Die Vertretung und die Folgen von Iwa-chaaan (Wenn Hündchen vor große Herausforderungen gestellt werden) ================================================================================ Kapitel 12: Freunde ------------------- Samstag, 27.08. Roland und Yuuto brachten die wichtigsten Aktenordner gerade zu ihm in das kleine Arbeitszimmer, dass Kaiba vor Jahren mal hatte einrichten lassen, aber nie benutzt hatte, wie der Knirps ihm erklärt hatte. Die Beiden wollten eigentlich, dass er sich in Kaibas Arbeitszimmer einrichtete, da dort alle wichtigen Unterlagen waren und nicht alles hin und her geräumt werden musste, doch Joey empfand es als falsch, sich in sein Heiligstes zu setzen. Er übertrat hier schon genügend Grenzen, da konnte er diese eine wenigstens da lassen, wo sie war. Mokuba hatte ihm daraufhin dieses Zimmer – einen Flur weiter – gezeigt und Joey hatte sofort zugestimmt. Es sah dem von Kaiba recht ähnlich – er hatte von draußen reingeschaut, es aber nicht einmal betreten –, aber es war etwas kleiner und kuscheliger. Neben der Tür war eine lange Kommode, auf der ein paar Vasen standen, darüber an der Wand hing ein Werbebild für die erste Dueldisk, die die Kaiba Corporation veröffentlicht hatte. Die Wände rechts und links bestanden aus eingelassenen Regalen, vollgestopft mit alten Ordnern, die Yuuto, Roland, Mokuba, zwei Hausmädchen und er in Kartons und in einen Abstellraum verfrachtet hatten, damit er sich hier drin einrichten konnte. Das dunkle Holz, welches mit Ornamenten verziert worden war, stand im krassen Kontrast zu den cremefarbigen Wänden, doch Joey gefiel der Raum auf den ersten Blick. Ein großer, massiver Mahagonischreibtisch erstreckte sich fast komplett zwischen den Regalen und nahm gefühlt ein Drittel des Raumes ein. Davor standen zwei passende, gepolsterte Stühle, dahinter ein großer Schreibtischstuhl, dem Joey sofort das Prädikat bequem ausstellte. Der Blonde nahm Platz und wie erwartet, war der Stuhl super gemütlich und schaute aus der riesigen Fensterfront nach draußen in den noch viel größeren Garten, dessen Ende er von hier aus nicht einmal sehen konnte. Ein kleiner See war auf der linken Seite in einiger Entfernung zu erahnen und Joey fragte sich, wie lange man wohl brauchte, um einmal um das Grundstück der Kaibas zu laufen. Er rechnete mit Stunden. „So, das war der letzte Karton“, brummte Yuuto und wischte sich mit einem Taschentuch über die verschwitzte Stirn. Joey drehte sich wieder um und lächelte, als er entgegnete: „Sehr gut. Dann können wir ja runtergehen.“ Irritiert hob der Anwalt eine Augenbraue hoch und der Blondschopf musste sofort an Kaiba denken. Das tat er immer, wenn jemand das machte. „Was ist denn unten?“, fragte er nach und Joey grinste. „Mokuba hat vor einer Stunde Hina Bescheid gegeben, dass sie Essen machen soll und das ist mittlerweile fertig. Also lass uns unten stärken“, klärte Joey auf und schlenderte zusammen mit Yuuto nach runter in die Küche, wo auch ein großer Esstisch stand. Es gab zwar auch ein Speisezimmer, doch das wurde anscheinend nur sehr selten benutzt, wie Joey aus Mokubas Erzählungen geschlossen hatte. Roland und der Knirps saßen bereits am Tisch und sie setzten sich dazu, als sich der Blonde irritiert umschaute. „Wo sind die beiden Hausmädchen, die ebenfalls geholfen haben?“ „Ich nehme an, irgendwas machen …“, entgegnete Mokuba überrascht, verstand dann aber, worauf er hinauswollte. Er ließ die Zwei rufen, die keine drei Minuten später in der Küche standen und fragten, was sie tun könnten. „Setzt euch und genießt das Essen mit uns“, forderte der Schwarzhaarige und zeigte auf zwei weitere Gedecke, die die Köchin gerade noch hingestellt hatte. Irritiert schauten sie sich an und waren offenbar unschlüssig, ob sie es wirklich wagen konnten. „Ihr habt uns beim Tragen genauso geholfen und habt bestimmt Hunger. Also keine Scheu“, munterte Mokuba sie noch einmal auf – Joey lächelte ihn zufrieden an – und vorsichtig näherten sie sich und nahmen Platz. Sie bedankten sich freundlich bei dem kleinen Kaiba und dann aßen sie alle gemeinsam. Der Knirps schien für den Moment recht glücklich zu sein, was Joey freute zu sehen. Wenigstens konnte er anscheinend etwas abschalten. Das war wichtig. Doch er selbst konnte das nicht. Noch immer fragte er sich, wie er sich auf dieses Himmelfahrtskommando hatte einlassen können. Er hatte zwar schon bereits verschiedene Jobs gemacht, aber eine Firma zu leiten, gehörte definitiv nicht dazu und so eine riesige sowieso schon gar nicht. Eine Stunde später beendeten sie das Essen und die Hausmädchen gingen sofort wieder ihrer Arbeit nach, während Joey von Yuuto, Roland und Mokuba in die Geschäfte der Kaiba Corporation eingeführt wurde. Die IT hatte bereits ein Emailkonto für ihn eingerichtet und Mokuba schickte alle wichtigen Mails von Setos Account auf seinen, was am Ende 96 Emails machte. Er würde Tage brauchen, um sich um die alle zu kümmern und halb verzweifelt ließ er den Kopf auf die Tischplatte knallen. Warum nur hatte er zugestimmt? Warum? „Kopf hoch, Joey. Wir bringen dir das alles bei und mit der Zeit wird es besser gehen“, munterte Yuuto ihn leicht lächelnd auf und er riss sich zusammen. Er hatte doch schon ganz andere Herausforderungen gemeistert, also würde er das hier auch schon irgendwie auf die Reihe bekommen. Er musste das ja auch nicht allein bewältigen, also Hintern zusammenkneifen und los. Mit neuem Elan lauschte er den Dreien, die sich abwechselten, um ihm die Grundlagen beizubringen. Nebenbei machte er sich viele Notizen in einem karierten Notizbuch, um nichts Wichtiges zu vergessen. Zu seiner eigenen Überraschung verstand er das meiste recht schnell und mit Mokubas Hilfe schrieb er drei Stunden später schon die ersten Emails. Es war bereits 19 Uhr, als es an der Tür klopfte und Joey „Herein!“ rief. Eine der Hausmädchen stand in der Tür und verbeugte sich leicht, als sie sagte: „Master Wheeler, es ist Besuch für Sie eingetroffen.“ „Ah, sehr gut! Bringen Sie sie bitte in den kleinen Salon. Wir kommen gleich!“, erwiderte Mokuba und das Hausmädchen schloss nach einer Verbeugung die Tür wieder, um der Anweisung Folge zu leisten. „Master Wheeler??? Das kann sie sich gleich wieder abgewöhnen!“, schnaubte Joey und wollte sich wieder der Akte über ein neues Projekt widmen, als Mokuba diese einfach schloss. „Wir machen morgen weiter. Für heute reichen sechs Stunden Input. Das musst du erst einmal sacken lassen. Morgen machen wir weiter.“ „Bist du sicher?“, hakte Joey nach und wollte nicht allzu glücklich klingen, doch die Aussicht auf Feierabend war schon sehr verlockend. Zumal es Samstag war, wo er normalerweise auf der faulen Haut liegen konnte! Doch es gab noch so viel für ihn zu lernen, dass er das Gefühl hatte, er konnte sich keine Pause und erst recht keinen Feierabend erlauben. „Ja, außerdem hast du Besuch!“, erinnerte ihn Mokuba grinsend und er stand, sich den Nacken reibend, auf. Die Verspannungen würden in den nächsten Tagen bestimmt nicht besser werden. Wer ihn wohl besuchte? Und das auch noch hier? Es wusste doch fast niemand, dass er hier war … Yuuto und Roland verabschiedeten sich von ihm und der kleine Kaiba brachte ihn in den bereits bekannten kleinen Salon, wo er beinahe umgekippt wäre, weil all seine Freunde dort auf den Sofas saßen und auf ihn warteten. „Was macht ihr denn hier, Leute?“, fragte er verdattert und Tea lächelte ihn freundlich an. „Mokuba hat uns vorhin angerufen und gebeten, dass wir herkommen sollen. Da haben wir uns natürlich sofort auf den Weg gemacht!“ „Ich dachte, du wolltest sie lieber vorher informieren, bevor sie am Montag in der Schule aus den Latschen kippen“, flüsterte der Kurze neben ihm und verschwand dann winkend und grinsend wieder nach draußen, bevor Joey etwas dazu sagen konnte. „Bin ich froh, euch zu sehen! Ihr werdet mir nie glauben, was heute alles passiert ist …“, murmelte er, schenkte sich einen Scotch ein, leerte ihn auf Ex und ließ sich erschöpft auf den Sessel fallen, der noch leer war. „Also was ist hier los? Warum bist du – anscheinend freiwillig – in Kaibas Villa?“, wollte Tristan neugierig wissen und Joey berichtete in Ruhe von dem Unfall, von Mokubas Anruf, dass er hier übernachtet hatte und der Kurze zu ihm ins Bett gekrabbelt war, von dieser wahnwitzigen Idee inkl. seiner Zusage und den ersten sechs Stunden Arbeit an einem Samstag. Grinsend nahm Joey zur Kenntnis, wie sich das Minenspiel seiner Freunde im Verlauf der Geschichte veränderte und sie ihn sprachlos anstarrten, als er zu Ende erzählt hatte. „Du als vorübergehender Chef der Kaiba Corporation?“, hakte Duke fassungslos nach. „Jup. So sieht es aus … Für ein paar Wochen, bis Kaiba das wieder selbst übernehmen kann.“ „Aber ist das nicht viel zu viel Verantwortung? Immerhin bist du für mehrere Tausend Mitarbeiter verantwortlich!“, mischte sich Tea schockiert ein und Joey hob beschwichtigend die Arme. „Ich mach das ja nicht allein, genau genommen bin ich wohl mehr ein Aushängeschild. Mokuba und Roland unterstützen mich, dann noch Yuuto, der Hausanwalt der Kaibas, Yukiko, Kaibas Sekretärin und Montag lerne ich noch eine Yuna kennen, die mir auch helfen soll. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist sie die Personalchefin. Die kennen die Firma ja und sagen mir, was ich tun soll. Es geht ja mehr darum, dass die Kaiba Corporation nicht ohne Chef dasteht. Und da Mokuba verständlicherweise kein Vertrauen mehr in etwaige Stellvertreter bzw. Vizes hat, hat er mich dafür auserkoren. Ihr wisst doch, es gibt keine Herausforderung, die ein Wheeler nicht annimmt!“ „Ja, das hast du mit Kaiba gemein“, stimmte Bakura lächelnd zu und Yugi nickte bekräftigend. „Ich bin mir sicher, dass du das gut machen wirst, Joey. Und wenn du uns brauchst, sind wir natürlich da.“ Die anderen machten zustimmende Gesten und er lächelte seine Freunde an. „Ich danke euch. Könntet ihr mir auch noch einen Gefallen tun?“ „Na klar, was sollen wir tun?“, wollte Tristan sofort wissen und Joey druckste etwas herum, ehe er die richtigen Worte fand: „Da ja Kaiba nun einmal eine Person des öffentlichen Lebens ist und ich mich ab jetzt als sein Freund ausgeben muss, werde ich bestimmt auch in den Fokus der Reporter geraten und höchstwahrscheinlich werden sie auch über euch versuchen, an Informationen zu kommen. Ich weiß, das klingt jetzt echt bescheuert, aber könntet ihr ihnen stecken, dass Kaiba und ich bereits seit fast zwei Jahren ein Paar sind und wir das geheim halten wollten, um eben nicht in der Presse zu landen?“ Das klang so absurd! So falsch in seinen Ohren! Es war einfach unglaublich. Als würde er eine heimliche Beziehung mit dem Eisschrank führen … Als wäre er ein Eskimo, der die Kälte toll finden würde! Aber leider hatte er sich der Argumentation von Mokuba nicht entziehen können. Es war die einfachste Möglichkeit, um alle zu überzeugen, dass Seto ihm deshalb die Vollmacht gab. Und wie der Zufall es wollte, passte es daher auch gut, dass sie vor zwei Wochen gemeinsam zur Schule gefahren waren. „Klar, können wir machen. Ich hoffe, ich kann das auch glaubhaft rüberbringen …“, murmelte Tristan, der das ebenso wenig glauben zu können schien wie er selbst. Es war auch das letzte, womit er jemals in seinem Leben gerechnet hatte. Dass er mal so tun sollte, als wäre er der Partner von Seto Kaiba. „Ich weiß, wie absurd das klingt – das könnt ihr mir glauben! –, aber ich kann Mokuba hier nicht hängen lassen. Der Eisklotz ist nunmal sein heiß geliebter Bruder …“ „Schon gut, wir kriegen das hin. Mach dir darüber keinen Kopf. Du hast ganz andere Probleme gerade“, wiegelte Tea ab und dankbar nickte Joey ihr zu. Den Rest des Abends unterhielten sie sich noch über ganz andere Dinge, ließen die Seele baumeln und lachten viel gemeinsam. Doch gegen Mitternacht machten sich die Freunde langsam wieder auf den Heimweg und Joey schloss leise hinter ihnen die Tür, da das Personal mittlerweile Feierabend gemacht hatte und es still in der Villa war. Der Blondschopf war Mokuba dankbar, dass er seine Freunde eingeladen hatte und dass diese es so gut aufgenommen hatten. Doch es graute ihm vor Montag, wenn er als Kaibas Ebenbild mit Aktenkoffer, Laptop und Firmenhandy in der Schule auftauchen würde. Doch da es so viel zu tun gab, würde auch er die Zeit in den Pausen nutzen müssen. Die Pressemitteilung, dass Joey vorübergehender Chef der Kaiba Corporation war, war bereits vor ein paar Stunden rausgeschickt worden, nachdem Mokuba die Angestellten und wichtigsten Geschäftspartner in einer persönlichen Email davon in Kenntnis gesetzt hatte. Somit gab es keine Chance mehr, einen Rückzieher zu machen. Jetzt half nur noch Angriff. Das war die beste Verteidigung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)