Die letzte Ehre von BuchTraumFaenger ================================================================================ Kapitel 15: 15. Ohne eine Spur ------------------------------ Weiter unten waren Xiang und Liu in der Zwischenzeit am Fuße des Berges angekommen. Sie befanden sich weit weg der Palasttreppe, wo kein einziges Haus stand und hauptsächlich Büsche und Bäume alles überwucherten. Liu tat schon der Rücken weh von der ganzen Abstützung, die sie für den halbgelähmten Pfau leisten musste. Doch auch Xiangs Fuß selber erging es nicht viel besser. „Bring mich dort hin.“ Er deutete mit dem Flügel auf einen Stein. Dort setzte die Pfauenhenne ihn ab, wo er dann sein gesundes Bein hob und über die wunde Fußsohle rieb. Liu hingegen ließ sich im Gras nieder und sah sich um. „Wonach suchen wir eigentlich?“, fragte sie. „Wir?“, grummelte Xiang mürrisch. „Wer sagt denn, dass wir suchen?“ Liu seufzte. „Na gut, dann suchen Sie eben nach etwas. Aber was hoffen Sie hier zu finden?“ Xiang ließ sein Bein wieder los. „Etwas wovon du bestimmt keine Ahnung hast. Und jetzt hau ab.“ Die Pfauenhenne hob überrascht den Kopf. „Jetzt schon?“ Die eisigen Augen des Pfaus erwischten sie eiskalt. „Spreche ich Japanisch oder was? Ich hab doch vorhin gesagt, wenn ich will, dass du gehst, dann gehst du auch.“ „Aber… aber Sie brauchen mich doch noch.“ „Brauchen?“ Xiang schien extrem überrascht zu sein. „Wofür? Fürs Füttern? Oder Baden? Ab hier komme ich alleine zurecht!“ Liu legte den Kopf schief. „Sind Sie ganz sicher? Was ist, wenn Ihnen unterwegs etwas passiert?“ „Ich bin kein kleines Kind!“ Wütend erhob sich der Pfau, wobei er Mühe hatte nur auf einem Bein zu stehen. „Und ich würde dir raten zu verschwinden, oder willst du, dass ich dir noch weh tue?!“ Am liebsten hätte Liu ihn gefragt, womit er ihr hätte weh tun können, doch sie wollte ihn nicht unnötig provozieren, weshalb sie sich erhob, sich nochmal verneigte und dann langsam den Weg zurückging, aus der sie gekommen waren. Sie drehte sich nochmal zu ihm um. Doch Xiang verschränkte unerbittlich die Flügel und Liu wusste, dass er sich nicht umstimmen lassen wollte. Traurig zwängte sie durch die Büsche und suchte den Weg zum Stadtrand auf. Sie war nur einige Meter weit gekommen, als sie ein paar vertraute Stimmen aufhorchen ließen. „Die wird uns noch massakrieren!“, hörte sie jemanden fluchen. „Uh, sag nur sowas nicht“, flehte ein anderer. „Mir ziehen sich schon die Krallen hoch, wenn ich auch nur daran denke, wie die ausrasten wird, dass wir ihre Bestellung verloren haben.“ Schnell duckte Liu sich hinter einem Strauch. Ihr fuhr der Schreck in die Glieder, als sie drei der Geckos von gestern Nacht nicht weit entfernt über eine Lichtung stolzieren sah. „Jetzt reg dich doch nicht so auf, Tongfu“, redete einer der Geckos auf seinen Gesprächspartner ein. „Der wird schon wieder auftauchen. So einer wie der, kann sich doch nicht ewig verstecken.“ Liu wollte nicht länger zuhören. Sie machte kehrt und rannte in geduckter Haltung den Weg zurück. Xiang hatte sich inzwischen zu einer Felswand am Berg begeben und schien nach etwas zu suchen. „Passen Sie auf!“, zischte Liu so leise wie möglich, aber gerade noch so, dass der Pfau sie verstehen konnte. „Was treibst du noch hier?!“, fuhr Xiang sie wütend an. „Hatte ich nicht…?!“ „Ja, ja! Ich weiß!“, raunte die Pfauenhenne nervös. „Aber da sind diese Geckos wieder. Wir müssen uns verstecken.“ Dies veranlasste den Pfau jetzt noch hastiger die Felsenwand abzutasten. Liu sah ihn verwundert an. „Haben Sie keine Angst, dass sie uns hier finden?“ „Pssst!“, fauchte Xiang, ohne dabei seine Suche zu unterbrechen. „Besser du haust jetzt ab!“ „Aber was ist mit Ihnen?“, fragte Liu besorgt. Der Pfau stieß einen entnervten Seufzer aus. „Zum letzten Mal! Hau einfach…!“ In diesem Moment gab ein Teil der Felswand nach und Xiang fiel nach hinten in ein schwarzes Loch. Liu war so erschrocken, dass sie beinahe geschrien hätte, hielt sich aber im letzten Moment noch den Schnabel zu. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte sie und stürzte zu der Lücke im Felsen. Im Inneren tat sich vor ihr ein gerader Gang auf, der waagerecht weiter in den Berg hineinführte. Kaum hatte Liu ihre Verwunderung überwunden, beugte sie sich über den am Boden liegenden Pfau, der sich den Flügel rieb. „Geht es Ihnen gut?“, erkundigte sich Liu nochmal und erhielt nur ein genuscheltes Fluchen. Auf einmal waren erneut diese Stimmen von draußen zu hören. Erschrocken griff Liu instinktiv die Felswand und drückte sie zurück. Die Tür fiel wieder zu und beide Pfaue standen im Dunkeln. „Hey!“, schrie Xiang außer sich. „Hast du sie noch alle?!“ „Wieso?!“ Der Pfau rappelte sich auf und drückte sie gegen die Steinwand. „Ich hab dir nicht erlaubt hier reinzukommen!“ Liu sog scharf die Luft ein, als seine Federfinger sich bedrohlich durch ihr Gefieder in die Flügel gruben. „Ich werde es doch niemanden verraten“, versicherte sie. Im Dunkeln sah sie zwar nichts, doch sie konnte seinen bohrenden Blick spüren. Doch dann ließ er abrupt von ihr ab und sie hörte ihn den Gang entlangschlurfen. Vermutlich lehnte er sich beim Humpeln an die Wand. „Wo wollen Sie hin?“ „Wo ich hingehe, geht dich nichts an“, knurrte der blaue Pfau in der Schwärze. „Verschwinde von hier.“ Liu schluckte. „Darf ich nicht wenigstens ein bisschen noch bei Ihnen bleiben?“ „Verdammt! Kannst du nicht endlich mal verschwinden?!“, schnauzte Xiang sie an. „Du bist ja schlimmer als eine Zecke.“ „Nur solange, bis ich unbeobachtet wieder verschwinden kann“, murmelte Liu kleinlaut. „Wenn die mich hier finden, dann werden sie doch erst recht vermuten, dass Sie auch hier sind.“ Dies veranlasste den Pfau kurz anzuhalten. Eigentlich wollte er dieses Gör nicht mal in der Nähe von Mendong haben, doch im Moment waren diese Geckos auch nicht gerade harmlos. „Na schön“, schnaubte er nach einer Schweigeminute. „Aber nur kurzfristig.“ „Soll ich Sie abstützen…“ „Nein“, fuhr Xiang ihr schnell dazwischen und rangelte sich weiter an der Wand entlang. „Gibt es irgendetwas worauf ich achten muss?“, fragte Liu nach kurzem Zögern. „Nein“, zischte er. „Der Gang ist schnurrgerade.“ „Wohin führt er denn?“ „Das brauchst du nicht zu wissen. Und selbst wenn, kannst du dir das denn nicht vorstellen?“ Es folgte eine Phase des angespannten Schweigens bevor Liu eine Vermutung äußerte. „Ist der Gang mit dem Palast verbunden?“ Xiang antwortete nicht. Er wollte einfach keine Informationen preisgeben, die seiner Meinung nach ihr eh nichts angingen. Sie folgten dem Gang, der nach mehreren Metern in einem Hohlraum endete. Als Xiang merkte, dass die Wand einen Knick machte, tastete er sich im Dunkeln nach einer Laterne und zündete sie an. Liu wich erschrocken zurück als vor ihr ein Holzgestell im schwachen Licht auftauchte. Es war eine Art Tribüne und rund herum waren Holzstäbe aufgebaut, wie das Baugerüst einer Baustelle. Der Pfau kletterte auf die Holzplattform, trotz seines lahmen Beines. „Was ist das hier?“, fragte Liu, als Xiang ihr keine Einleitung gab. Doch sie senkte sofort wieder den Kopf, als der Pfau ihr einen bösen Blick zuwarf. „Was meinst du wohin ich will?“, fragte Xiang von oben herab. Lius Blick wanderte nach oben. „Wollen Sie etwa in den Palast gehen?“ Xiang schnaubte abfällig. „Man sieht, dass du hast keine Ahnung vom royalen Leben hast. Herrscher lassen sich entweder hochtragen, oder hochfahren.“ Liu hob verwundert die Augenbrauen. „Fahren?“ Xiang ging nicht näher auf diese Andeutung ein und befestigte die Laterne an der Holzfassade. Dann lehnte er sich nachdenklich an der Fassade ab und schaute auf die Pfauenhenne herab. Nach einer Weile des Anstarrens winkte er mit dem Kopf zu sich. „Jetzt steig ein. Ich will heute noch oben ankommen. Vorausgesetzt du unterlässt deine blöde Fragerei.“ Liu biss die Schnabellippen zusammen und betrat nun ebenfalls die Holzplattform. Kaum war sie drauf, betätigte der Pfau einen Hebel und setzte einen Mechanismus frei, der die Holzplatte an Seilen anhob und nach oben beförderte. Liu blieb vor Erstaunen der Mund offen, als der Lift sie durch den Berg nach oben zog, hielt es aber für das Beste keine Bemerkungen darüber zu äußern. Weiter oben hatten sich die anderen inzwischen im Zimmer versammelt, wo sich Yin-Yu zuletzt aufgehalten hatte. Alle sahen sich um. Doch es gab keine Spuren eines Kampfes oder sonst irgendwelche verdächtigen Indizien. Das Zimmer sah sogar fast unberührt aus mit Ausnahme vom benutzten Bett, in dem Yin-Yu in der besagten Nacht noch drin geschlafen hatte. Seufzend strich Shen über die Bettdecke, während Po sich auf allen Vieren auf den Boden niederließ und den Boden abschnupperte. Doch auch seine Nase konnte nichts aufspüren. „Vielleicht sollten wir einen Spürhund beauftragen“, schlug der Panda vor. „Wir gehen am besten jedes Zimmer einzeln durch“, beschloss Shen, ohne auf Pos Vorschlag einzugehen. „Jedes Zimmer?!“ Po kroch der Horror unters Fell. Wang rieb sich übers Kinn. „Na ja, wir haben zwar schon jedes Zimmer durchsucht…“ „Sie? Alleine?“ Der Panda sah den Hunnen mit großen Augen an. „Jedes Zimmer?“ „Natürlich mit ein paar Soldaten. Wäre doch schon Selbstmord jedes Zimmer alleine zu durchforsten.“ Der Panda bekam wieder weiche Knie. „Papa, guck mal!“ Shen drehte sich zu seiner kleinen Tochter um, die mit glänzenden Augen eine Vogelpuppe hochhielt. „Wo hast du die her?“, fragte Shen. Das weiße Pfauenmädchen deutete in eine Kiste. „Da drin. Und da sind noch mehr Sachen.“ „Ach ja“, meinte Huan. „Yin-Yu hatte diese Sachen vor ein paar Tagen zusammengesucht für die Kinder.“ „Darf ich sie haben?“, fragte Shenmi aufgeregt. Shen seufzte. „Na schön. Ich glaube, sie war sowieso für dich gedacht.“ Der Pfau verfiel wieder ins Grübeln. Po merkte wie ihm die ganze Sache zusetzte und kratzte sich fieberhaft am Kopf. „Okay, okay“, versuchte Po die Suche zu erleichtern. „Was genau war denn passiert in dieser Nacht?“ Er hielt kurz inne. Diese Frage hatte er Shen damals auch immer wieder gestellt, doch er musste sofort wieder zum Thema zurück. „War irgendetwas auffällig gewesen? Ein Licht? Ein Geräusch? Oder der Geruch nach Essen?“ „Wie kommst du jetzt wieder auf Essen?“, tadelte ihn Shen. „Na ja, falls es ein Einbrecher war, vielleicht hatte er ja ein Lunchpaket mitgehabt“, strickte Po den Gedanken weiter. „Wäre doch möglich. Und hat es vielleicht hier verloren…“ „Nein, da war nichts Auffälliges gewesen“, meinte der alte Stier Huan. „Alles was ich noch weiß ist, dass ich mitten in der Nacht von einem Schrei geweckt wurde. Es war nur ganz kurz, und brach auch abrupt wieder ab. Als ich hierhereilte, war niemand mehr dagewesen.“ Po kratzte sich am Kopf. „Aber sie kann doch nicht einfach vom Erdboden verschluckt worden sein. Wenn dann muss sie in einem anderen Zimmer gewesen oder sogar nach draußen verschleppt worden sein.“ Davon war Huan weniger überzeugt. „Mm, nachts wird alles abgeschlossen und es gibt keine Hinweise auf einen Einbruch. Alle Türen und Fenster sind völlig unbeschädigt.“ „Dann hatte er vielleicht einen Schlüssel… Oder… oder…“ Po wurde es langsam im Kopf zu heiß vor lauter Denken. „Vielleicht ist sie ja im Keller? Ja, vielleicht eine Falltür. Jeder Palast muss doch einen Fluchtweg haben. So wie bei Ihnen unter dem Kerker.“ König Wang runzelte nachdenklich die Stirn. „Auszuschließen ist das nicht, obwohl mir nichts darüber bekannt wäre.“ „Aber man könnte doch mal nachsehen“, drängte Po, in der Hoffnung so eine jede-Zimmer-Suche zu umgehen. „Dann kommt mit“, bot Huan an. „Wir nehmen die Abkürzung durch die Westhalle.“ Damit verließen alle den Ort des Geschehens und begaben sich durch einen Wirrwarr von Gängen nach unten. Shen ließ Shenmi nicht eine Sekunde aus den Augen und achtete darauf, dass sich ihre Hände nicht einen Millimeter voneinander lösten. Irgendwann kamen sie in einen Gang, wo jede Menge Bilder aufgehängt waren. „Wow“, hauchte Po erstaunt. „Was ist das denn?“ „Die Familiengalerie“, klärte Huan ihn auf. „Dort drüben ist auch gleich das Familienportrait der letzten Regentschaft.“ Der Stier führte die Gruppe zu einem riesigen Gemälde. Darauf waren drei Personen abgebildet. Zum einen ein blau-grüner Pfau, eine schwarz-violette Pfauenhenne und weiter unten zwischen ihnen ein kleiner blauer Pfau. „Das ist sein Vater und seine Mutter“, stellte Huan die Figuren vor. „Und der junge Lord selber. Sein Vater stammte aus Indien. Seine Mutter hingegen aus China. Zumindest ein Teil davon. Die anderen hatten ihren Wohnsitz irgendwo anders in Asien.“ „Und hier“, der Stier führte sie zum nächsten großen Gemälde. „Hier der Lord nochmal. Dieses Bild wurde gemalt nachdem er die Volljährigkeit erlang hatte.“ Wang verzog keine Miene. Nur Po und Shen fuhr ein Schauer unter Fell und Federn bei dem Anblick des ehemaligen Rivalen vor ein paar Jahren. Po überlegte sich ob Xiang nach dem Unfall in Gongmen wirklich noch so aussah. Es war praktisch schon ein Wunder, dass der Pfau das überhaupt überlebt hatte. „Guck mal. Großvater!“, rief Shenmi aufgeregt und deutete auf Xiangs Bild. „Das ist nicht Großvater!“, wies Shen sie zurecht, und stierte mit bösem Blick auf den gemalten Lord an der Wand. „Er ist aber blau wie Großvater“, beharrte Shenmi auf ihre Aussage. Stirnrunzelt betrachtete Po das Bild genauer. „Mm, ich meine er sieht wirklich aus wie dein Vater“, murmelte Po nachdenklich. „Als ich letztens Mal ein Bild von deinen Eltern gesehen habe, da hab ich auch gedacht…“ Shen stieß ein wütendes Schnauben aus. „Sehe ich aus wie mein Vater?!“ „Na ja, okay, vielleicht ja nicht, aber trotzdem, er ist deinem Vater doch sehr ähnlich, oder etwa nicht?“ „Es gibt viele blaue Pfaue auf der Welt!“ Po merkte, wie Shen es langsam nervte über Xiang zu sprechen und versuchte schnell das Thema zu wechseln, indem er zu einem anderen Bild rüberging. „Und wer ist das da?“ Huan folgte seinem Fingerzeig. Auf einem anderen Gemälde waren zwei Pfauenhennen abgebildet, die gesittet und brav nebeneinanderstanden. Die eine war die von dem Familienportrait, aber die andere war für Po neu. Sie besaß ebenfalls lila-schwarze Federn, allerdings mit einem leichten blau um den Hals. Auch besaß sie mehr Schwarzanteil im Gefieder als die Pfauenhenne neben ihr. „Oh, die?“ Huan gesellte sich neben den Panda. „Das ist Xiangs Mutter mit ihrer Schwester Chiwa. Eine nette Dame. Wie ihre Schwester. Im Gegensatz zu Xiangs Vater.“ „Allerdings“, stimmte Wang ihm zu. „Mit Xiangs Vater hatten wir den meisten Ärger gehabt.“ Po sah ihn fragend an. „Weshalb?“ „Ach, wegen eines alten Streits. Das hatte den Lord so wütend gemacht, dass er schon einen Krieg gegen mich anzetteln wollte. Doch als er überraschenderweise verstarb, war danach erst Mal Ruhe. Xiangs Mutter hatte sich nicht so für die politischen Streitigkeiten ihres Mannes interessiert. Doch als sie verschwand, ging der ganze Ärger wieder von vorne los. Den Rest kennt ihr ja von damals.“ Po erinnerte sich noch düster daran, wie Xiang versucht hatte Wang zu stürzen, und dass sie damals beinahe noch draufgegangen wären, war auch nicht gerade eine angenehme Erinnerung. „Tja, ja“, murmelte Huan und schaute wieder zum Gemälde hoch. „Die beiden Schwestern waren immer unzertrennlich gewesen und haben vieles gemeinsam gemacht. Aber seit dem Verschwinden von Xiangs Mutter hat sie sich auch nicht mehr hier blicken lassen. Na ja. Gehen wir weiter.“ So setzte die kleine Gruppe sich wieder in Bewegung. Nur Po warf nochmal einen Blick auf das Bild der zwei Geschwister. Er konnte es sich nicht erklären, aber irgendwie lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken. Ein so kalter Schauer, als würde der Tod mit seinen kalten Krallen über sein Fell streicheln. Mit einem harten Ruck hielt der Lift an. Suchend sah Liu sich um. Im Licht der Laterne erkannte sie nur kahle Steinwände rundherum, nur ein Gang führte von diesem oberen Hohlraum raus. Xiang stieg als Erster aus, wobei er die Laterne von der Halterung nahm und auf den Ausgang zusteuerte. Liu folgte ihm mit ein paar Schritten Abstand. Xiang stütze sich wieder an der Wand ab und es folgte eine neue Gangwanderung, der allerdings nicht lang dauerte. Schon nach kurzer Zeit gabelte sich der Gang in zwei Richtungen. „Wo sind wir jetzt?“, fragte Liu, die ihre Neugier jetzt doch nicht mehr zurückhalten konnte. „Unterm Keller“, antwortete Xiang knapp. „Von hier aus führen verschiedene versteckte Gänge zu den Zimmern.“ Er drehte den Kopf zu ihr nach hinten. „Ich hoffe, das stimmt dich ruhig für die nächsten paar Stunden.“ Liu senkte den Blick, was Xiang wenigstens zufrieden machte. Doch dann hoben beide die Köpfe, als sie dumpfe Stimmen vernahmen. „Das ist nur ein Kellerraum von vielen“, erklärte ein älterer Herr. „Aber es dürfte eine lange Zeit in Anspruch nehmen, die ganzen Wände nach einem Versteck abzuklopfen.“ Xiang elektrisierte dieser Satz wie ein Stromschlag. Schnell humpelte er den Gang nach rechts rein und tastete die Wand ab. Liu folgte ihm notgedrungen. An einer bestimmten Stelle stellte der Pfau die Laterne auf den Boden ab und lehnte sich gegen die Wand. Liu wagte keine Frage zu stellen und verhielt sich ruhig. „Aber irgendwo muss sie doch hin sein“, beharrte eine jüngere Stimme, die den Pfau für einen Moment den Atem anhalten ließ. „Ich mach mal einen Schnelldurchlauf.“ Sofort waren laute Schritte und Klopfgeräusche zu vernehmen. Xiang lehnte sich krampfhaft enger gegen die Wand. Liu beobachtete ihn unsicher, während das Klopfgeräusch irgendwie näher zu kommen schien. Sie schrak zusammen, als es direkt hinter Xiang rumpelte. Hinter dem Pfau entstand ein kurzer Ruck. Xiang stemmte sich gegen die Wand, dann war es vorbei und die Klopfgeräusche entfernten sich wieder. Eigentlich hätte Xiang aufatmen können, doch die anderen Stimmen trafen ihn wie ein Schlag. „Papa, ich hab Hunger.“ „Ist gut. Wir gehen nach oben. Panda, lass gut sein. Wir machen später weiter.“ Die restlichen Wortfetzen bekam der Pfau nicht mehr mit. Er stürzte nach rechts und riss ein Brett an der Wand zur Seite, wo der durch zwei Schlitze in den Keller sehen konnte. „Also soweit ich weiß“, grummelte noch eine weitere Stimme. „befindet sich die Küche im Osten des Gebäudes.“ „Oh weiha!“, rief Liu erschrocken, die die Stimme von Wang noch kannte. „Der König ist auch hier?“ Ängstlich kauerte sie sich auf den Boden, im Gegensatz zu Xiang, der weiter in den Raum stierte, wo er seinen schlimmsten Feind erblickte. „Oh, ja!“, rief Po begeistert. „Ich hab einen Bärenhunger.“ Die Augen des blauen Pfaus verengten sich noch mehr als der Panda in sein Blickfeld tänzelte und die Kellertreppe hochlief. Kurz darauf tauchte eine kleine weiße Gestalt auf, die eine andere weiße größere Gestalt hinter sich herzog. Xiangs Augen verengten sich drastisch, und blieben voller Abscheu auf den weißen Lord gerichtet. Shen blieb auf der Treppe stehen und schaute nach hinten. Unbewusst trafen sich ihre Blicke, die nur Xiang wahrnehmen konnte. „Papa, komm!“, drängelte Shenmi. Der weiße Pfau folgte ihr, drehte sich aber immer wieder um. Er konnte niemanden sehen, spürte aber, dass ihn jemand regelrecht mit seinem Blick durchbohrte. Es war kein Wunder, denn Xiang richtete all seinen Hass und seine ganze Wut hinein. Für meine Demütigung wirst du sterben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)