Die Vertretung und die Folgen von Iwa-chaaan (Wenn Hündchen vor große Herausforderungen gestellt werden) ================================================================================ Kapitel 17: Das erste Meeting ----------------------------- Dienstag, 30.08. Nervös stand Joey in Kaibas Büro, hatte sich einen der neuen maßgeschneiderten Anzüge angezogen, den er bereits bekommen hatte und auch das erste Paar Schuhe war bereits fertig geworden. Roland hatte, auf Yuutos Wunsch hin, alles eingekauft, da es Zeit für das erste Meeting war. „Gut siehst du aus, Joey! Anzüge stehen dir. Oder Yukiko?“ Yuuto stand ihm gegenüber, daneben die Sekretärin, die ihm noch Unterlagen hingelegt hatte. „Ja, auf jeden Fall! Sehr schick, Joey!“, stimmte sie lächelnd zu und der Blonde schnaubte leicht verlegen. Eigentlich war das so gar nicht seine Kleiderwahl, aber da er gleich auf die Chefetage der Kaiba Corporation traf, wollte er sich keine Blöße geben. Immerhin sollten die seinen Anordnungen Folge leisten, auch wenn er nur die Vertretung war, also Anzug und Rücken gerade. Joey griff die Mappe, in der alle wichtigen Unterlagen sowie ein Block und Kugelschreiber waren und stellte sich gerade hin. „Ich bin soweit“, sagte er mit fester Stimme und hoffte, dass es überzeugend rüberkam, denn seine Knie waren Wackelpudding. Worauf hatte er sich hier gleich noch eingelassen? Gerade fühlte es sich mehr als Himmelfahrtskommando denn als Vertretung an. „Viel Erfolg, Joey! Du wirst das souverän meistern“, ermutigte Yukiko ihn und hielt die Tür auf, als er das Büro verließ. „Danke Yukiko, ich hoffe, du behältst recht“, murmelte er mit einem schiefen Grinsen und betrat den Fahrstuhl am Ende des Ganges und im Gegensatz zu Kaiba benutzte er den normalen Angestelltenaufzug. Yuuto stellte sich neben ihn und unterhielt sich mit einem Kollegen, der ein Stockwerk tiefer einstieg auf Fachchinesisch über irgendetwas, was Joey nicht verstand. Generell war ihm gerade mehr nach Flucht zumute. Jetzt reiß dich zusammen! Wenn Kaiba sehen würde, wie du dir hier vor einem Meeting ins Hemd machst!, wies ihn seine innere Stimme zurecht und Joey schnaubte leise. Das war wirklich lächerlich. Vier Stockwerke weiter stieg er selbstbewusst aus, strich sich noch einmal die Krawatte glatt – er trug tatsächlich eine Krawatte! – und schritt neben Yuuto durch die Gänge. „Bereit? Rücken gerade und ruhig Blut, dann wird das. Ich bin die ganze Zeit dabei.“ „Bereit“, erwiderte Joey und Yuuto öffnete eine Tür. Dahinter war ein langer Konferenztisch, an dem wahrscheinlich etwa zwanzig Leute sitzen konnten. Ungefähr ein Dutzend Leute waren in dem Raum, verteilt in kleinen Grüppchen und unterhielten sich. Alles Anzugträger, die meisten Männer. Alle drehten sich zu ihnen um, als sie den Raum betraten und Joey nickte kurz und nahm am Ende des Tisches Platz. Auf Kaibas Platz. Mit einer Handbewegung bedeutete er allen, sich zu setzen, was diese auch sofort taten. Er legte die Mappe vor sich und schlug sie auf. Auf der rechten Seite Block und Kugelschreiber, links die Dokumente. „Guten Tag, meine Damen und Herren. Ich weiß, dass wir bereits während der Vorstellungsrunde kurz das Vergnügen hatten, aber lassen Sie mich noch einmal sagen, dass ich mich auf die gemeinsame Arbeit mit Ihnen freue. Ich werde alles dafür tun, dass die Kaiba Corporation weiter wachsen wird.“ Er machte eine kurze Pause, einige nickten in seine Richtung, andere schienen verbissen zu schweigen, dann fuhrt er fort: „Lassen Sie uns nun beginnen. Dieses Meeting wurde einberufen, da es einige Beschwerden bezüglich unseres Kundenservices gibt. Erklären Sie mir bitte, um welche Beschwerden es genau geht“, forderte Joey mit ruhiger Stimme und hoffte, dass die anderen seinen viel zu schnellen Herzschlag nicht hörten. Souverän bleiben! Ein Mann mittleren Alters meldete sich und Joey nickte ihm zu, dann ergriff Herr Toda das Wort: „Guten Tag Herr Wheeler. Wir freuen uns ebenso auf eine gute Zusammenarbeit. Mein Name ist Toda und ich bin der Kundendienstleiter für den Domestic Bereich, also den japanischen Markt.“ Der Mann machte eine kurze Pause und Joey schenkte sich ein Glas Wasser ein und wartete darauf, dass Herr Toda fortfuhr. Dieser schloss seinen Laptop an den Beamer an und auf der gegenüberliegenden weißen Wand tauchten Facebookkommentare auf, die nicht gerade einen guten Eindruck der Firma vermittelten. „Ein Kunde schrieb: Der Service der KC ist wirklich das allerletzte! Schlechte Hotline, superlange Wartezeiten, unfreundliche Menschen! Nie wieder etwas von der KC! Oder aber: Nicht zu fassen, dass es der größte Spielhersteller nicht schafft, einem aus Kulanz entgegenzukommen! Die Dueldisk ist nach sieben Monaten kaputt gegangen, aber die haben mir nicht geglaubt, dass wir das Gerät immer pfleglich behandelt haben! Angeblich keine Garantie wegen unsachgemäßer Behandlung! Unmöglich, ehrlich!! Diese beiden Beispiele – von vielen – zeigen sinnbildlich, dass die Kunden mit unserem Service nicht zufrieden sind. Durch die sozialen Netzwerke können solche Kommentare schnell einen negativen Einfluss auf unsere Verkaufszahlen und das Image der gesamten Firma haben. Es ist also wichtig, dass wir die Kunden auch nach dem Kauf des Produktes zufriedenstellen.“ „Aber Herr Toda. Vergessen Sie bitte nicht, wie viele tausend Kundenanrufe wir täglich bekommen. Allein unser Hotlineteam umfasst über 30 Leute nur für den Domesticbereich. Weltweit betrachtet kommen wir auf über 100. Wir geben unser möglichstes, jeden Kunden zufriedenstellend weiterzuhelfen, aber zu 100% ist das nicht möglich. Außer wir machen alles auf Kulanz und das kann ja auch nicht die Lösung sein“, mischte sich Frau Shimizu ein. Joey erinnerte sich daran, dass sie die Leiterin der Hotline war. „Ja, das verstehe ich ja auch. Aber wir müssen eine Lösung finden, um die Anzahl dieser Kommentare zu senken. In den letzten zwei Monaten gab es einen großen Anstieg der unzufriedenen Reaktionen in den sozialen Netzwerken. Sehen Sie bitte hier.“ Statt der Beispielkommentare sah Joey nun einen Graphen, der zehn Monate lang relativ weit unten vor sich hin plätscherte und dann sprunghaft anstieg. „Wurde eine Analyse der Produkte vorgenommen?“, durchbrach Joey die Stille und blätterte durch seine Dokumente. „Der Produkte?“, hakte Herr Toda verwirrt nach und richtete seine Brille, als er zu ihm schaute. „Ja. In dem einen Kommentar ist die Rede von einer Dueldisk. Soweit ich informiert bin, haben wir doch auch ein großes Social Media Team, dass die Seiten moderiert. Es wäre also ein einfaches zu fragen, um welches Produkt es sich genau bei der Beschwerde handelt und anhand einer Analyse wäre es möglich zu prüfen, ob es mit einem Produkt besonders viele Probleme gibt. Es wäre ein Hinweis darauf, dass es womöglich Schwierigkeiten mit der Produktion gibt. Das müsste in so einem Fall geprüft werden. So nutzlose Kommentare wie der erste bringen uns nicht weiter, wenn wir uns verbessern wollen. Sei es After-Sales-Support oder Produktentwicklung. Frau Minami, Sie sind doch die Leiterin des Social Media Teams, oder? Haken Sie bei solchen Kommentaren nach, um was es spezifisch geht?“ Joey lehnte sich vor und schaute zu einer jungen, schwarzhaarigen Frau, die durch das Kostüm fürchterlich streng wirkte. Aber vielleicht war das auch nur der erste Eindruck, den er hatte und in Wirklichkeit war sie die entspannteste Person im ganzen Raum. Herablassend schnaufte er, als er im Augenwinkel bemerkte, dass Herr Yoshimitsu – Leiter des Second Level Supports – auf seinem Smartphone herum tippte. „Wenn Sie sich an der Diskussion nicht beteiligen möchten, dann bitte ich Sie, außerhalb des Raumes auf ihr Smartphone zu schauen, Herr Yoshimitsu“, bat Joey mit schneidender Stimme und dieser schaute ihn überrascht an, stammelte leise ein paar Worte als Entschuldigung, als er das Handy in seiner Innentasche verschwinden ließ und sich mit glühenden Wangen dem Beamer zuwandte. Im Augenwinkel nahm er Yuutos amüsiertes Schmunzeln wahr, dass er hinter seiner Hand zu verbergen versuchte, aber das kurze Zucken seiner Schultern verriet ihn. Was war denn jetzt zum Lachen? Hatte er den Gag verpasst? Frau Minami räusperte sich und bat um das Beamerkabel und während sie ihren Laptop anschloss, begann sie zu erklären: „In der Tat ist es so, dass mein Team bei solchen Kommentaren genauer hinterhakt, worum es explizit geht. Meistens bekommen wir sogar eine Reparaturnummer und können den Vorgang in unserem System nachvollziehen und dem Kunden direkt helfen. Vorsorglich habe ich genau so eine Analyse vorgenommen, allerdings gibt es dort keine Auffälligkeit bestimmter Produkte. Daraus schließe ich, dass es derzeit keine Produktionsprobleme gibt und wir daher den Service generell betrachten müssen. Eine Häufung in den Kommentaren ist allerdings der Vorwurf, dass die Leute in der Hotline unfreundlich seien. Das liest sich in etwa 50% der Kommentare. Desweiteren sind die Kommentare in den letzten Jahren immer drastischer, teils sogar bedrohlicher geworden. Das, was derzeit auch in der Gesellschaft wahrgenommen wird, schlägt sich eindeutig auch auf unsere Bewertungen und Kommentare nieder. Beleidigungen sind beinahe an der Tagesordnung.“ „Also das weise ich entschieden zurück. Meine Kollegen sind immer freundlich und höflich und müssen ihrerseits viel aushalten. Die Kunden führen sich teilweise wie die letzten Idioten auf und dennoch versuchen sie ihnen freundlich zu helfen. Es ist eine Frechheit, wenn behauptet wird, dass sie unfreundlich wären.“ Frau Shimizu saß da wie eine Löwin, die ihre Jungen beschützen musste und bevor die beiden Frauen noch weiter diskutierten, übernahm Joey das Wort: „Also gut. Es liegt also kein Produktfehler vor und Kunden beschweren sich über unfreundlichen Telefonservice. Ich bin sicher, dass wir dafür eine Lösung finden werden. Dennoch haben die Reparaturen im letzten Jahr deutlich zugenommen. Gibt es dafür einen bestimmten Grund? Mehr Produkte, kompliziertere?“ „Beides“, erwiderte Herr Yoshimitsu und bekam das Beamerkabel gereicht. „Seit der Einführung der Duel Disk haben wir 50% mehr Reparaturen, da die ersten Modelle noch recht anfällig waren. Mittlerweile sind wir in der dritten Generation und die Fälle haben sich stabilisiert. Da die Kosten einer Reparatur relativ erschwinglich sind, beschließen viele Eltern auch nach Ablauf der Gewährleistung, das Gerät lieber reparieren zu lassen anstatt ein neues zu kaufen. Ich denke, das wird sich mit Einführung der neuen DuelDisk für eine gewisse Zeit ändern. Dann wird lieber in das neue Produkt investiert statt in eine Reparatur. Allerdings muss man auch sagen, dass die Fehler bei den neueren DuelDisks andere sind, weshalb der Second Level Support in engem Kontakt mit den Ingenieuren und der Hotline steht, um den Kunden bestmöglich zu unterstützen. Andererseits vertreiben wir ja auch andere Hardware wie Spielkonsolen und Handhelds, die natürlich ebenfalls zur Reparatur eingeschickt werden. Da zum Beispiel die Konsole erst letztes Jahr eingeführt wurde, führt auch das zu einem erhöhten Reparaturaufkommen.“ Joey nickte verstehend und schaute sich das auf die Wand projizierte Tortendiagramm an und war innerlich doch erstaunt, dass er verstand, aus was es bestand und welche Schlüsse daraus gezogen werden mussten. Die Uhr war schon weit fortgeschritten und er hatte noch andere Dinge auf dem Plan, weshalb er das hier abkürzte. Außerdem wäre es wohl besser, wenn die sich zunächst untereinander besprachen, wie sie das Problem angehen wollten. Gewisse Gespräche waren erst mal ohen Chef wichtig, da war sich der Blonde sicher. „In Ordnung. An dieser Stelle möchte ich das Meeting beenden. Bis Freitag möchte ich ein Konzept zur Verbesserung der Hotline auf dem Schreibtisch haben. Außerdem eine exakte Analyse der Kommentare auf den gängigen Plattformen und wie mit diesen umgegangen wird bzw. Ideen, wie man vielleicht noch anders auf diese reagieren kann. Wie Herr Toda vorhin bereits anmerkte, ist der After-Sales-Support sehr wichtig, damit wir Kunden auch halten können und sie weitere Produkte bei uns kaufen. Denken Sie immer daran: Das erste Produkt verkauft der Sales, die restlichen der Service. Guten Tag, die Damen und Herren.“ Die anderen klopften ein paar Mal auf den Schreibtisch und Joey erhob sich. Er wollte sich gern den Nacken reiben, verschob das aber auf später, wenn er im Büro war und packte seine Mappe zusammen. „Ähm Herr Wheeler? Haben Sie noch eine Minute?“, wollte ein kleiner, untersetzter Mann wissen, der sich während des gesamten Meetings nicht einmal zu Wort gemeldet hatte. Wer war er noch gleich? „Natürlich, was gibt es?“ „Mein Name ist Tanaka. Ich leite die Ersatzteilabteilung. Es gibt da Probleme mit einer Fabrik, die Ersatzteile für uns produziert und ich erwarte noch eine Anordnung von Ihnen, wie wir da verfahren sollen.“ Ach ja, etwas klingelte da in Joeys Hinterkopf. Mokuba hatte so etwas in der Richtung erwähnt. Seufzend holte er sein Smartphone heraus und checkte kurz seinen Kalender. „Kommen Sie in einer Stunde in mein Büro. Bringen Sie alle Unterlagen mit und wir schauen uns an, wie wir das am besten lösen können“, forderte Joey, trug den Termin nach einem Nicken in den Kalender ein und gab Yuuto mit einer Kopfbewegung zu verstehen, dass er wieder hoch wollte. Dieser folgte ihm und gemeinsam fuhren sie wieder hoch in das Büro, wo Joey als erstes die Mappe auf den Schreibtisch fallen ließ und sich den Nacken rieb. „Wie hält Kaiba das nur den ganzen Tag aus?“, brummte er, knackte mit ein paar Halswirbeln und schaute aus dem bodentiefen Fenster. Domino lag ruhig da, es war ein angenehmer Sommertag und von hier oben wirkte selbst das hektische Treiben auf der Straße unten irgendwie ruhig. Yuuto stellte sich neben ihn und klopfte ihm grinsend auf die Schulter. „Das war spitze. Die nächsten Meetings werde ich zwar mitkommen, aber du hast das echt super gemacht. Und wie Seto gleich ein Ausrufezeichen gesetzt, dass man dich auch nicht unterschätzen darf. Super, wie du das Fachchinesisch auswendig gelernt hast und dann noch Herr Yoshimitsu!“ „Ja, das amüsierte Gesicht konntest du auch nicht verbergen. Ich meine, wenn man schon ein Meeting hat, hört man doch aufmerksam zu. Was sollte das denn, gelangweilt im Handy rumzuschauen?“ „Das machen viele. Irgendwie gehört das zur Meetingkultur dazu. Seto macht das auch, wenn die anderen diskutieren. Er hört zwar mit einem Ohr zu, aber meistens bearbeitet er nebenbei Emails, um auch ja keine Sekunde zu verschwenden.“ Joey schüttelte verständnislos den Kopf. Diese Flausen würde er den Leuten hier schon noch aus dem Kopf treiben. Wenn man eine Besprechung hatte, dann sollte auch jeder Teilnehmer zuhören und sich daran beteiligen. Sonst brauchte die Person gar nicht erst teilzunehmen. „Na komm, essen wir noch etwas, bevor Herr Tanaka kommt. Die Kantine hat jetzt leider schon zu“, seufzte Yuuto nach einem Blick auf die Uhr und der Blonde nickte. Er drückte einen Knopf auf dem Telefon und bat Yukiko, Pizza für sie zu bestellen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)