Die letzte Ehre von BuchTraumFaenger ================================================================================ Kapitel 17: 17. Weg und wieder verschwunden ------------------------------------------- Po konnte nicht glauben was er sah und rieb sich heftig die Augen. Aber das Bett war tatsächlich leer. Entsetzt starrte der Panda darauf. „Wie… das kann… doch nicht sein“, stotterte Po und kroch auf allen Vieren, um unter dem Bett nachzusehen, in der Hoffnung dort das Mädchen zu finden. Doch was anderes außer Staub befand sich nichts darunter. Völlig verwirrt erhob sich der Panda und blieb auf den Knien stehen. „Hier geht es nicht mit rechten Dingen zu“, flüsterte er vor sich hin. Dann schlug er sich die Hände über den Kopf. „Hier muss es Dämonen oder sowas geben“, schlussfolgerte der Drachenkrieger entgeistert und sah zu Shen rüber, der immer noch an derselben Stelle stand, nachdem er ins Zimmer gestürmt war. „Äh, Shen?“ Unsicher betrachtete er den Pfau. „Äh, Shen? Alles okay mit dir?“ Doch der weiße Lord reagierte nicht. Er stand wie versteinert da. Jetzt kniff er sehr langsam die Augen zusammen. Sein Blick war nur geradeaus nach unten gerichtet. Die Decke, die vor kurzem noch auf dem Bett gelegen hatte, lag auf dem Boden und zeigte in eine bestimmte Richtung, in die sie noch ein Stück weit geschliffen worden war. Shens Blick wanderte zu der gegenüberliegenden Wand. Po beobachtete mit Besorgnis wie sich die Augen des Pfaues noch weiter verengten. Doch noch ehe der Panda etwas sagen konnte, schrie Shen laut auf und preschte vor. Wie ein wildgewordenes, aggressives Tier sprang der Pfau von einer Wand zur anderen. Seine Krallen bohrten sich regelrecht in die Tapete. Erschrocken versteckte Po sich hinter einem Schränkchen. So in Wut hatte er den Pfau nicht mal im Krieg erlebt. Hilflos vergrub er das Gesicht in den Händen und konnte nur hoffen, dass Shen sich irgendwann wieder beruhigte. Er hörte lautes Gepolter. Der Pfau schlug und hämmerte gegen jeden Winkel der Wand. Dann ertönte plötzlich ein anderer dumpfer Schlag, der nicht zum kontinuierlichen Geräuschpegel passte. Verwundert hob Po den Kopf. Das Wüten war mit einem Mal verstummt. Zögernd lugte der Panda hinter dem Schränken hervor. Der Pfau stand keuchend in einer Ecke. Vor ihm war die Wand ein Stück zurückgegangen und gab den Weg zu einem Geheimgang frei. Mit großen Augen erhob sich der Panda. „Warum hast du nicht eher daran gedacht?“, fragte er. Doch der weiße Pfau hörte ihm gar nicht zu. Stattdessen rannte er kurz zurück. Po wich ihm aus. Doch Shen griff nur sein Lanzenschwert, dass an der Wand lehnte und sprang ins Dunkel. „Shen!“, schrie Po ihm hinterher. „Nimm doch wenigstens eine Kerze mit!“ Mahnend drückte der Pfau das Mädchen enger an sich. Shenmi wandte sich in seinem Griff und versuchte den Schnabel wieder freizubekommen. Xiang merkte, wie das Kind versuchen wollte zu schreien und hielt seinen Flügel noch fester auf ihrem Schnabel gepresst. Es war schon eine Meisterleistung gewesen das Mädchen so schnell aus dem Zimmer zu zerren und durch die Wand zu verschwinden, obwohl er schon fast 4 Jahre kaum richtig aktiv gewesen war. Die ganze Wut, die sich in den Jahren angestaut hatte, entlud sich jetzt innerhalb von Sekunden und flaute nur allmählich ab. Die Genugtuung seinem Rivalen sein Töchterchen zu entreißen, ließ ihn etwas gelassener die Lage sehen, was sich aber auch auf seine Körperspannung auswirkte. Xiang musste sich Mühe geben die Balance auf seinem Bein zu halten. Er hörte dumpfe Rufe, die vom Panda durch die Gänge widerhallten. Xiang grinste. Auch wenn sie den Gang gefunden haben und ihm hinterherrennen, die Gänge sind viel zu verwinkelt und verworren als dass sie ihn sofort finden könnten. Das Gezappel des Mädchens wurde immer heftiger. Xiang löste eine Hand von ihr, sodass er nur das Gesicht im Klammergriff hatte. Er zog den Dolch aus der Seite seines Hemdes und hielt die Spitze direkt vor ihrem Brustkorb. „Nur einen Mucks von dir und ich steche zu!“, drohte er mit gepresster Stimme. Kaum spürte Shenmi die Spitze des Messers durch ihre Federn, fror sie ein. Dennoch wanderten ihre kleinen Flügel zu Xiangs Arm und versuchte irgendwie den Flügel von ihrem Mund runterzubekommen. Der Pfau merkte ihre zaghafte Bitte und lockerte ein kleinwenig seinen Griff um ihren Schnabel, sodass sie wenigstens wieder normal Luft bekam. Eigentlich hätte Xiang ihr am liebsten den ganzen Weg über den Schnabel zugehalten, doch weil er auf nur einem Bein stehen musste, brauchte er eine Hand zum Abstützen. Er beugte sich zu ihr runter und drückte ihr mahnend die Dolchspitze auf den unteren Halsabschnitt. „Ich nehme jetzt den Flügel runter“, raunte er ihr zu. „Wenn du schreist, dann muss ich dir wehtun. Hast du das kapiert?!“ Es folgte ein leises Wimmern. „Nick‘ wenn du es kapiert hast?!“, forderte er drohend. Wieder drückte er seinen Flügel fester auf ihrem Schnabel. Dann spürte er wie sie den Kopf nach oben und nach unten bewegte. „Gut.“ Xiang zögerte zwar, doch er ließ ihren Schnabel los. Das Mädchen sog scharf die Luft ein. Ihr Keuchen war begleitet von einem erschrockenen Weinen. Doch Xiang nahm auf ihrem Gemütszustand keine Rücksicht. Grob schlang er einen Flügel um ihre Taille, während er im anderen immer noch den Dolch hielt. Mühsam stützte er sich damit an der Wand entlang ab. Unruhig ging Liu im Zimmer hin und her. Xiang war jetzt schon ziemlich lange weg. Ob ihm unterwegs doch etwas zugestoßen war? Sie hatte immer wieder mit dem Gedanken gespielt, nach ihm zu suchen, ließ den Gedanken aber immer wieder fallen. Sie hielt im Gehen inne, als sie eine dumpfe Stimme vernahm. „Und dass du mir ja still bleibst!“ Jemand schob die Tür auf. „Los, rein mit dir!“ Erschrocken sprang Liu auf, als das weiße Mädchen über ihre Füße stolperte und auf den Boden fiel. „Ach du meine Güte. Was haben Sie getan?“ Sie lief auf das Mädchen zu und half ihr wieder aufzusitzen. Shenmi zitterte und schaute Liu ängstlich an. „Mama?“ Doch als sie eine fremde Frauenhenne vor sich sah, wich sie zurück. „Wo ist meine Mama?!“ In diesem Moment fiel die Tür krachend zu, was aber mehr darauf zurückzuführen war, dass Xiang sich kaum noch auf seinem Bein halten konnte. Keuchend schob er den Riegel zu, lehnte sich gegen die Tür und blicke mit Abscheu auf den Nachwuchs seines ärgsten Feindes herab. „Ist diese Schlampe etwa auch hier?“, stieß Xiang genervt aus. Das weiße Pfauenmädchen sah ihn mit großen Augen an. Dieser blaue Pfau sah genauso aus wie der auf dem großen Gemälde in der Bildergalerie. Zögernd ging sie auf Xiang zu. „Bist du das, Großvater?“ Dem blauen Pfau blieb der Schnabel entgeistert offen. Doch dann wandelte sich seine Fassungslosigkeit in blinde Wut. „Du verdammte Ratte!“ Er schwang den Dolch und stürzte sich auf sie. Shenmi wich im gerade noch rechtzeitig aus. Meister Ochse hatte ihr oft genug gezeigt wie man einem Schlag auswich und rollte über den Boden, wo sie gegen eine Kiste prallte. Erschrocken sah sie Xiang an. Noch nie hatte jemand versucht sie zu schlagen. Der blaue Pfau lag zwar auf dem Boden, rappelte sich aber sofort auf zwei Flügeln und einem Bein auf. „Du dreckiges Balg!“, brüllte er weiter. „Dir bringe ich noch Respekt bei!“ Er warf sich nach vorne und der Dolch drohte auf das Mädchen niederzusausen. Shenmi war völlig verängstig von diesem aggressiven Verhalten und flüchtete auf die andere Seite des Raumes. Xiang knallte erneut auf den Boden, schwang sich aber sofort wieder auf sein Bein und jagte ihr erneut hinterher. In ihrer Angst versuchte das Mädchen zwischen zwei Kisten zu flüchten, doch der Spalt war zu eng. Das Pfauenmädchen fing an zu weinen, doch noch ehe Xiang sie erreichen konnte, nahm Liu sie in die Arme. „Bitte hören Sie auf! Das hat sie bestimmt nicht böse gemeint.“ Keuchend blieb Xiang stehen, wobei der den Dolch fest umklammert hielt. „Du hast am allerwenigsten was zu sagen!“, herrschte er sie an. „Ich will zu Papa!“, jammerte Shenmi unter Lius Flügeln. Mitleidig strich Liu ihr über den Rücken. Ihr bittender Blick wanderte zu Xiang. Der Pfau schnaubte angewidert, aber er zog sich zurück. Etwas erleichtert lichtete die Pfauenhenne etwas ihre Flügel und sah auf das weiße Mädchen herab. Shenmi hob zögernd den Kopf. „Keine Sorge“, beruhigte Liu sie. „Er wird dir nichts tun.“ Sie lächelte ihr aufmunternd zu. Nur ganz leicht hob das Mädchen die Schnabelwinkel. Die Pfauenhenne drücket Shenmi enger an sich. Ihr Blick wanderte wieder zu Xiang, der die beiden mit giftigen Blicken anstierte. „Sie werden ihr doch nicht wehtun, oder?“, hakte Liu nach. Xiang schnaubte. Dann glitt ein kaltes Lächeln über seinen Schnabel. „Natürlich nicht.“ Shenmi sah ihn unsicher an, sodass sich die Augen von ihr und dem blauen Pfau trafen. Xiang beugte sich ein kleinweinig zu ihr runter. „Wenn ich dir erst mal dein Hälschen gebrochen habe, dann wirst du sowieso nichts mehr spüren.“ Shenmi schluchzte auf und vergrub ihr Gesicht in Lius Hemd. Diese wiederum sah Xiang strafend an. „Das war völlig unnötig gewesen.“ Doch Xiang zuckte nur die Achseln. „Warum nicht? Je weniger Gören es auf der Welt gibt umso besser.“ Er hinkte zu einer Kiste rüber und setzte sich. Liu verengte argwöhnisch die Augen. „Und was haben Sie jetzt vor?“ Der blaue Pfau grinste. „Ich lasse ihn erst mal etwas zappeln. Er kann ruhig suchen so viel er will. So schnell wird er mich nicht finden. Und selbst wenn…“ Seine kalten Augen wanderte zu Shenmi, die bei seinem Anblick erzitterte. „Hab ich immer noch eine Geisel bei mir.“ Das Mädchen zog eingeschüchtert den Kopf ein. „Shen, mir tun die Füße weh“, jammerte Po und hielt kurz an. Das war jetzt schon die dritte Abzweigung an der sie angekommen waren. Po hegte extreme Zweifel, dass sie überhaupt auf der richtigen Spur waren. Doch der weiße Pfau würde nie im Leben eine Pause einlegen und schwang sein Schwert in jede Richtung. Zwar trugen beide je eine Kerze in der Hand, doch auch diese konnte ihnen nicht sagen, welchen Gang sie gehen mussten. „Und wenn ich Millionen Jahre brauche“, fauchte Shen. „Ich wälze hier jeden Stein um!“ Damit sprang er in den Gang nach links. Stöhnend kraxelte Po ihm hinterher. Es war still geworden im Raum. Liu hatte Shenmi auf dem Schoss genommen und streichelte ihr beruhigend über den Kopf. Ab und zu schniefte das Mädchen, hatte sich aber so langsam wieder von dem Schrecken erholt. Xiang saß immer noch auf der Kiste und starrte auf den Fußboden. Seine Wut hatte sich zwar ein kleinwenig gelegt, dennoch brodelte die Frustration weiter in ihm. Ständig hatte er das Bild vor Augen, wie der weiße Lord mit Hass auf ihn herabblickte und mit seinem Lanzenschwert zustieß. Xiang rieb sich über die Schultern. Ab und zu taten sie ihm noch weh, wenn er sich zu viel bewegte. Das Fliegen hatte er zwar nie mehr ausprobiert, dennoch befürchtete er, dass er nie wieder längere Strecken gleiten könnte. Er fand einfach nicht mehr die Kraft die Flügel solange gestreckt zu halten. Er hörte seinen Magen knurren. Erst jetzt fiel ihm ein, dass er seit gestern nichts mehr gegessen hatte. Der Pfau rutschte mit dem Becken nach vorne und wollte zu einer der Kisten mit den Vorräten rüberhumpeln. Doch kaum stand er auf dem linken Bein, gab dieses nach und er knickte ein. Im letzten Moment konnte Xiang sich noch an der Kiste festhalten. Das wiederum weckte Lius und Shenmis Aufmerksamkeit. „Hast du dir weh getan?“, fragte Shenmi leise. Sie hatte immer noch Angst vor ihm. Zittrig erhob sich der Pfau. Seine wutgeladenen Augen trafen auf das Mädchen, dass sich daraufhin enger an Liu schmiegte. „Dein Vater war es gewesen“, fauchte Xiang. „Er hat mir das angetan!“ „Das ist nicht wahr“, widersprach ihm Liu und drehte Shenmis Gesicht zu ihr hoch. „Hör nicht auf ihn. Den Unfall hatte er sich ganz alleine selber zuzuschreiben gehabt.“ Xiangs Blick verdunkelte sich. „Was weißt du schon davon?! Du warst doch gar nicht dabei!“ „Aber davon gehört.“ Liu stand auf und hielt das Mädchen feste in den Flügeln. „Wenn Sie schon Ihren Frust an jemanden auslassen wollen, dann nicht bei ihr!“ Xiangs Zittern verstärkte sich. Doch dann hielt er es nicht mehr länger auf seinem Bein aus und rückte wieder auf den Kistendeckel. Kaum saß er, rieb er sich über sein schmerzendes Knie und über das Fußgelenk. Liu hob die Augenbrauen. Wie befürchtet hatte er sein Gelenk zu sehr überfordert. Doch die Pfauenhenne wollte ihn nicht damit aufziehen und stellte stattdessen eine neutralere Frage. „Was erhoffen Sie sich eigentlich dadurch?“ Xiang sah sie nicht sofort an. Stattdessen strich er über sein Knie und starrte nur vor sich hin. Nur langsam wanderten seine Augen auf die beiden weiblichen Wesen, die nicht wussten, ob sie sich von einem halbgelähmten Pfau bedroht fühlen sollten oder nicht. Xiang war zwar unfähig schnell zu laufen, doch er hatte immer noch den Dolch bei sich und Liu konnte nicht sagen, ob er gut im Messerwerfen war. Nach einer Weile des Anstarrens bewegte Xiang den Schnabel, brachte aber kein Wort zustande. Er schaute einfach weg und ignorierte sie. Plötzlich hämmerte es an der Tür. Alle hoben ruckartig die Köpfe. „Verdammt!“, fluchte Xiang. „Offensichtlich haben sie uns doch schon gefunden.“ In Shenmi stieg eine Hoffnung auf. „Daddy!“ Sie riss sich von Liu los. Doch noch ehe sie die Tür erreichen konnte, tötete Xiang all seinen Schmerz ab und stürzte sich auf sie. Shenmi schrie auf, doch Xiang hielt sie eisern fest. „Halt den Mund!“ Er packte sie am Kehlkopf und hielt ihr den Dolch vors Gesicht. Mit weit aufgerissen Augen starrte das Mädchen auf die rasiermesserscharfe Klinge. Xiang grinste zufrieden und seine Augen wanderten zu Liu. „Mach die Tür auf.“ Liu zögerte, bis Xiang die Klinge gefährlich nahe an Shenmis Hals drückte. „Mach – die – Tür – auf!“ Seufzend tat sie was er befahl. Sie ging zur Tür, schob den Riegel zur Seite und öffnete sie langsam. Doch da stand niemand. Liu spähte in den Gang, schaute nach rechts und nach links. Doch der Korridor war leer. „Da ist niemand“, sagte sie schließlich. „Versuch nicht mich hereinzulegen!“, fauchte Xiang und hielt dem Mädchen den Dolch unters Kinn. „Meine Güte, verdammt, da ist niemand!“, beteuerte sie. Der Pfau verengte misstrauisch die Augen. Sollte das eine Falle sein, dann wollte er nicht der Dumme sein. „Hol dir eine Lampe und leuchte durch“, kommandierte er. Liu wollte ihn nicht mit Widerworten wütender machen. Gehorsam nahm sie eine der Laternen und ging damit in den Flur. Sie hielt das Licht abwechselnd zu beiden Seiten, doch die Gänge waren alle leer. „Also, da ist wirklich niemand…“ „Geh mir aus dem Weg!“ Brutal stieß der Pfau sie zur Seite. Liu konnte gerade noch verhindern nicht gegen die Wand zu fallen. Ärgerlich hielt sie die Lampe hoch, während der Pfau mit dem Mädchen im Flügel sich suchend umsah. „Komm raus! Oder bist du zu feige dazu?!“, brüllte er. Doch zu seiner Verwunderung blieb alles still. „Na schön“, zischte Xiang mehr zu sich selbst und zerrte Shenmi im Flügel vor sich her. „Komm raus! Oder ich schneid ihr die Kehle durch!“ Unter großer Anstrengung schlurfte er etwas den Gang runter. Besorgt sah Liu zu wie die beiden langsam aus dem Lichtkegel verschwanden. Plötzlich gab es einen grellen Aufschrei. Liu war so erschrocken, dass sie zur Salzsäule erstarrte. „Was ist los?!“ Im Gang vor ihr entstand ein wüstes Gerangel und Toben. Im nächsten Moment sah die Pfauenhenne Shenmi aus der Schwärze auf sie zu rennen. Liu fing sie ab und hob sie hoch. Das Kämpfen im Dunklen nahm kein Ende. Ängstlich wich Liu mit Shenmi auf den Armen zurück. Wäre das wirklich ihr Vater gewesen, würde sie nicht weglaufen. Ihre Bedenken wurden bestätigt, als auf einmal mehrere glühende Augen im schwachen Licht aufleuchteten. Liu dachte nicht länger nach. Sie drehte sich um und rannte mit Shenmi den entgegengesetzten Gang runter. „Hast du das gehört?“ Po spitzte die Ohren und lauschte. Ein leiser Schrei war durch die Gänge gehallt und ließ Pfau und Panda erstarren. „Woher kam das?“ „Das war jedenfalls nicht Shenmi“, zischte Shen in einem aggressiven Tonfall. Po kaute auf seinen Fingernägeln. „Wer dann?“ In dieser Sekunde huschte etwas im Gang vor ihnen durch eine Gabelung. Shen reagierte sofort und sprang dem davonflüchtenden Schatten nach. Po hatte seine Not dem schnellen Pfau nachzulaufen und sah nur noch, wie Shen um eine Ecke verschwand. „Shen? Jetzt lauf doch nicht so schnell. Hey warte!“ Plötzlich rannten weitere Schatten über die Weggabelung. Kurz darauf ertönten laute Schreie. Völlig erschrocken sprang Po nach vorne und leuchtete mit der Kerze um die Ecke. Der Gang stand völlig im Dunkeln. Shen musste seine Kerze verloren haben. Po kniff die Augen zusammen und hielt seine Kerze höher, konnte aber nur ein wüstes Gerangel und Umherspringen von Schatten erkennen. Shen schien heftig um sich herum zu schlagen. Irgendjemand schrie laut auf. Hatte Shen ihn erwischt? Po spannte die Muskeln an. „Hey, aus dem Weg! Jetzt komme i…!“ Irgendetwas traf den Panda mit voller Wucht im Gesicht. Po fiel nach hinten und verlor dabei die Kerze, die sofort erlosch. Mit einem Mal saß er Panda im Stockdunkeln. „Hey!“ Der Panda musste sich die Hände vors Gesicht halten, um sich vor den Schlägen zu schützen, die auf ihn niederprasselten. Die Angreifer waren anscheinend klein, doch ihre Angriffe dafür umso heftiger. Doch Pos dichtes Fell konnte ihren Schlägen kaum was anhaben. Der Panda warf sich nach vorne, in der Hoffnung irgendwo Shen zu finden. Doch dann traf ihm erneut ein Schlag in den Rücken und der Panda ging wieder in Verteidigung über. Doch die Schatten im Dunkeln waren so flink, dass Po niemanden ausfindig machen konnte. Plötzlich gab die Wand hinter dem Panda nach und Po kullerte über einen mit leichter Staubschicht bedecken Marmorboden. Die Geheimtür fiel krachend wieder zurück. Keuchend rappelte Po sich auf. Er befand sich in irgendeinem der vielen Zimmer. Mondlicht drang durch die Fenster, sodass er wenigstens etwas sehen konnte. Schnell rannte er zu der geschlossenen Tür in der Wand, doch so sehr Po auch dagegen drückte, er bekam sie nicht auf. „Hey! Lasst mich rein!“ Ärgerlich rüttelte er an der Wand, doch egal was er tat sie gab nicht nach. Die merkwürdigen Angreifer mussten sie blockiert haben. „Verflixt! Was mach ich jetzt?“ Liu rannte durch die Gänge und drückte immer gegen die Wände. Irgendwo musste doch der nächste Ausgang aus diesem Labyrinth sein. Endlich nach einer schier endlosen Suche gab eine Wand nach. Schnell sprang sie mit Shenmi auf den Armen da durch und gelangte in einen Korridor. Hastig sah sie sich um und schwang die Laterne, die sie immer noch bei sich trug, hin und her. „Hilfe!“, rief sie und rannte einfach irgendwo weiter. Po hob den Kopf, als er den Hilferuf vernommen hatte. „Shenmi, bist du das?!“ Eilig verließ er das Zimmer, das teilweise mit weißen Lacken über den Möbeln bedeckt war und suchte nach der nächsten Tür. Als er endlich eine gefunden hatte, riss er sie auf und gelangte in einen der vielen mit Teppichen ausgelegten Korridore. „Shenmi? Shenmi!“ Po wusste nicht in welche Richtung er rennen sollte, weshalb er bis zum Ende des Korridors rannte und dort weiter Shenmis Namen rief. Als er dort keine Rückantwort erhielt, rannte er den Korridor zurück und rief auf der anderen Seite weiter. Und er erhielt tatsächlich eine Antwort, allerdings nicht von Shenmi. „Was ist los?“ Stattdessen tauchte König Wang und der Verwalter Huan mit einer Laterne auf, die den Panda verwundert ansahen. „Shen… Shenmi… weg… hinter der Wand…“, stieß Po völlig verwirrt hervor. Wang runzelte die Stirn. „Was?“ „Zuerst dachte ich hier spukt es“, ratterte Po seinen Satz herunter. „Doch dann ist Shenmi verschwunden. Dann war da ein Loch in der Wand. Dann waren da Schatten. Und Shen ist verschwunden. Jetzt hab ich Shenmi gehört…“ „Moment mal, das geht mir zu schnell“, unterbrach ihn Wang. „Was ist los?“ Po holte tief Luft. „Shenmi ist weg. Shen ist weg. Und hier wimmelt es von Gängen hinter den Wänden.“ Im nächsten Moment rannte jemand über den Korridor auf sie zu. Po fuhr herum, doch es war nicht Shen. „Endlich, ich hab euch gefunden“, rief eine Frauenstimme erleichtert. Verwundert sahen Panda, Ochse und Stier zu, wie die Pfauenhenne vor ihnen atemlos zum Stillstand kam. In den Flügeln trug sie eine kleine weiße Gestalt. „Shenmi?!“ Überglücklich nahm Po das weiße Mädchen in die Arme. „Po?“ So langsam taute das verschreckte Pfauenmädchen wieder auf. Als es in Pos strahlendes Gesicht sah, klammerte sie sich in sein Fell. „Wo ist Daddy?“, jammerte sie. Po sah sie verwundert an. „Ist er euch nicht begegnet… Moment mal. Wer sind Sie eigentlich?“ Liu schluckte und sah besorgt zu König Wang. Sie war ihm zwar nur zweimal begegnet in der Kurresidenz, dennoch musste sie sich wohl oder übel zu erkennen geben. „Ich bin Xiangs Pflegerin.“ Po rutschte die Kinnlade runter. „Hä? Was? Ist Xiang etwa auch hier?“ Beschämt senkte Liu den Blick. „Ja…. Aber das war keine Absicht!“, wandte sie schnell ein. „Er wurde entführt. Ich hab ihn dann hierher begleitet, als wir fliehen konnten.“ Po war immer noch völlig von der Rolle. „Xiang ist auch hier? Na das wird ja immer bunter.“ „Und warum haben Sie mich dann nicht verständigt?“, fragte König Wang streng. Liu zog den Kopf ein und wich seinem Blick aus. „Ich… ich weiß auch nicht…“ „Hat er auch Shens Frau entführt?“, hakte Wang weiter nach. Liu sah ihn überrascht an. „Wie? Davon weiß ich nichts. Ich weiß nur, dass Xiang verschwunden ist. Irgendjemand hat ihn überfallen. Ich bin dann nur noch mit ihr geflohen.“ Sie deutete auf Shenmi. Po wurde mit jeder Sekunde verwirrter. „Aber wenn er nicht Yin-Yu entführt hat, aber Shenmi, und Shen ist jetzt auch weg und Xiang auch, dann… Oh weh! Das ist ja richtig kompliziert.“ Liu sah ihn mitleidig an. Wang schlug die Hufe zusammen. „Also, wenn er es nicht war, dann scheint noch jemand anderes sich hier herumzutreiben.“ Das lichtete ein wenig den Nebel in Pos Kopf. „Äh, ja… so muss es wohl sein.“ Er zog die Stirn in Falten. „Irgendjemand lungert hier herum. Dann muss es auch dieselbe Person gewesen sein, die Shen überfallen hat.“ „Ich will zu Papa!“, bat Shenmi. Ratlos sah Po das Mädchen an. Dann hob er sie hoch und lächelte ihr zu. „Keine Sorge, wir werden ihn schon finden.“ Po brach ab. „Die Frage ist nur, wo.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)