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Im Nebel der Vergangenheit

Mystery Spell
von

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Unerwartet

Je kleiner die Erwartung, umso größer die Erfüllung.

Erwin Koch

 

Das Kindermädchen schläft unruhig. Eigenartige Träume begleiten sie durch die Nacht. Ludwig und Sebastian sind da, Mia Cooper, die um ihr Leben schreit und ein dunkler Schatten, der alles Leben vernichtet. Sie träumt von einem Spiegel, von Moony und auch von Drogo. Alles ist wirr und vermischt sich miteinander.

Als sie die Augen öffnet fühlt sie sich alles andere als ausgeschlafen. Ihr dröhnt der Kopf und ihr Körper fühlt sich schrecklich schwer an. Es fühlt sich ein bisschen an wie eine ungesunde Mischung aus dem Kater ihres Lebens und einer beginnenden Erkältung an.

Draußen auf dem Flur hört sie Lorie. Das kleine Monster kreischt laut, dass das nicht fair ist und die, ihr Kindermädchen ist. Die hätte sich um sie zu kümmern, und überhaupt sollen die Jungs nicht so nett zu ihr sein, und …

Emma hört nicht mehr hin. Sie kennt das Theater bereits zur Genüge. Die Kleine ist oft eifersüchtig, wenn die Brüder nett zu ihr sind. Sie ist es nicht gewöhnt nicht der Mittelpunkt der Welt zu sein und lässt das auch alle hören. Allerdings kann Lorie auch ganz anders. Manchmal ist sie sehr anhänglich und unfassbar lieb – als würden da zwei Persönlichkeiten in ihr stecken. Schon verrückt, aber auch verständlich. Ihr Zustand wird nicht spurlos an ihr vorüber gegangen sein über die Jahrzehnte …

Die junge Frau streckt sich und versucht ihren Kreislauf in Schwung zu bringen. Mühsam und energielos steht sie auf und schleppt sich ins Badezimmer. In der Zwischenzeit hört das Gezeter vor ihrer Zimmertür auf. Nach einer Dusche, die sie etwas belebt, zieht sie sich an und verlässt ihr Zimmer. Eigentlich steht ihr nicht der Sinn nach Frühstück, aber ihr Körper scheint anderer Meinung – mal wieder. Sie muss an Ludwig denken, und seine Annäherung. Das wäre beinahe schief gegangen … Auf mehreren Ebenen. Was war nur los mit ihr? Und ihm? Wenn sie noch länger da in der Kälte gelegen hätte, wäre sie womöglich …

Energisch schüttelt die Studentin den Kopf. Er wollte ihr nie etwas Böses. Wahrscheinlich war er sich gar nicht bewusst, dass er sie in Lebensgefahr gebracht hat …

Warum verteidigt sie ihn eigentlich?!

Auch wenn sie es sich nicht eingestehen will, kennt sie die Antwort. Sie mag ihn. Aber nicht … nicht so … oder? Oder?! Das Kindermädchen seufzt schwer. Sie weiß nicht so recht; immerhin hat sie seinen Avancen nachgegeben. Sie hat sich von ihm berühren und küssen lassen … Und es hat ihr gefallen … Was stimmt nicht mit ihr?! Gerade, als sie denkt, sie hat Ordnung in ihrem Herzen geschaffen … Genervt von sich selbst brummt und öffnet die Tür zum Esszimmer. Verwundert zieht sie die Augenbraue hoch. Sie hat damit gerechnet, dass Lorie nicht hier ist; nach ihrem Wutausbruch vorhin wird sie in ihrem Zimmer schmollen und ihre Kuscheltiere quälen. Drogo hat sie auch nicht erwartet; trotz seiner Fürsorge gestern. Er hat sie gesucht und sich sichtbar Sorgen um sie gemacht, aber zwischen ihnen beiden ist es einfach zu kompliziert und eigenartig. Sie gehen sich ja schon seit Wochen aus dem Weg. Das Nicolae aber auch mit Abwesenheit glänzt ist schon ungewöhnlich …

An dem großen Tisch sitzt tatsächlich nur Peter, der betreten wirkt. Ihm ist die Nichtanwesenheit der restlichen Familie scheinbar unangenehm.

„Guten Morgen, verbliebenes Familienmitglied“, witzelt Emma und grinst schief. Sie will unbedingt die Stimmung etwas lockern. Und wenn es ein was gibt, dass sie überhaupt nicht mag, dann ist es, wenn sich der Mittlere der Brüder wegen dem Rest der Sippschaft schämt. Ein Umstand der tatsächlich häufiger vorkommt und wahrscheinlich auch der Grund ist, warum er sich lieber in sein Zimmer zurückzieht.

„Guten Morgen, Emma“, antwortet der Pianist und lächelt etwas erleichtert.

Das Kindermädchen ist zufrieden; Ziel erreicht. Frohen Mutes geht sie zum Tisch und setzt sich. Sie ist nicht wirklich böse darüber, dass der Rest der Familie fehlt. Nachdem was sie heute Morgen schon wieder von Lorie gehört hat, legt sich keinen Wert auf ihre Anwesenheit; zumindest nicht sofort. Sie wird sich später eh um sie kümmern müssen, da kann sie diese kleine Pause zuvor ganz gut gebrauchen. Und Drogo ist auch so ein schwieriges Pflaster im Augenblick, von Nicolae ganz zu schweigen.

„Wie geht es dir?“, fragt der Mittlere der Brüder nach und sieht sie an. Ein Hauch von Sorge ist in seinen grünen Augen zu sehen, während er das Buch in dem er offenbar gelesen hatte um die Wartezeit zu überbrücken schließt.

Die junge Frau schmunzelt, während sie einen Schluck Kaffee trinkt. „Gleich zum Verhör? Kein Vertuschungssmalltalk vorher?“, lacht sie leise. Tatsächlich ist ihr Gegenüber eher niemand, der um den heißen Brei redet; zumindest nicht wenn es um jemand anderen gehet. Themen die ihn selbst betreffen hingegen umschifft er meistens sehr galant. Allerdings tun das alle Mitglieder der Familie; was sie zwar einerseits versteht, sie aber auch oft nervt, weil sie dadurch oft nicht versteht, warum wer wie handelt oder eben nicht. Aber der Umstand wird sich wohl nie ändern, also hilft es auch nicht sich deswegen immer wieder aufzuregen.

Peter schüttelt den Kopf, als wäre Emma ein hoffnungsloser Fall. Warmherzig sieht er sie anschließend an und lächelt. „Du hast mir echt gefehlt“, gesteht er leise.

Dem Kindermädchen wird direkt warm ums Herz. „Du mir auch“, flüstert sie. Sie seufzt. „Mir geht es …“ Tja, wie geht es ihr? Körperlich scheint sie sich gut erholt zu haben; zwar noch schlapp, aber immerhin scheint sie keine Lungenentzündung oder sonstiges davongetragen zu haben. Emotional … ist es schwierig. Ludwig bereitet ihr Kopfzerbrechen. Problem ist, dass sie einfach mit niemandem so recht darüber reden kann. Selbst Sarah hat sie nicht die ganze Wahrheit über die Geschehnisse in der Zwischenwelt letztes Jahr erzählt. Ihre Angst war einfach zu groß. Sollte ihre Freundin Nicolae begegnen und er in ihr lesen, könnte er dadurch erfahren wer der, oder besser die, Hauptschuldige an dem Horror gewesen war. Also hat sie es verschwiegen. Und als wäre das nicht genug, ist nun auch noch Mia Cooper aufgetaucht. Soll sie dazu etwas sagen? Was macht sie nun? Über Mia könnte sie vielleicht mit Peter reden …

Peter!

Emma sieht von ihrer Tasse auf. Sie spürt wie sie verschämt rot wird, weil ihr gerade bewusstwird, dass sie einfach mitten im Satz aufgehört hat zu reden und stattdessen vor sich hin sinniert hat. „Mir geht es so mittelprächtig“, erklärt sie und grinst schief.

„Ah. Ich dachte schon, du wärst eingeschlafen“, spottet der Pianist.

Die junge Frau lacht kurz und widmet sich dann ihrem Brötchen.

Eine angenehme Stille erfüllt den Raum und nach einiger Zeit beginnen die beiden zu plaudern. Kein tiefgreifendes Gespräch über den Sinn des Lebens, eher ein lockeres Geplänkel über Gott und die Welt. Nachdem Emma fertig ist mit Essen, verabschiedet sich Peter und zieht sich in sein Zimmer zurück.

Und nun? Das Kindermädchen weiß nicht so recht. Sie geht ebenfalls erstmal zurück in ihr eigenes Reich. Angekommen nimmt sie gedankenverloren ihr Smartphone und lässt sich rücklings auf ihr Bett fallen. Sie spielt mit dem Gedanken Sarah zu schreiben um sie zu fragen ob es etwas Neues bei ihr gibt und entsperrt das Gerät.

Huch?

Sie hat fünf Nachrichten. Wer hat sie den versucht so dringend zu erreichen? Verwirrt öffnet sie die erste Mitteilung und ihr stockt der Atem. Im nächsten Moment klopft ihr Herz aufgeregt, ihre Hände werden feucht und sie spürt eine belebende Aufregung.

Sebastian! Alle Nachrichten sind von ihm!

Die junge Frau ist unsicher, was das zu bedeuten hat. Nach allem was war, war er den Rest des Jahres extrem distanziert zu ihr. Er hatte ihr mehrfach gesagt, dass da zwischen ihnen nichts wäre. Das wäre alles nur der Situation geschuldet und nicht echt gewesen hatte er ihr immer wieder beteuert.

Trotzdem hatte sie seine Blicke gespürt. Nie offen, immer nur heimlich, wenn er dachte sie merkt es nicht. Aber ihr Körper hatte es sofort gespürt und ihr Gänsehaut und ein angenehmes Kribbeln beschert. Egal, was er gesagt hatte, die Art wie er sie manchmal mit seinen bernsteinfarbenen Augen förmlich aufgefressen hatte, macht ziemlich deutlich, dass er nicht so empfand wie er sagte.

Nach einigen Wochen, sagte er dann, dass es zwischen ihnen nicht sein dürfte. Das klang schon ganz anders. Es war ein Schritt; ein Eingeständnis das da doch etwas zwischen ihnen ist. Allerdings sagte er auch, dass sie sich nichts erhoffen solle, dass sie von ihm fernbleiben solle.  Seine Stimme klang … flehend, als würde es ihm Schmerz bereiten.

Emma bemühte sich, seinem Wunsch zu entsprechen. Oft genug sah sie sein Unwohlsein, wenn sie sich begegneten. Sie bemühte sich wirklich – konnte aber nicht wirklich Abstand halten. Er wirkte wie ein Magnet auf sie. Seine wilde Aura, seine männliche Ausstrahlung, seine Weichheit, wenn er sich um sie sorgte.

Und ihre Wirkung auf ihn schien nicht anders zu sein. Er begegnete ihr oft, sehr oft; zu oft, dass es Zufall sein konnte. Obwohl diese Aufeinandertreffen ihm weh taten, konnte er scheinbar nicht ohne sie.

Die Studentin war sich natürlich bewusst, dass es unfassbare Probleme bereiten würde, aber gleichzeitig wünschte sie sich nichts Anderes als ihn. In seinen Armen zu liegen, seine Haut zu kosten, an seiner Seite zu sein … Es war unerträglich. Diese Sehnsucht, diese Hitze die er auslöste, wenn er ihr nah war. Gleichzeitig diese Kälte die er manchmal ausstrahlte, um sie auf Distanz zu halten.  Ein Wechselbad der Gefühle das sie schlauchte und zu zerbrechen drohte.

Und dann war da dieser Freitagabend, in der Uni, in seinem Büro … Gott, es war berauschend und befreiend. Zu gut um wahr zu sein. Alle Vorschriften und gesellschaftlichen Regeln waren plötzlich bedeutungslos. Nur sie und er zählten …

Samstag kam die Ernüchterung. Er schickte ihr eine Nachricht, dass sie das nicht hätten tun sollen … Es zerriss ihr förmlich die Seele. So sehr es ihr Kopf verstand, so sehr hasste es ihr Herz.

Die Studentin atmet durch und konzentriert sich wieder auf ihr Handy. Sie hat ein wenig Angst vor dem was er ihr geschrieben haben könnte, doch sie muss es wissen.

„Ich hoffe du hattest ein gutes Silvester. Ich wünsche dir, dass dieses Jahr besser wird.“

Emma wird ganz anders. Ja, dieses Jahr wird besser! Sie hat es sich fest vorgenommen und sie wird alles dafür tun, dass es auch so wird.

„Meine Expedition ist gut verlaufen. Ich werde zum Start der nächsten Vorlesungen viel zu berichten haben :)“

Sie muss Grinse. Er ist ein großartiger Dozent, der mit seinem Kurs zu fesseln weiß. Nicht umsonst ist der Hörsaal immer bis auf den letzten Platz besetzt. Sie ist schon gespannt, was es in Peru so dringendes zu erforschen gab, dass er so schnell wegmusste.

„Es ist eigenartig dich so lange nicht sehen zu können …“

Was?! Die Studentin liest die Nachricht mehrfach um ganz sicher zu gehen. Sagt er ihr wirklich, dass er sie vermisst? Jetzt, einfach so? Nachdem er sie vor seiner Abreise links liegen lassen hat? Sie kann es kaum glauben und spürt zunächst Erleichterung; und dann eine tiefsitzende Angst, als sie die nächste Nachricht öffnet. Wahrscheinlich schreibt er ihr gleich, dass er es nicht so gemeint hat, oder nimmt es wieder zurück, doch …

„Es ist so glanzlos ohne dich. Als würde der Welt die Farbe fehlen. Ich habe die Entdeckung meines Lebens gemacht und freue mich, aber nicht so, wie ich es würde, wenn du dabei gewesen wärst.“

Ihr bleibt die Luft weg. Sie spürt eine wachsende Unruhe, aber sie ist eher positiv. Ja, das kommt plötzlich und so per Nachricht ist es sehr unpersönlich, aber Sebastian scheint sich generell ziemlich schwer zu tun, seine Emotionen in Worte zu fassen, oder generell in geordnete Bahnen. In Anbetracht dessen war das hier wahrscheinlich ein riesiger Schritt für ihn. Das Kindermädchen atmet durch und öffnet die letzte Nachricht, die vor zwei Minuten reinkam.

„Ich vermisse dich, meine Süße.“

Sie kann nicht anders und schreit kurz vor Glück. Alles andere ist sofort vergessen. Ludwig, Mia, der Schatten; alles bedeutungslos.

Meine Süße.

Emma spürt das Kribbeln zwischen ihren Beinen und die Szene in Professor Jones Büro wird in ihrem Kopf wieder lebendig. Da hat er sie auch so genannt, als sie sich ganz nah waren. Sein warmer Atem strich dabei über ihren verschwitzten Nacken und ein Tsunami des Glücks riss sie hinfort …

Schnell besinnt sie sich und antwortet: „Du fehlst mir auch. Kann es kaum erwarten dich endlich wieder zu sehen …“

Sie drückt ihr Smartphone gegen ihre Brust und zittert vor lauter Endorphinen. Geht es jetzt wirklich bergauf? Ist das wirklich möglich? Diffus bleiben die Bedenken in ihrem Hinterkopf, dass er womöglich wieder ein Rückzieher macht sobald er wieder hier ist, aber die Begeisterung überwiegt im Moment einfach. Es vibriert an ihrem Brustkorb. Schnell sieht sie nach.

„Noch drei Tage, dann bin ich zurück … und wünsche mir nur eins: dich bei mir zu haben. Ganz nah.“

Die Freude übermannt sie einen Augenblick, dann krallt sich der Zweifel aus der hinteren Ecke in ihr Herz. In drei Tagen kann viel passieren. Sebastian hat schon oft seine Meinung geändert. Wenn er zurück ist und sein Pflichtbewusstsein die Oberhand gewinnt, wird er wieder auf Distanz gehen … oder?

Es klopft an der Zimmertür. „Emma? Alles in Ordnung?“, fragt die Nicolae besorgt.

Sie fühlt sich ertappt; als wäre sie bei einer Dummheit erwischt worden. „Ja … Ja, alles gut“, stammelt sie und muss dann kichern. Sie fühlt sich wieder wie damals als Teenager … schon verrückt, was Sebastian in ihr auslöst.

„Okay“, antwortet das Familienoberhaupt hörbar verwirrt und geht wieder.

Sarah! Sie muss unbedingt ihre Freundin sehen. Schnell schreibt sie ihr, ob sie heute Zeit hat. Keine fünf Minuten später kommt die Reaktion. Die Frauen verabreden sich für den Nachmittag bei der jungen Osbourne zum Mädelstreff.

Emma fühlt sich leicht und beschwingt. Mit neuer Energie verlässt sie ihr Zimmer und macht sich an die Arbeit. Lorie hütet sich schließlich nicht von selbst. Und egal was sich das kleine Monster wieder für ein Spiel ausgedacht hat, es wird ihr nichts anhaben können. Sie fühlt sich unbesiegbar im Augenblick, und auch Lorie wird ihr das nicht nehmen können!

Schwungvoll betritt Emma das Kinderzimmer – und staunt nicht schlecht. Die Kleine sitzt auf dem Boden, vor ihr das riesige Puppenhaus, um sie herum ihre Puppen. Mit einem zarten Lächeln auf den Lippen kämt sie eine nach der anderen; zumindest das, was von den Haaren noch übrig ist. Die meisten ihrer Spielzeuge sehen nämlich aus, als wäre sie aus dem Film „Chucky“ entflohen. Entstellt, kahl rasiert, angekogelt, auf sonstige Weise demoliert.

Ja, die Kleine hat ernsthafte Probleme, aber daran wird auch das Kindermädchen wohl nichts ändern können. Das ist auch nicht unbedingt ihr Job. Nicolae meinte damals als er sie eingestellt hat zu ihr, dass er möchte, dass Lorie etwas stabiler wird und vor allem ein weibliches Vorbild bekommt. Und, ja, sie ist mental etwas stabiler geworden in dem Jahr, und auch ihre Wutausbrüche sind weniger geworden. „Sieht aus als bräuchtest du mich gar nicht“, schmunzelt die junge Frau und geht einige Schritte in das Zimmer.

 



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