbeln. Und ein lustvolles Pochen meldet sich zwischen ihren Schenkeln, als sich seine Männlichkeit mit zunehmender Härte gegen ihren Unterbauch drückt. Scheiße! Sie will das nicht, nicht schon wieder! Nicht, dass ihr das damals im Wald nicht gefallen hätte, zumindest rein körperlich. Doch jetzt liegen die Dinge einfach komplett anders. Ihr Geist wehrt sich mich aller Macht gegen das was hier passiert, doch er wird immer schwächer, je größer diese dunkle Hitze in ihr wird. Auch alles Wissen über Vampire und ihre Magie, und Pheromone und was-sonst-noch-alles helfen ihr nicht wirklich. Ihre Hormone beginnen zu kochen und ihr Lustzentrum verzehrt sich nach Aufmerksamkeit. Und ihr Mund erst! Diese kaum spürbaren Berührungen machen sie schier wahnsinnig. Reißerisch grinst der Blonde und zieht sein Gesicht zurück. Er mustert sie und scheint zufrieden mit dem was er in der jungen Frau angerichtet hat. Seine nussbraunen Augen haben sich verdunkelt und glühen vor Lust. Er fordert sie heraus, mit seinem Blick, dem spielerischen Lächeln und der Art und Weise wie er sie an sich drückt. Er will sie, dass spürt sie mehr als deutlich. Und er dürfte mehr als deutlich merken, dass sie ihr Körper sich nach ihm verzehrt; ihr Herz pocht wie ein Dampfhammer und ihre glänzenden Augen dürften auch eine deutliche Sprache sprechen. Warum spielt er also immer noch? Was bezweckt er damit? Schnell beugt er sich zu ihr, nippt wieder nur leicht an ihren Lippen und lässt sofort von ihr ab. Auch wenn das Kindermädchen es gerne möchte, kann sie ein enttäuschtes Wimmern nicht verhindern. Dieses finstere Höllenfeuer verschlingt sie mehr und mehr und fordert endlich Befriedigung. Alles andere wird rigoros aus ihrem Verstand und ihrem Herzen getilgt. Nur noch die Wollust und die Gier herrschen. Als er sich wieder zu ihr neigt und sie flüchtig küsst, gibt sie dieser verzehrenden, fast schon wütenden, Lust nach und stürzt sich förmlich auf seine Mund. Drogo lacht leise bevor er ihren leidenschaftlichen Kuss mit voller Kraft erwidert. Grob und rau presst er seinen Lippen auf ihren, dringt mit seiner Zunge zu ihrer vor und übernimmt die Herrschaft über sie. Rücksichtslos drückt er sich gegen die junge Frau und drängt sie rückwärts; immer weiter in die dunkle Ecke der Bibliothek. Sein Kuss wird immer heftiger, während seine Hände unter ihren Rock fahren. Er krallt sich in ihren runden Hintern und hebt sie hoch. Emma weiß gar nicht so wirklich was passiert. Der göttliche Geschmack seines Mundes flutet ihren Verstand und ihr Geist schaltet einfach gänzlich ab. Sie ist nur noch Lust und Leidenschaft; nur noch brodelnde Hitze und verrücktspielende Hormone. Sie realisiert kurz, dass er sie auf einem Tisch absetzt. Das aber auch nur, weil das kalte Holz auf ihrer heißen Haut sie augenblicklich erzittern lässt. Doch es ist egal. Alles ist plötzlich egal. Bis auf dieses teuflische Pochen zwischen ihren Beinen. Sie fährt mit den Händen unter seinen Pullover, lässt ihr Finger seine Muskeln erkunden, die für den Bruchteil einer Sekunde etwas triggern und ihr das Gefühl geben entzwei gerissen zu werden. Auf der einen Seite diese zügellose Lust und auf der anderen ihr Herz, das definitiv für jemanden anderen schlägt. Ihre Berührungen erzeugt ein Beben, das durch den Körper des Vampirs rollt. Er lässt sich ausziehen, lässt sie mit Händen und Lippen über seinen Oberkörper streicheln. Ihr Duft nach Leben und Begierde dringt in jede seiner Poren ein und seinen Verstand ein. Langsam raubt es ihm die Beherrschung; er wiedersetzt sich, doch ihre Lust ist so übermenschlich, dass sie auch ihn von den Füßen zu reißen droht. Hektisch öffnet sie seinen Gürtel, seine Hose und fährt mit der Hand unter den Stoff. Sie muss ihn fühlen; spüren, dass er sich genauso nach ihr verzehrt wie sie nach ihm. Sein Schwanz ist hart und pulsiert unter ihren Fingern. Dieses Gefühl turnt die junge Frau so sehr an, dass sie in den fiebrigen Kuss stöhnt. Die Feuersbrunst erreicht langsam ihren Siedepunkt; ihr Slip ist durchtränkt und jede noch so kleine Reibung an ihrer Perle bringt sie beinahe zum Höhepunkt. Sie will ihn, jetzt. Er soll sie nehmen, hart und tief. Doch er scheint ihr diesen Gefallen einfach nicht tun zu wollen und das treibt sie in den Wahnsinn. Laut stöhnt der Blonde und sein Becken zuckt von selbst nach vorn, als ihre Finger sich um seine Männlichkeit schließen. Er reißt ihr den Pullover vom Leib und leckt wie von Sinnen über ihre kochende Haut. Ihr eindeutiger Geruch, der Geschmack ihrer Haut und dieses lustvolle Stöhnen erhitzen mehr und mehr seine Triebe. Er sollte nicht zulassen, dass sie die Führung übernimmt so lange er sich nicht völlig im Griff hat. Doch er schafft es nicht sich ihrer Gier zu erwehren; er will es selbst zu sehr. Da ihr Liebhaber offenbar nicht gewillt ist endlich weiter zu gehen, nimmt Emma die Dinge selbst in die Hand; im wahrsten Sinne des Wortes. Ihre freie Hand, die bis eben noch in seinem blonden Haar vergraben war, wandert schnell zwischen ihre eigenen Schenkel und schiebt den störenden Stoff zur Seite. Ihre Beine umschlingen seine Hüfte, sie bäumt ihr Becken seinem entgegen und drückt seine Härte tief in sich hinein. Ihr ohrenbetäubender Lustschrei zerreißt ihr fast das eigene Trommelfell, doch er muss raus. Die lodernde Hitze in die er so unvorbereitet eintaucht beraubt Drogo all seines Widerstands. Es fühlt sich einfach viel zu gut an. Sie umschließt ihn eng von allen Seiten, und ihr zitternder Körper zeugt deutlich von ihren amoklaufenden Nerven. Das Gefühl von Macht und Machtlosigkeit vermengt sich mit einander und er lässt seinen Kopf neben ihren sinken. Er gibt eine Mischung aus Knurren und Stöhnen von sich. Der wollüstige Rausch überrollt ihn mit aller Kraft und alle seine Sinne stellen sich scharf. Das Gefühl das sein Schwanz in ihrem Inneren und sein geknurrtes Stöhnen an ihrem Hals auslöst, gleicht einem Adrenalinschub; als hätte sie sich eine Droge in die Vene gejagt. Ihre Innenwände schmiegen sich eng und fordernd um seine Männlichkeit und als er komplett in ihr ist reicht eine winzige Bewegung ihrerseits und sie explodiert förmlich. Der Höhepunkt ist stark und heftig. Ihre Muskeln krampfen und zittern gleichermaßen. Kleine Sterne tanzen vor ihren Augen und sie kann kaum atmen. Doch so heftig der Orgasmus auch ist, das Feuer in ihren Nerven ist noch nicht gestillt; es verlangt nach mehr. Der Vampir wartet einige Momente, wartet, dass das Zucken unter ihm aufhört. Er küsst ihre Schulter, drängt sein Becken gehen ihres und schiebt sie weiter auf den Tisch. Seine Triebe sind überhitzt und seine Lust kennt keine Grenzen mehr. Mit schwungvollen Bewegungen setzt er sich in Bewegung, lässt seine pralle, zuckende Männlichkeit in ihrem Glutofen neues Feuer schüren. Jeder seiner Stöße ist fester wie der vorhergehende; jedes Mal gräbt er sich gefühlt tiefer in sie vor – die junge Frau stöhnt und keucht vor Freude, Lust und Hemmungslosigkeit. Da ist nur ein alles verzehrendes Feuer und diese auslöschende Hitze, nichts Anderes existiert mehr. Nur er und sie. Ihrer beider Raserei. Der unbeugsame Wille es auf die Spitze der körperlichen Glückseligkeit zu schaffen. Sie fühlt die nächste Feuerwalze bereits herannahen; bei seinen punktgenauen Stößen und ihrer Triebhaftigkeit ist das auch kein wirkliches Wunder. Ihr Stöhnen und Keuchen verkommt zu einem Sphärenrauschen in seinen Ohren. Deutlich fühlt er wie seine Eckzähne hervorpreschen und er riecht das Blut unter ihrer Haut genauso deutlich wie ihre Lust, die sich gerade beginnt wieder eng um seinen Schwanz zu schließen. Drogo verwickelt sie in einen verschlingenden Kuss um sich selbst von ihrem Hals fernzuhalten. Er kämpft gegen die Übermacht an, ahnt aber bereits das er nicht gewinnen kann. Emma schreit kurz, als er einen besonders rabiaten Stoß macht und der Tisch unter ihnen knarzt. Sie ist wie im Fieberwahn, kann nur noch Fühlen. Und Wollen. Und sie will mehr; mehr von seinem Geschmack, mehr von seiner ungezügelten Lust. Wieder schreit sie kurz und muss schließlich den Kuss unterbrechen, weil der nächste Orgasmus über sie hinwegfegt. Ihr verklärter Blick geht zur Decke die in tiefes Rot getaucht ist. Es flimmert zunächst, doch es wird geschmeidiger. Rote Wellen und Strudel bilden sich; an der Decke, an den Regalen, einfach überall. Die Welt scheint in eine neue Farbe getaucht und berauscht ihre Sinne immer mehr. Der Blonde knurrt ungehalten. Ihr neuerlicher Höhepunkt lässt ihn hinabstürzen in den triebgesteuerten Teil seiner Existenz. Die Welt wird rot, tiefrote Dunkelheit. Lust und Hunger vermengen sich und lassen seinen Verstand überkochen. Alles fühlt sich viel extremer, viel intensiver an. Ihr Duft ist viel zu süß, als dass er noch widerstehen könnte. Ein intensiver Rausch trägt sie weg. Die junge Frau hat das Gefühl völlig aus der Welt gerissen zu werden. Den kurzen Schmerz an ihrem Hals spürt sie nicht wirklich; die Ektase danach reißt sie komplett aus ihrer Selbst. Das Rot im sie herum beginnt zu pulsieren und ein Eigenleben zu entwickeln. Sie spürt, wie das Feuer einige Minuten hochkocht, unnatürliche Züge annimmt und dann abebbt. Allmählich wird ihr Körper immer schwächer und das Leben weicht aus ihrer Hülle. Als die Kälte erbarmungslos über sie herfällt begreift sie endlich was gerade passiert. Sie will schreien, sich wehren, doch ihr fehlt jegliche Kraft. Das Rot umhüllt sie und verschlingt sie, bis nichts mehr von ihr übrig bleibt … Kapitel 18: Kampfmodus ---------------------- An der Front kämpfen, heißt noch lange nicht, den Krieg zu verstehen. Thomas S. Lutter   Ein Knall lässt Emma aufschrecken. Völlig neben der Spur blinzelt sie und greift sich reflexartig an den Hals. Nichts. Kein Schmerz, kein Blut. Aber …? Ein grausames Zittern schüttelt ihren Körper. Sie spürt noch die Kälte und Drogos Mund an ihrer Schlagader. Alles ist im ersten Augenblick noch real, dann verschwimmt es aber zunehmend. „Es ist schon spät, wir schließen.“ Sie zuckt zusammen durch die Ansprache. Wie ein Schaf sieht das Kindermädchen auf und glotzt die Bibliothekarin an als wäre sie ein Alien. Was geht hier vor? Der Blonde war doch eben hier. Oder? Er war hier und sah so schrecklich traurig aus und dann … Eine kurze, heftige Hitzewelle zieht durch ihren Magen. Bilder flackern auf; Bilder wie sie über einander hergefallen sind wie wilde Tiere. Und dann kriecht die Kälte wieder in ihre Nerven. Er hat sie … gebissen … „Wir schließen“, wiederholt sich die Dame und geht weiter. Was zum Teufel?! Die junge Frau versucht krampfhaft zu verstehen was hier los ist, war. Sie sitzt immer noch an ihrem Tisch, als wäre sie nie aufgestanden um die Bücher wegzuräumen. Ihre Augen huschen kurz durch den Raum; niemand hier. Einen Augenblick zögert sie, doch dann dreht sie doch den Kopf und schnuppert an ihrem Uni-Pullover. Würde das jemand sehen würde er sie für einen Freak halt, so viel steht fest. Nichts. Kein fremder Geruch, nur ihr eigenes leichtes Parfum. Was hat das zu bedeuten? „Wir schließen“, tönt es energisch vom Tresen. Ohne ein Wort zu sagen springt Emma auf und räumt die Bücher weg. Nachdem sie das letzte an seinen Platz gestellt hat überkommt sie eine eigenartige Vorahnung. Ihr Blick schweift über die Reihe der darüber gelegenen Etage. Ihre Augen weiten sich. „Vom Fangen eines Traums“ steht in goldenen Buchstaben auf dem dunkelblauen Buchrücken. Zittrig greift sie danach und dreht es in ihren Händen. Auf dem Deckel ist ein Traumfänger abgebildet, darüber steht der Titel und darunter ein Zusatz: „Die Kunst einen Traum zu manipulieren“ Drogo! Er hat wieder ihren Traum beeinflusst! Wie konnte er nur?! Und sie dumme Kuh hatte auch noch Mitleid mit ihm! Blanke Wut überkommt sie. Sie stellt das Buch zurück, geht zum Tisch und schnappt sich ihre Sachen.   Als sie am Herrenhaus ankommt ist sie immer noch auf 180. Sie stürmt durch die Eingangstür und bleibt abrupt stehen. Es fühlt sich an, als wäre sie in eine Wand gerannt. Die Stimmung im Haus ist eisig und furchteinflößend. Gänsehaut überkommt die junge Frau und sie weicht zurück. „Emma“, wird sie von der Seite angesprochen. Mit den Nerven am Ende schreit sie kurz auf. Tatsächlich steht da einfach nur Nicolae der sie besorgt ansieht. „Was ist hier los?“, fragt sie leise. Das Familienoberhaupt streckt die Hand aus und legt sie auf ihre Schulter. „Es gibt da etwas sehr Wichtiges über das ich mit dir sprechen muss.“ Er führt sie Richtung Wohnzimmer. Angekommen bleibt er stehen und räuspert sich. „Es gibt ein kleines Problem.“ „Kleines?“, faucht das Kindermädchen förmlich. „Drogo war schon wieder in einem meiner Träumen. Er … er hat mich gebissen!“ Die Wut überkommt sie schlagartig wieder und lässt sich kaum zügeln. Die Enttäuschung über sein Verhalten und der Ekel befeuern ihre Emotionen noch zusätzlich. „Ich weiß“, erklärt Nicolae ruhig und sieht der Studentin fest in die Augen. „Er war bei mir und hat es mir gesagt. Emma, er wollte das nicht; er macht sich schreckliche Vorwürfe deswegen …“ „Das ist mir egal!“, fällt die junge Frau ihm ins Wort. „Ich habe die Nase voll! Er kann nicht immer wieder so etwas tun und dann hinterher sagen das es ihm leid tut. Verdammt nochmal!“ Wie kann man so alt sein und sich trotzdem derart unreif benehmen? Es geht ihr einfach nicht in den Kopf. Ehrlicherweise tut es ihr selbst schon fast leid, dass sie sich bemüht hatte die Dinge zwischen ihnen wieder zu richten; sie hätte es einfach lassen sollen! „Das ist nicht so einfach. Er ist noch jung und muss vieles erst noch richtig lernen“, versucht sich der Vampir an einer Erklärung um die Situation zu beruhigen. „Das ist keine Entschuldigung! Nicht mehr!“, poltert Emma ungehalten. „Du kannst doch nicht ständig alles auf sein Alter schieben! Er hat mich getäuscht, mir seine Fähigkeit bewusst vorenthalten und sie dann hinterrücks benutzt! Er hat mir wehgetan; sich an meiner intimsten Privatsphäre vergriffen! Hast du eine Ahnung wie sich das anfühlt?!“ Kaum ausgesprochen bereut sie den Satz. Das sie ihrem Gegenüber damit gerade wirklich wehgetan hat merkt sie direkt an seiner Reaktion. Er wendet den Blick ab und schließt kurz die Augen. Ja, Vampire schlafen. Jeder in seinem eigenen Rhythmus und Länge. Allerdings träumen sie nicht; niemals. Das Kindermädchen erinnert sich daran, wie ihr Peter das einmal erzählt hat, und wie merkwürdig entrück sein Blick dabei war. Sie hatte es am Anfang nicht verstanden, aber mit der Zeit wurde ihr bewusst, wie wichtig Träume sind um manche Dinge besser zu verarbeiten. Vielleicht einer der Gründe, warum sie so soft das Gefühl hat, dass die Bartholys irgendwie in der Zeit festhängen. Noch dazu, hat sie ihrem Gegenüber gerade indirekt auch angegriffen; immerhin kann er Gedankenlesen und hat somit auch jederzeit Zugriff auf die Privatsphäre seines Umfelds. „Ich … tut mir leid, Nicolae. Ich … Ich bin so wütend auf Drogo. Er hat mir sehr wehgetan mit seinem Verhalten. Und vor allem mit dem, was er mich durchleben lassen hat …“, wispert sie gequält. „Schon gut“, beschwichtigt er sie. Das Familienoberhaupt strafft seine Haltung und sieht wieder auf. „Ich bin mir bewusst, dass nur die Wut aus dir spricht.“ Er schenkt ihr ein sanftes Lächeln bevor er weiterspricht und sich seine Miene leicht verfinstert. „Allerdings dürfte es dir deutlich machen, dass im Moment Dinge vor sich gehen auf die wir keinen Einfluss haben. Und denen wir uns nicht entziehen können.“ Eine dunkle Vorahnung überkommt die junge Frau. Hat es etwas mit der eigenartigen Atmosphäre im Haus zu tun? Die ist tatsächlich nicht ganz neu, allerdings inzwischen mehr als deutlich wahrnehmbar. In den letzten Tagen hat sie sich … vermehrt? Wie aufziehender Nebel wird es immer dichter. Nicolae senkt ungewohnterwiese den Blick bevor er weiterspricht. Das was er zu sagen hat scheint ihm enorm schwer zu fallen. „Viktor ist im Land“, sagt er schließlich leise. Seine Aussage verhallt langsam im Raum und gewinnt an schwere. Es wirkt so, als würde diese unheimliche Atmosphäre im Haus auf die Aussage reagieren und sich noch bemerkbarer machen. „Im Land?“ Die Studentin weiß nicht wirklich was sie mit der Information anfangen soll. Sie ist wichtig und bedeutend, aber sie weiß nicht so richtig warum. Im Land? Er könnte also sonst wo sein; warum spielt das für sie hier in Mystery Spell eine Rolle? Fragend sieht sie ihr Gegenüber an und runzelt die Stirn. „Er ist ein Urvampir. Seine Macht und Aura sind enorm. Er strahlt sie aus damit jeder im Umkreis von tausenden Meilen weiß das er da ist. Und dementsprechend macht er seinen Einfluss gelten; auch auf uns“, erklärt das Familienoberhaupt ruhig und gesetzt. Die Anspannung dahinter ist aber kaum zu überhören. Langsam setzen sich die Zahnräder in ihrem Kopf in Bewegung. Lories und Drogos Verhalten sind nur die Vorboten seiner Anwesenheit im Land. Wie würde das erst werden, wenn er hier im Haus wäre? Sie erinnert sich an all die kleinen Dinge die ihr die Brüder im Laufe des letzten Jahres über ihren Vater erzählt hatten. All die Andeutungen, Offenbarungen. Viktor Bartholy ist der Inbegriff des klassischen, alten Vampirs für sie geworden: grausam, böse, mordlüstern. Sie erinnert sich, dass sie froh war ihm nie begegnen zu müssen … „Er kommt hierher?“, fragt sie erschrocken und betet, dass ihre Frage verneint wird. Nicolae legt seine zweite Hand auch auf ihre Schulter. Er sieht sie intensiv an bevor er antwortet. „Wir befürchten es, sind uns aber nicht sicher.“ Eine unerklärliche Angst überkommt die Studentin. Die Brüder haben immer gesagt, dass ihr Schöpfer nie, oder nur extrem selten nach Mystery Spell kommt. Und wenn, dann hat es meistens keine guten Gründe gehabt. „Warum könnte er denn herkommen wollen?“, hakt sie zittrig nach. „Das wissen wir nicht so genau. Er weiht uns nie in seine Machenschaften und Pläne ein; und wir wollen im Normalfall auch nichts davon wissen. Wir alle sind für ihn nur Schachfiguren die er nach Belieben nutzt um an sein Ziel zu kommen.“ Nicolae macht keinen Hehl daraus, wie desillusioniert und auch wütend er deswegen ist. Seine graugrünen Augen verlieren fast völlig ihren Glanz und Ausdrucksstärke. Leer starrt er vor sich hin und scheint von vergangenen Ereignissen heimgesucht zu werden. Das Kindermädchen erinnert sich in dem Moment an etwas Anderes. Das mit Lorie hat sie inzwischen verstanden. Die Kleine ist die einzige die gut auf ihren Schöpfer zu sprechen ist. Viktor ist nicht nur ihr Schöpfer; er ist ihr Vater in ihrer Welt. Ihre Bindung zu ihm ist stark und sehr emotional. Woher das kommt weiß Emma zwar nicht, aber es wird seine Gründe haben. Bei dem Jüngsten der Brüder liegt die Sache aber anders. Er hat auch kein gutes Haar an dem Urvampir gelassen; warum also lässt er diesen negativen Einfluss zu? „Du sagtest, dass er nur Drogos Triebe kontrollieren kann“, sagt sie mehr zu sich selbst. Sie sieht auf und legt die Stirn in Falten. „Warum also ist er mir gegenüber …?“ Ihr bleibt die Frage förmlich im Hals stecken, als sie die Antwort plötzlich erahnt. Das Familienoberhaupt spricht aus, was die Frau sich nicht traut. „Er mag dich, Emma. Er mag dich wirklich sehr.“ Er seufzt und lässt seinen Blick durch den Raum wandern. „Mehr wie er sollte; und das weiß er auch. Er hat versucht sich von dir fernzuhalten, dich von ihm fernzuhalten. Aber jetzt mit Viktors dunkler Aura im Nacken …“ „Hat er Probleme sich zu kontrollieren“, beendet sie seinen Satz. Prompt fällt der Studentin Mia Cooper wieder ein. „Sei vorsichtig. Er hat sich oft nicht unter Kontrolle. Seine Verbindung zu ihm ist sehr groß.“ Sie hat sie versucht zu warnen und sie hat es nicht verstanden. Wie auch? Dieses in rätseln sprechen scheint so eine Geistermacke zu sein; eine unschöne noch dazu. Doch es bleibt offen was das alles nun für sie selbst konkret bedeutet. Drogo und sein schreckliches Verhalten rücken in den Hintergrund; Viktor beherrscht ihre Gedanken. „Was passiert nun?“, fragt sie vorsichtig und bekommt irgendwie Angst vor der Antwort. „Wie du gemerkt hast, ist seine bloße Anwesenheit auf dem Kontinent schon problematisch für Lorie und Drogo. Du gehörst für uns zur Familie; wir haben versprochen dich zu beschützten …“ Nicolae seufzt und wirkt niedergeschlagen. „Aber?“, hakt sie nach, als ihr das Schweigen zu lang dauert. Ihre Nerven flattern und ihre Magen zieht sich schmerzhaft zusammen. Dass er so zimperlich mit seinen Aussagen ist passt so gar nicht zu ihm; und das schürt mehr und mehr Angst in ihr. „Vor Viktor können wir dich nicht beschützen. Er ist viel zu mächtig. Und … auch vor seiner Auswirkung auf uns …“, erklärt das Familienoberhaupt schließlich zu Ende. Emma hört seine Worte, versteht sie auch und trotzdem begreift sie das Gesagte nicht so richtig. Sie fühlt sich geehrt und geschmeichelt, dass sie zur Familie gehört, dass sie sie beschützen. Wahrscheinlich ist sich keiner der Bartholys wirklich bewusst was ihr das bedeutet. Sie hat endlich wieder einen Platz wo sie hingehört; Menschen zu denen sie gehört. All das macht es ihr schwer die nächste Frage zu formulieren. Ihre Stimme zittert, als sie es endlich schafft. „Wie geht es jetzt weiter?“ „Ich suche noch nach einer Lösung. Beziehungsweise habe ich eigentlich eine, aber die hat sich noch nicht entschieden fürchte ich. Bis dahin … Ich würde mich besser fühlen, wenn du diese Nacht bei Peter verbringst. Drogo hat sich zwar ins Nebengebäude zurückgezogen, aber man weiß nie.“ Nicolae fallen seine Worte extrem schwer. Emma gegenüber und auch seinem Bruder gegenüber. Er wirkt betreten, besorgt und gleichzeitig irgendwie hilflos. Die Lösung hat sich noch nicht entschieden? Was meint er nur damit? Doch sie will nicht nachfragen, der jungen Frau tut das Familienoberhaupt leid. Er trägt die ganze Verantwortung für seine Brüder, Lorie und nun auch noch für sie. Als wäre das unter normalen Umständen nicht schon schwer genug, taucht jetzt auch noch Viktor unerwartet auf. „Du gehörst zur Familie“, fallen ihr seine Worte wieder ein. Sie geht einen Schritt auf den Vampir zu und tut etwas, dass sie noch nie getan; zumindest bei ihm. Sie umarmt ihn einfach. Nicolae ist überrascht von ihrem Verhalten und versteift sich kurz. Nach einigen Augenblicken erwidert er die Geste schließlich und entspannt sich. So stehen die beiden eine ganze Weile im Wohnzimmer und spenden sich gegenseitig Trost und familiäre Wärme. Und ein wenig wacklige Zuversicht im Angesicht einer so unklaren Zukunft. „Wir werden nicht zulassen, dass dir etwas passiert“, flüstert das Familienoberhaupt schließlich und löst die Umarmung. „Niemals.“ Er sieht sie lang und intensiv an. Emma ringt sich ein Lächeln ab und nickt. „Ich gehe nach oben.“ Eine schreckliche Melancholie überkommt sie, als sie das Wohnzimmer verlässt und die Treppe in den oberen Stock hochläuft. Was wird nun werden? Muss sie womöglich das Herrenhaus verlassen? Die Stadt? Das Land? Das wäre doch irgendwie übertrieben. Oder? Noch dazu, wo sie nicht wissen ob Viktor überhaupt hierherkommt, oder warum. Schwer seufzend betritt sie ihr Zimmer. Sie kann nicht verhindern, dass sie sich alles ganz genau ansieht; ein wenig so, als wäre es das letzte Mal. Da sie die Nacht bei Peter verbringt, sollte sie wohl ein, zwei Sachen zusammensuchen. Sie will nicht wegen jeder Kleinigkeit ständig hin und her laufen, dass würde ihr innere Unruhe nur noch mehr verstärken. Außerdem läuft sie dann Gefahr, Lorie in die Hände zu fallen. Und das will sie noch weniger wie Drogo zu begegnen. Die junge Frau nimmt ihre Umhängetasche, verstaut das Nötigste darin und verlässt ihr Zimmer wieder. Sie wird das Gefühl nicht los in etwas hineingeraten zu sein, das sie noch nicht in seiner Gänze versteht. Kapitel 19: Gute-Nacht-Geschichten ---------------------------------- Vergangenheit vergeht nicht Anke Maggauer-Kirsche   Eine melancholische und schwere Melodie schwebt durch das Zimmer. Sie ist drückend, düster. Emma spürt wie ihr Herz irgendwie immer langsamer wird, träger. Eine tiefe Traurigkeit überkommt sie während sie tiefer in das Bett sinkt. Was um Himmels ist der Grund für Peters Stimmung? Nicht das er sonst das blühende Leben ist, aber so hat sie ihn noch nie erlebt. Sie hat das Gefühl, alles Leid der Welt würde sich in diesem kleinen Raum konzentrieren und durch seine Finger in das Klavier strömen. Ehe sie es verhindern kann schluchzt sie leise. Sofort herrscht Stille im Raum. Der Pianist wirkt wie eingefroren, seine Finger schweben reglos über den Tasten. „Verzeih mir. Ich habe mich einen Moment vergessen“, flüstert er leise und dreht sich um. Seine grünen Augen sind leer und trüb, er wirkt niedergeschlagen und am Ende seiner Kräfte. Hat das auch mit Viktor zu tun? Die Frage beschäftigt das Kindermädchen seit sie hier in Peters Zimmer ist. Aber sie traut sich nicht ihn zu fragen. Sie hatte schon immer den Eindruck, dass der Mittlere der Brüder am meisten mit seinem Dasein hadert, und mit Viktor. Der übermächtige Urvampir der das Leben der Familie immer bestimmt, auch wenn er meilenweit entfernt ist. Vielleicht kann sie irgendwie um die Ecke etwas in Erfahrung bringen? „Seine Anwesenheit macht nicht nur Drogo zu schaffen“, erklärt der Vampir plötzlich in die Stille und seufzt. „Schon okay“, versucht die junge Frau ihn zu beruhigen. Sie will nicht, dass er sich auch noch Vorwürfe wegen ihr macht. Die Erwähnung des Jüngsten sorgt allerdings dafür, dass sich ihr Magen schmerzhaft verdreht und verknotet. Mag sein, dass Viktor der Grund für sein abscheuliches Verhalten ist, trotzdem bleiben da einige Dinge die man nicht darauf schieben kann. Der erste Traum war vor der Ankunft des Clanoberhaupts, ganz zu schweigen, dass er ihr das Wissen um seine besondere Fähigkeit vorenthalten hat. Er hat dafür gesorgt, dass sie an Ludwig zweifelte, an sich selbst. Und nun stellt sie auch die Erkenntnis aus dem letzten Zusammentreffen mit dem Werwolf in Frage. War ihre Erinnerung echt? War Ludwig schon da als sie ein Kind war? War er ihr unsichtbarer Freund? „Ich hoffe er verschwindet bald wieder.“ Peter fährt sich durch die Haare und steht auf. Sein Blick schweift über sein Klavier, zu seinen Büchern und schließlich zu Emma. Eine nicht definierbare Sorge huscht durch seine Augen. Er geht zu seinem Bett und setzt sich neben sie. „Darf ich dich etwas Fragen?“ Unsicher sieht sie zu dem Vampir auf. Sein Nicken ist zögerlich, aber erkennbar. Die Studentin atmet kurz durch. „Ist einer von euch dreien freiwillig was er ist?“ Da keiner der Männer gut auf ihren Schöpfer zu sprechen ist, hat sie sich schon länger gefragt wie es zu dieser Familien-Konstellation gekommen ist. Irgendetwas scheint grundlegend falsch zu sein an all dem hier. Peter lacht kurz, freudlos und traurig. „Viktor ist gut darin den Menschen sein Angebot genau dann zu machen, wenn sie keine wirkliche Wahl mehr haben. Und dann verpackt er es hübsch. Oder er lässt ihnen gar keine Wahl.“ Sein Gesicht verzieht sich während ihn scheinbar Erinnerungen heimsuchen. Das Kindermädchen plagt sofort das schlechte Gewissen. Sie hätte nicht fragen sollen, nicht in alten Wunden bohren. „Entschuldige“, flüstert sie betreten. Sie und ihre verdammte Neugier! Sie sollte wirklich lernen sich zu zügeln. „Ist nicht schlimm. Außerdem gehörst du zur Familie, daher ist es dein gutes Recht dir Fragen zu stellen, und Antworten zu suchen.“ Der Pianist legt sich neben die junge Frau und rutscht tiefer. Er legt seinen Arm um sie und zieht sie an seine Seite. Emma hat das Gefühl das Peter sie vor dem was er ihr erzählen wird schützen will; gleichzeitig scheint er ihr es nicht vorenthalten zu wollen, obwohl es offenbar nichts Gutes ist. Sie beschließt einfach zu schweigen und die angebotene Nähe zu nutzen. Tatsächlich ist der Mittlere im Moment derjenige bei dem sie sich am wohlsten und verstandensten fühlt. Und am sichersten. Nicolae hat ihr zwar nichts getan, aber manchmal hat sie das Gefühl, dass da noch etwas im Verborgenen ist. Etwas, dass er für sich behält. Doch sie schüttelt ihre Gedanken ab und konzentriert sich auf den Pianisten, der ihr beginnt seine Geschichte zu erzählen. „Meine Mutter starb bei meiner Geburt. Mein Vater hat mir das nie verziehen. In seinen Augen war ich schuld an ihrem Tod und damit nichts wert. Er … er hat meine Mutter sehr geliebt und ihr Verlust hat ihn tief getroffen. Ich hatte auch noch einen älteren Bruder. Er war … schwierig …“ Und so beginnt Peter zu erzählen. Von Stelian, seinem Bruder, der ihm immer alles missgönnte. Der ihn stets ärgerte, schikanierte wo und wann er nur konnte, beim Klavierspielen störte und auch sonst nie etwas Brüderliches für ihn getan hatte. Und von Lisabeth, seiner große Liebe. Wie sie ihn verzauberte und die Hoffnung auf eine gemeinsame, glückliche Zukunft in ihm weckte. Und davon, wie ihm sein Bruder auch das nicht gönnte. Er erzählt von dem Tag, an dem er dem Verrat ins Auge sehen musste, als er sie zusammen erwischte und das tiefe Loch in das er fiel. Zögerlich und leise erklärt er seinen Wunsch all dem ein Ende zu setzen. Er zieht die junge Frau etwas enger an sich, als er von der Nacht erzählt, dem Bahnhof und dem Zug, und dem Ende. Von Viktor, der ihn nicht gehen ließ und stattdessen zurückholte und ihm ein unsterbliches Leben in Finsternis aufzwang. Die Studentin schluckt schwer und blinzelt die Tränen weg die sich in ihren Augenwinkeln gesammelt haben. Sie versteht nun besser, warum immer dieser düstere Umhang über Peter zu hängen scheint. Er wollte diese Welt verlassen um den Schmerz endlich zu entkommen, nun hängt er für immer hier fest. Ihr Herz sticht und ihre Gedanken schweifen ab; zu Nicolae. Seine Verwandlung hing mit dem Tod seiner Verlobten zusammen. Und seinem Rachefeldzug. „Nicolae hat er die Macht versprochen seine Verlobte zu rächen“, schlussfolgert sie leise vor sich hin. „Auch. Aber auch er war dem Tode näher wie dem Leben in dem Moment“, erklärt der Vampir. Er streicht ihr beruhigend über ihren Rücken. „Er hat bereits als Mensch Werwölfe gejagt. Der Letzte dem er gegenüberstand war klüger und stärker als alle vorhergehenden. Nicolae lag im Sterben, als ihm Viktor ein Angebot machte, dass er im Rachewahn und dem Tod vor Augen nicht ablehnen konnte.“ Emma schüttelt es. Was für ein grässliches Wesen Viktor doch ist. Nicht, dass sie vorher besser über ihn gedacht hätte. Allerdings stellt sich ihr nun die Frage wie Drogo in dieses Konzept passt. Was ist seine Geschichte? Und die von Mia, wo sie gerade darüber nachdenkt. Und die kleine Lorie? Was ist mit ihr? Sie scheint ihren Ziehvater zu lieben, und er sie auch irgendwie; zumindest laut Aussage der Brüder. Das Mädchen scheint im allgemeinen eine eigenartige Sonderstellung in der Familie zu haben. „Du solltest versuchen zu schlafen“, sagt Peter nach mehreren Minuten der Stille. „Klar“, antwortet das Kindermädchen trocken. „Erst erzählst du mir Gruselgeschichten und dann soll ich friedlich schlafen.“ Sie kichert amüsiert und der Vampir stimmt mit ein. Plötzlich klopft es an der Tür. „Emma?“ Die junge Frau fährt hoch und macht große Augen. Lorie! Was macht sie denn hier?! Unschlüssig starrt sie die Tür an. Nicht zu antworten ist und so tun als wäre man nicht da ist Schwachsinn, wenn man in einem Vampirhaushalt lebt, das ist ihr bewusst. Trotzdem scheint ihr diese Möglichkeit für einen Augenblick recht verlockend. „Ja?“, antwortet sie schließlich unsicher. „Du hast mich nicht ins Bett gebracht“, tönt es traurig. Emma schluckt den Kloß in ihrem Hals hinunter. Das Mädchen klang ehrlich betrübt und sorgt damit für ein schlechtes Gewissen bei ihr. Gleichzeitig weigert sich ein Teil von ihr dem Mini-Vampir vor der Tür nachzugeben. Ein eigenartiger Konflikt zwischen Sorge und Zuneigung entfacht. Auch, wenn sie es ungern zugibt, sie mag das Kind eigentlich doch ganz gern. Peter legt eine Hand auf die Schulter der Studentin. „Du musst nicht.“ „Ich weiß …“ Das aber spart sie sich, denn der Pianist scheint es bereits zu ahnen und zieht seine Hand zurück. Das Kindermädchen steht auf. Trotz der Unsicherheit will sie dem Mädchen zeigen, dass sie ihr nicht böse ist. Sie versteht zwar nicht woher der Wunsch kommt, aber er ist da. Vor der Tür bleibt sie stehen und dreht sich um. „Wenn ich schreie …“ Der Vampir lacht und nickt. „Bin ich sofort da.“ Er betrachtet Emma eingehend und schmunzelt. Ein leichter Anflug von Stolz und Bewunderung schimmert in seinen Augen. Einen Moment ist die junge Frau verleitet zu fragen was ihm durch den Kopf geht, lässt es dann aber. Sie spricht sich Mut zu und öffnet die Tür. Lorie steht da, knetet angespannt ihr Kuscheltier und sieht mit großen Augen auf. Sie scheint kurz davor zu stehen in Tränen auszubrechen. Mit einem sanften Lächeln reicht Emma ihr die Hand. Wortlos gehen sie zusammen den Flur entlang und in das Zimmer des kleinen Mädchens. Ohne Gegenwehr geht das Kind ins Bett und lässt sich zudecken. Irgendetwas drängt das Kindermädchen den friedlichen Moment zu nutzen, auch auf die Gefahr hin, dass sie alles ruiniert. „Sag mal, erinnerst du dich an deine Zeit vorher? Als du noch ein Menschenkind warst?“, fragt sie behutsam und beobachtet die Kleine ganz genau. Lories setzt sich auf, ihr Blick verliert sich im Nichts und sie beginnt das Ohr ihres Kuscheltiers um ihren Finger zu wickeln. „Papa mochte mich nicht“, flüstert sie bedrückt. Die junge Frau ist sich unsicher ob sie nachfragen soll oder ob sie besser wartet bis das Mädchen von selbst weiterredet. Noch nie hat sie von ihrer Zeit davor gesprochen, also weiß sie nicht was besser ist. Doch die Entscheidung wird ihr abgenommen. „Viktor hat gesagt“, fährt Lorie nach einer kurzen Pause fort, „Papa mochte keine kaputten Sachen.“ „Und du warst kaputt?“, hakt das Kindermädchen irritiert nach. Kaputt ist schon ein recht merkwürdiger Ausdruck im Zusammenhang mit einem Kind. Was soll das bedeuten? Das Kind nickt, der Blick immer noch weit in die Ferne gerichtet. „Papa hat mich weggeben, dahin, wo man kaputte Menschen hingibt damit sie wieder heile gemacht werden.“ Emma weiß nicht was sie mehr verunsichert, dass was Lorie erzählt, oder wie. Normalerweise will sie immer wie eine Große behandelt werden und redet auch so. Diese Kindersprache die sie gerade an den Tag legt passt so gar nicht zu ihr und sorgt für ein deutliches Unwohlsein bei ihr selbst. „Der Doktor konnte meinen Kopf aber nicht wieder reparieren. Er hat Papa gesagt, dass ich einen Priester brauche, der das Böse aus meinem Kopf vertreibt.“ Während Lorie spricht, tippt sie sich gegen die Schläfe. Priester? Das Kindermädchen schüttelt es. Ein Exorzismus, das Kind redet von einem Exorzismus! Plötzlich ahnt sie was es mit dem Kaputt auf sich hat. Lorie stammt wohl aus einer Zeit, wo psychische Krankheiten noch als Besessenheit galten. Was muss das arme Ding in der Klinik, wenn man es überhaupt so nennen kann, alles erlebt haben? Waren das die Bilder? Die Bilder die sie gesehen hat als Lorie dieses Gedicht aufgesagt hat? Eine Welle der Schuldgefühle überkommt sie augenblicklich. Sie hätte nicht fragen sollen! Warum hat sie aus Peters und Nicolaes Geschichte nichts gelernt? „Als Mama tot war hat Viktor mich abgeholt und mich mit genommen“, erklärt das Mädchen und sieht auf. Ihre rehbraunen Augen richten sich auf die Studentin. „Er wollte mich heile machen, aber es hat nicht so richtig geklappt.“ Sie beugt sich vor, als wolle sie das größte Geheimnis der Welt mit der jungen Frau teilen. „Ich glaube, ich habe ihn ein auch bisschen kaputt gemacht bei dem Versuch.“ Ohne weiter darauf einzugehen oder noch etwas Anderes zu sagen legt sich das Kind wieder hin. Während sie Lorie wieder zu deckt, und ihr aus einem Impuls heraus einen Kuss auf das Haar gibt, schwirrt ihr der Kopf. Viktor war offenbar schon zu Lebzeiten ein Teil vom Leben des kleinen Mädchens. Das erklärt, warum sie einen anderen Bezug zu ihm hat. Womöglich erklärt die Geschichte auch diese eigenartigen Stimmungen die Lorie hat. Vielleicht liegt es gar nicht an ihrem jetzigen Zustand. Vielleicht ist, dass das Kaputt von dem sie geredet hat … Leise verlässt sie das Zimmer und steht verloren im Flur. Zu gern hätte sie nach der Mutter des Kindes gefragt, aber sie hat schon genug in der schrecklichen Vergangenheit der Kleinen rumgerührt. Und was bedeutet das Viktor Lorie heilen wollte? Und das er dabei auch ein bisschen kaputt wurde? Emma massiert sich die Schläfe. So viele kleine Puzzleteile die zusammengehören aber einfach kein Bild ergeben. Es fehlen einfach noch zu viele Teile, oder sie erkennt den Zusammenhang nicht, weil sie in die falsche Richtung denkt? Die schwere, düstere Klaviermusik umfängt sie allmählich und lässt ihre Gedanken immer zäher werden. Peter kann nichts für seine aktuelle Gemütslage, aber diese Töne stören die junge Frau gerade massiv. Sie will nachdenken und das kann sie hier nicht, nicht mit diesen dunklen Klängen. Sie weiß, dass sie das nicht sollte, aber sie kann gerade nicht anders. Schnell huscht sie in ihr Zimmer, holt ihre Jacke und verlässt das Herrenhaus Richtung Garten. Bis ihr Zimmergenosse bemerkt das sie weg ist wird es eine Weile dauern; und bis dahin wird sie auch zurück sein. Nur ein kleiner Spaziergang durch den Park, mehr nicht. Nur ein bisschen die Gedanken sortieren und Ordnung in ihren Kopf bringen. Kapitel 20: Offene Karten ------------------------- Der unerbittlichste Schuldeneintreiber ist die Vergangenheit. Alexander Saheb   Emma läuft durch den Garten. Nur der Mond und die Sterne begleiten sie durch das nächtliche Ambiente. Und ihre wirbelnden Gedanken. Während sie versucht die Geschichten und ihr Wissen irgendwie zu einer sinnvollen und schlüssigen Geschichte zusammen zu bringen, merkt sie nicht, dass sie bereits am Waldrand ist. Erst als das Licht des Mondes ihren Weg nicht mehr erhellt fällt es ihr so richtig auf. Erschrocken zuckt sie zusammen und sieht sich um. Verdammt! Sie sollte nicht hier sein. Nicolae hat gesagt, dass Drogo im Nebengebäude ist und das ist nicht weit entfernt. Auf keinen Fall will sie ihm im Augenblick begegnen. Gerade als sie umkehren will spürt sie wie ihr Geist sich verflüchtigt. Nicht das noch! Vor allem nicht jetzt! Die junge Frau kämpft gegen den Ruf der Zwischenwelt an, versucht Ludwig irgendwie begreiflich zu machen, dass sie jetzt nicht gehen kann. Doch der Zug wird immer kräftiger und ehe sie sich versieht verschwinden der Wald und die Nacht. Als ihre Wahrnehmung wieder funktioniert ist sie in dem altertümlichen Labor, in dem sie schon einmal gewesen ist. Flüssigkeiten blubbern in Glaskolben und Pflanzenteile liegen auf einem der Tische verstreut. „Emma?“ Sie dreht sich um und sieht sich Ludwig gegenüber, in seiner menschlichen Form. Der Anblick treibt ihr augenblicklich die Schamesröte ins Gesicht. Diese hässliche Manipulation durch Drogo mag nicht echt gewesen sein, trotzdem befindet sie sich in ihrem Gedächtnis. Sie sorgt dafür, dass sie sich unwohl fühlt und den Blick betreten senkt. „Ludwig“, nuschelt sie und sieht dann wieder auf. „Ich muss zurück. Du hast mich schon wieder in einem sehr ungünstigen Moment erwischt.“ Der Blick des Mannes ist undurchsichtig und verweilt einige Zeit in ihren Augen, dann schweift er durch den Raum. „Tut mir leid, aber …“ Er seufzt. „Es geht nicht anders. Wenn du im Haus bist … da ist etwas Dunkles das scheinbar darauf lauert das ich Kontakt zu dir aufnehme.“ „Etwas Dunkles?“, wiederholt die Studentin verwirrt. Wie kann etwas … Dann begreift sie es plötzlich. Die Stimmung im Haus, dieses Gefühl von Kälte und Gefahr … Viktor! Aber warum sollte er darauf lauern? Und hätte er überhaupt Einfluss darauf? Sie erinnert sich, dass sie diesbezüglich auch nichts in den Büchern gefunden hatte, und sie dir Frage, ob ein Urvampir in die Zwischenwelt kann, nicht klären konnte. „Ich verstehe nicht warum.“ Ludwig senkt den Blick und brummt. „Erinnerst du dich nicht?“, fragt er leise und sieht unschuldig auf, und ein wenig betreten. Ihr kommt wieder die Sache mit den Erinnerungen an ihre Kindheit zurück … und das sie zweifelt, weil sie nicht weiß ob ihr Traum recht hat. Als sie noch dachte, dass sie womöglich in der Zwischenwelt war, war es irgendwie eindeutiger, aber nun … „Ich … ich weiß nicht. Ein bisschen vielleicht.“ „Ein bisschen?“, hakt er leicht amüsiert nach und schmunzelt. Er geht einige Schritte auf die junge Frau zu. Er streckt seine Hand auf und legt sie ihr auf die Schulter. Geniert reibt sich Emma über die Stirn. Es hilft nichts, wenn sie wissen will ob es nun stimmt oder nicht muss sie ihn fragen. „Ich erinnere mich an einen Freund, der mir nach dem Tod meiner Eltern beistand. Und ich erinnere mich, dass meine Großmutter mich zu einem Psychologen schleifte, weil der Freund nicht echt war“, erklärt sie in Kurzfassung. Sie sieht auf und mustert Ludwig eingehend. Ein warmes Lächeln umspielt den markanten Mund des Mannes. Er nickt ohne etwas zu sagen. „Ich habe mich danach zurückgezogen, weil ich dir keine Probleme machen wollte. Aber ich war immer da und hatte ein Auge auf dich.“ Ein Kribbeln huscht durch ihren Magen. Das Kindermädchen weiß wie er das meint, aber sein Ton war rau und sinnlich … und dadurch irgendwie zweideutig. Es war doch nur ein Traum, tadelt sie sich gedanklich selbst. Sie sollte aufhören darüber nachzudenken. „Aber ich weiß immer noch nicht woher du kommst“, versucht sie sich selbst abzulenken; und endlich Antworten zu bekommen. Ein trauriger Schimmer huscht durch die braunen Augen. „Daran musst du dich selbst erinnern“, sagt er leise. „Du hast es nicht grundlos vergessen, daher ist es wichtig, dass du dich auch wieder selbst erinnerst.“ Emma spürt wie Frust in ihr hochkommt. Immer diese Geheimniskrämerei! Warum sagt er ihr nicht einfach wann und wo sie sich das erste Mal begegnet sind? Das kann doch nicht so problematisch sein! Oder? Allerdings hat sie das scheinbar verdrängt, also … vielleicht war ihre Begegnung damals nicht schön? Vielleicht hängt sie mit etwas Schrecklichem zusammen? Sie seufzt und lässt den Kopf hängen. Ludwig tritt einige Schritte zurück. Seine Augen sehen intensiv in die der jungen Frau und Scham macht sich in ihnen breit. Er wendet den Blick ab, starrt auf einen Punkt irgendwo in dem Labor. „Ich“, beginnt leise. „Wo sind wir hier eigentlich?“, grätscht das Kindermädchen dazwischen. Sie spürt, dass ihr der Mann etwas erzählen will, etwas das ihm außerordentlich unangenehm zu sein scheint. Aus ihr unbekannten Gründen will sie es aber nicht hören. Irgendwo ganz tief unten in ihrem Magen hat sich ein hässlicher Krampf gebildet als er angefangen hat zu sprechen – und das ist kein gutes Zeichen. Und selbst ihre Neugier scheint sich nicht zu melden. Wahrscheinlich hat diese auch genug von den ganzen schlechten Offenbarungen die sie ihret wegen hatte. „Ich habe hier damals versucht ein Heilmittel zu finden“, erklärt er schwermütig. „Ich habe gehasst was ich war. Jeden Vollmond wurde ich zu einem wilden Tier, ohne Sinn und Verstand. Es wurde zwar mit der Zeit besser und ich hatte mich dann irgendwann auch nach meiner Verwandlung halbwegs im Griff, aber …“, er bricht ab und fährt sich durch die Haare. Es muss schrecklich sein sich so zu verlieren ohne etwas dagegen tun zu können. Sie erinnert sich, dass Sebastian ihr gesagt hat, dass er auch in seiner Wolfsform seinen Verstand beibehält; auch wenn die animalischen Triebe die Oberhand haben, ist er ihnen nicht völlig ausgeliefert. Noch dazu ist ein Werwolf ein ganz anderes Kaliber. Sie sind keine Tiere, sondern Bestien. Zu gern würde sie die Hand ausstrecken um Ludwig etwas Trost zu spenden. Doch die Studentin kann nicht. Das was er ihr vorhin sagen wollte hängt noch schwer in der Luft und scheint immer mehr an Bedeutung zu gewinnen. „Hör zu“, beginnt der Mann von neuem und sein Blick richtet sich auf die junge Frau. Er fixiert regelrecht, wie ein Jäger die Beute. Er scheint nicht gewillt sich wieder von ihr unterbrechen zu lassen. „Was bei unserer letzten Begegnung passiert ist tut mir leid. Ich … ich hätte das nicht tun dürfen, nicht nachgeben dürfen. Das war … ich … sie … alles hat sich vermischt. Deine Emotionen für Sebastian, meine für sie damals …“ Einen Augenblick stehen ihre Gedanken und Emotionen still, dann hat Emma das Gefühl als würde sie ein Laster mit voller Wucht überfahren. Es war echt! Ihr wird kalt und heiß; ihr Magen zieht sich zusammen und dreht einen Salto. Sie hat mit ihm geschlafen! Es war nicht Drogo, der das kreiert hat, es war Ludwig; und auch sie selbst, so ehrlich muss sie sein. In ihrem Kopf wirbelt alles wild durcheinander. Immer wieder kommt ihr derselbe Gedanke: Es war real! Aber wie ist das möglich? Plötzlich wird ihr bewusst, dass es letztes Jahr ja auch real war. Die Geister sind in ihre Träume eingedrungen. Wie konnte sie das nur vergessen?! „Es tut mir leid“, wiederholt sich Ludwig. „Deine Emotionen für Sebastian, wenn ihr euch nah wart …“ Er rauft sich die Haare und ein kläglicher Fiepton ist zu hören. Das Kindermädchen sieht auf. Der Mann ist verschwunden, in der Ecke hockt ein großer schwarzer Werwolf. Ohren angelegt, Kopf gesenkt. Er bedauert was passiert ist, oder? Sie weiß gerade nicht was sie von ihm halten soll. Sie hat ihm vertraut, er weiß von ihren Gefühlen für Sebastian und trotzdem hat er ihr das angetan. Schlimmer noch; er hat ihre Gefühle benutzt. „Wie konntest du nur?!“ Sie kann die Enttäuschung nicht aus ihrer Stimme verbannen, und auch die Wut nicht. „Ich habe sie geliebt; mehr wie Nicolae sich je vorstellen kann. Du und sie … Ich weiß, dass es keine Entschuldigung ist, aber ihr seid euch sehr ähnlich; nicht nur rein äußerlich.“ Die goldenen Augen des Werwolfs sehen auf. „Und deine Empfindungen für Sebastian … ich … ich wünschte sie hätte das damals für mich empfunden. Alles hat sich ineinander vermischt; du, er, sie und ich.“ Emma dämmert langsam etwas. Ihre Verbindung zu dem Werwolf ist stark; so stark, dass er ihre Gefühle spürt. Und sie einen Teil seiner … Sie erinnert sich, dass sie während der „Geschehnisse“ den Eindruck hatte seine Gedanken hören zu können. Nicht sehr deutlich, eher wie ein leises Flüstern in der Ferne, aber sie waren da. Ihr fällt noch etwas wieder ein; etwas das Ludwig gesagt hatte, als sie sich das erste Mal begegnet sind „… dass ich ein wenig neidisch bin, weil er das geschafft hat, was mir damals verwehr geblieben ist.“ Und Nicolaes Verlobte hatte gesagt, dass Ludwig und Sebastian sich ähnlich sind … „Er ist … Sebastian ist deine Wiedergeburt, oder?“, fragt sie vorsichtig nach. Der Werwolf antwortet nicht, brummt nur und scheint sich ertappt und unwohl zu fühlen. Warum ist sie nicht eher darauf gekommen? Die Studentin könnte sich selbst Ohrfeigen. Es erklärt zumindest teilweise dieses Gefühlschaos; bei ihr und bei Ludwig. Er hat das Gefühl seine Liebe von damals vor sich zu haben und sie hat ständig das Gefühl an Sebastian erinnert zu werden. Und trotzdem. Sie hätten das nicht tun dürfen! Ohne Vorwarnung springt die schwarze Bestie auf. Ein lautes Knurren donnert durch das Labor und im nächsten Moment steht er vor der jungen Frau. Sie kann den kurzen Aufschrei vor Schreck nicht verhindern. Doch sie merkt schnell, dass die Bedrohung nicht von ihm ausgeht. Ein eisiger Schatten legt sich über das Labor. Er gleitet geräuschlos über die Tische und das Equipment; verschlingt alles. Ludwig steht vor dem Kindermädchen, schirmt sie ab gegen das was auch immer sie da bedroht. Plötzlich löst sich alles auf … „Komm schon. Mach die Augen auf, Rotkäppchen.“ Zittrig öffnet Emma die Augen. Es ist dämmrig um sie herum, alles liegt im Halbdunkel. Sie spürt das ihr Körper kalt ist, aber langsam wieder warm wird. Eine Decke liegt über ihr, ihr Kopf ruht auf einem Kissen. Sie ist in einem Bett. Langsam nimmt sie ihre Umgebung war. Ein Raum, ein Wohnzimmer. Es wirkt alles etwas improvisiert, aber trotzdem irgendwie charmant. Wo zum Teufel ist sie? „Du lernst es auch nie, was?“, wird sie leise und stichelnd von der Seite gefragt. Die junge Frau dreht den Kopf und braucht kurz um einzuordnen wer da vor ihr hockt. Drogo! Eine Welle der Emotionen überkommt sie; Angst, Scham, Wut und ein wenig Freude. „Wo bin ich?“, fragt sie ein wenig heiser und zieht die Decke enger um sich. „Wir sind im Nebengebäude“, erklärt der Blonde. Seine nussbraunen Augen mustern sie eindringlich. „Ich habe dich draußen aufgesammelt. Du lagst in der Kälte und warst nicht ansprechbar.“ Eine Weile sieht sie den Vampir an und weiß nicht so wirklich was sie sagen soll. Sich entschuldigen, weil sie ihm das mit Ludwig angedichtet hat? Sich bedanken das er sie eingesammelt hat? Oder ihn Ohrfeigen wegen dem was in der Bibliothek passiert ist? Denn die Geschehnisse dort gehen ganz klar auf seine Kappe. Nach einigem hin und her steht die Reihenfolge für die Studentin fest. „Danke“, nuschelt sie. Drogo winkt ab. „Nicolae hätte mich in Stücke gerissen, wenn dich dort einfach liegen gelassen hätte“, sagt er nonchalant und steht auf. Er geht zu dem großen Tisch im Raum und setzt sich darauf. Er wirkt distanziert und alles andere als glücklich mit dem Umstand das die junge Frau hier ist. „Ich hätte dich ja ins Herrenhaus zurückgebracht, aber …“ Er lässt den Satz unvollendet. Emma nickt. „Ich weiß. Nicolae hat mit mir gesprochen.“ Eine unangenehme Stille macht sich breit und nimmt ihr förmlich die Luft zum Atem. Ludwig spukt ihr noch durch den Kopf; und die Erkenntnis was sie da mit ihm getan hat. Doch sie muss sich jetzt auf die Situation vor ihrer Nase konzentrieren. Und ihre Wut, die gerade die Oberhand gewinnt. „Das in der Bibliothek war grausam von dir“, brummt sie und fixiert den Blonden. „Ts.“ Der Jüngste der Brüder erwidert den Blick, eisig und emotionslos. „Selbst schuld. Wäre vielleicht hilfreich gewesen, wenn du deinen Schweinskram nicht unbedingt in meiner Nähe geträumt hättest“, knurrt er aggressiv. „Damit rechtfertigst du dich?!“, faucht sie ungehalten zurück. Wie kann er ihr jetzt du Schuld dafür geben?! Als ob sie ihre Träume kontrollieren könnte! „Hast du wirklich so wenig Selbstkontrolle? Da hat selbst Lorie sich ja besser im Griff!“, donnert sie zurück. Grollend springt der Blonde auf. „Du hast doch gar keine Ahnung wie das ist! Bildest dir ein du wüsstest alles, bildest dir ein die Welt wäre ein Märchen in dem am Ende alles wieder gut wird … aber so ist es nicht“, zischt er und seine Augen färben sich rot. Emma spürt förmlich wie Drogo von seinen Emotionen überrollt wird. Wie er kämpft und gleichzeitig nachgeben will. Sie sollte schleunigst hier raus! Womöglich endet sie sonst wie Mia. Sie springt aus dem Bett und eilt zur Tür, auch wenn sie wenig Hoffnung hat, dass er sie wirklich gehen lässt. Im nächsten Moment prallt sie gegen seinen Oberkörper. Der Jüngste der Brüder steht vor ihr; und damit zwischen ihr und der Tür. Seine glühenden Augen fixieren seine Beute und der Hunger zeichnet sich deutlich in seinem Gesicht ab. Das war es jetzt, denkt das Kindermädchen. Er wird sie beißen, aussaugen und töten. Oder schlimmer, er wird sie zurücklassen wie er es mit Mia getan hat; und dann wird sich womöglich Viktor ihrer entledigen … Tränen rollen ihr über die Wangen und sie schließt die Augen. Kapitel 21: Drogo ----------------- Jeder Mensch selbst ist Verursacher seiner Schatten. Kersten Kämpfer     Eine ohrenbetäubende Stille beherrscht den Raum. Auch wenn Emmas Herz schnell und kräftig schlägt, hört und spürt sie es nicht. Alles scheint auf Pause zu stehen. Sie wartet. Doch nichts geschieht. Vorsichtig öffnet sie die Augen. Drogo steht immer noch an Ort und Stelle. Seine nussbraunen Augen wirken überwältigt, ohnmächtig. Er beobachtet die Tränen auf ihren Wangen. „Du machst mich verrückt“, flüstert er. Sein Blick wandert zu ihrem und scheint ihn festzuhalten. „Es tut mir leid“, antwortet sie unsicher. Das Kindermädchen hat eigentlich keine wirkliche Ahnung für was sie sich so recht entschuldigt hat, aber es ist trotzdem ernst gemeint. Sie hat den Eindruck das sie den Vampir mit ihrer bloßen Anwesenheit quält ohne es zu wollen. Der Blonde lacht, freudlos und traurig. „Du hast wirklich keine Ahnung, kleines Ding. Es ist die Hölle, weißt du?“ Sie unterdrückt den Impuls nachzufragen was er genau meint. Die Studentin hat Angst vor dem was er ihr sagen würde. Als sein Daumen über ihre Wange streicht um die letzte Tränen wegzuwischen hat sie aber eine Ahnung was er meint. „Dir nah zu sein, ohne es wirklich zu sein – zu dürfen. Mitzuerleben wie du von diesen Kötern geträumt hast … das hat mich rasend gemacht“, knurrt er. Seine Augen halten ihre noch immer gefangen, als wolle er das sie sieht was in ihm vorgeht. „Eifersüchtig“, flüstert er kaum hörbar. „Er mag dich mehr wie er sollte“, genau das hat Nicolae ihr gesagt. Und jetzt wird der jungen Frau erst das ganze Ausmaß seiner Worte bewusst. „Wenn ich …“, haucht sie und verliert sich in Was-wäre-wenn-Szenarien. Sie hätte sich von ihm ferngehalten, sich ihm gegenüber anders benommen. Oder? Schwierig zu sagen. Sie mag ihn ja. Er hat ihr gefehlt als er so distanziert war … Allerdings sind ihre Gefühle rein freundschaftlicher Natur. Drogo löst sich von ihr und ist im nächsten Augenblick zurück am Tisch. Er verschränkt die Arme. „Du solltest gehen.“ Er hat Recht; sie sollte gehen. Aber stattdessen dreht sich Emma um und sieht den Jüngsten der Brüder an. Jetzt oder nie. Sie müssen das klären; hätten sie schon vor Wochen. Sie hatte so viel Angst vor diesem Gespräch, dass sie es hinausgezögert hat, dass sie es eigentlich gar nicht führen wollte. Vielleicht wäre alles anders verlaufen, wenn sie eher den Mut gehabt hätte. Sie wird jetzt nicht wieder einen Rückzieher machen, vor allem wo sie sieht, wie es ihn quält. „Ich empfinde nicht das gleiche für dich …“, beginnt sie leise. „Lass es einfach“, grätscht der Blonde aggressiv dazwischen. Sein wütender Blick richtet sich auf sie. „Aber“, fährt sie unbeirrt fort, „Das heißt nicht, dass du mir egal bist.“ Das Kindermädchen wartet kurz bevor sie weiterredet. Die Haltung des Vampirs wechselt von Wütend zu Abwesend und gibt ihr die Gewissheit, dass er ihr zu hört. „Es tut mir weh dich so zu sehen. Noch mehr, weil ich dafür verantwortlich bin. Und weil ich merke, dass dich noch andere Dinge wie das hier quälen. Auch wenn es wahrscheinlich keine gute Idee ist, und ich immer noch enttäuscht bin, weil du mir deine Fähigkeit verschwiegen hast, und wütend wegen der Sache in der Bibliothek, sollst du wissen, dass ich für dich da bin. Ich werde ein offenes Ohr für dich haben, oder mich einfach mit dir Streiten, wenn dir das hilft. Oder dich einfach für immer ignorieren, falls es das ist was du willst.“ Sie holt tief Luft und beobachtet gespannt die Reaktion ihres Gegenübers. Drogo starrt vor sich hin, lacht kurz zwischen hämisch und amüsiert und sieht sie dann an. „Du bist echt unmöglich, kleines Ding“, stichelt er und grinst schief. Die Studentin fasst sich ein Herz und geht einige Schritte auf ihn zu. „Ich meine es ernst. Wir sind Freunde. Nicht mehr; aber vor allem nicht weniger.“ Genau da ist es, was sie empfindet. Vielleicht hätte sie die jüngsten Ereignisse entschärft, wenn sie eher den Mut gehabt hätte es ihm zusagen. Innerlich hasst sie sich gerade selbst und ihr fällt wieder ein, wie in Drogos Armen gelegen hatte nachdem Gespräch mit Nicolae und feststellet, dass sie ein Monster ist. Ihre Einschätzung war womöglich gar nicht so falsch … Still mustert der Blonde sie einige Augenblicke, dann seufzt er und nickt. „Tut mir leid wegen … na ja … das in der Bibliothek. Ich habe einfach rotgesehen und die Chance genutzt. Ich … Ich hatte mich einfach nicht unter Kontrolle, weil … weil …ich wusste das es nie Wirklichkeit wird und ich … noch einmal … scheiße …“, stammelt er. „Ich bin froh, dass du dich zumindest nicht mit Viktor rechtfertigst“, nuschelt Emma und senkt kurz den Blick. Sie hätte es nicht ertragen, wenn er einfach alles auf den alten Bartholy geschoben hätte um sich seine Tat zu erklären. Nicht, dass seine jetzige Erklärung sich wirklich besser anfühlt. Lässt man nämlich mal alles andere irgendwie beiseite, hat er ihr im Grunde gerade gesagt, dass er unbedingt noch mal mit ihr in die Kiste wollte, weil er weiß das sie Gefühle für einen anderen hat. So eine Logik funktioniert wahrscheinlich auch nur in seiner Welt. „Er ist nicht unschuldig daran, aber ich hätte mich einfach von dir fernhalten sollen.“ Auch Drogo sieht interessiert den Boden an und rutscht für ihn untypisch unruhig hin und her. „Es ist ja nicht so, dass ich nicht weiß, was passieren kann, wenn meine Impulsivität die Oberhand gewinnt …“ Das Kindermädchen ahnt allmählich, warum ihm das alles so sehr zu schaffen macht. Nicolae hatte sie zwar darum gebeten, dass sie nichts erzählt, aber sie will den Vampir nicht weiter im Ungewissen lassen. „Es ist wegen Mia, oder?“, fragt sie behutsam. Der Blonde hebt abrupt den Blick. Er verengt misstrauisch die Augen. „Woher weißt du von ihr?“ Die Stimmung kippt schon wieder und eigentlich möchte die junge Frau nun doch einfach gehen. Sie bekommt Angst vor seiner Reaktion, aber eine innere Stimme sagt ihr, dass sie mit offenen Karten spielen sollte. „Ich habe sie getroffen“, erklärt sie unsicher. Ungläubig sieht Drogo sie an. „Du hast was?!“ „In der Nacht als du mich im Wald aufgesammelt hast, ist sie kurz vor dir aufgetaucht.“ Die Studentin hebt die Hand um ihn davon abzuhalten sie zu unterbrechen. „Sie sagte mir, dass ich mich von dir fernhalten soll, dass deine Verbindung zu deinem Schöpfer stark ist. Sie hat mir erzählt, was passiert ist …“ „Mia ist in der Gegend? Das kann nicht sein! Ich … ich hätte das gespürt …“ Der Vampir läuft im Raum auf und ab. „Sie“, beginnt das Kindermädchen leise, „Sie war nicht echt. Mia war ein Seelenfragment.“ Eine unbändige Angst überkommt sie vor seiner Reaktion. Nicolae wird sie nicht grundlos gebeten haben das für sich zu behalten, aber sie kann einfach nicht. Ihr Instinkt sagt ihr, dass das hier wichtig ist – für sie beide. Doch statt einem Wutausbruch, mit dem sie irgendwie gerechnet hat, passiert etwas Anderes. Der Blonde bleibt stehen und sinkt in sich zusammen. Mehrere Minuten passiert nichts. Die Nacht und die Vergangenheit vermengen sich miteinander und legen einen dicken Teppich der Verzweiflung über ihn. „Ich bin ein Monster“, stellt er schließlich schmerzhaft fest. Emma schaudert es. „Sag doch nicht so etwas!“, protestiert sie. Wie kann er das nur von sich denken? Ja, er ist nicht Prinz Charming, aber das muss er auch nicht. Ihre Gedanken werden jäh unterbrochen als passiert, womit sie vorhin schon gerechnet hat. „Halt doch den Mund!“, donnert Drogo ungehalten. „Das ist kein Märchen, Rotkäppchen. Das ist die Realität. Da wird niemand gerettet, sondern einfach gefressen!“ Er schlägt mit der Faust auf den Tisch. Unter krachenden Getöse zersplittert das Holz und die Teile fliegen durch den Raum. Die junge Frau hebt reflexartig die Arme um sich zu schützen. Sie weicht zurück bis sie die Wand im Rücken hat. Sie hat Angst, gleichzeitig ist sie bestürzt. Sie muss ihn unbedingt beruhigen bevor noch etwas Schreckliches passiert, was er für immer bereuen wird. Als er gegen die Wand schlägt, die krachend nachgibt, löst sich ihre Schockstarre endlich. „Hör auf!“, brüllt sie. „Ich bin ein Monster“, wiederholt er sich und scheint sich völlig in seinem Wutanfall zu verlieren. „Ich habe sie doch getötet.“ „Hast du nicht“, gibt Emma zurück ohne darüber nachzudenken. Plötzlich wird ihr bewusst, dass die Brüder ja dachten das ihr Schöpfer Mia mitgenommen hat um sie zu verwandeln. Ihr rutscht das Herz in die Hose … Der Vampir dreht sich zu ihr hin und seine roten Augen funkeln bedrohlich. „Doch. Sie ist tot, weil ich mich nicht beherrschen konnte …“ „Nein“, unterbricht sie ihm. „Er war es. Viktor.“ So plötzlich wie der Krawall des berstenden Möbels und der krachenden Wände begonnen hat endet er. Drogo ist offensichtlich verwirrt und mustert die Studentin um sicher zu gehen, dass sie ihn nicht belügt. „Er? Viktor? Aber …“ Als würde ihn die Kraft verlassen lehnt er sich kopfschüttelnd gegen die Wand. „Sie hat noch gelebt“, erklärt das Kindermädchen. „Mia hat mir erzählt, dass sie noch am Leben war, als du … weggegangen bist.“ Sie wollte eigentlich geflüchtet sagen, aber wahrscheinlich wäre das keine gute Idee. Ihr Gegenüber scheint schon genug mit seinen Schuldgefühlen zu kämpfen, da muss sie nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. „Wenn ich sie richtig verstanden habe, hat Viktor irgendwie von allem mitbekommen und er hat sie … geholt.“ In seine Hölle; sie wird die Worte nie wieder vergessen und das schreckliche Gefühl welches sie in ihr ausgelöst haben. „Ich … ich weiß. Ich dachte er hat sie … aber …“ Der Vampir scheint sich in seinen Emotionen und Gedanken zu verhaspeln. „Ich habe ihn gespürt, wie er sich meiner Triebe bemächtigt hat. Ich … ich dachte er wollte sie und hat … Ich …“ Emma hat sich langsam zu dem Blonden hinbewegt und legt ihm vorsichtig die Hand auf den Oberarm. Sie kann sich keinen Reim darauf machen, was genau passiert ist, was Viktor den Brüdern gesagt hat und was er damit bezweckte. Was sie weiß ist, dass ihr Gegenüber leidet – und das nicht zu knapp. „Ich bin ein Monster …“, wiederholt er desillusioniert und wehrt ihre Hand ab. Er zieht sich zurück in die andere Ecke des Raums. „Es ist meine Schuld, ich habe sie getötet.“ „Du bist kein Monster“, flüstert die junge Frau. „Du bist … du, mit allem was dich ausmacht. Deinen Fehlern, aber auch deinen Stärken.“ So sehr sie den Jüngsten der Brüder manchmal auch fürchtet, aber im Moment ist das weit weg. Hier vor ihr steht nicht der arrogante Angeber, der über allem und jeden steht. Hier steht ein junger Mann, gezeichnet vom Leben und gequält von seinen Fehlentscheidungen. Alles das, was er sonst unter einer dicken Schicht aus Sarkasmus und Aggression versteckt offenbart sich hier gerade. „Hör auf“, knurrt er. „Ich hatte mich nicht im Griff. Nicolae hat mich gewarnt, hat mir gesagt das ich … ich wollte nicht hören; wie immer. Ich dachte ich wäre stärker als das. Ich dachte meine Gefühle für sie wären stärker als das. Und Mia hat für meine Ignoranz gezahlt …“ „Aber du hast daraus gelernt“, versucht die Studentin ihm ins Gewissen zu reden. Jeder macht Fehler, sie muss sich da nur an die eigene Nase fassen. Manche haben kaum Konsequenzen, andere wiederum verfolgen einen ein ganzes Leben lang. Und wenn dieses Leben auch noch unsterblich ist … Doch das Wichtigste ist etwas Anderes. Wieder geht sie auf ihn zu, bleibt aber einige Schritte vor ihm stehen und wartet bis er sie ansieht. „Du hast begriffen was falsch gelaufen ist und daraus gelernt. Ohne Mist. Hast du mal darüber nachgedacht wie oft du allein im letzten Jahr die Chance hattest mir weh zu tun? Und dieses Jahr?“ Drogo wendet den Blick wieder ab, runzelt aber die Stirn was deutlich macht, dass er ins Grübeln kommt. „Und? Nichts ist passiert. Im entscheidenden Moment hast du dich beherrscht …“, spricht sie weiter. Nichts auf der Welt wird wieder gut machen was mit Mia geschehen ist, das ist ihr bewusst. Aber das sich der Blonde nun bis in alle Ewigkeit selbstgeißelt ohne seine eigenen Fortschritte wahrzunehmen kann es auch nicht sein. „Außerdem bin ich nicht Mia.“ „Stimmt“, bestätigt er. Er öffnet den Mund um etwas hinzuzufügen, aber kein Wort verlässt seine Lippen. Stumm formen sie das, was er nicht aussprechen will. „Du bist das kleine Ding“, schnurrt Drogo schließlich mit einem reißerischen Grinsen. Emma weiß nicht so recht. Das was er ihr sagen wollte, aber nicht gemacht hat, sah verdächtig nach „ich fühle mehr für dich wie für sie damals“ aus, aber sie ist sich nicht sicher. Und sie will auch nicht fragen. Stattdessen springt sie einfach auf seinen letzten realen Satz an. „Oder wahlweise das Rotkäppchen …“, lacht Emma und der Vampir stimmt mit ein. Die Anspannung löst sich endlich ein wenig. „Du hast mir noch nicht gesagt wie ich mich nun verhalten soll“, merkt sie noch neckisch an und hofft, dass es nicht gleich wieder ein Schuss in den Ofen ist. Eindringlich mustert der Blonde sie und schmunzelt dann. „Ich denke, wir waren doch auf einem ganz guten Weg bisher. Allerdings solltest du im Moment wohl eher etwas Abstand halten, so lange der Alte noch in der Nähe ist.“ Das Kindermädchen nickt. Sie erinnert sich an den Nachmittag mit Lorie und der Puppenhochzeit. Und sie geht mal davon aus, dass er ihr nicht wieder irgendwelche Träume aufhalst, oder in ihren herumspioniert. Die Erwähnung von Viktor bringt sie wieder zu Ludwig, und dem lauernden Schatten von dem er gesprochen hat. Und abrupt zu etwas völlig Anderem. Die Sache mit dem Traum und Ludwig lässt sie nicht mehr los. „Das mit Ludwig … Ich … Tut mir leid, dass ich dir das unterstellt habe“, erklärt sie schüchtern. „Hast du? Eigentlich sollte ich mich gekränkt fühlen, dass du das überhaupt in Betracht gezogen hast“, erklärt der Vampir nonchalant. „Warum ist das alles so kompliziert und unverständlich?“, meckert Emma vor sich hin, ohne auf seinen Kommentar einzugehen. Es ist zum verrückt werden! „Ich wünschte, es gäbe ein Handbuch für all das. Die Geister, meine Fähigkeit, Träume, die Zwischenwelt …“ Drogo lacht amüsiert. „Die magische Welt ist alles; außer einfach. Alles ist in einander verwebt und beeinflusst sich gegenseitig. Regeln die für die einen Wesen gelten, gelten nicht für andere. Und Dinge die in der einen Welt so funktionieren, funktionieren in der anderen völlig anders.“ „Wow“, reagiert die junge Frau betont sarkastisch. „Wer hätte gedacht das ein intelligenter Philosoph unter diesem Bad-Boy-Mantel steckt.“ „Nicht jeder geht mit seinem Wissen hausieren“, witzelt der Blonde und streckt im nächsten Moment den Rücken durch. Seine lässige Haltung weicht von ihm und er scheint sich in die Ferne zu konzentrieren. „Dein Abholdienst ist da“, knurrt er angesäuert. „Abholdienst? Wovon redest du?“, fragt sie irritiert, im nächsten Moment fliegt die Tür auf. Kapitel 22: Fremdes Revier -------------------------- Liebe ist die gefährliche Reise einer Seele in die noch unbekannten Welten einer anderen… Elmar Kupke     Ein Knurren hallt durch den Raum; bedrohlich und tief. Doch Emma fürchtet sich nicht. Das könnte sie nicht, niemals. Sie erkennt sofort an Tonfarbe und Klang, auch wenn es nicht so extrem animalisch klingt, wer da hinter ihr in der Tür aufgetaucht ist. Ihr Herz klopft aufgeregt und alle ihre Sinne scheinen sich auf das Maximum zu sensibilisieren. Ein kurzes Poltern lenkt sie ab. Das Fenster schwingt noch einmal auf und wieder zu. Drogo ist verschwunden ohne ein Wort zu sagen. Die junge Frau dreht sich um und kann es kaum begreifen. Ja, sie wusste eigentlich wer da so unerwartet aufgetaucht ist, immerhin hat sie sein Knurren erkannt – wie absurd das auch klingen mag – aber jetzt wo sie ihn sieht, wirklich sieht, setzt ihr Gehirn irgendwie aus. Da steht er. Groß. Majestätisch. Als wäre er der Herrscher der Wildnis. Seine bernsteinfarbenen Augen nehmen ihre sofort gefangen und beginnen regelrecht zu leuchten. Als wäre sie der größte Schatz auf Erden begutachtet er sie. Während sein ganzer Körper angespannt ist bis zum äußersten, werden seine Gesichtszüge weich und warm. „Meine Süße“, flüstert er, als wäre gerade die Last der Welt von ihm gefallen. Die Studentin weiß gar nicht wie ihr geschieht. Ohne es wirklich zu bemerken ist sie bereits auf Professor Jones zu gelaufen. Er ist hier. Hier bei ihr. Die Monate der Ungewissheit, seiner Kälte und Abweisung sind plötzlich egal und meilenweit entfernt. „Sebastian“, haucht sie überwältigt. Glückshormone fluten sie regelrecht und sie hat das Gefühl ihr zerplatzt vor lauter Freude jeden Moment das Herz. Er öffnet seine starken Arme und sie kann nicht anders als der Einladung zu folgen. Sie fällt regelrecht in seine Umarmung und kann die Tränen der Freude und Erleichterung kaum zurückhalten. Während Sebastian sie fest an sich drückt vergräbt er seine Nase in ihrem Nacken. „Ich habe dir doch versprochen, dass ich auf dich aufpasse“, flüstert er gegen ihre zarte Haut. Die junge Frau fühlt wie er seine Umarmung verstärkt. Sie hat den Eindruck, als würde sein Herz genauso schnell und kräftig klopfen wie ihrs. Trotzdem fragt sie sich, was er hier macht. Ihr kommt wieder in den Sinn, dass Nicolae mit dem Professor reden wollte. Und dieser kryptische Satz vorhin. Die Lösung, die sich noch nicht entschieden hat … ist Sebastian diese Lösung? Wollte er damit über ihn reden? Sie löst ihr Gesicht von seiner Brust an die sie sich fest geschmiegt hatte und sieht auf. Eigentlich will sie ihn all das fragen, aber seine leuchtenden Augen rauben ihre alle Sinne und Gedanken. Die Wildheit darin nimmt sie in Beschlag; und sie erkennt auch die Sehnsucht dahinter. Und das Verlangen, welches sich auch untrüglich gegen ihren Unterbauch zudrücken beginnt und ein heftiges Feuer darin entzündet. Einen Moment scheint der Professor dagegen anzukämpfen. Er verzieht einen Augenblick das Gesicht und knurrt. Dann fällt er regelrecht über den Mund der Studentin her. Ein leidenschaftlicher Kuss entsteht. Hungrig streichen und erkunden ihre Lippen die des anderen. Während sich Emma immer enger an den kräftigen Körpern drängt und sich seine verzehrenden Lippen entgegenstreckt, beginnen Sebastians Hände eine Erkundungstour über ihre Seiten hin zu ihrem Hintern. Sanft stöhnt die junge Frau in den Kuss und krallt sich an seinem Nacken fest, weil ihre Beine anfangen zu zittern. Der Professor beendet die stürmische Eroberung, spürbar widerwillig. Er nimmt ihr Gesicht sanft in beide Hände, als wäre sie für ihn das wertvollste der Welt und taucht in ihren Blick ein. „Das ist kein guter Zeitpunkt“, erklärt er rau und bedauernd. „Der Wolf ist noch zu präsent im Augenblick.“ Das Kindermädchen erinnert sich, dass er ihr mal erzählte, dass er am Tag nach der Verwandlung immer noch Probleme hat. Nicht nur die Müdigkeit, sondern auch sein animalischer Begleiter machen ihm dann schwer zu schaffen. Am liebsten würde sie ihm sagen das ihr das egal ist und sie damit klarkommt (einen kurzen Moment kommt ihr Ludwig in den Sinn), aber sie weiß, dass Sebastians größte Angst darin besteht, dass er jemanden verletzt. Erst recht wenn ihm dieser jemand nahesteht und wichtig für ihn ist. Und genau dieses Wissen lässt sie ihren Prostest, und auch ihre Lust, hinunterschlucken. Sie nickt schüchtern und löst sich leicht von ihm. Der Archäologe atmet tief durch und versucht wieder Haltung anzunehmen, was ihm sichtlich schwerfällt. „Nicolae hat mit mir heute Morgen gesprochen. Er hat mir die Situation im Herrenhaus erklärt.“ Also lag sie mit ihrer Vermutung gerade richtig. Nun macht es auch Sinn, dass der Älteste der Brüder so daran interessiert war, wann der Professor wieder zurück sein wird. „Okay“, sagt sie um ihrem Gegenüber zu sagen das sie ihn verstanden hat. „Aber warum bist du nun hier?“, fragt sie neugierig und hofft inständig, dass sie richtigliegt. Vielleicht ist er die Lösung, wie auch immer die konkret aussehen mag. Ruhig liegt Sebastians Blick auf ihr, als würde er noch einmal nachdenken. „Du kannst nicht hierbleiben, das ist viel zu gefährlich“, stellt er unmissverständlich klar. „Ich weiß; Nicolae sagte das auch bereits. Aber ich kann doch nicht ständig Sarah auf der Tasche liegen.“ Die Studentin hatte bereits kurz darüber nachgedacht, ob sie nicht zu der jungen Osbourne ziehen sollte – nur übergangsweise, bis Viktor wieder verschwunden ist. „Sie ist zwar meine Freundin und würde nie nein sagen, aber …“ Der Rest von ihrem Satz verstummt in einem weichen und sanften Kuss. „Das steht nicht zur Debatte“, brummt der Professor in den sinnlichen Tanz ihrer Lippen. „Ich könnte dich nicht mehr besuchen kommen, wenn du bei ihr wärst. Das würde ich nicht ertragen.“ Seine Hände legen sich um ihren runden Hintern, packen ihn und heben die junge Frau hoch. Sofort legt das Kindermädchen ihre Beine um seine Hüfte und keucht, als seine harte Beule genau gegen ihre empfindliche Stelle drückt. „Und was schlagen Sie nun vor, werter Professor?“, neckt sie ihn und knabbert an seiner Unterlippe. Das Spiel gefällt ihr. Allerdings kann sie langsam nicht mehr garantieren, dass sie sich wirklich zurückhalten kann. Sie verzehrt sich viel zu sehr nach seinen Liebkosungen und Küssen. Ihm endlich wirklich nah zu sein berauscht sie. Die Angst, dass es wieder wie am Anfang wird und er sich nach wenigen Tagen wieder zurückzieht, ist für den Moment auch wie weggeblasen. „Es gibt nur eine vernünftige Lösung für die Situation, Miss Miller.“ Sebastians Kuss gewinnt zunehmend an Inbrunst und Hitze. „Ich werde mich wohl Ihrer annehmen müssen und Sie in meinen eigenen Vierwänden unterbringen.“ Schlagartig zieht Emma ihren Kopf zurück. Mit großen Augen sieht sie den Archäologen an, der in ein warmes, heiteres Lachen ausbricht. „Meinst du das ernst?“, fragt sie ungläubig nach. Hat sie das wirklich richtig verstanden? Sie soll zu ihm ziehen? Sie kann es irgendwie nicht wirklich glauben. „Natürlich“, wispert er gegen ihre Lippen und küsst sie zart. „Mir war noch nie etwas ernster.“ Er setzt sie wieder auf den Boden und sieht sie hungrig an. Das Herz der jungen Frau stolpert überfordert vor sich hin. Sie bei ihm. Der Gedanke fühlt sich surreal an. Nachdem sie beide monatelang nicht so richtig vorwärtsgekommen sind, ist diese Entscheidung extrem unerwartet. Und noch etwas Anderes sorgt für ein ungutes Gefühl. „Aber die Uni. Wenn das jemand mitbekommt …“ Sein Hauptgrund, um nicht zu sagen seine Hauptausrede, war stets das Reglement der Uni, dass Beziehungen zwischen Dozenten und Studenten strikt untersagt. Wie sollen sie es geheim halten, wenn sie bei ihm wohnt? Sebastian grinst vielsagend und seine bernsteinfarbenen Augen flackern spitzbübisch. „Das ist kein Problem. Ich habe meine Professur niedergelegt fürs erste.“ „Das kannst du doch nicht tun!“, protestiert die Studentin. Er kann doch nicht seinen Job einfach an den Nagel hängen; vor allem nicht wegen ihr! Das würde sie sich nie verzeihen. Er hat so viel Spaß an seinem Job und seine Kurse sind immer voll, weil er auch bei den Studenten sehr beliebt ist. „Schon gut. Ich habe im Moment wesentlich wichtigere Projekte die meine volle Aufmerksamkeit benötigen, da kommt mir eine Pause vom Unterrichten ganz recht“, erklärt der Professor während er sie an die Hand nimmt und mit ihr das Nebengebäude verlässt. Zielsicher führt er sie durch den Wald. Für den ersten Moment ist das Kindermädchen verwirrt, dann begreift sie, dass er wahrscheinlich den Weg kennt. Er streift in den Vollmondnächten so viel im Wald herum, dass er wohl alle Wege kennt. „Und das ist wirklich okay für dich? Das ich bei dir wohne?“, hakt sie nach. Ihr kommt das alles so plötzlich vor. Trotz aller Freude und Euphorie nagt es an ihr, dass es irgendwie … kein Zwischendrin gibt. Erst geht er ihr aus dem Weg, meidet sie, weist sie ab und dann urplötzlich die Nachrichten vor ein paar Tagen und jetzt gleich dieser Schritt. Ist das nicht alle etwas schnell? Oder interpretiert sie da zu viel hinein? „Ich will nicht, dass du dich verpflichtet fühlst, oder so.“ Sebastian bleibt stehen und dreht sich zu ihr um. Er wirkt unsicher und verlegen und fährt sich durch die Haare bevor er anfängt zu reden. „Ich weiß die letzten Monate waren schwierig mit mir. Ich … Ich wusste nicht wirklich wie ich mit der Situation zwischen dir und mir umgehen sollte. Ich dachte, es wäre das beste, Distanz zwischen uns zu bringen. Aber …“ Sein glühender Blick verschlingt die junge Frau förmlich. „Ich konnte nicht. Du warst ständig da. Hier.“ Er tippt sich gegen die Schläfe. „Und hier.“ Er deutet auf seinen Brustkorb, auf sein Herz. „Als ich am anderen Ende der Welt war hat es mich förmlich zerrissen, weil ich dich gar nicht mehr sehen konnte. Das hat mir aber auch deutlich gemacht, dass ich nicht ohne dich kann.“ Emma laufen unkontrolliert Tränen aus den Augenwinkeln. Ihr schöner Professor hat ihr quasi gerade eine Liebeserklärung gemacht. Einfach so. Sie ist tief bewegt, von dem was er ihr gesagt hat und ihre Emotionen schäumen förmlich über. Er, der immer darauf Bestanden hat, dass da nichts ist, gesteht ihr seine Gefühle. Erleichterung und Freude lassen sie strahlen, trotz Tränen. Vielleicht wird jetzt endlich alles gut.   Eine halbe Stunde später steht sie vor der Blockhütte. Die junge Frau fühlt sich ein wenig bedrückt. Der Abschied von den Bartholys war schwer für sich, trotz der jüngsten Ereignisse und der Notwendigkeit. Selbst die kleine Lorie schien mit ihren Emotionen zu kämpfen. Nicolae hat zwar mehrfach und ausdrücklich erwähnt, dass es nur ein Abschied auf Zeit ist, aber wirklich überzeugt schien er nicht. Natürlich ist er sich im Klaren darüber, dass Professor Jones die Studentin nicht einfach so bei sich aufnimmt, weil er einfach ein netter Kerl ist. Natürlich ist es ein offenes Geheimnis das Emma für den Archäologen Gefühle hegt. Die Option, dass sie womöglich langfristig bei ihm bleibt schwelte zwischen allen Anwesenden, ohne, dass jemand etwas dazu sagte oder es erwähnte. Sebastian bringt ihre Tasche, die sie im eilverfahren gepackt hat, ins Haus und sie folgt ihm vorsichtig. Im Wohnzimmer bleibt sie stehen und lässt ihren Blick schweifen. Unzählige Artefakte, Mitbringsel und Bücher schmücken den Raum. Ein Totem steht in der einen Ecke, gegenüber ist ein großer Kamin. Ja, sie ist schon einmal hier gewesen, aber jetzt fühlt es sich irgendwie anders an, und dadurch sieht sie auch das Haus auch mit anderen Augen. Bei ihrem ersten Besuch hier war es zwar ähnlich wie jetzt; sie war auf der Flucht, aber dennoch anders. Jetzt ist es ein organisierter Rückzug, damals war es eher eine halsüberkopf Entscheidung. Die schlimm endete am nächsten Morgen, wie ihr wieder einfällt. Ein wenig hat die Studentin Angst davor, dass womöglich das Gleiche wieder geschieht. Sebastian ist ein sehr undurchsichtiger Charakter, dem es offensichtlich schwer fällt jemanden in sein Leben zu lassen und seine Emotionen nur schwer geordnet bekommt. Auf der anderen Seite hat er sie ja hergeholt; und genau da liegt der Unterschied zum letzten Mal. „Willst du da stehen bleiben?“, fragt der Professor amüsiert. Er steht im Türrahmen zur Küche und hat die Arme locker verschränkt. Ihre Augen schweifen erneut durch das Zimmer und belieben dann an denen von Sebastian hängen. Das hier wird eine Chance sein ihn endlich richtig kennenzulernen, quasi sein Revier zu betreten. Den Professor und den Wolf kennt sie ja schon, und leider auch den unsicheren, abweisenden Mann. Dieser hier ist anders. Sie weiß nicht warum, aber auf diesen hier freut sie sich ganz besonders. Und auch, so ehrlich muss sie sein, auf dem kraftvollen, vereinnahmenden Liebhaber mit dem sie schon Bekanntschaft gemacht hat. Ohne, dass sie etwas dagegen tun kann, zaubert ihr das Wissen endlich den echten Sebastian kennenzulernen ein Lächeln auf das Gesicht. „Es ist anders wie das letzte Mal“, erklärt Emma ihr Verhalten, weil er sie fragend ansieht. Er lächelt zurück und sein Blick beginnt regelrecht zu glühen. Sicher und selbstbewusst geht er auf sie zu und nimmt sie in den Arm. „Es ist auf jeden Fall anders wie das letzte Mal“, murmelt er ihr ins Ohr. Es klingt nicht wie eine Feststellung, eher wie ein Versprechen. Sie fühlt wie ihr Herz bei diesen Worten beginnt schneller zu klopfen. Gleichzeitig legt sich das vertraute Gefühl von Geborgenheit über sie. Scheinbar ist er endlich gewillt ihnen beiden eine Chance zu geben. Sie fühlt wie alle Lasten der letzten Tage endlich von ihr abfallen. Völlig unpassend knurrt plötzlich ihr Magen. Beschämt kichert sie und versteckt ihr Gesicht an seiner starken Brust. Professor Jones lacht belustigt und gibt ihr einen Kuss auf die Schläfe. „Da hat scheinbar jemand Hunger. Gut das ich vorgesorgt habe.“ Er führt sie in die Küche, wo eine ganze Reihe kulinarische Leckerbissen warten … Kapitel 23: Bonus: Nachtisch ---------------------------- Lust macht gierig – Genuß macht frei. Burkhard Treude Zufrieden liegt Emma in Sebastians Bett. Das Essen war großartig, und exotisch. Das der Hausherr viel reist und schon in vielen Ecken der Welt war hat man direkt gesehen. Doch das Beste war eigentlich die gelöste und lockere Stimmung. Und es war schön, endlich mal wieder mit jemanden zusammen zu essen. Die Bartholys leisten ihr zwar immer Gesellschaft, aber es ist nicht das Gleiche. Sie und Sebastian haben viel geredet. Über seine Expedition, über Weihnachten bei Vampiren, Silvester mit Sarah und über die jüngsten Ereignisse. Nachdem Essen hat sich der Professor um die Küche gekümmert und die junge Frau konnte sich unter der Dusche frisch machen. Auch wenn es merkwürdig klingt, war genau das der Moment, wo ihr wirklich bewusst wurde, dass sie auf unbestimmte Zeit hier bleiben wird. Es fühlt sich immer noch unwirklich an. Obwohl sie jetzt hier ist, ihre Sachen in seinem Schrank sind und ihre Zahnbürste in seinem Badezimmer steht. Und sie eines seiner T-Shirts trägt. Sie hat bisher nie verstanden, warum Frauen das immer machen; doch jetzt … Als sie vorhin am Kleiderschrank stand und eines ihrer eigenen Shirts zum Schlafen anziehen wollte, fiel ihr Blick auf den Stapel daneben; und sie konnte nicht widerstehen. Auch wenn es frisch gewaschen ist und somit nicht wirklich nach ihm riecht, gibt ihr der Stoff das gleiche wohlige Gefühl wie seine Umarmungen. Außerdem liegt sie in seinem Bett, dass mehr als ausreichend nach ihm duftet. Die Studentin ist so in ihren Gedanken versunken, dass sie nicht bemerkt, dass das Rauschen der Dusche schon seit einigen Minuten aufgehört hat. Erst als sich die Matratze neben ihr senkt bemerkt sie Sebastian. Blinzelnd dreht sie zu ihm um und lächelt ihn schüchtern an. Es ist immer noch merkwürdig und sie weiß nicht so recht, wie sie sich ihm gegenüber verhalten soll. Sebastian scheint es entweder nicht zu merken, oder aber er ignoriert es einfach gekonnt. Er huscht zu ihr unter die Decke und nimmt sie in den Arm. Ein tiefes, zufriedenes Brummen ist zu hören, als er sie fest an sich drückt und seine Nase in ihrem Haar vergräbt. Fast schon schnurrend schmiegt sich Emma in seine Arme. Das fühlt sich einfach nur großartig an. Der Geruch von Seife kitzelt ihr Nase und seine noch leicht nassen Haare lassen kühle Tropfen auf ihre Haut fallen. Es schaudert sich. Und gleich noch einmal als sie seine warmen, weichen Lippen auf der empfindlichen Stelle hinter ihrem Ohr spürt. Unterhalb ihres Nabels beginnt sich ein pulsierender Feuerball zu formen und ihr Unterleib zieht sich kurz zusammen. Ein erregtes Knurren lässt den Brustkorb des Professors beben. Sein heißer Atem gleitet zusammen mit seinen Küssen ihren Hals hinab, während seine Hände auf Erkundungstour gehen. Die Studentin drückt sich gegen den muskulösen Körper und küsst ihrerseits eine Spur von seinem Bizeps hoch zu seinem Hals. Einen Moment später treffen ihre Münder aufeinander; heiß und gierig. Sie spürt eine heftige Hitzewelle die einmal komplett durch sie hindurch schießt und ihr ein zittriges Keuchen entlockt. Die rechte Hand des Archäologen ist inzwischen an ihrer Hüfte angekommen und arbeitet sich nun wieder nach oben, allerdings jetzt unter dem Stoff des T-Shirts. Ihre warme weiche Haut erbebt unter seiner Berührung und lässt ihn gieriger über ihre Lippen herfallen. Er vertieft den Kuss immer weiter, umschmeichelt ihre Zunge und dreht sie beide, so dass er über ihr ist. Als auch seine zweite Hand den Weg zu ihrer nackten Haut findet stöhnt Emma vor Erregung leise und ihre Muskeln zittern kurz. Immer noch hat sie keine Ahnung, warum Sebastian ein derartiges Verlangen und eine so triebhafte Lust in ihr weckt. Alle ihre inne sind scharf gestellt, auf fast schon übermenschliche Weise. Ihre Hände gleiten über seine nackte Brust und sie fühlt die kleinen Narben. Sie sind kaum sichtbar und eigentlich auch kaum spürbar, aber in diesem Rausch der Sinne sind sie plötzlich präsent. Ungeduldig und mit einem leisen knurren zieht Sebastian der jungen Frau das Shirt aus. Sein Blick gleitet über die freigelegte Pracht und bewundert sei ausgiebig. Jede Rundung, jede Kurve, jedes Tal und jeden Abzweig; als hätte er eine Landkarte zum größten Schatz der Erde vor sich. „Du bist so schön, meine Süße“, raunt er dunkel. Sie ist nicht prüde, aber so von einem Mann angesehen zu werden ist schon etwas, was nicht alle Tage geschieht. Noch dazu nackt. Noch dazu von einem derart Gutaussehenden wie dem über ihr. Die junge Frau spürt wie ihre Wangen anfangen zu glühen und sie sich geniert. Der einzige Grund der sie davon abhält sich reflexartig unter der Decke zu verstecken, ist sein brennender Blick. Leidenschaftlich fahren seine Augen über sie und fixieren anschließend ihre. Das Knurren das er von sich gibt ist besitzergreifend und geht ihr durch Mark und Bein. Einen Augenblick hat sie den Eindruck seine bernsteinfarbenen Augen glühen goldenen und seine Eckzähne wirken kräftiger und spitzer. Doch sie empfindet kein Unwohlsein und keine Angst, nur dieses unendliche Verlangen ihm zugehören. Er legt eine heiße Spur von Küssen über ihre zarte Haut; über ihr Schlüsselbein zu ihrem Busen. Während er genüsslich an ihrem Nippel saugt und mit seiner Zunge umspielt, massiert er die andere mit der Hand. Ein laszives Stöhnen verlässt unkontrolliert ihre Kehle. Ein wahnsinniges Kribbeln macht sich von ihren Brüsten aus in ihrem Körper breit und lässt den Feuerball in ihrem Unterbauch an Intensität und Größe gewinnen. Haltsuchend vergräbt sie eine Hand in seinem feuchten Haar. Als die nächste Welle durch sie hindurch schwabbt bäumt sie sich ihm entgegen und reibt ihre glühende Haut an seiner. Als er ihren Körper an seinem spürt stöhnt Sebastian gedämpft gegen ihren Busen. Kurz beißt er ihr in die steil emporragende Brustwarze und setzt seinen Weg dann fort. Immer ungeduldiger küsst und leckt er sich ihren Kurven hinab; nimmt ihren Geruch und ihren Geschmack tief in sich auf. Die Studentin hat den Eindruck sich völlig unter seinen Liebkosungen zu verlieren. Jeder Kuss lässt einen Schauer über sie hinweg jagen. Sie spürt wie sich zwischen ihren Beinen Feuchtigkeit breitmacht und das stete Pochen ihrer Lust einsetzt. Zittrig keucht sie, als sie seine Lippen für den Bruchteil einer Sekunde an ihrem Lustzentrum spürt. Wenn er nicht bald ihrer steigenden Lust etwas entgegensetzt kann sie für nichts mehr garantieren. Ihr ganzer Körper, ihre Seele verzehren sich nach ihm und wollen sich endlich diesem tiefsitzenden Verlangen hingeben. Sacht und mit einem leichten schmunzeln pustet er gegen ihre Perle und ihre Lippen. Ihr wimmerndes Stöhnen zeigt ihm, dass sein Tun seine Wirkung nicht verfehlt. Mit der Zungenspitze neckt er kurz ihren Intimbereich; dann noch einmal, und noch einmal. Emma kann nicht mehr. So köstlich seine Neckereien auch sind, und so sehr sie sie eigentlich genießt, hat sie das Gefühl es nicht mehr aushalten zu können. Ihre Haut kocht, ihre Nervenenden kribbeln und sie hat den Eindruck jeden Moment entweder zu zerschmelzen oder wahnsinnig zu werden vor lauter Lust. „Sebastian … bitte …“, flüstert sie heiser und müht sich ihren Kopf etwas anzuheben um ihn ansehen zu können. Sein Blick trifft sie wie eine mächtige Sturmböe und Adrenalin schießt durch ihren Körper. Seine Augen leuchten vor Erregung und fixieren sie, während er seinen Mund noch einmal auf ihr Zentrum sinken lässt um von ihr zu kosten. Professor Jones brummt zufrieden, als sie den Blickkontakt abbrechen muss, weil ihre Muskeln sich kurz verkrampfen vor Lust. Das laute Stöhnen welches sie von sich gibt lässt Gänsehaut auf seinem Rücken entstehen. Wie ein Bündel zitternde Wollust kommt sich die Studentin vor. Oder wie ein Junkie im Rausch. Sie ist kaum in der Lage ihre Gedanken zu sortieren, geschweigenden ihren Körper in den Griff zu bekommen. Ein Umstand der ihr normalerweise Angst machen würde oder schreckliches Schamgefühl auslösen dürfte; aber nicht bei Sebastian. Er gibt ihr immer das Gefühl, dass er sie respektiert und nie weitergehen würde wie sie es kann, oder erträgt. Und das ganze ohne Worte. Als würde er sie fühlen und genau wissen, wie weit er es treiben kann. Ein Schnurren bildet sich in ihrer Kehle und verlässt leise ihren Mund, als sie merkt wie er sich an ihr hoch bewegt. Während er ihr einen sinnlichen und genussvollen Kuss gibt, drängt sich seine geschwollene Männlichkeit in sie hinein. Ihre Innenwände ziehen sich sofort eng um das Objekt der Begierde und sie stöhnen beide gemeinsam auf. Langsam und angestrengt setzt der Archäologe sein Becken in Bewegung. Er beißt die Zähne zusammen und hat sichtlich Probleme die Beherrschung zu behalten. Er taucht tief in ihre Augen ein, und mit jedem Stoß auch etwas mehr in ihre feuchte Hitze. Seine Härte befeuert den eh schon außer Kontrolle geratenen Feuerball in ihrem Unterleib und Emma stöhnt bei jeder seiner Hüftbewegungen. Als er sich hochstemmt und aufrecht zwischen ihren Beinen hockt kann sie nicht anders als ihn zu bewundern. Seine Körper ist echt eine Wucht, wie der ganze Mann. Durch seine aufrechte Haltung kann sie seine Muskeln dabei beobachten wie sie bei jedem seiner Stöße arbeiten. Sie wird noch völlig den Verstand verlieren! Nicht nur, dass es ein echter Augenschmaus ist ihn zu sehen und zu beachten, nein, wie er da so stolz zwischen ihren Beinen ist, hat sie den Eindruck, dass er ein Herrscher ist und sie sein Besitz. Ein köstlicher Gedanke der sie beben lässt. Sebastians Blick wandert über den wunderschönen Frauenkörper unter sich und verlieren sich schließlich in den glänzenden Augen von der jungen Frau. Wie sie ansieht reißt scheinbar an seiner Selbstbeherrschung, denn er macht zwei heftige, unkontrollierte Stöße. Ein Lustschrei zerreißt ihr fast die Kehle. Die beiden letzten Beckenschübe waren hart und roh; und einfach köstlich. Sie fühlt wie seine Hand unter ihren Oberschenkel wandert und ihr Bein hochdrückt. Er beugt sich nach unten, legt ihre Kniekehle über seine Schulter und drückt seine Hüfte fest gegen ihre. Sie spürt wie er tiefer in sie eindringt und das ebenso genießt wie sie selbst. Durch die veränderte Position verschwindet seine Härte bis zum Schaft in ihr, scheint sich mit jedem Stoß tiefer in sie einzugraben. Wie sein Blick, der ihren nicht mehr loslässt. Ein unwirkliches Farbspiel schimmert in Professor Jones Augen. Bernstein und Gold vermischen sich, lassen den berauschten Glanz seiner Lust noch mehr in den Vordergrund rücken. Seine Bewegungen werden schneller, drängender. Der Kuss den er ihr kurz auf die Lippen haucht steht im vollen Kontrast zu der Wildheit mit der sie nimmt. Der Feuerball in ihrem Unterleib ist nicht mehr zu stoppen, genau wie der Mann der ihn heraufbeschworen hat. Schweiß bedeckt ihre Körper, ihr Atem geht hastig und keuchend. Ihre Augen lassen keine Sekunde voneinander ab, sehen tief in den jeweils anderen hinein. „Sebastian …“, haucht Emma und spürt wie ihre Emotionen, körperlich und seelisch, explodieren und sich in einem heißen Strom in ihr entladen. Professor Jones knurrt tief und grollend, was schließlich in ein lautes Stöhnen übergeht. Mit kurzen, kräftigen Stößen ergießt er sich in ihre Hitze; begleitet ihren Höhenpunkt mit seinem. „Meine Süße“, sagt er mit zittriger Stimme bevor er ihr einen sinnlichen und liebevollen Kuss gibt. Es dauert mehrere Minuten bis sich ihr Herzschlag wieder in dem üblichen Rahmen bewegt. Sebastian hat sich neben sie gelegt und seinen Arm um ihre Taille geschlungen. Sie spürt seinen Atem in ihrem Nacken und seinen Körper an ihrem Rücken. Ein warmes Gefühl der Geborgenheit ersetzt den Feuersturm von vorhin und sie seufzt zufrieden. „Wenn das kein Wahnsinns-Nachtisch war, dann weiß ich auch nicht.“ Amüsiert lacht der Archäologe und küsst ihr Schulterblatt. Er brummt zustimmend und küsst ihre Schulter; ihren Nacken. Seine Hand streichelt ihren Bauch und sein Blick geht zur Uhr. Aus dem Augenwinkel sieht die Studentin wie er nach dem Wecker schielt. Im nächsten Moment intensiviert er sein Streicheln und seine Küsse. Obwohl sie eben erst den großartigsten Orgasmus ihres Lebens hatte, und sie deutlich die Erschöpfung fühlt, scheint ihr Körper trotzdem nichts gegen noch mehr zu haben. Zumindest reagiert er angetan von der Behandlung. Als sie das Kribbeln unterhalb ihres Nabels spürt kann sie es dennoch kaum fassen. „Wir hatten doch gerade erst das Dessert“, flüstert sie und keucht leise. „Stimmt“, brummt Sebastian. „Jetzt ist Zeit für den Mitternachts-Snack“, witzelt er und lässt seine Hand tiefer wandern. Seine Finger streichen ihre Weiblichkeit ab und beginnen ihre Perle sanft zu massieren. „Vielfraß“, neckt Emma, kann aber nicht anders als ein Bein aufzustellen um ihm mehr Bewegungsfreiheit zu lassen. Sei beißt die Zähne zusammen, kann aber das Stöhnen nicht ganz unterdrücken. „Ich bin der große böse Wolf, der ist immer hungrig“, knurrt der Archäologe gespielt bedrohlich. „Außerdem scheine ich hier eine kleine Genießerin zu haben“, fügt er schmunzelnd noch hinzu, als sich die junge Frau beginnt rhythmisch gegen seine Hand zu bewegen. Sie legt den Kopf in den Nacken und stöhnt lasziv. Wie Recht er doch hat! Kapitel 24: Tiefschlag ---------------------- Tiefschläge der Erfahrung sind die Aufwärtshaken des Lebens. Almut Adler     Zufrieden liegt Emma in Sebastians Bett. Das Essen war großartig, und exotisch. Das der Hausherr viel reist und schon in vielen Ecken der Welt war hat man direkt gesehen. Doch das Beste war eigentlich die gelöste und lockere Stimmung. Und es war schön, endlich mal wieder mit jemanden zusammen zu essen. Die Bartholys leisten ihr zwar immer Gesellschaft, aber es ist nicht das Gleiche. Sie und Sebastian haben viel geredet. Über seine Expedition, über Weihnachten bei Vampiren, Silvester mit Sarah und über die jüngsten Ereignisse. Nachdem Essen hat sich der Professor um die Küche gekümmert und die junge Frau konnte sich unter der Dusche frisch machen. Auch wenn es merkwürdig klingt, war genau das der Moment, wo ihr wirklich bewusst wurde, dass sie auf unbestimmte Zeit hier bleiben wird. Es fühlt sich immer noch unwirklich an. Obwohl sie jetzt hier ist, ihre Sachen in seinem Schrank sind und ihre Zahnbürste in seinem Badezimmer steht. Und sie eines seiner T-Shirts trägt. Sie hat bisher nie verstanden, warum Frauen das immer machen; doch jetzt … Als sie vorhin am Kleiderschrank stand und eines ihrer eigenen Shirts zum Schlafen anziehen wollte, viel ihr Blick auf den Stapel daneben; und sie konnte nicht widerstehen. Auch wenn es frisch gewaschen ist und somit nicht wirklich nach ihm riecht, gibt ihr der Stoff das gleiche wohlige Gefühl wie seine Umarmungen. Außerdem liegt sie in seinem Bett, dass recht deutlich nach ihm duftet. Die Studentin ist so in ihren Gedanken versunken, dass sie nicht bemerkt, dass das Rauschen der Dusche schon seit einigen Minuten aufgehört hat. Erst als sich die Matratze neben ihr senkt, bemerkt sie Sebastian. Blinzelnd dreht sie zu ihm um und lächelt ihn schüchtern an. Es ist immer noch merkwürdig und sie weiß nicht so recht, wie sie sich ihm gegenüber verhalten soll. Sebastian scheint es entweder nicht zu merken, oder aber er ignoriert es einfach gekonnt. Er huscht zu ihr unter die Decke und nimmt sie in den Arm. Ein tiefes, zufriedenes Brummen ist zu hören, als sie fest an sich drückt und seine Nase in ihrem Haar vergräbt. Fast schon schnurrend schmiegt sich Emma in seine Arme. Das fühlt sich einfach nur großartig an …   Zufrieden brummt die junge Frau und streckt sich. Ihre Hand gleitet dabei neben sich und greift ins Leere. Verschlafen hebt sie den Kopf und blinzelt. Der Platz ist verwaist, aber noch warm. Sehr lange kann Sebastian noch nicht weg sein. Doch erst einmal ist strecken angesagt. Ausgiebig, wie eine Katze die aus ihrem Mittagsschlaf erwacht ist, dehnt sie sich und stellt dabei fest, dass sich an einigen Stellen ein leichter Muskelkater bemerkbar macht. Nicht wirklich verwunderlich, wenn sie an die Nacht zurückdenkt. Sie waren wie zwei ausgehungerte Tiere, die einfach nicht genug bekommen konnten und das rächt sich nun natürlich. Der Geruch von Kaffee lässt sie erneut den Kopf heben. Sie hört Geschirr und einen offenbar gutgelaunten Hausherrn; immerhin pfeift er ein Lied vor sich hin. Mit einem Lächeln auf den Lippen steht Emma schließlich auf und verschwindet erst einmal im Bad. Nach einer ausgiebigen Dusche und dem üblichen Kampf mit ihrer Morgenfrisur geht sie in die Küche, wo ein reichlich gedeckter Tisch auf sie wartet. Und ein strahlender Sebastian. Ein Grummeln reißt sie kurz aus ihrer guten Laune. Immer noch fühlt sich das alles unwirklich an, wie ein Traum oder eine Fantasievorstellung. Die unbestimmte Angst, dass sich das hier alles in Luft auflöst überkommt sie, oder das der Mann, der da gerade am Tisch sitzt und lächelnd Kaffee ausgießt, doch noch seine Meinung ändert. Als er aufsieht und seine bernsteinfarbenen Augen ihre Treffen ist dieser Gedanke jedoch sofort weg. „Guten Morgen“, flüstert sie grinsend und spürt, wie ihre Wangen warm werden. Professor Jones schmunzelt angesichts ihrer körperlichen Reaktion und wirkt gleichzeitig peinlich berührt deswegen. „Guten Morgen, meine Süße“, antwortet er fest und deutet ihr auf den Stuhl zu seiner linken. Noch immer ein wenig verschämt wegen der ganzen Situation und vor allem wegen dem Rekordtempo in dem das alles von statten ging, folgt die Studentin der Aufforderung. Der Duft von Kaffee und frischen Brötchen setzt ihrer Scham ein Ende und ihr laut knurrender Magen verlangt ihre Aufmerksamkeit. Er reicht ihr den Brotkorb und zwinkert. „Das klang ja bedrohlicher wie ich“, lacht Sebastian und schenkt ihr ein charmantes Lächeln. Emma streckt ihm die Zunge raus und muss dann ebenfalls lache. „Nach der Nacht ist das kein Wunder“, fügt sie noch neckisch an. Dass etwas peinlich berührt wirkende Räuspern von Professor Jones sorgt dafür, dass sie nur noch mehr lachen muss. Während des ausgiebigen Frühstücks unterhalten sie sich lose. Der Blick der Studentin schweift zur offenstehenden Bürotür ihr gegenüber. Viel sieht man nicht vom den Raum, aber der große Schreibtisch in der Mitte ist deutlich zu erkennen, und auch ein goldener Spiegel der darauf liegt. „Ist er das?“, fragt sie neugierig. Der Archäologe folgt ihrem Blick und nickt. „Ja, das ist er“, bestätigt er. Er klingt unfassbar stolz und grinst breit. Die junge Frau erinnert sich, dass er ihr geschrieben hatte, die Entdeckung seines Lebens gemacht zu haben. Auch gestern Abend hatten sie sich kurz darüber unterhalten. Sebastian hatte ihr erzählt das er in Peru war und dort auf der Suche nach einer alten Stätte gewesen ist; und sie auch gefunden hat. Er war in der Nähe des Titicacasee in Begleitung eines sehr engen Freundes, der ihn bereits auf unzähligen Expeditionen rund um den Globus begleitet hat. Über eine Woche sind sie durch den Dschungel gereist. Er hat ihr von Tieren berichtet denen sie begegnet sind, von einem sintflutartigen Regen der sie zu einem zwei tägigen Stopp gezwungen hatte und schließlich von dem Tempel, den er gesucht hatte. Mitten im Regenwald, bereits zum Großteil in einer Erdspalte verschwunden und trotzdem noch fast komplett intakt und von unvergleichlicher Schönheit. Im Inneren hatten sie plötzlich eine Art Labyrinth vor sich, sie waren mehr als überrascht. Sebastian hatte so etwas noch nicht gesehen, zumindest nicht bei einem Inka-Tempel. Nach drei Tagen hatten sie endlich den Weg in den Hauptraum gefunden und dort den Altar; und den Spiegel. Sie hat förmlich an seinen Lippen geklebt während seines Berichts. Er war nicht umsonst einer der beliebtesten Dozenten an der Universität. Er konnte einen mit seiner Art zu Reden in seinen Bann ziehen. „Du hast mir noch nicht gesagt, um was für einen Spiegel es sich genau handelt“, sagt Emma nach einem großen Schluck Orangensaft. „Du bist ganz schön neugierig“, stellt Professor Jones lächelnd fest und gibt ihr einen Kuss auf die Nase. „Das solltest du dir lieber für die Uni aufsparen, oder?“ Die Uni! Hastig sieht die Studentin auf ihre Uhr. „Mist!“, flucht sie vor sich hin und springt auf. Während Sebastian versucht nicht zu laut zu lachen, schnappt sie sich ihre Tasche und packt schnell alles Nötige zusammen. Als sie gerade zur Tür hinaus will umgreift eine Hand ihren Unterarm und zieht sie zurück. Überrumpelt findet sie sich am Brustkorb des Hausherrn wieder. „Was?“, fragt sie und sieht auf. Seine weichen Lippen legen sich auf ihre und geben ihr einen liebevollen Kuss. Professor Jones löst sich wieder von ihr und sieht ihr tief in die Augen. „Ich fahre dich“, flüstert er, während sein Blick Bände spricht, die eher andere Sachen im Sinn zu haben scheinen wie die junge Frau zur Uni zu fahren. Emmas Wangen werden heiß unter seinen funkelnden Augen und sie nickt schüchtern. Ihr Magen flattert und ihr Herz klopft aufgeregt als er ihre Hand nimmt und sie zum Wagen gehen. Auf dem Weg zur Uni denkt sie angestrengt nach. Ihr Blick geht kurz zur Fahrerseite. Wird sie sich daran gewöhnen? Hier zu sein, mit ihm? Und was genau sind sie beide jetzt eigentlich? In ihrem Kopf dreht sich alles im Moment um die etwas obskure Situation in der sie sich mit Sebastian jetzt befindet. Die Geschehnisse im Herrenhaus rücken in den Hintergrund, zumindest vorerst. Nach einem kurzen, sehnsüchtigen Kuss steigt sie aus dem Auto und läuft los. Kaum im Gebäude schneidet eine hohe Stimme herablassend und laut durch den Gang. „Das du dich nicht schämst!“, keift es hinter dem Rücken der Studentin. Eigentlich will sie sich nicht umdrehen; sie weiß ja wer da ist. Doch einfach weiterlaufen kann sie auch nicht, denn das würde die Konfrontation mit ihr nur noch weiter hinauszögern. Womöglich wäre ihr nächstes Zusammentreffen in eine Situation mit mehr Publikum und das würde Emma eher weniger wollen. Das der Gang im Augenblick leer ist, ist eher ein Glücksfall den es zu nutzen gilt. Sie dreht sich um und sieht in zwei blaue Augen die umrahmt werden von einem hübschen Puppengesicht und einer blonden langen Haarpracht. Samantha verschränkt die Arme vor der Brust und setzt das angewiderste Gesicht auf, dass sie zustande bekommt. „Du bist die Pest! Wie kannst du es noch wagen überhaupt hier aufzutauchen?“, giftet sie los. Wie immer hat die junge Frau keine Ahnung, welche Laus der Madame über die Leber gelaufen ist. Seit sie hier ist macht ihr das blonde Biest das Leben zur Hölle, ohne, dass sie wüsste warum. „Wovon redest du?“, fragt sie genervt zurück. „Ah, stellst dich blöd, was? Denkst das keiner etwas mitbekommen hat! Da irrst du dich!“, keift Samantha und ihre Augen scheinen Funken zu sprühen. „Wegen dir hat Professor Jones seinen Job sausen lassen! Nur weil du ihm schöne Augen und die Beine breit machst!“ Das Kindermädchen fühlt sich, als hätte ihr jemand einen rechten Haken verpasst. Ihr wird schlecht; vor Scham. Die Aussage trifft sie mit voller Wucht, weil sie irgendwie auch schon daran gedacht hat. Natürlich hat Sebastian gesagt, dass ihm die Pause gelegen kommt und es okay wäre, aber so richtig überzeugt ist sie nicht davon. Vor allem, weil das alles so schnell und plötzlich ging. Und, weil sie nicht weiß, was mit ihr und Professor Jones ist. Sind sie jetzt ein offizielles Paar? Eine Zweckgemeinschaft mit gewissen Vorzügen? Die Zweifel begleiten sie schon seit sie gestern aus dem Auto gestiegen ist und sich vor seiner Blockhütte wiedergefunden hat. Das blonde Biest hat natürlich zielsicher den Finger genau in die Wund gelegt, sie hat leider auch ein unfassbares Talent dafür immer genau den empfindlichsten Punkt zu treffen. Woher weiß die Schlange das überhaupt schon? Sie ist doch erst gestern Abend bei dem Archäologen eingezogen. „Was weißt du schon!“, gibt sie selbstbewusst zurück, obwohl sie sich nicht so fühlt. Und hofft, dass die Schlange vielleicht nur ins Blaue geraten hat. Siegessicher grinst Samantha. „Ich bin immer auf dem laufenden. Meine Eltern gehören zum Rat der Uni und der wird informiert, wenn ein Professor aufhört. Und so wie du ihn immer angegiert hast, war es einfach eins und eins zusammen zu zählen“, säuselt sie und stolziert an Emma vorbei. Verdammt! Das hatte sie total vergessen. Die blöde Kuh rühmt sich ja ständig damit, dass ihre Eltern nicht nur spendenfreudige Wohltäter der Uni sind, sondern auch Mitglieder im Rat. Trotzdem sollte es eigentlich etwas weit hergeholt sein, die Pausierung von Sebastian mit dem Kindermädchen in Verbindung zu bringen. Wie die Schlange aber schon sagte; wenn man eins und eins zusammennimmt … Das bedeutet aber auch, dass andere wohl zu dem selben Schluss kommen könnten, wenn die Information über Professors Jones Abschied die Runde macht. Und das blonde Biest wird jede sich bietende Gelegenheit nutzen um es so vielen Leuten wie möglich zu erzählen. Während sie Samantha hinterher sieht, die um die nächste Ecke verschwindet, erinnert sie sich an letztes Jahr. Sebastian hat immer gesagt das er sich Sorgen um ihre Reputation und ihr Ansehen macht, deswegen ist er auf Abstand gegangen. Und weil es eh verboten war. Da er jetzt kein Professor mehr hier ist, hatte sie nicht wirklich damit gerechnet, dass sie angefeindet werden würde … Nun gut, sie hat auch nicht damit gerechnet das es die Runde macht; und auch noch so schnell. Die Studentin sinkt in sich zusammen. Was macht sie denn jetzt? Ihr ist die Lust auf einen ganzen Tag hier, womöglich unter den Blicken der anderen, ist ihr gründlich vergangen. Am liebsten würde sie das Gebäude verlassen und sich verkriechen. „Kopf hoch“, flüstert es plötzlich an ihrem Ohr. Erschrocken fährt Emma herum und hält sich den Brustkorb, weil ihr Herz rast. Ihre Augen werden groß und sie kann ihre Verwunderung nicht verbergen. „Du?“, fragt sie stotternd. „Mit wen hast du denn gerechnet? Der große böse Wolf ist ja nicht mehr zugegen wie man hört“, witzelt Drogo und grinst herausfordernd. Die junge Frau schwankt zwischen Verwirrtheit, Genervt sein und Freude. Auch wenn sie sich gestern halbwegs ausgesprochen haben, hat sie nicht damit gerechnet, dass er Kontakt zu ihr aufnehmen würde. Dass er es aber tut freut sie, auch wenn ihr sie sein Kommentar gegen den Strich geht. Sie ringt sich ein Lächeln ab, sagt aber nichts. Ihre Stimmung ist mies und das kann sie nicht wirklich verbergen. Samantha hat definitiv einen Volltreffer gelandet; wie immer. Der Blonde legt ihr einen Arm um die Schulter und geht mit ihr den Flur entlang. „Kopf hoch, kleines Ding. Du solltest nicht vergessen das du zur Familie gehörst.“ „Soll heißen?“, fragt das Kindermädchen neugierig. „Niemand legt sich mit den Bartholys an, das weißt du doch“, prahlt Drogo. Er sieht zu ihr und zwinkert spitzbübisch. Ja, ihr Laune bessert sich etwas. Allerdings wird es niemanden davon abhalten sie anzusehen oder gar doof anzumachen, wenn keiner der Brüder in der Nähe ist. Und außerdem: „Eigentlich bin ich kein Bartholy“, stellt sie gespielt betrübt fest. „Das ließe sich ändern“, säuselt der Vampir und seine Augen funkeln vielsagend. Einen Wimpernschlag später ist er verschwunden und Emma steht allein vor der Tür zum Hörsaal. Ein flaues Gefühl überkommt sie; und das nicht wegen der Geschichte mit Sebastian oder den Gerüchten die sie wohl in nächster Zeit verfolgen werden, sondern wegen Drogo. Sie ist sich sicher, dass er das gerade witzig gemeint hat, aber es hinterlässt einen faden Beigeschmack bei ihr. Als würde hinter seinem Satz eine verborgene Botschaft stecken. Die Studentin schüttelt den Kopf und versucht den Gedanken los zu werden, mit wenig Erfolg. Sie betritt den Hörsaal und ist sie mit sich selbst beschäftigt, dass ihr gar nicht auffällt wie sie vom Ende des Gangs aus interessiert beobachtet wird. Kapitel 25: Spurensuche ----------------------- Neugier ist der schnellste Lehrer. Erhard Blanck In der ersten Pause hat sie Sarah gesucht und ihre Freundin auf den neusten Stand der Dinge gebracht. Die junge Osbourne wusste nicht was sie zuerst fühlen oder sagen sollte. Ihre Augen glitzerten vielsagend wegen der Tatsache das das Kindermädchen nun bei Professor Jones lebte und sie meinte, dass sie sich freuen würde das ihre Freundin ihren Neujahrsvorsatz so schnell umgesetzt hat. Die Tatsache das Viktor im Land und eventuell auf dem Weg nach Mystery Spell ist hingegen ließ einen finsteren Schatten auf ihrem Gesicht Einzug halten. Unabhängig von den eh schon bestehenden Problemen zwischen den Familien, scheint diese Information vor allem auch Angst bei ihr hervorzurufen. Das hübsche Energiebündel sagte sofort, dass sie das unbedingt mit ihrer Großmutter besprechen muss. Ja, so ein Urvampir ist mal nichts, was man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Vor allem nicht, wenn man seine Pläne nicht weiß, und das ist es was auch die Studentin beunruhigt. Sie ist sich ziemlich sicher, dass der dunkle Schatten von dem Ludwig gesprochen hat, der alte Bartholy ist. Aber warum lauert er darauf das ihr Geisterfreund Kontakt zu ihr aufnimmt? Und warum scheint er Lorie und Drogo gegen sie aufzubringen? Was hat er vor und warum? Im Gegenzug hatte Sarah eine Neuigkeit, die dafür sorgten, dass dem Kindermädchen einen Moment die Augen übergingen. Während der Ferien hat der alte Dekan offenbar sein Amt niedergelegt und es gibt einen neuen. Als die junge Osbourne sagt wer da der neue Direktor der Universität ist, hätte Emma im ersten Moment beinahe gelacht; aber nein, es ist so. Loans Vater ist der neue Dekan. Und im Gegensatz zu seinem Sohn, soll er sehr charmant und zuvorkommend sein. Am Freitag soll eines eine große Versammlung und eine offizielle Antrittsrede geben; man darf gespannt sein. Und wie befürchtet hat Samantha alles daran getan ihr Wissen möglichst schnell in der Uni zu verbreiten. Es scheint niemanden mehr auf dem Campus zu geben der nicht darüber Bescheid weiß, dass Professor Jones auf unbestimmte Zeit seine Arbeit niedergelegt hat. Und das blonde Biest hat natürlich allen ihren Grund dafür genannt: Emma. Sarah hat das recht schnell mitbekommen und ihr möglichstet getan um viel Zeit bei ihrer Freundin zu verbringen. Die junge Osbourne hat einen guten Ruf und ein hohes Ansehen an der Uni und niemand würde sich unbedingt mit ihr anlegen. Peter, der sonst eher für sich und Abseits ist, war auch verdächtig oft da und hat ihr Gesellschaft geleistet. Und Drogo war auch irgendwie oft in ihrer Nähe. Er hielt zwar eine gewisse Distanz, war aber nah genug das niemand es wagte etwas zu sagen. Und trotzdem wurde Emma zur Genüge angegiftet und angefeindet. Der Tag war einfach nur die Hölle. Sie ist froh das die letzte Vorlesung durch ist und sie nun endlich den Campus verlassen kann. Normalerweise würde sie jetzt noch in die Bibliothek gehen aber sie will einfach nur noch weg. Obwohl es erst Nachmittag ist wird es bereits dunkel. Die ersten Straßenlaternen gehen bereits an um die winterliche Dämmerung zu erhellen während die Studentin sich auf den Weg zu Sebastians Haus macht. Um möglichst anderen Kommilitonen aus dem Weg zu gehen wählt sie eher Nebenstraßen und kleiner Umwege. Die junge Frau bleibt kurz stehen und sieht sich um. Sie hat das Gefühl, dass da jemand ist und sie beobachtet. Schon seit sie den Campus verlassen hat fühlt sie irgendwie verfolgt. Ein Seelenfragment vielleicht? Aufmerksam lässt sie ihren Blick über die Straße schweifen … Nichts zu sehen. Wird sie verrückt? Vielleicht. Bei all den Dingen der letzten Tage wäre das nicht verwunderlich. Langsam setzt sie ihren Weg fort und sieht wie die ersten Schneeflocken dieses Jahr vom Himmel herabfallen. Die hübschen glitzernden Sterne lassen sie augenblicklich frösteln. Sie mochte den ersten Schnee noch nie. Es war irgendwie, als würde er etwas in ihr heraufbeschwören, etwas Schlimmes. Ihm wohnte etwas Unheimliches inne, das sie nicht erklären konnte. Plötzlich dreht sich alles für einen Moment. Die Welt um sie herum verzerrt sich und wird unscharf. So wie er losging ist der Schwindelanfall auch schon vorbei, trotzdem bleibt das Kindermädchen weiterhin stehen. In dem Moment wo sie darüber nachdenkt, ob sie heute außer dem Frühstück etwas gegessen hat, huscht einige Meter vor ihr etwas über die Straße. Ein großer weißer Schatten. Ein Koloss! Dennoch war nichts zu hören oder zu erkennen, weil es trotz seiner riesigen Ausmaße blitzschnell war. Unruhe macht sich in Emma breit. Was zum Teufel war das?! Es war echt, so viel ist sicher; ein Geist hätte den typischen grünen Schimmer gehabt. Sie weiß das sie sich fürchten sollte, doch sie tut es nicht. Sie war schon immer ein sehr neugieriger Mensch, eine ihrer größten Schwächen. Unentwegt starrt sie auf die Stelle wo das Tier, oder wohl eher Wesen in Anbetracht der Größe und Geschwindigkeit, in einer kleinen Gasse verschwunden ist. Zu gern möchte sie wissen was das war … Ob sie kurz nachsieht, ob sie einen Hinweis findet? Das Ding ist doch bestimmt eh schon über alle Berge, also dürfte es doch ungefährlich sein, oder? Wie angewurzelt steht sie da, mitten im Tanz der dicker und mehr werdenden Schneeflocken und überlegt. Gerade als die Studentin loslaufen will ruft es über ihr. Sie braucht einige Sekunden bis sie den Ursprung in dem Flockengestöber ausfindig macht. Zwischen dem immer mehr werdenden Schnee sieht sie zwei große gelbe Augen die sie beunruhigt ansehen. „Moony?“, fragt sie verwirrt. Ihre Eule ist ihr noch nie in der Stadt begegnet, aber da sitzt sie, ganz oben auf einer Laterne und starrt sie an. Das Tier plustert sich auf und hüpft aufgeregt hin und her. In ihren Blick steht Sorge und Angst. Sie flattert mit den Flügeln, schreit und scheint sich mehr und mehr aufzuregen. Die junge Frau versteht nicht so recht. Gerade als sie den Mund öffnet um etwas zu sagen ertönt ein Geräusch aus der Gasse und lenkt sie ab. Die Eule über ihr ist sofort vergessen und die Neugier hat sie wieder fest im Griff. Sie hadert mit sich, ihrer schlechten Angewohnheiten und ihrem Überlebensinstinkt. Doch die Versuchung ist zu groß und irgendwie kommt ihr das alles auch merkwürdig bekannt vor. Es macht den Eindruck, als würde sich ganz hinten in ihrem Verstand etwas melden, was schon seit sehr langer Zeit schweigt. Wie hypnotisiert läuft sie langsam los und lässt die Seitenstraße nicht aus den Augen. Moony, die panisch nach ihr zu rufen und sie zu warnen scheint, hört sie gar nicht richtig. Nur ihr wild klopfendes Herz trommelt ihr in den Ohren; und eine leise, weit entfernt Melodie die ihr extrem bekannt vorkommt, sie aber gerade trotzdem nicht erkennt. An der Ecke angekommen steht sie am Eingang der kleinen Gasse und starrt hinein. Sie ist nur ein zwei oder drei Meter breit und das Licht reicht kaum ein paar Schritte. Nichts Auffälliges ist zu sehen oder zu hören; nur diese Melodie, die nicht aus der Nähe zu kommen scheint und auch nicht wirklich aus dieser Welt. Emma bekommt plötzlich Gänsehaut, und das nicht wegen der Kälte. Da sind zwei Augen die sie ansehen. Nicht einfach so, nein, sie schweben zwei Meter über den Boden. Ihre helles, klares Blau erinnert sie an ein Eismeer, was nicht nur an der Farbe, sondern auch an der Kälte in ihnen liegt. Diffus erkennt sie nach einigen Sekunden die Umrisse im Halbdunkel und Panik lähmt sie augenblicklich. Das ist ein Werwolf! Ein Werwolf! „Renn weg!“, schreit ihr Geist, aber ihre Muskeln rühren sich nicht. Sie kann nur dieses riesige Ungetüm anstarren. Das Rauschen ihres Blutes in den Ohren übertönt die eigenartige Melodie und die Rufe von Moony komplett. Nur sie und dieses Ding vor ihr scheinen noch zu existieren. Der Werwolf knurrt und verengt die Augen. Es kommt Bewegung in das große Wesen und er ballt die Hand zur Faust. Langsam beugt es sich nach vorn Richtung Licht, sein Blick auf die junge Frau gerichtet. Die Studentin steht da wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Nein, wie eine dumme Beute vor einem Jäger. Einem Raubtier. Ihr Herz klopft immer schneller und ihre Atmung wird immer hektischer. Erneut meldet sich der Schwindel und scheint sich in ihr Gehirn zu fressen. Das Tier stützt sich auf der Faust ab und ist somit auf Augenhöhe mit ihr. Es reckt den Kopf nach vorn, so dass sein wuchtiger Schädel im Licht zu sehen ist. Dicke Flocken setzten sich auf seinem Fell ab und verleihen dem Ganzen eine absurde Stimmung von Friedlichkeit. Er ist weiß, wie der erste Schnee im Jahr; das ist der Gedanke der Emma im ersten Moment kommt. Der Werwolf ist weiß … Ganz anders wie Ludwig, schießt es ihr im nächsten Augenblick durch den Kopf. Ludwig … sie erinnert sich an ihr erstes aufeinander Treffen in ihren Träumen letztes Jahr, und welche Angst sie vor ihm hatte. Aber es war nicht ihr wirklich erstes Treffen damals … sie kannte ihn eigentlich schon. Doch noch immer weiß sie nicht woher. Die Melodie die zwischenzeitlich verstummt war beginnt sich plötzlich wieder bemerkbar zu machen und kommt ihr nun noch bekannter vor wie eben schon. Das riesige Wesen schnüffelt und verengt die Augen, als würde es sie sondieren, oder versuchen zu erkennen. Es lehnt sich noch etwas weiter vor und auch seine breiten Schultern sind im Licht zu sehen. Ein leises Brummen ist zu hören und es legt den Kopf leicht schief. Erst jetzt kommt dem Kindermädchen der Gedanke, dass sie sich womöglich kennen. Immerhin ist dieses Ding ja eigentlich ein Mensch. Und das führt sie zum nächsten Gedanken; wie lange ist dieser hier schon ein Werwolf? Sie erinnert sich an Ludwigs Erklärung, dass es viele Verwandlungen dauert, bis der menschliche Verstand sich allmählich über den tierischen setzt. Falls das hier ein junger ist, könnte ihr letztes Stündlein geschlagen haben; egal ob sie sich kennen oder nicht. Doch warum auch immer, scheint das hier vor ihr schon ein recht erfahrener zu sein, zumindest interpretiert sie sein Verhalten so. Außerdem ist kein Vollmond, fällt es ihr im nächsten Moment ein. Werwölfe können sich ab einem bestimmten Alter nach eigenem Ermessen verwandeln und sind nicht mehr von dem Himmelsgestirn abhängig. Die Situation entspannt sich, zumindest wirkt das Tier entspannter wie im ersten Moment. Seine Augen verlieren an Kälte und er wirkt eher neugierig wie bedrohlich. Es bewegt sie noch ein Stück auf die junge Frau zu. Etwas Verschmitztes funkelt durch seinen Blick, dass dafür sorgt, dass sich ihre Nackenhaare aufstellen. Im nächsten Augenblick kippt die komplette Stimmung und das Knurren des Werwolfs donnert von den Steinwänden der Häuser wider. Es war eine Falle, ist sich die Studentin plötzlich sicher. Er hat sie in Sicherheit gewogen und sie ist dadurch unvorsichtig gewesen. Und jetzt wird er sie töten. Es wird alles vorbei sein; einfach so. Sie schließt die Augen und Tränen beginnen ihr unkontrolliert über die Wangen zu laufen. Plötzlich wird sie gepackt und weggedreht. Sie versteht nicht was passiert, weil es nicht den erwarteten Schmerz auslöst. Trotzdem verkrampft sie sich ganz automatisch. Doch der Geruch von Wildnis kitzelt sofort ihre Nase und ein kräftiger Arm umschlingt ihre Schultern. Wärme und Geborgenheit umfängt schlagartig und völlig unpassend zu den Geschehnissen von Eben. Professor Jones steht da, hat die Studentin fest an sich gedrückt, und fixiert sein Gegenüber. Er knurrt und verzieht wütend das Gesicht. Seine Muskeln sind bis zum äußersten angespannt. Zittrig öffnet sie die Augen als sie gegen eine starke Brust gedrückt wird. „Sebastian“, flüstert sie ungläubig und sieht zu ihm auf, dann dreht die junge Frau den Kopf Richtung Gasse zurück. Der weiße Werwolf richtet sich wieder zu voller Größe auf; nicht hektisch, nicht eilig. Der ganze Ablauf hat eher etwas Überhebliches. Sein Blick wandert zwischen dem der Studentin und dem des Professors hin und her. Er fixiert schließlich die bernsteinfarbenen Augen und zieht drohend die Lefzen hoch. Im nächsten Augenblick verschwindet das Wesen in der Dunkelheit. Emma verlässt alle Kraft als das Tier weg ist. Würde sie Sebastian nicht festhalten, würde sie einfach auf den Boden fallen. Sie spürt ihr eigenes Herz das wild klopft, und auch das von Professor Jones, das scheinbar noch schneller rast wie ihr eigenes. „Was hast du dir dabei gedacht?“, fragt der Archäologe mehr besorgt wie wirklich vorwurfsvoll. Er streicht ihr über die Wange und sieht sie intensiv an. Die junge Frau würde gern antworten, aber sie bekommt kein Wort heraus. Der Schwindel übernimmt mehr und mehr ihre Sinne und alles verschwimmt allmählich. Sie hört noch, wie Professor Jones ihr sagt, dass er doch gesagt hat, dass er auf sie aufpasst, dann hüllt sie Finsternis ein.   Die Bäume tragen keine Blätter und Nacht hüllt alles ein. Es sind keine Sterne zusehen, weil dicke weiße Wolken die Sicht versperren. Sanfter Nebel liegt dicht über dem Boden und leichter Schneefall setzt ein. Emma steht in einem Wald, so viel ist sicher, aber warum? Und wo? Das ist nicht die Zwischenwelt, das spürt sie irgendwie. Allerdings fühlt sie nicht die Kälte, die eigentlich da sein müsste. Vor ihrem Mund bilden sich auch keine Atemwolken. Generell ist das hier eigenartig. Ein wenig, als würde sie in einer Kulisse stehen, obwohl es echt ist. Also irgendwie echt. Ein Traum? In der Ferne ertönt ein Heulen. Statt Angst spürt die junge Frau eher ein Stechen im Herzen. Das Geräusch klang gequält und leidend. Ihr Blick wandert in die Richtung aus der der Laut kam. Zwischen den Bäumen taucht ein großer Schatten auf. Er ist noch weit entfernt, aber sie erkennt sofort die Silhouette. Ein Werwolf. Die Studentin schaudert es. Was passiert hier nur? Das Wesen wuchtet sich zwischen den Stämmen hindurch. Sie bemerkt, dass das alles sehr schwerfällig und angestrengt wirkt und runzelt die Stirn. Etwas stimmt nicht mit ihm. Der Werwolf kommt immer näher und bricht ein paar Meter vor der jungen Frau zusammen. Unschlüssig steht sie da und versucht zu verstehen. Ihr Blick wandert den kräftigen Körper ab. Ihr Magen dreht sich schlagartig um. Riesige Wunden sind zu sehen und Blut sickert in das schwarze Fell das bereits völlig verklebt ist. Als das Tier seinen Kopf hebt und undefiniert in ihre Richtung sieht, stockt ihr der Atem und sie schlägt die Hand vor den Mund. „Ludwig“, flüstert Emma kaum hörbar. Kapitel 26: Es war einmal ------------------------- Unsere Vergangenheit besteht nicht nur aus unserer Vergangenheit. Ernst Ferstl Wie gebannt starrt Emma in die goldenen Augen die sie inzwischen recht gut kennt. Auch die Gesichtszüge, obwohl tierisch, erkennt sie problemlos wieder. Es ist Ludwig; da gibt es keine Zweifel. Allerdings sieht er sie nicht, scheint keinerlei Notiz von ihr zu nehmen. Im Gegensatz zu ihr, die ihn sieht, hört und auch riecht. Der Geruch von Blut steigt ihr in die Nase und das herzzerreißende Winseln sorgt dafür, dass sich alles in ihr zusammenzieht. Ihr kommen die Tränen und sie geht in die Knie. Zittrig streckt sie ihre Hand aus und will ihn berühren, doch ihre Finger gleiten durch ihn hindurch. Erschrocken zieht sie sich zurück. Offenbar ist sie kein Teil von dem was hier passiert. Was auch immer hier passiert … Völlig aus der Situation gelöst hört sie wieder die Melodie. Sie kennt den Song, der da scheinbar läuft, wo auch immer. Die Musik schwebt über Szenerie als würde sie gar nicht dazugehören. Ludwig sieht schlagartig über seine Schulter und knurrt. Er springt auf und läuft weiter, verschwindet zwischen den Bäumen im Nebel und dem stärker werdenden Schneefall. Plötzlich wird die Musik deutlicher und sie erkennt einige Textfetzen. „… Lost in a riddle that Saturday night … He was caught in the middle of a desperate fight …“ Die Studentin verflucht sich kurz selbst. Sie erkennt den Text und auch die Melodie, aber ihr will es einfach nicht einfallen. Aus dem Augenwinkel nimmt sie einen bedrohlichen Schatten war, genau in der Richtung in die der Werwolf eben geschaut hat. Das Ganze wirkt konturlos, wie ein sich bewegender Tintenfleck. Von jetzt auf gleich ist die junge Frau auf einer Straße. Es scheint immer noch die selbe Nacht zu sein, zumindest schneit es ähnlich intensiv. Und auch die Musik ist immer noch da. Weit und breit ist nichts zu sehen außer einem kahlen Wald zu beiden Seiten der schmalen Fahrbahn. Wieder heult es in der Ferne, diesmal ist es aber ein Schmerzensgeheul. Emma zittert und ein schreckliches Gefühl breitet sich in ihr aus wie Gift. Etwas ganz Schreckliches passiert hier gleich, sie weiß das. Es ist keine Ahnung, sondern eine unumstößliche Gewissheit. Ihre Welt wird sich gleich für immer verändern. Die Musik gewinnt an Deutlichkeit … „ …The trees that whisper in the evening … Sing a song of sorrow and grieving …“ Plötzlich erhellen Scheinwerfer die Straße; ein Auto kommt auf die Studentin zu gefahren. Obwohl sie geblendet wird erkennt sie den Wagen. Sie würde ihn unter tausenden wiedererkennen. Das ist das Auto ihrer Eltern! Und nun erkennt sie auch den Song, der da die ganze Zeit im Hintergrund läuft. „… Four A.M. in the morning … Carried away by a moonlight shadow …“ Neben der Studentin bricht ein großes schwarzes Ungetüm aus dem Wald. Nein, kein Ungetüm. Es ist Ludwig auf der Flucht vor etwas, dass mächtig genug ist einem erfahrenen und starken Werwolf wie ihn derart zu zurichten. Emma weiß was jetzt geschieht, die Bilder flackern wieder vor ihr hoch und im nächsten Moment brettert der Wagen durch sie hindurch und erwischt Ludwig, der durch seine Verletzungen nicht schnell genug war. Der Werwolf wird in den Seitengraben geschleudert und das Auto kommt von der Fahrbahn ab, überschlägt sich und landet auf dem Dach. Die junge Frau zuckt zusammen und ein stechender Schmerz blitzt ihr durch den Kopf. Im nächsten Augenblick läuft etwas Warmes von ihrer Schläfe herunter. Vorsichtig tastet sie mit den Fingern ihr Gesicht entlang und begutachtet sie danach. Blut. Bilder zucken wieder vor hoch, doch die Perspektive ist eine andere. Die Bilder kommen aus dem Inneren des Autos. Alles steht Kopf und Mike Oldfield läuft im Radio. Ein Kind weint. Emma hat das Gefühl das sich endlich der Nebel lichtet und alles Stück für Stück zurückkommt. Aber ist das wirklich möglich? Sie weiß zwar aus Sebastians Vorlesung, dass Werwölfe um einiges langsamer altern wie Menschen, aber sie ist eigentlich davon ausgegangen, dass Nicolae Ludwig damals getötet hat. Ihr wird aber bewusst, dass der Vampir das nie gesagt hat, und auch Peter hat dazu nichts verlauten lassen. Sollte dem so sein kann es durchaus möglich sein, dass er zu ihrer Zeit noch lebte … Aber wie kann dann Sebastian, der ja älter wie sie ist, seine Wiedergeburt sein? Irgendetwas stimmt da nicht; nur was? Ein metallisches Geräusch reißt sie aus ihren Gedanken. Die Tür des Wagens geht auf und ein Mann kriecht aus heraus. Ihr Vater … sie erinnert sich mehr, als das sie ihn erkennt. Der Schnee fällt inzwischen wie ein dichter Vorhang zu Boden und begrenzt ihre Sicht erheblich. Ihr Vater richtet sich auf und plötzlich ist da ein Schatten hinter ihm. Ehe der Mann reagieren kann, wird er am Hals gepackt und hochgehoben. Er versucht sich zu wehren, hat aber keine Chance. Ein Kind klettert auf der anderen Seite aus dem Auto. Der Mann ruft ihm zu das es weg laufen soll … Plötzlich ist der Mann still und sein Kopf unnatürlich verdreht. Aus dem Wagen schreit es; Feuer ist zusehen das sich rasend schnell durch den Innenraum frisst. Der Geruch von verbrannten Haaren mischt sich mit dem von Blut und Schnee. Kurz darauf ist auch die Frau still. Das Kind läuft weg … stolpert und fällt. Es rutscht von der Fahrbahn und rollt in den Seitengraben. Emma erinnert sich. Sie erinnert sich, dass sie plötzlich auf etwas pelziges Warmes gefallen ist. Sie erinnert sich, wie sie den Geruch von Holz und Moos wahrgenommen hat und im nächsten Moment zu Tode erschrocken war. Sie erinnert sich an ein paar goldene Augen die sie entschuldigend angesehen haben, und, dass ihr warm ums Herz wurde in dem Moment. Ihre Gedanken kommen zurück zu der Szene die sich vor ihr abspielt. Ludwig kommt aus dem Graben gesprungen, stürzt sich mit seiner verbliebenen Kraft auf den Schatten. Er hat keine Chance, das weiß sie, und er auch. Doch er versucht sein Möglichstes um sie zu beschützen … Der Kampf ist grausam und ungerecht. Blut, Fell und Fleisch verteilen sich auf der Straße, färben den Schnee. Immer wieder wuchtet sich der Werwolf hoch, stellt sich seinem Gegner. Aussichtslos. Irgendwann bleibt er liegen; röchelt und seine Augen verlieren Zusehens den Schimmer des Lebens. Das Gold wird Matt und trüb. Ein Kinderschrei ist zu hören und der Schatten wendet sich um. Die junge Frau sieht wie ein Mädchen aus dem Graben kommt und zu dem sterbenden Tier läuft. Tränen rinnen ihnen beiden über die Wangen bei dem was sie sehen. Emma genauso wie dem Kind. Das ist sie, sie weiß es; sie erinnert sich … Der Schatten nähert sich, scheint irgendetwas in dem Mädchen zu sehen was ihn interessiert. Etwas passiert. Etwas, das sie nicht ansatzweise versteht. Den Werwolf umgibt urplötzlich ein grüner Schimmer der das Kind mit umschließt. Der Schatten weicht fauchend zurück, seine Augen glühen rot und lange spitze Eckzähne blitzen hervor. Ein greller Strahl entweicht im selben Moment dem geisterhaften Schein. Er teilt die Wolken und schießt in den Himmel. Der Schnee hüllt die junge Frau ein, nimmt ihr die Sicht und die Musik setzt wieder ein: „I stay, I pray, See you in Heaven far away… I stay, I pray, See you in Heaven one day. Far away on the other side. Caught in the middle of a hundred and five The night was heavy and the air was alive But she couldn’t find how to push through Carried away by a moonlight shadow Carried away by a moonlight shadow Far away on the other side.“   Allmählich spürt Emma ihren Körper wieder. Eine warme Hand streicht ihr über den Kopf und eine raue Stimme murmelt ihr ins Ohr. „… Bitte … komm schon …“ Flatternd öffnen sich die Lider der jungen Frau. Sie ist desorientiert und weiß nicht wirklich wo sie ist. Doch die Augen die sie besorgt ansehen erkennt sie sofort. „Du“, flüstert sie. Sie fühlt sich grauenvoll; ausgelaugt und erschöpft. Und traurig, so unendlich traurig. Doch die warmen Lippen die sich erleichtert auf ihre Schläfe legen, sorgen zumindest für wenig Wohlbefinden. „Ein Glück“, haucht Sebastian. „Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt, meine Süße.“ Die Studentin nickt langsam, während sie ihre Erinnerungsfetzen zusammenfügt. Sie kann sich das sehr gut vorstellen. Erst findet er sie in der Gasse mit dem fremden Werwolf, dann bricht sie zusammen und ist nicht ansprechbar. Für Minuten? Stunden? „Wie lang …?“, fragt sie heiser und mummelt sich tiefer in die Decke. Sie liegt in Professor Jones Bett, das hat sie inzwischen bemerkt. „Etwas über eine Stunde“, antwortet er. Der Archäologe gibt ihr einen weiteren Kuss, diesmal auf die Stirn. „Ich bin fast gestorben vor Angst um dich“, gibt er offen zu. Behutsam legt er sich zu ihr und zieht sie an seine Brust. „Tut mir leid …“, nuschelt sie und schmiegt sich in seine Umarmung. Still lässt sie ihre Erinnerungen Revue passieren. Zumindest weiß sie jetzt auch, warum sie dieses eigentlich schöne Lied immer so grässlich fand die ganzen Jahre. Und auch den ersten Schnee. „Erzähl es mir“, fordert Sebastian sie auf. „Du bist nicht allein damit, was es auch immer ist.“ Liebevoll streichelt er ihr über den Rücken. Emma pustet kurz durch. Sie muss erst einmal nachdenken, auf welchem Stand Professor Jones eigentlich ist. Da er gestern erst wiedergekommen ist, muss sie wohl ganz am Anfang des Jahres anfangen. Noch etwas zögerlich beginnt sie schließlich. Sie erzählt ihm von Ludwig, und, dass er noch da ist. Von seiner Warnung und dem Schatten. Und, dass er sie in die Zwischenwelt ziehen kann. Immer noch weiß sie nicht wie, aber inzwischen spürt sie es zumindest und kann sich dann darauf einrichten. Sie erzählt ihm von Peter und Nicolae, und wie sich mit ihnen ausgesprochen hat. Nach einigem Zögern berichtet sie von ihren ersten Erinnerungen an Ludwig. Ein wenig beschämt erklärt sie Sebastian, dass der Werwolf ihr unsichtbarer Freund war und sie es vergessen hatte. Wohlwollend küsst er sie auf die Stirn und lässt sich zu einer kurzen Geschichte aus seiner Kindheit hinreißen. Einem Kuscheltier, das ihm besonders wichtig war. Der Vergleich hinkte natürlich etwas, aber die Studentin findet es süß, dass er versucht ihr die Befangenheit zu dem Thema zu nehmen und sich ihr gleichzeitig ein wenig öffnet. Das, was in ihrem Traum in der Hütte im Wald passiert ist, behält sie erst einmal für sich. Sie ist sich unsicher ob sie es wirklich erzählen soll; und sie hat keine Ahnung wie der Professor reagieren wird. Stolz berichtet sie stattdessen von ihren Rechercheerfolgen zum Thema Geister und Medien. Und, wenn auch widerwillig, von Drogo. Sie entschärft die Geschichte knallhart was den sexuellen Teil betrifft, weil sie ernsthaft fürchtet, dass Sebastian sonst aus dem Bett springt um den blonden Vampir ausfindig zu machen und ihn in Stücke zu reißen. Und ihre Angst scheint berechtigt, denn sie spürt wie er sich bis aufs Maximum anspannt. Schnell erklärt sie die Zusammenhänge, bleibt aber recht vage, und erwähnt Mia nicht. Der Archäologe schlägt eine Pause vor, wahrscheinlich auch für sich selbst, denn die Geschichte mit Drogo hat ihn ziemlich aufgewühlt, und, dass sie etwas Essen sollten. So finden sie sich in der Küche wieder, bei einigen Sandwiches und Saft. Während des improvisierten Abendessens erzählt Emma von Viktor. Sie erzählt davon, wie er Einfluss auf Drogo und Lorie ausübt. Sebastian nickt vor sich hin und sagt ihr, dass Nicolae etwas in die Richtung angedeutet hat. Und auch, dass der Älteste der Brüder sagte, dass er nicht so recht wüsste, was das Clanoberhaupt wieder in der Stadt wollen würde. Der Studentin wird flau. Sie erzählt von ihren Erinnerungen, die sie vorhin heimgesucht haben. Von ihren Eltern, dem Unfall und Ludwig. Ihr Kommen wieder die Tränen. Sebastian nimmt sie in den Arm, tröstet sie und lässt ihr alle Zeit der Welt. Nachdem sie sich wieder gefangen hat, spricht sie weiter. So genau wie möglich gibt sie die Geschehnisse wieder. Der grüne Schimmer der Ludwig und sie umhüllt hat und der grelle Lichtstrahl der davon geschossen ist. Schließlich berichtet sie von dem Schatten. Sie erklärt, dass sie das Gefühl hat, dass es sich um denselben Schatten handelt wie in der Zwischenwelt. Und im Haus der Bartholys. Viktor. Stille legt sich über Emma und Sebastian. Er hat seinen Arm um sie gelegt und scheint nachzudenken. Und auch sie grübelt nach, darüber was es nun mit Ludwig und den Professor auf sich hat. Auf Grund der neuen Informationen ist sie sich sicher, dass es sich nicht um eine Reinkarnationsgeschichte handeln kann. Ihr geisterhafter Freund scheint ihr noch nicht alles offenbart zu haben. Er hatte ihr seine Vermutung ja auch nicht bestätigt als sie sie geäußert hatte … „Ich denke, dass du es warst“, sagt Sebastian plötzlich. Er sieht die junge Frau an und scheint nach der richtigen Formulierung zu suchen. „Du bist ein Medium, ein recht starkes sogar. Es könnte sein, dass dein Wunsch Ludwig zu retten ihn an dich gebunden hat.“ Ein kalter Schauer schüttelt die Studentin. Wäre das möglich? Hat ihr kindlicher Wunsch dieses arme, gequälte Wesen zu retten ihn irgendwie an sie gebunden? Das wäre schrecklich, wenn sie so darüber nachdenkt. Sollte dem der Fall sein, wäre das sogar eine Erklärung warum er immer noch bei ihr ist. Er kann womöglich gar nicht aus eigener Kraft hinüber ins Jenseits. „Ich muss mit ihm reden“, sagt sie mehr zu sich und richtet sich auf. „Süße, du solltest dich erst einmal ausruhen“, versucht der Archäologe auf sie einzureden. „Nein“, widerspricht sie sofort. „Ich muss das klären, jetzt, sonst werde ich keine Ruhe haben.“ Emma sieht den Archäologen an. Sie sieht wie er ihr erneut widersprechen will, aber er lässt es dann doch bleiben und nickt wenig überzeugt. Schnell legt sie ihre Lippen auf seine und küsst ihn mit allem, was sie für ihn empfindet. Nachdem sie sich von ihm gelöst hat lässt sie ihren Kopf gegen seine Brust sinken. Sie lauscht seinem Herzschlag, atmet durch und konzentriert dann ihre Gedanken. Ludwig. Ludwig. Immer wieder ruft sie ihn in ihrem Kopf und dann spürt sie das typische ziehen an ihrem Geist. Die Studentin entspannt sich und lässt sich davon tragen … Kapitel 27: Der rote Faden -------------------------- Das Schlimmste auf der Suche nach der Wahrheit ist, daß man sie am Ende findet. Rémy de Gourmont Es regnet in Strömen. Die Nacht ist kalt und dunkel. Keine Sterne, kein Mond; dafür eine Atmosphäre die einem den Atem raubt. Ein Raubtier geht um, man spürt es. Der Tod lauert zwischen den knorrigen Stämmen. Emma sieht in einiger Entfernung eine kleine heruntergekommene Hütte. Sie war schon einmal hier, sie erinnert. Und auch an das, was im Inneren des Hauses passiert ist. Sie fühlt sich einen Moment unwohl bei dieser Erinnerung und schüttelt den Kopf um sie zu vertreiben. „Was ist das hier?“, fragt sie leise vor sich hin und lässt ihren Blick schweifen. „Die schlimmste Nacht meines Lebens“, brummt es verbittert hinter der jungen Frau. Sie dreht sich um und sieht Ludwig in seiner eigentlich so mächtig wirkenden Wolfsgestalt. Der Regen hat ihn komplett durchweicht und es tropft aus seinem Fell. Er wirkt eher erbärmlich, wie er da so zusammengesunken steht. Sie spürt die ganze Trauer und das Elend, welches ihr Gegenüber heimzusuchen scheint. Eigentlich ist sie hergekommen um andere Dinge zu klären, aber sie kann sich nicht überwinden ihn danach zu fragen, wo er doch offensichtlich gerade mit etwas Belastenden zu ringen scheint. „Was ist hier passiert?“, fragt die Studentin sanft und macht einen Schritt auf ihn zu. Er tut ihr gerade schrecklich leid obwohl sie gar nicht so recht weiß warum. „Der Anfang vom Ende“, gibt Ludwig betreten als Antwort. Er hebt die Pranke und deutet auf die Hütte. „Ich habe sie als Unterschlupf genutzt. In jeder Vollmondnacht habe ich mich hierher zurückgezogen. Im Inneren gibt es einen Raum … Ich habe ihn präpariert um mich gefangen zu halten, wenn ich mich verwandelt hatte.“ Ein kalter Schauer huscht dem Kindermädchen den Rücken hinunter. Der Mann unter dieser Bestie ist warm, liebevoll und beschützend; sie mag sich nicht vorstellen wie es für ihn gewesen ist sich jeden Monat in ein rasendes Raubtier zu verwandeln. Ihr gehen unzählige Fragen dazu durch den Kopf, aber sie stellt sie nicht. Still wartet sie, dass er weiterredet; ihr erzählt warum ihn das hier so bedrückt. „Sie … sie ist mir einmal gefolgt und hat so alles herausgefunden …“, seufzt der Werwolf und sieht das erste Mal auf. Seine goldenen Augen sind trüb und traurig. „Sie … sie war wie du. Sie hat mich nicht dafür gehasst, oder verurteilt. Sie hat mir beigestanden und den Rücken gestärkt. Und mich motiviert weiter nach einem Heilmittel zu suchen, wenn ich mal wieder alle Hoffnung verloren hatte. Ich sagte ihr, dass sie fernbleiben soll in den Vollmondnächten, doch in jener schrecklichen Nacht …“ Er lässt den Satz unvollendet verhallen. Also ist das die Nacht in der Nicolaes Verlobte getötet wurde; aber nicht von Ludwig, dass weiß sie ja schon. Neben der Frage, wer für den Tod der jungen Frau damals verantwortlich ist, treibt sie noch ein anderer Gedanke um. „Weißt du warum?“, fragt Emma vorsichtig nach. Sie kann nicht glauben, dass Frau einfach hier aufgetaucht ist, weil sie nichts Besseres zu tun hatte. Noch dazu bei solche einem Wetter. Sie wusste außerdem welche Gefahr, theoretisch, von Ludwig nach seiner Verwandlung ausging und wie sehr unter der Vorstellung litt jemanden zu verletzen. „Es war eine Falle …“, knurrt Ludwig und Hass flackert durch seinen Blick. „Sie … sie war der Köder … für mich …“ Er bricht ab und donnert ein markerschütterndes Heulen Richtung des bedeckten Himmels das all seinem Schmerz Ausdruck verleiht. „Köder?“ Jemand hat sie hier raus gelockt? Damit der Werwolf sie tötet? Das scheint der jungen Frau irgendwie unwahrscheinlich. Was also dann? Der Selbsthass den sie im Blick von Ludwig abließt, lässt ihr bewusstwerden, was er meint. Nicolaes Verlobte war der Köder, um ihn aus seinem nächtlichen Versteck zu locken. Die eigentlich so mächtige Bestie bricht zusammen unter der Last seiner Schuldgefühle. Er liegt im matschigen Boden und winselt, „Sie war der Köder … für mich … es ist meine Schuld, dass ihr das angetan wurde …“ Das Herz der Studentin bleibt kurz stehen um dann mit doppelten, dreifachen Tempo zu rasen. Jemand wollte Ludwig ans Leder und hat Nicolaes Verlobte hier raus gelockt … Doch wer würde sich freiwillig mit einem Werwolf anlegen? Oder war es Zufall? Aber der Mörder wusste das sich Ludwig in diesen Nächten versteckte, sonst hätte er ja einfach zu ihm gehen können; oder ihn bei Tag suchen können. Nein, es war gewollt, dass sie erst nach seiner Verwandlung aufeinandertreffen. Der Unbekannte wusste mit wem, bzw. was er es zu tun hatte. Wer wäre so lebensmüde? Dann bricht die Erkenntnis über sie herein. Es gibt nur ein Lebewesen, dass sich mit einem Werwolf anlegt; und das auch noch freiwillig. „Ein Vampir“, ist ihre logische Schlussfolgerung. „Der Vampir“, gibt der Werwolf zerknirscht zurück. Er hebt den Kopf und sieht zu der jungen Frau auf. „Derselbe, der auch dein Leben so grundlegend zerstört hat.“ Der Schatten im Wald! Aber das ist ewige Zeiten später gewesen. Jahrhunderte später! Das bedeutet … „Er hat dich die ganzen Jahrzehnte …?“ Die Studentin fühlt wie sich ihr der Magen umdreht. Der Mann vor ihr hat Jahrhunderte auf der Flucht verbracht … vor sich selbst und vor dem Mörder der Frau die er geliebt hat. Auch wenn es gerade noch so schrecklich ist, will sie die Chance nutzen um mit ihm über ihre eigene schicksalhafte Nacht zu sprechen, wo sie gerade an dem Thema vorbeischrammen. „Was ist damals passiert? In der Nacht, als wir uns das erste Mal begegnet sind, als du … gestorben bist?“, fragt sie und kniet hin. „Du erinnerst dich?“, fragt Ludwig vorsichtig zurück. Seine Gesichtszüge sind angespannt, als fürchte er die Antwort. Emma nickt. „Ja. Seit ein paar Stunden. Ich … du wolltest mich beschützen, oder?“ Sie hat das Gefühl, als müsste sie sich behutsam herantasten. Ihr Gegenüber vermittelt ihr den Eindruck, dass er nicht so wirklich mit ihr darüber reden will. Fraglich ist aber warum? Was versteckt er vor ihr? Oder bildet sie sich das nur ein? „Ich wusste, dass ich es nicht schaffen würde, aber ich habe dich sofort erkannt. Als ich dir in die Augen gesehen habe, wusste ich wer du bist.“ Der Werwolf streckt seine Schnauze nach vorn und tippt ihr sacht mit der Nase gegen dir Stirn. „Ich hätte es nicht ertragen dich noch einmal zu verlieren, also habe ich gekämpft und mein Möglichstes getan.“ Wie sehr hat Ludwig Nicolaes Verlobte eigentlich geliebt? Das Kindermädchen stellt gerade fest, dass sie nie wirklich darüber nachgedacht hat. Seine Empfindungen für sie müssen enorm gewesen sein, wenn er sie selbst nach hunderten Jahren sofort in ihr wiedererkannt hat. Doch das hilft ihr jetzt nicht weiter. „Was ist passiert mit dir und mir? Da war irgendeine Energie die uns umschlossen hat.“ „In der magischen Welt können Wünsche eine große Macht haben. Wenn sie stark genug sind und die richtige Magie oder Kraft dahintersteht, werden sie manchmal wahr“, erklärt das Tier und richtet sich etwas auf. Er wirkt unschlüssig und kratzt sich am Ohr. „Dein Wunsch mich zu retten und mein Wunsch dich zu schützen sind mit einander verschmolzen. Deine Gabe als Medium und meine mir zu eigene Magie durch mein Dasein hat mir eine Tür zu deiner Seele geöffnet als ich starb.“ Mit großen Augen sieht die junge Frau ihr Gegenüber an. Er hat ihr gerade ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. „Es ist meine Schuld, dass du hier gefangen bist …“, wispert sie kaum hörbar. Sie fühlt sich grässlich und wendet den Blick gen Boden. „Nein, nicht doch“, beschwichtig Ludwig und tippt ihr erneut gegen die Stirn. Seine goldenen Augen sehen sie intensiv an. „Ich hätte gehen können, wenn ich wirklich gewollt hätte“, beteuert er. „Aber jetzt kannst du nicht mehr weg, oder?“, hakt sie eindringlich nach. Sie will es unbedingt wissen, endlich verstehen was genau das alles bedeutet. Die magische Welt mit all ihren Regeln und Besonderheiten ist ihr immer noch so fremd und rätselhaft. Je mehr sie darüber erfährt, umso weniger versteht sie manchmal. Betreten sieht er weg. „Ich würde auch nicht gehen wollen. Ich habe die Tür genutzt, weil ich dich beschützen wollte.“ Stumm rinnen Emma einige Tränen über die Wangen. Also stimmt es. Ludwig ist auf ewig an sie gebunden und wird wohl erst gehen können, wenn sie irgendwann stirbt. Einem Wesen seinen ewigen Frieden vorzuenthalten ist eine schreckliche Vorstellung, die sie sofort zu Peter bringt. Auch er wird nie seinen Frieden finden. Allerdings ist ihr eines noch immer nicht klar. „Beschützen? Aus meiner Seele heraus?“, hakt sie irritiert nach. Wie soll das funktionieren? „Ja. Ich bin ein Werwolf. Auch meine Seele und mein Geist sind die eines Werwolfs. Ein Teil meins Selbst ist über die Jahre auf dich übergegangen.“ Ludwig räuspert sich und seine Ohren bewegen sich unruhig, als würde er das alles hier eher ungern besprechen. Seine goldenen Augen sehen zu der jungen Frau und wieder weg, als würde er sich für irgendetwas schämen. „Ich … Ich verstehe es nicht …“, gesteht die Studentin und runzelt die Stirn. Sie versteht es wirklich nicht. Sie weiß zwar, dass „Magisch“ nicht unbedingt Zauberei oder Hexerei bedeutet und dass alle Wesen der anderen Welt ihre eigene Magie haben, aber sie bekommt einfach nicht zusammen was ihr ihr Gegenüber sagen will. „Dieser Teil meiner Energie, Magie, wie auch immer, hat sich mit dir verbunden … dein Körper, deine Magie hat sie aufgenommen und an dich angepasst. Dieser Teil gehört inzwischen also vollständig zu dir, als wärst du damit geboren“, erklärt er zögerlich. Stück für Stück begreift sie, was er ihr sagen will. „Meine Seele und Magie sind jetzt also zum Teil … werwölfisch?“, fragt sie vor sich hin und verhindert im letzten Moment ein kleines Kichern, weil der Begriff schon arg merkwürdig klingt. „In Gewisser Weise … Sie hat bisher geschlummert, um ehrlich zu sein. Aber als ich letztes Jahr gezwungen war einzugreifen, hat sie reagiert und ist erwacht. Ich dachte sie würde sich wieder schlafen legen, wenn ich mich zurückziehe, aber dem war nicht so; sie blieb aktiv“, brummt Ludwig und kratzt sich am Kopf. Er beobachtet sie genau, als wolle er in ihren Kopf sehe und in Erfahrung bringen was sie nun mit dieser Information anfängt. Das Kindermädchen denkt angestrengt nach und versucht die Tragweite dessen zu erfassen, doch noch immer macht das keinen Sinn. Wovor hat er sie beschützt, in dem er ihr Werwolfsenergie vermacht hat? Und was genau bedeutet das überhaupt für sie? Ein kleines Kribbeln setzt in ihrer Magengrube ein. Sebastian kommt ihr in den Sinn; und die Tatsache das sie nie so recht verstanden hat warum das zwischen ihnen so intensiv ist und warum sie sich so extrem wohl bei ihm fühlt und alle Bedenken in den Hintergrund rücken, sobald er in ihrer Nähe ist. Mit dem Wissen jetzt, macht es plötzlich Sinn. Sie ist ein bisschen wie er; ein bisschen wölfisch. Sie verstehen sich auf einer ganz anderen Ebene, einer tieferen Ebene, die keiner Worte bedarf. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum dieser Teil ihrer Magie sich nicht wieder schlafengelegt hat. Durch die Nähe zu Sebastian wird dieser Teil immer wieder angefixt und gerät in Wallung. Doch sie darf sich nicht von den Gedanken an ihren schönen Professor ablenken lassen. Es gibt da noch etwas Anderes was sie brennend interessiert. „Und dieser Energiestrahl, was ist damit?“ Der Werwolf seufzt, als hätte er gehofft das sie nicht noch mehr von ihm wissen will. „Ich war ein sehr alter und dementsprechend mächtiger Werwolf. Meine Energie war viel zu groß für so ein kleines Mädchen wie dich; sie hätte dir geschadet, wenn nicht sogar deinen Tod verursacht. Die Magie hat also einen Teil von meiner Wolfsenergie abgetrennt“, erklärt er. „Was?“, fragt Emma verwundert. So einfach? Das ist alles? Das kann sie nicht so recht glauben. „Die Energie ist einfach verschwunden; hat sich einfach in Luft aufgelöst?“ „Nichts löst sich in Luft auf; vor allem Magie nicht.“ Ludwig steht auf und sieht einen Moment in den Himmel. Der Regen hat inzwischen aufgehört und die Wolkendecke lichtet sich langsam. „Sie … ist … in ein Artefakt hinein gefahren …“, erklärt er stockend. „Ein Artefakt?“, hakt die Studentin nach und verschränkt die Arme vor der Brust. Etwas stimmt nicht. Das ganze Verhalten und die Ausstrahlung des Werwolfs vor ihr haben sich verändert. Wäre er nicht so groß und beeindruckend, rein körperlich, könnte sie denken sie hat einen kleinen Jungen vor sich, der bei einem Missgeschick erwischt worden ist. „Ja“, gibt Ludwig zerknirscht zurück. „Es gibt besondere Dinge, die dafür gemacht sind magische Energie in sich aufzunehmen …“, er pausiert kurz und sieht dann die junge Frau an, „… und sie unter gegebenen Umständen … wieder frei zu setzen … wobei sie dann … auf einen neuen Wirt … übergehen ... kann …“, stottert er zusammen. Misstrauisch verengt das Kindermädchen die Augen. Warum stammelt er so, warum wirkt er so verlegen? Unruhig? Beschämt? „Was versuchst du mir hier gerade zu erklären?“ Sie sieht in die goldenen Augen die irgendwie schuldbewusst wirken. Ihr Magen krampft, als bei ihr endlich der Groschen fällt. Sebastian! „Das ist … nicht dein Ernst?!“, haucht sie und hat da Gefühl den Boden unter den Füßen zu verlieren. Das darf nicht wahr sein! Bitte nicht! „Die Magie hat sich verändert, an ihn angepasst wie sie es auch bei dir getan hat. Sie ist nun ein Teil von ihm und nicht mehr von mir. Aber ich habe es sofort gespürt …“, winselt Ludwig und scheint sich selbst die Schuld daran zu geben. In dem sie Ludwig an sich gebunden hat, hat sie gleichzeitig Sebastian verflucht? Das kann doch alles nicht wahr sein! Zittrig geht Emma in die Knie und beginnt zu weinen; nicht wegen ihr selbst, sondern wegen all den Menschen um sie herum. Welch grausames Schicksal jeden einzelnen von ihnen heimgesucht hat. Ein roter Faden des Elends, der sie alle über Jahrhunderte verbindet. Nicolae, der eigentlich so besonnen und empathische Mann, der die Liebe seines Lebens verlor. Dem seine Rachegedanken blind gemacht haben und ihn zu einem gnadenlosen Jäger mutieren ließen. Und als er schließlich unterlegen war, ein Leben in der Ewigkeit, in welcher er für immer mit dem Wissen um den Wahnsinn dem er da erlegen war ertragen muss. Peter, der sanfte, etwas unsichere Mann, dem das Schicksal schon zu Lebzeiten übel mitgespielt hat. Dessen einziger Lichtblick ihn verraten und hintergangen hatte. Der sein einziges Heil darin sah, für immer von der Welt zu verschwinden, und der nun seinen gewünschten Frieden nie mehr bekommen wird. Drogo, der damit leben muss, dass Mia, in der er verliebt war, seiner Überheblichkeit zum Opfer fiel. Der sich neu verliebte, ausgerechnet in sie, die seine Gefühle nicht erwidert. Der immer noch mit seiner Impulsivität und seinen Trieben kämpft. Wer weiß, warum und wie er in die Familie kam; vielleicht will sie es auch gar nicht wissen. Lorie, die von ihrem Vater ungeliebt einfach einem anderen überlassen wurde, nachdem ihre Mutter gestorben war. Die in einer Nervenklinik gelegen hatte und wer weiß was erdulden musste. Die für immer bleiben wird was sie ist, bis in alle Ewigkeit … Ludwig, der die Frau verloren hat die er liebte, weil jemand ihn töten wollte. Der ein Leben auf der Flucht und mit Schuldgefühlen gelebt hat, um am Ende in einem Seitengraben zu laden … und dann in der Seele eines kleinen Mädchens. Und Sebastian, der sich bei jedem Vollmond in einen Wolf verwandelt, weil er mit dem Artefakt in Berührung gekommen ist, in das Ludwigs überschüssige Wolfsenergie geflossen ist, als ihn sein Jäger zur Strecke brachte. Plötzlich graut es Emma. Eine schreckliche Kälte fährt ihr in die Seele. Ihre Gedanken überschlagen sich und schaffen es endlich die Puzzleteile zusammen zu setzen.  Der, der alles und jeden als Schachfigur sieht, dem es nie um etwas Anderes geht als sich selbst und seine Macht … Das konturlose Böse, dass auf dem Weg nach Mystery Spell ist … Der rote Faden, der ihrer aller Schicksal vereint hat … „Viktor“, flüstert sie und plötzlich wird alles um sie herum grell. Epilog: Im Schatten ------------------- Die Wahl zwischen Kampf und Flucht ist immer falsch. Stefan Rogal     Der Geruch von Wildnis umfängt sie, genau wie schützende Wärme. Emma öffnet die Augen und hat das Gefühl, alles was sie aufrechterhalten hat zerbricht. Ein finsterer Tsunami der Emotionen überrollte sie so schnell, dass sie selbst im ersten Moment gar nicht weiß wie ihr geschieht. Sie weint, schluchzt und zittert am ganzen Körper. Sebastian hält sie fest an sich gedrückt, streicht ihr sanft mit dem Daumen über den Oberarm. Er sagt nichts, wartet einfach nur das sie sich beruhigt. Nach mehreren Minuten hat die Studentin das Gefühl, dass es endlich besser wird. Ihr Körper bebt nicht mehr und auch ihre Tränen werden weniger. Sie sieht von seinem Brustkorb an den sie gekuschelt ist auf und verliert sich in dem besorgten Blick von Professor Jones. Jetzt, wo sie weiß woher es kommt, fühlt sie die Verbindung zwischen ihnen beiden so überdeutlich, dass sie sich gar nicht erklären kann warum ihr das früher nicht bewusst gewesen ist. Wahrscheinlich konnte er auf Grund dessen auch letztes Jahr den Sprung in ihre Träume schaffen. Ihrer beider, nein, Ludwigs Energie, auch wenn sie inzwischen angepasst ist, ähnelt sich noch genug, dass sie sich verbinden konnten und so eine Brücke geschaffen hatte. Aber was bedeutet das alles konkret? Wovor schützt sie diese Wolfsmagie? Und was ist nun mit ihr und dem Archäologen? Ist das zwischen ihnen nur darauf zurück zu führen? Und das mit Ludwig? Was ist da zwischen ihnen? Gewesen? Noch immer? Die junge Frau weiß gar nicht wo sie gedanklich anfangen soll. Nicht das ihre Herzens Angelegenheit ihr nicht wichtig wäre, gibt es doch wesentlich dringlichere Sachen mit denen sie sich beschäftigen muss. Ludwig zum Beispiel, der wohl für immer an sie gebunden ist. Vielleicht findet sie einen Weg ihm doch noch vor ihrem eigenen Ableben Frieden zu schenken? Falls ja, was würde das für sie bedeuten? Und auch Sebastian, der sich bei jedem Vollmond verwandelt wegen dem was sie und Ludwig getan haben. Inständig hofft sie, dass es eine Möglichkeit gibt ihm zu helfen. Aber das wichtigste mit dem sie sich beschäftigen muss ist Viktor; der der Auslöser für so viel Schreckliches ist. Die Studentin denkt an als das Leid, all den Schmerz den er verursacht hat. Außerdem scheint er nicht grundlos nach Mystery Spell zu kommen. Sie will sich gar nicht ausmalen was er vorhaben könnte, was er anrichten könnte. Die Begegnung damals kommt ihr wieder in den Sinn; wie der Schatten das Kind begutachtet hat. Ist es das? Hat Ludwig sie mit seiner Energie davor geschützt gebissen zu werden? Immerhin ist das Blut eines Werwolfs giftig für Vampire, vielleicht ist sie jetzt auch ungenießbar? Doch was sollte ein so mächtiges Wesen wie ein Urvampir von einem Medium wie ihr wollen? Widererwartend kommt ihr ein Gedanke, der sie nicht mehr loslässt, aber sie traut sich nicht ihn laut auszusprechen. „Was ist los, meine Süße?“, fragt Professor Jones leise und streicht ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. Er wirkt beunruhigt, weil sie so lange schweigt. Emma schwirrt so viel durch den Kopf, was sie ihm gerne sagen würde. Allen voran hat sie das Bedürfnis sich bei ihm zu entschuldigen, aber das muss warten. Sie muss sich zunächst entscheiden; Kampf oder Flucht. Viktor aufhalten, oder zu sehen das sie so schnell wie möglich das Weite suchen? Eine schwierige und folgenschwere Entscheidung … Sie öffnet den Mund und verkündet:   Kampf „Wir müssen ihn aufhalten.“ „Wovon redest du?“, hakt Sebastian leise nach, ohne wirklich zu fragen. Es scheint das er bereits ahnt, was sie gleich sagen wird. „Viktor“, antwortet sie schlicht. Ihr ist bewusst, dass sie das nicht alleine schaffen werden; und was es bedeuten wird, sich mit einem Monster wie ihn anzulegen. Doch es muss sein. Sie hat das Gefühl es Ludwig, den Brüdern und auch Lorie irgendwie schuldig zu sein. Und ihren Eltern; und sich selbst. Von all den namenlosen Opfern von denen sie nichts weiß ganz zu schweigen … „Das wird nicht einfach werden“, brummt Professor Jones, doch es klingt nicht danach, dass er ihren Gedanken nicht teilt und unterstützt, eher danach, dass er bereits drei Schritte weiter ist wie sie. Emma lächelt sanft und gibt Sebastian einen Kuss. Er hat recht, aber sie werden das schaffen, dass weiß sie einfach. Die Angst vor dem was geschieht, wenn sie ihm die Wahrheit über den Ursprung seines Fluchs erzählt, schiebt sie bei Seite. Sie wird es ihm sagen, aber nicht jetzt; jetzt müssen sie sich auf den Weg direkt vor ihnen konzentrieren und da ist kein Platz für Gedanken an die Zukunft; eine Zukunft die gänzlich im Schatten liegt.   Flucht „Wir müssen hier weg.“ „Wovon redest du?“, hakt Sebastian leise nach, ohne wirklich zu fragen. Es scheint das er bereits ahnt, was sie gleich sagen wird. „Viktor kommt meinetwegen, glaube ich“, antwortet sie schlicht. Ihr ist bewusst, dass sie es nicht ganz alleine schaffen werden, den alten Bartholy an der Nase herumzuführen; und was es bedeuten wird, alles was sie sich hier aufgebaut haben zurückzulassen. Doch es muss sein. Sie hat das Gefühl es Ludwig, den Brüdern und auch Lorie irgendwie schuldig zu sein, sollte ihre Vermutung stimmen und der Urvampir ist wirklich hinter ihr her. „Das wird nicht einfach werden“, brummt Professor Jones, doch es klingt nicht danach, dass er ihren Gedanken nicht teilt und unterstützt, eher danach, dass er bereits drei Schritte weiter ist wie sie. Emma lächelt sanft und gibt Sebastian einen Kuss. Er hat recht, aber sie werden das schaffen, dass weiß sie einfach. Die Angst vor dem was geschieht, wenn sie ihm die Wahrheit über den Ursprung seines Fluchs erzählt, schiebt sie bei Seite. Sie wird es ihm sagen, aber nicht jetzt; jetzt müssen sie sich auf den Weg direkt vor ihnen konzentrieren und da ist kein Platz für Gedanken an die Zukunft; eine Zukunft die gänzlich im Schatten liegt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)