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Der Sommer, den wir bei Garroway's verbrachten

von

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Eichenfass und Ehrgepussel

Alec schluckte. Sein Hals war trocken und sein Herz schlug wie ein galoppierendes Rennpferd.

Um ihn herum brandete Applaus, und die Musik … die Musik …

Die nahm er gar nicht mehr war.
 

Manchmal spielen sich in Sekundenbruchteilen im Kopf Dinge und Überlegungen ab, die eigentlich viel mehr Zeit in Anspruch nehmen müssten.
 

Er will mit mir tanzen, dachte Alec. Oh Gott.

Und dann:

Engel, hilf, was soll ich jetzt tun?
 

Wollte er das? Tanzen mit diesem Mann, Magnus Bane, dessen Augen in diesem Augenblick wie uralter Whisky aus jahrhundertelang in Eichenfässern gereiften Jahrgängen schimmerten? Und genau so berauschend?

Oh Engel, ja! Und wie er das wollte! Er wollte die dargereichte Hand nehmen, diese fein manikürte und wie ein Kunstwerk anmutende Hand.

Er wollte von Magnus Bane herumgewirbelt werden und es würde ihm nicht im geringsten etwas ausmachen, wenn er dabei ebenso tollpatschig wirkte, wie gerade noch mit Clary.

Wobei er das bezweifelte; er hatte das Gefühl, dass Magnus, dessen Lächeln schmeichelnd und auffordernd zugleich wirkte, in der Lage war, ihn so zu führen, dass es wie ein Tanz wirkte und nicht wie das Herumstolpern eines dreijährigen.
 

Aber sollte er das auch tun?

Es wäre unhöflich, Clary zurück zu lassen … er wandte sich zu der jungen Frau um, doch Clary machte eine Geste mit der Hand, die unmissverständlich sagte: ‘Nun mach schon!’
 

Aber … er konnte doch nicht … mit einem anderen Mann tanzen? Noch dazu mit einem, der offenbar ein Schattenwesen war?
 

Aus dem Augenwinkel sah er Robert. Sah, wie dessen Gesicht langsam aber sicher zu der Farbe von frisch geernteter Roter Bete überging. Der von seinem Stuhl aufsprang und Anstalten machte, hierher, zu ihm, zu Alec, auf die Tanzfläche zu kommen. Wutschnaubend, um den Affront gegen die Schattenjägerehre, als den er das ganze sicher betrachten würde, zu unterbinden.
 

Auf der Bühne hinter dem Mikrofon sah er Luke Garroway, der bleich und unsicher auf die Situation schaute.

Er sah ein paar entsetzte Gesichter, aber auch ganz viele neugierige oder gar zustimmende.
 

Izzy. Seine Schwester. Sie stand neben Robert und nickte Alec zu. Strahlte geradezu. Auch ihr Blick verhieß: ‘Mach schon!’
 

Und da dachte Alec:

Zur Hölle!

Zur Hölle mit dem ganzen Ehrgepussel!

Zur Hölle mit den Standesunterschieden!
 

Und er legte seine Hand in die von Magnus Bane.
 


 

Es war ein Gefühl, als ob sein Herz in Honig getaucht würde.

Die Musik um sie herum war da, ja, aber er hätte nicht sagen können, was gerade gespielt wurde. Es war etwas rhythmisches, und Magnus, der eine Hand auf seine Hüfte gelegt hatte, führte ihn tatsächlich auf eine Art und Weise, die es ihm möglich machte, mit dem Takt, mit dem Rhythmus mitzugehen. Der Mann wusste was er tat, das spürte Alec.

Ansonsten aber war es für ihn wie ein Gleiten durch einen Sternenregen.

Sein Herz raste, sein Magen drehte sich, seine Lippen waren trocken, doch das, was er fühlte war eine Art von bezauberndem Schwindel, der ihn trug wie in einem Wirbel aus … glitzernden Funken.
 

Magnus’ Lächeln schien nur für ihn persönlich zu existieren. Natürlich stimmte das nicht, denn Magnus war ein Tanzlehrer und somit geradezu verpflichtet, sein Gegenüber mit dem charmantesten Lächeln zu bedenken, zu dem er fähig war. Und doch …
 

Magnus Augen glühten.

Alec versank in ihnen.

Sie sahen jetzt aus wie eine Sommernacht.

Sie funkelten, sprühten, strahlten Wärme aus. Nun, auch das war sicher nicht nur für ihn reserviert, und doch …
 

Magnus’ Duft. Nach Exotisch irgendwie. Ein bisschen wild, ein bisschen gezähmt, ein bisschen frisch und uralt zugleich … Himmel, dachte Alec, wenn man an Klischees sterben könnte, wäre dies hier meine letzte Stunde.

Aber Magnus Duft umgab und überwältigte ihn nun mal, während sie über die Tanzfläche glitten, wirbelnd, gleitend, langsam, schnell … während Magnus von ihm steppte und ihn wieder an sich heran zog; ihn nach hinten drückte und sich über ihn beugte … nein, sicher, auch wenn die Situation geradezu danach schrie, erfolgte kein Kuss, natürlich nicht, immerhin war Alec nichts anderes als ein Urlaubsgast und Magnus tat hier nichts weiter als seinen Job … und doch …
 

Eine Wange, die der seinen nahe kam. Ein geflüstertes: „Du bist gut!“

Alec schüttelte den Kopf.

„Bin ich nicht!“

Magnus lachte. „Oh doch, junger Mann!“

Wieder waren Alecs Lippen trocken.
 

Und dann verklang die Musik und Magnus sorgte mit einem letzten Herumwirbeln und Ausgleiten dafür, dass sie sich beide noch mal von den Umstehenden einen Applaus verdienten.

Magnus lachte fröhlich und warf Alec einen Handkuss zu. Dann verbeugte er sich und drehte sich um, um einer älteren Dame, die in der Nähe stand und große Augen machte, den nächsten Tanz anzubieten.
 

Alec fiel es schwer, auf den Boden der Tatsachen zurück zu finden.

Was es schließlich schaffte, ihn aus dem träumerischen Gefühl zu reißen, das er bis eben noch empfunden hatte, war Roberts Stimme, die geradezu vor Wut zu kochen schien, als er voller Zorn ausstieß:

„Alexander Gideon Lightwood! Wie kannst du es wagen, uns hier so zu brüskieren!“

„Robert“, zischte Maryse, die neben ihm stand. „Bitte nicht hier!“

Robert atmete schwer.

Dann packte er Alec am Ärmel seines Jacketts und zog ihn mit sich in Richtung der Ausgangstür. Izzy wollte ihnen nacheilen, aber Maryse hielt sie zurück.
 

Alec hatte keine Lust auf einen Streit mit dem Vater, aber ihm war klar, dass er da wohl nicht drum herum kommen würde. Er drehte den Kopf, und das letzte, was er sah, bevor der Vater ihm aus der Saaltür zerrte, war ein Blick aus Magnus’ Augen, die jetzt scheinbar wie ein Sonnenuntergang glühten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Aracona
2021-09-05T05:58:20+00:00 05.09.2021 07:58
Wow, ich glaub so einen Tanz möchte jeder mal erleben. Alec zumindest scheint komplett abwesend zu sein im Kopf und das erste Mal im Leben einfach nur genossen zu haben. Ich hoffe Robert reißt ihm jetzt nicht den Kopf ab ^^`


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