Flucht von KatieBell (Ein Lächeln verändert alles) ================================================================================ Kapitel 9: Atemlos ------------------ Lautes Poltern riss ihn aus dem, ohnehin schon unruhigen Schlaf. Sein Kopf wandte sich direkt zu seiner rechten Seite, nur um im nächsten Moment sich stocksteif aufzusetzen. Die andere Bettwäsche war aufgewühlt zur Seite geworfen worden. Das Laken war zerknittert und das Kopfkissen lag auf dem Boden. Aber von seiner Freundin war keine Spur zu sehen. „Katie?“, rief er zugleich und sah sich hin und her im Schlafzimmer um, „Katie?!“ Eilig strampelte er sich aus seiner Bettdecke heraus und setzte seine nackten Füße auf den kalten Holzboden. Im nu stand er auf, ohne darauf zu achten wohin er lief. In der Dunkelheit sah er nicht viel und knallte auch prompt gegen die Kante des Nachttisches. „Fuck.“, zischte er und hielt sich sein Knie, welches schmerzte. Er rieb kurz über sein Gelenk, bevor er seine Hand auf den Nachttisch wandern ließ und seinen Zauberstab zu fassen bekam. Erneut sah er auf und rief Katies Namen. Doch sie erwiderte nichts und Panik machte sich in ihm breit. Er tastete sich vor bis zur Tür. Gerade erreichte er die Türklinke und drückte diese herunter, als er ein Scheppern vernahm. „Katie?“, rief er erneut nach ihr. Marcus stolperte den Flur entlang, bis er zur Treppe kam. Die Dunkelheit vor seinen Augen verschwand allmählich, da sich seine Augen mittlerweile daran gewöhnt hatten. Trotzdem hob er seinen Zauberstab und flüsterte ein „Lumos“, woraufhin sich eine kleine Leuchtkugel an der Spitze seines Stabes sichtbar machte. In der rechten Hand hielt er seinen Zauberstab fest umklammert, während seine linke Hand an der Wand sich abstützte und er die einzelnen Stufen hinabstieg. Kaum die letzte Treppenstufe erreicht, hörte er ein dumpfen Knall und ein Klirren. Als ob etwas schweres, metallisches auf den Boden fiel. Eindeutig kam das aus der Küche. Er hastete durch den Flur, durch das Wohnzimmer, bis er die Küchennische sah und abrupt stehen blieb. Seinen Zauberstab in die Richtung der Küche haltend. Er sah ihre zierliche Gestalt, wie sie völlig in Panik die Schubladen aufriss. Soweit rauszog, dass die Schubladen aus ihren Halterungen fielen und ungehindert auf die Fliesen knallte. Das Besteck fiel heraus und verstreute sich komplett auf dem Boden. „Katie! Was-“, begann er, doch seine nächsten Worte blieben ihm im Hals stecken. Das Licht des Lumoszauber leuchtete auf ihre Gestalt. Viel eher auf ihre Kleidung. Da waren kleine Bluttropfen auf ihrem T-Shirt. Wo kamen die denn her verdammt? Hatte sie sich verletzt? Aber wo... er konnte nicht sehen, dass sie offene Wunden hatte. „Katie?“, kam es nun etwas vorsichtiger aus seinem Mund. Doch sie reagierte nicht auf ihn. Weiter durchwühlte sie die Schubladen und Schränke. Wirkte dabei völlig fahrig und unkontrolliert, aber Marcus bemerkte keine Anzeichen eines Magieausbruches. Sie war sichtlich durch den Wind und gar nicht richtig sie selbst, aber keine Anzeichen, dass hier Magie am Werk war. „Katie?“, hauchte er wieder und kam langsam näher, „W-was... was hast du?“ Er war schon so nah bei ihr, dass sein Augenmerk plötzlich auf ihren Hals fiel. Er keuchte auf, als er die vielen blutigen Striemen sah, die senkrecht unterhalb ihres Kinns begannen und kurz vor ihrem Kragen des Shirts aufhörten. „Verdammt, Katie!“, stieß er nervös aus und er legte ohne zu überlegen seine rechte Hand, mit dem er immer noch seinen Stab hielt, auf ihre Schulter. Urplötzlich riss sie sich von ihm los. Sie trat einige Schritte zurück und stieß mit ihrem Kreuz gegen die Arbeitsplatte. Ihre Pupillen huschten von links nach rechts und wieder zurück. Sah ihn jedoch weiterhin nicht an. Marcus konnte nichts erwidern, als sie sich erneut von ihm abwandte und sich auf den Boden warf. Wild das Besteck hin und her schob und sie zum ersten Mal etwas von sich gab. „Muss weg... Aufhören...“, es war ein reines Flüstern, in völliger Panik, „Ich kann nicht mehr... Will nicht mehr...“ Marcus schluckte und konnte nicht einfach mehr dem ganzen Wahnsinn zusehen. Er ging erneut auf sie zu. Fiel fast vor ihr auf die Knie und wollte sie erneut unterbrechen. Er ließ den Zauberstab fallen, der klackernd zu Boden fiel und umfasste ihre beiden Schultern mit seinen Händen. Doch abermals schüttelte sie seine Hände von sich und von einem Moment zum nächsten, hatte sie ein Küchenmesser in der Hand. Der Schwarzhaarige schreckte zurück, als sie es ihm entgegenhielt und fiel nach hinten. „Whow...“, und hob die Hände in die Höhe, „Ich bin es doch... Katie, du musst dich beruhigen.“ „Ich will das es aufhört!“, schrie sie ihm entgegen in ihrer wirren Manie. Marcus atmete heftig aus der Nase. Sie war komplett von der Rolle. Was war passiert, dass sie so durchdrehte? Seine grünen Augen blickten zu seinem Zauberstab, der verlassen an der Seite, genau zwischen ihm und Katie lag. Er schluckte. Wenn er ihr nur einen Anreiz geben könnte, sich zu wehren, käme er nie schnell genug an seinen Stab heran, um sie zu entwaffnen. Er musste das irgendwie anders angehen. „Liebes,... bitte, leg das Messer weg.“, sagte er sachte und schob sich vorsichtig auf seine Füße. Nur keine schnelle Bewegung. Ruhig. Auch wenn er gerade alles andere als ruhig war. Sein Herz klopfte laut unter seiner Haut. Sein Blut in den Adern konnte er fast brodeln hören. Sein Puls raste. „Es... es muss aufhören...“, schluchzte sie auf einmal auf und ihre Hände begannen zu zittern. Das Zittern war deutlich ein Vorbote eines Ausbruchs. Marcus kannte die Anzeichen zu genüge. Er musste sie unbedingt beruhigen, denn um ehrlich zu sein... konnte er diesmal nicht vorhersehen, wie ein weiterer Magieausbruch in ihrem derzeitigen Zustand aussehen würde. Ganz zu schweigen, was hier gerade alles herumlag. Bisher hatte Katie sich nie selbst verletzt, aber ihre Wunden am Hals sprachen Bände, dass die Hemmschwelle längst gesunken war. „Ich weiß. Es wird... wieder alles gut. Nur leg das Ding weg, Katie.“, sagte er bestimmend. „Sie gehen nicht weg!“ Zentimeter um Zentimeter kam er ihr näher. Krabbelte schon fast auf allen Vieren ihr entgegen und das in Zeitlupe. Er war sogar mittlerweile auf der Höhe seines Zauberstabes, aber er schenkte diesem keine Beachtung. Er musste das ohne Zauber regeln. Allein deswegen schon, dass er Angst hatte, er könnte sie vielleicht dadurch verletzten. „Was... geht nicht weg?“, fragte er leise. Katie reagierte auf seine Frage langsam. Sie ließ die Hand mit dem Messer sinken und Marcus sah seine Chance. Er überbrückte die letzten Zentimeter und nahm ihr das Messer direkt aus der Hand. Warf es weit hinter sich und zog sie in die Arme. Sie weinte so bitterlich und drückte ihr Gesicht in seine Brust. Ihre Hände lagen dabei jedoch kraftlos nach unten geneigt und er schluckte, als er einen Blick darauf warf. Ihre Fingernägel waren Blut unterlaufen, als hätte sie sich damit ihre Wunden am Hals zugefügt. Er drückte sie mehr an sich und strich ihr über den Rücken. Legte seine Stirn auf ihren Kopf ab und wog sie hin und her. „Bitte mach, dass... dass es aufhört.“, wimmerte sie dann. „Das was aufhört?“, flüsterte er und hoffte, dass sie nicht wieder direkt abblockte. Es war nicht fair von ihm, dass er ihren aufgelösten Zustand gerade ausnutzte, um etwas in Erfahrung zu bringen. Aber sie sprach nicht mit ihm, wenn sie bei vollem Bewusstsein war. Also war das die einzige Möglichkeit und Merlin stand ihm wohl bei. Denn Katie ließ zum ersten Mal ihre Mauern fallen... „Die...“, schluchzte sie wieder auf, „Finsternis... ich hör sie flüstern... die ganze Zeit, in meinem Kopf.“, wimmerte sie und ihr ganzer Körper begann erneut zu zittern, „Ich... es... es nimmt mir die Luft zum Atmen.“ „Schhhh...“ „Krieg keine Luft.“, keuchte sie atemlos. Katies Hände erhoben sich plötzlich und gerade noch rechtzeitig konnte er sie zufassen bekommen. „Lass mich...“, wimmerte sie und versuchte sich aus seinen Griffen zu befreien. Doch er hielt ihr stand. Ließ sie nicht gewähren. „Es ist da... da... unter meiner Haut.“, kam es erstickt aus ihr heraus und er schüttelte den Kopf. Er war nicht im Stande darauf zu antworten. „Marcus...“, wimmerte sie erneut, „Bitte mach es weg.“ „Ich finde eine Lösung. Ich verspreche es dir.“, kam es sofort über seine Lippen und drückte sie noch fester an sich. Noch lange wog er sie hin und her, bis er ihre leichten Atemzüge hörte. Er sah auf sie herunter, bevor er sich zu seinem Stab beugte. Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, murmelte er einige Heilzauber und richtete diese auf ihren Hals. Die blutigen Striemen verschwanden nach und nach, bis nichts mehr übrig blieb. Er seufzte erleichtert aus. Sein Glück, dass er mit Heilzaubern noch nie Probleme hatte. Aber auch dachte er nie, dass er das einmal so aktiv anwenden müsste. Er seufzte laut aus, nahm seinen Zauberstab quer in den Mund, bevor er sich langsam mit ihr erhob. Vorsichtig wich er den Gegenständen am Boden aus um trug sie durch das Wohnzimmer, durch den Flur, die Treppen hoch. Im Schlafzimmer legte er sie auf seine Seite des Bettes und deckte sie gut zu. Danach ging er ans Bettende, nahm seinen Stab, warf ihn neben sich aufs Bett und setzte sich dazu. Seine beiden Hände legten sich auf sein Gesicht und ließ diese nach oben fahren. Über sein Haar, bis sie im Nacken liegen blieben. Er schnaufte tief durch und kurz sah er über seine Schultern, nachdem seine Hände an seinen Seiten hinabfielen und sich auf das Bett abstützten. Katie schlief, wie als hätte sie das die ganze Zeit schon. Aber so war es nicht. Sie musste sicherlich wieder einen Alptraum gehabt haben und er hatte es nicht rechtzeitig mitbekommen. Verdammt! Dabei hatte er doch, genau wie sie, einen leichten Schlaf. Aber diesmal hatte er es nicht bemerkt, dass sie das Bett verlassen hatte. Bei Salazar... was da alles hätte passieren können! Sie war völlig im Wahn gewesen. Nicht sie selbst. Als würde sie jemand steuern. Finsternis. Unter ihrer Haut. Er hatte keine Ahnung was sie damit meinte. War etwas in ihrem Körper? Das bisher niemanden auffiel? Nein. Das bezweifelte er. Er kannte ihre Krankenakte zwar nicht, aber sie wurde ja immerhin gut durchleuchtet. Damals von Poppy und auch von Emilys Heiler Kollegen. Das wäre doch aufgefallen, oder? Oder... was wäre wenn Emily ihn in diesem Bezug auch etwas verschwiegen hatte?! Nein, nein, nein. So etwas Gravierendes hätte sie erwähnt. Oder? Zugegeben. Katies Zeichnungen hatte sie ihm auch verschwiegen, aber dass stand nicht im Vergleich zu dem, was in dieser Nacht geschah. „Durchatmen, Marc.“, seufzte er und fuhr sich erneut durchs Gesicht. Wenn er jetzt bei jeder Gelegenheit an Emilys Aussagen zweifelte, käme er nie wieder auf einen grünen Zweig bei ihr. Immerhin sollte er Katie zu Juans Schwester bringen, auf Emilys Bitten hin. Wenn er an ihr zweifelte, konnte er auch nicht Juan vertrauen, oder gar der ganzen Familie. Dann wäre sie in Spanien auch nicht sicher. Scheiße. „Bewahr' einen kühlen Kopf.“, murmelte er und sein Blick fiel wieder auf die dunkelblonde junge Frau. Am liebsten... würde er jetzt gerne Adrian schreiben. Aber das ging nicht. Er hatte ja unbedingt diesen Gedächtniszauber an ihm anwenden müssen. Er hatte seine Erinnerungen etwas verdreht und er wusste nur noch, dass er und Katie Urlaub in Frankreich machten. Er vergaß jedoch dabei alles was mit Katies Erkrankung zutun hatte. Marcus fand es besser. Für den Fall, dass das Ministerium seinen besten Freund doch ausfragen würde und so durch Katies Zustand erfuhren. Außerdem war ein Brief schreiben auch ziemlich riskant. Das Schreiben könnte abgefangen werden von den falschen Leuten und dann war da auch noch die Frage... Wem könnte er sich denn noch anvertrauen? Graham? Nein, den wollte er komplett aus der Sache rauslassen. Er wusste bis dato nicht einmal, dass er mit Katie abgehauen war. Spinnet? Bloß nicht. Sie hatte auch keine Ahnung von Katies Problem. Zumindest hatte Adrian ihm versprochen, ihr nichts zu sagen. Emily und Juan zu erreichen war genauso sinnlos und vergeudete Mühen. Wohin hätte er die Eule losschicken sollen? Und dass er Emily nicht mehr alles glaubte, schloss sie sowieso aus. Seinen Eltern? Nein. Auf gar keinen Fall. Die würden ihm nicht in tausenden von Jahren helfen, wenn es um Katie ging. Für seinen Vater war Katie nur ein... eine Person, die seiner nicht würdig war. Auf Hilfe konnte er da nicht hoffen. Marcus verzweifelte. Dabei war ihm klar geworden, er musste irgendetwas unternehmen. Katie brauchte Hilfe. Nicht irgendwann, nicht später. Jetzt. Wer wusste schon, was auf der Reise nach Spanien noch alles passieren würde? Wenn er wirklich mal zu spät war und sie sich beim nächsten Mal lebensbedrohlich verletzte? Was dann? Er könnte sich das niemals verzeihen, wenn ihr etwas zustoßen würde, weil er nicht rechtzeitig gehandelt hatte. Marcus atmete tief durch und sein Blick wanderte zum Fenster. Die Nacht war stürmisch. Die Tannenspitzen bogen sich fast bis zum Boden und Äste flogen durch die Gegend. Er stand auf und öffnete das Fenster. Ihm war so warm geworden, dass ihm die kalte Luft gerade entgegen kam. Kaum geöffnet hörte er ein Miauen in den Büschen. Er schärfte seinen Blick und sah eine schwarze Katze, die gerade sich am See bediente. Ein Lächeln huschte über seine Lippen und seine düsteren Gedanken verschwanden kurz. Er dachte an die getigerte Katze, die bei ihm ein neues Zuhause fand. Auf Katies Wunsch hin. Wäre Mizzi jetzt hier, wäre Katie vielleicht nicht so depressiv, wie im Moment. Das Tier hatte eine seltsame Wirkung auf sie, dass hatte er schon früh bemerkt. Und Katie hatte eh schon allgemein eine Affinität zu Katzen entwickelt. Sie war unendlich traurig gewesen darüber, dass sie Mizzi nicht mitnehmen konnten, aber es ging nicht anders. Er brauchte all seine Konzentration. Da konnte er nicht auch noch auf eine Katze aufpassen. Immerhin hatte es sie beruhigt, dass Adrian alle zwei Tage nach ihr sah. Er würde sie sicherlich auch nach ihrem „Verschwinden“ weiter versorgen. Im selben Augenblick hob die schwarze Katze ihren Kopf und drehte sich zu ihm um. Sie musste seine Anwesenheit gespürt haben und die gelben Augen sahen ihm entgegen. Sie sah ihn so durchdringend an, dass Marcus seinen Kopf leicht schief legte. Etwas an der Katze und ihren Blick,... erinnerte ihn an etwas. Nein. An jemanden. „Ich hab's!“, stieß er leise aus und kehrte dem Fenster den Rücken zu. Noch im Laufen, schnappte er sich seinen Zauberstab und verließ leise das Schlafzimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)