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Ein Wochenende in Hakone

von

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Seit Rei sich mit ihrem Handy umgedreht hatte, hatte es gefühlt zwanzig weitere Male vibriert, doch scheinbar hatte sie beschlossen «Bunny» erst einmal zu ignorieren. Er tat das ohnehin auch weil er sich auf den Verkehr konzentrieren musste. Zu spät hatte er festgestellt, dass Mamorus geliebter Sportwagen, nicht nur einen ganz unmöglichen Kofferraum besaß, sondern auch keine Servolenkung hatte, und so musste er jetzt wohl oder übel kurbeln, wann immer die Straße sich nicht kerzengerade dem Horizont entgegenstreckte.

Vielleicht hätte er doch besser einen Mietwagen genommen. Einen kleinen Swift oder einen Aygo zum Beispiel. Dann hätte er jetzt zwar einen dummen Aufkleber (3) am Heck, aber wenigstens eine bequeme Lenkung. Aus dem Radio schallte ein eher unbekannter Song von SKE48 (4). Eine Wahl, die er so sicher nicht getroffen hätte.

Langsam lenkte er den Wagen auf die Mautstelle zu. Sobald sie erst einmal auf der vierspurigen Autobahn waren, würde hoffentlich alles besser werden. Neben ihm blickte Rei aus dem Fenster und zählte Hochhäuser - oder vielleicht auch Wolken. Er wusste es nicht.

Die kleine Box neben dem mittleren Spiegel piepte verheißungsvoll, als er an der Schranke vorbeifuhr. Ab jetzt würden sie hoffentlich etwas schneller vorankommen. Probeweise drückte er etwas fester auf das Gaspedal, was der Alfa Romeo mit einem tiefen Röhren quittierte. Das war es also, was Mamoru an dem Auto so liebte.

Kommentarlos setzte er den Blinker und fädelte sich hinter einem älteren weiß-braunen Wohnmobil ein. Die dunkle Holzvertäfelung bildete einen ungewohnten Kontrast zum Rest des Wagens, aber wenigstens fuhr er in einer ordentlichen Geschwindigkeit.

«Also Hino-san», begann er noch einmal, «Wie stellst du dir unser Vorgehen in Hakone vor?»

Sie ließ ihn noch einen Moment warten, dann wandte sie sich schließlich von dem Ausblick ab. «Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, wir kriegen noch einen Futon im Gästehaus oder einen Stellplatz auf einem Michi no Eki (5) und morgen früh folgen wir dem Weg, den die Touristen zum Tempel nehmen. Wenn sie auf dem Weg dorthin verschwinden, finden wir da sicher eine Spur und wenn nicht, muss der Youma ja irgendwo auf dem Rückweg lauern.»

Jedite nickte. «Ich verstehe. Du willst also in einem Auto übernachten, in dem man nicht mal die Sitze nach hinten stellen kann und morgen willst du dann mit schmerzenden Knochen wandern gehen ... »

«Also eigentlich würde ich das Gästehaus vorziehen.»

«Mit einer Horde Rucksacktouristen im gemischten Schlafsaal?» Er erlaubte sich ein abfälliges Grinsen, während seine Beifahrerin spontan die Kiefer zusammenpresste.

«Mehr kann ich mir halt nicht leisten», murrte sie.

Einen Augenblick lang dachte er, er hätte sie versehentlich beleidigt, doch da sie nichts weiter sagte, kam er zu dem Schluss, dass er nicht zu weit daneben gegriffen haben konnte. «Bist du mir böse, wenn ich sage, dass ich Rucksacktouristen gruselig finde?», fragte er weiter.

Das Mädchen legte den Kopf schief, um ihn aus den Augenwinkeln zu mustern. Etwas was es in der letzten Stunde schon öfter getan hatte, wenn es geglaubt hatte, er bekäme es nicht mit. «Du erschaffst Youma aus Lehm, aber du findest Leute mit weißen Socken und Wanderhut gruselig?», fragte Rei spitz.

«Das machen die Socken», entgegnete er trocken. «Die und die Vorstellung, wie so ein paar Füße wohl riechen mögen, nachdem die Leute in den Teilen und extra dicken Wanderschuhen x Berge hoch gestiefelt sind.»

Rei verzog angeekelt das Gesicht. «Danke», murrte sie.

«Können wir nicht einfach etwas anderes buchen?», bat er noch einmal.

Rei schüttelte den Kopf. «Das kann ich nicht bezahlen, aber du kannst mich natürlich am Gästehaus absetzen und dir etwas anderes suchen», schlug sie vor.

Einen Augenblick lang überdachte er die Idee, dann musste er an Mamoru denken und ihm wurde klar: Wenn er je erfahren würde, dass er dieses Mädchen allein in irgendeinem Gästehaus gelassen hatte, wo es niemanden kannte und in einem gemischten Schlafsaal zwischen lauter schnarchenden Touristen schlafen musste, würde er ihn umbringen. Zumindest wenn er es vorher nicht selber tat.

Mühsam unterdrückte ein Seufzen. «Gegenvorschlag: Du nimmst jetzt dein Handy und buchst uns ein Ryokan.»

«Und das bezahle ich von was?» fragte sie prompt zurück.

«Mein Alias hat eine Kreditkarte.»

«Eine Kreditkarte?», fragte sie in demselben skeptischen Ton, den sie auch schon Kunzite gegenüber genutzt hatte, doch dieses Mal beschloss er es seinem Freund einfach nachzumachen und ihn zu ignorieren.

«Ja, eine Kreditkarte», wiederholte er stoisch. «Damit können wir das Ryokan bezahlen.»

«Dir ist aber schon klar, dass die Preise in Hakone ziemlich hoch sind?», fragte sie noch einmal.

Er nickte. «Glaub mir, das ist mir meine Nase wert.»


Nachwort zu diesem Kapitel:
(3) Bei Japans Autovermietungen gibt es seit einiger Zeit einen hilfreichen Heckaufkleber, der Autofahrer auf ‹Ausländer am Steuer › hinweist. Er soll dafür sorgen, dass die Leute mehr Rücksicht auf die potentiell nicht Linksverkehr gewohnten Gäste nehmen.

(4) japanische Idolgroup

(5) Ein Parkplatz auf dem man im Auto übernachten darf. An Überlandstraßen sind sie in der Regel ausgeschildert. Die Nutzung ist idR. gratis. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ChiaraAyumi
2021-10-29T23:40:22+00:00 30.10.2021 01:40
Okay hier hätte Rei vielleicht auch Bunny aufklären können, denn bei 20 Nachrichten ist ja klar, dass Bunny am Durchdrehen ist und Rei sollte Bunny eigentlich gut genug kennen, um zu wissen, was in ihrem Kopf vor sich geht, aber wahrscheinlich ärgert sie Bunny einfach nur gerne.

Ohne Servo-Lenkung zu fahren ist echt nervig und dann noch ein ausländisches Modell. Jedite tut mir an der Stelle schon ein wenig Leid, aber immerhin hat er trotzdem noch Zeit um mit Rei über die Unterkunft zu streiten. Ich finde an dieser Stelle merkt man auch den Altersunterschied der beiden. Als Schülerin kann man sich nicht viel leisten und da nimmt man eben das günstige was geht, auch wenn man mit schmerzenden Knochen aufwacht und Jedite ist älter und kann sich den Luxus leisten. Ich hätte mich wahrscheinlich wie Rei dagegen gesträubt und hätte das erstmal alles skeptisch hinterfragt.


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