Die Vertretung und die Folgen von Iwa-chaaan (Wenn Hündchen vor große Herausforderungen gestellt werden) ================================================================================ Kapitel 20: Serenitys Anruf --------------------------- Sonntag, 04.09. Joey hatte sich selten so unwohl gefühlt. Es war Sonntagmittag und Mokuba wollte unbedingt Seto besuchen. Das war ja an sich kein Problem, allerdings hatte er darauf bestanden, dass er mitkam, weil er nicht allein da sein wollte. Also war er mitgekommen, nachdem der kleine Bonsaiterrorist ihn mit diesen unschuldigen Kulleraugen manipuliert hatte. Er musste lernen, sich nicht davon einwickeln zu lassen. Ob Kaiba da ein Geheimrezept hatte? Hatte er das vielleicht irgendwo notiert? Nun stand er sogar in Seto Kaibas Zimmer und wäre am liebsten sofort wieder herausgerannt. Doch er blieb eisern hinter Mokuba stehen und streichelte ihm über die Schultern, während der Kleine die Hand seines Bruders hielt. Es war ein seltsames Gefühl, diesen selbstbewussten Mann so fertig und blass in einem Krankenhausbett liegen zu sehen. In seinem Hals war ein Beatmungsschlauch und um ihn herum waren verschiedene Apparaturen aufgebaut. Ein ständiges Piepen dröhnte in dem sonst so unnatürlich stillen Raum und erinnerte Joey daran, dass Kaiba immerhin noch am Leben war. Es erinnerte ihn aber auch krampfhaft daran, dass er Krankenhäuser hasste. Diese sterilen Räume … Das stete Gefühl, dass ein Leben am seidenen Faden hing. Auf dem Gang verzweifelte, trauernde Menschen auf der einen Seite und glückliche und dankbare auf der anderen. Es waren einfach überall Unmengen an Gefühlen und Joey konnte das nicht verarbeiten. Es war ihm unheimlich und er hoffte, so schnell wie möglich wieder rausgehen zu können. Mokuba murmelte seinem Bruder Worte zu, während er weiter dessen Hand streichelte und Joey wandte den Blick von Kaiba ab und schaute aus dem Fenster. Irgendwie konnte er diesen Anblick nicht ertragen. Es war ein Paradoxon – ein Widerspruch in sich. Ein Kaiba war nicht so schwach, dass er Geräte brauchte, um am Leben zu bleiben. Das widersprach einfach allem. Ein Seto Kaiba marschierte wie ein General durch die Gänge, gab Befehle, die andere sofort befolgten und nervte einen mit seinem überheblichen Grinsen, dass man ihm aus dem Gesicht wischen wollte. Er lenkte sich ab, indem er seinen Tagesplan in Gedanken durchging, bis der Schwarzhaarige sich vor ihm erhob. „Möchtest du gehen, Mokuba?“, fragte er leise und musterte ihn besorgt. Er hatte ein paar Tränen vergossen, nickte aber langsam und trottete mit hängendem Kopf aus dem Raum. Aus einem Impuls heraus blieb der Blonde noch einen Augenblick stehen, wartete, bis der Kleine rausgegangen war und schaute noch einmal zu Kaiba. „Ich an deiner Stelle wäre schon lange aufgewacht, du reicher Pinkel! Du wirst alt! Sieh zu, dass du hinne machst, damit Mokuba wieder lachen kann!“ Mit diesen Worten verließ auch Joey das Zimmer und schloss die Tür leise hinter sich. Er hatte erst überlegt, ihm damit zu drohen, dass er sonst die Firma komplett umkrempeln würde, doch er wollte ihm ja auch keinen Herzinfarkt verpassen. Nicht, dass er schuld war, dass dem Eisschrank die Lichter ausgingen. Er verließ mit Mokuba das Krankenhaus durch den VIP Eingang und sobald sie zu Hause angekommen waren, verkrümelte sich der Kurze in sein Zimmer. Er wollte allein sein, hatte er gesagt und Joey respektierte den Wunsch, auch wenn er sich Sorgen um ihn machte. Die Situation wurde schlimmer und schlimmer für ihn, je länger sein Bruder im künstlichen Koma lag, was allzu verständlich war. Er zog sich in sein Arbeitszimmer zurück und erledigte ein paar Dinge allein, die er sich zutraute. Roland war noch Besorgungen machen und Yuuto hatte sich heute einen freien Tag genommen, also hatte er endlich mal Zeit für sich. Nachdem er alles erledigt und sich Notizen zu Emails gemacht hatte, die er nicht selbst bearbeiten wollte, beendete er seinen Arbeitstag und verließ den Raum. Einen Moment lang stand er etwas verloren im Gang und überlegte. Er könnte sich mit seinen Freunden treffen, aber er war gerade froh, dass mal keiner um ihn herum war. Er könnte auch in sein Zimmer und die Seele baumeln lassen, aber dumm rum liegen war jetzt auch nicht seins. Seufzend stemmte er die Hände in die Hüften. Er hasste dieses Gefühl, etwas tun zu müssen, aber nicht zu wissen, was. Unentschlossen schlenderte Joey durch den langen Gang und schaute aus einem der Fenster und dann wusste er, was er wollte. Er würde jetzt in den Garten gehen und ein paar Bahnen im Pool ziehen. Immerhin war das ein 25 Meter Becken und draußen war herrliches Wetter. Er holte also schnell seine Badehose – Roland und er hatten vor ein paar Tagen fast sämtliche Klamotten von ihm rüber geholt –, zog sich um und lief nach draußen. Unterwegs bog er noch ins Bad ab, um zwei Handtücher mitzunehmen und dann sprang er grinsend in das warme nass. Es war die perfekte Temperatur und sofort begann er zu schwimmen. Es war einfach super entspannend und Joey schaltete komplett ab. Erst eine Stunde später machte er eine Pause und legte den Kopf auf den Beckenrand. Er schloss genießerisch die Augen und träumte vor sich hin. Allmählich fing er an, sich an dieses Leben zu gewöhnen, doch er war sich sicher, dass er kein Problem damit hatte, wieder in seine alte Welt zurückzukehren. Immerhin war das seine Komfortzone, die er jetzt seit über einer Woche verlassen hatte. Und auch wenn er dabei war, sich mit dieser Situation zu arrangieren und das Beste draus zu machen, freute er sich schon auf den Tag, wo er endlich wieder in seine Wohnung zurückkonnte. Am besten gleich in die neue, dann konnte er einen kompletten Neustart hinlegen. Ohne die Erinnerungen, die er mit der alten Wohnung verband … Ein Klingeln durchbrach die Stille und seufzend öffnete Joey die Augen. Es war sein Privathandy und einen Moment lang dachte er daran, einfach liegen zu bleiben und seinen Sonntag weiter unbeschwert zu genießen. Doch dann siegte die Neugier und Joey stemmte sich aus dem Wasser, weil er zu faul war, bis zur Treppe zu schwimmen. Er schrubbelte kurz seine Haare und legte das Handtuch in seinen Nacken, als er auf die Liege zuging, neben der auf einem kleinen Tischchen das Handy lag. Zu seiner großen Überraschung blinkte der Name seiner Schwester auf dem Display und sofort nahm er ab. „Serenity! Wie geht es dir?“, rief er glücklich und ließ sich auf die Liege fallen, auf der ein großes, kuscheliges Strandtuch lag. „Mir geht es gut, mach dir keine Sorgen. Aber was ist bei dir los? Ich habe vorhin in den Nachrichten gescrollt und bin halb vom Stuhl gefallen! Warum hast du mir gar nicht Bescheid gesagt?“ Obwohl sie glücklich zu sein schien, hörte er den Vorwurf deutlich in ihrer Stimme und er konnte es ihr nicht verübeln. Er massierte sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel, während er nach den richtigen Worten suchte. „Es ist alles so absurd, Schwesterchen. Ich wollte nicht, dass du dir zu große Sorgen um Mokuba machst. Ich weiß doch, dass ihr euch so gut versteht. Daher hielt ich es für besser, es dir lieber bei unserem nächsten Telefonat mitzuteilen.“ „Jetzt mache ich mir erst recht Sorgen! Also was ist denn genau passiert? Und was ist da mit Seto Kaiba?“, wollte sie neugierig wissen und Joey hob eine Augenbraue, als er ihren grinsenden Unterton wahrnahm. „Letzte Woche Freitag hatte Seto Kaiba einen Verkehrsunfall und Mokuba bat mich um Hilfe, also bin ich zu ihm ins Krankenhaus. Ich war dann die Nacht in der Kaiba Villa und am nächsten Morgen kam der Kurze auf die glorreiche Idee, dass ich – während Kaiba im Krankenhaus ist – für die Zeit Kaibas Vertretung bin, weil er nach den Big Five kein Vertrauen in Stellvertreter hat, was ich nachvollziehen kann. Ich habe also zugestimmt und bin jetzt offiziell solange Boss der Kaiba Corp., bis Seto Kaiba wieder fit ist. Ja, das ist dann auch schon Ende der Geschichte.“ „Und warum heißt es überall, dass du sein Lebensgefährte bist?“, wollte sie vergnügt wissen und Joey seufzte. Das Thema nervte ihn so langsam. Er zählte schon gar nicht mehr, wie oft er in der Schule als Schwuchtel, Schwanzlutscher und was nicht alles bezeichnet worden war. Dank seiner Bossaura hatte er das alles an sich abprallen lassen können, ansonsten würden jetzt mehrere Schüler im Krankenhaus liegen und er wahrscheinlich in einer Zelle, um auf seine Gerichtsverhandlung zu warten. Um ein paar der Beleidigungen im Internet kümmerte sich Yuuto mit seinem Team, da sie definitiv eine Grenze überschritten. Deswegen hielt er sich von den meisten Internetseiten mittlerweile fern und griff nur die seriösen Zeitungen. Die Schlagzeilen der Klatschmagazine waren schon schlimm genug, da wollte er die dazugehörigen Artikel gar nicht erst lesen. „Mokuba hat das als Begründung genommen, warum ausgerechnet ich die Firma in dieser Zeit leite“, erwiderte er grummelnd und Serenity kicherte. „Schlau von ihm. Aber es geht dir gut, ja? Und du arbeitest auch nicht so viel wie Kaiba?“ „Nein, keine Sorge. Ich habe ja auch noch gar nicht den Durchblick, also kann ich auch gar nicht viel machen. Und ich werde von Mokuba, Roland und drei weiteren Kollegen aus der Firma wirklich gut unterstützt. Also du brauchst dir keine Sorgen zu machen, okay?“ Einen Moment lang herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung, ehe Serenity ihm antwortete: „Ja, ist gut. Ich hoffe, das bleibt auch so. Schick mir unbedingt mal ein Foto von dir, wo du einen Anzug trägst, ja? Tea hat mir in einer Email geschrieben, dass sie beinahe in Ohnmacht gekippt wäre! Also pass gut auf dich auf, ja? Ich melde mich bald wieder!“, sagte sie glücklich und Joey lächelte. „Ich habe mich sehr gefreut, dass du angerufen hast und wir sprechen bald. Auf jeden Fall! Ich habe dich lieb, Schwesterherz!“ „Ich dich auch, großer Bruder!“ Serenity legte auf und Joey legte lächelnd sein Handy wieder auf das Tischchen. Er fühlte sich glücklich, dass sie die Zeit gefunden hatte, sich bei ihm zu melden und hoffte, dass ihr nie etwas zustoßen würde. Das könnte er nicht ertragen. Da wäre er nicht so stark wie Mokuba. Wahrscheinlich würde er auf der Stelle zusammenbrechen. Oder durchdrehen. Entschieden schüttelte Joey den Kopf. Er wollte nicht den Teufel an die Wand malen und ein bekannter Mensch im Krankenhaus reichte. Außerdem war das Wetter echt großartig und das sollte er genießen und nicht Trübsal blasen. Also sprang er noch einmal in den Swimming Pool und genoss das Wasser um sich herum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)