Fortunas verschlungene Pfade von Kikono-chan ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- 1. Kapitel: 5 Uhr an einem Freitagmorgen erwachte Nami durch ein lautes Klirren, Rumpeln und einem anschließenden Fluchen. Stöhnend und noch völlig müde, krabbelte sie aus dem Doppelbett. Sie ahnte bereits, was diese Geräusche verursacht hatte. Keine zwei Minuten später stand sie, nur in ihrem Schlafshirt bekleidet, an den Rahmen der Küchentür gelehnt und beobachtete mit hochgezogener Augenbraue das Szenario. Ruffy hatte es tatsächlich geschafft, seine Schüssel mit Frühstücksflocken zu zerdeppern. Der Küchenstuhl lag umgestoßen daneben, während der Schwarzhaarige verzweifelt versuchte, die Sauerei zu beseitigen. Als die nackten Beine seiner Freundin in sein Sichtfeld kamen, sah er zögerlich auf. "Oh, guten Morgen, Nami." "Morgen..." kam die knappe Antwort. "Ähm... Kaffee?" er grinste ihr entschuldigend entgegen. Eigentlich hätte sie noch gut und gerne eine Stunde schlafen können aber dank ihrer besseren Hälfte hatte sich das auch für diesen Morgen in Wohlgefallen aufgelöst. Die Orangehaarige seufzte ergeben und strich ihre langen Haare nach hinten. Sie war einfach nicht imstande diesem Grinsen zu widerstehen, also nahm sie sein Angebot an. "Ja, danke. Den kann ich gut gebrauchen." "Tut mir Leid, dass ich dich geweckt habe." "Schon gut. So kann ich wenigstens noch in Ruhe frühstücken." lächelnd wuschelte sie ihm durch seine kurzen Haare und sofort sprang er auf, zog sie an sich und küsste sie zärtlich. Auch nach dem Kuss hielt er sie noch eine Weile im Arm. Ihre gemeinsamen Momente waren ohnehin rar geworden. Genervt starrte er an seiner Freundin vorbei auf die Küchenuhr. 5:15 Uhr. Er sollte sich langsam auf den Weg machen, wenn er nicht zu spät zur Arbeit kommen wollte. Mit einem tiefen Seufzer löste er sich von ihr. "Ich muss zur Arbeit. Sehen wir uns heut Abend?" fragte er hoffnungsvoll, doch die Antwort las er bereits in ihrem enttäuschten Gesichtsausdruck. "Tut mir Leid. Ich habe heute Dienst. Ich bin erst morgen wieder zu Hause." "Hm..." der junge Mann drückte seiner Freundin noch einen Kuss auf die Stirn, schnappte sich dann seinen Strohhut und seinen Rucksack und ging zur Wohnungstür. "Dann bis morgen Abend, Nami. Ich muss dieses Wochenende auch arbeiten." "Ja, ich weiß. Ich koch uns was, ja." Sofort war da wieder Ruffys strahlendes Grinsen, das sie so liebte. "Gern!" Damit verließ er ihre gemeinsame Wohnung, während die Orangehaarige sich einen Kaffee einschenkte und auf die Küchenzeile hoppste. Das Chaos, welches ihr Freund hinterlassen hatte, würde mal wieder sie beseitigen müssen. Eine Stunde später hatte sie die Küche wieder auf Vordermann gebracht, war geduscht und umgezogen und bereits auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle. Nami arbeitete als Kinderärztin in einem renomierten Krankenhaus. Während ihrer chirurgischen Ausbildung in diesem Haus hatten es ihr besonders die kleinen Patienten angetan. Und unter der Leitung von Dr. Kuleha hatte die junge Frau unglaublich viel gelernt und war schnell zu deren Lieblingsschülerin aufgestiegen. Wer das als glückliche Fügung bezeichnete, hatte jedoch keine Ahnung, was genau es bedeutete, Kulehas Liebling zu sein. Denn die alte Schachtel hatte ihre ganz eigene Art, ihre neu entdeckten Talente zu fördern - mit extra Schichten, schwierigen Operationen und kniffligen Aufgaben 'für Zwischendurch'. Aber die ganze Quälerei hatte sich gelohnt. Nami war nun leitende Oberärztin der Kinderchirurgie und von ihren meisten Kollegen geschätzt und geachtet. "Eine Frau muss in diesem, von Männern dominierten Beruf, mehr sein, als nur hübsch und klug. Sie muss den Herren immer wieder auf's Neue beweisen und unter die Nase reiben, was sie drauf hat. Und dafür brauchst du Nerven wie Drahtseile!" hatte die alte Schachtel ihr immer wieder gepredigt. Nami hielt sich an den Rat und auch an viele weitere Ratschläge, die sie von ihrer Mentorin mit auf den Weg bekommen hatte. "Was du nicht kannst, kannst du eben nicht. Versuche nicht, dich mit so etwas Unwichtigem aufzuhalten. Niemand kann alles! Aber das, was du kannst, solltest du stets versuchen, zu perfektionieren." Ein leises Lächeln stahl sich auf Namis Lippen. Genau genommen war Kuleha eine sehr warmherzige und fürsorgliche Person. Aber das würde die taffe Oma niemals zugeben! Die Orangehaarige hoffte insgeheim, dass Kuleha dem Haus noch sehr lange als Chefärztin der Chirurgie zur Verfügung stehen würde. Pünktlich halb acht zur Visite stand Nami in ihrem orangenen Kasack und Hose vorm Schwesterndienstzimmer. Ihren Arztkittel hatte sie in ihrem Zimmer gelassen - jeder hier auf Station wusste, wer sie war und sie hatte die Erfahrung gemacht, dass der weiße Kittel viele Kinder nur verschreckte - er war also überflüssig. Die Orangehaarige folgte der diensthabenden Ärztin und einer Schwester, die alle Anordnungen sofort in die Krankenakte des jeweiligen Patienten übertrug, durch die belegten Zimmer. Lange dauerte es nicht, denn zum Wochenende hin mussten nur wenige Kinder auf Station bleiben. Meistens war das Team sehr darum bemüht, ihre kleinen Patienten am Anfang der Woche bestmöglich zu versorgen, damit sie am Wochenende wieder nach Hause konnten - das klappte zwar nicht immer aber doch in den meisten Fällen. Am Ende, als sie wieder beim Dienstzimmer waren, sah ihre Kollegin Nami erwartungsvoll an. "Du hast es sicher auch schon gehört oder, Nami?" Verwirrt sah Angesprochene die blonde Ärztin an. "Was soll ich gehört haben, Kaya?" "Na, das mit..." Die blonde Ärztin beugte sich zu Nami und flüsterte verschwörerisch: "... die wollen die alte Schachtel absägen und haben wohl sogar schon Ersatz." Die Augen der Orangehaarigen weiteten sich. "Das glaube ich nicht!" zischte sie zurück. "Doch, die Schwestern haben es auch schon gehört." Das konnte doch nicht wahr sein! Durften die das überhaupt so einfach? Doch noch bevor sie weiterdenken konnte, betrat der Klinikleiter Herr Eisberg die Station, flankiert von Dr Kuleha und einem jungen Mann mit schwarzen Haaren und Kinnbart. "Und das hier ist unsere Kinderstation. Hier werden unsere kleinen Patienten betreut. Und wie ich sehe, kann ich ihnen direkt unsere leitende Oberärztin vorstellen. Guten Morgen, Dr Tamino." Eisberg kam zu ihr und streckte ihr seine Hand freundlich entgegen. Eigentlich mochte sie den blauhaarigen Mann aber gerade jetzt in diesem Moment, mit den eben erhaltenen Informationen, würde sie ihm am liebsten an die Gurgel springen. Wie konnte er es nur wagen, ihr ihre Mentorin einfach wegzunehmen?! "Guten Morgen Herr Eisberg. Was verschafft uns die Ehre?" beschloss sie, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Immerhin war da noch ein Fremder mit im Schlepptau. Sie nahm also Eisbergs Geste an, lächelte freundlich ihrer Mentorin zu und ließ ihren Blick dann zu dem Schwarzhaarigen gleiten. Das Erste, was ihr auffiel, waren seine kalten grauen Augen, die sie abschätzend musterten. Sofort lief ein Schauer ihren Rücken herunter. "Nun, ich führe gerade unseren zukünftigen Chefarzt der Chirurgie ein wenig herum." Nami wurde aschfahl. Der Typ da sollte ihr neuer Vorgesetzter werden?! Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein! Schnell blickte sie zwischen dem Klinikleiter und Kuleha hin und her. "Guck nicht so entsetzt, Küken. Wie lange, dachtest du, soll ich mich eigentlich noch mit euch Grünschnäbeln herum ärgern? Es wird Zeit, der neuen Generation Platz zu machen." meinte die Ältere nur grinsend. Anscheinend stand dieser Entschluss schon eine ganze Weile fest. Der jungen Kinderärztin krampfte es schmerzlich das Herz zusammen. Kuleha war in all den Jahren viel mehr für sie geworden, als nur ihre Mentorin. "Es hat ewig gedauert, jemanden zu finden, den sie als Nachfolger akzeptierte..." schimpfte Eisberg beleidigt. "Als ob ich diese Position irgendeinem dahergelaufenen Möchtegern-Chirurgen überlassen würde!" kam augenblicklich das Kontra und brachte Nami zum Grinsen. Das passte zu der alten Schachtel. Doch kurz darauf erstarrten die Gesichtszüge der jungen Frau wieder. Der Schwarzhaarige hatte sie anscheinend die ganze Zeit über beobachtet und das behagte ihr ganz und gar nicht. Eisbergs Räuspern holte sie aus ihren Gedanken. "Wie auch immer. Dr Trafalgar übernimmt ab dem ersten August sämtliche Aufgaben von Dr Kuleha. Er wird in den kommenden zwei Wochen mit Ihnen und Ihren Kollegen im OP stehen, um zu beobachten und zu analysieren." "Wozu?" unterbrach Nami bissig den Klinikleiter und focht derweil ein Anstarrduell mit ihrem zukünftigen Chefarzt aus. "Um eventuelle Schwächen und Fehler zu finden und zu beheben." antwortete der Schwarzhaarige. Seine Stimme war schneidend wie Eis, ruhig, distanziert und ließ erneut einen kalten Schauer über Namis Rücken jagen. Mutig reckte sie ihr Kinn. "Jeder Mensch hat Schwächen. Niemand ist perfekt." "Wir sind Ärzte. Man erwartet Perfektion von uns." "Darum haben wir uns ja auch auf das spezialisiert, was wir am Besten können, nicht wahr." Ein falsches, herausforderndes Lächeln legte sich auf ihre Züge und auch bei ihm meinte sie so etwas wie ein angedeutetes Lächeln zu sehen. "Das werde ich ja in den nächsten zwei Wochen sehen." Innerlich explodierte die Orangehaarige gerade. Was bildete sich dieser Fatzke überhaupt ein? "Nun denn, wir sollten die Führung fortsetzen. Ich wünsche einen angenehmen Dienst, Dr Tamino." Damit verabschiedete die kleine Gruppe sich und Nami schnaubte wutentbrannt. Als sie sich zum Dienstzimmer umwandte, standen da vier Schwestern und ihre Kollegin mit völlig verklärtem Blick. "Heiß!" "Ohja und absolut lecker!" "Habt ihr seine Tattoos gesehen?" "Ich bin an seinem Oberkörper hängen geblieben. Habt ihr gesehen, wie eng sein schwarzes Hemd anlag, yammi." "Der Kerl ist einfach nur verboten scharf!" Das durfte doch nicht wahr sein! Hatten die fünf den Kerl etwa die ganze Zeit über angeschmachtet? Die junge Ärztin schlug sich die flache Hand vor die Stirn. Dann drängte sie an dem Weiberhaufen vorbei, holte sich eine Patientenakte und ging wieder. Schließlich hatte sie noch zu arbeiten! Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- 2. Kapitel: Am Ende des Tages hatte Nami sieben Brüche der unterschiedlichsten Art gerichtet und drei Kinder operiert - 2 Blinddarmentzüngen und eine Mandeloperation. Die strahlenden Kinderaugen, wenn sie erfuhren, dass sie nach der Entfernung der Mandeln nun tagelang Eis essen durften, war immer wieder ein Highlight für die junge Kinderärztin. Getrübt wurde diese Freude lediglich durch die Anwesenheit des zukünftigen Chefarztes Dr Trafalgar in IHREM OP! Er hatte sie mit Argusaugen beobachtet und im Anschluss jede ihrer Bewegungen mit seinen kalten, grauen Augen verfolgt. Nicht ein Wort hatte er gesagt, nicht einmal die kleinste Bemerkung von sich gegeben, nur stumm gestarrt - und das hatte sie fast wahnsinnig gemacht! Die sonst eher lockere Stimmung ihres OP-Teams war zum Zerreißen gespannt. Hoffentlich kam das nicht häufiger vor, das würde ihr so gar nicht behagen. Nami saß gemeinsam mit den Schwestern vom Spätdienst beim Abendessen. Sie lachten und scherzten ausgelassen. Die junge Ärztin pflegte ein sehr gutes Verhältnis zum Pflegepersonal, davon profitierten alle. Aber es sollte nicht sein, dass ihre ausgelassene Fröhlichkeit lang anhielt. Ein kurzes, kraftvolles Klopfen riss die Gruppe aus ihrem Gespräch und als sich die Tür öffnete, sank Namis Laune zum wiederholten Mal an diesem Tag auf den Tiefpunkt. "Dr Trafalgar, was führt Sie zu uns?" fragte sie mit gezwungener Höflichkeit. Aus den Augenwinkeln nahm sie die schmachtenden Blicke der Schwestern wahr. Mochte ja sein, dass ihm die hellblaue Jeans und das schwarze Hemd wie angegossen passten und man ganz deutlich den durchtrainierten Körper darunter sehen konnte aber sah denn keine von den Weibern die kalten, emotionslosen Augen, die die Orangehaarige schon wieder fixierten, wie ein Raubtier seine Beute?! "Ich wollte dich sprechen, Nami." kam die Antwort prompt mit einem süffisanten Grinsen. Die Angesprochene explodierte geradezu - hatte der Kerl es ersnthaft gewagt, sie zu duzen und beim Vornamen anzusprechen?! "Für Sie immernoch DOKTOR TAMINO!" giftete sie zurück. "Wie Sie meinen. Also?" kehrte er wieder zur Höflichkeitsform zurück und hielt ihr auffordend die Tür auf. Wütend knallte sie ihre Hände auf den Holztisch, was das daraufstehende Geschirr zum Klappern brachte. Sie schnappte sich noch ihren weißen Ärztekittel mit ihrem Namensschild, zog ihn über ihre orangene Bereichsbekleidung, bevor sie an ihm vorbei auf den Flur rauschte. "In Ihr Büro bitte, Dr Tamino." drang seine Stimme wieder an ihr Ohr und ließ erneut einen kalten Schauer ihren Rücken entlang laufen. Sie beschloss, diese unangenehmen Regungen zu ignorieren und steuerte stattdessen ihr Zimmer an am anderen Ende der Station. Der Raum, der ihr als Büro, Bereitschafts- und Aufenthaltsraum gleichermaßen diente, war nicht besonders groß, dafür aber geschickt eingerichtet. Die Tür schwang nach innen auf und gab direkte Sicht auf einen Schreibtisch mit Computer frei, der am Ende der linken Wand stand. Man musste erst einige Schritte ins Zimmer hinein gehen, bevor man um die Ecke und in den Rest des Zimmers sehen konnte. Gegenüber des Schreibtisches, an der anderen Wand, befand sich eine gemütliche Sitzecke mit Sofa und zwei Sesseln. Daneben stand ein Regal so in den Raum hinein, dass es das dahinter stehende Bett gut verbarg. Vollgestopft mit Medzinbüchern und einigen Romanen war das allerdings auch nicht sonderlich schwer. Nami ging direkt zum großen Fenster, zwischen ihrem Schreibtisch und der Sitzecke und öffnete es. Erst danach ließ sie sich auf ihren Schreibtischstuhl nieder. So wollte sie verhindern, dass er sich in ihre direkte Nähe setzen konnte. Der zukünftige Chefarzt sah zwischen der Kinderärztin und der Sitzecke hin und her, bevor er zielsicher ihren Schreibtisch ansteuerte und sich dagegen lehnte. Na toll! Nun war er ihr fast noch näher, als hätte er sich auf dem Sofa neben sie gesetzt. Das war ja kaum zum Aushalten! Sie warf ihm einen kurzen, desinteressierten Blick zu. "Sagen Sie mir endlich, was Sie von mir wollen und verschwenden nicht länger unser beider kostbare Zeit." Wieder huschte ein kurzes Lächeln über seine Züge. "Warum so abweisend?" Zur Antwort überschlug sie lediglich ihre Beine und verschränkte die Arme vor der Brust - JETZT war sie abweisend! Bis eben wollte sie ihn nur höflich schnellstmöglich wieder los werden. "Ich war heute bei vielen Operationen dabei und habe Sie und ihre Kollegen beobachtet." Das wusste sie bereits. Wenn er ihr nichts Wichtiges zu sagen hatte, warum musste er ihr dann auf die Nerven gehen? Sein Blick glitt zum Fenster und er sah hinaus auf den Hof, wo die Abendsonne Alles in einen goldroten Ton tauchte. Ohne Nami wieder anzusehen, fuhr er fort. "Bei den meisten ist die Technik noch verbesserungswürdig und zum Teil weit davon entfernt, perfekt zu sein.." "Was erwarten Sie denn? Viele der Ärzte, denen Sie heute über die Schulter gesehen haben, sind jung und stehen am Anfang ihrer Karriere. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Ihnen plötzlich jemand Wildfremdes genauestens auf die Finger guckt, während Sie wissen, dass jeder noch so kleine Fehler eventuell eine Kündigung nach sich ziehen könnte?" Mit einem überheblichen Grinsen erwiederte er ihren herausfordernden Blick. "Ihre Kollegen sollten diesen Störfaktor ausblenden und sich auf das Wesentliche konzentrieren. So, wie ich es immer tue. Oder wie Sie es getan haben, Dr Tamino." War das gerade etwa so eine Art Kompliment gewesen? Die Orangehaarige zog eine Augenbraue hoch. "Sie waren Kulehas beste Schülerin. Sie hat Sie hervorragend ausgebildet. Warum lassen Sie zu, dass Sie von ihr als Küken bezeichnet werden?" War das sein Ernst? "Das würden Sie sowieso nicht verstehen, Dr Trafalgar." knurrte sie böse. Was wusste er schon? Kulehas Kosename für sie mochte anfangs vielleicht wirklich herablassend gemeint gewesen sein aber im Laufe der Jahre war es eher so etwas wie eine liebevolle Anrede geworden. Kuleha war so etwas wie die Oberhenne und Nami eines ihrer geliebten Küken, über dass sie auf Teufel komm raus schützend ihre Flügel halten würde. So einer wie Trafalgar mit seinen kalten Augen konnte das garantiert nicht nachvollziehen, dessen war die junge Ärztin sich sicher. "Sie hält große Stücke auf Sie." kam es fast flüsternd von ihm. Um Namis Züge spielte ein Lächeln, doch sie erwiederte nichts. "Sie könnten es weit bringen in der Chirurgie. Warum sind Sie Kinderärztin geworden?" Nun war sie verwirrt. Versuchte er gerade, etwas über sie herauszufinden? "Das würde einer wie Sie niemals verstehen." blockte sie erneut. Und schon wieder unterstellte sie ihm emotionale Kälte. "Dann erklären Sie es mir." Nami lachte laut auf. "Hatten Sie schon einmal mit Kindern zu tun?" "Weniger." "Dacht' ich mir." Die Kinderärztin erhob sich, schritt zum Fenster und beobachtete lächelnd eine kleine Familie auf dem Spielplatz im Klinikhof. "Es geht mir nicht darum, hoch hinaus zu kommen. Beruflich habe ich Alles erreicht, was ich je wollte." Sie bedeutete dem Schwarzhaarigen ebenfalls nach draußen zu blicken. "Der kleine Jamie, der da draußen so ausgelassen spielt, hatte einen angeborenen Herzfehler, der es ihm unmöglich machte, irgendetwas zu tun, was einem Kind Freude bereiten würde. Sein Herz war viel zu klein, zu schwach und es entwickelte sich nicht weiter. Er war auf eine Transplantation angewiesen, andernfalls hätte er nicht mehr lange gelebt. Vor einer Woche dann bekamen wir endlich ein passendes Spenderherz. Ich kann mich gut daran erinnern, wieviel Angst seine Eltern vor dieser Operation hatten, auch wenn es Jamies einzige Chance auf ein Leben war. Also hat er einfach immerzu gelächelt und seinen Eltern so den Mut und die Kraft gegeben, die sie brauchten. Und das, obwohl er selbst unglaubliche Angst hatte. Er hat es mir gesagt am Abend vor seiner OP." Sie hielt kurz inne. "Ich betreue den Kleinen seit mehr als drei Jahren und dieses Lachen - ..." sie deutete auf den spielenden Jungen, der gerade breit lachend in die Arme seiner überglücklichen Eltern hüpfte. "... ist die Belohnung für meine Arbeit. Für die Arbeit von jedem hier. So ehrliche Emotionen werden Sie bei keinem Erwachsenen finden." "Haben Sie Kinder, Dr Tamino?" "Nein. Leider nicht. Es hat sich bisher einfach nicht ergeben." Es war das erste Mal, dass sie einer derartig privaten Frage nicht auswich. "Noch nicht den Richtigen gefunden?" "Falls Sie darauf anspielen, ob ich noch zu haben bin, muss ich Sie enttäuschen. Ich befinde mich in einer festen Beziehung mit einem wundervollen Menschen." Nami sah ihn unverwandt an. Kurz konnte sie etwas in seinen Augen aufblitzen sehen, das tatsächlich hätte Enttäuschung sein können. Aber ganz sicher war sie sich nicht. "War es das dann, Dr Trafalgar?" fragte sie nun wieder mit kühler Stimme und holte demonstrativ ihren Pieper aus ihrer Kitteltasche. Natürlich war in so einer Situation nicht eine Nachricht drauf aber das musste er ja nicht wissen. "Für's Erste, ja. Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Wünsche eine ruhige Nacht. Wir sehen uns." Damit verließ er ihr Büro wieder. "Hoffentlich nicht so bald..." murmelte sie, kaum, dass die Tür ins Schloss gefallen war. Nach einiger Zeit gesellte sie sich zurück ins Schwesterndienstzimmer. "Na, wie war das Gespräch mit dem zukünftigen Chef?" wurde sie sofort begrüßt von einer Schwester mit schulterlangen, blauen Haaren. Nami war die Betonung auf dem Wort 'Gespräch' nicht entgangen. "Wenn du damit andeuten willst, wir hätten eine schnelle Nummer in meinem Büro geschoben, muss ich dich enttäuschen, Emily." Sofort kicherte die Blauhaarige und die anderen vier Anwesenden stiegen mit ein. Moment, vier? "Ist es schon so spät?" fragte die Kinderärztin nun verwundert. "Wir wollten gerade mit der Übergabe beginnen. Keine Sorge, der Nachtdienst ist eben erst eingetrudelt." wurde sie sogleich beruhigt. "Darf ich trotzdem neugierig sein?" setzte Emily erneut an und warf einen kurzen Blick in die Runde. Alle nickten eifrig. Alle, außer Nami. "Herr Gott nochmal... ihr gebt ja doch keine Ruhe..." Einstimmiges Kopfschütteln gepaart mit breitem Grinsen war ihre Antwort und so fuhr sie genervt fort. "Er war heute bei mir und einigen anderen Ärzten mit im OP und hat uns auf die Finger geschaut, um anschließend besonders schlaue Ratschläge zu verteilen." fasste die Orangehaarige kurz zusammen. "Und welchen Rat hat er dir mitgegeben?" fragte Hiromi, eine der Nachtschwestern mit kurzen, roten Haaren. Die junge Ärztin zuckte kurz mit den Schultern. "Keinen. Er war zufrieden mit dem, was er gesehen hat." Die fünf Schwestern tauschten schnelle Blicke aus. "Und worüber habt ihr zwei euch dann so lange unterhalten?" Genervt verdrehte Nami die Augen. "Wir haben uns über die alte Schachtel unterhalten und warum ich hier geblieben und nicht die chirurgische Karriereleiter hochgestolpert bin." "Na wegen den süßen Patienten und ihren breiten, ehrlichen Lachen, dass dein Herz zum Schmelzen bringt." grinste Hiromi breit. "Und wegen uns!" warf Emily hinterher und alle lachten. "Ihr habt beide Recht. Die schönste Arbeit der Welt ist nichts wert, wenn man sich im Team nicht wohlfühlt." Dankbar wurde die junge Kinderärztin von den Schwestern angelächelt. Nami liebte ihre Arbeit und ihr Team, auf das sie sich wirklich immer verlassen konnte. Und ein neuer Chefarzt würde nichts daran ändern! Notfalls würde sie ihn halt weitestgehend ignorieren - darin hatte sie ja bereits Übung. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- 3. Kapitel: "Endlich Feierabend!" Nami streckte sich ausgiebig, bevor sie in das große Schwimmbecken sprang. Es war eine der zahllosen Annehmlichkeiten, die dieses Haus zu bieten hatte, und die für jeden Mitarbeiter zur Verfügung stand. 24 Stunden. 7 Tage die Woche. Für ausnahmslos JEDEN Mitarbeiter, völlig egal, ob Reinigungskraft, Küchenpersonal, Pfleger, Ärzte oder der Buchhaltung. Der Keller des Krankenhauses war großzügig ausgebaut worden. Neben der Notaufnahme, der Radiologie und der Leichenhalle, beherbergte er noch einen durch eine Flügeltür abgetrennten Bereich, der nur dem Personal zugänglich war. Hier hinter befanden sich ein Raum für Yoga- und Meditationsübungen im japanischen Stil gehalten, in dem fortwährend leise, entspannende, instrumentale Musik spielte, daran angrenzend einer für physiotherapeutische Anwendungen und Massagen. Dem gegenüber lag ein Trainingsraum mit verschiedenen Trainingsgeräten für Ausdauer und Muskelaufbau. Am Ende des Ganges befand sich die Schwimmhalle mit 2 großen Schwimmbecken, 2 Whirlpools und einer Sauna. "In einem gesunden Körper lebt ein gesunder Geist.", hatte Eisberg immer zitiert. "Außerdem fördert es das Wohlbefinden und wer sich wohl fühlt, bringt bessere Leistungen bei der Arbeit.", fügte er noch bei. Es war also eine Win-Win-Situation für Haus und Mitarbeiter. Und in eben jenem Schwimmbecken zog Nami nun ihre Bahnen. Sie liebte es zu schwimmen aber aufgrund ihrer Arbeit wäre es unter normalen Umständen schwer geworden, diesem Hobby nachzugehen. Dank dem Angebot des Klinikums allerdings, war es nun ein Kinderspiel. "Herrlich...", schwärmte sie, ließ sich auf dem Rücken liegend treiben und schloss einen Moment die Augen. Sie hatte alle Zeit der Welt. Ruffy würde vor 20 Uhr nicht zu Hause sein. Der Auflauf, den sie machen wollte, dauerte in der Vorbereitung keine halbe Stunde und länger als 6 Stunden konnte sie ohnehin nicht schlafen nach ihrem 24-Stunden-Dienst. Jetzt war es etwa halb zehn. Selbst wenn sie bis mittags hier bliebe, hätte sie noch genügend Zeit. Noch etwa eine halbe Stunde zog Nami ihre Bahnen, bevor sie beschloss, das Becken zu verlassen. Auch wenn sie noch mehr als genug Zeit hatte, so schlich sich doch allmählich die Müdigkeit in ihre Glieder. Doch Fortuna schien ihr alles andere als wohlgesonnen zu sein, denn kaum öffnete sie die Verbindungstür zu den Duschräumen, öffnete sich auch die zur Sauna und ein leicht verschwitzter, halb nackter Trafalgar starrte sie verdutzt an. Musste das sein?! Ein verruchtes Grinsen trat auf seine Lippen, als er Nami musterte. Ihr noch feuchtes Haar floss in sanften Wellen an ihrem Oberkörper hinab. Da, wo es an ihrer pfirsichfarbenen Haut klebte, rannen kleinere Wassertropfen hinab, der Schwerkraft folgend über ihren flachen Bauch, die langen Beine herunter bis auf den gefliesten Boden. Definitiv ein Bild, dass sich ihm sofort einbrannte. Er war schließlich auch nur ein Mann. Nami presste ihr Handtuch vor ihren Körper und wünschte sich derweil mehr als nur ihren roten Sportbikini anzuhaben. Normalerweise war es ihr herzlich egal, wenn sie angegafft wurde, wusste sie doch, dass sie gut aussah. Aber ausgerechnet jetzt, in diesem Moment, störte es sie gewaltig. Konnte dieser perverse Möchtegernarzt nicht endlich seinen Blick abwenden? "Welche Überraschung." kam es im süffisanten Ton vom Schwarzhaarigen. "Wenn Sie meinen...", damit tappste sie zu den Duschen. Jeder im Haus, der sie auch nur ansatzweise kannte, wusste, dass sie nach der Arbeit hier war. Natürlich lief er ihr direkt hinterher und bezog die Duschkabine neben der ihren. Frustriert stelle sie das Wasser an. Verfolgte er sie etwa? Und warum sah er so verboten gut aus? Moment! Sie hielt kurz inne. Was hatte sie da eben gedacht? Ja, okay, sein freier Oberkörper sah wirklich nicht schlecht aus. Die unzähligen Schweißperlen ließen seine gebräunte Haut glänzen und das merkwürdig anmutende Tattoo, welches sich über seine Brust und sein Schlüsselbein erstreckte, schrie geradezu danach, berührt zu werden. Nami spürte deutlich, wie ihre Wangen heiß wurden - und das lag nicht am Wasser, welches beinahe kochend auf sie einprasselte. Sie hatte doch einen Freund! Sie war glücklich! Seit mehr als... Oh Gott! Sie hatten bald Jahrestag! Und nicht irgendeinen, sondern ihren 10.! Wie die Zeit doch verflog... Und sie schwelgte hier in peinlichen Gedanken über einen anderen Mann... Wütend über sich selbst und diese gesamte Situation, rammte sie ihre geballte Faust gegen die Fliese. "Scheiße!", entwich es ihr. Natürlich tat das höllisch weh aber es lenkte sie immerhin ab. Zumindest kurz. "Ist alles in Ordnung?", drang die gedämpfte Stimme Trafalgars zu ihr herüber. Genervt verdrehte sie die Augen. Nein, es war nicht alles in Ordnung! Konnte dieser Kerl sie nicht einfach in Ruhe lassen? "Ja, alles okay.", brummte sie dennoch als Antwort. Von der anderen Seite kam nichts mehr und auch das Rauschen der Dusche verstummte. Wenn sie jetzt noch einige Minuten trödelte, könnte sie einem erneuten Aufeinandertreffen vielleicht entgehen. Vorausgesetzt, dieser überhebliche Kotzbrocken wartete nicht auf sie, um sich persönlich und mit eigenen Augen zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Uargs. Bitte nicht. Schnell schüttelte sie den Kopf. Soweit würde er niemals gehen. Also begann sie, ihren Bikini besonders gründlich auszuspülen, wusch sich Haare und Körper zweimal und genoss, wie das angenehm warme Wasser über ihre Haut perlte. Als sie dann endlich in ihr Handtuch gewickelt in die Umkleide schlüpfte, war von dem Stalker Trafalgar weit und breit keine Spur. Glück gehabt. Sichtlich besser gelaunt, sich den Nacken massierend, spazierte sie vom Klinikgelände. Weit hatte Nami es nicht - nur etwa 20 Minuten Fußweg - und so ging sie fast immer zu Fuß. Außerdem bekam sie so den Kopf frei. Nach den vergangenen 24 Stunden war das auch bitter nötig. So verrückt, wie diese gewesen sind... Dass Kuleha nun endgültig in den Ruhestand gehen würde, war nur der Gipfel vom Eisberg und machte ihr deutlich schwerer zu schaffen, als sie es je für möglich gehalten hätte. Erholsam war der Schlaf nicht, den sie bekommen hatte, also zog Nami grummelnd die Decke über ihren Kopf, nachdem sie ein störendes Klingeln aus eben jenem geweckt hatte. Gerade, als die junge Frau dachte, endlich wäre Ruhe eingekehrt, ging das Gebimmel von Neuem los. Dieses Mal lauter, schriller und näher. Mit einem genervten Laut riss sie sich die Decke vom Kopf und starrte wütend durch den Raum. Ihr Blick blieb an ihrem Handy kleben, welches vibrierend und klingelnd über den kleinen Nachttisch rumorte. "Wenn es nicht um Leben und Tod geht, dann..." begrüßte sie die Person am anderen Ende, ohne vorher nachgesehen zu haben, wer da störte. "Habe ich dich geweckt? Entschuldige..." Nami riss die Augen auf. Ruffy! Sie massierte sich die Schläfe. Auch das noch. "Tut mir Leid, Ruffy. Ja, hast du aber ist schon okay.", sagte sie schnell im wesentlich sanfteren Tonfall. Sein Grinsen konnte sie regelrecht sehen durch das Handy. "Dann ist ja gut." Allerdings verschwand es auch genauso schnell wieder. "Ich werde heute vermutlich, wenn überhaupt, erst sehr spät kommen." Entschuldigte er sich. "Ist es endlich soweit?", fragte sie aufgeregt. Natürlich war es schade, dass sie sich ausgerechnet heute nicht mehr sehen würden, aber... "Ja. Unsere Schimpansin hat Zwillinge bekommen! Leider ignoriert sie bisher eines der Jungen. Umso wichtiger ist es, dass ich heute hier bleibe." "Das versteht sich doch von selbst! Schickst du mir später ein Foto? Das Essen verschieben wir einfach." "Klar mach ich. Nami, ich muss Schluss machen, unser Doc kommt gerade.", damit legte er eilig auf. Mit einem traurigen Lächeln blickte Nami auf ihr Handy. So musste es wohl auch Ruffy immer gehen, wenn sie einen Notfall reinbekam und Überstunden schieben musste. Aber was sollten sie schon tun? Es ging ja wirklich um Leben oder Tod, wenn man es genau nahm. Mit dem kleinen Unterschied, dass es sich bei Ruffy um Tiere handelte. Sie zog ihre Knie an ihren Oberkörper und vergrub ihr Gesicht. Warum war ihr nur so elend zumute? Sie sollte sich eigentlich freuen! Stolz sein! Doch stattdessen empfand sie Wut, Einsamkeit und Resignation. Wann hatten sie noch gleich das letzte Mal etwas zusammen unternommen? Bis auf die gelegentlichen Abendessen, die sie noch zusammen hatten, blieb kaum Zeit füreinander. Oder gar für... Sie strich sich über ihren flachen Bauch und das Gespräch mit Trafalgar kam ihr wieder in den Kopf. Ob sie selbst Kinder habe, hatte er gefragt. Wie gerne hätte sie es bejaht. Sie wünschte sich so sehnsüchtig eine kleine Familie. Aber unter den momentanen Umständen war das nicht mehr als ein Traum. Und auch wenn Ruffy sich hingebungsvoll um die Tierbabies des Zoos kümmerte, beschlichen Nami Zweifel, ob er auch als Vater so sein würde. Sie konnte sich den aufgedrehten jungen Mann irgendwie nicht in dieser Rolle vorstellen. Und dieser Gedanke versetzte ihr einen schmerzhaften Stich. An Ruffy in der Vaterrolle zu zweifeln, war gleichbedeutend mit dem Zweifeln an ihrer Beziehung. Sie stand auf und trat zu einem Foto, welches eingerahmt auf einem kleinen Regal stand. Es zeigte sie und Ruffy vor etwa 3 Jahren. Damals hatte sie gerade ihre Facharztprüfung bestanden und war noch so voller Hoffnung. Seitdem hatten sie sich stetig weiterentwickelt aber... nur als Personen, nicht als Paar. Ihre Beziehung schien irgendwo unterwegs hängen geblieben zu sein. Waren ihre Zweifel also berechtigt? Erschöpft von ihren merkwürdigen Hirngespinsten, stieg sie in die Badewanne. Vielleicht schaffte ja ein wohltuendes Schaumbad, ihre Gedanken wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Doch kaum fingen ihre Muskeln an sich zu entspannen, glitten ihre Erinnerungen zu einem anderen leidigen Thema: Trafalgar! Wie er sie angesehen hatte heute Mittag... Hitze stieg in ihre Wangen auf. Wann hatte Ruffy sie zuletzt mit derart hungrigen Augen betrachtet? "Das darf doch nicht wahr sein! Was ist denn nur los mit mir?", schimpfte sie auf sich selbst und ließ platschend ihre Faust ins Wasser fallen. Erneut voller Wut im Bauch, verließ sie das Bad wieder, suchte sich in der Küche etwas zu essen und begann, ohne groß darüber nachzudenken, auch für Ruffy etwas zu kochen. Während sie so dem Fleisch beim Anbraten zusah, musste sie plötzlich lächeln. Schon seit der Highschool war es Gang und Gebe, dass sie gekocht hatte, nachdem Ruffy beinahe die ganze Küche in Brand gesteckt hätte. Es war zur Gewohnheit geworden. Anfangs war es nur ein Freundschaftsdienst, denn mehr waren sie damals nicht: nur Freunde. Aber je näher der Abschluss kam, umso mehr wurde ihr klar, wie sehr sie ihren besten Freund vermissen würde, sobald sich ihre Wege trennen würden. Und das wäre zweifelsohne geschehen, denn Ruffy hatte sich am anderen Ende der Welt für eine Ausbildung zum Tierpfleger beworben, weil es da besonders exotische Exemplare gab. Hatte sie damals aus rein egoistischen Gründen gehandelt? Waren ihre Gefühle nie mehr als bedingungslose Freundschaft gewesen? Schnell schüttelte sie den Kopf. Nein. Es gab auf jeden Fall diesen einen Moment, in dem sie wusste, dass sie sich in Ruffy verliebt hatte. Kurz vor Beginn der Sommerferien vor ihrem Abschlussjahr saßen die Beiden zusammen am Strand. Den Blick zum Meer gerichtet, hatte er sie gefragt, ob sie ihn vermissen würde, wenn er im darauffolgenden Jahr fortginge. Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: Natürlich würde sie das! Dann hatte er gefragt, ob sie auch mit ihm zusammen bis ans andere Ende der Welt gehen würde. Und da hatte ihr der Atem gestockt. Für den Bruchteil einer Sekunde hatten sich ihre Gedanken überschlagen, bis sie schließlich leise genickt hatte. In dem Moment hatten sich tausende Schmetterlinge in ihrem Bauch getummelt. Ruffy, der die Bewegung aus den Augenwinkeln wahrgenommen hatte, grinste sie nun offen an, nahm seinen Strohhut, setzte ihn Nami schief auf den Kopf, wobei er sie zeitgleich zu sich gezogen hatte. Nur Millimeter hatten sie voneinander getrennt. Dann würde er gerne mit ihr zusammen an irgendeinem Ende der Welt den Rest seines Lebens verbringen wollen, hatte er gesagt und sie dann geküsst. Allein der Gedanke daran lässt Nami völlig verklährt gucken. Sie würde ihre Beziehung nicht so einfach aufgeben! Sämtliche Störfaktoren würde sie ausblenden und ignorieren. Sie würde ihren neuen Chefarzt ignorieren, so wie sie es sich schon zuvor vorgenommen hatte. Immerhin war nächstes Wochenende doch ihr Jahrestag. Sie nahm sich fest vor, diesen Tag unvergesslich zu machen. Damit sie noch einmal von vorn beginnen konnten. Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- 4. Kapitel: Erschöpft aber dennoch gut gelaunt, begann Ruffy seine letzte Runde. Die Geburt der Affenzwillinge war nun genau eine Woche her und schlussendlich hatte sich eine andere Schimpansendame des verstoßenen Zwillings angenommen. Die Kleinen legten täglich an Gewicht zu und wurden immer munterer. Man konnte also von einem Erfolg auf ganzer Linie sprechen! Was man von der Beziehung des jungen Tierpflegers nicht behaupten konnte. Durch die Startschwierigkeiten mit dem Nachwuchs war Ruffy kaum zu hause gewesen und wenn doch, dann war Nami nicht da. Lediglich ein Fresspaket mit einem liebevoll geschriebenen Zettel hatte er vorgefunden. Wann hatten sie sich eigentlich überhaupt zuletzt gesehen? Aber er schüttelte den Gedanken schnell wieder ab. Es würde sich alles ändern! Heute Abend hatten er und Nami endlich einen gemeinsamen freien Abend und morgen war immerhin ihr Jahrestag! Er hatte sich fest vorgenommen, dass sich ab nun alles zum Besseren wenden sollte. Vor ein paar Monaten hatte Ruffy nämlich einen Antrag auf den Posten der Bereichsleitung des Affenhauses gestellt. Somit wäre er kein einfacher Pfleger mehr, aber immerhin noch bei den Tieren. Das Beste daran war aber: geregeltere Arbeitszeiten. Notfälle konnte er per Telefon klären und musste nicht mehr persönlich vor Ort sein. Auch wenn ihm diese Entscheidung nicht ganz leicht gefallen ist, denn immerhin liebt er ALLE Tiere, für seine Freundin war er bereit, sich beruflich zu verändern. Und heute hatte er dann auch endlich die Zusage bekommen. Es war nun kurz vor 20 Uhr und der Zoo würde bald schließen. Die letzten Besucher wurden jetzt darauf aufmerksam gemacht durch Lautsprecherdurchsagen und die Pfleger. Eine weitere Aufgabe, der er nicht mehr nachgehen musste ab dem kommenden Monat. Gelassen schlenderte er durch das riesige Areal, bat die restlichen Besucher nach draußen und war in Gedanken bereits bei dem leckeren Essen, dass seine Nami ihm zaubern wollte. Auch im Reptilienhaus schaute er vorbei und entdeckte eine schwarzhaarige Frau vor dem Terrarium der Boa. "Entschuldigen Sie, junge Frau...", forderte der Tierpfleger nach der Aufmerksamkeit der Besucherin. Leicht neigte sie ihren Kopf in seine Richtung. "... wir schließen gleich. Würden Sie sich bitte zum Ausgang begeben.", fuhr er gewohnt freundlich fort. Die Frau hob ihre Hand leicht vor ihr Gesicht, legte eine unschuldig-schüchterne Miene auf und sah Ruffy aus großen blauen Augen an. "Schon so spät? Aber ich möchte doch noch so gerne hierbleiben. Können Sie keine Ausnahme machen?" Sie schenkte ihm ein süßes Lächeln. Verständnislos legte Ruffy den Kopf schief. "Nein." "Wieso nicht? Bitte. Ich bin so gerne hier.", versuchte sie es weiter. "Wir schließen gleich und die Leute wollen in ihren wohlverdienten Feierabend und zu ihren Familien! Es werden keine Ausnahmen gemacht. Wenn Sie so gerne hier sind, können Sie morgen wiederkommen.", gab er unbeeindruckt zurück. "Aber dann muss ich wieder Eintritt bezahlen.", jammerte sie wie ein kleines Kind. "Dann holen Sie sich eine Jahreskarte.", entgegnete er ungerührt. Die Frau traf Ruffys Kaltherzigkeit wie ein Schlag. Nie zuvor hatte ein Mann ihr eine Bitte abgeschlagen! Sie war so wunderschön, dass man ihr jeden Wunsch sofort erfüllte. Einfach so. Weil sie schön war. Aber ER! Er setzte sie regelrecht vor die Tür! Wurde dabei sogar noch frech! Das ertrug sie einfach nicht. Theatralisch legte sie ihren Handrücken an ihre Stirn, legte ihre zweite Hand auf ihre Brust und warf den Kopf in den Nacken. "Das ertrage ich einfach nicht!", wimmerte sie und sackte im nächsten Moment zusammen. Mit schnellen Schritten war Ruffy bei ihr und fing sie auf. Er verstand zwar nicht so recht, was sie meinte, aber allem Anschein nach war sie zu lange im Reptilienhaus gewesen und vertrug das tropische Klima nicht so gut. Immerhin schien sie gerade einen Kreislaufzusammenbruch gehabt zu haben. Er erinnerte sich daran, was er von Nami gelernt hatte: Bei einem Kollaps war es wichtig, dass die betroffene Person genug Luft bekam und sich am besten einen Moment hinlegte. Der Schwarzhaarige trug die junge Frau also nach draußen und legte sie auf eine Bank. Dabei bettete er ihren Kopf in seinem Schoß und fächelte ihr etwas Luft zu. Es war immerhin Ende Juli und verdammt warm draußen. Mühsam öffnete sie nach wenigen Minuten wieder ihre Augen und blickte direkt in das strahlende Grinsen des Mannes, der sie eben noch in die Ohnmacht getrieben hatte. "Na, wieder wach? Sie sollten etwas trinken. Im Reptilienhaus herrscht eine trockene Hitze, die bei Ihnen sicher zur Dehydrierung geführt hat." Immernoch breit grinsend, hielt er ihr seine Wasserflasche hin. Was bildete dieser Affe sich überhaupt ein? Sie war ganz sicher NICHT dehydriert! Dennoch griff sie nach der Flasche, richtete sich auf und trank einige Schlucke. Ruffy beobachtete die fremde Frau grinsend. Er war froh, dass es ihr besser ging. "Ich bringe Sie jetzt zum Ausgang. Sicher ist sicher. Nicht, dass Sie mir am Ende noch einmal umkippen." Am Liebsten hätte sie laut protestiert aber irgendetwas hatte dieser Mann an sich, dass sie es einfach nicht konnte. Und so folgte sie ihm gehorsam. Am Ausgang angekommen, verabschiedete der Schwarzhaarige sich fröhlich. "Also dann, bis morgen. Kommen Sie gut nach Hause." Er winkte ihr noch zu und sie erwiderte die Geste ganz automatisch. "Bis morgen...", wisperte sie noch, als er längst wieder verschwunden war. "Lass es dir schmecken, Ruffy." "Wow, super, das riecht köstlich, Nami!" Ruffy strahlte seine Freundin an, bevor er sich über das leckere Essen hermachte. Zufrieden beobachtete die Orangehaarige ihn dabei. Nach all dem Ärger der letzten Woche, den sie mit ihrem zukünftigen Chefarzt hatte, tat es mehr als gut, Ruffys unbekümmerte Miene zu sehen. Ein bisschen beneidete sie ihren Freund um seinen unerschütterlichen Optimismus. "Wie war eigentlich deine Woche, Nami?", fragte er, nachdem er runtergeschluckt hatte. Die junge Ärztin hatte es tatsächlich geschafft, ihm auszutreiben, mit vollem Mund zu sprechen. "Frag nicht..." Sofort war ihr zufriedenes Lächeln wieder verschwunden. "Wir bekommen einen neuen Chefarzt. Er schleicht bereits durch die Flure der Stationen und stört unseren Frieden! Mr Ich-bin-oberschlau Eisklotz hat nichts Besseres zu tun, als allen auf die Finger zu schauen und neunmalkluge Ratschläge zu verteilen. Der Typ geht mir schon jetzt tierisch auf die Nerven.", schimpfte sie. "Und welchen Rat hat er dir gegeben?" Namis Augenbraue zuckte gefährlich. DAS hatte ihr Freund gerade nicht wirklich gefragt!? "Er hat nicht das Geringste an meiner Arbeit auszusetzen! Dafür verfolgt er mich seitdem und versucht mich dazu zu bewegen, die chirurgische Karriereleiter hochzuklettern." "Dacht ich mir. Hätte mich auch schwer gewundert, wenn er etwas an dir auszusetzen gehabt hätte.", grinste Ruffy wieder. "Und?" "Was 'und'?", entgegnete sie verwirrt. "Willst du die Leiter hoch?" "NEIN!" Wütend stand sie auf. "Warum nicht?", hinterfragte er weiter, ihren Gemütszustand ignorierend. "Weil ich meine Arbeit mag, so wie sie ist." "Das ist doch toll. Hast du ihm doch hoffentlich auch so gesagt, oder?" "In aller Deutlichkeit!" Langsam setzte sie sich wieder hin. "Außerdem...", begann sie erneut. "... müsste ich dann noch mehr arbeiten. Von den Weiterbildungen einmal abgesehen. Ich wäre noch seltener zu hause." Und das wollte sie noch viel weniger. Ihre Beziehung war ohnehin bereits gefährdet genug. Würde sie noch mehr arbeiten, wäre das das sichere Aus für sie und Ruffy. Der Schwarzhaarige griff über den Tisch zu Namis Hand und sah sie eindringlich an: "Du musst glücklich sein, in dem, was du tust. Alles andere ergibt sich. Wir bekommen das schon hin." Sie erwiderte die liebevolle Berührung und schenkte ihm ein Lächeln. "Übrigens konnte ich heute etwas anwenden, was du mir beigebracht hast.", strahlte er nun wieder. Und vorbei war der romantische Moment... Typisch Ruffy eben. Aber so hatte Nami ihn kennen und lieben gelernt. Er war eben kein Romantiker, damit hatte sie sich abgefunden. Auch wenn es in Momenten wie diesem durchaus schade war. Also akzeptierte sie den Stimmungswechsel und grinste ihn ebenfalls an. Ihre Hände blieben jedoch liebevoll verbunden. "Ach was, sag bloß! Erzähl, was ist passiert?", forderte sie ihren Freund auf und sofort begann er wild gestikulierend von der fremden Frau im Reptilienhaus zu erzählen, die plötzlich ohnmächtig wurde und wie er Erste Hilfe geleistet hatte. Nami lachte herzhaft bei seiner Erzählung und war auch ein bisschen stolz auf ihn. Immerhin war er ja sonst doch eher lernresistent aber ein bisschen was schien dann doch hängen geblieben zu sein. Das Einzige, was er intuitiv richtig zu machen schien, war der Umgang mit Tieren, weshalb er sich auch für den Beruf des Tierpflegers bewusst entschieden hatte. Und Nami lauschte ihm gern, wenn er von den verschiedenen Tieren im Zoo berichtete. Doch die ausgelassen-fröhliche Stimmung fand ein jähes Ende als Namis Notfallpieper plötzlich losging. Sofort sprang die junge Ärztin auf und blickte auf das kleine schwarze Ding. "Verdammt... das darf doch nicht wahr sein!" "Schmeiß das Teil doch einfach aus dem Fenster! Du bist doch gerade erst von dort gekommen!", protestierte Ruffy. "Das geht nicht." "Warum nicht? Wenn du jetzt gehst, kommst du vor morgen Mittag nicht wieder, legst dich dann erschöpft schlafen und ich bekomme dich wieder vorm Abend nicht zu Gesicht!", maulte er weiter. "Ruffy, es ist ein Notfall! Es geht um Menschenleben. Bei dieser Art Notfall werden alle Ärzte angepiept. Ich muss los.", drängelte sie. "Und was ist mit deinem Leben?" "Ruffy, ich habe einen Eid geschworen! Ich kann das nicht ignorieren." Er kam zu ihr, nahm sie liebevoll in die Arme. "Ich hab Montag frei bekommen.", wisperte er. Traurig senkte sie die Lider. "Ich muss am Montag die Schicht einer Kollegin übernehmen, die krank geworden ist.", antwortete sie kaum hörbar. Täuschte sie sich oder verlor die Umarmung gerade an Wärme? "Vielleicht solltest du dir ein paar Sachen mitnehmen und gleich dort bleiben." Eindeutig. Ruffys Stimme war extrem distanziert. Dennoch nickte sie, löste sich aus der Umarmung und ging ins Schlafzimmer. Schnell suchte sie sich Wechselsachen zusammen und rauschte dann aus der Wohnung. "Bis Dienstag." Eigentlich wollte sie ihm noch einen Kuss geben, doch er wich ihr aus. Na toll! Das hatte ihr gerade noch gefehlt... Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- 5. Kapitel: Im Laufschritt überquerte sie die Straße und eilte den Weg zum Krankenhaus entlang. Nach der Hälfte des Weges musste sie kurz an einem Zebrastreifen warten, da keines der Autos es für nötig hielt, anzuhalten. Genervt schickte sie den ignoranten Fahrern tausend Verwünschungen hinterher. "Dr Tamino?", rief ihr eine Stimme zu. Überrascht sah sie sich um und entdeckte einen schwarzen VW, der am Zebrastreifen hielt. Die Scheibe der Fahrerseite war heruntergelassen und ein verdutztes graues Augenpaar sah sie an. Von allen Kollegen, die sie hatte, warum musste es ausgerechnet ER sein?! "Dr Trafalgar..." "Kommen Sie, steigen Sie ein. Ich nehme Sie das letzte Stück mit." Mit einem mulmigen Gefühl folgte sie dem Angebot - nicht nur wegen der vielen hupenden Autos. Ihre Lungen brannten und dabei hatte sie gerade erst die Hälfte des Weges hinter sich gebracht. Also ließ sie sich auf den Beifahrersitz fallen und atmete tief durch. Aus den Augenwinkeln sah sie sehr wohl, dass ihr zukünftiger Chefarzt sie kurz eingehend gemustert hatte. Sie war einfach losgestürmt, ohne sich umzuziehen und hatte lediglich eine Jogginghose und ein T-Shirt an, welches ihr viel zu weit war. Nami riskierte einen Blick zu dem Schwarzhaarigen und schmunzelte. Er sah selbst nicht viel besser aus. "Frisch aus dem Bett gefallen?", konnte sie sich ihren Kommentar nicht verkneifen. Seine Augen verengten sich kurz. "Eigentlich wollte ich mich gerade dorthin begeben...", grummelte er. "So früh schon?" "Nennen wir es 'Flucht vor der Freundin'..." Er war also vergeben? "Muss ja eine reizende Freundin sein." Seine Mundwinkel zuckten kurz. "Ein Besen von einem Drachen. Und es wird schlimmer... Lange wird das nicht mehr gut gehen. Sie hält mir ohnehin ständig vor, dass ich zu wenig Zeit für sie hätte. Als eben der Pieper ging, fing sie an, eine riesen Szene zu machen." Ein bitteres Lächeln trat auf Namis Lippen. Das kam ihr sehr bekannt vor. "Bei mir ist es fast genauso..." "Scheint, als hätten wir beide kein Händchen für Beziehungen." Ihre Blicke trafen sich kurz und die Orangehaarige meinte, neben dem angedeuteten Lächeln, auch so etwas wie Mitleid gesehen zu haben. Vielleicht war er doch kein so großer Eisklotz... Kaum fuhren sie auf das Klinikgelände, konnten sie bereits die Sirenen der ersten Krankenwagen vernehmen. "Beeilen wir uns besser." "Ja." Im Eilschritttempo huschten sie ins Gebäude, in die Umkleiden und anschließend in die Notaufnahme. Zeitgleich mit den ersten Patienten kamen sie dort an. Der junge Chefarzt schloss zu einer Schwester auf. "Wissen wir schon, was passiert ist?" "Massenkarambolage. Ein LKW ist in einen Schulbus gekracht, hat diesen auf die Gegenfahrbahn geschoben und..." "Ein Schulbus? Heute? Um die Uhrzeit?", mischte Nami sich ein. "Sie waren von einem mehrtägigen Ausflug zurückgekommen." "Wie alt?" Ihre Gedanken überschlugen sich. "Alle zwischen 12 - 14 Jahre." "Sind die OPs frei?", kam es zeitgleich von der Kinderärztin und dem Chefarzt. "J-ja. Das hat Dr Kuleha bereits veranlasst." Überrascht riss Nami die Augen auf. "Sie ist hier?" Sie hatte ihre Mentorin seit der Führung vor einer Woche nicht mehr zu Gesicht bekommen. "Sie wollte schon vor in den OP." "Weiß man schon wieviele Verletzte es gegeben hat?", übernahm Dr Trafalgar nun wieder das Ruder. "Etwa 30 Personen. Vielleicht mehr. Die Bergungsarbeiten sind noch nicht abgeschlossen. Davon mehr als die Hälfte Kinder." "Dr Tamino, trommeln Sie Ihr Team zusammen. Die Schwere der Verletzungen ermitteln und beurteilen. Und dann entscheiden Sie, ob die Kinder operiert werden müssen, und falls ja, ob sofort. Schwester, sorgen Sie dafür, dass die Radiologie freigehalten wird. Die Unfallopfer haben absolute Priorität. Ich kümmere mich vorerst um die Ersteinschätzung der Erwachsenen. Wo sind die anderen Ärzte? Machen die Kaffeepause oder was?!" Nami wartete nicht ab, ob er noch weiter schimpfte. Sie hatte ihre Anweisungen bekommen. Über den Pieper kontaktierte sie ihr OP-Team und rief danach auf der Kinderstation an, damit ihr eine der diensthabenden Schwestern zur Hand gehen konnte. Die Rettungssanitäter schoben das erste Kind in die Notaufnahme. Schnell ratterte der Notarzt die wichtigsten Details herunter: "Mädchen, 12 Jahre, stumpfes Trauma am Kopf, diverse Brüche, ausgekugelte Schulter. Kein Hinweis auf innere Blutungen." "Ich will ein CT vom Kopf und Thorax, bringt sie gleich rüber in die Radiologie." Nur weil der Notarzt der Meinung war, es gäbe keine inneren Blutungen, hieß das noch lange nicht, dass es keine gab. Nami hatte einen kurzen Blick auf das Mädchen geworfen. Nachdem, was sie gesehen hatte, würde sie nicht - oder zumindest nicht sofort - operiert werden müssen. Je nachdem wie kompliziert die Brüche waren. Das CT bestätigte ihre Annahme und ließ sie aufatmen. Die Brüche waren sauber und mussten nur stabilisiert werden, aber eine Drainage würde sie legen müssen, denn die Lunge war einseitig eingefallen. "Ah, Kaya, gut, dass du endlich da bist.", begrüßte sie ihre blonde Kollegin, die sich soeben abgehetzt neben sie gestellt hatte. "Die Kleine hier hat eine ausgekugelte Schulter, Brüche an Elle, Speiche und eine Sprunggelenksfraktur linksseitig, außerdem braucht sie eine Thoraxdrainage. Danach zur Überwachung auf unsere Station und sie darf vorerst nicht alleine aufstehen!" "Alles klar." Kaya holte noch einmal tief Luft. Ihr Anfahrtsweg war deutlich länger gewesen, als der von Nami, und so hatte sie sich doppelt beeilt beim Umziehen, war dann den Weg zur Notaufnahme gerannt und musste erst wieder zu Atem kommen. Sie lächelte ihre Oberärztin an, nickte entschlossen und ging dann zu dem Mädchen, welches von Emily gerade einen Schmerztropf bekommen hatte. Somit hatte die Blonde direkt eine fähige Schwester an der Hand. Der nächste Junge hatte weniger Glück. Er war zum Zeitpunkt des Unglücks durch den Bus gelaufen und war einmal quer durch diesen geflogen. Innere Verletzungen, Blutungen, diverse Schnittwunden und komplizierte Brüche waren die Folge. Nach einer kurzen Fahrt durch's CT ging es für ihn direkt in den OP und Kaya übernahm Namis Platz in der Notaufnahme, nachdem sie das Mädchen versorgt hatte. Der Eingriff war langwierig aber nicht so dramatisch, wie die junge Ärztin anfangs befürchtet hatte. Er würde durchkommen. Nami ließ den Jungen vom diensthabenden Kinderarzt abholen und bereitete sich gleich auf die nächste OP vor. Kaya würde ihr gleich ein weiteres Kind bringen. Die ganze Nacht operierten sie, fixierten Brüche, renkten Knochen wieder ein und versorgten diverse Wunden. Völlig erschöpft ließ Nami sich auf einen Stuhl sinken. Sie wollte sich nur kurz ausruhen und dann auf ihrer Station nach dem Rechten sehen. Doch dann flog die Tür zum Aufenthaltsraum auf, in dem sie saß und eine junge Anästhesieschwester stolperte herein. "Dr Tamino! Gut, dass Sie noch hier sind. Dr Trafalgar will Sie umgehend im OP haben." "Im OP? Aber ich dachte, es seien alle Kinder versorgt..." "Er will Sie in SEINEM OP haben. JETZT!", drängelte die Schwester. Verdutzt eilte Nami ihr nach. Wollte er sie schon wieder ärgern? Er konnte doch unmöglich ihre Hilfe brauchen... "Sie haben mich rufen lassen, Dr Trafalgar?", begann sie zögerlich. Angesprochener sah kurz auf. "Ja. Sind Sie steril? Ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen." Zweimal blinzelte sie, dann schob sie alle aufkommenden Gedanken und Fragen beiseite. "Sekunde." Sie ließ sich Handschuhe und Kittel geben. Mundtuch und OP-Haube hatte sie sich bereits im Vorbereitungsraum umgebunden. Nami kam zu dem jungen Chefarzt an den Tisch. "Also, wie kann ich helfen?" Er deutete auf den Kopf des Patienten. Die junge Frau kam näher und sah kritisch auf das Haupt. "Ich bin Kinderärztin und keine Neurochirurgin." "Aber Ihre Hände sind mindestens genauso ruhig. Wer in so kleinen Körpern derart geschickt operieren kann, kann das auch im Gehirn eines Erwachsenen. Viel Platzunterschied ist das nicht." War das sein Ernst? Der Typ war komplett übergeschnappt! Ein menschliches Gehirn war etwas völlig anderes! Zweifelnd blickte sie ihn an. Ein resignierendes Seufzen kam von ihm. "Ich weiß nicht, wen ich sonst rufen soll. Der Neurologe ist derzeit verhindert. Sie waren meine letzte Hoffnung. Das Metallstück, welches aus seinem Kopf ragt, hat eines der versorgenden Blutgefäße durchtrennt. Es muss raus, das Gefäß repariert und das bereits ausgetretene Blut abgesaugt werden. Aber das ist alleine völlig unmöglich. Und je länger wir hier warten, umso höher ist die Gefahr irreversibler Schäden..." "Jaja, schon klar... Ok, was soll ich machen?" "Danke." Völlig überrascht sah sie ihn an. "Ich entferne jetzt das Metall. Sie müssen sofort die Naht setzen." Schnell und präzise. Und das auf engstem Raum. Noch dazu mit diesem Eisklotz in unmittelbarer Nähe. Fortuna hasste sie doch! "Ich habe selten so geschickte Finger gesehen. Sie wären eine klasse Neurologin geworden.", lobte Trafalgar sie, nachdem sie die Operation erfolgreich beendet hatten. "Hören Sie schon auf! Das wird mir langsam echt unangenehm, wenn Sie mich so oft loben." "Ich sage nur die Wahrheit. Aber gut. Darf ich Sie dann etwas anderes fragen?" "Was denn?" Er lehnte neben ihr am Waschbecken im Vorbereitungsraum. Mittlerweile schien sie sich an seine Nähe gewöhnt zu haben. "Was soll das darstellen auf ihrer OP-Haube?" Die junge Frau lachte kurz auf. Wie auch immer er jetzt auf diese Frage kam... "Eine Schatzkarte." Er legte den Kopf schief. "Komisches Motiv." "Sagt der, auf dessen OP-Haube sich mehr Skalpelle tummeln, als wir in einer Woche verbrauchen.", konterte sie. Nun war er es, der verlegen lachte. "Eigentlich nehme ich diese hier nur sehr selten aber die anderen müssen gewachsen werden." "Was sind die anderen Motive?", wurde sie langsam neugierig. "Aber nicht lachen!" "Ich versuch's.", grinste sie ihn an. "Meine Lieblingshaube hat Eisbären drauf. Und die andere ist weiß mit schwarzen Punkten." "Wie ein Schneeleopard?", fragte sie leicht verblüfft. Er nickte nur. "Bei mir sind es Orangen.", gestand sie. "Passt irgendwie." Ein dankbares Lächeln umspielte ihre Lippen und auch sie musste zugeben, dass das Motiv des Schneeleoparden zu dem jungen Chefarzt passte: Kühl, anmutig, stark, ausdauernd. Und schön. Schnell schob sie den letzten Gedanken wieder weg. Nein, sie fand ihn NICHT attraktiv! Inzwischen hatten die beiden sich in den Aufenthaltsraum im ersten Stock begeben, nachdem Nami sich davon überzeugt hatte, dass es allen Kindern den Umständen entsprechend gut ging und Bedarfsmedikamente aufgeschrieben hatte. So sollten alle den Rest der Nacht gut überstehen. Völlig ausgelaugt ließen sie sich auf die bequeme Couch fallen und augenblicklich übermannte Nami die Erschöpfung. Am liebsten wäre sie sofort eingeschlafen. Die Anwesenheit Trafalgars hätte daran auch nichts geändert. Doch die dringend benötigte Ruhe sollte ihr vergönnt bleiben, denn ihre Mentorin stand plötzlich in der Tür. "Hallo Küken." Breit grinsend kam Kuleha auf Nami zu und warf dabei Trafalgar einen kurzen Blick zu, woraufhin dieser sich direkt wieder erhob und Richtung Ausgang schlenderte. "Ich hol mir einen Kaffee. Möchten die Damen auch etwas zu trinken?" "Ja gerne, Kaffee klingt super.", kam es von der Kinderärztin, während Kuleha lediglich den Kopf schüttelte. Damit verließ er den Raum und ließ die beiden allein. "Du scheinst den Eisklotz ja recht gut im Griff zu haben.", begann die Ältere. "Gar nicht wahr! Ich bin mir nicht einmal sicher, ob wir miteinander klar kommen werden. Hast du überhaupt eine Ahnung, was du mir damit angetan hast? Warum hörst du einfach auf?" "Mein Mindesthaltbarkeitsdatum ist längst überschritten, Mädchen. Ich steh zwar auf große Auftritte aber auf spektakuläre Abgänge kann ich gut und gerne verzichten. Mach nicht so einen Wirbel um eine alte Frau, wie mich." Was waren denn das für Töne? So hatte Nami die Chefärztin noch nie reden hören. "Kuleha. Wieso er?" "Weil er der fähigste Chirurg ist, der mir seit Langem untergekommen ist. Du kannst sicher noch einiges von ihm lernen." Nami nickte kurz. Sie hatte ihn operieren sehen und konnte dem nur zustimmen."Warum jetzt?" "Das sagte ich bereits." "Nein. Ich will die Wahrheit! Du sagtest immer, nur der Tod könne dich davon abhalten, weiter als Ärztin tätig zu sein!" Mit traurigem Lächeln sah die Alte auf ihre Flasche Pflaumensaft in ihrer Hand. Und plötzlich verstand Nami. "Das glaub ich nicht! Wann... wieso... wie hast du davon erfahren?" "Ein Zufallsbefund. Danach war ich bei vielen Ärzten aber nur Trafalgar hatte den Mut, mir zu sagen, dass der Krebs inoperabel ist. Er erläuterte verschiedenste Methoden, wie man ihn operativ verkleinern könnte aber man bekäme ihn nicht ganz weg. Einmal durfte er schneiden und hat mir damit etwas mehr Zeit verschafft. Ich hatte es gleich im Gefühl, dass er gut ist aber das Ergebnis hatte selbst mich überrascht. Er konnte mehr als 80% des Geschwürs entfernen. Versprochen hatte er mir nur 50%. Und da wusste ich, dass ich ihn zu meinem Nachfolger machen würde. Ich habe lange auf ihn eingeredet aber er war einfach nicht bereit, seine Praxis aufzugeben und seine Mitarbeiter zu entlassen. Er hat ein gutes Herz, weißt du. Also habe ich mit Eisberg gesprochen und ihm einen Deal aus dem Kreuz geleiert. Wenn Trafalgar die Stelle als Chefarzt annimmt, darf er sein Team aus der Praxis mit hierher bringen. Naja, und so sind die beiden Knallerbsen Shachi und Penguin auf der Chirurgie gelandet." Nami kicherte leise. Sie hatte bereits von den beiden gehört. Shachi, ein junger Mann mit orangebraunem Haar und unerschütterlich guter Laune, stellte nur allzu gern dem weiblichen Pflegepersonal nach. Da die ihn aber durchweg alle irgendwie putzig fanden, beschwerte sich niemand über den hyperaktiven Gummiball. Penguin war da das genaue Gegenteil seines Kollegen. Ruhig, introvertiert, gelassen, mit einem scharfen analytischen Verstand. Wenn es nicht unbedingt sein musste, sprach er kein Wort. Was ihn jedoch nicht minder beliebt machte. "Ehrlich, eigentlich bin ich ganz froh, dass ich jetzt kündigen muss. So bleiben mir die beiden Chaoten erspart." "Kuleha..." "Keine Sorge, Küken. Kurz bevor ich abtrete, schicke ich dir eine Postkarte einer traumhaften Insel, auf die ich mich absetzen werde. Irgendwohin, wo das ganze Jahr über die Kirschblüten blühen..." Wehmütig richtete sie den Blick an die Decke. Nami wusste, dass sie immer an ihren längst verschiedenen Mann dachte, wenn sie von den Kirschblüten anfing. Dann verschwand dieser Ausdruck wieder aus dem Gesicht der Älteren und breit grinste sie ihre Schülerin an. "Ich war immer stolz auf dich, Nami. Und ich werde es immer sein. Ich weiß, du wirst mir keine Schande bereiten." Damit prostete sie der Jüngeren zu, trank einen großen Schluck ihres Pflaumensaftes und verschwand dann wieder. Als Trafalgar zurück in den Aufenthaltsraum kam, saß Nami zusammengekauert auf der Couch. Unschlüssig blieb er in der Tür stehen. "Kommen Sie rein und machen Sie die Tür zu, Dr Trafalgar.", kam es leise von der Kinderärztin. Ohne es zu hinterfragen, tat er, wie verlangt und stellte dann den Kaffee auf den Tisch vor der Couch ab. Er selbst setzte sich auf den danebenstehenden Sessel. Ihm war sofort klar, dass Kuleha ihre Schülerin mit der grausamen Wahrheit konfrontiert haben musste. Namis Körperhaltung sprach Bände. "Sie sehen mitgenommen aus, Dr Tamino." Es war eine reine Feststellung, keine Frage. Seine Worte waren leise aber deutlich und über die Lippen der jungen Frau huschte ein spöttisches Grinsen. "Wundert Sie das wirklich, Dr Trafalgar?" Sie sah ihn kurz abschätzend an. "Nein. Tut es natürlich nicht, denn Sie wissen es ja bereits. Sie wussten es schon, als wir uns vor einer Woche zum ersten Mal auf der Kinderstation begegnet sind. Hatten Sie sich nur deswegen mit mir unterhalten? Um herauszufinden, wie viel ich über die Krankheit von Dr Kuleha weiß?" Langsam schüttelte er den Kopf. "Sie missverstehen da etwas. Ich war nicht an Ihrem Wissen über Ihre Mentorin interessiert, denn sie hatte mich bereits davon in Kenntnis gesetzt, dass niemand darüber Bescheid wüsste. Ich wollte lediglich den Menschen kennen lernen, für den sie diese Show abgezogen hat." Fragend hob sie eine Augenbraue. "Welche Show?" Trafalgar überschlug die Beine und faltete die Hände. "Sie sind ja tatsächlich so ahnungslos, wie die Alte Sie beschrieben hat. Ihnen ist bewusst, dass alles, was ich Ihnen sagen könnte, unter die ärztliche Schweigepflicht fällt." Genervt wandte die junge Frau den Kopf ab. "Dann lassen Sie es und gehen jetzt bitte!" Sie wollte ja gar nicht Kulehas Krankengeschichte wissen, sie wollte eigentlich nur... ja, was denn? Kurz dachte sie darüber nach, warum sie überhaupt zugelassen hatte, dass er sich zu ihr gesellt hatte. Hatte sie gehofft, er könnte ihr Trost spenden? Oder sich einfach mit ihr über die alte Schachtel unterhalten? Vielleicht wollte sie auch einfach nur nicht allein sein in diesem Moment. Eine ganze Weile blieb es still im Raum. Trafalgar hatte nicht auf Namis Bitte reagiert und sie hatte nichts mehr dazu gesagt. Aber den Kopf zwischen ihren Knien begraben hatte sie derweil, während ihre Finger sich in ihrem Oberarm und Hinterkopf verkrallt hatten. Ob sie weinte? Mit einem leisen, resignierenden Seufzen erhob er sich aus dem Sessel und blickte auf die junge Kinderärztin herab. "Es ist Ihnen vielleicht nicht bewusst, aber Kuleha wollte mich nur als Vorwand nutzen, um Sie aus der Reserve zu locken. Der Chefarztposten hätte im Grunde Ihnen gehören sollen." Nami zuckte zusammen und blickte langsam auf. Große, rehbraune Augen sahen ihn verständnislos an. "Die alte Hexe wollte immer nur Sie haben, niemand sonst. Nach ihrem Eingriff eröffnete sie mir ohne Umschweife, dass sie mich gerne als Motivator missbrauchen würde. Ich sollte nur so tun, als wäre ich scharf auf den Chefarztposten, um ihre hochbegabte Schülerin aus ihrer Komfortzone zu treiben. Aber ich lehnte ab. Jemand, der alles hat, um die Karriereleiter bis ganz nach oben zu klettern, und es trotzdem nicht schafft, hat es meiner Ansicht nach auch nicht verdient dort oben zu sitzen. Das war vor 2 Jahren." Er machte eine kurze Pause, um Namis Reaktionen genau zu studieren, doch ihr Ausdruck schien wie eingefroren. Stumm starrte sie vor sich hin. Sie hörte jedes Wort aber begreifen konnte sie es einfach nicht. "Vor einigen Monaten dann trat sie wieder an mich heran, dieses Mal mit der Bitte, ihre Position als Chefärztin der Chirurgie zu übernehmen. So langsam lief ihr nämlich die Zeit davon und die Schülerin, in die sie ihre Hoffnungen gesetzt hatte, zeigte keinerlei Interesse an eben jenem Posten. Kuleha unterbreitete mir ein Angebot, welches ich im Endeffekt dann tatsächlich angenommen hatte. Nicht wegen des Geldes oder der Position, sondern eher wegen den Herausforderungen. In meiner alten Praxis begann ich bereits, mich zu langweilen und ein derart renomiertes Krankenhaus versprach Abwechslung. Und dann traf ich auf Sie..." Er blickte Nami unverwandt an und endlich schien sie wieder zu reagieren. Ihre Augen verengten sich und fixierten die des Schwarzhaarigen. "Kuleha hatte nie irgendwelche Namen genannt aber mir war sofort klar, vor wem ich da stand. Nachdem ich Sie im OP und bei Ihrer Arbeit beobachtete hatte, konnte ich die Gedankengänge der alten Hexe durchaus nachvollziehen und wollte selbst herausfinden, was eine derart begabte junge Frau davon abhielt, bis ganz nach oben zu kommen." "Ihre Antwort haben Sie ja bekommen.", entgegnete Nami nüchtern. Er schmunzelte kurz, dann setzte er sich direkt neben die Orangehaarige, den Blick nie von ihr abwendend. "Ja, die habe ich bekommen. Und während sich meine Jungs oben auf der Chirurgie benehmen, wie Kleinkinder und sich von den Schwestern den Hintern vergolden lassen, habe ich das Gefühl, dass man mir den schwarzen Peter zugeschoben hat. In der ganzen Geschichte bin ich der Böse..." Ein bitteres Lächeln huschte über Namis Lippen. Ganz Unrecht hatte er damit nicht - er passte perfekt ins Feindbild. Aber endlich begriff sie. Kulehas ständige Herausforderungen, die die junge Ärztin immer wieder auf's Neue über ihre Grenzen hinaus gehen ließen. Die ständigen Sticheleien, dass sie sich angeblich nur deswegen auf Kindermedizin spezialisiert hätte, weil sie der 'großen Chirurgie' nicht gewachsen wäre. Und auch Trafalgars Interesse an ihr und ihrer Karriere. "Die alte Schachtel... hat das Alles nur für mich getan." Sie ließ ihre Stirn wieder auf ihre Knie fallen. Ihre Augen wurden glasig. "Dabei hat mich dieser Posten nie interessiert. Ich bin glücklich auf der Kinderstation." "Dennoch hat Kuleha die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Sie glaubt fest daran, dass Ihr Ehrgeiz durch meine Anwesenheit angefacht wird." Nami schüttelte verständnislos den Kopf "Ich weiß. Als wir uns vergangene Woche unterhalten hatten, ist mir klar geworden, dass Kulehas Plan nie funktioniert hätte. Nie funktionieren wird." "Na wenigstens einer, der es begreift. Warum hat sie nur nie was gesagt? Dann hätte ich ihr deutlich gemacht, dass ich den Chefarztposten nicht begehre. Weder damals noch heute" "Obwohl du die Leute hier ziemlich gut im Griff hast.", eröffnete er breit grinsend. Etwas überrascht hob die junge Frau ihren Kopf und sah ihn sprachlos an. Nicht nur, dass sie zum ersten Mal sah, wie er ehrlich grinste, er hatte sie auch einfach so wieder geduzt. Ob ihm das einfach so herausgerutscht war? Bisher hatte er doch auch die Etikette gewahrt. Sein Grinsen wurde zu einem warmen Lächeln, als er sie ansah. "Was hältst du von einem Abkommen? Hier, in diesem Moment, in diesem Raum, sind wir nur zwei normale Menschen. Nur Nami und Law. Keine Ärzte. Was hier geredet wird, bleibt hier. Und sobald wir diesen Raum wieder verlassen, kehren wir zurück zur Etikette." Er spürte ganz deutlich, dass sie am Liebsten die Fassung verlieren und ihren Gefühlen freien Lauf lassen würde. Jedoch nicht in seiner Gegenwart. Nicht solange er ihr Vorgesetzter war. Aber aus einem inneren Impuls heraus wollte er sie ungern alleine lassen. Außerdem hatte er es satt, der Böse in diesem Szenario zu sein, und das wollte er ihr gerne beweisen. Nami rang mit sich. Ihr war völlig bewusst, was geschehen würde, wenn sie seinem Abkommen zustimmte. Es gab nur einen einzigen Grund, warum sie schlussendlich langsam nickte: Sie brauchte dringend jemanden zum Reden. Und zwar jetzt! "Abgemacht. Nichts verlässt diesen Raum. Und im Anschluss bin ich wieder die stationsleitende Oberärztin der Kinderchirurgie und du mein nervtötender Bald-Chefarzt." Gespielt verzog er das Gesicht." Uh, das klingt fast so, als könntest du mich so gar nicht leiden." "Du bist arrogant, überheblich, ein Eisklotz und das einzige, was dich für die Rolle als Chefarzt qualifiziert, ist dein Können - also ja, deine Symphathiepunkte bei mir bewegen sich am Existenzminimum." "Autsch." "Aber..." begann sie zögerlich und wandte den Blick von ihm ab. "... trotz Allem, du bist kein schlechter Mensch. Und der Einzige, der weiß, wie es wirklich um Kuleha steht." "Ihr steht euch sehr nahe.", stellte er fest. "Für mich ist sie wie eine Mutter. Ich habe hier nicht viele Menschen, die mir nahe stehen. Meine leibliche Mutter lebt mit meiner Schwester im Ausland. Der Arbeit und der Liebe wegen. Meine beste Freundin hat es ans andere Ende der Welt verschlagen für ihren Traum und ihren Mann. Und mein Freund..." Ein resignierendes Seufzen lässt sie kurz innehalten. "... egal. Jedenfalls ist Kuleha nicht nur meine Mentorin. Sie ist meine Freundin. Meine Familie. Und sie war immer mein Fels in der Brandung." Law runzelte kurz die Stirn. Er konnte Nami sehr gut verstehen und ihre Gefühle durchaus nachvollziehen. Und dann grinste er sie frech an. "Eisberg meinte, ich übernehme sämtliche Aufgaben von Kuleha. Also: Lass mich deine Freundin sein." Prustend lachte sie los. "Du?" Mit einem fiesen Grinsen im Gesicht, bohrte sie ihren Finger in Laws Wange. "Weißt du überhaupt, was es bedeutet, mit einer Frau befreundet zu sein?" "Keine Ahnung. Endlose Shoppingtouren mit dir und einfach zuhören, wenn du dich auskotzt? Kommt das in etwa hin? Ach, und immer deiner Meinung sein: Nur du hast Recht und alle anderen sind doof." Empört sah sie ihn an. "Dein Ernst? Du glaubst, Mädchenfreundschaften reduzieren sich auf reden und shoppen?" Herausfordernd blickte er sie an. "Beweise mir das Gegenteil." "Tze." Nami lehnte sich zurück. Natürlich machte Reden einen Großteil jeder Freundschaft aus. Irgendwie musste man sich ja schließlich Luft machen. Und ja, ab und an tat es auch mal gut, wenn einem jemand über die Seele streichelte und sagte, dass alle anderen gehirnamputierte Idioten sind, aber eine Freundschaft - eine ECHTE Freundschaft - machte noch so viel mehr aus. "Selbst wenn ich das tun würde - was ich nicht vorhabe! - , wäre es hinfällig, sobald wir diesen Raum verlassen." Nachdenklich lehnte nun auch er sich zurück und starrte an die Decke. Stimmt. Sie hatte Recht. Und das wurmte ihn. Er zog eine Augenbraue nach oben. Hatte es ihn schon immer gestört, wenn jemand anderes Recht hatte? Früher nicht. Auch er hatte immerhin mal klein angefangen. Aber in den letzten Jahren gab es niemanden mehr, der ihm das Wasser reichen konnte. Von Kuleha einmal abgesehen, war Nami die erste. Die junge Ärztin setzte sich seitlich auf die Couch, positionierte sich so, dass sie Law ansehen konnte und grinste dann kokett. "Das nagt tierisch an dir, oder?" Genervt wandte er ihr den Kopf wieder zu. Und stellte fest, dass sie plötzlich nur noch wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war. Völlig überrumpelt starrte er sie einfach nur an. Waren ihre rehbraunen Augen schon von Anfang an mit goldenen Sprenkeln versehen gewesen? Nein! Das machte das einfallende Tageslicht. Oder der Schlafmangel. Auch Nami bemerkte die Sonnenstrahlen und ihre Mimik gefror plötzlich, denn ihr fiel schlagartig ein, welcher Tag gerade angebrochen war. Natürlich blieb dem Schwarzhaarigen das nicht verborgen und besorgt sah er sie an. "Nami...?" "Ruffy...", wisperte sie und ihre Augen wurden glasig. "Heute... heute ist doch..." Sie schlug ihre Hand vor ihren Mund und sah hilfesuchend zu Law. "Ich hätte nicht hier sein dürfen. Ich habe ihn versetzt... schon wieder..." Langsam bahnte sich die erste Träne ihren Weg und schnell folgten weitere. Der Damm war gebrochen. Ohne zu zögern, legte er seine Arme um die junge Frau und zog sie zu sich. Nami krallte sich in seinen Kasack und ließ ihren Tränen freien Lauf. Heute war ihr Jahrestag. Und sie verbrachte ihn im Krankenhaus, statt mit Ruffy. Doch sie konnte hier nicht weg, ihre kleinen Patienten brauchten sie! Sie war für sie verantwortlich. Und selbst wenn sie hätte gehen können, würde sie doch vergebens auf ihn warten. Während einer ihrer Operationen hatte er ihr geschrieben, er wäre heute nach der Arbeit mit den Jungs unterwegs und schläft außwärts. Sie weiß nicht einmal, mit welchem der Jungs. Wie sollte sie da herausfinden, wo er heute Nacht sein würde? Es war ausweglos. Dieser Jahrestag wäre ganz sicher unvergesslich. Aber nicht im Geringsten so, wie sie sich das vorgestellt hatte. Und dann war da ja noch die Sache mit Kuleha... Was war nur in letzter Zeit los? Hatte sie etwa das Recht auf Glück verwirkt? Law hielt Nami einfach nur fest, strich ihr sanft über Kopf und Rücken und gab ihr den Halt, den sie gerade brauchte, während sie immer wieder Ruffys und Kulehas Namen schluchzte. Mehr konnte er im Moment nicht tun. Und wenn sie diesen Raum verließen, würde es keine Gelegenheit mehr geben, mehr zu tun. Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- 6. Kapitel: Das Erste, was Nami wahrnahm, war ein gleichmäßiger, kräftiger Herzschlag an ihrem Ohr. Irgendwie beruhigend. Noch völlig in Trance kuschelte sie sich also enger an diesen wohltuenden Klang und seufzte leise. Bis ihr schlagartig bewusst wurde, zu wem dieser Herzschlag nur gehören konnte. Sie riss die Augen auf und stemmte sich gegen die muskulöse Brust. Aber weit kam sie nicht, denn besitzergreifende Arme hielten sie fest umschlungen. Verdammt! Und jetzt? Panisch begann ihr Hirn zu arbeiten. Wie war sie nur in diese prekäre Lage geraten? Sie erinnerte sich an ihren plötzlichen Gefühlsausbruch, als ihr bewusst wurde, dass sie ihren und Ruffys Jahrestag nicht gemeinsam verbringen würden. Darum war er beim Abschied auch so unterkühlt gewesen. Wie konnte sie nur so kurzsichtig sein? Das war doch sonst nicht ihre Art. Und dann? Law hatte sie einfach nur gehalten. War der Fels in der tosenden Brandung gewesen, die drohte, sie mit sich zu reißen und zu ertränken. Er schien es wirklich ernst gemeint zu haben, als er sagte, er übernehme Kulehas Aufgaben. Ein Wehmutstropfen schwang in dem Gedanken mit. Kuleha würde sie nie wieder so trösten können... Irgendwann musste sie dann vor Erschöpfung eingeschlafen sein. Irgendwie hatte Law es geschafft, eine Decke über sie zu legen und hatte sie die gesamte Zeit über nicht losgelassen. "Du bist so ein Idiot...", murmelte sie. "Wie soll ich dich denn jetzt noch ignorieren können?" "Eine schwierige Frage, nicht wahr?" Nami erstarrte. Er war wach? Und er hatte sie gehört?! "Ich grübel ebenfalls seit einer Weile darüber nach, wie ich jetzt noch professionellen Abstand zu dir wahren soll." Er sprach diese Worte mit einer Leichtigkeit, als würde er über das Wetter reden. Was sollte sie darauf nur antworten? Langsam versuchte sie erneut, sich zu erheben, um etwas Abstand zwischen sich und ihren zukünftigen Chef zu bekommen. Dieses Mal ließ er sie gewähren, lockerte seinen Griff und setzte sich aufrecht hin. "Ich hätte diesem Abkommen niemals zustimmen sollen...", nuschelte sie. Law zuckte kurz mit den Schultern. "Du hast gewusst, worauf du dich einlässt. Ich halte mein Wort: Alles, was hier in diesem Raum passiert ist, bleibt auch hier." "Ich werde dich trotzdem nicht mehr mit den gleichen Augen sehen können. Es fällt mir schwer, jemanden kaltherzig anzusehen, der zuvor so verflucht nett zu mir war." "Und was machen wir jetzt?" Nami erhob sich vom bequemen Sofa und streckte sich ausgiebig. Dann grinste sie ihn schief an. "WIR machen überhaupt nichts. Ich werde jetzt nach meinen Patienten sehen. Was du machst, ist mir völlig schnuppe." Als sie schon die Hand am Türknauf hatte, erhob er ein letztes Mal das Wort: "Nami, du kannst jederzeit zu mir kommen, wenn du willst. Dieser Raum kann sein, wo immer du ihn gerade brauchst." Einen kurzen Moment brauchte die junge Kinderärztin um sich wieder zu fangen und ohne sich noch einmal umzudrehen, entgegnete sie: "Ich wünsche Ihnen einen ruhigen Dienst, Dr Trafalgar." Als die Tür ins Schloss fiel, massierte Law sich die Schläfen. Warum hatte er das gesagt? War er denn von allen guten Geistern verlassen? Es konnte ihm doch völlig egal sein! Aber nein, er musste ja den freundlichen Samariter spielen! Was war nur in ihn gefahren? Schnellen Schrittes lief Nami den langen Korridor des Ruhebereiches entlang, durch eine Flügeltür, die sich nur mit der Magnetkarte eines Arztes öffnen ließ, zu den Stationsfluren. Sie musste arbeiten. Sie musste sich ablenken. Und sie musste versuchen, zu vergessen! Wie sonst sollte sie dieses Gefühl der Vertrautheit und aufkommenden Zuneigung sonst wieder loswerden? Er war ihr CHEFARZT verdammt noch eins und zugenäht! Wie hatte sie sich nur darauf einlassen können!? Wenn Ruffy davon wüsste... Oh Himmel! Ohne ihren Schritt zu verlangsamen, massierte sie sich den Nasenrücken - und stieß prompt mit jemandem zusammen. Unsanft landete sie auf ihrem Hinterteil. "Uh, so ein Mist... Bitte entschuldigen Sie, ich..." Nami sah auf und blickte in himmelblaue Augen. Prompt verschlug es ihr die Sprache. Beinahe war die Kinderärztin versucht, die Frau als 'schön' zu betiteln, verwarf das Adjektiv allerdings direkt wieder, als sie die kalten Augen sah, die sie stark an jemand völlig anderen erinnerten. Der Blick der schwarzhaarigen, fremden Frau wirkte zunächst herablassend, doch dann, als besann sie sich eines Besseren, lächelte sie entschuldigend und reichte Nami sogar ihre Hand, um ihr aufzuhelfen. "Ich habe ebenfalls nicht aufgepasst. Die Schuld liegt genauso bei mir. Verzeihen Sie bitte." Aus reiner Höflichkeit nahm die Orangehaarige die ihr dargebotene Hand an, dann deutete sie eine Verbeugung an und ging an der Unbekannten vorbei. "Ah, warten Sie bitte!", hielt die Schwarzhaarige Nami zurück. Genervt rollte diese mit den Augen. Doch als sie sich herumdrehte, setzte sie ein freundliches Lächeln auf. "Ja, bitte?" "Sie arbeiten hier, nicht wahr?" "In der Tat. Ich bin die stationsleitende Oberärztin der Kinderchirurgie, Dr Tamino." Besser, sie stellte gleich klar, dass sie nicht nur irgendeine kleine Nummer ist. Ihre Intuition sagte ihr, dass diese Frau es gewohnt war, sich nicht nur unter hohen Tieren zu bewegen, sondern auch deren Respekt genoss. "Dann sind Sie sicher sehr beschäftigt. Ich habe von dem Unglück gestern am frühen Abend gehört. Ein Schulbus soll in einen großen Unfall verwickelt gewesen sein. Ich wollte Sie auch gar nicht großartig aufhalten, aber ich suche jemanden, der hier ebenfalls arbeitet. Vielleicht können Sie mir helfen?" "Ich werde mein Möglichstes versuchen. Nach wem suchen Sie denn?" Nami beschlich so eine Vorahnung, umso weniger überraschte sie es, den folgenden Namen zu hören. "Ich suche den zukünftigen Chefarzt der Chirurgie; Trafalgar Law." Die Kinderärztin lächelte freundlich, als sie antwortete: "Das bekommen wir hin. Ich kann zwar nicht sagen, wo genau er sich gerade aufhält, aber wenn es in Ordnung ist, piepe ich ihn an und bestelle ihn hierher. Sie müssten dann nur kurz auf ihn warten." Die blauen Augen der Frau begannen zu leuchten und dankbar ergriff sie Namis Hand und drückte diese. "Das würden Sie für mich tun? Das wäre sehr freundlich." Doch zwischen dem Funkeln sah Nami wieder diese kalten Augen. Ihre Freundlichkeit war genauso gespielt wie ihre eigene. Trotzdem. Sie griff in ihre Kitteltasche und schickte eine Nachricht an Law. Dr Trafalgar, korrigierte sie sich selbst in Gedanken. »Im Korridor hinter dem Ruhebereich steht so ein schwarzhaariges Gift und möchte dich sehen. Deine Freundin?« Vielleicht nicht die eleganteste Formulierung aber hatte er nicht selbst gesagt, seine Freundin sei 'ein Besen von einem Drachen'? "Ich habe ihm Bescheid gegeben, er sollte jeden Moment hier auftauchen. Ich werde mich dann wieder um meine Patienten kümmern. Ich wünsche noch einen angenehmen Nachmittag." "Ebenfalls." Kaum war Nami um die nächste Ecke gebogen, vibrierte ihr Pieper und ließ sie schmunzeln. »Ich dachte, Freunde verraten einander nicht? Wie konntest du mir das nur antun? Das schreit nach unserem Abkommen! Danach muss ich mich nämlich einmal auskotzen...« "Träum weiter, Trafalgar..." Breit grinsend schob sie das kleine schwarze Ding zurück in ihre Kitteltasche und betrat die Kinderstation. Freunde? Sie waren keine Freunde. Nagut... vielleicht während des Abkommens in einem geschlossenen Raum. Aber auch nur dann! "Oh, Kaya, du bist auch noch hier?", begrüßte sie ihre Kollegin. Die Blonde wirbelte fröhlich zu ihr herum, dunkle Ringe unter den Augen. "Nami! Ich wusste nicht, dass du wieder hier bist." "Ich war nie weg. Ich habe im Ruhebereich etwas Schlaf nachgeholt. Du solltest das jetzt auch tun. Ich bin ja da, ich kann von jetzt an übernehmen. Leg dich hin, du bist seit mehr als 24 Stunden auf den Beinen." Dankbar lehnte Kaya ihren Kopf gegen Namis Schultern und lächelte matt. "Es geht allen den Umständen entsprechend gut. Ich habe vorhin mit den Schwestern noch die Verbände kontrolliert und wo es nötig war, gewechselt. Alle sind gut mit Schmerzmedikamenten eingestellt und postoperativ gibt es bisher keinerlei Probleme." Die junge Oberärztin streichelte Kaya liebevoll über den Kopf. "Das war sehr gute Arbeit, ich danke dir." Damit entließ sie ihre Kollegin in ihren wohlverdienten Feierabend und machte sich selbst daran, die Kurven ihrer Patienten zu studieren. Wie Kaya es gesagt hatte, schien alles komplikationslos gelaufen zu sein. Alles war ordentlich dokumentiert worden und nachdem Nami bei ihren Kindern vorbeigeschaut hatte, konnte sie dies auch nur wohlwollend bestätigen, was in den Berichten niedergeschrieben worden war. Es gab absolut nichts zu beanstanden. Sie war sehr stolz auf die zuverlässige Ärztin, die Kaya geworden war. Nachdem der Nachtdienst die Spätschicht abgelöst und den ersten Rundgang gemacht hatte, verabschiedete Nami sich in ihr Zimmer. Sie hatte keinen Dienst, aber der junge Kinderarzt, der derzeit ihre Station betreute, war noch sehr unerfahren. So hatte sie ihm alle möglichen Tipps gegeben und falls er doch nicht weiter wusste, sollte er sie einfach anpiepen. Kaum fiel die Tür hinter ihr ins Schloss, holte sie ihr Privathandy heraus und rief zu hause an. Es klingelte. Drei Mal. Vier Mal. Fünf Mal. Doch niemand nahm ab. Traurig ließ sie es noch weiter klingeln, allerdings ohne Hoffnung, dass jemand abnehmen würde. Sie legte auf und wählte stattdessen Ruffys Handynummer. Doch auch hier kommunizierte lediglich das Freizeichen mit ihr. Resignierend seufzte sie, legte ihr Handy auf ihren Schreibtisch und ging weiter zum Sofa. Sie entledigte sich ihrer Schuhe, machte sich lang und seufzte erneut. Was hatte sie auch erwartet? Wenn sie ihm im Laufe des Tages geschrieben hätte, wäre er vielleicht ans Telefon gegangen. Aber so? Sie musste sich ganz dringend bei Ruffy entschuldigen. Aber jetzt musste sie erst einmal duschen! Wie hatte Law es nur in ihrer Nähe ausgehalten? Und warum musste sie SCHON WIEDER an ihn denken? Fluchend erhob sie sich wieder, schlüpfte in ihre Schuhe und machte sich auf den Weg zu den Personalduschen der Kinderstation. Als sie zu ihrem Zimmer zurückkehrte, stand ein sichtlich schlecht gelaunter Trafalgar vor ihrer Tür und sah sie unzufrieden schräg über seine Schulter hinweg an. "Wieso haben Sie nicht auf meine Nachricht geantwortet, Dr Tamino?", kam es im dominanten Tonfall. "Ich hatte Wichtigeres zu tun, Dr Trafalgar! Außerdem bin ich nicht Ihre Dienstmagd, die Sie jederzeit heranzitieren können, wie es Ihnen gerade in den Kram passt.", entgegnete sie schnippisch. "Und wenn ich jetzt ein Kind auf dem OP-Tisch gehabt hätte?" Herausfordernd blitzten seine grauen Augen zu ihr herunter. "Dann hätten Sie den diensthabenden Kinderarzt kontaktieren müssen. Ich bin nicht 24/7 im Haus - ich habe auch noch so etwas wie ein Privatleben!", damit öffnete sie die Tür zu ihrem Bereitschaftszimmer, in das ihr zukünftiger Chefarzt einfach hereinmarschierte, ohne Aufforderung. Mit einem wütenden Schnauben ging sie hinterher und knallte lautstark die Tür zu. "Gut geschauspielert.", kam es plötzlich grinsend von ihm und etwas verwirrt schaute sie zu ihm auf. "Das war nicht gespielt." Nami drängte an ihm vorbei, platzierte sich auf ihrem Sofa, zog ihre Schuhe wieder aus und legte ihre Füße auf dem gegenüberliegenden Sessel ab. Ohne zu zögern, setzte er sich ebenfalls aufs Sofa, legte seinen Kopf neben Nami ab und ließ seine Beine über der Lehne baumeln. "HEY!" Überrumpelt von seiner plötzlichen Nähe, schoss ihr die Schamesröte ins Gesicht. "Was wird das, wenn es fertig ist?!" "Hab ich doch gesagt: Ich muss mich auskotzen." "Und wann genau habe ich dem zugestimmt?" "Gar nicht. Betrachte es als Dienstanweisung." Verschmitzt und leicht überheblich grinste er sie an. "Möchtest du gerne Bekanntschaft mit meiner Faust machen?" "Ungern. Außerdem brauchst du deine geschickten Hände noch. Du bist immerhin meine beste Chirurgin." Seine Worte waren entwaffnend. Mit so viel Lob konnte sie einfach nicht umgehen. Kuleha hatte das nie getan. Zumindest nicht so offensichtlich. Es war ihr unangenehm. Sie machte doch nur ihre Arbeit. Sie wandte den Blick ab, sah lieber aus dem Fenster in die Dunkelheit. Und eine ganze Weile blieb es still im Raum. "Woher wusstest du, dass sie meine Freundin ist?", flüsterte er plötzlich. Ganz langsam drehte sie ihren Kopf wieder zu ihm, sah ihn unverwandt an. "Ihr habt die gleichen kalten Augen. Als sie mich ansah, musste ich sofort an dich denken. Du hattest mich bei unserer ersten Begegnung mit dem selben überheblich-frostigen Blick bedacht." Er schwieg. Hatte er sie wirklich derart unterkühlt angesehen? Er kannte den Blick seiner 'besseren' Hälfte nur zu gut. Wusste, wie einschüchternd und gleichzeitig verletzend er sein konnte. "Darf ich fragen, was sie von dir wollte?" Immerhin war er ja gekommen, um zu reden. Also war diese Frage mehr als legitim. "Sie wollte mit mir reden, zum Teil hatte sie sich für ihr Verhalten entschuldigt und gleichzeitig mir den schwarzen Peter zugeschoben. Mal wieder. Außerdem hatte sie gefragt, ob ich heute Nacht nach Hause käme. Als ich dankend abgelehnt habe, ist sie wie eine Furie davongerauscht." Verstört sah Nami ihn an. "Wieso hast du das gemacht? Ich hätte mich gefreut, wäre Ruffy mich holen gekommen..." "Du bist eben nicht ich. Und ich weiß, dass ihre Entschuldigung nicht ernst gemeint war. Sie hat nur wieder ein Schauspiel abgezogen." "Das klingt, als hättest du so gar nichts mehr für sie übrig...", meinte sie traurig. "Sie hat immerhin den weiten Weg hierher auf sich genommen, nur um dich zu sehen. Findest du nicht, du hättest etwas freundlicher zu ihr sein können?" "Und dann? Was hätte es geändert?" "Ich verstehe nicht-..." "Sie hätte nur versucht, mich zu verführen, dann wäre für wenige Tage wieder Frieden eingekehrt, nur damit sie mir dann erneut vorhalten kann, dass ich ihr zu wenig Aufmerksamkeit schenke." "Dann versuch doch einfach, dir etwas mehr Zeit für deine Freundin zu nehmen." Law zog die Augenbrauen zusammen. "Solltest du nicht auf meiner Seite sein?" "Als gute Freundin gehört es sich, auch ab und an Kritik zu üben. Und ich muss ehrlich gestehen, dass ich ihre Gefühle durchaus nachvollziehen kann. Ich würde es auch nicht so prickelnd finden, um die Aufmerksamkeit meines Freundes betteln zu müssen." Law setzte eine neutrale Maske auf. "Das kannst du nur sagen, weil du nur eine Seite der Medaille kennst." Nami wartete, doch er sprach nicht weiter. Schwieg sich lieber aus und starrte an die Decke. Also beugte sie sich leicht über sein Gesicht, sodass ihre Haarspitzen ihn leicht im Gesicht kitzelten. "Magst du mir dann von der anderen Seite erzählen oder soll ich deine Gedanken erraten?" Bei ihrem liebevollen Blick begann sein Herz plötzlich zu stolpern. Aus Reflex erhob er seine Hand zu ihrem Gesicht, hielt jedoch auf halben Weg inne. Strich stattdessen ihre Haare beiseite. "Deine Haare sind ja ganz nass." und ohrfeigte sich innerlich. Was tat er hier gerade? Was wollte er tun? War er verrückt geworden? Nami grinste nur. "Ich war ja auch vorhin duschen." Darum roch sie so gut nach Orange. Er wusste doch, dass etwas anders war als heute morgen. Er brummte nur verstehend als Antwort. Die Kinderärztin lehnte sich zurück. "Dann muss ich wohl raten. Hmmm..." Überlegend tippte sie sich ans Kinn. Doch noch bevor sie erneut ansetzten konnte, ergriff ihr Gesprächspartner endlich wieder das Wort. "Hancock leitet eines der größten Finanzunternehmen des Landes. Zudem gehört ihr die berühmte Hotelkette 'Amazon Lily'. Sie arbeitet viel und hart. Zu ihren Angestellten ist sie stets freundlich und zuvorkommend. Was vielleicht daran liegt, dass es durchweg Frauen sind. Sie duldet keine Männer in ihren Unternehmen. Ihnen gegenüber benimmt sie sich oft kaltherzig, distanziert und absolut zielorientiert. Sie weiß genau, was sie will und lässt einem kaum Verhandlungsspielraum. In ihrem Revier ist sie die Kaiserin. Und sollte ein Mann ihr doch einmal Kontra geben, legt sie ihre Unschuldsmiene auf, klimpert mit ihren Wimpern und nutzt ihre natürliche Schönheit, um die Kerle zu Fall zu bringen." "Hancock? Boa Hancock? Ist deine Freundin? Und die lässt du eiskalt abblitzen? Bist du des Wahnsinns? Sie ist eine Ikone! Eine Göttin! DAS Vorbild für alle berufstätigen Frauen!" und dennoch hatte Nami sie nicht erkannt, als sie direkt vor ihr stand. Das würde sie sich ihren Lebtag nicht verzeihen! "Denkst du, das weiß ich nicht?", grummelte er genervt. "Und dennoch... als ich sie zum ersten Mal sah auf einer Benefiz-Veranstaltung, fühlte ich mich sofort von ihr angezogen. Nicht nur von ihrer Schönheit. Sie hatte etwas an sich... eine Aura, die so atemberaubend war, dass ich die Frau einfach kennen lernen musste. Sie akzeptierte mich als ebenbürtig, denn ich machte ihr schnell klar, dass ich nicht an der Unternehmerin, sondern der Frau Boa Hancock interessiert war. Eins kam zum Anderen und es entstand mehr. Allerdings merkten wir schnell, dass unsere gemeinsame Zeit sehr begrenzt war, denn nicht nur sie war sehr geschäftig, auch ich hatte eine Menge Arbeit in meiner Praxis. Ich war heute morgen nicht ganz ehrlich, als ich sagte, ich hätte nur der Herausforderung wegen den Posten des Chefarztes angenommen. Ich tat es auch für meine Beziehung. Ich habe hier tatsächlich mehr Freizeit, die ich durchaus gewillt war, mit meiner Freundin zu verbringen. Allerdings habe ich herausgefunden, dass diese sich in letzter Zeit lieber woanders aufhält, als in meiner Nähe und ich vermute stark, es hängt mit einem anderen Mann zusammen." "Aber warum war sie dann heute hier? Warum sich die Mühe machen, wenn sie die Beziehung schon abgehakt hätte?", überlegte Nami. "Vielleicht schwankt sie noch? Ist sich ihrer Gefühle noch nicht im Klaren? Was weiß ich... Fakt ist, sie ist kaum zu hause, auch dann nicht, wenn sie weiß, dass ich Zeit habe. Es sei denn, ihre Hormone sprühen mal wieder über, dann bin ich gut genug." Klang da verletzter Stolz mit? Es würde sie nicht wundern. Und nachvollziehbar ist es auch. Mitfühlend strich sie ihm durch's Haar. "Klingt, als wäre eure Beziehung zum Scheitern verurteilt..." "Falls sie es nicht schon längst ist..." "Liebst du sie denn noch?" Law sah Nami einfach nur an. Bisher hatte er sich diese Frage überhaupt nicht gestellt. Hancock schien diese Beziehung nicht mehr wirklich zu wollen, daher hielt er es für das Beste, sich einfach zurückzuziehen. Gefühle hatte er bei diesem Schritt völlig außen vor gelassen. Sie hätten sein Urteilsvermögen beeinträchtigt. Verständnisvoll lächelte die Orangehaarige. "Egal wie kaputt deine Beziehung auch sein mag, es wäre vielleicht am Besten, wenn ihr zwei euch einfach einmal zusammensetzt und aussprecht. Wie das Ganze auch ausgehen mag, es hilft zumindest dabei, das Kapitel abzuschließen." "Du meinst, ich solle um sie kämpfen?" "Das habe ich nicht gesagt. Ihr sollt miteinander reden. Eure Gefühle und Gedanken offenlegen. Und dann gemeinsam entscheiden, welcher Schritt am sinnvollsten ist. Gut möglich, dass sie sogar deiner Meinung ist, das würde alles vereinfachen." "Hm..." Genießerisch schloss er die Augen, ließ sich Namis wohltuende Berührungen gefallen. Obwohl sein Verstand gerade diverse Beschimpfungen auf ihn feuerte. Seit wann konnte eine Frau ihn so leicht einlullen? Schon zum zweiten Mal an einem Tag lag er mit ihr zusammen auf einem Sofa und sprach mehr Worte mit ihr, als er im vergangen Monat mit Hancock gewechselt hatte. Namis Nähe schien ihm zu gefallen, ihre Intelligenz ihm zu imponieren und ihre Gefühle rissen ihn einfach mit, weckten seinen Beschützerinstinkt. Er würde diesem kontroversen Handeln auf den Grund gehen. Aber nicht jetzt. Nicht hier. Dafür musste er alleine sein. "Law?" flüsterte sie nach einer gefühlten Ewigkeit. Sein Atem ging gleichmäßig, seine Züge wirkten völlig entspannt und friedlich. Wenn sie ihn so ansah, war nichts mehr von dem Eisklotz zu sehen. Eigentlich war er wirklich ein ganz hübsches Kerlchen. Sie konnte verstehen, wie eine Frau wie Boa Hancock ihm verfallen konnte. Irgendwie bedauerte die Orangehaarige es, dass ein so vielversprechendes Paar derartige Probleme hatte. Der Chefarzt des renomiertesten Krankenhauses des Landes und die Finanzkaiserin. Ein gefundenes Fressen für die Presse. Sie schüttelte den Kopf. Das waren Probleme, die sie nichts angingen. Außerdem waren sie nur so etwas wie Freunde auf Zeit. Sobald sie ihn rausgeworfen hatte, wäre er wieder ihr Chefarzt. Punkt. Sie warf einen Blick auf die kleine Digitaluhr auf ihrem Schreibtisch. 1. August, 2 Uhr morgens. Tatsächlich. Jetzt war er wirklich ihr Chefarzt. Nami brauchte dringend Schlaf. Immerhin hatte sie heute wieder 24h Dienst. Und dafür müsste sie in knapp 4 Stunden aufstehen. Also hörte sie auf, durch die weichen Haare des Mannes neben ihr zu streicheln und stand leise auf. Doch plötzlich griff seine Hand nach ihrer und hielt sie an Ort und Stelle. Überrascht blickte sie erst an ihrem Arm herunter, dann zu Law, der sich verschlafen über die Augen rieb. Als er wieder klar sehen konnte, wanderte auch sein Blick zu der Hand, die er festhielt, weiter hinauf, zu der Frau, zu der diese Hand gehörte. Und ließ schlagartig los. Was hatte er jetzt schon wieder getan? Reflexartig hatte er nach ihr gegriffen. Weil er sie nicht gehen lassen wollte? Oder weil er es bei Hancock stets genauso gemacht hatte? Hatte er sie verwechselt? Oder galt diese Geste wirklich Nami? Bedächtig entzog die Kinderärztin ihm ihre Hand wieder. "Du solltest wirklich dringend schlafen. Dein Verstand scheint langsam auszusetzen." Ihre Stimme hatte einen ziemlich unangenehmen Unterton, der ihm beinahe das Blut in den Adern gefrieren ließ. Das war neu. Er wusste, dass sie bissig sein konnte, schlagfertig, emotional, liebevoll zu ihren Patienten, freundschaftlich zum Personal der Kinderstation. Aber mörderisch? Das war unheimlich. Resignierend seufzte die junge Frau, ging hinter ihr Bücherregal und kam kurz darauf wieder hervor. Sie warf Law ein Kissen und eine Tagesdecke zu und musterte ihn dann kritisch. “Eine merkwürdige Aktion von dir und unser Abkommen ist für immer gebrochen und es war das erste und letzte Mal, dass du hier schlafen darfst.” Sie war einfach zu weich. Sie brachte es nicht über's Herz, ihn jetzt vor die Tür zu setzen. Außerdem würde sie in Erklärungsnot geraten, sollte eine der Nachtschwestern Law aus ihrem Zimmer kommen sehen. In ein paar Stunden konnte er sich unbemerkt durch den morgendlichen Trubel herausschleichen. Nami verschwand wieder hinter ihrem Bücherregal und fragend sah Law ihr nach. Er war aufgestanden und ihr nach und war schon fast um die Ecke, “Und wo schläfst du...?”, als er Kleidung rascheln hörte. Sofort hielt er inne. Mit finsterer Mine trat die Kinderärztin hinter dem Regal hervor. Sie hatte einen kurzen Schlafanzug an, den sie stets hier deponiert hatte, und Law erneut einen herrlichen Anblick auf ihre langen Beine ermöglichte. Diese Frau würde ihn noch wahnsinnig machen! “In meinem Bett! Und jetzt ab auf's Sofa oder ich schmeiß dich achtkantig hier raus!” Das ließ er sich nicht zwei Mal sagen. Sofort warf er sich zurück auf die gemütliche Schlafgelegenheit, nicht allerdings ohne noch einen letzten Blick auf ihren Hintern... ähm hinter das Regal natürlich zu werfen. Jetzt erkannte er auch das große Bett. Geschickt eingerichtet. Bevor Nami sich hinlegte, löschte sie noch das Licht. Unter ihre Decke eingekuschelt, streckte sie sich ausgiebig, nur um danach die Beine ganz nah an ihrem Körper zu ziehen. “Gute Nacht, Law.” nuschelte sie noch. Es war kurz still, dann erhob er noch einmal das Wort. “Nami... Danke.” Ihr Lächeln konnte er nicht sehen und zu einer Antwort war sie nicht mehr in der Lage, driftete sie doch bereits ins Land der Träume. “Schlaf gut.” Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- 7. Kapitel: „Bin wieder zu hause.“ rief Law halbherzig, rechnete er ohnehin nicht mit einer Antwort. Und wie erwartet war die Penthousewohnung leer. Nicht zum ersten Mal fühlte er sich hier unwohl. Es war kalt und unpersönlich. Sie hatten nie wirklich Zeit gehabt, irgendetwas zu gestalten oder gar zu dekorieren. Auf dem Weg zum Schlafzimmer kam er an einem der wenigen gerahmten Bilder vorbei. Etwas wehmütig blickte er dem in die Kamera lächelnden Paar entgegen. Das waren glücklichere Tage. Wie verliebt Hancock geguckt hatte... Seufzend stellte er das Bild zurück an seinen Platz und warf sich bäuchlings aufs Bett. Ihm kam das Gespräch mit Nami in den Sinn und grübelnd drehte er sich auf den Rücken. Die Arme hinter seinem Kopf verschränkt, starrte er an die Schlafzimmerdecke. Boa Hancock. Sie war nicht nur eine der reichsten und mächtigsten Frauen, sie war auch bildschön. Kurvenreich. Feminin. Vielleicht ein wenig arrogant aber nur denen gegenüber, denen sie nicht vertraute. Law hatte sie vertraut. Ihn hatte sie hinter die Fassade blicken lassen. Und dort hatte er eine sehr warmherzige, schutzbedürftige und charmante Frau gefunden, die so ganz anders war als in der Öffentlichkeit. Aber obwohl er sie so viel besser kannte, als kaum ein anderer Mann, hatte er doch das Gefühl, dass da noch so viel mehr war. Er hatte längst nicht all ihre Facetten entdeckt. Und wenn er so darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass er im Grunde kaum etwas über sie wusste. Stets hatte sie gekocht was ihm schmeckte, wenn sie zu hause aßen oder hatte ihn das Restaurant auswählen lassen, wenn sie ausgingen. Und was tat sie eigentlich, wenn sie nicht arbeitete? Das war nicht sehr oft, sie lebte immerhin für ihre Arbeit. Nein, nicht FÜR die Arbeit, sie LEBTE ihre Arbeit. Vielleicht stand sie ja eher auf eine kuschelig-gemütliche Einrichtung? War sie deswegen so selten hier? Fühlte sie sich genauso verloren in dieser Wohnung wie er? Fragen über Fragen... Und eine weitere formte sich in seinem Kopf: Machte er sich all diese Gedanken, weil er sie noch liebte? Er schloss die Augen und horchte in sich hinein. Er dachte an das riesige leere Bett in dem er ganz alleine lag. An den Streit vom Wochenende. Und empfand... nichts. Keine Reue, keine Sehnsucht, keine aufsteigende Wärme, wenn er sich ihr wunderschönes Gesicht in Erinnerung rief. Nichts. Also war die Flamme tatsächlich erloschen. Nicht einmal Glut hatte es zurückgelassen, die man wieder hätte entzünden können. Wenigstens auf eine Frage hatte er nun eine Antwort. Und was hatte Nami gesagt, solle er nun tun? Mit Hancock reden? Darauf hatte er ja so gar keinen Nerv. Konnte man das nicht irgendwie umgehen? Vielleicht eine Notiz schreiben und bei ihrer Sekretärin hinterlegen lassen? » Beende Beziehung. Lass dir die Schlüssel zukommen. Law« , sowas in der Art. Ihm gefiel die Idee. Leider wusste er aber auch ganz genau, wie seine Noch-Freundin darauf reagieren würde. Und er hing doch so an seinem Leben. Nein, das war wohl doch nicht der richtige Weg zum Ziel. Er wälzte sich von einer Seite auf die andere, doch dieses Thema ließ ihm einfach keine Ruhe. Genervt von seiner Situation fischte er also sein Handy aus der Tasche und suchte die Nummer von Hancocks Büro. „Amazon Lily, Büro der Finanzkaiserin, Sie sprechen mit Margarete. Was kann ich für Sie tun?“ So freundlich und warmherzig wie eh und je. Die Blonde war schon eine perfekte Besetzung als Sekretärin. „Margarete? Hier ist Law. Kannst du mich zu Hancock durchstellen?“ „Es tut mir Leid aber die Chefin ist derzeit nicht zugegen. Soll ich ihr etwas ausrichten? Oder einen Tisch bestellen?“ Ihr fröhliches Grinsen war deutlich herauszuhören. „Ah, nein, aber danke.“ Oder vielleicht doch? Nein. Nein, ein Restaurant war nun wirklich nicht der richtige Ort für so eine Unterhaltung. „Weißt du zufällig, wo sie gerade ist? Kann ich sie später vielleicht erreichen?“ „Nein, ich kann dir nicht sagen, wo sie sich derzeit aufhält. Und ich weiß auch leider nicht, wann sie zurück ist. Soll sie dich zurückrufen?“ „Nein, schon gut. Ich warte einfach auf sie. Ich danke dir trotzdem.“ Er legte wieder auf. Na das lief ja so gar nicht nach Plan. Fakt war, Margarete verschwieg ihm etwas, das hatte er sofort an ihrer Stimme gehört. Sie bekam so einen bestimmenden Unterton, als sie sagte, sie könne ihm nicht sagen, wo Hancock sich derzeit aufhält. Entweder sie war in einem Meeting – denn wenn es um die Arbeit ging, schwieg die Finanzkaiserin sich aus – oder sie war bei einem anderen Mann. Aber warum hätte Margarete ihm dann anbieten sollen, einen Tisch zu bestellen? Law geriet wieder ins Grübeln. ---------------------------------------------------- Zur gleichen Zeit im städtischen Zoo Boa Hancock beobachtete fasziniert wie sich die grüne Baumnatter von Ast zu Ast schlängelte. Lautlos. Geschmeidig. Sie liebte diese Tiere. Schlangen im Allgemeinen. Sie hatten etwas elegantes, erhabenes und gleichzeitig mystisches und gefährliches an sich. Kein anderes Tier fesselte sie so sehr, wie es Schlangen taten. Außerdem kam sie hier zur Ruhe. Und die brauchte sie sehr dringend. Genau wie... „Entschuldigen Sie bitte...“ Sie zupfte einem vorbeikommenden Pfleger am Ärmel und legte einen schüchtern-liebenswerten Blick auf. „Sagen Sie, kommt denn heute der Pfleger mit dem Strohhut gar nicht?“ Etwas überrascht blickte der junge Mann sie an. Man sah sofort, dass er völlig hingerissen war von der wunderschönen Frau, die ihn soeben angesprochen hatte und bereitwillig gab er ihr die gewünschte Information. „Sie meinen sicher Ruffy. Normalerweise finden Sie ihn im Affenhaus, dort hat er seit Kurzem die Leitung übernommen. Allerdings hat er heute frei aber vielleicht kann ich Ihnen ja helfen.“ Er setzte sein charmantestes Lächeln auf, welches zwar mit einer ebenso dankbaren Geste erwidert, allerdings nicht im Mindesten registriert wurde. „Vielen Dank. Aber das wäre dann alles. Ich wünsche noch einen schönen Tag.“, damit verließ die Schwarzhaarige das Reptilienhaus, wenn auch schweren Herzens. Er hieß also Ruffy. Und war ausgerechnet heute nicht da. Wie ärgerlich. Seit sie vor knapp einer Woche ohnmächtig geworden war, ging er ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf. Jeden Tag war sie seither in den Zoo gekommen, hatte ihn heimlich beobachtet. Doch heute hatte sie ihn überhaupt nicht gesehen. Jetzt wusste sie auch, wieso. Völlig in Gedanken wanderte sie durch den Zoo und bevor sie sich versah, stand sie vorm Ausgang. Etwas unentschlossen verlagerte sie ihr Gewicht von einem Bein aufs andere. Sollte sie wirklich schon zurück ins Hotel? Alle administrativen Arbeiten waren bereits erledigt. Da war sie gründlich. Warum also zurückkehren? Es war so ein herrlicher Tag. Sie könnte... so viel unternehmen! Doch fiel ihr nichts ein. Was sie eigentlich wollte, war den Pfleger mit Namen Ruffy wiederzusehen. Mehr nicht. Aber ausgerechnet das sollte heute nicht sein. Sie überlegte weiter. Vielleicht sollte sie in ihre Wohnung gehen und auf Law warten. Wenn sie sich nicht irrte, sollte er heute früher nach hause kommen. Sie seufzte leise. Aber wollte sie wirklich auf ihn treffen? Vor einigen Tagen hatte sie ihm eine riesen Szene gemacht, weil er seiner Pflicht nachgehen musste. Sie hatte es ja gar nicht böse gemeint, aber so war sie nun einmal. Seitdem hatte sie es bewusst vermieden, ihn zu treffen. Aber warum eigentlich? Sie stand noch immer an der gleichen Stelle, ließ den Wind mit ihren langen, schwarzen Haaren spielen und starrte betrübt die Straße herunter. Wieso wollte sie sich nicht mit ihrem Freund auseinandersetzen? Was hielt sie nur auf? War sie etwa unglücklich in ihrer Beziehung? Sie ließ sich auf eine nahestehende Bank nieder und sah hinauf zu den vorbeiziehenden Wolken. Sie mochte Law wirklich. Schon allein, weil er sie nicht auf ihre Erfolge reduzierte. Er hatte sie wie eine Frau behandelt. Wie eine begehrenswerte Frau. Die sie selbstverständlich war – aber... irgendwie... es war schwer in Worte zu fassen. Sie seufzte gedehnt. Law war kein einfacher Charakter. Aber sie selbst ebenfalls nicht. Trotzdem hatte er sich nie beklagt. Zumindest nicht offensichtlich. Ihr zuliebe hatte er sogar seine eigene Praxis aufgegeben. Nur damit sie mehr Zeit miteinander verbringen konnten. Und ja, das hatte sie sich auch gewünscht aber... Aus irgendwelchen Gründen wollte sie das nicht mehr. Aber sie mochte ihn doch! Wirklich! Allerdings... Plötzlich wurde ihr etwas schmerzlich bewusst. Sie liebte ihn nicht mehr. Sie respektierte ihn als einen Freund. Aber das Feuer, welches am Anfang so heiß zwischen ihnen brannte, war erloschen. Ging es ihm genauso? War er deswegen so abweisend zu ihr gewesen? Erneut seufzte sie schwer. Sie würde mit ihm reden müssen. Irgendwann... bald... „Oh mein Gott! Sind sie nicht Boa Hancock? Ich fass es nicht! Sie sind es wirklich oder?!? AAAHHHHH. Ich hab so ein Glück!“ Eine junge Frau mit lockigem Haar stolperte direkt auf sie zu, platzierte sich dreist neben sie und himmelte die Schwarhaarige an. „Ich bewundere Sie! NEIN, ich VEREHRE Sie! Sie sind ein Idol, eine Ikone! DAS VORBILD für alle berufstätigen Frauen. Ich liebe Sie. Kann ich ein Autogramm haben?“ Hancocks Augenbraue zuckte gefährlich. Jede ihrer Angestellten wären bei dieser Geste bereits drei Straßen weiter gestürzt – denn sie wussten, was es bedeutete, wenn Boa Hancocks Augenbraue zuckte! Nur dieses naive Ding nicht... Sie stand auf, warf in einer eleganten Geste ihr langes Haar zurück und deutete auf die junge Frau, den Blick gen Himmel gerichtet. „Ganz genau! Ich bin Boa Hancock, die schönste und erfolgreichste Frau der Welt!“ „Oh mein Gott, ja! Ja, das sind sie!“ Ein hocherfreutes Quietschen verließ den Mund der Lockigen. Und mittlerweile war sie nicht mehr allein. Viele weitere Zoobesucher waren stehen geblieben und standen in stiller Bewunderung mit gebührendem Abstand um die Szene herum. Es kam immerhin nicht oft vor, dass man eine solche Berühmtheit in der Öffentlichkeit sah. Nicht zuletzt wegen der vielen Augen die nun auf ihr ruhten, und der völlig unerwarteten Reaktion der Frau, die sie leicht ins Straucheln brachte, änderte sie prompt ihr Vorgehen. Hancocks Finger, der eben noch auf die junge Frau gerichtet war, flog gen Himmel und sie erhob ihre glockenklare Stimme erneut: „Hört mich an ihr fleißigen und strebsamen Frauen! Was ich geschaffen habe, kann jede von euch erschaffen! Glaubt an euch! Lasst euch von den machtgierigen Männern dieser Welt nicht ausnutzen, nehmt euer Leben selbst in die Hand! Beweist ihnen, dass in jeder Frau so viel mehr steckt, als nur ein gebrechliches Mütterchen. Und wenn ihr die Teufel in ihre Schranken gewiesen habt, sucht den einen Prinzen, der euch selbst dann wie eine Kaiserin behandelt, wenn ihr am schwächsten seid!“ Jubeln und lauter Applaus, Pfiffe und Anfeuerungsrufe drangen quer durch den Platz, durch den ganzen Zoo und die Straße hinunter. Als hätte jeder direkt bei ihr gestanden und ihre Worte vernommen. Sie liebten sie. Sie vergötterten sie. Warum nur fühlte sich dann ihr Innerstes so schrecklich leer an? ---------------------------------------------------- Etwa zur selben Zeit im Keller des Restaurants „Baratii“ Lustlos stützte Ruffy sich auf seinen Kö und beobachtete seinen besten Kumpel Zorro dabei, wie er nach und nach den Billardtisch von seinen Kugel befreite. Eine nach der anderen lochte er ein, warf dabei immer wieder einen Blick auf Ruffy und überlegte fieberhaft, wie er nur ein Gespräch anfangen konnte. Doch fiel im einfach nichts ein. Er war nicht gut darin, Gespräche zu führen. Für so etwas eignete Sanji sich einfach besser. Er war der Diplomat in ihrem Freundeskreis. Leider musste der gerade arbeiten oben im Restaurant und nebenbei schönen Frauen nachstellen. Casanova. Ganz davon abgesehen, dass er seine Chance bereits vertan hatte... Als Ruffy auch nach der dritten Runde nur so vor Lustlosigkeit strotzte, platzte Zorro der Kragen. „Nun spuck schon endlich aus, was dir auf der Seele brennt! So kenn ich dich ja gar nicht. Es sieht dir überhaupt nicht ähnlich, so einen Trübsal zu blasen. Das geht nun schon fast eine ganze Woche so.“ und etwas sanfter fügte er noch hinzu: „Ruffy, wir machen uns alle tierische Sorgen um dich.“ Angesprochener sackte auf einen Barhocker und knibbelte mit den Fingern. Ihm war nicht nach reden zumute. Aber lachen wollte er auch nicht. Und nach hause eigentlich auch nicht. Oder doch? Eigentlich wollte er schon. Aber er hatte Angst vor einem Aufeinandertreffen mit Nami. Zorro setzte sich neben ihn und lehnte sich an die Bar. „Du hast dir mit Kid die Kante gegeben am Sonntag, hast dich Montag von Lysop zutexten lassen, warst dann Dienstag mit Franky auf der Rennbahn nach der Arbeit und gestern hast du Sanji die Haare vom Kopf gefressen. Heute sind wir beide hier. Ich habe keine Ahnung, zu wem du noch alles rennen willst, bevor du endlich den Mund aufmachst. Willst du ans andere Ende der Welt und Corsa und Vivi anschweigen? Oder zwei Städte weiter ins Candy-Ghost-Land zu Bonny und Perona? Willst du in die Wüste zu Sabo und ihm beim Sandkornzählen helfen? Oder muss ich ernsthaft Ace anrufen und herbestellen, damit du endlich dein Schweigen brichst?!“ Ruffy zog seinen Strohhut tief ins Gesicht. „Ich weiß es nicht, Zorro. Ich fühle mich... komisch... alles ist irgendwie dumpf und taub und seltsam. Ich weiß ja selbst nicht, was los ist. Wie soll ich da mit jemandem drüber reden?“ Hilflos richtet er nun doch den Blick an seinen besten Freund. „Ich hatte gedacht, wenn ich mal wieder etwas Zeit mit euch verbringe, geht das wieder weg. Aber das tut es nicht.“ „Hmm... da ich weiß, dass es in deiner Familie keinen Todesfall gab, bleibt nur noch Liebeskummer. Ist das einzige, was auf deine Beschreibung passen würde. Könnten auch Depressionen sein aber ich bin ja kein Psychodoktor.“ Damit stand der Grünhaarige wieder auf, schlug seinem Kumpel kräftig zwischen die Schulterblätter, dass es ihn vom Hocker riss und meinte trocken: „Beweg deinen Arsch nach hause und rede mit Nami! Etwas anderes wird dir nicht helfen. Und komm ja nicht wieder angekrochen, bevor das nicht erledigt ist! DANACH kannst du dich gern ausheulen kommen.“ Zorro schulterte seine Trainingstasche, hob die Hand zum Abschied und verließ den Keller. Zurück blieb ein immernoch mürrischer und geknickter Ruffy. Aber immerhin hatte er nun endlich einen Anhaltspunkt. Liebeskummer nannte man das also. Und dann soll man ausgerechnet mit der Person darüber reden, die dafür verantwortlich ist? Wirklich logisch klingt das in seinen Ohren nicht. Aber er wird es tun müssen, sonst durfte er sich nicht mehr bei seinen Jungs blicken lassen. Sowas gemeines aber auch! Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- 8. Kapitel: Es war die Nacht von Freitag auf Samstag der ersten Augustwoche. Draußen war es stickig, schwül und unsagbar heiß. Schon vor Dienstantritt beschlich Nami so ein ungutes Gefühl, dass dieser Tag noch mehr als nur dieses erdrückende Wetter für sie bereit hielt. Und sie sollte Recht behalten... Am Abend kamen kurz vor Schichtwechsel gleich fünf Krankenwagen vorgefahren. Jugendliche, die sich selbst überschätzt hatten. Jeder musste den anderen beweisen, wie cool er ist. Na gut, eigentlich wollten die fünf Bengel nur einem bestimmten Mädchen beweisen, wie cool sie sind. Und das ging gründlich in die Hose. Bei einem Stuntversuch mit ihren Skateboards waren die Idioten ineinander gestoßen. Wäre alles halb so schlimm, aber sie befanden sich zu diesem Zeitpunkt oberhalb eines Treppengeländers einer 100-Stufen Treppe. Geplant war, dass sie zeitgleich auf dem Geländer aufkommen und hintereinander in Reihe das ziemlich lange Geländer herunterrutschen sollten. Das... hatte nicht wirklich funktioniert. Zeitgleich kamen sie auf, waren aber bereits beim Sprung kollidiert und dann teils unsanft auf dem Geländer gelandet oder direkt auf den Stufen und sind allesamt die 100 Stufen herunter gepurzelt wie nasse Säcke. Nachdem ihre fünf Verehrer stark lädiert, gedemütigt und ungesund verrenkt unten angekommen waren, hatte das Mädchen sofort die Krankenwagen gerufen. Bei einem der Pechvögel durfte sie sogar mitfahren. Das nannte man dann wohl Glück im Unglück – zumindest für einen der fünf. Nami massierte sich die Schläfen. Sie hatte alle Röntgen- und CT-Aufnahmen besichtigt und schon jetzt graute es ihr vor den anstehenden Operationen. Alle Fünf würden unters Messer müssen. Das würde eine schlaflose Nacht werden... Ihr Telefon klingelte und erleichtert sah sie Kayas Dienstnummer auf dem Display. „Kaya. Schön, dass du anrufst. Ist alles gut auf Station?“ „Selbstverständlich. Die Schwestern haben hier alles im Griff. Es sind ja auch nur wenige Kinder derzeit hier. Du hast wie immer den meisten ein Wochenende in Familie ermöglicht.“ Etwas peinlich berührt, versuchte Nami das Ganze zu überspielen. „Ach was, ich mach doch bloß meine Arbeit. Aber mal was anderes: Kaya, könntest du mir...“ „Assistieren? Ich bin schon auf dem Weg zum OP. Dachte, du fragst gar nicht mehr, hehe.“ Nami zog eine Grimasse, die Kaya selbstredend nicht sehen konnte. Aber das war gerade egal. Eigentlich freute sie sich, dass die Blonde so selbstständig und selbstbewusst geworden war. Außerdem würde es mit ihr die anstehende Tortur wesentlich erleichtern. Mit einem „Bis gleich“ legte die Kinderärztin auf und machte sich ebenfalls auf den Weg zum OP-Trakt. Die fünf Unglücksraben waren ebenfalls schon dorthin gebracht. Zwar konnte sie nur einen nach dem anderen operieren aber sie wollte die Jungs gerne zusammen in einem Raum lassen. Sie würden sich gegenseitig motivieren und aufziehen und somit die heranschleichende Angst vor der nahenden Operation vertreiben. Dem Mädchen hatte man freigestellt, ob sie nach hause möchte oder lieber im selben Zimmer mit ihren Idioten bleiben wollte. Sie hatte sich für letzteres entschieden, nachdem sie ihre Eltern informiert hatte. Mit den anderen Eltern hatte Nami bereits gesprochen. Nicht zuletzt wegen der Einwilligung zur Operation. Witzigerweise verhielten sich Eltern in derartigen Situationen immer gleich: Vor dem Arzt waren sie bestürzt, verängstigt und fassungslos aber kaum fühlten sie sich unbeobachtet im Beisein ihrer Kinder, wurde diesen noch direkt eine Kopfnuss verpasst, weil sie zu dämlich zum Atmen waren. Die Kinderärztin wusste genau, dass es für die Eltern lediglich ein Ventil war, um ihren Kindern auszudrücken, wie viel Sorgen sie sich wirklich machten. Aber alle Eltern wissen, dass man so etwas vor Teenagern nicht mehr aussprechen darf – schon gar nicht im Beisein von Freunden, das war uncool. Dennoch verstand jeder diese Geste. Nachdem die Eltern den Raum wieder verlassen hatten, wollte auch die Orangehaarige sich fertig machen, doch sie wurde aufgehalten. „Entschuldigen Sie bitte... werden... werden sie wieder gesund?“ Das Mädchen sah schüchtern zu Nami auf. Angesprochene drehte sich zu ihr um, legte ihre Hand auf den Kopf der Heranwachsenden und lächelte beschwichtigend. „Ich bekomme deine Jungs schon wieder hin, mach dir darum keine Gedanken. Aber...“ Mahnend richtete Nami sich wieder auf und erhob ihren Zeigefinger. „... du solltest ihnen diese Flausen echt austreiben! Wir sind schließlich nicht mehr im Mittelalter, wo man den Frauen mit halsbrecherischen Aktionen seinen Wert beweisen muss. Pass von jetzt an besser auf sie auf. Immerhin bist du die Vernünftige in der Gruppe.“ Ihr Ton wurde wieder sanfter. „Auch wenn du nur einem von ihnen dein Herz schenkst, so seid ihr doch durch ein enges Band der Freundschaft miteinander verbunden. Das kann ich sehen.“ „Danke, Dr Tamino. Das werde ich. Versprochen!“ „Sehr gut. Den Rest kannst du getrost mir überlassen. Ich flick' die Jungs schon wieder zusammen. Bis später.“ Damit wandte Nami sich dem OP zu und verschwand hinter einer Flügeltür, die das Mädchen nicht passieren durfte. Etwas wehmütig bereitete sie sich auf die erste Operation vor. Das Sechsergespann erinnerte sie an sich selbst. An ihre Jugend. An ihre Jungs – Zorro, Sanji und Lysop. An Ruffy. „Ruffy...“ wisperte sie und wischte sich schnell über die Augen. Seit einer Woche hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen oder ihn gar gesehen und so langsam wurde dieses beklemmende Gefühl in ihrer Brust unerträglich. Aber sie durfte jetzt nicht an ihn denken! Sie durfte an gar nichts denken, außer an die bevorstehende Operation! Das war sie dem Mädchen schuldig. Die erste Operation verlief reibungslos und obwohl sie diese als die schwierigste und dringlichste eingestuft hatte, gab es keinerlei Komplikationen. Das konnte man von den beiden folgenden nicht behaupten. Als hätte Nami irgendetwas getriggert, bekam sie immer wieder Herzrasen und ständig tauchte Ruffys Gesicht vor ihrem geistigen Auge auf. Also beschloss sie, eine Pause einzulegen und überließ Kaya die vierte Operation. Sie verfolgte diese lediglich aus der zweiten Reihe heraus. Für ihre letzte OP glaubte Nami sich wieder beruhigt zu haben und trat selbst wieder an den Tisch. Doch bereits kurz nach Beginn begannen ihre Hände ungewöhnlich stark zu zittern. Das kannte sie gar nicht von sich. Alle Versuche, sich zu beruhigen, scheiterten und zu allem Überfluss ließ sie auch noch ihr Skalpell fallen, welches eine hässliche Schnittverletzung am Bein des Jungen verursachte. Kaya schaltete schnell genug, behob den Fehler und übernahm auch diese Operation. Völlig perplex blieb die Orangehaarige an Ort und Stelle stehen. Sie konnte nichts tun, nicht klar sehen, geschweige denn einen Gedanken fassen. Sie stand einfach nur da und zitterte am ganzen Körper. Erst als Kaya sie sanft an der Schulter berührte, schien sie aus ihrer Starre zu erwachen. „Kaya... ich... entschuldige...“ Selbst die richtigen Worte fehlten ihr. Was war nur in sie gefahren? „Ist schon okay, Nami. Was immer da auch gerade passiert ist, es ist vorbei. Komm. Wasch dich erst einmal und dann solltest du dich dringend ausruhen. Sicher bist du nur überarbeitet.“ Liebevoll aber bestimmt bugsierte die Blonde Nami aus dem Saal in den Vorbereitungsraum. Selbstzweifel und Vorwürfe überfielen die junge Kinderärztin. Sie hatte es versprochen! Sie wollte sich nach besten Wissen und Gewissen um die Jungs kümmern. Um all ihre Patienten! Und was tat sie stattdessen?! Verpasste dem armen Kind eine weitere, sinnlose Narbe. Sie war so nutzlos... Wie konnte sie nur denken, irgendetwas zu können? Sie war ein Nichts ohne Kuleha. Erneut begann sie am ganzen Körper zu zittern, doch dieses Mal konnte Kaya sie fest in den Arm nehmen und ihr Halt geben. „Ich weiß nicht, was es ist, dass dich so fertig macht. Und ich weiß, dass ich nicht die richtige Person bin, mit der du darüber reden willst. Aber bitte, Nami, … bitte...“ Die Blonde vergrub ihr Gesicht an Namis Schulter. „Werde wieder du selbst. Wir brauchen dich. ICH brauche dich...“ Die Orangehaarige schreckte aus ihren düsteren Gedanken und legte nun ihrerseits die Arme um die Blonde. Wie konnte sie nur so schlecht von sich selbst denken? Alles, was sie erreicht hatte, hatte sie aus eigener Kraft geschafft. Natürlich hatte Kuleha einen Großteil dazu beigetragen, dass sie überhaupt einen so steinigen Weg gegangen war, aber letzten Endes war sie ihn allein gegangen. Sie war da, wo sie sein wollte. Und sie hatte Menschen um sich, die ihr vertrauten und auf sie bauten. Tief atmete sie ein und aus, bevor sie ihr bekanntes Lächeln aufsetzte und Kaya ansah. „Du hast Recht. Ich sollte mich echt zusammenreißen! Außerdem ist dank dir alles nochmal gut gegangen. Na komm. Wir sollten dem Mädchen die guten Nachrichten überbringen.“ Auch Kaya fand ihr Lachen wieder. „Sie sitzt bestimmt schon im Zimmer und hält Händchen.“ „Da könntest du glatt Recht haben.“ Gemeinsam verließen sie den OP-Trakt und wollten durch die große Halle zur Kinderstation. Doch auf halbem Weg spürte Nami einen intensiven Blick auf sich, blieb stehen und sah sich um. Oben auf der Galerie stand ihr Chefarzt. Die Miene unleserlich, taxierte er die Kinderärztin mit seinen kalten, grauen Augen. Es bedurfte keiner Worte. In dem Moment, als er sich zum Gehen wandte, wusste sie, dass sie umgehend in seinem Büro zu erscheinen hatte. Der Grund dafür lag auf der Hand: Ihr Versagen in der letzten Operation. „Ich glaube, du musst der Kleinen die gute Nachricht allein überbringen.“ „Verstehe. Viel Glück, Nami.“ Glück? Nein, das konnte sie auch nicht mehr retten. Höchstens ein Wunder! Law hatte am ersten Tag unmissverständlich klar gemacht, dass er Perfektion von seinen Mitarbeitern erwartete. Und was sie eben abgeliefert hatte, war jenseits aller Ansprüche ihres Chefarztes. Gedanklich machte sie sich bereits auf eine Abmahnung gefasst. Mit Sicherheit würde er ziemlich wütend sein. Und enttäuscht... Etwas zaghaft klopfte sie an die doch so vertraute Tür, neben der nun ein ganz anderes Namensschild hing, als noch vor knapp einer Woche. >>>Dr. med. sc. Trafalgar D. Water Law<<< Er war also auch Doktor für Psychologie? Was für ein Angeber... Und schon hatte sie wieder ihr nötiges Feuer für die anstehende Konfrontation. Also klopfte sie direkt noch einmal energischer an die Tür. „Treten Sie ein, Dr. Tamino.“ Natürlich wusste er, dass sie vor der Tür stand. Er wusste ja auch immer ganz genau, was in diesem Krankenhaus vor sich ging. Als ob er seine Augen überall hätte. Der Typ war eindeutig nicht normal! Und dennoch... Es gab einige Momente, in denen er sich ihr gegenüber mehr als einfühlsam gezeigt hatte. All das schoss ihr in weniger als einer Sekunde durch den Kopf, während sie die Tür öffnete und hinter sich wieder verschloss. „Sie wollten mich sprechen, Dr Trafalgar.“ Ihre Miene war unbewegt und doch tobte in ihr ein Sturm aus Emotionen, den sie nur schwer bändigen konnte. „Setzen Sie sich, Dr Tamino.“ Ohne zu zögern, kam sie seiner Aufforderung nach. Sie überschlug ihre Beine und legte ihre Arme aneinander. Ihre Haltung war nicht ganz so abweisend, wie bei ihrem ersten Gespräch, signalisierte aber dennoch eine gewisse Distanz. Hier in diesem Moment musste sie professionell bleiben. Er war ihr Chefarzt. Ihr Vorgesetzter. Nichts weiter. „Können Sie mir sagen, was genau da vorhin vorgefallen ist?“ Das sah ihm ähnlich. Ohne großes Vorgeplänkel direkt auf den Punkt. „Es war eine lange Nacht. Vermutlich hat meine Konzentration nachgelassen. Glücklicherweise konnte schlimmeres verhindert werden. Mir ist ein Fehler unterlaufen und ich stehe dazu. Ich bin schließlich auch nur ein Mensch. Auch wenn ich mir dessen bewusst bin, dass das Ihren Ansprüchen nicht im Mindesten genüge tut.“ Law verschränkte die Finger vor seinem Gesicht und fixierte Nami. Er war nicht wirklich zufrieden mit der Antwort. Irgendetwas brodelte da unter der Fassade, das spürte er ganz deutlich. Und solange das nicht behoben war, konnte sich dieser Fehler jederzeit wiederholen. Also wie sollte er sie aus der Reserve locken? „Nein. Dieses Mal ist nichts passiert. Aber was ist beim nächsten Mal? Können Sie mir garantieren, dass sich der Vorfall von eben nicht wiederholen wird?“ „Wie ich schon sagte: Ich bin ein Mensch! Mein Dienst war lang und arbeitsreich. Wenn Sie nicht wollen, dass sich so etwas wiederholt, lassen Sie mich in meinen Feierabend gehen und ausruhen.“ Immerhin war es bereits Mittag, dabei hätte sie nur bis 9 Uhr Dienst gehabt. Sie war müde, hungrig und bekam allmählich schlechte Laune. „Wenn das so ist...“ er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und Nami sah das als Aufforderung, den Raum zu verlassen. Doch sie war noch gar nicht an der Tür, da setzte er wieder an. „Room!“ Nur ein einziges Wort. Doch sie wusste genau, was es bedeutete. Es war ihr Codewort. Es wurde ein Raum geschaffen, in dem sie nur zwei einfache Menschen waren. Nur Law und Nami. Aber warum nur musste er es ausgerechnet jetzt benutzen? Wut stieg in ihr auf und sie wirbelte herum, schlug ihre Hände flach auf seinen Schreibtisch und brüllte ihn an: „Was fällt dir eigentlich ein? Ich habe keine Probleme, okay! Es geht mir gut! Ich brauche deine beschissenen Ratschläge nicht! Lass mich gefälligst gehen!“ Beschwichtigend breitete er die Arme aus und zuckte mit den Schultern. „Du kannst diesen Raum jederzeit verlassen.“ Immer noch in Rage drehte sie sich wieder um, doch ihre Hand am Türknauf vermochte nicht, diese zu öffnen. Wieso konnte sie nicht einfach gehen? Weg von hier. Weg von ihm. Weg von diesen Augen, die ihr bis in ihr Innerstes sehen konnten... „Glaubst du ernsthaft, ich sehe es nicht? Dein Zittern. Deine verkrampfte Haltung. Dein ganzes Auftreten ist eine Fassade, die sich um Kontrolle bemüht. Was bringt dein Inneres derart aus der Fassung, dass du nicht einmal während einer OP deinen kühlen Kopf bewahren kannst?“ Seine grauen Augen bohrten sich bis in ihre Seele. Und erneut hatte er sie an einen kritischen Punkt gebracht. Ihre Tränen flossen wie wilde Bäche. Warum nur konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen? Warum musste er immer wieder dafür sorgen, dass sie in seiner Gegenwart anfing zu heulen, wie ein kleines Kind? „Ich hasse dich, Law!“ schluchzte sie. „Das erwähntest du bereits.“ kommentierte er schmunzelnd, während er zu ihr kam und sie einfach umarmte. „Du bist so ein sadistisches Arschloch! Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich will nicht, dass du mich so schwach siehst...“ „Du bist immer so schrecklich charmant, wenn du traurig bist... Im Übrigen ist es keine Schwäche, sich seiner Gefühle gewahr zu werden und sich mit ihnen auseinander zu setzen. Im Gegenteil. Wenn man versucht, sie zu verdrängen und zu ignorieren, dann erst ist man wirklich schwach.“ „Hör auf, immer den Klugscheißer raushängen zu lassen und gib mir lieber ein Taschentuch!“ Beinahe in Zeitlupe schloss Nami die Wohnungstür auf. Sie wusste nicht, wie lange sie Law die Ohren vollgeheult hatte aber erneut hatte er ihr zugehört und tatsächlich herausgefunden, wo ihr Problem lag. Sie sollte endlich mit Ruffy reden, das Problem aus der Welt schaffen. Nur so könnte sie sich wieder auf ihre Arbeit konzentrieren. Als ob sie das nicht versucht hätte... er war ja nie zu hause, wenn sie kam! Seufzend ließ sie sich an der Tür herunter gleiten und legte schlaff ihren Kopf auf ihre Knie. Was waren das nur für verrückte Wochen? Wie konnte alles so plötzlich aus dem Ruder geraten? „Nami?“ Völlig überrascht fuhr sie hoch und stolperte zwei Schritte vorwärts, direkt in Ruffys Arme. Er war zu Hause? In ihr breiteten sich gemischte Gefühle aus Freude und Wut aus. Sie beschloss, zuerst der Freude nachzugehen und fiel ihm um den Hals. Etwas perplex verharrte der junge Mann vorerst in seiner Position. Dann nahm er behutsam ihre Arme von seinem Hals und sah sie an. „Können wir reden?“ „Ja, bitte.“ Endlich! Gemeinsam setzten sie sich in die Küche und obwohl Nami todmüde war und eigentlich nur noch schlafen wollte, entschied sie sich, das jetzt durchzuziehen. Sie würde keinen klaren Gedanken fassen können, geschweige denn vernünftig operieren können, wenn das hier nicht endlich geklärt wäre! Ruffy spielte mit seinem halbvollen Wasserglas und mied Namis Blick. Und obwohl er das Gespräch eigentlich gesucht hatte, fehlten ihm nun die nötigen Worte. Wie fing man so etwas überhaupt an? Oder sollte er erst einmal über etwas belangloses reden? Die Arbeit vielleicht? Ihm schoss sofort ihr letzter gemeinsamer Abend in den Kopf und der abschließende Streit. Okay, vielleicht doch nicht über die Arbeit reden. Aber worüber dann? Oder... doch genau darüber? Denn das war ja der Grund, warum sie gestritten haben. Oh Himmel, warum war das bitte so kompliziert?!? Nami hatte sich derzeit einen Kaffee gekocht und setzte sich nun mit einem langgezogenen Seufzer ihrem Freund gegenüber. „Also?“, begann sie. Irgendwann mussten sie schließlich anfangen zu reden. Sie wurde schließlich auch nicht wacher... „Ja, weißt du... wegen neulich. Irgendwie...“ „Entschuldige bitte, Ruffy.“, fiel sie ihm direkt ins Wort und sah ihn aus traurigen Augen an. Denn es tat ihr wirklich Leid. „Ich wollte unseren Jahrestag ganz sicher nicht so verbringen.“ „Ich auch nicht. Aber es ist echt schwer, irgendetwas zu planen, wenn du immer wieder zur Arbeit rennst...“ Ruffys Ton klang leicht genervt und sofort horchte Nami auf. „Ich wollte den Tag nur mit dir verbringen aber du hast ja nicht einmal geschrieben oder angerufen. Ich habe mich die letzten Tage oft gefragt, wer dir wichtiger ist: Ich oder dein Job?“ Nami stemmte die Hände auf den Tisch und fuhr hoch. „Du natürlich! Was für eine dämliche Frage! Und ich habe mich nicht melden können, weil ich die ganze Zeit im OP stand! Ich dachte, du verstehst das.“ „Arbeit! Es geht immer nur um deine Arbeit! Ich sehe ja ein, dass deine Arbeit wichtig ist aber zum einen hast auch du ein Privatleben und zum anderen bist du nicht die einzige Ärztin im ganzen Land!“ „Aber ich bin nun mal die beste auf meinem Gebiet in diesem Land!“ „Oh, jetzt bekommen wir also auch noch Höhenflüge! Auch du bist nur ein Mensch, Nami! Und Menschen machen Fehler. Niemand ist unfehlbar – hat dir das die alte Kuleha nicht beigebracht?“ „Rede nicht so über meine Mentorin als würdest du sie kennen! Du hast überhaupt keine Ahnung! Nicht von ihr, nicht von meiner Arbeit und langsam frage ich mich, ob du überhaupt weißt, wer ich bin?“ Ganz langsam stand er nun auf, sah sie dabei unverwandt an und blieb direkt vor ihr stehen. „Ich dachte, ich würde dich kennen. Und ich bin mir sicher, es gab mal eine Zeit, da hat das auch tatsächlich gestimmt. Aber du hast dich verändert. Oder... war das schon immer dein wahres Ich und ich habe es nur nicht gesehen?“ Ruffy ging aus der Küche ins Schlafzimmer, nahm seinen Rucksack und seinen Strohhut und war schon fast aus der Tür. „Vielleicht sollten wir eine Pause einlegen. Und wenn wir etwas Abstand gewonnen haben, noch einmal versuchen herauszufinden, wie viel wir wirklich voneinander wissen. Und ob wir unter diesen Bedingungen noch zusammen sein können.“ Damit verließ er endgültig die gemeinsame Wohnung und ließ Nami an Ort und Stelle zurück. Zwei weitere Tage waren vergangen, in denen die junge Kinderärztin zwischen Wutanfällen und Zusammenbrüchen mehr schlecht als recht zurechtkam. Die Stationsarbeit überließ sie hauptsächlich Kaya, verkroch sich selbst häufig in ihrem Dienstzimmer und zeigte sich nur selten. Sie redete wenig, aß kaum etwas und wenn sie jemand ansprach, setzte sie ein freundliches aber künstliches Lächeln auf und behauptete stets, dass alles in bester Ordnung sei. Doch am dritten Tag nach dem Streit konnte sie sich nicht mehr verkriechen, denn sie wurde zu einer Notoperation gerufen. Zwar handelte es sich nicht um ein Kind aber da auch sie eine Chirurgin war, und es sich um einen derart großen Eingriff handelte, dass alle verfügbaren Ärzte gerufen wurden, hatte sie keine andere Wahl. Der Patient hatte einen schrecklichen Unfall hinter sich und mehrere Baustellen, die gleichzeitig versorgt werden mussten. Bei der ohnehin verschwindend geringen Überlebenschance, war das ihre einzige Hoffnung, den Patienten zu retten. Dank den klaren und strukturierten Anweisungen des Chefarztes, lief die Operation reibungslos. Aber ausgerechnet kurz vor Ende unterlief Nami erneut ein Fehler, der eine Gefäßruptur zur Folge hatte. Die ohnehin angespannte Atmosphäre wurde plötzlich hektisch und Chaos drohte auszubrechen. Doch Law behielt seinen kühlen Kopf, gab schnell präzise Anweisungen und der Schaden konnte zeitnah behoben werden. Was jedoch nichts daran änderte, dass die Orangehaarige sich noch schlechter fühlte als ohnehin schon. Erschöpft zog sie sich um und aus dem OP-Trackt zurück, bevor Law sie abfangen konnte. Sie musste sich unbedingt kurz sammeln, andernfalls konnte sie für nichts garantieren, wenn er sie mit dieser Situation konfrontierte. Denn das würde er zweifelsohne noch tun. Sie ließ sich im Dienstzimmer der Schwestern auf einen Stuhl fallen und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Sie war so schrecklich ausgelaugt und leer. Wo war nur all ihre Energie hin? „Dr Tamino.“ Da war er ja auch schon. Warum nur musste er sie so schnell finden? Sie war noch nicht so weit, sich mit ihrem Chefarzt auseinander zu setzen. „Würden Sie bitte mitkommen.“ Doch sie blieb wo sie war, sah ihn nur aus müden Augen an und protestierte mit dem letzten Bisschen der ihr verbliebenen Kraft. „Warum sollte ich das, Dr Trafalgar? Wir wissen beide, was eben geschehen ist. Es bedarf keiner weiteren Analyse. Und wenn Sie irgendwelche Sanktionen über mich verhängen wollen, können Sie das auch gern hier tun. Dann wissen meine Kollegen wenigstens gleich Bescheid.“ Laws Augenbraue zuckte kurz und sie konnte deutlich vernehmen, wie er kurz einatmete, anscheinend bemüht, seine Fassung zu halten. War er etwa ebenfalls ausgelaugt? Angespannt? Er war definitiv nicht so ruhig wie gewöhnlich. „Ich würde mich aber gern unter vier Augen mit Ihnen unterhalten wollen.“ „Aber ich will das nicht!“ Ihr Kampfgeist loderte wieder auf und bescherte ihr einen Energieschub. Jetzt wütend stand sie auf und ging sogar auf ihn zu, bis sie auf Augenhöhe mit ihm war und blickte ihn trotzig an. Allein dieser kurze Disput hatte dafür gesorgt, dass sämtliches Personal der Kinderstation innehielt in ihrem Tun, um das zu sehen. Die Spannung zwischen den Beiden war beinahe greifbar. „Dr Tamino. Das ist eine Dienstanweisung Ihres Vorgesetzten.“ knurrte er. „Und ich bin nicht gewillt, dieser Anweisung nachzukommen. Es gibt nichts, was Sie mir nicht auch hier sagen könnten.“ Law schloss die Augen und kniff sich in den Nasenrücken. Diese Frau machte ihn fertig! „Sie haben es so gewollt...“ Er sah sie wieder an und seine grauen Augen loderten geradezu vor Kälte. „Da Sie meiner Empfehlung, Ihre Probleme in den Griff zu bekommen, anscheinend nicht nachgekommen sind, werden Sie hiermit mit sofortiger Wirkung auf unbestimmte Zeit von sämtlichen Operationen ausgeschlossen!“ „Das können Sie nicht machen!“ zischte sie wütend zurück. „Doch, ich kann. Und ich habe es gerade getan.“ „Ich habe Ihnen vor einigen Tagen bereits gesagt, dass ich nur ein Mensch bin! Menschen machen Fehler! Es tut mir Leid, dass Sie das in ihrem tollen Plan nicht mit einkalkuliert haben, DOKTOR Trafalgar!“ sie schnaubte wütend, bevor sie erneut losschoss: „Im Übrigen habe ich meine Probleme sogar bestens im Griff. Sie auch?“ Der Schuss ging eindeutig unter die Gürtellinie und brachte das Fass zum Überlaufen. „Halten Sie gefälligst mein Privatleben aus ihren Fehlern heraus! Sie haben nichts miteinander zu tun. Und jetzt packen Sie Ihr Zeug. Sie sind bis auf Widerruf suspendiert, DOKTOR Tamino!“ Brodelnd vor Wut schoss Nami an ihm vorbei in ihr Zimmer, packte ihren Kram und rauschte davon. Zurück ließ sie ihre geschockten Kollegen, sowie empörte Schwestern und einen ziemlich aufgebrachten Law. Kapitel 9: Kapitel 9 -------------------- 9. Kapitel Nun war schon fast eine ganze Woche vergangen, seit Law seine stationsleitende Kinderärztin suspendiert hatte. Insgeheim verfluchte er sich dafür, dass er so reagiert hatte. Ihm waren einfach die Sicherungen durchgebrannt. Aber sie hatte ihn auch dermaßen provoziert! Er wollte es gar nicht so weit kommen lassen. Im Grunde wollte er ihr nur helfen, denn er konnte sehen, wie sie unter ihrer Situation litt. Ihre Beziehung stand auf Messers Schneide und wahrscheinlich würde den Beiden nur noch ein Wunder helfen. Aber was ging es ihn eigentlich an? Es war doch sonst nicht seine Art, sich in derart private Angelegenheiten einzumischen. Sein eigentlicher Plan, ihr eine Auszeit zu gönnen, ging komplett nach hinten los. Er hatte ihr Urlaub angeboten, freie Tage, Abbummeln von Überstunden – doch sie hatte alles abgelehnt. Sie wollte unbedingt arbeiten. Und dann passierte ein Fehler nach dem anderen. Er hatte ja gar keine andere Wahl gehabt, als sie zu suspendieren. Oder? Genervt massierte er sich die Schläfen und warf einen wütenden Blick auf das stumme Telefon in seinem Büro. Warum rief sie nicht einfach an und entschuldigte sich bei ihm? Ohne zu zögern würde Law die Suspendierung wieder aufheben und Nami wieder arbeiten lassen. Was tat sie nur? Was ging bloß in ihrem Kopf vor, dass sie so stur war und ihren Fehler nicht zugeben konnte? Oder... … hatte vielleicht ER einen Fehler begangen? War er zu hart mit ihr ins Gericht gegangen? Sollte er den ersten Schritt machen und das Gespräch suchen? Oder würde das alles nur noch verschlimmern? Fakt war; irgendetwas musste passieren! Zwar hatte Kaya die Kinderstation verhältnismäßig gut im Griff, doch so langsam ging das gesamte Personal eben jener Abteilung auf die Barrikaden. Alle wollten, dass Nami wieder zurückkam. Auch Herr Eisberg. Der sonst so freundlich und friedlich wirkende Mann hatte ihm am Morgen einen knappen Besuch abgestattet. Seine Aura war so kalt wie sein Name. Nur ein einziger Satz hatte seine Lippen verlassen, nachdem er ihn mit seinen Blicken auf nahezu jede Art und Weise qualvoll um die Ecke gebracht hatte. Noch nie war Law ein derart kalter Schauer über den Rücken gelaufen. „Bringen Sie sie zurück!“ Law fröstelte es erneut, als er daran dachte. Stolz hin oder her, er würde die Sache wohl selbst in die Hand nehmen müssen. Kurzerhand fasste er einen Entschluss: Er würde zu ihr fahren. Jetzt! Eine weitere leere Rotweinflasche gesellte sich zu den anderen. Wie viele es mittlerweile waren, wusste Nami nicht. Sie hatte irgendwann aufgehört zu zählen. Wozu auch? Ruffy war fort. Er ignorierte sämtliche ihrer Versuche, ihn zu kontaktieren. Zwar hatte sie am Dienstag Zorro beim Einkaufen getroffen und von ihm erfahren, dass Ruffy sich in der Wohnung seines Bruders aufhielt, doch das nützte ihr wenig. Als der Schwarzhaarige wusste, wer da vor der Tür stand, ging er einfach nicht mehr an die Klingel. Er hatte es also ernst gemeint mit dem Abstand und der Auszeit. Sie dachte, sie würde irgendwie damit klar kommen, wenn sie einfach nur arbeiten könnte – doch dann schoss ihr ein, dass sie suspendiert worden war. Sie durfte gerade also gar nicht arbeiten. Wie sollte sie sich dann bitte ablenken? Nicht einen klaren Gedanken konnte sie mehr fassen. Ihre Brust schmerzte, ihr Kopf pochte und absolut nichts vermochte diese Gefühle zu vertreiben. Also war sie losgezogen, um Alkohol zu kaufen. Viel Alkohol. Als sie die erste Flasche angesetzt hatte, kamen ihr noch leise Zweifel. Sollte sie das wirklich tun? Ein Glas könnte auch schon reichen. Sollte ihr Pieper gehen, müsste sie immerhin einsatzbereit sein. Doch mit genau diesem Gedanken verschwanden auch alle anderen. Ihr Pieper würde nicht gehen, denn man hatte sie suspendiert. Weil sie die Wahrheit gesagt hatte! Weil sie ein Mensch war! Vor ihrem geistigen Auge flackerten Laws kalte Augen auf und Wut stieg in ihr hoch. Sie setzte die Flasche an und begann zu trinken. Sie wollte nur noch vergessen... Ihre Wut. Ihre Enttäuschung. Ihre Trauer. Sie wollte Law vergessen und Ruffy. Und... Kuleha... Sie fühlte sich so schrecklich allein gelassen. Die leere Wohnung und der Alkohol taten ihr Übriges dazu. Immer wieder hatte sie geweint. Stundenlang. Irgendwann ging ihre Trauer in Resignation über und während sie eine Flasche nach der anderen leerte, um sich selbst weiter zu betäuben, starrte sie stumm aus dem Küchenfenster ins Leere. Niemand war mehr da. Niemand würde sie trösten. Niemand brauchte sie. So trübe und düstere Gedanken hatte sie nie zuvor gehabt. Es entsprach überhaupt nicht ihrem sonst so sonnigen Wesen. Langsam griff sie zu einer weiteren Rotweinflasche und fixierte die dunkle Flüssigkeit darin. Sie hatte immer so hart gearbeitet, so fleißig gelernt. Etwa für das hier? Sollte das schon alles gewesen sein? Ein lautes Klingeln und energisches Klopfen rissen sie aus ihren merkwürdigen Gedankengängen. Zunächst konnte sie die Geräusche überhaupt nicht zuordnen. Langsam stand sie vom Stuhl auf, schwankte ein wenig und stützte sich den Kopf. Ob die letzte Flasche wohl schlecht gewesen war? Das Klingeln wurde penetranter, die Intervalle kürzer, in denen dieser grässliche Ton erklang und auch das Klopfen artete in eine Art Hämmern aus. Und endlich konnte sie es auch zuordnen: Die Wohnungstür. Jemand stand davor und wollte allem Anschein nach ziemlich dringend hier herein. Etwa zu ihr? Mehr schlecht als recht taumelte sie dorthin und registrierte nun auch dumpfe Rufe. Machte sich da jemand Sorgen? Um sie? Aber wer...? Sie öffnete die Tür und vor ihr stand kein geringerer als ihr Chefarzt persönlich. Ihre aufkeimende Vorfreude schlug sofort wieder um und wütend wollte sie die Tür wieder zuknallen, als er einen Fuß dazwischen setzte und von außen gegen drückte. „Nami, wir müssen reden.“ „Verschwinde!“ zischte sie böse, doch sie hatte kaum genug Kraft, um sich auf den Beinen zu halten. Gegen Trafalgar hatte sie da nur wenig Chancen, der sich mit aller Kraft gegen die Tür drückte. „Ich hab mir Sorgen gemacht. Hör mir doch wenigstens zu. Bitte!“ Es klang fast schon wie ein Flehen und das letzte Wort aus seinem Munde brach endgültig ihren Widerstand. Entweder war er ein guter Schauspieler oder ihm lag tatsächlich etwas an ihr. Oder nur an ihr als Ärztin? Sie verwarf den Gedanken gleich wieder. Das würde sie schon noch früh genug erfahren. Sie ging von der Tür zurück und ließ ihn eintreten. Ein erleichtertes Aufseufzen kam von ihm. Er war also wirklich froh, hier zu sein? Sie angetroffen zu haben. Law schloss sorgfältig die Tür wieder hinter sich. Es war ein Wunder für sich, dass keiner der Nachbarn sich bisher beschwert hatte. Immerhin klingelte er bereits seit mehr als zehn Minuten sturm bei ihr und hämmerte wie ein Irrer gegen die Tür. Er hatte von draußen ihren Kopf gegen das Fenster lehnen sehen und sofort schrillten bei ihm sämtliche Alarmglocken. Jetzt wo er endlich in der Wohnung war, schienen sie aber nicht leiser zu werden. Er vernahm den süßlichen Duft von Alkohol, der überall in der Wohnung lag und auch stark an Nami haftete. Außerdem schien sie alles andere als standfest – sie schwankte leicht, obwohl sie sich keinen Zentimeter gerührt hatte, seit er eingetreten war. Und dann fiel ihm noch etwas auf, dass ihm vermutlich das größte Unbehagen bereitete: Nami hatte lediglich ein zerknittertes Hemd und eine Hotpan an! In was für eine Situation hatte er sich denn da schon wieder gebracht? „Was willschu?“ nuschelte Nami mit schwerer Zunge. „Nur reden. Können wir uns irgendwo hinsetzen?“ Er sah sich bereits in dem großzügigen Eingangsbereich um. Rechts von ihnen war ein offener Bereich und sofort erkannte er, das Fenster, an dem Nami vorhin noch gelehnt hatte. Er sah die Flaschen quer verteilt umher liegen und sah besorgt zu seiner Kinderärztin. Was hatte sie nur dazu veranlasst, sich derart gehen zu lassen? Auch wenn er sie erst kurz kannte, so war er sich doch mehr als sicher, dass diese Handlungen sonst so gar nicht zu ihr passten. Etwas unbeholfen tapste Nami in Richtung Küche, stolperte fast über einige umher liegende Flaschen und trat wieder den Rückzug an. Doch durch dieses verhältnismäßig ungestüme Wendemanöver geriet ihr letztes bisschen Gleichgewicht völlig außer Kontrolle und ihre Knie gaben nach. Sie war sich sicher, dass sie fallen würde. Also schloss sie schnell die Augen und wartete auf den eintreffenden Schmerz. Der nicht kam. Stattdessen wurde sie hochgehoben und reflexartig schlang sie ihre Arme um ihren Retter. Natürlich hatte Law sie aufgefangen. Und um weitere Missgeschicke zu vermeiden, hatte er sie einfach auf seine Arme gehoben und steuerte nun auf das Ende des Flurs gegenüber der Eingangstür zu. Meistens waren solche Wohnungen so geschnitten, dass das Wohnzimmer dem Eingang gegenüber lag. Und er sollte Recht behalten. Er legte Nami behutsam auf dem gemütlichen Sofa ab und legte ihr sofort danach eine Tagesdecke über. Zum einen hatte er dann nicht mehr ständig ihre nackten, langen Beine vor seinen Augen, und zum anderen kühlte sie so nicht weiter aus. Einer der unzähligen Nachteile von Alkohol. Law nahm an ihrem Fußende Platz – so war wieder genug Raum zwischen ihnen – und musterte sie erneut. Ihre Wangen waren vom Wein ganz rot und ihre Augen glasig. Sie wirkte müde, traurig und abgespannt. Ob sie noch immer nicht mit ihrem Freund geredet hatte? „Ruffy ischt fort... kein Plan, ob er mich überhaupt nochmal sehn will...“ platzte sie einfach heraus. „Woher...?“ setzte Law an, doch Nami schüttelte nur ihren Kopf. „Schteht in Großbuchstabn auf deiner Stirn, Herr Meisterschefarscht!“ Etwas überrascht sah er sie einfach nur an, woraufhin die Orangehaarige plötzlich anfing schallend zu lachen. „Was genau ist so witzig?“ „Du siehscht so bescheuert aus, hahahahahaaaa!“ „Danke auch...“ Etwas mürrisch verzog er das Gesicht, war aber insgeheim froh darüber, dass sie doch noch lachen konnte. „Also, was ist vorgefallen?“ Die junge Frau ging wieder in eine defensive Haltung über. Sie zog ihre Knie an und versuchte sich dahinter zu verstecken. Doch bereitwillig erzählte sie Law von den Vorkommnissen der vergangenen Woche. Zur Zeit war er ihr einziger Vertrauter und mit irgendjemanden musste sie reden, sonst würde sie das alles um den Verstand bringen. „So war das also. Kein Wunder, dass dir dann diese Fehler passiert sind. Wenn ich das vorher gewusst hätte...“ „Du hast es gewusst! Tu nicht so unschuldig!“ Das viele Reden hatte ihre schwere Zunge wieder gelockert. „Nach dem ersten Vorfall im OP habe ich es dir gesagt! Du kanntest meine Situation ganz genau und trotzdem bist du so hart mit mir ins Gericht gegangen. Aber selbst wenn du es nicht gewusst hättest, weil es dich ja auch eigentlich überhaupt nichts angeht, war die Suspendierung unangemessen. Alle anderen Ärzte machen auch ihre Fehler aber da reagierst du nicht so streng. Warum muss ausgerechnet ich perfekt sein? Etwa weil ich eine Frau bin?!“ Irgendwie fühlte er sich vor den Kopf gestoßen. Und hinterfragte nicht zum ersten Mal seine Taten. War das der Grund, warum er sie so behandelte? Denn leider hatte sie Recht. Nur ihr verlangte er eine derartige Perfektion ab. Oder war es, weil sie diese Perfektion von Anfang an an den Tag gelegt hatte und er nichts anderes von ihr gewohnt war? Oder... gab es einen noch ganz anderen Grund, den er noch überhaupt nicht bedacht hatte? Zum ersten Mal seit Jahren fühlte er sich ratlos. Nami senkte ihren Kopf noch weiter. „Nein, schon gut. Ich weiß, dass es das nicht ist. Kaya behandelst du nämlich nicht so wie mich. Also muss es an mir persönlich liegen. Hat es mit Kuleha zu tun? Mit dem Chefarztposten? Oder weil du in den ersten Wochen nie einen Fehler an meiner Operationstechnik entdeckt hattest?“ Energisch starrte er auf seine in die Knie gekrallten Hände. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich ertappt. Von Anfang an war er fasziniert gewesen von ihrer Operationstechnik. Sie war perfekt. Und wurde noch dazu ebenso perfekt durchgeführt. Diese Perfektion wollte er erhalten. Um jeden Preis. Und überging dabei völlig den allerwichtigsten Aspekt: Die ausführende Person war ein Mensch. Und Menschen machten nun einmal Fehler. Es gibt keine perfekten Menschen. Und doch wollte er unbedingt, dass Nami so ein perfekter Mensch war. Mit seinen Anforderungen an sie – die er zwar nie geäußert hatte aber dennoch offen im Raum standen - hatte er ebenfalls dazu beigetragen, dass es so weit kommen konnte. Schuldgefühle begannen an ihm zu nagen. Ruckartig drehte Law sich zu Nami, ergriff ihre Hände und senkte demütig sein Haupt. „Entschuldige, Nami. Ich war so von meinem Perfektionismus besessen, dass ich blind wurde für das, was eigentlich wirklich wichtig ist. Ich habe dir immer wieder angeboten, dich mir zu öffnen und über deine Probleme zu reden und dir trotzdem nicht geholfen. Im Gegenteil: Ich habe dir nur noch mehr abverlangt, als du überhaupt schultern konntest. Kannst du mir verzeihen?“ Völlig perplex starrte sie ihn einfach nur an. „Wer bist du und was hast du mit meinem Chefarzt gemacht?“ Sie entzog ihm grob ihre Hände und sah ihn finster an. Der Law, den sie kannte, würde sich niemals dazu herablassen und sich bei ihr entschuldigen. Dabei sollte eigentlich sie bei ihm zu Kreuze kriechen und nicht umgekehrt. Eindeutig verkehrte Welt. Oder trübte der Alkohol noch immer ihre Sinne und das hier passierte gerade gar nicht wirklich? Ein wenig verunsichert, rückte er wieder von ihr ab und verharrte in dieser Position an ihrem Fußende. Was war denn nun schon wieder in ihn gefahren? Warum verhielt er sich in ihrer Nähe immer wieder so merkwürdig? Das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Nach einer Weile fing Nami plötzlich an zu kichern und mit fragendem Gesichtsausdruck sah er sie nun doch wieder an. „Du siehst aus wie ein verschrecktes Kaninchen. Niedlich.“ Seine Ohren spielten ihm einen Streich! Hatte seine toughe Kinderärztin ihn, den Chefarzt, gerade ernsthaft als >niedlich< betitelt?!? Sie lehnte sich etwas weiter vor, stützte ihren Kopf auf ihre Handfläche und musterte ihn grinsend. „Eigentlich bist du ein ganz hübsches Kerlchen, weißt du das, Law? Warum ist mir das bisher eigentlich nie aufgefallen?“ Zwei Mal musste er blinzeln, bevor sein Hirn die eben erhaltenen Informationen adäquat verarbeiten konnte. Und er kam zu dem Schluss: „Du bist ja immer noch völlig betrunken. Das ist lediglich der Alkohol der da aus dir spricht.“ Sie schnaubte kurz. „Genau. Deswegen war es mir nie aufgefallen: Du bist fortwährend damit beschäftigt, den Oberarsch raushängen zu lassen. Hat dir nie jemand gesagt, dass kleine Kinder und Betrunkene immer die Wahrheit sagen? Naja auch egal. Vielleicht sollte ich wirklich meinen Rausch ausschlafen gehen.“ Damit streckte sie sich, wobei ihr Hemd sich eng um ihre Brust spannte. Natürlich war Law das nicht entgangen und schnell begrub er sein Gesicht in seinen Händen. Diese Frau machte ihn fertig! Würde sie sich morgen auch nur im Ansatz an dieses Gespräch erinnern können? Hoffentlich nicht! Deutlich besser gelaunt hüpfte Nami vom Sofa und stolzierte an dem Schwarzhaarigen vorbei. Und wieder konnte er einen perfekten Blick auf ihre Beine werfen. Das machte sie doch mit Absicht! Doch Moment, wo wollte sie eigentlich hin? Beinahe panisch griff er nach ihrem Arm und hielt sie auf. „Wolltest du nicht schlafen?“ „Natürlich. Aber erstens nicht hier auf dem unbequemen Sofa und zweitens brauche ich dringend Wasser. So langsam setzt der gesunde Menschenverstand wieder ein und der brüllt mir diverse Dinge in Bezug auf erhöhten Alkoholkonsum entgegen. Muss wohl das schlechte Gewissen sein, sonst kenne ich keine innere Stimme, die so penetrant und gemein sein kann.“ Mehr oder weniger freiwillig ließ er sie wieder los und sah ihr nach. Den Rest würde sie schon alleine hinbekommen. Immerhin schien sie langsam wieder bei klarem Verstand zu sein. Nicht unbedingt vorteilhaft im Bezug auf ihr voran gegangenes Gespräch aber definitiv für seinen inneren Seelenfrieden. Er sollte jetzt wieder gehen. Aber erst nachdem er weitere Minuten still dagesessen hatte, schaffte er es endlich, sich aufzuraffen. Er hatte deutlich vernommen, wie Nami nach kurzer Zeit ins Nebenzimmer gegangen ist und seitdem war es still geworden. Leise verließ er das Zimmer auf dem Weg zur Wohnungstür, als er ganz leise ihre Stimme vernahm, die eindeutig seinen Namen rief. Aus einer Kurzschlussreaktion heraus, machte er sofort auf dem Absatz kehrt und stürzte beinahe in ihr Schlafzimmer. Nami lag einfach nur da. Den Blick an die Decke gerichtet, die Wangen von einer Tränenspur gezeichnet. Erneut überkam ihn dieses unbestimmte Gefühl. Er wollte bei ihr bleiben, sie einfach nur festhalten, ihr Rettungsanker sein. Zumindest für diesen Moment. Er ertrug es einfach nicht, sie weinen zu sehen. Langsam überbrückte er die letzten Schritte bis zum Bett. Seine innere rationale Stimme wetterte heftig gegen sein Handeln. Er hatte nun wirklich nichts im Schlafzimmer einer fremden Frau zu suchen. Das gebot allein der Anstand! Aber den hatte er anscheinend vor ihrer Wohnungstür stehen lassen. „Law? Würde es dir etwas ausmachen, noch ein bisschen zu bleiben? Nur... bis ich eingeschlafen bin. Es ist so schrecklich einsam hier.“ Ihre Stimme zitterte und war kaum mehr als ein Flüstern. Stumm nickte er nur und setzte sich auf die Bettkante. Liebevoll strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Erst jetzt bemerkte er die dunklen Ringe unter ihren Augen. Wann hatte sie zuletzt richtig schlafen können? Hatte sie diese Probleme erst seit dem Streit mit Ruffy? Oder ging das schon eher los? Waren ihr deshalb diese dummen Fehler unterlaufen, weil sie nicht genug Schlaf bekam? Fiel es ihr so schwer, alleine einzuschlafen? Aber im Krankenhaus schien das doch auch zu klappen, wenn sie Dienst hatte. Oder funktionierte es, weil sie wusste, dass zu hause jemand auf sie wartete? Er streichelte über ihren Kopf, ihre Wange, wischte behutsam die Tränenspur weg und beobachtete jede ihrer Reaktionen ganz genau. Langsam hatte sie die Augen geschlossen, lehnte sich sogar seiner Berührung entgegen. Ob diese Geste wirklich ihm galt? Oder war es nur der Einsamkeit zu verschulden? Vor einiger Zeit hatten sie doch eine ähnliche Situation gehabt. Da war allerdings er es, der ihre Nähe nicht missen wollte. Schon in jener Situation hatte er sich gefragt, ob es Impulshandlungen waren aus der Gewohnheit heraus oder ob es doch eine tiefere Bedeutung hatte. Wollte er das überhaupt? Wollte er, dass sie sich IHM entgegen lehnte und nicht einfach nur der Hand, die die Einsamkeit vertrieb? Und grübelte er über all das so viel nach, weil er in Namis Nähe ebenfalls seine eigene Einsamkeit vergessen konnte? Hätte es nicht auch jede andere beliebige Frau sein können? Er war so in seinen Gedanken versunken, dass er die Arme, die sich um ihn schlangen, erst gar nicht registrierte. Erst als Nami ihn an sich zog, erwachte er schlagartig aus seiner Starre. Doch er schaffte es nicht mehr, sich abzufangen und so landete er mit dem Gesicht direkt in Namis Kissen gleich neben ihrem Gesicht. Sofort beschleunigte sein Herzschlag, überschlug sich beinahe und er traute sich nicht, sich zu bewegen. Er konnte ohnehin schon viel zu viel von ihr spüren. Wie sollte er aus dieser Situation nur wieder heraus kommen? Dann schoss ihm noch ein Gedanke durch den Kopf: Bei keiner anderen Frau – mit Ausnahme von Boa Hancock – hatte er bisher so reagiert. Es gab bereits einige, die ihn viel zu nah an sich herangezogen hatten, doch zumeist hatte er entweder gar nichts oder nur Ekel und Abscheu empfunden. Keine andere Frau hätte ihn je dazu gebracht, so weit zu gehen. Er war zu Nami nach Hause gefahren, war in ihre Wohnung gekommen, hatte sie nur leicht bekleidet gesehen und ihr trotzdem Trost gespendet. Er hat seinen Stolz über Bord geworfen, sich sogar bei ihr entschuldigt und war schlussendlich ihrer Bitte nachgekommen, bei ihr zu bleiben. Und jetzt lag er hier. Sein Oberkörper auf ihrem, während sie anscheinend nicht bereit war, ihn sobald wieder loszulassen. Dabei wäre es ein leichtes für ihn, sich einfach zu erheben, aufzustehen und zu gehen oder zumindest wieder etwas mehr Abstand zwischen ihnen aufzubauen. Aber er blieb einfach liegen, drehte nur etwas den Kopf in ihre Richtung, um ungehindert atmen zu können. Zugegeben, die Position war alles andere als bequem aber... jede noch so kleine Bewegung hätte ihre Körper wieder voneinander entfernt. Und der Gedanke gefiel dem jungen Chefarzt so gar nicht. „Bleib. Bitte.“ „Bis du eingeschlafen bist.“ wiederholte er langsam ihre Bitte. Doch Nami schüttelte leicht den Kopf. „Kannst du... bis morgen bleiben?“ In Laws analytischem Hirn jagte eine Fehlermeldung die nächste. Binnen weniger Nanosekunden war das gesamte System überlastet und zeigte nur noch Error. Eine normale Reaktion hätte ein klares >Nein< gefordert, aber einfach alles in ihm sträubte sich gegen diese Antwort. Stattdessen kam ein ganz anderer Satz aus seinem Mund. „Darf ich das denn?“ Mit dieser Frage hatte sie so gar nicht gerechnet. Warum sollte er nicht dürfen? Oder spielte er etwa auf Ruffy an? Was würde passieren, käme er plötzlich nach hause und fände sie in den Armen eines anderen Mannes vor? Dann wäre es auch egal. Nami beschloss für sich, dass sie Laws Nähe gerade dringender brauchte als eine wage Hoffnung, Ruffy könnte doch wieder nach Hause kommen. Law war gekommen, um nach ihr zu sehen. Er war es, der energisch an ihre Tür geklopft hatte. Er war es, der ihr erneut zugehört hatte. Er war es, der sich entschuldigt hatte. Und er war es nun auch, den sie um sich haben wollte. Sie hatte das Gefühl, in seiner Nähe könnte sie endlich wieder einmal schlafen. Ein Schlaf ohne Albträume. Und vor allem, ein Schlaf, der die ganze Nacht andauern würde und nicht nur wenige Stunden, wenn überhaupt. „Ja. Ich will es so.“ Es dauerte noch eine kleine Weile, bevor Law sich wieder regte. Er hob seinen Körper von ihrem und sofort schien es so, als fehlte etwas. Er legte seine Hände an ihre Schläfen und hauchte einen Kuss auf ihre Stirn. Diese kleine Geste reichte schon aus, um Namis Innerstes Achterbahn fahren zu lassen. Sie spürte die Hitze in ihre Wangen schießen und hoffte inständig, dass er es nicht bemerken würde. „Ich bin gleich wieder da, versprochen.“ Noch bevor sie reagieren konnte, war er aufgestanden und hinterließ ein merkwürdiges Gefühl der Leere. Aus dem Flur konnte Nami hören, wie ein Reißverschluss geöffnet wurde, dann etwas unsichere Schritte, die zum Badezimmer führten. Ihr dämmerte ganz langsam, was gerade geschah und schlagartig wurde ihr bewusst, worum sie ihn gebeten hatte. Oh Himmel, er war ihr CHEFARZT! Wie konnte sie ihn nur darum bitten, über Nacht bei ihr zu bleiben? War sie von allen guten Geistern verlassen worden? Und dann fiel ihr noch etwas anderes, verdammt unangenehmes ein: Sie war weder Zähne geputzt, noch in ihrem Pyjama. Überhaupt hatte sie die komplette Zeit seiner Anwesenheit ein Hauch von Nichts getragen! Im Grunde konnte sie auch gleich ihre Kündigung schreiben. Was musste er nur von ihr denken? Schnell schlüpfte sie aus dem Bett, suchte ihre richtigen Schlafsachen zusammen und tapste ins Badezimmer, aus dem Law gerade heraus kam. Er hatte lediglich eine lange, weite Jogginghose an. Nicht gut! Ohne auch nur ein Wort zu verlieren, stürzte sie an ihm vorbei und versuchte zu retten, was noch zu retten war. Himmel, war ihr das peinlich! Aber ihn jetzt vor die Tür setzen, konnte sie auch nicht. „Nie wieder Alkohol! Ich schwör's! Nie wieder!“ fluchte sie leise ihrem Spiegelbild entgegen, während sie mit Nachdruck die Zahnbürste erhob. Keine fünf Minuten später stolperte sie zurück ins Schlafzimmer. Aus einem Schrank kramte sie frisches Bettzeug hervor und drapierte es auf der leeren Seite des Bettes. Mit gemischten Gefühlen beobachtete Law Nami dabei. Immer wieder erklang eine mahnende Stimme in seinem Kopf; er hätte gehen sollen, als er die Gelegenheit dazu hatte! Nun war es zu spät. Und ein Teil in ihm freute sich wahnsinnig darüber. Sie krochen unter die Decken, sehr darauf bedacht, nicht versehentlich unter die des jeweils anderen zu schlüpfen. Eine unbehagliche Stille hatte sich niedergelassen und hellwach starrten beide die Zimmerdecke an. Doch schon allein die Tatsache, dass Nami nicht allein in die Luft starrte, beruhigte sie ungemein. Selbstredend war diese Situation einfach nur bescheuert. Aber dass es überhaupt hierzu gekommen war, beruhte auf Entscheidungen, die im gegenseitigen Einvernehmen stattgefunden hatten. Law wollte hier sein. Hier bei ihr. Das ging weit über die normale Fürsorge eines Vorgesetzten hinaus. Langsam drehte sie den Kopf in seine Richtung und betrachtete eine Weile sein Profil. Er war wirklich ein ansehnliches Kerlchen. Aber es war nicht nur allein seine Optik, er hatte auch Charakter. Er war klug, hilfsbereit, manchmal etwas schroff und dominant aber gerecht. Und er war hier. Weil er sich um sie sorgte. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie hätte es beinahe vergessen. Es gab so viele Menschen, denen sie etwas bedeutete, denen sie wichtig war. Er hatte ihren Blick auf sich längst gespürt, doch erst als er ihr Lächeln aus den Augenwinkeln wahrnahm, neigte er leicht den Kopf in ihre Richtung. Die dunklen, schweren Vorhänge ließen kaum Licht ins Zimmer fallen und trotzdem konnte er sie genau erkennen. Er sah dieses friedliche Lächeln, den seichten Glanz in ihren Augen und die hartnäckige Haarsträhne, die sich wieder über ihr Gesicht legte. Reflexartig streckte er seine Hand nach ihr aus, um sie wegzustreichen und beobachtete fasziniert, wie sich Namis Ausdruck veränderte. Von überrascht, zu verstehend und dann war da wieder dieses friedliche Lächeln, als sie die Augen schloss und die Berührung geschehen ließ. Danach ergriff sie seine Hand, bevor er diese wieder zurückziehen konnte. Sie schob sich näher zu ihm heran, bis ihr Körper sich seiner Nähe wieder gewahr wurde und aufhörte zu rebellieren. Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust und schloss die Augen. So würde sie definitiv schlafen können. Ob Law das schaffen würde, bezweifelte er gerade ganz stark. Sie war ihm wieder so nah, wie in dem Moment, als er auf ihr lag. Oder als sie gemeinsam die Nacht auf dem unbequemen Sofa im Aufenthaltsraum in der Klinik verbracht hatten. Sein Herz schlug so kraftvoll in seinem Brustkorb, dass er der festen Überzeugung war, selbst die Nachbarn auf der anderen Straßenseite müssten es hören können. Aber ihre Nähe tat ihm so gut. Und so akzeptierte er das Herzklopfen und schloss die junge Frau fest in seine Arme. Er wollte ihr den Halt geben, den sie so dringend benötigte. Auch wenn das bedeutete, dass er wohl selbst keinen Schlaf finden würde. Seine Sorge war allerdings völlig unbegründet. Es dauerte keine zehn Minuten, da waren sowohl Nami als auch Law bereits ins Land der Träume abgedriftet. Kapitel 10: Kapitel 10 ---------------------- 10. Kapitel: “Wenn du möchtest – und selbstverständlich nüchtern bist – kannst du ab Montag wieder arbeiten kommen. Deine Suspendierung ist hiermit offiziell aufgehoben.” Das hatte Trafalgar gesagt, bevor er ihre Wohnung verlassen hatte. Mehr als ein genuscheltes “Danke” hatte Nami nicht zustande bringen können. Der ganze Morgen war irgendwie komisch gewesen. Auf der einen Seite fremd und peinlich und doch so vertraut, als würde es immer so sein. Schon das Aufwachen war surreal gewesen. Sie haben noch immer in der gleichen Position gelegen, wie sie eingeschlafen waren und in Nami hatte ein beruhigendes Gefühl geherrscht. Aauch Law hatte mit keiner Silbe erkennen lassen, dass ihn diese Situation Unbehagen bereiten würde. Und falls doch, hatte er es sehr gut versteckt. Sie hatten gemeinsam das Frühstück zubereitet und Nami war aufgefallen, dass Law den Kaffee zuerst an der Stelle gesucht hatte, wo sie ihn tatsächlich zu stehen hatte. Das überraschte Schmunzeln seinerseits war ihr dabei nicht entgangen. Vermutlich war es ein automatischer Griff gewesen, bis ihm wieder bewusst geworden war, dass er gar nicht in seiner eigenen Wohnung war. Immer wieder hatte er sich während des Essens nach ihrem Befinden erkundigt, bis sie ihm einen derart tödlichen Blick zugeworfen hatte, dass er endlich damit aufgehört hatte. Ob das Absicht gewesen war? Manchmal glaubte Nami, er lockte sie wissentlich aus der Reserve. Leider verschwand mit ihrem Gast auch die innere Harmonie und nach und nach realisierte sie, was da alles zwischen ihnen vorgefallen war! Gut, es war nichts Unanständiges passiert. Dennoch; Law und sie hatte gemeinsam in einem Bett geschlafen. Sollte Ruffy jemals davon Wind bekommen, wäre das das entgültige Aus für ihre Beziehung! Oh Himmel, was sollte sie nur tun? Reden! Ganz genau! Sie musste reden. Und zwar mit der einzige Person, die neben Law und Kuleha den Mumm hatte, ihr ohne zu zögern, ihre Fehler offen ins Gesicht zu schmettern und sie gleichzeitig zu trösten! Und so schnappte sie sich ihr Telefon und wählte eine nur allzu vertraute Nummer, während die Gefühle in ihr bereits wieder zu brodeln begannen und dabei waren, wie der Himmel über der Stadt sich zu entleeren... ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ruffy lag auf dem gemütlichen Sofa im Appartement seines älteren Bruders und starrte grübelnd die Decke an. Er grübelte und grübelte. Aber er kam immer wieder auf das gleiche Ergebnis. Und das missfiel ihm. Nur am Rande nahm er wahr, dass die Tür aufgeschlossen wurde und jemand eintrat. Kurz hielt die Person im Eingangsbereich inne, bevor sie gemächlich ihren Weg fortsetzte. "Erzähl, kleiner Bruder, was führt dich zu mir?" Ace warf seinen Seesack in eine Ecke, ging zum Kühlschrank und holte zwei Cola, sowie belegte Brote heraus. Er schmiss sich auf das Sofa Ruffy gegenüber und warf ihm eine Flasche und eines der Brote zu, welcher dieser geschickt auffing. Doch statt wie üblich gleich drauf los zu futtern, betrachtete der Jüngere sein Brot nur. Verdutzt sah Ace herüber. "Ok, das ist neu." Er setzte sich wieder auf, nahm einen ernsten Gesichtsausdruck an und fixierte seinen kleinen Bruder. Dann seufzte er langgezogen. "Es ist wegen Nami, oder?" Ruffy nickte. "Ich glaube, wir sind dabei, uns zu trennen." "Nur als Paar oder auch als Freunde?" Etwas irritiert sah er zu Ace herüber. "Wie meinst du das?" Angesprochener biss herzhaft in sein Brot, bevor er mit vollem Mund antwortete: "Na so wie ich es gesagt habe. Ist ja nicht so, dass eure Beziehung in voller Blüte stehen würde. Selbst ein Blinder sieht, dass ihr schon lange keine wirklich romantischen Gefühle mehr füreinander übrig habt." Ruffy ließ vor Schreck seine geöffnete Colaflasche los. Nur geradeso und mit extremer Verrenkung konnte Ace die Flasche davon abhalten, ihren Inhalt auf den Teppich zu verteilen. "Spinnst du! Die Flecken bekomm ich nie wieder raus!" Wütend funkelte er seinen kleinen Bruder von seiner unglücklichen Position von unten an. "Du meinst..." "Mag ja sein, dass ihr irgendwann mal verliebt ward aber das ist schon ein paar Jahre her. Ihr seid nur derart an das Zusammensein gewöhnt, dass ihr gar nicht bemerkt habt, dass diese Liebe längst der Vergangenheit angehört. Im Übrigen ist das nicht nur mir aufgefallen." Ace stellte die Flasche auf einen kleinen Tisch neben dem Sofa und setzte sich wieder hin. "Ich hab sie also schon... lange verloren?" "Du hast sie nicht verloren, Ruffy. Du liebst sie, hast sie immer geliebt und sie dich ebenso, aber nicht im romantischen Sinne. Ihr seid die besten Freunde seit frühester Kindheit. Da ist es völlig normal, dass man Trennungsängste bekommt und meint, etwas zu fühlen, das gar nicht wirklich da ist." "Soll das heißen, du glaubst, ich habe mir das alles nur eingebildet?" "Das nun auch wieder nicht. Es gab einen Punkt, kurz nach eurem Abschluss, da wirktet ihr tatsächlich verliebt. Aber das ist über 8 Jahre her, fast neun. Und sei doch mal ehrlich, habt ihr jemals etwas als Paar unternommen?" Der Jüngere legte den Kopf schief. "Was meinst du?" "Im Ernst, Ruffy?" Ace zog eine Augenbraue hoch und schüttelte langsam den Kopf. Er hatte ihn und Nami lange beobachtet, sich Ruffys Geheule immer wieder angehört, wenn sie Dienste geschoben hatte oder wegen irgendwelcher Notfälle spontan losmusste. Aber nie hatte sein kleiner Bruder durchblicken lassen, dass er mehr mit dieser tollen Frau anzufangen wusste, als mit ihr unter einem Dach zu leben. "Ace?" Ruffy holte seinen Bruder aus seinen Gedanken. "Ja?" "Ich will Nami nicht verlieren." "Ich weiß." Ace lehnte sich zurück und betrachtete seinen Gegenüber einen kurzen Moment. "Aber willst du Nami als Freund nicht verlieren oder als Frau?" Ruffy gab ihm nicht gleich eine Antwort, verfiel wieder in grüblerisches Schweigen und sah zu Boden. "Sag mir Bescheid, wenn du eine Antwort gefunden hast. Und danach solltest du dringend mit ihr reden. Sie ist sicher völlig aufgelöst, weil du einfach abgehauen bist. Oder hast du ihr eine Nachricht zukommen lassen, wo du bist?" "Ähm..." Er versteifte sich kurz. Er konnte doch nicht sagen, dass er sie vor der Tür hatte stehen lassen, weil er in seinem derzeitigen Gefühlschaos mit sich selbst nicht klar kam. Er wollte Nami damit nicht verletzen aber wenn er sie eingelassen hätte, wäre das passiert. Mehr noch, als er sie mit seiner Abfuhr verletzt hatte... "Dacht ich mir..." Ace räumte kurz auf und griff nach seinem Handy. "Ich schreibe ihr nur kurz, dass du bei mir bist. Sonst rennt sie bei dem Wetter noch draußen herum und holt sich eine Erkältung, weil sie sich Sorgen um dich macht, du Hohlbirne." "Tschuldige..." "Ehrlich, man hat Nichts als Ärger mit dir, Ruffy. Weiß der Geier, wie Nami das die letzten 10 Jahre mit dir ausgehalten hat..." Ruffy nuschelte unverständliches Zeug und bließ die Backen auf. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Zur gleichen Zeit bei Nami "Vivi?", schluchzte Nami in den Telefonhörer, als nach dem fünften Klingeln endlich jemand abnahm. "Ja...", kam es verschlafen von der anderen Seite. "Vivi..." "Nami? Bist du das? Himmel, weißt du eigentlich, wie spät es ist? Oder besser; wie früh!", schimpfte die Blauhaarige grummelnd. "Vivi!", heulte sie nun endgültig los. "Okaaaaaay..." Müde wischte sie sich den Schlaf aus den Augen und setzte sich im Bett auf. So aufgelöst hatte sie ihre beste Freundin schon ewig nicht mehr erlebt. Das würde also ein längeres Gespräch werden. "Gib mir eine Sekunde, bitte." Zum Glück war Wochenende und Corsa hatte neben ihr einen gesunden Schlaf. Doch um ihn nicht doch zu wecken, kletterte sie aus dem Bett, warf sich ihren Morgenmantel über und verschwand aus dem Schlafzimmer ins Wohnzimmer, wo sie sich auf dem Sofa in eine kuschelige Decke murmelte. "So. Jetzt erzähl mal, was macht dich so fertig?" Ein paar Mal musste die Orangehaarige schniefen, bevor sie einen halbwegs vernünftigen Satz hervor brachte. "Ruffy... ich hab alles kaputt gemacht... Vivi, ich bin so eine doofe Kuh!" "Sag bloß, du hast es endlich geschafft, eure imaginäre Beziehung in Rauch aufsteigen zu lassen?", kam es nüchtern aus dem Hörer, den Nami fast fallen gelassen hätte. "Was... wieso.. warum sagst du das so?" "Weil es stimmt." Die junge Ärztin wischte sich die Tränen weg. "Du bist so gemein!" "Nein, ich bin ehrlich. Eure kleine Verliebtheit gehört längst der Vergangenheit an. Oder hast du irgendwann mal etwas Wichtiges unterschlagen in Bezug auf eure Beziehung? Dates? Romantische Ausflüge? Familienplanung?" Nami hielt inne. Ein Date? Hatten sie überhaupt jemals ein richtiges Date gehabt? Angestrengt dachte sie nach. Bis auf gemeinsame Abendessen zu hause und gelegentliches Händchenhalten war wirklich nie viel gewesen... Traurig betrachtete sie ihre Hand, die in ihrem Schoß ruhte. "Nami? Bist du noch da?" "Ja..." Vivi entging die deprimierte Stimmlage ihrer besten Freundin nicht. "Ist es dir jetzt klargeworden?" "Trotzdem... ich will Ruffy nicht einfach aufgeben. Er ist doch... er..." Wieder rannen ihr Tränen die Wange herunter. "Dein bester Freund. Ich weiß, Süße. Schhhh, ist ja gut. Ich bin für dich da." "Warum tut es dann so weh?", schluchzte Nami verzweifelt. "Weil du ihn liebst." "Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn!", brüllte sie in den Höhrer. Vivi lächelte zart. "Doch. Es ist selbstverständlich, dass man seine Freunde liebt. Ich liebe dich doch auch, Nami. Aber diese Liebe ist eine völlig andere, als ich sie für Corsa empfinde." "Ich will ihn nicht verlieren..." "Dann rede mit ihm. Ihr müsst euch aussprechen." "Das habe ich ja versucht aber es ist völlig eskaliert...", gab sie leise zu. Vivi atmete hörbar ein und aus. "Ihr zwei seid schlimmer, als jede Oberstufenklasse, die ich bisher unterrichtet habe!" Nami nuschelte unverständliches Zeug vor sich her. In dem Moment vibrierte ihr Handy neben ihr auf dem Tisch und schnell griff sie danach. "Eine Nachricht... von Ace?" "Ist er wieder in der Stadt? Ein bisschen beneide ich ihn ja. Als Handelsvertreter einer derart großen Firma sieht man alle möglichen Länder und Leute...", schwärmte Vivi. Derweil bildete sich auf Namis Zügen ein sanftes Lächeln. "Ja, ist er. Ruffy ist bei ihm. Anscheinend führen die beiden gerade ein ähnliches Gespräch wie wir..." "Na umso besser. Das heißt nämlich auch, dass du Ruffy nicht egal bist. Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, er steckt in einer ähnlichen Zwickmühle wie du, Nami." "Meinst du?" "Nami... wie lange kennt ihr euch jetzt schon? Ihr habt es ja kaum ausgehalten, wenn einer von euch mal für eine Woche mit seiner Familie verreist war. Ihr seid fast wie Zwillinge. Nur das du das Köpfchen hast und er das Herz." "Soll das etwa heißen, ich wäre herzlos?!" Vivi zuckte kurz bei dem gefährlichen Unterton. "Das verstehst du gerade völlig falsch. Wie geht es eigentlich deiner Schwester?" Die Blauhaarige lachte gekünstelt. Da hatte sie sich ja gerade voll in die Nesseln gesetzt. Hoffentlich biss Nami an, sonst würde sie vermutlich gleich durch den Telefonhörer gezogen und qualvoll erwürgt werden. Vivi schluckte kurz. Keine angenehme Vorstellung. Ein leises Grollen erklang aus Namis Kehle, dicht gefolgt von einem langezogenen Seufzer. "Ich kann dir einfach nicht böse sein..." Erleichtert atmete Vivi wieder aus und lächelte. "Ich hab dich lieb, Nami." "Ich dich auch." "Also; wie ergeht es deiner Schwester? Geht es deiner Mutter gut?" "Nojiko hat ihre eigene Orangenplantage und verdient sich eine goldene Nase. Bellemeere und Genzo haben mittlerweile einen kleinen Laden eröffnet, in dem sie verschiedene Gerichte mit und aus Orangen anbieten. Sie haben alle selbst entwickelt und verfeinert. Seit ein paar Monaten flirtet meine Schwester ziemlich heftig mit dem Besitzer einer naheliegenden Ananasplantage. Kannst du dir das vorstellen? Sie hat nur noch rosa Herzchen vor den Augen, wenn sie von ihm spricht! Sie sagte was von einer Verschmelzung der Plantagen, Fusion von Orangen und Ananas in Gerichten und uargs, mir wird ganz schlecht. Ich muss echt mal wieder rüberfliegen und ihr den Kopf waschen!" Vivi begann zu kichern. "Nojiko scheint glücklich zu sein. Warum gibst du ihm keine Chance? Vielleicht würde er ihr guttun? Außerdem finde ich persönlich die Kombination aus Orange und Ananas gar nicht so schlecht. Geschmacklich ergänzen die beiden Früchte sich sehr gut und stell dir nur mal vor, was deine Mutter und Genzo dann noch alles daraus zaubern könnten? Der Laden wird boomen!" "Aber Nojiko-...", setzte Nami an, wurde aber direkt unterbrochen. "Ist deine Schwester! Nicht deine Leibeigene! Sie ist erwachsen geworden, genau wie du, Nami. Es ist okay, wenn du sie beschützen willst und ihr nur das Beste wünschst aber... vielleicht ist er ja genau das? Sie hat dir doch auch nicht dazwischengefunkt, oder?" Zur Antwort kam nur ein kleinlautes "Nein". "Na siehst du. Und sollte der Typ doch 'ne Knalltüte sein, sei dir sicher, dass sie ihn zum Teufel jagen wird. Nojiko ist tough." "Ja, du hast ja Recht. Danke." "Bedrückt dich sonst noch was? Ich werde das Gefühl nicht los, dass sich bei dir einiges angestaut hat... Wir haben uns zuletzt vor einem Monat gesprochen. Normalerweise rufst du mindestens einmal die Woche an..." Nami seufzte. Absolut nichts ließ sich vor ihrer besten Freundin verbergen - nicht einmal auf diese Entfernung. "Da ist tatsächlich noch etwas anderes... Kuleha hat aufgehört." "WAAAAAAAAAASSSS?!?!" Schnell hielt sie den Hörer auf Abstand. Beinahe wäre der Kinderärztin das Trommelfell geplatzt. "Sie ist die beste Ärztin des Hauses, der ganzen Stadt - achwas, des ganzen Landes! Wenn nicht sogar weltweit! Sie kann NICHT aufhören! Was ist nur in sie gefahren?" Vivi war ganz aufgebracht. Sie kannte Kuleha seit sie denken konnte. "Sie hat Krebs. Und er ist inoperabel." Sofort war es still am anderen Ende. "Sie hat es mir in der letzten Juliwoche erzählt. Seit August haben wir einen neuen Chefarzt der Chirurgie. Seitdem habe ich sie weder gesehen noch etwas von ihr gehört." Namis Stimme war sehr leise geworden. Ihre Trauer war deutlich herauszuhören. "Das tut mir Leid. Ich weiß, was sie dir bedeutet hat.", versuchte die Blauhaarige ihre beste Freundin zu trösten. Wie gern hätte sie sie einfach in den Arm genommen... "Sie meinte, sie schickt mir eine Postkarte, wenn... es soweit ist. Sie will sich auf eine Insel absetzen, auf der das ganze Jahr die Kirschblüten blühen." Ein Lächeln stahl sich auf Namis Lippen und auch aus dem Höhrer erklang ein leises Lachen. "Ja, das klingt voll nach Kuleha. Schade, dass sie dich nicht mehr unterweisen kann. Fühlst du dich denn der neuen Aufgabe als Chefin des Ladens gewachsen?" Verdutzt stotterte Nami vor sich hin. "Was? Nein! Wieso? Häääh?" Nun war Vivi verwirrt. "Nami?" "Warum weiß eigentlich jeder, dass sie mich zur Chefärztin machen wollte, nur ich nicht?" "Na weil... es offensichtlich war?" "ICH WILL ABER NICHT!" Schnell hielt Vivi ihr Telefon weit weg. "Deswegen musst du mich ja nicht gleich anbrüllen!" "Ich liebe meinen Job! Ich liebe die Kinderstation! Ich liebe meine kleinen Patienten, ich liebe mein Team - ich will keinen anderen Job! Warum kapiert das nur keiner außer diesem Idioten Trafalgar..." Es wurde kurz still am anderen Ende, bevor Vivi hörbar die Luft ausstieß. "Trafalgar? Trafalgar Law? DER Traflagar Law? Drei Jahrgänge über uns, schwarzes Wuschelhaar, silbern leuchtende Augen, Kinnbart, DER Schwarm schlechthin an unserer Schule? Jahrgangsbester? Bester Schulabschluss seit... seit Bau der Schule! DER TRAFALGAR LAW?!?!" Vivis Stimme überschlug sich fast. "Der Kerl war auf unserer Schule?" Nami hörte ein dumpfes Geräusch aus dem Höhrer, verbunden mit einem gequälten "Auuuuu". "Vivi? Alles klar bei dir?" "Sag bloß, er ist dir nie aufgefallen?" "Nein. Kann mich nicht erinnern, ihm je begegnet zu sein." "Erzähl nicht! Wie kann dir dieser Kerl nicht aufgefallen sein? Er ist... PERFEKT!" "Sag das nicht so laut. Corsa könnte eifersüchtig werden.", gluckste die Orangehaarige. Die junge Lehrerin winkte ab. "Corsa ist Corsa, für mich wird es nie einen besseren Mann geben. Aber Law! Verdammt, hast du eine Ahnung, über wen du da redest? Wen du da so leichtfertig als 'Idiot' betitelt hast?" Ohne ihre beste Freundin zu unterbrechen, nuschelte sie leise: "Du wirst es mir sicher gleich erzählen..." "Er hat in nur 3 Jahren sein Medizinstudium abgeschlossen gehabt. Mit Auszeichnung! Danach war er in den bekanntesten und renomiertesten Häusern unterwegs, hat sich alle möglichen und unmöglichen Operationstechnicken angeeignet, für die viele ihr Leben lang brauchen! Das alles in nicht einmal 3 weiteren Jahren! Er wird auch als 'Gott der Chirurgie' betitelt in den Medizinfachzeitschriften. Liest du die nicht? Sowas kann man gar nicht überblättern! Vor zwei Jahren dann hat er eine Reihe inoperabler Tumore entfernt und wurde zum 'Chirurg des Todes' gekrönt - der Chirurg, der dem Tod ein Schnippchen schlägt. Er ist eine Berümtheit! Eine Koryphäe! Er... warte... woher kennst du ihn eigentlich, Nami?" Angesprochene kicherte kurz. "Die Frage fällt dir ja früh ein. ER ist mein neuer Chefarzt." Der Blauhaarigen fiel die Kinnlade herunter. Natürlich kannte Nami die Gerüchte und die Artikel. Aber sie hatte dem nie irgendeinen Wert beigemessen. So gut konnte niemand sein. Auch hatte sie sich den Namen nicht merken wollen. Wozu? So einem aufgeblasenen Möchtegern-Chirurgen musste Frau keine Beachtung schenken. Erst als er im Haus anfing, begann sie, die Artikel erneut zu lesen. Mittlerweile konnte sie zwar sagen, dass zum Teil wirklich etwas ausgeschmückt wurde, aber die Kernaussagen der Artikel über Law waren durchweg wahr. Er ist ein Ausnahmetalent. Trotzdem würde sie sich von ihm nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Oft genug wurde auch schon über sie selbst in besagten Zeitschriften berichtet. Und während er wie ein Blatt im WInd von Haus zu Haus wehte, um seine Techniken zu verfeinern, hatte sie sich auf ein Gebiet spezialisiert und erfolgreiche Forschungen betrieben. Ihre Erfolge konnte man also nicht direkt vergleichen. Außerdem hatte er sich in einer Praxis niedergelassen gehabt, bevor er Chefarzt wurde. "Nami?" Vivis Stimme riss sie aus ihren Gedanken. "Ähm, ja?" "Ich hab gefragt, wie es dir damit geht?" "Womit? Die junge Lehrerin seufzte gedehnt und verdrehte die Augen. "Na mit Trafalgar als deinen neuen Chef. Er ist kaum älter als du aber voll berühmt." Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. "Es ist mir völlig egal, was er ist! Er hat vernünftige Arbeit zu leisten. Kann er das nicht, werde ich ihn absägen lassen und dann kann er sich seine Berühmtheit in die Haare schmieren!" Nein, sie wollte gerade nicht daran denken, dass sie diejenige war, die beinahe abgesägt wurde. Vielleicht sollte sie das auch vorerst nicht ansprechen... "Das ist meine Nami!" jubelte Vivi. "Lass dich nicht unterkriegen, Süße. Dann fassen wir mal deine To-Do-Liste zusammen! Erstens: Mit Ruffy reden! Zweitens: Mit Ruffy reden! Und drittens... : Trafalgar zeigen, dass eine Frau in der Chirurgie genauso erfolgreich sein kann, wie ein Mann!" "Verstanden. Ich werde mit Ruffy reden. Versprochen." "Ach, und Nami?" "Ja?" "Kopf hoch, Süße. Ich bin immer für dich da, vergiss das nicht. Du bist nicht allein." "Ach Vivi..." Tränen der Zuneigung stiegen in ihre Augen. "Ich hab dich lieb." "Ich dich auch." Kapitel 11: Kapitel 11 ---------------------- 11. Kapitel: Es war Sonntagnachmittag und Nami trat gerade aus der Dusche. Vor zwei Stunden hatte Ruffy ihr geschrieben. Zeitgleich mit ihrer eigenen Nachricht. Er wollte mit ihr reden. Und sie mit ihm. Beide hatten eine Entschiedung getroffen. Und dieses Mal sollte es ein vernünftiges Gespräch werden – ohne Anschuldigungen oder dergleichen, nur Fakten. Das war der Plan. Und genau dafür hatten sie sich an einem neutralen Ort verabredet: Dem Stadtpark. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Nachdem Law am Vortag Namis Wohnung verlassen hatte, war er noch lange ziellos unterwegs gewesen. Er musste dringend den Kopf wieder frei bekommen. Und dann hatte er endlich den Mut gefasst, und Hancock eine Nachricht geschrieben gehabt. Er wollte ein Treffen auf neutralem Boden, ein klärendes Gespräch. Um einen Abschluss zu schaffen. Sie hatte eingewilligt gehabt und nun war er auf dem Weg zur Penthouse-Wohnung, um sie abzuholen. Sie wollten im naheliegenden Stadtpark spazieren gehen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Etwas nervös nestelte Nami an ihrem hellblauen Kleid herum. Sie war viel zu früh und das obwohl sie genau wusste, dass Ruffy gerne mal einige Minuten zu spät auftauchte. Doch zu ihrem Glück war er heute nahezu pünktlich. “Hallo Nami. Wow, du siehst toll aus!” Etwas verlegen strich sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr und lächelte. “Danke. Schön, dass du gekommen bist.” Ruffy griff sich in den Nacken und schaute woanders hin. Schön? Naja. Er befürchtete, dass dieses Gespräch alles andere als “schön” werden würde... ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Seit geschlagenen 20 Minuten spazierten Law und Hacock nun schon schweigend durch den Park. So viele Worte hatte er sich zurecht gelegt, doch nicht eines kam ihm über die Lippen. Er wollte ihr nicht weh tun. Aber diese Beziehung hatte schlichtweg keine Zukunft mehr. Doch jedes Mal, wenn er den Mund öffnete, kam er sich wie der grausamste Mensch auf Erden vor. Also sagte er weiterhin nichts. An einem der zahllosen Teiche blieb Hancock stehen und Law tat es ihr gleich. Ohne ihn anzusehen, begann sie leise zu sprechen: “Das hier macht nicht mehr wirklich viel Sinn oder? Ich meine... das mit uns... Weißt du, Law, du und ich, wir sind wie zwei Flammen, die viel zu hell leuchten. Anfangs hat uns dieses Feuer gewärmt und sogar angestachelt. Doch mittlerweile verbrennt es uns nur noch. Wir wetteifern darum, wer von uns heller scheint, aber das wird uns auf Dauer verzehren. Meinst du nicht auch, dass es somit das Beste wäre, wir entfernen unsere Flammen voneinander?” Langsam nickte er und lächelte gequält. “Seit wann bist du so poetisch?” Sie warf ihr langes, schwarzez Haar zurück. “Schon immer. Es ist dir bisher nur entgangen, mein Lieber.” “Es scheint wohl so.” Eine kleine Weile war es wieder still um die Beiden, während Hancock Law aufmerksam beobachtete. “War es nicht das, worüber du mit mir reden wolltest?” begann sie dann wieder. “Doch, schon...” “Du quälst dich. Ich kann es sehen. Und das schon seit Längerem. Es tut mir weh, dich so zu sehen. Also gebe ich dich lieber frei...” “Ja, du hast Recht. Unsere Beziehung tut mir schon eine Weile nicht mehr gut. Aber dir geht es doch genauso. Ich wollte dich nie verletzen, was mitunter ein Grund ist, warum ich das hier so lange hinausgezögert hatte.” “Aber warum?” “Weil du mir viel bedeutest.” Ein zarter Rotschimmer legte sich auf ihre Wangen. Mit dieser Antwort hatte sie nun so gar nicht gerechnet. “Ist es denn so absurd? Du bist eine wundervolle Frau. Klug, charmant, attraktiv. Ich kann mich mit dir unterhalten. Nie hast du nur der Höflichkeit halber stumm gelächelt – du hast verstanden, worüber ich geredet habe und aktiv die Konversation mitgestaltet. Ich habe unsere Diskussionen immer genossen. Das wird mir fehlen...” Sie lachte leise und sah ihn nun wieder richtig an. “Aber das muss es doch nicht. Wenn ich die Situation richtig interpretiere, gehen wir doch im Guten auseinander. Was hindert dich also daran, dich weiterhin mit mir zu unterhalten? Einfach nur so. Als Freunde.” Etwas verdutzt sah er sie an. Warum war er eigentlich nicht auf diese Idee gekommen? Langsam nagte das an seinem Stolz. Gleich zwei Frauen schafften es, ihn derart zu überrumpeln. Bis vor wenigen Jahren schaffte das niemand. War er weich geworden? “Denkst du gerade an... sie?” “Hm? Sie? Wen...?” “Das weißt du ganz genau. Ich bin nicht blind, Law. Und ich bin ihr bereits begegnet. Ich weiß, dass du viel Zeit mit ihr verbracht hast. Anfangs nur aus Neugierde – zu der Zeit hast du mir auch noch alles erzählt. Dann wurdest du verschwiegener... Ich gehe also davon aus, dass auch sie ein wichtiger Faktor für unser heutiges Gespräch ist.” Auch wenn sie es nicht aussprach, Boa Hancock war offensichtlich gekränkt. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Nami und Ruffy hatten es sich auf einer der Bänke bequem gemacht. Den Weg hierher hatten sie mit belanglosem Smalltalk gefüllt, doch nun war es so weit. Es musste endlich raus! Die Spannung, die sich bis hierher aufgebaut hatte, wurde einfach unerträglich. Zeitgleich öffneten sie den Mund. “Ich muss dir was Wichtiges sagen!” / “Ich will dir nicht weh tun aber...” “Du zuerst.” / “Du zuerst.” Beide mussten lachen. “Schon gut, Nami, ich lass dir den Vortritt.” Etwas unsicher, ob sie sich für diese Höflichkeit bedanken sollte, nickte sie nur knapp. “Es ist so... Ruffy, ich bin der Meinung, dass unsere Beziehung...” “Verloren ist? Ja, zu dem Schluss bin ich auch gekommen.” vollendete er etwas niedergeschlagen ihren angebrochenen Satz. “Ich hab dich schrecklich gern, Ruffy. Und du weißt, wieviel du mir bedeutest aber diese tiefen Gefühle von damals sind einfach nicht mehr da.” “Wir sind also tatsächlich zu dem selben Schluss gekommen. Ace meinte, ich solle mir darüber klar werden, ob ich dich als Freund oder als Frau nicht verlieren möchte...” Nami lachte kurz auf. “Vivi hat mir Ähnliches an den Kopf geworfen. Ruffy, du bist mein bester Freund. Und als genau solchen möchte ich dich nicht verlieren. Deswegen halte ich es für das Beste...” “Wenn wir einfach nur Freunde bleiben?” “Ja, genau.” Sie sahen sich an, in ihren Augen all die Zuneigung, die sie füreinander empfanden und sie wussten, dass dieser Reset das Beste war, was sie seit Jahren füreinander getan hatten. Lachend schlenderten Ruffy und Nami nebeneinander her durch den Park. Der Tag war viel zu schön, als dass sie schon nach Hause wollten. Sie hatten sich Eis geholt, über ihre derzeitige und geplante Wohnsituation ausgetauscht und schwelgten seither in Erinnerungen. Es war so befreiend. Endlich konnten sie wieder wie früher miteinander umgehen. Als hätten sie sich mit der Beziehung damals selbst Ketten angelegt und diese nun endlich gesprengt. Herzhaft lachten die Zwei miteinander, als Nami langsam ihren Blick wieder auf den Weg vor ihr richtete... und für einen kleinen Moment innehielt. Zeitgleich wurde ihr Blick von einem ebenso verdutzten Augenpaar aufgefangen und während in Namis Inneren die Gefühle noch schnell eine Runde im Kettenkarussel drehten, wurde sie bereits freundlich begrüßt. “Dr. Tamino. So ein Zufall. Was machen Sie denn hier?” “L-Law...” hauchte sie leise, bevor sie sich endlich berappelte und in ihr selbstbewusstes Ich zurückkehrte. “Dr. Trafalgar, ich bin überrascht. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie auch des Spaziergehens mächtig sind – so viele verborgene Talente...” stichelte sie grinsend und ließ ihn gar nicht erst zum Kontra ausholen. “Und Ihre Begleitung? Oh, ich glaube, wir kennen uns bereits.” Höflich reichte sie Hancock die Hand und lächelte freundlich. Diese zögerte keine Sekunde, ergriff Namis Hand und quetschte diese mit Nachdruck, während sie genauso freundlich lächelte wie die Kinderärztin. “Ja, Dr. Tamino, ich erinnere mich. Es freut mich sehr, Sie wiederzusehen. Law hat mir viel von Ihnen erzählt.” “Hat er das? Kaum zu glauben, dabei spricht er doch viel lieber über sich selbst.” Nami begann zu lachen und Boa stieg mit ein. Law dagegen wurde gerade unendlich kalt und übel. Die zwei bezaubernden Damen schafften es binnen Sekunden den Sommer einzufrieren und dieses gekünstelte Verhalten konnte nur böse enden... Währenddessen hatte Ruffy sich erst Law angesehen und dann dessen Begleitung. Und hatte diese sofort wiedererkannt. “Sie sind doch die Frau aus dem Reptilienhaus!” platzte er heraus und grinste dabei wie ein Honigkuchenpferd. Die beiden Frauen sahen überrascht herüber. Bisher hatte die Schwarzhaarige Namis Begleitung noch gar nicht registriert, doch jetzt... ihr Herz beschleunigte seinen Takt und ein zartes Rosa legte sich auf ihre Wangen, während ihre Augen zu funkeln begannen. “Du meinst die, die vor wenigen Wochen umgekippt ist und wo du Erste Hilfe geleistet hast, Ruffy?” Nami erinnerte sich genau an sein stolzes Grinsen, als er ihr davon erzählt hatte. Sofort schlug das zarte Rosa in peinliches Rot um und Hancock wendete den Blick ab, während Law völlig überrascht zu seiner Exfreundin sah. “Das hast du mir ja gar nicht erzählt, Hancock!” “Das ist ja auch genau das Thema mit dem eine Frau wie ich hausieren geht!” keifte sie zurück. Ruffy lachte nur erfreut auf. “Schön, dass es Ihnen so gut geht. Ich habe gehört, Sie sind häufiger im Zoo. Ich bin jetzt für das Affenhaus verantwortlich – kommen Sie mich doch mal besuchen nächste Woche.” Und schon kehrte das zarte Rosa zurück. “Ja, gern.” Nami und Law trauten ihren Augen kaum. Was passierte hier eigentlich gerade? Ruffy wischte sich eine Hand an seiner schwarzen Hose ab und streckte sie der jungen Frau entgegen. “Ich bin übrigens Ruffy.” eröffnete er breit grinsend. “Boa. Boa Hancock. Und ich komme gern wieder vorbei.” “Sagt mal, ihr zwei, da hinten gibt es einen tollen Laden. Der Kuchen ist 'ne Wucht und Nami schmeckt der Kaffee dort total gut – wollen wir nicht zusammen hingehen?” “JA!” / “Nein!” / “Nein!” Boa war als einzige dafür und nur ihre Antwort hatte der junge Mann vernommen. Das einstimmige “Nein” der Ärzte ignorierte er gekonnt und ging mit der Schwarzhaarigen voran in Richtung Kaffee. Etwas resigniert folgten die 'Überstimmten' und seufzten leise vor sich hin. Wenn Ruffy etwas entschied, dann war das eben einfach so. Trotz aller Bedenken wurde es ein ganz lustiger Nachmittag. Neben dem wirklich ausgezeichneten Kaffee und dem leckeren Kuchen wurden einige Geschichten aus Ruffys Kindheit zum Besten gegeben und viel gelacht. Vor allem Hancock hing geradezu an seinen Lippen und lachte herzhaft, denn Ruffy konnte so anschaulich erzählen, dass man sich alles genau vorstellen konnte. Und auch wenn Law anfangs etwas abwesend daneben saß, so überkam selbst ihn ein Grinsen, als Namis Begleitung sie daran erinnerte, dass sie grundsätzlich, trotz ihrer lauten Proteste, mit in jeden Blödsinn verwickelt war. “Ich wusste gar nicht, dass hinter der altklugen Kinderarztstreberin so ein böses kleines Mädchen steckt.” stichelte Law auf dem Nachhauseweg zu Nami, die neben ihm lief. Ruffy und Hancock waren ein kleines Stück voraus und wild gestikulierend erzählte er ihr bereits ein weiteres seiner Kindheitsabenteuer. “Ach hör schon auf, als ob du zu Kindertagen ein Unschuldslamm gewesen wärest. Hast du nie solche Abenteuer erlebt?” etwas wehmütig blickte sie zu Ruffys Rücken bevor sie wieder lächelte. “Es ist das schönste Gefühl, völlig frei und ungezwungen, das zu tun, wonach einem gerade der Sinn steht. Und wenn das bedeutet, erst einen matschigen Pfad hinaufzuklettern, um dann einen Wasserfall herunterspringen zu können, dann ist das eben so. Manchmal vermisse ich diese Zeiten wirklich. Aber da sich Ruffy nie ändern wird in dieser Hinsicht, glaube ich kaum, dass ich in Zukunft vor diesen Abenteuern verschont bleiben werde.” “Klingt, als sei zwischen euch wieder alles in Ordnung.” “Das kommt darauf an, wie du 'in Ordnung' definierst. Wir haben uns entschieden, nur noch Freunde zu sein. Und ich denke, das war das Beste, was wir seit langem je getan haben.” Sie warf einen fragenden Blick zu ihrem Chefarzt. “Und bei dir? Sie wirkt viel glücklicher mit Ruffy als zuvor mit dir. Spannt dir mein Ex gerade deine Freundin aus?” fing sie wieder an zu sticheln und grinste dabei gespielt fies. “Du meinst EX-Freundin. Auch wir haben entschieden, dass diese Beziehung keinen Sinn mehr macht. Sie glaubt übrigens, dass wir zwei was am Laufen haben.” “Ich weiß.” Überrumpelt blieb er kurz stehen und schaute Nami hinterher, die einfach weiterlief. Erst einige Meter weiter sah sie über ihre Schulter zurück. “Sie denkt das schon, seit ich ihr das erste Mal begegnet bin. Überrascht dich das wirklich so sehr? Du hast doch auch ihre Blicke vorhin gesehen. Aber da ja zwischen uns nichts läuft, tangiert mich ihr Verhalten nicht im geringsten.” Damit verschränkte sie die Arme hinter ihrem Rücken und spazierte weiter. “Von wegen...” nuschelte Law, schloss aber schnell wieder zu seiner Kinderärztin auf. Das Thema sollten sie lieber genau so belassen. Immerhin war es doch bisher ein so schöner Nachmittag und den wollte er sich nun nicht vermiesen lassen. Kapitel 12: Kapitel 12 ---------------------- 12. Kapitel: Als am Montagmorgen Namis Wecker klingelte, war sie so voller Tatendrang wie lange nicht mehr. Sie war ausgeruht, ihre emotionale Waage ausgeglichen und stabil und überhaupt: Sie durfte heute wieder arbeiten! Flugs sprang sie aus dem Bett, huschte durchs Bad und genehmigte sich einen großen Kaffee. Als sie auf ihr Handy sah, war dort eine Nachricht von Ruffy, die sie schmunzeln ließ: »Gestern war wirklich lustig! Wann wiederholen wir 4 das? Hab gerade meinen Plan gesehen. WE wäre frei ;) « Ja, der Nachmittag war wirklich schön gewesen. Aber sie zweifelte leicht daran, dass genau diese Konstellation ein zweites Mal zustande kommen würde. Aber wer wusste schon, was die Woche noch bringen würde? Sie hatte ja gerade erst begonnen. Sie beschloss, erst dann zu antworten, wenn sie auch ihren Plan kannte. Immerhin brachte es gar nichts, irgendwelche Versprechen zu geben, die sie dann nicht halten konnte. Darauf reagierte sie ohnehin allergisch. Gut gelaunt spazierte sie zur Arbeit. Schon in der Umkleide und auf den Gängen wurde sie herzlich von ihren Kollegen und den Schwestern begrüßt. Niemand stellte unangenehme Fragen, alle freuten sich nur, dass sie zurück war. Es war ein schönes Gefühl. Kaum betrat sie das Dienstzimmer, wurde sie geradezu umgerannt von Kaya. „Wie schön! Du bist wieder da!“ Huch. Das kam jetzt doch irgendwie überraschend. Die Blonde war zwar immer sehr herzlich ihr gegenüber aber damit hatte Nami nun doch nicht gerechnet. Was es nicht minder schön machte. „Ich hab gehört, du hast den Laden hier fest im Griff gehabt.“ Kaya wurde etwas rot um die Nase, doch die Schwestern hielten bereits alle einen Daumen nach oben. Mehr Bestätigung brauchte es nicht. Die Oberärztin hatte ohnehin seit Längerem geplant, die Blonde zu ihrer Stellvertretung zu machen. Das hier war ihre Feuertaufe gewesen. Ohne Vorwarnung. Nicht geplant aber dennoch erfolgreich. Nami war wirklich stolz. „Dann setzt mich mal ins Bild: Was steht alles an?“ wandte sie sich nun ans gesamte Team. Eine halbe Stunde später stand Nami mit allen nötigen Informationen in der Visite, ließ diese bewusst von Kaya durchführen und nickte nur hin und wieder. Anschließend begab sie sich in ihr Büro. Hier war einiges liegen geblieben... Doch zuerst: Sie fischte einen Antrag aus den Unterlagen hervor und stolzierte damit zu ihrer blonden Assistenzärztin, wedelte damit vor ihrer Nase und grinste breit. „Ich bräuchte hier noch eine Unterschrift von dir.“ „Was ist das?“ „Ein Antrag zur Facharztausbildung. Und der für die Stelle als stellvertretende leitende Oberärztin dieser Station.“ Kaya fiel der Stift aus der Hand. Stammelnd sah sie ihre Vorgesetzte mit großen Augen an. „Keine Widerrede! Das Teil liegt bereits seit einem halben Jahr bei mir rum. Ist längst überfällig. Du bist soweit. Und den zweiten füllst du aus, wenn du die Fachweiterbildung beendet hast.“ Die Schwestern beglückwünschten die junge Assistensärztin und auch die anderen angehenden Ärzte gratulierten. Nami wandte sich wieder an ihre Kollegen. „Kaya geht mit gutem Beispiel voran und ich hoffe sehr, dass ihr diesem folgen werdet. Lasst euch nie entmutigen und arbeitet weiter fleißig an euch. Ich hoffe doch sehr, dass ich bald noch mehr dieser Anträge einreichen darf.“ Ja, sie sah Potential in jedem ihrer Assistenzärzte. Und da Kuleha jetzt fort war, lag deren Ausbildung nun in ihren Händen. Und Nami war fest entschlossen, ihre Mentorin stolz zu machen! Sie würde die besten Ärzte in der Kindermedizin ausbilden – aber dafür brauchte sie jemanden, der ihr den Rücken freihielt. Dafür brauchte sie Kaya! Mit dem unterschrieben Antrag zur Facharztweiterbildung und einigen anderen Dokumente, die erst durch die Hände des Chefs mussten, begab sie sich in die oberste Etage zum Büro von Herrn Eisberg. Auf ihr Klopfen hin wurde sie herein gebeten und direkt von mehreren Augenpaaren begrüßt. Etwas verdutzt blickte sie erst die Sekretärin, dann Herrn Eisberg und zum Schluss Law an. Kam sie etwa unpassend? „Dr Tamino. Bitte, setzen Sie sich doch.“ bot Eisberg ihr einen Stuhl an seinem runden Tisch an. Er selbst saß am entferntesten Punkt, zwei Plätze daneben Kalifa. Law hatte sich schräg gegenüber der Sekretärin gesetzt, somit setzte Nami sich ganz automatisch zwischen die beiden. Ganz wohl war ihr nicht dabei. „Uns ist aufgefallen, dass Sie etwas aus ihrer Form geraten sind, seit uns Dr Kuleha verlassen hat. Natürlich respektieren wir das – Sie hatten immerhin eine ganz besondere Beziehung zu ihr. Dennoch stellt sich uns die Frage... Fühlen Sie sich noch ihrer Position als stationsleitende Oberärztin der Kinderchirurgie gewachsen, Dr Tamino?“ Eisbergs direkte Frage traf die junge Kinderärztin wie ein Schlag. Ihr Blick huschte ganz kurz zur unbewegten Miene von ihrem Chefarzt, der jedweden Augenkontakt vermied. Von ihm brauchte sie sich keine Hilfe erhoffen. Hatte er sie vielleicht sogar in diese Situation gebracht? Nein... Sie verwarf diesen Gedanken wieder. Herr Eisberg wusste genau, was in seinem Krankenhaus vorging. Für eine Sekunde ließ sie ihren Kopf hängen, atmete durch und richtete sich dann wieder auf, ihre braunen Augen fest auf ihren Chef gerichtet. „Sie haben Recht. Kulehas Rücktritt hat mich hart getroffen. Ich möchte mich in aller Form für meine Fehltritte entschuldigen. Und zu ihrer letzten Frage...“ sie schob Eisberg Kayas Antrag zu. „Ja, das tue ich. Und genau aus diesem Grund möchte ich Sie bitten, meiner Assistenzärztin die Ausbildung zur Fachärztin zu ermöglichen. Ich kann mich besser auf meine Aufgaben fokussieren, wenn ich noch jemand fähiges an meiner Seite habe, dem ich blind vertraue.“ Eisberg griff nach dem Formular und ließ eine Augenbraue nach oben schnellen. „Sind Sie sich ganz sicher mit Ihrer Wahl, Dr Tamino? Sie ist noch so... jung.“ „Dennoch mangelt es ihr nicht an Erfahrung. Und in der vergangenen Woche hat sie ganz klar bewiesen, was in ihr steckt. Auch ohne dass ich ihr den Rücken gestärkt habe.“ Eisberg schien noch nicht überzeugt. Vielleicht vertraute er Namis Urteilsvermögen nicht mehr? Die Orangehaarige ließ sich seufzend gegen die Stuhllehne fallen. „Wenn Sie meinem Urteil nicht vertrauen, fragen Sie doch Dr Trafalgar.“ Wenn der Kerl hier schon so provokant mit im Raum saß, konnte er ruhig etwas Positives zu dieser Unterhaltung beitragen. Angesprochener zuckte kurz mit dem linken Auge. Nein, es passte ihm ganz und gar nicht, da mit hineingezogen zu werden. Er war aus einem ganz anderen Grund hierher gekommen und befand sich mal wieder zwischen den Fronten. Was hatte er nur verbrochen? „Können Sie das bestätigen?“ wandte Eisberg sich nun an den Schwarzhaarigen. „Sie ist eine junge, engagierte und sehr fleißige Ärztin. Talentiert und klug. Sie könnte es weit bringen, wenn man sie entsprechend schult. Ich sehe keinen Grund, diesen Antrag abzulehnen.“ Auf Namis Lippen bildete sich ein siegessicheres Lächeln. Der Blauhaarige gab nach, nickte den Antrag ab und entließ alle wieder. „Ach, und Dr Tamino... ich werde so eine Aktion kein zweites Mal durchgehen lassen!“ Die Kinderärztin verbeugte sich vor ihrem Chef. Die Warnung war mehr als eindeutig. Kapitel 13: Kapitel 13 ---------------------- 13. Kapitel: Für den ersten Tag und auch die gesamte Woche war das Gespräch mit Eisberg die einzige Unannehmlichkeit. Keine weiteren Überraschungen gab es für die junge Kinderärztin. Zum Glück. Leider sah ihr Dienstplan aus, wie sie befürchtet hatte. Das Wochenende konnte sie sich abschminken, da hatte sie Dienst. Zumindest am Samstag. Sonntag war Kaya dran, was bedeutete, dass Nami sich dort zurücklehnen konnte. Doch sie würde schlafen, wenn sie nach Hause kam. Und Ruffy musste früh zu Bett, da er Montag noch vor dem ersten Sonnenstrahl wieder hoch musste. Also hatte sie ihm eine Entschuldigung geschickt und sich wieder auf ihre Arbeit fokussiert. Was sich als erstaunlich einfach herausgestellt hatte. Irgendwie hatte sie mit mehr... Komplikationen... Widerstand oder dergleichen gerechnet. Entweder wurde das Thema absichtlich totgeschwiegen oder niemand hatte es als wirklich ernst aufgefasst. Was sich hinter den Kulissen noch abgespielt hatte, wusste ja im Grunde keiner weiter außer Law und ihr. Und das vergaß sie mitunter. Entsprechend verwundert war sie kurzzeitig, als von ihren Kollegin so Seitenhiebe kamen, wie 'Vielleicht sollte ich mich auch mal mit dem Chefarzt zoffen um eine Woche Sonderurlaub zu bekommen.' oder 'Du hast in der freien Woche bestimmt erstmal die Seele baumeln lassen oder?'. Nach der ersten Verwirrung, konnte sie dann immer überzeugend lächeln und mit einem 'So ungefähr...' antworten. Die Antwort passte in 99% der kleinen Sticheleien, die alles andere als böse gemeint waren. Wenn ihre Kollegen wüssten, wie ihre freie Woche wirklich ausgesehen hatte... Nach einer langen OP begab sich die junge Kinderärztin in die Cafeteria, in der Hoffnung, noch irgendetwas Warmes abgreifen zu können. Ein wenig enttäuscht linste sie auf die karge Auswahl und seufzte gedehnt. Leber und Grützwurst waren noch übrig. Na lecker. Da blieb sie lieber hungrig. Nicht einmal ein Salat war mehr da. Sie griff zur Obstschale, nahm sich zwei Orangen heraus und setzte sich an einen der leeren Tische. „Nanu, ganz allein?“ riss sie jemand aus ihren Gedanken. Nami sah auf und in das verschmitzte Grinsen ihres Chefarztes. „Mit dir will anscheinend auch keiner spielen.“ neckte sie ihn. „Das stimmt so nicht ganz. Ich will mit niemandem spielen. Ich suche mir meine Gesellschaft lieber selbst aus.“ „Und ich habe jetzt das zweifelhafte Vergnügen in diesen Genuss deiner Auswahl zu kommen, ja?“ sie lachte leise auf, während in seine grauen Augen der Schalk trat. „Bin ich so ein unangenehmer Zeitgenosse, dass du meine Anwesenheit als 'zweifelhaftes Vergnügen' betiteln musst? Das trifft mich wirklich hart.“ Man konnte deutlich hören, dass er sich das Lachen verkniff. Nami schüttelte lachend den Kopf. „Darf ich fragen, warum mein Chefarzt meine Gesellschaft sucht?“ „Darfst du.“ und dann folgte nichts mehr. Immerhin hatte er ihr ihre Frage beantwortet. Nicht so, wie sie es gerne hätte, und das trieb ihr eine kleine Wutader auf die Stirn, aber er wusste, dass er sie so aus der Reserve locken konnte. Er genoss ihre kleinen verbalen Auseinandersetzungen stets aufs Neue. Und er hatte bereits nach einer Woche Entzugserscheinungen. Niemals würde er das offen zugeben, aber er hatte sie vermisst. Die Orangehaarige schnaubte derweil einmal, überlegte, wie sie weiter vorgehen sollte und schälte demonstrativ langsam ihre erste Orange. Dann sah sie ihm direkt in die Augen, beinahe provokant schob sie sich das erste Stückchen in den Mund ohne dabei den Blickkontakt zu brechen. Sie konnte sehen, wie sein rechtes Auge kurz zuckte, er seine Hände vor seinem Gesicht faltete und sie weiter darüber hinweg anfunkelte. Irgendwie artete das gerade in einem Anstarrduell aus. War das geplant? Wäre Smalltalk nicht wesentlich angenehmer gewesen? Wobei sie diese Situation schon amüsierte. Innerlich. Nach außen hin zeigte sie keine Regung. Aß einfach weiter ihre Orange. Stück für Stück. Als sie damit fertig war, legte sie den Kopf leicht schief. Nicht eine Sekunde hatten sie den Blickkontakt unterbrochen und was normalerweise ab einem bestimmten Punkt unangenehm wurde, erzeugte bei Nami ein aufregendes Kribbeln. Es fühlte sich an, als würde sie mit dem Feuer spielen. Immer kurz davor, sich zu verbrennen. Nervenkitzel. Das hatte sie schon lange nicht mehr verspürt. Ohne Vorwarnung stand sie dann auf, schnappte sich die zweite Frucht und grinste Law noch einmal verschmitzt an. „Danke für die Gesellschaft. Es hat gleich viel besser geschmeckt~“ Sie tippte ihm einmal an die Schulter und verließ die Cafeteria. Kaum außer Sicht, beschleunigten sich ihre Schritte merklich und erst auf der Damentoilette machte sie halt, stützte sich an einem der Waschbecken ab und atmete stoßweise ein und aus. Ihre Wangen glühten, das konnte sie deutlich in ihrem Spiegelbild sehen. Was hatte sie da gerade getan? Was hatte er getan? Denn gerade eben hatten sie eindeutig miteinander geflirtet. Auf einer Ebene, die definitiv weit über schüchternes Anlächeln hinaus ging. Zwar gut zu wissen, dass sie es noch konnte aber, verdammt noch eins, er war ihr Chefarzt! Ooooh Goooott! Sie würde in Teufels Küche kommen! Garantiert! Nami wusch sich Hände und Gesicht, starrte ihr Spiegelbild ernst an. „Reiß dich ein bisschen zusammen, Mädchen!“ schimpfte sie sich selbst. Konnte aber bereits dieses Kribbeln wieder spüren, als sie an den Moment zurück dachte. Sie biss sich auf die Unterlippe. Was war nur los mit ihr? Vor einem Monat konnte sie ihn noch nicht einmal leiden und jetzt flirtete sie mit ihm?! Dabei war das überhaupt nicht geplant gewesen. Nicht einmal gewollt. Es war einfach passiert. Aber nur weil sie jetzt ungebunden war, musste sie sich ja nicht gleich dem erstbesten Typen an den Hals werfen, oder? Einmal atmete sie noch tief durch, setzte gedanklich einen Haken hinter die Sache und schritt hoch erhobenen Hauptes aus dem Bad. Es ist nichts passiert. Gar nichts! Der Tag verging, ebenso die Woche ohne weitere Vorkommnisse. Immer wieder traf sie mit Law zusammen, ab und an hatten sie sogar am gleichen Tag Dienst, unterhielten sich, neckten sich gegenseitig. Es war stets angenehm in seiner Gegenwart, als wäre nie irgendetwas zwischen ihnen vorgefallen. Nicht ein einziges Mal hatte er die peinliche Aktion bei ihr zu Hause - oder die Sache in der Cafeteria, die sich seither nicht wiederholt hatte - erwähnt oder anderweitig angeschnitten. Das rechnete sie ihm hoch an. Überhaupt schien er nicht einmal halb so eisig zu sein, wie sie anfangs angenommen hatte. Zumindest nicht ihr gegenüber. Überhaupt bemerkte sie, dass er zwar eine distanzierte aber gar nicht so kühle Art zu haben schien. Er versuchte lediglich alles nüchtern und so objektiv wie möglich zu betrachten, um dann bestmögliche Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Ganz langsam begann sie ihren Chefarzt zu verstehen, seine Blicke zu deuten, seine Mimik zu lesen. Und versuchte die Welt mit seinen Augen zu sehen. Immerhin war sie nun ebenfalls zur Mentorin geworden. Nami wollte ihren Assistenzärzten die bestmögliche Ausbildung zukommen lassen. Und je besser sie Fehler erkennen und analysieren konnte, umso effektiver konnte sie anleiten. Nach dem doch recht anstrengenden Dienst am Samstag, freute sie sich ganz besonders auf ihre Bahnen in der Schwimmhalle. Gefühlt tat ihr alles weh. Von den 24 Stunden ihres Dienstes hatte sie 18 im OP verbracht und die restliche Zeit mit Stationsarbeit und Schreibkram verbracht. Schlaf war nicht drin gewesen. Essen auch eher weniger. Hätten die Schwestern ihr nicht ab und an eine kleine Leckerei zugeschoben, sie hätte Null Komma Null Kalorien zu sich genommen. Als sie endlich an Kaya übergeben konnte am Sonntag war sie dementsprechend ausgelaugt, doch beschweren tat sie sich nicht. Es war ihr Job und den liebte sie eben über alles. Es gab auch durchaus andere Dienste, in denen sie mehr Freizeit hatte, mit den Schwestern scherzen oder ihnen unterstützend unter die Arme greifen konnte. Wenn die Blonde etwas Glück hatte, würde das jetzt so ein Dienst werden. Nami hoffte es für sie. Ihre zukünftige Stellvertretung wollte nämlich Montag nach ihrem Dienst in den Urlaub fliegen mit ihrem Freund. Und da dieser auch zum Freundeskreis von Ruffy gehörte, wusste Nami bereits ganz genau, was Kaya dort erwarten würde. Innerlich quietschte sie bereits voller Vorfreude und konnte es kaum erwarten, dass die Blonde wieder da war um zu berichten. Aber jetzt wollte sie nur noch schwimmen gehen. Dann essen und dann in ihr Bett. Solider Plan. Und, oh, wie gut tat es ihr, das Wasser auf ihrer Haut zu spüren. Eine Weile ließ sie sich einfach auf dem Rücken treiben, genoss die Ruhe und die Schwerelosigkeit. Etwas, dass sie nur hier fand. Wasser war schon immer ihr Element gewesen. Und das einzige, welches ihr hitziges Feuer abkühlen konnte. So gerne sie auch ein paar mehr Bahnen geschwommen wäre, die Erschöpfung war einfach stärker gewesen. Und so duschte sie sich ab, zog sich um und verließ das Gebäude. Neben ihr tauchte ein wohlbekanntes schwarzes Auto auf und die Scheiben wurden herunter gelassen. „Du siehst erschöpft aus. Soll ich dich nach hause fahren, Nami?“ kam es mit besorgter Stimme und dankbar lächelte sie Law an, nickte, stieg wortlos auf den Beifahrersitz und war eingeschlafen, kaum dass sie das Klinikgelände verlassen hatten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)