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True Feelings

Michael x Lucifer
von

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~ Erschaffen ~

 

Es war Licht, dass ihm zuallererst offenbart wurde. Klar. Grell. Erleuchtend. Belebend. Er selbst spürte keine richtige Form. Es war, als wäre er überall und doch nur an dieser Stelle. Das Licht wirkte beruhigend auf ihn. Liebevoll. Glücklich. Stolz. Und dann war es das, was er auch fühlte. Ein Glück, dass er niemals verlieren wollte.

Dann wurde das Licht schwächer, wandte sich teilweise von ihm ab – und etwas anderem zu. Das ungute Gefühl in ihm wurde geweckt und dann doch sehr schnell weggeschoben. Der Grund dafür, war nicht das unglaubliche Licht, dass ihm dieses Leben geschenkt hatte.

Es war auch Licht.

Aber es war noch mehr.

Kraft. Energie. Leben. Vertrauen.

Das Licht, welches wie er selbst zu sein schien, vielleicht noch etwas stärker, wandelte sich um. Es wurde zu einer richtigen Form, zu etwas Greifbaren. Eine Form wurde erschaffen. Etwas körperliches. Etwas, dass berührt werden könnte. Dunkles Haar lag geordnet auf dem Kopf, aus welchem eisblaue Augen stachen – eiskalt, liebevoll, nachdenklich.

Es war, als würde er bereits alles wissen, obwohl er erst kürzlich erwacht war. Der Körper vor ihm, mit den blauen Augen und dem dunklen Haar, war Niemand geringeres als sein Bruder.

Michael.

Das Einzige, was es außer ihm und ihrem Vater gab.

Er wusste, dass er es berühren wollte.

Nicht seinen Vater.

Nur Michael.

 

~ Trägheit ~

 

Es dauerte nicht lange, bis er selbst es schaffte, sich zu verkörpern. Er sah komplett anders aus, als Michael. Sein Haar war sehr hell, fast so hell wie das Licht ihres Vaters. Seine Augen glichen dem starken blau seines Bruders nicht annähernd, es war ein grau, vielleicht etwas grün oder sogar braun? Es war irrelevant und doch irgendwie wichtig.

Wieso, sah er aus – wie er aussah? Und wie war es bei Michael?

So viele Fragen. Keine Chance sie beantwortet zu bekommen. Ihr Vater verschwand immer öfter und irgendwann waren sie mehr unter einander.

Nicht, dass es ihn störte.

Es passierte schnell, dass er etwas bemerkte. Es war schwierig gewesen zu bemerken, zu erkennen und sich selbst darüber klar zu werden.

 

Berührungen.

 

Sie waren Engel, ihr Vater sagte sogar, sie wären Erzengel, all seine Liebe würde in ihnen fließen und was es später gäbe, wäre niemals so perfekt wie sie es waren. Sie waren universale Wesen, rein und harmonisch, ernst und voller Stärke. Alles was sie fühlten und dachten, kam von ihrem Vater aus und war in seinem Sinne.

 

Berührungen waren es nicht.

 

Das sie körperliche Formen annehmen konnten, gehörte nur bedingt zum Wunsch ihres Vaters, doch es vereinfachte den Umgang miteinander, das Lernen voneinander und allgemein alles, was ihr Vater für wichtig hielt. Sie waren die meiste Zeit des Tages in ihren körperlichen Formen, nur wenn ihr Vater direkt da war, gaben sie ihre körperliche Form auf, um stattdessen auf universale Weise zu kommunizieren, mit dem Leuchten ihrer Gnade.

 

Dennoch waren es gerade die körperlichen Berührungen nach denen er sich sehnte.

 

Die ersten ihrer Berührungen waren etwas ungewohnt und seltsam. Fast schon störend. Aber danach wurde es besser. Angenehmer. Schöner. Er wollte mehr davon.

 

Glücklicherweise schien es Michael auch so zu gehen oder er bemerkte es einfach nicht?

 

Er fing damit an, immer mehr körperliche Nähe zu suchen. Er hielt Michael's Unterarm, ohne es zu müssen, legte seine Hände auf die starken Schultern oder ließ seine Finger durch das dunkle, dichte Haar streichen. Meistens blickte Michael nur kurz zu ihm, manchmal irritiert, manchmal fragend, ehe er sich seiner Aufgabe wieder widmete.

 

So war es auch jetzt.

 

Michael hatte die Aufgabe von ihrem Vater bekommen, Natur zu erschaffen. Ihr Vater gab ihnen ein paar seiner Experimente, Pflanzen nannte er sie. Es sollte nicht viel benötigen, um sie wachsen zu lassen – Sonnenlicht, Wasser, Erde. Nicht nur Michael hatte sie Aufgabe bekommen, aber dieser übernahm so etwas lieber.

Er selbst beschäftigte sich lieber anders.

Seine dünnen Finger wanderten durch die dunklen Haarsträhnen. Er fühlte wie weich es war, zog ein wenig daran oder drehte sie um seinen Finger herum. Er völlig fasziniert davon und dem kribbelnden Gefühl das durch seine Haut zu gehen schien.

 

„Du solltest mir helfen, Lucifer.“

 

„Hmhmmm...“, den Kopf schief legend blickte er ins Gesicht seines Bruders, die weiße, reine Haut mit sanften Zügen, die sich leicht streng verzogen. „Ich denke du hast dafür ein größeres Talent.“

Natürlich würde er niemals sagen, dass er keine Lust hatte und sich lieber damit beschäftigte, seinen Bruder zu berühren.

 

„Lucifer“, Michael seufzte seinen Namen schwer und drehte den Kopf nun, die Finger von ihm glitten aus dem Haar hinaus und unzufrieden blickte er in die strahlenden, blauen Augen. „Vater wird zornig sein, wenn du dich weigerst.“

 

„Ich weigere mich nicht“, behauptete Lucifer schnell und senkte seine Hand, weil er ohnehin nicht mehr so einfach in die Haare kam. Schließlich sah er zu den Töpfen, die sie für die Pflanzen bekommen hatten. „Was soll ich machen?“

 

Eher widerwillig ließ er sich erklären, was er zu tun hatte. Michael behandelte alles wie etwas Heiliges, als wäre es ihr Vater selbst, den er in seinen Händen hielt. Dabei waren es nur kleine Dinge, die einfach nichts waren, wenn sie keine guten Bedingungen hätten. Selbst wenn daraus mal etwas Großartiges wuchs, war es unsinnig – sie verschwendete ihre heilige Zeit für so etwas, weil ihr Vater es großartig fand und notwendig, dass sie dabei mithalfen.

 

„Wofür sollen wir überhaupt für Pflanzen sorgen?“, harkte Lucifer nach, während er den kleinen Samen, den man einfach zertreten könnte, in das gegrabene Loch stopfte und es wieder zu buddelte.

 

„Wir sollen nicht hinterfragen, was Vater befiehlt“, erwiderte Michael treu wie eh und je.

 

„Aber fragst du dich nicht, was er vorhat? Er ist so selten bei uns und wir wissen nicht, was er tut, während er nicht bei uns ist.“

 

„Lucifer“, die Tonlage von Michaels Stimme wird eine Oktave tiefer, strenger. „Stell unseren Vater nicht infrage.“

 

Er hätte jetzt Vieles sagen können und alles davon wäre ehrlicher geworden, als das was er am Ende behauptete: „Natürlich, du hast Recht Michael.“

 

~Habgier~

 

Er wurde gieriger.

 

Und es zerfraß ihn von innen.

 

Gier, sollte kein Gefühl sein, dass ein Engel oder gar ein Erzengel fühlen sollte. Aber er fühlte es, in seinem Körper flammen, seinem Bauch kribbeln und seine Bedürfnisse verändernd.

Ihr Vater war mal wieder unterwegs, er war kurz vorbeigekommen um ihr Projekt zu begutachten und hatte stolz verkündet, dass die Entwicklung der Pflanzen einfach fantastisch war. Nun, wo er wieder gegangen waren, waren Michael und er erneut alleine für sich. Um sie herum wucherten Pflanzen aus Töpfen und erdige Stellen – dreckig, feucht... widerlich!

Michael berührte mit seinen Fingern die Blätter einer sogenannten Blume und lächelte dabei sogar ein wenig. Lucifer hatte kaum Interesse für diese Pflanzen, ganz egal wie schön sein Bruder sie fand.

 

Als er seine Finger ausstreckte, dann nach Michael.

 

Er streifte das weiche, dunkle Haar erneut und berührte die Kopfhaut, die als feste Grundlage galt. Er zog ein wenig, spürte die Anspannung der Haarwurzeln förmlich und massierte die gereizten Stellen schließlich sanft mit seinen Fingerkuppen, er saugte alles auf, jedes Gefühl. Dann fühlte er, wie sich der Kopf drehte. Michael sah ihn an, die Finger mittlerweile von der Blume gelöst. Als er den Mund öffnete, kam ihm Lucifer zuvor.

 

„Lass mich einfach“, murmelte er. „Bitte.

 

Er hatte mitbekommen, wie dieses kleine Wort oftmals genügte, damit Lucifer das bekam was er wollte. Auch dieses Mal gab Michael mit einem Seufzer nach und nickte leicht. Damit bestärkte er Lucifer jedoch nur. Er stellte sich direkt vor Michael, seine Finger nun von vorne in die dunklen Haare steckend, berührte er zum Teil vorsichtig die glatte Haut an der Stirn.

Gierig ließ er seine Finger durch das dunkle Haar streicheln, fuhr mit den Daumen über die Schläfen, fühlten die kurzen Härchen. Die Wärme, die Weichheit, Michael.

 

Das Haar verlor sein Interesse und stattdessen berührte er mit all seinen Fingern das Gesicht seines Bruders, zwang ihn zum Augen schließen, um die Lider berühren zu können, die Nase, den Mund. Das Kinn wurde von ihm ebenfalls berührte, sowie die rötlichen Wangen, seine Daumen verließen dabei die Lippen keine Sekunde, er schob seinen Finger dazwischen, wieder zurück und berührte wie weich sie waren.

 

In diesem Moment tauchte zum ersten Mal der Gedanke auf, dass er die Lippen weiter berühren wollte. Mit etwas anderem als nur seinen Fingern. Er wollte Michael noch intensiver spüren.

Aber er wusste nicht mit was oder wie. Also fuhr er fort, alles mit seinen Fingern zu erkunden.

 

Er streichelte mehrmals die Konturen von Michael's Gesicht nach berührte sie liebevoll und sanft und ohne das sein Bruder ein Anzeichen von Unmut zeigte. Lucifer fuhr fort, er wanderte vom Gesicht hinab, über den schlanken Hals, bis er am Rand des Kleidungsstückes ankam, dass ihr Vater ihnen gegeben hatte, sobald sie sich verkörperlicht hatten – und dies häufiger taten, als wohl erst geplant.

Der weiße Stoff des großen Hemdes, glich von der Farbe her, beinahe der Haut von Michael, nur das die Haut etwas rosiger war. Er wollte seine Finger weiter nach unten schieben, wurde aber aufgehalten, als sich die Hand seines Bruders auf seine legte.

 

Für einen Moment glaubte Lucifer, dass Michael das jetzt beenden würde, aber zu seiner Überraschung, waren es diesmal die Finger seines Bruders, die ihn berührten. An seiner Hand und den unteren und oberen Arm hinauf, über den Stoff an der Schulter zum Hals. Er ließ sich weniger Zeit als Lucifer mit den Berührungen und hinterließ dennoch überall eine prickelnde Wärme.

 

Es löste eine innere Begeisterung auf, dass seine Berührungen auf Erwiederung trafen. Lucifer verharrte in seinen Bewegungen und war selbst darin verloren, zu spüren wie Michael ihn ebenfalls berührte, er hoffte das sein Bruder eine ähnliche Gier in sich spürte wie Lucifer, dass er damit nicht alleine dastand.

 

Seine Gier flammte aber mehr und mehr auf.

Er wollte mehr.

Er wusste nur nicht wie er das bekommen sollte.

Und er hasste es, etwas nicht zu wissen, was er so dringend wollte.

 

„Michael“, fing er an zu sprechen und direkt öffneten sich die eisernen blauen Augen, um seinem Blick zu begegnen. „Wie... fühlt es sich für dich an?“

 

Sein Bruder legte den Kopf schief, ließ seine Hand wieder seinen Arm hinabfahren und legte in langsamer Tortur ihre Handflächen ineinander, um sie hochzudrücken.

 

„Als würden wir zusammen gehören“, antwortete Michael und betrachtete ihre Hände ineinander, die fast perfekt aufeinander passten.

 

„Das tun wir ja auch“, behauptete Lucifer. „Sonst wären wir ja nicht zu zweit, hier. Vater vertraut uns.“

 

Michael lächelte zaghaft, ehe er langsam nickte. Seine Finger fuhren in die Zwischenräume von Lucifer's und hielt ihre Hände so aneinander gedrückt. Es bewirkte ein Gefühl von Wichtigkeit bei Lucifer. Er war vielleicht nicht ihr Vater, nicht Gott, und dennoch war er wichtig für Michael. Und dennoch hatte er etwas, dass Gott nicht hatte.

Diese körperliche und emotionale Nähe.

Zu Michael.

 

Lucifer erwiderte den zärtlichen Druck der Hände, aber in einem urplötzlichen Umschwung veränderte sich Michael's Anspannung, er zog seine Hand hastig zurück und nahm einen Schritt Abstand nach hinten. Mit gerunzelter Stirn betrachtete Lucifer seinen Bruder, ehe er selbst wahrnahm, was Michael schon früher erkannt hatte.

 

Ihr Vater kehrte zurück.

 

Michael sah zurück zu den erblühten Pflanzen und trat gerade an sie heran, als ihr Vater mit seinem warmen Licht wieder über ihnen auftauchte.

 

Und das nicht alleine.

 

Ein Blick in die Richtung von Michael reichte aus, um ihm zu sagen, dass auch Jener irritiert davon war, Jemand neues Willkommen heißen zu müssen. Plötzlich würden sie nicht mehr alleine sein, plötzlich müssten sie einer weiteren Person Platz bieten.

 

Und Lucifer fühlte etwas Neues in sich aufsteigen.

 

Der Anfang, eines anderen, ekligen Gefühl als die Gier.

 

~ Neid ~

 

Lucifer hatte nicht viele Eigenheiten hier entwickelt. In den meisten Dingen, glich er Michael sehr und damit dem Bild von Gott und dem, was dieser wollte. Allerdings fiel ihm immer mehr auf, dass er doch ein paar Dinge hatte, die nur er an sich hatte.

 

Das Verdrehen seiner Augen, beispielsweise.

 

Das Gefühl das ihn etwas maßlos übertrieben störte.

 

Nachdem ihr Vater aufgetaucht war, hatte es eine neue Person gegeben. Einen weiteren Bruder der ihnen kräftemäßig glich, zur Familie gehörte und doch nicht ganz ihnen glich. An sich wäre eine weitere Person kein Problem für Lucifer, aber es machte alles komplizierter.

 

Michael fühlte sich sofort verantwortlich für dieses neue Wesen. Raphael war unwissender als Lucifer damals und schien es zu genießen die Aufmerksamkeit von Michael zu bekommen.

Lucifer bekam dafür kaum mehr Aufmerksamkeit.

Und er hasste es abgrundtief.

 

Raphael war völlig anders als sie. Er hatte seine körperliche Form erst nach sehr vielen Wochen angenommen, desinteressiert viel Zeit darin zu verbringen. Seine Haut war dunkler, seine Augen beinahe schwarz und er trug keine Haare. Die Kleidung war jedoch genau jene, die auch sie hatten. Aber Raphael war selten körperlich, meistens waberte er nur als Gnade umher und das machte es Lucifer schwerer, die Sache einzuschätzen – und einzuschätzen, wann er Michael berühren könnte und wann sie zu beobachtet waren.

 

Auch wenn Gott alles wissen sollte, trug Lucifer es gerne als Geheimnis, diese ungewöhnliche Nähe zu Michael.

 

In gewisser Weise glich Raphael Michael auch, auf die Weise wie sie sich verhielten, vor allem dann wenn ihr Vater da war. Brave Soldaten, hatte Lucifer dann immer im Kopf. Obwohl er genauso viel Aufmerksamkeit von Gott bekam, wie seine Brüder, konnte er nicht anders, als von Neid erfüllt zu sein, wenn gerade Raphael Aufmerksamkeit bekam.

Aufmerksamkeit, die Raphael absolut nicht verdiente.

Sowohl von Gott, als auch von Michael.

 

So etwas wie Argwohn wuchs in ihm.

 

Neid.

 

In seltenen Momenten, verblassten all diese negativen Gefühle aber wieder. Dann, wenn Gott nicht da war und Michael ihm seine Aufmerksamkeit schenkte, weil Raphael brav die Aufgaben erledigte die man ihm gab – zumindest wenn er sie von ihrem Vater oder Michael bekam.

 

Nun, gerechterweise musste man sagen, dass Lucifer meistens irgendwelche Aufgaben erfand, die Raphael in Ärger bringen würden und dieser daher nicht mitmachte – nach dem zweiten Mal...

 

„Meinst du, wir werden noch weitere Brüder bekommen?“, Lucifer versenkte seine Finger in Michael's Haare, genoss den ruhigen Moment mit diesem zusammen, ohne ihrem Vater oder Raphael. Natürlich könnten sie plötzlich auftauchen, aber Lucifer war bereit dieses Risiko einzugehen, für etwas Nähe.

 

„Das ist gut möglich“, erwiderte Michael. „Du solltest dich also besser benehmen, Raphael ist unser Bruder, so wie wir Brüder sind.“

 

„Nein“, sagte der jüngere Erzengel direkt. „Raphael wird nie das sein, was du für mich bist.“

 

„Wir sollten einander gleich behandeln. Nur Gott allein verdient es, besser angesehen zu werden.“

 

Auch wenn Michael's Stimme streng und unnachgiebig klang, glaubte Lucifer dem nicht ganz. Er zog etwas gröber an den schwarzen Haaren und bekam ein Geräusch, dass Überraschung zeigte, aber auch Lucifer's Nackenhaare sich aufstellen ließ. Mit gerunzelter Stirn, zog er ein weitere Mal fest ans Haar.

 

„Lucifer!“, Michael wand sich aus seinem Griff und schlug ihm auf die Hand. „Was soll das denn?“

 

„Ich wollte etwas ausprobieren.“

 

„Warn mich vor, wenn du was ausprobieren willst!“ Michael wirkte ein wenig zornig, atmete aber tief durch um diese Emotion zu unterdrücken. Manchmal kam es Lucifer so vor, als wäre er der Einzige, der Gefühle zuließ. „Außerdem solltest du nichts ausprobieren. Alles was wir wissen müssen, hat uns unser Vater bereits gegeben, als er uns erschuf.“

 

„Also sollte man nichts hinterfragen?“

 

„Natürlich nicht, Lucifer. Gott verdient unsere Liebe und unser Gehorsam. Nur was er sagt und tut, ist wichtig für uns.“

 

Und da kam es wieder.

Der Neid.

 

„Aber ich bin dein Bruder“, sagte Lucifer langsam. „Verdiene ich nicht auch deine Liebe und dein Gehorsam?“

 

„Wieso stellst du, so seltsame Fragen?“, Michael verschränkte seine Arme vor der Brust.

 

„Weil ich denke, Fragen zu stellen ist wichtig.“

 

„Wichtig für wen?“

 

„Für mich!“

 

Michael runzelte die Stirn, ehe er sich mit einer Hand durch das dunkle Haar strich und den Kopf etwas schüttelte. „Wir sollten dieses Gespräch beenden.“

 

„Aber Michael-“

 

„Zwing mich nicht, Gott hiervon zu erzählen. Du weißt wie enttäuscht und zornig er wäre.“

 

In diesem Moment empfand Lucifer mehr als nur Neid. Vielleicht war es Enttäuschung, etwas das bislang nur Gott fühlte, wenn seine Kinder nicht taten, was er wollte. Dieses Mal war es Lucifer, der das empfand – weil Michael nicht auf seiner Seite stand, geschweige denn ihn versuchte zu verstehen. Sie sollten eine Allianz bilden.

Oder zumindest Verständnis füreinander aufbringen.

 

Vor Enttäuschung und Neid, konnte Lucifer nicht einmal daran denken, dass sie jetzt alleine waren und es Zeit füreinander darstellte. Er wandte Michael den Rücken zu und marschierte stolz davon – zu stolz um irgendwelche eventuellen Fehler von sich zu erkennen.

 

Oder an die Situation zu denken, in der Michael steckte, wenn er zwischen Gott und Lucifer stand.

 

Er erkannte Raphael, wie er in seiner körperlichen Form sich um die Pflanzen kümmerte und obwohl Lucifer diese Aufgabe hasste selbst zu übernehmen, empfand er wieder eine Flut von Neid, weil Raphael diese Aufgabe bekommen hatte, was schließlich bedeutete, dass Gott sogar dem Engel mehr Vertrauen schenkte, als Lucifer.

 

Und wenn er nicht sicher wäre, dass die Bestrafung von Gott knallhart wäre, hätte er Raphael jetzt in Flammen aufgehen lassen.

 

Andererseits konnte er seine Emotionen nicht gut genug unter Kontrolle halten.

 

Und prompt fingen einige der Pflanzen an lichterloh zu brennen, während Raphael seine Finger drinnen hatte, die dadurch sicherlich verletzt wurden.

 

Lucifer konnte nicht anders, als ein kleines, gemeines Lächeln auf den Lippen zu tragen und weiterzugehen, während Raphael versuchte das Feuer zu löschen – schließlich auch mithilfe von Michael, der nur nachdenkliche Blicke in Lucifer's Richtung warf.

 

~ Völlerei ~

 

Sie bekamen einen weiteren Bruder von ihrem Vater geschenkt.

 

Gabriel war komplett anders als die alle. Er war kleiner, hatte etwas längeres, bronzefarbenes Haar und ebenso bronzene Augen, er grinste und lachte immer, hatte unglaublich viel Energie die er jederzeit versuchte loszuwerden, er legte nicht viel Wert darauf die Aufgaben ihres Vaters zu erfüllen, sondern verbrachte seine Zeit lieber auf andere, gemütlichere Weise.

 

Lucifer war zum Teil beeindruckt.

Manchmal auch genervt.

Mehr als alles andere, aber begeistert.

 

Nachdem Streit mit Michael, war er komplett unausgeglichen, mit Raphael war nicht wirklich viel zu machen, also herrschte Langeweile. Vor allem nach dem Ärger mit dem Feuer, strafte ihn Michael mit fragenden Blicken und Raphael ihn mit verachtenden Blicken.

Gabriel hingegen war offen für alles und jeden, aber schnell war Raphael davon genervt und Michael wirkte etwas überfordert. Also war es nur klar, dass Lucifer sich um ihr jüngstes Familienmitglied kümmern würde.

 

Vergnügt hüpfte Gabriel an seiner Seite, während sie den Himmel durchstreiften. Nach dem Brand, hatte sich Lucifer nicht mehr den Pflanzen genähert, es war ein kleines Wunder, dass er keinen Ärger dafür bekommen hatte. Auch jetzt würde er mit Gabriel nicht zum wachsenden Pflanzen-Reich gehen. Sie hatten beide keine Aufgabe aufbekommen, also konnten sie ihre Zeit so vertreiben, wie es ihnen beliebte.

Gabriel hatte direkt eine Idee gehabt, die Lucifer sehr anlockend gefunden hatte.

 

Gott erschuf immer mehr Dinge, neben den Pflanzen – und noch mehr Pflanzen... - gab es jetzt kleine Tierchen, die auf jenen lebten, außerdem fing etwas an, an den Pflanzen zu wachsen. Nicht nur langweilige Blumenblätter, sondern etwas, dass man essen konnte. Im gleichen Atemzug mit dieser Erklärung kam, dass sie als Engel nichts essen mussten und dieses Essen nur ein Experiment war, auf welches er aufbauen wollte.

 

Normalerweise wäre das Thema damit erledigt gewesen für Lucifer, aber Gabriel meinte, sie sollten doch trotzdem einen Test wagen. Von dem Essen probieren und schauen, was man daraus machen konnte. Lucifer's Neugierde war zu groß, als dass er diese grandiose Idee hätte verneinen können.

Gabriel selbst, hatte etwas von dem Essen mit sich genommen, während Lucifer Raphael abgelenkt hatte, sie waren in solchen Dingen ein gutes Team.

 

Nun, wo sie einen Platz gefunden hatten, an dem sie alleine und unbeobachtet waren, konnten sie ihr wahres Projekt auch starten.

 

„Meinst du, wir werden Ärger hierfür bekommen?“

 

„Quatsch“, winkte Lucifer unbesorgt ab und tastete das erste Ding ab. Rund, fest, aber mit dem Fingernagel konnte man die Schale durchbrechen. Oben hing ein Stiel. „Einfach... reinbeißen?“

 

Mit schief gelegten Kopf betrachtete Gabriel ihn. „Denke schon?“ Er hatte etwas anderes in der Hand. Etwas kleines, mit... violetter Außenhaut?

 

Weil Lucifer älter war, wollte er natürlich stolz den ersten Bissen machen. Also öffnete er seinen Mund und machte einen etwas zaghaften Biss in das Unbekannte.

Es war unglaublich.

Säure, Saft und Süße, alles zusammen in seinem Mund. Er riss die Augen etwas überfordert auf, während er alles zerkaute und schließlich runterschluckte. Es war ein seltsames Gefühl, zu spüren wie das Essen in seinem Körper durchwanderte.

 

„Und? Und?“, aufgeregt hibbelte Gabriel herum und sah ihn aufgeregt an, immer noch mit dem weiteren, unbekannten Essen in der Hand.

 

„Es ist... okay“, antwortete Lucifer langsam und reichte Gabriel das soeben Gegessene.

 

Sein Bruder biss direkt rein, ohne zu zögern und seine bronzenen Augen schienen zu leuchten. „Ich finde es großartig!“

 

Lucifer fragte sich, ob Gabriel's Begeisterung von seinem jungen Alter kam. Immerhin war er wenige Tage alt, während Lucifer schon wesentlich länger lebte. Es war jedoch wohltuend, diese gute Laune und Offenheit, die Gabriel mit sich trug. Dieser schien das angebissene Ding weiter zu essen und vergaß die zweite, kleinere Frucht in seiner Hand. Lucifer griff prompt danach und drückt gegen die härtere Schale. Er war zuversichtlich, dass seine Zähne durch die äußere Schicht kommen würden, aber die Härte ließ ihn kurz zögern.

 

Dann biss er zu. Die Schale war etwas bitter, die Frucht glich nicht im Geringsten von dem anderen Essen. Sie hatte zwar auch etwas süßliches, aber auch etwas... herbes an sich? Es war sehr schwierig zu beschreiben, bemerkte Lucifer. Er gab das Ding gerne wieder an Gabriel ab, der auch das mit zwei Happen aufaß und die Stirn runzelte.

 

„Das Andere war besser“, bewertete der jüngere Erzengel schließlich. „Was haben wir hier noch so?“

 

In etwa so verlief der Rest ihrer Probier-Stunde ab. Abwechselnd bissen sie in alles, was Gabriel hatte mitgehen lassen. Manches schmeckte gut, anderes schmeckte überhaupt nicht, wieder anderes war ganz in Ordnung. Gabriel schien von fast allem begeistert, stopfte alles Mögliche in sich hinein. Lucifer kam nicht drumherum, selbst festzustellen das einige Dinge ganz gut schmeckten und er sie auch immer weiter aß. Sie saßen irgendwann auf dem Boden, mit vollen Mägen und er begann sich zu fragen, ob ihre körperlichen Formen das überhaupt abbauen konnte, was sie so in sich gestopft hatten. Andererseits war das egal, da sie auch ganz einfach wieder in ihre universale Form übergehen konnten.

 

„Weißt du was witzig wäre?“, Lucifer sah zu Gabriel, der ihn neugierig musterte. „Wir ärgern Raphael ein wenig... mit ein paar Tricks.“

 

„Ich bin dabei!“, lachte Gabriel auf und trotz schweren Körpern, erhoben sie sich, mit ein wenig restlichen Obst und suchten nach ihrem Bruder, der gerade dabei war, herauszufinden wo das ganze Essen nur hin war.

 

Der Himmel war größtenteils sehr offen, es gab nur wenige Orte an denen man sich gut verstecken konnte. Die pflanzen spendeten jedoch solche Verstecke besser als gedacht und Lucifer ignorierte sein Vorhaben, sich den Pflanzen nicht mehr zu nähern. Gemeinsam mit Gabriel steckte er hinter irgendwelchen Töpfen und Pflanzen, die groß waren, oder auch ganz klein, die Früchte trugen, oder eben nur Blüten.

 

Mit einem gekonnten Schnipsen, ließ Lucifer zermatschte Früchte auf dem Boden auftauchen, direkt vor Raphael, bis jener direkt darauf trat und mit einem japsenden Geräusch drauf trat und wegrutschte, bis seine körperliche Form mit dem Boden – und den zermatschten Früchten – kollidierte. Neben Lucifer begann Gabriel herzlich zu glucksen.

 

„Jetzt ich...!“, fiepte der jüngere Erzengel beinahe schon und runzelte nachdenklich die Stirn, ehe er sich auf die Unterlippe biss und ebenfalls einmal schnipste, ganz in Lucifer's Manier...

 

~ Zorn ~

 

Natürlich blieb das alles nicht unbemerkt.

 

Sowohl ihr Diebstahl vom Obst und dem Essen davon, als auch ihre Streiche an Raphael.

 

Michael, stinksauer, so hatte Lucifer ihn noch nie gesehen, mit einem Raphael der übersät war von Früchten. Ihr Vater herrschte wie ein wallendes Licht über ihnen. Gabriel wirkte tatsächlich etwas schuldbewusst, so wie er zu seinen Füßen sah und seine Finger zwirbelte. Lucifer war eher... für jeden Kampf bereit.

 

Gottes zornige Stimme lag über ihnen. Suchte nach Erklärungen für ihr schlechtes Benehmen und nach einer geeigneten Bestrafung. Doch nur solange, bis eines seiner Projekte nach ihm zu riefen schien. Mit deutlicher Enttäuschung verlangte er die räumliche Trennung von Lucifer und Gabriel und das sich Michael mehr dem annahm, was seine jüngeren Brüder unter seiner Aufsicht angestellt hatten.

 

Es war eine immer wieder erstaunliche Beobachtung, zu sehen wie Gott verschwand, wie Rauch, der über sie gelöscht wurde. Gabriel entfernte sich direkt, vermutlich um über den ersten Ärger von ihrem Vater hinweg zu kommen, Lucifer funkelte Raphael mit bösen Blicken an, welcher mit erhobenen Haupt an ihm vorbeizog.

Michael blieb stehen, mit weniger Zorn im Gesicht als zu Beginn.

 

„Was ist in letzter Zeit mit dir los, Lucifer?“

 

„Nichts. Was sollte schon sein?“

 

„Du gehst mir aus dem Weg“, sagte Michael. „Du brichst Regeln leichtfertig und ziehst Gabriel mit hinein.“

 

„Vielleicht hat Gabriel ja auch mich hineingezogen?“, schlug Lucifer vor und ging einen Schritt auf Michael zu. Es war schon länger her, dass sie irgendeine Art von Nähe hatten, austauschen konnten. Sie hatten zwei neue Familienmitglieder bekommen und Gott tauchte auf, ohne einer Ankündigung. Dennoch wollte Lucifer nichts lieber, als seine Finger nach seinem großen Bruder auszustrecken und zu fühlen.

 

„Lucifer“, Michael's Stimme war fast so schwer, wie seine Hände, die sich auf Lucifer's Schultern legten. „Sprich mit mir. Sonst werde ich dir nicht helfen können.“

 

In einer fast trotzigen Handlung, entzog sich Lucifer den Händen seines Bruders, denen er sich normalerweise entgegen gelehnt hätte. Alles in ihm schrie danach, die angebotene Nähe zu akzeptieren und sich hinein zu legen, aber etwas anderes, viel kleiner, aber dafür umso lauter, schrie ihm entgegen, dass er diese Schwäche jetzt nicht zeigen sollte.

 

Langsam ließ Michael seine Hände sinken, mit gerunzelter Stirn und einem anschließendes Seufzer.

„Na schön“, sagte der Erzengel schließlich. „Dann geh doch zu Raphael und hilf ihm dabei, euer Chaos aufzuräumen. Ich werde derweil nach Gabriel sehen.“

 

Lucifer zwang den Zorn hinunter, der in ihm aufkochte, weil Michael lieber nach dem jüngsten Familienmitglied sah, als sich weiter um ihn zu sorgen. Mit einem entrüsteten Geräusch, ging er schließlich wie von Michael angewiesen, Raphael aufsuchen. Immer noch lagen überall die Reste von Obst herum, die aber einfach verschwinden würden, wenn Lucifer ein oder zweimal mit den Fingern schnipsen würde.

 

Zumindest sah Raphael wieder aus wie vorher und hatte keine Reste mehr an sich kleben. Nicht das es Lucifer gestört hätte.

 

Nach einem Schnipser war das Chaos beseitigt und Lucifer sah Raphael an.

 

„Schön das du es geschafft hast, dein Chaos zu bereinigen“, sagte der jüngere Erzengel direkt. „Hast es wohl nicht geschafft, dich da herauszunehmen.“

 

„Ich weiß nicht wovon du sprichst.“

 

„Natürlich nicht“, Raphael bekam ein Grinsen ins Gesicht, dass Lucifer nicht gefiel. „Ich meine, es ist komplett normal, dass du nie eine Strafe bekommst. Ich frage mich, wofür Michael schon alles seinen Kopf hinhalten musste, damit Vater immer noch gut zu dir ist.“

 

„Michael macht gar nichts. Vater ist einfach nicht so empfindlich wie du es bist.“

 

„Empfindlich?“, Raphael knurrte dieses Wort fast schon. „Du bist es, der überall wo er ist, einfach nur Chaos verbreitet, ohne darüber nachzudenken, was das für Andere zu bedeutet hat.“

 

Es fing weiter an zu brodeln. „Wer denkst du, dass du bist, um mir so etwas vorzuwerfen?“

 

„Dein Bruder und zumindest Jemand, der Vater wirklich loyal ist!“

 

„Ich bin loyal“, zischte Lucifer zurück. „Aber deshalb muss ich nicht wirklich jede Kleinigkeit tun, um Vater zu gefallen. Er weiß, dass ich ihn liebe!“

 

„Genau wie Michael. Nur das er immer Ärger abbekommt, wegen dir.“

 

„Niemand bekommt wegen mir Ärger von Vater.“

 

„Dann frag doch Michael, wenn du dir so sicher bist.“

 

„Lass Michael da raus!“

 

Lucifer spürte wie es immer heißer in seinem Oberkörper wurde, wie er wirklich Lust darauf hatte, zahlreiches Training, genau jetzt an Raphael auszulassen.

 

„Michael würde sich für Niemanden so einsetzen, wie für dich. Ich frage mich, weshalb das nur so ist“, provokant legte sich Raphael zwei Finger ans Kinn, ehe er einen wissenden Ausdruck machte. „Oh, vielleicht empfindet Michael mehr Loyalität und Liebe für dich, als für Vater?“ Lucifer horchte mehr auf, als ohnehin schon. „Ich frage mich, was Vater dazu sagen würde... Ich finde, ich sollte ihm meine Theorie mal-“

 

Lucifer ließ nicht zu, dass Raphael seinen Satz beendete. Mit aller Kraft die er gerade aufbringen konnte, ließ er seine Faust mit Raphael's Gesicht kollidieren.

 

Es war vermutlich klar, dass es bei einem Schlag nicht blieb.

Dieser Schlag war nur der Anfang von allem, um den Zorn in seinem Körper Ausdruck zu verleihen und jener Zorn musste jetzt an die Oberfläche kommen.

Raphael war genauso trainiert wurden, immerhin sollten sie Kämpfen können. All ihre Schläge und Tritte trafen perfekt und wenn sie keine Erzengel wären, würden sie vielleicht mehr davon tragen, als der körperliche Schaden. Irgendwann rollten sie zeitweise auf dem Boden herum, immer die Oberhand tauschend.

 

„Was tut ihr denn da?!“, durchschnitt Michael's Stimme plötzlich den Zorn der Prügelei, Gabriel an seiner Seite. Rasch versuchte Michael sich zwischen die beiden Engel zu drängen. „Hört auf damit!“

 

Michael war für Lucifer schließlich der Grund, aufzuhören mit seinen Fäusten und dem Zorn in seinem Bauch zu denken. Seine Gnade fühlte sich aufgebracht an, aufgebracht und zornig und ein wenig geschwächt.

 

„Was denkt ihr euch dabei?! Wir sind Brüder! Wir gehören zusammen!“, Michael starrte erst Lucifer, dann Raphael ebenfalls zornig an.

 

„Ich habe überhaupt nichts getan. Lucifer hat angefangen!“

 

Genannter schnaubte einfach nur auf. Michael hingegen seufzte einfach nur. „Es ist mir egal wer angefangen hat, ich beende diese Sache jetzt. Du gehst dort lang. Lucifer, wir unterhalten uns jetzt! Gabriel...“

 

„Ich komme schon klar“, der Jüngste lächelte Michael ermutigend zu, ausnahmsweise ohne einem Witz im Kopf zu haben. Die Schelte von Gott hatte heute erst einmal ausgereicht.

 

„Gut“, sprach Michael aus, ehe er Lucifer an der Schulter packte und mit sich weg zog, irgendwo an einem privateren Ort.

 

~ Wollust ~

 

„Sag mir, was mit dir los ist!“ Lucifer verschränkte die Arme vor der Brust. „Lucifer, bitte.“ Michael stand direkt vor ihm und durchbohrte ihn mit seinen tiefblauen Augen.

 

„Mit mir ist alles in Ordnung. Raphael hat nur Blödsinn erzählt, den ich so nicht stehen lassen konnte.“

 

Michael sah ihn weiterhin an, schien das Thema aber fallen zu lassen und streckte lieber die Hand aus, um Lucifer zu berühren. „Deine körperliche Form hat Schaden erlitten. Heile ihn.“

 

Sie alle hatten diese Fähigkeit, Schaden zu heilen, sowohl bei sich, als auch bei Anderen. Letzteres war wohl der Grund dafür, dass Lucifer sich nicht heilte. „Mach du es.“

 

Michael öffnete den Mund, vermutlich um zuerst dagegen zu sprechen, aber dann nickte er doch und schob Lucifer in eine sitzende Position auf den Boden. Langsam begann er seine Finger nach den Schaden seiner körperlichen Form auszustrecken. Es erinnerte Lucifer an früher, als sie die einzigen hier gewesen waren und immer gemeinsam trainiert hatten. Auch da hatte sich Michael um den Schaden gekümmert, weil Lucifer noch nicht so gut darin gewesen war, sich selbst zu heilen.

 

Lucifer schloss die Augen, als er die kühlen Fingerkuppen spürte, wie sie über seine Haut strichen, um die Wunden wieder zu versiegeln. Es war das erste Mal seit langem wirklich so, dass sie ihre Zweisamkeit hatten. Niemand war da – Raphael und Gabriel waren irgendwo anders und Gott war bei seinem neusten Projekt. Mit dieser Erkenntnis öffnete Lucifer seine Augen und betrachtete die konzentrierten Züge seines Bruders.

 

Die blasse, reine Haut, die blauen Augen, die Nase, das Kinn und nichts bekam so viel Aufmerksamkeit wie die Lippen. Er erinnerte sich zurück an seine Gedanken damals, dass er diese Lippen wollte, dass er mehr wollte als sie nur mit seinen Fingern zu berühren.

Dennoch streckte er seine Hand aus und ließ seine Finger wieder langsam über Michael's Gesicht wandern, die rosanen Wangen, bis zu den Lippen. Michael zeigte keine Reaktion darauf. Lucifer ließ sich davon nicht abschrecken, er fuhr weiter die Lippen nach und urplötzlich kam ihm eine Idee.

Eine Idee um mehr von diesen Lippen zu fühlen.

 

Vielleicht war es blödsinnig oder übergreifend, vielleicht würde Michael ihn danach hassen. Aber diese ganzen Gedanken wurden von der Wollust übertüncht, die in seinem Inneren auftrat, sich in seinen Körper und seine Gedanken fraß. Lucifer hob seine zweite Hand, um die von Michael aus seinem Gesicht zu vertreiben, schob sie hoch in Michael's Nacken, die andere Hand legte er sanft auf die Wange, dann beugte er sich vor, um seine Lippen auf die von Michael zu drücken.

 

Das Michael zurückzuckte war für ihn keine Überraschung, aber auch Lucifer musste sich zurücknehmen, um dieses neue Gefühl zu ertasten. Seine Lippen kribbelten, sein Bauch verkrampfte sich auf eine angenehme Art und Weise.

 

Und er wollte mehr!

 

„Lucifer...“, sagte Michael langsam und leise, als sich der Jüngere wieder näherte.

 

„Lass es uns ausprobieren“, erwiderte Lucifer lediglich, als wäre nicht nur er hier ran interessiert – und er glaubte auch, dass Michael daran interessiert war.

 

Dann waren da wieder Lippen auf Lippen, und Lucifer war unglaublich froh darüber, dass er mit Gabriel haufenweise Zeug gegessen hatte, dass er damit gelernt hatte, dass der Mund vielmehr konnte, als nur zum Sprechen benutzt zu werden.

 

Diesmal schreckte keiner von ihnen zurück. Lucifer drückte sich noch mehr gegen die Lippen seines Bruders. Michael kam ihm entgegen und das Kribbeln wurde stärker, intensiver. Seine Finger schoben sich in die dunklen Haare seines Bruders, drückten gegen die Kopfhaut.

Solange, bis Michael sich zurück drückte, um ihre Lippen zu lösen.

 

Lucifer murrte unzufrieden und blickte in die Augen seines Bruders, die vielleicht etwas überfordert wirkten.

 

„Sollten wir das überhaupt tun?“, hinterfragte Michael ihre Tat. „Vater könnte-“

 

„Wenn Vater das nicht wollte, hätte er nicht zugelassen, dass unsere körperliche Form sich so bildet, dass wir etwas schmecken können, wenn wir essen oder etwas fühlen, wenn wir...“, Lucifer rieb mit seinen Fingern intensiver über Michael's Kopfhaut. „Wenn wir uns berühren“, die Zweifel in Michael's Gesicht waren noch immer vorhanden. „Vertrau mir, Michael.“ Und verschwanden in binnen von Sekunden, nur wegen dieser kleinen Worte.

 

Lucifer zog Michael wieder mehr an sich, soweit das sich ihre Lippen wieder berührten und er in diesem Gefühl eintauchen konnte, das Kribbeln und die Wärme verteilte sich auf seinen Lippen und in seinem Bauch. Scheinbar mit mehr Mut in ihre Nähe, kam auch Michael dichter, dass erste Mal seit langem spürte Lucifer die Finger seines Bruders – erst an seinen Schultern, dann an seinem Hals, bis sie auch im Haar ankamen, wodurch sie eine gleiche Position einnahmen.

 

Aber Lucifer wollte noch mehr, die Gier kehrte zurück, genauso wie viele andere Emotionen, die er in den letzten Jahren kennengelernt hatte. Also drückte er mehr gegen Michael, bis dieser richtig auf seinem Hintern saß, er schob sich in eine angenehmere Position, kniend zwischen Michael's Beinen. Es war ein Reflex, oder ein Instinkt – oder auch beides – der ihn dazu brachte, Michael weiter nach unten zu drücken. Seine Hände lagen an den Schultern seines Bruders und jener ließ es einfach mit sich machen, ließ sich einfach nach hinten drücken, bis er nicht mehr saß, sondern lag.

 

Mit Lucifer über ihn.

 

Und Lucifer genoss das vielleicht etwas mehr, als er sollte.

 

Doch darauf lag nicht sein Interesse, alles was er wollte, war mehr. Also beugte er sich hinab, um ihre Lippen fester denn je auf einander zu drücken. Seine Finger gruben sich tief in das schwarze Haar und seine Augen schlossen sich, um mehr in dem Gefühl zu baden, das er bekam. Er fühlte Michael's Hände an seinem Nacken und den Schultern, an seinem Rücken und schließlich an seinen Hüften. Dann machte Lucifer den nächsten Schritt, weil seine Neugierde in ihm hochkroch. Er löste sich dafür.

 

„Mach den Mund auf“, wies er Michael an.

 

„Was? Warum?“, harkte der Ältere nach, aber nach Lucifer's Blick, nickte er doch einfach nur.

 

Was als nächstes passierte, war eine reine Explosion. Lucifer's Lippen fanden wieder die von Michael, er öffnete seine eigenen und ließ noch etwas zaghaft, seine Zunge hinaus aus seinem Mund wandern, um dafür in die seines Bruders zu wandern.

 

Und dann waren da diese Geräusche.

 

Es kam aus seiner Bruder, brummte in seinem Hals – ein Keuchen, würde er es nennen, oder sogar ein Stöhnen? Aber nicht nur ihm entkam so ein Laut, auch bei Michael war es so. Statt deshalb zurück zu schrecken, versenkte Lucifer sich eher mehr in Michael's Mund. Ihre Körper berührten sich, seine Zunge versuchte alles zu ertasten was es gab.

 

Alles was Gabriel und er gegessen hatten, konnte nichts im Vergleich von Michael's Geschmack sein. Nachdem Lucifer aggressiver wurde, traute sich auch Michael dazu, mehr mitzumischen und das machte alles noch so viel besser!

 

~ Hochmut ~

 

Nun, gesprochen hatten sie schließlich nicht, obwohl Michael das so unbedingt gewollt hatte. Dafür waren sie einander wieder nähergekommen und das hob Lucifers Laune deutlich an. Sein Vertrauen in Michael wurde stärker und er glaubte, dass auch der Ältere ihm mehr denn je vertraute.

 

Vielleicht auch mehr als Gott?

 

Lucifer liebte seinen Vater. Er liebte auch die Aufmerksamkeit, die er bekam, aber er liebte eben auch Michael. Ihn und dessen Aufmerksamkeit. Sein Bruder war so viel... erreichbarer. Während Lucifer eine Wahl hatte, sollte Michael sich doch nur für ihn entscheiden.

Natürlich erahnte er, wie schwierig es sein könnte – er badete gerne in der Aufmerksamkeit ihres Vaters, es war nicht so einfach, sich davon abzuwenden. Deshalb tat Lucifer sein Bestes, um es Michael einfacher zu machen.

 

Wenn er nicht gerade Aufgaben bekam oder Zeit mit Gabriel, ihrem Jüngsten, verbrachte, dann war er bei Michael. All seine Aufmerksamkeit lag auf seinem älteren Bruder. Manchmal schien Michael leicht überfordert, wenn seine Hand zurückzuckte und seine Augen erschrocken zu ihm wanderten. Nur, um nach ein paar Blicken in alle Richtungen doch auf die Berührungen einzugehen.

 

Michael versuchte, es für sich zu behalten, das konnte Lucifer erahnen. Doch war es so offensichtlich; wie sein Bruder es genoss, es brauchte, ihn brauchte! Viel mehr als ihren oft so abwesenden Vater.

Die Vorsicht wurde ebenfalls abgeschwächt, manchmal berührten sich ihre Hände auch in Anwesenheit ihrer Brüder. Zeitweise versuchte er es auch, wenn ihr Vater da war. Oftmals war dies der Zeitpunkt, den Michael zum Rückzug nahm. Lucifer ließ es zu, mit dem Wissen, dass er etwas hatte, was ihr Vater nicht hatte, niemals haben konnte.

 

Umso überraschender war es, als ihr Vater eines Tages zu ihnen kam und bekannt gab, dass er für eine Weile bleiben würde. Michael strahlte heller als jemals zuvor, seine Gnade quoll über vor Glück. Lucifer empfand Neid. Er hatte gedacht, nur er konnte Michael so strahlen lassen.

 

Natürlich zeigte er es nicht, sprach es schon gar nicht an.

 

Zugegeben – er badete gerne in der Aufmerksamkeit ihres Vaters.

 

Gott war gefühlt überall, er betrachtete die Pflanzen, die immer größer und schöner wurden, und lauschte ihren Geschichten. Vor allem Gabriel hatte viel zu erzählen. Er schien am hellsten zu leuchten, wenn er Aufmerksamkeit bekam. Seine Kräfte waren noch nicht so kontrolliert, manchmal erschienen schemenhafte Gestalten ihrer Selbst, um die Geschichte zu untermauern; um zu zeigen, was passiert war. Es war interessant, Lucifer genoss es, Raphael mochte es absolut nicht und Michael bedachte es etwas kritisch.

 

Ihr Vater schien von allem begeistert, was passiert war. Er umgarnte sie mit Aufmerksamkeit, mehr denn je.

 

Nachdem ihr Vater allen Aufgaben gegeben hatte, verbrachte er einige Zeit mit Lucifer selbst. Er war ungewohnt, dass Gott keine körperliche Form annahm, vielleicht hatten sie sich alle zu sehr daran gewöhnt, etwas Körperliches zu erkennen. Gott war immer noch mehr Licht als sie alle zusammen. Seine Präsenz war unglaublich.

 

Lucifer war dennoch neugierig.

 

„Wieso bist du so lange bei uns, Vater?“

 

„Wieso solltest du so etwas fragen?“

 

Er runzelte die Stirn: „Weil es mich interessiert. Sind deine Projekte alle beendet?“

 

„Oh nein, ich bin immer noch dabei. Unter anderem bin ich deshalb auch da, um es euch zu verkünden.“

 

„...sagst du es mir?“, harkte Lucifer geheimnistuerisch nach.

 

Er konnte es nicht erkennen, aber er konnte es fühlen. Gott lachte. Plötzlich fühlte sich Lucifer selbst viel kräftiger und leuchtender an, großartiger.

 

„Ich habe vor, unsere Familie zu vergrößern.“

 

„Noch mehr?“ Sie waren vier Brüder und ihr Vater, für Lucifer fühlte sich das schon sehr viel an. Auch, wenn er die meiste Zeit mit Michael oder Gabriel verbrachte.

 

„Viel mehr, mein Sohn. Ich habe ein großes Projekt im Kopf und dafür brauchen wir eine viel größere Familie. Aber sie alle werden etwas... schwächer ausfallen. Ihr müsst euch um sie kümmern, sie stärken und ihnen den richtigen Weg zeigen, wenn ich es nicht kann“, erzählte Gott weiter. „Und dann wird das Projekt noch viel mehr Umfang erreichen als jetzt zu erkennen ist. Ich werde noch mehr Wesen erschaffen, die viel großartiger sind als alles, was ich bisher erschaffen habe.“

 

Großartiger als alles zuvor?

 

„Denkst du, das ist möglich?“, sprach Lucifer frei heraus.

 

„Natürlich. Alles ist möglich, zumindest für mich“, die lockere Stimmung schwang sehr schnell um, zumindest fühlte es sich für Lucifer so an. „Ich muss mit dir etwas besprechen, mein Sohn.“

 

Er war auf so etwas nicht vorbereitet gewesen. Absolut nicht. Aber umso neugieriger machte ihn diese neue Situation. Es passierte so selten mal etwas Neues. „Um was geht es denn, Vater?“

 

„Michael.“

 

Lucifer runzelte die Stirn, er spürte wie sich etwas in seiner körperlichen Form tat – wie ein Knoten, als würde etwas sein Inneres angreifen, aber nicht verletzen. War das Gott? Oder war er zu sehr mit seiner körperlichen Form verbunden. „Was ist denn mit Michael?“

 

„Meine Augen sind überall, mein Sohn“, sprach Gott aus, nicht bedrohlich, doch irgendwie beängstigend. „Ich sehe euch. Michael und dich. So wie ihr euch benehmt.“

 

„Wovon genau sprichst du?“ Lucifer stellte sich nicht dumm,oder ahnungslos, aber er wollte es hören.

 

„Du weißt, wovon ich rede. Eure Zweisamkeit ist nicht in meinem Willen.“

 

Es war an der Zeit, sich zu entschuldigen, sich diesen Fehler einzugestehen. Doch Lucifer wollte es nicht. Alles, was er mit Michael aufgebaut hatte, war ihm gerade jetzt viel wichtiger. Vielleicht wollte er auch einfach nur zeigen, dass man mit ihm nicht machen konnte, was man wollte.

 

Auch nicht Gott!

 

„Aber es ist unseren Willen“, antwortete er also, ignorierte das kriechende Gefühl von Zorn, welches von Gott zu ihm kam. „Ich denke auch nicht daran, es zu beenden.“

 

„Lucifer. Ich habe euch nicht erschaffen, um meine Regeln zu verstoßen oder-“

 

„Eigene Entscheidungen zu treffen?“, unterbrach er seinen Vater spielerisch. „Du hast uns sehr lange alleine gelassen, Vater. Willst du wirklich glauben, dass wir uns in dieser Zeit nicht weiterentwickeln?“

 

Die Stille daraufhin könnte man durchaus als bedrohlich ansehen. Lucifer sollte davon eingeschüchtert sein, aber stattdessen stachelte es ihn nur noch mehr an.

 

„Ich sehe, dass ich bei dir keinen Einfluss darauf haben werde. Also werde ich mich wohl an Michael wenden müssen.“

 

„Das wird nichts ändern“, Lucifer verschränkte die Arme vor der Brust. „Michael wird sich am Ende auch dafür entscheiden. Dafür und gegen deine blöden Regeln.“

 

Danach folgte langsam der Fall, durchtrieben von all den gelernten Gefühlen.

Er lernte Enttäuschung kennen, weil er erkennen musste, dass sein Bruder nicht immer ihn wählen würde.



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