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Im Nebel der Vergangenheit

Mystery Spell
von

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Back to school


 

Bibliotheken sind Büffets des Geistes.

Unbekannt

 

„Emma!“

Die Studentin zuckt zusammen und schaut erschrocken ihr Gegenüber an.

„Also wirklich“, empört sich Sarah, „Du hörst mir gar nicht zu.“ Die braunen Augen mustern ihre Freundin besorgt. „Ist alles okay mit dir?“

Nein, liegt dem Kindermädchen auf der Zunge. Lorie wollte mich töten, Drogo mich beißen und Nicolae will mit Professor Jones reden … Doch ihre Antwort fällt anders aus. „Ja, alles in Ordnung. Ich bin nur etwas müde.“ Todmüde um ehrlich zu sein. Sie hat die halbe Nacht nicht geschlafen. Das Wiedersehen mit Sebastian, vor allem die Tatsache das er zu ihr gekommen ist um sie zu sehen, hat sie in angenehme Euphorie versetzt. Doch kaum in ihrem Bett hat sie etwas Anderes umfangen; Angst. Drogo hatte zwar das Herrenhaus verlassen, aber sie wusste nicht ob er zwischenzeitlich zurückgekehrt war; oder später wiederkommen würde. Die Vorstellung das er einfach wieder in ihre Träume eindringt hat sie zu tiefst beunruhigt.

Nachdem sie sich stundenlang hin und her gewälzt hatte ist sie aufgestanden. Sie hat etwas getan, dass sie zuvor noch nie gemacht hatte – sie ist zu Peter, und das mitten in der Nacht. Er hat sie zwar im ersten Moment schräg gemustert, aber sie nicht wieder weggeschickt. Er hat auch nicht gefragt, sie einfach reingelassen und ihr mit einem Schmunzeln dabei zu gesehen wie sie sich in sein Bett gelegt hat. Der Pianist hat sich daraufhin wieder an sein Klavier gesetzt und weiter an seinem aktuellen Stück gearbeitet. Binnen weniger Minuten war sie schließlich eingeschlafen.

„Wirklich nur müde? Hast du etwa wieder Albträume?“, fragt die junge Osbourne nach. Sie greift über den Tisch und legt ihre Hand auf den Unterarm des Kindermädchens. „Du kannst mir alles sagen, dass weißt du.“

Ja, das weiß Emma, aber sie will nichts sagen. Auch wenn sich ihre Freundin bemüht den Bartholys gegenüber etwas objektiver zu sein seid den Geschehnissen letztes Jahr, ist sie alles andere als begeistert, wenn es um ihre Gastfamilie geht. Außerdem würde sie gern selber einfach erstmal verstehen was so richtig los ist. „Keine Albträume … eher Träume anderer Natur“, witzelt sie um das Thema zu wechseln. Wenn es eine Sache gibt, mit der sie das hübsche Energiebündel sofort ablenken kann, dann sind es schlüpfrige Themen. Das ist kein netter Schachzug, das weiß das Kindermädchen, aber der Zweck heiligt, zumindest im Augenblick, die Mittel.

Wie erwartet springt die junge Osbourne darauf an. „Anderer Natur? So von gutbauten, animalischen Männern die einen ansehen als wollten sie einen auffressen?“, hakt sie nach und grinst breit.

Im ersten Moment kichern die beiden Frauen amüsiert, doch dann trifft Emma der Schlag. Das Sarah von der Mehrzahl gesprochen hat, hat natürlich nichts zu bedeuten, aber es ruft ihr sofort Ludwig in Erinnerung. Und etwas viel Entscheidenderes: Drogo kann ihre Träume sehen. Träume! Sie ist so doof! Nun gut, sie hatte gestern auch den Kopf mit allerlei anderen Dingen voll, aber trotzdem. Es war ein Traum, einfach nur ein Traum. Eine unfassbare Erleichterung macht sich in ihr breit; auch wenn ein bitterer Beigeschmack bleibt. Sie hat von einem anderen fantasiert … Ja, das mag eigentlich normal sein, aber dennoch ist ihr das unangenehm.

„Schade, dass er erst heute wiederkommt und wir ihn daher erst morgen wieder zu Gesicht bekommen“, stichelt das hübsche Energiebündel mit einem schelmischen Funkeln in den Augen.

„Ja, schade“, stimmt das Kindermädchen zu. Sie wird einen Teufel tun und verraten das Professor Jones bereits zurück ist; und, dass er sie gestern Abend besucht hat. Allerdings fällt ihr dadurch wieder ein, das Nicolae heute mit ihm reden möchte. Es muss etwas Wichtiges sein, sonst würde er sich nicht dazu herablassen mit Sebastian in Kontakt zu treten. „Sehen wir uns nachher in der Bibliothek?“, fragt sie eher so nebenbei. Sie haben den Rest des Tages keine Kurse mehr zusammen, deswegen hatten sie sich noch schnell in der Cafeteria getroffen um gemeinsam einen Kaffee zu trinken bevor der Nachmittag zuschlägt.

„Es geht gerade erst wieder los und du willst schon nacharbeiten, oder vorarbeiten?“, hakt Sarah ein wenig entsetzt nach und macht große Augen.

„Eher … private Recherche“, erklärt Emma und steht auf.

Die beiden Frauen verlassen den Speisesaal und verabschieden sich. Während die junge Frau durch die Gänge und Unmengen an Studenten läuft rempelt sie jemanden an. Sie entschuldigt sich direkt ohne gesehen zu haben wer der Unglücksrabe ist und stockt sofort, als sie zwei nussbraune Augen spöttisch mustern.

Warum?! Was hat sie in ihrem früheren Leben verbrochen, dass …?

Falscher Gedanke, tadelt sie sich direkt. Nicolaes Verlobte kommt ihr nämlich wieder in den Sinn. Sie weiß, dass das was ihr da in der Zwischenwelt begegnet ist nicht die ursprüngliche Frau gewesen ist, aber trotzdem überkommt sie immer ein ungutes Gefühl. Als wüsste ihr Unterbewusstsein etwas über die Geschehnisse der Vergangenheit, die ihm nicht passen. Doch sie sollte sich auf das hier konzentrieren, auf ihr hämisch grinsendes Gegenüber. Sie wirft ihm einen finsteren Blick zu und macht auf dem Absatz kehrt. Nichts wie weg hier. Auch zwischen all diesen Menschen fühlt sie sich nicht sicher. Ja, die Vampire mühen sich um Diskretion und Integration, aber Drogo genießt seinen Ruf als Bad Boy und das zu Recht. Niemand legt sich mit ihm an, absolut niemand. Eher würden alle Reißaus nehmen anstatt ihr zu helfen sollte etwas sein.

Schnell und eisig legt sich eine Hand um ihren Unterarm. Gänsehaut überkommt sie und sie hält inne. Die Studentin dreht sich nicht um, sie will seinem Blick nicht ausgesetzt sein, seine Aura reicht ihr schon. Sie spürt wie er sie zu ihr beugt und erstarrt immer mehr.

„Es ist noch nicht vorbei“, flüstert der Blonde. „Du solltest vorsichtig sein, kleines Ding.“ Er gibt ihr einen flüchtigen, kaum spürbaren Kuss hinter das Ohr, auf genau dieselbe Stelle wie gestern.

Ehe Emma reagieren, oder auch nur denken kann, ist Drogo verschwunden. Verwirrt blickt sie in die Masse an Menschen, doch nichts zu sehen. Als wäre er nie da gewesen, als wäre das gerade nicht passiert. Zittrig und mit klopfenden Herzen bahnt sie sich hastig ihren Weg und betet, dass sie dem Jüngsten er Brüder so schnell nicht wieder begegnet.

 

Schon seit Stunden sitzt das Kindermädchen nun in der Bibliothek. Sarah war eine ganze Weile ebenfalls da, ist aber vor einer guten halben Stunde gegangen. Ein Date, wie sie grinsend und verschämt mitteilte. Emma war verblüfft; das hübsche Energiebündel war zwar alles andere als schüchtern, aber eine Verabredung die man auch als solche bezeichnen konnte hatte sie bisher noch nicht gehabt. Und sie hat auch noch etwas Anderes über ihr Freundin gelernt; sie ist eine Geheimniskrämerin. Trotz alles nachfragen hat sie ihr nicht verraten, wer der Glückliche ist.

Jetzt sitzt sie alleine da und steckt ihre Nase in das nächste Buch. Sie will unbedingt besser verstehen was es mit ihrer Gabe, der Zwischenwelt, den Seelenfragmenten und den Reisen auf sich hat. Und Ludwigs Existenz. Irgendetwas sagt ihr, dass es nicht normal ist, dass ein Geist so an einem Menschen hängt; Medium und Wiedergeburt hin oder her.

Inzwischen hat sie gelernt, dass die Seelenfragmente die sie in dieser Welt sehen kann tatsächlich nur Fragmente sind. Ein Teil einer Seele, der sich nicht lösen kann; der andere Teil hängt solange in der Zwischenwelt fest. Eine der treffendsten Bezeichnung für diese ist „irdische Geister“. Löst man einen irdischen Geist aus dieser Welt verschwindet er in die nächsten, verbindet sich dort mit dem Rest seiner Seele und geht dann direkt ins Jenseits hinüber. Und ja, ein starkes Medium ist dazu in der Lage. Es kann das Fragment aus der magischen Sphäre der realen Welt lösen und nimmt ihm damit den Halt. Der Rest passiert ganz automisch.

Normaleiweise haben diese Geister keine Auswirkungen auf die echte Welt. Die meisten können sich nicht einmal bemerkbar mache. Allerdings gibt es Ausnahmen. Ein Geist einer, im magischen Sinne, sehr mächtigen Person, kann durchaus in der Lage sein Einfluss auf Dinge oder sogar Lebewesen zu nehmen. Auch Geister die emotional extrem aufgeladen waren zu ihrem Todeszeitpunkt könne solche Kräfte entwickeln.

Die zweite Kategorie sind „autonome Geister“.  Diese leben ausschließlich in der Zwischenwelt. Sie können mit einem spirituellen Führer, meist einem Medium, Kontakt aufnehmen. Diese Geister können zwar auch gewaltsam in das Jenseits befördert werden, aber dafür benötigt es ein extrem starkes und außergewöhnliches Medium. Ein Medium, das in der Lage ist sich in die Zwischenwelt zu begeben. Von dort aus könnte es die Halteverbindung des Geistes kappen und er würde hinüber gerissen. Zweite Variante wäre, dass sich die Seele von selbst aus ihrer Existenz herauslöst.

Über den Grenzstreifen zwischen Dies- und Jenseits hat Emma noch nicht wirklich viel in Erfahrung bringen können. Es gibt unterschiedliche Ansichten worum es sich dabei handelt. Teilweise wird er sogar mit der Vorhölle oder dem Fegefeuer verglichen. Ein Raum abseits der jeweiligen Seiten, der aber mit beiden verbunden ist. Ein Tummelplatz von Seelen und anderen Dingen. Ihr ist eine kleine Erklärung in die Hände gefallen, in welcher der Autor vermutet, dass die „bösen Wesen“ die sich dort befinden, die Seelen von Vampiren und anderen Kreaturen der Nacht sind. Sie sind dort gefangen, können weder zur einen noch zur anderen Seite überwechseln.

Das alles ist zwar überaus interessant, hilft der jungen Frau aber überhaupt nicht weiter. Sie hat absolut nichts darüber gefunden, wie ein Medium in die Zwischenwelt gelangen kann; geschweige denn, wie ein Geist es schafft eines herüber zu holen. Von dieser starken Verbindung zwischen ihr und Ludwig mal ganz zu schweigen.

Frustriert murrt sie vor sich hin und hebt den Kopf. Blinzelnd sieht sich das Kindermädchen um und anschließend auf die Uhr. Die Zeit ist förmlich gerast wie sie feststellt. Die Bibliothek ist verwaist und es ist bereits stockfinster draußen. Nun gut, im Winter ist das ja auch irgendwie normal. Aber es hilft alles nichts, also steht sie auf und beginnt die Bücher wieder zurück in die Regale zu räumen.

Nachdem sie das letzte an seinen Platz gestellt hat fällt ihr Blick auf ein anderes eine Etage darüber. „Vom Fangen eines Traums“ steht in goldenen Buchstaben dort. Sie streckt die Hand aus und nimmt es heraus. Auf dem dunkelblauen Buchdeckel ist ein Traumfänger abgebildet, darüber steht der Titel und darunter ein Zusatz. „Die Kunst einen Traum zu manipulieren“

Ihr läuft es kalt den Rücken hinunter und sie bekommt Gänsehaut. Das Drogo ihr seine Fähigkeit verheimlicht hat, schmerzt sie enorm. Es fühlt sich an, als hätte er sie auf die schlimmst mögliche Art hintergangen. Sie fühlt sich … schmutzig, ohne das konkretisieren zu können. Von allem was in diesem noch so sehr jungen Jahr passiert ist, schmerzt sie das aktuell am meisten. Wahrscheinlich weil ihr bewusst ist, dass sich das am schlechtesten wieder geraderücken lässt, wenn überhaupt.

„Schmoll nicht“, säuselt es vom Ende des Gangs.

Erschrocken sieht die Studentin auf und kann die aufkeimende Panik nur schlecht verbergen. Drogo steht da, lässig an eine Regal gelehnt, und beobachtet sie. Sie will nicht mit ihm allein sein; weder im Herrenhaus noch sonst wo. Ohne ein Wort zu sagen dreht sie sich um und läuft eilig los. Sie biegt in den nächsten Gang ein und wird unsanft gestoppt; von einem kräftigen Brustkorb. Ihr kleiner Aufschrei wird sofort von einer kalten Hand unterbunden. Zitternd sieht sie auf und ihre kommt ungewollt eine Träne. Sie hätte es nie für möglich gehalten, dass sie solche Angst vor dem Jüngsten der Brüder haben könnte. Sie hat sich oft unwohl gefühlt, aber das hier sprengt den Rahmen bei weitem. Sie würde nicht so weit gehen und behaupten sie hätte Todesangst, aber viel fehlt nicht mehr bis dahin.

Die nussbraunen Augen verfinstern sich, während sie dem Weg der Träne über Emmas Wange folgen. Schmerzt blitzt in Drogos Blick auf und er seufzt niedergeschlagen. „Hör auf zu winseln, kleines Ding. Das sieht dir überhaupt nicht ähnlich“, knurrt er roh.

Sie muss gestehen, er hat Recht. Normalerweise lässt sie sich nicht so einschüchtern von seiner einfachen Anwesenheit. Aber es war zu viel in den letzten Tagen und ihr Nervenkostüm ist einfach überstrapaziert. Dennoch muss sich die junge Frau dringend beruhigen; immerhin hat sie einen Jäger, ein Raubtier, vor sich. Eines, das überdeutlich jede noch so kleine körperliche Reaktion von ihr wahrnimmt.

Der Blonde nimmt seine Hand von ihrem Mund. Er betrachtet das Gesicht des Kindermädchens ausgiebig. Jede Linie, jede kleine Besonderheit scheint er in sich aufzunehmen und abzuspeichern. Als könnte es das letzte Mal sein, dass er sie ansehen kann.

„Was tust du da?“, haucht Emma mehr, als dass sie es wirklich sagt. Es fühlt sich merkwürdig an; ein wenig wie ein Abschied. Doch statt noch mehr Angst zu bekommen, weil er womöglich vorhat sie zu beseitigen, überkommt sie eine seichte Melancholie. Er sieht sie derart zart und weich an, dass ihr fast wieder die Tränen kommen, nur diesmal eher aus Mitgefühl.

„Nicht weinen, kleines Ding“, schnurrt Drogo und beugt sich zu ihr. Er küsst sie auf die Wange, dort wo eben die Angst noch ihre Spur hinterlassen hat. Und noch einmal, und noch einmal. Eine Hand legt er auf die andere Seite ihres Gesichts, die andere umfasst sanft ihre Taille. Ohne großen Druck oder Zwang zieht er sie zu sich heran und legt seine Stirn auf ihre Schulter.

Die junge Frau ist überfordert, doch die Zuneigung die sie für den Jüngsten der Brüder eigentlich empfindet meldet sich. Ihm geht es mehr als offensichtlich nicht gut; und entgegen seiner sonstigen Art zeigt er es auch. Wie könnte sie ihn da zurückstoßen? Sie legt eine Hand in seinen Nacken und die andere auf seine Schulter. Vorsichtig schmiegt sie ihre Wange an sein Ohr und schließt die Augen. Sie spürt diese dunkle Melancholie und den Verdruss den er im Moment ausstrahlt. Das ist so schrecklich untypisch für den Vampir. „Hör auf Peter zu imitieren, das steht dir gar nicht“, nuschelt sie leise und hofft die Stimmung etwas lockern zu können.

Der Jüngste der Brüder lacht, freudlos und schwermütig. Er zieht die junge Frau etwas fester an sich und vergräbt seine Nase in ihrem Nacken.

Die Studentin schmiegt sich ihrerseits an die Schulter des Blonden und lässt die Nähe einfach zu. Sie sollte das nicht, das weiß sie; aber sie kann gerade nicht anders. Dieser Drogo hier gerade, hat nichts mit dem bösartigen Biest von gestern zu tun; und auch nicht mit dem arroganten Arschloch das er sonst immer mimt. Es schmerzt sie ihn so zu sehen und zeigt deutlich, dass unter dieser dicken Schicht aus Sarkasmus und Aggressivität ein ziemlich empfindsamer Kerl steckt, der mit den Dämonen seiner Vergangenheit noch lange nicht fertig ist. Sie verliert völlig das Zeitgefühl und plötzlich …



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  luxmilla
2021-10-25T08:16:01+00:00 25.10.2021 10:16
Was und plötzlich???!!!😱😱
Antwort von:  Charly89
25.10.2021 16:08
Ja, sorry, aber der Cliffhanger musste an dieser Stelle sein X'D

Zur Entschädigung gibt es ein Doppelupload am Wochenende. Also je Samstag und Sonntag ein Kapitel.

Ich freue mich jedenfalls, dass du noch dabei bist ^-^

Und ich kann dir an dieser Stelle sagen, dass Sebastian auf leisen Pfoten langsam näher schleicht und bald seinen großen Auftritt hat ;)

LG
Charly ^-^/


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