Die letzte Ehre von BuchTraumFaenger ================================================================================ Kapitel 9: 9. Die Sorgen eines Vaters ------------------------------------- In der Zwischenzeit fuhr das Schiff aus Gongmen weiter die Küste entlang Richtung Norden. Die Fahrt verlief zum Glück ruhig, selbst wenn Shenmi als blinder Passagier mit dazu gestiegen war. Aus diesem Grund musste es nochmal an Land fahren, um einen Boten aufzutreiben, damit Shen eine Nachricht nach Gongmen schicken konnte. Denn die Zurückgebliebenen mussten davon unterrichtet werden, dass Shenmi mit ihnen reiste, bevor noch eine Panik ausbrach. Den Rest des Tages verbrachte man mit Spielen, was hauptsächlich Po zuteil wurde. Dann Mittagsschlaf und am wichtigsten, zumindest für den Drachenkrieger, Abendessen. Als dann die Abenddämmerung hereinbrach, war es für die kleine Shenmi Zeit ins Bett zu gehen. Shen brachte sie in die Kajüte, in die auch Po untergebracht war. Zumindest wurde dies vor ein paar Stunden beschlossen. Eigentlich sollte jeder sein eigenes Abteil beziehen, doch weil Shenmi so gerne bei Po war, musste der Panda wohl oder übel mit in die fein eingerichtete königliche Kajüte umziehen. Nachdem Shen die Kleine ins Bett gebracht hatte, zog der Lord sich noch für einen Spaziergang zurück. Po war vom ganzen Spielen genauso müde wie Shenmi. Erschöpft ließ er sich in seinen Seemanns-Schlafsack fallen und begann schon nach einer Weile zu schnarchen. Aber zum Glück nicht so laut, dass das Mädchen davon wach wurde. Die Sonne verschwand immer mehr vom Himmel, bis sie vom Sternenhimmel mit dem Mond abgelöst wurde. An Bord kehrte Ruhe ein. Der Wind strich sanft über das Meer und ließ das Schiff sanft schaukeln. Irgendwann wachte Po auf. Als sein Blick auf die Koje fiel, wo Shenmi schlief, bemerkte er sofort, dass Shen immer noch nicht schlafen gegangen war. Er sah aus dem Kajüten-Fenster. Draußen war es schon dunkel. Der Lord hatte schon vor einiger Zeit gesagt, er wollte frische Luft schnappen. Ob er irgendwo anders eingeschlafen war? Auf Zehenspitzen verließ der Panda die Kajüte, um Shenmi nicht aufzuwecken. Anschließend huschte er über den Korridor über die Treppe nach draußen aufs Deck. Draußen leuchteten die Sterne am Nachthimmel. An den Seiten leuchteten die Schiffslampen. Suchend sah der Panda sich um. Schließlich fand er den Pfau. Shen stand vorne am Bug und schien in die weite Ferne des Ozeans zu starren. Zögernd ging Po zu ihm hin. „Hi“, begann er. „Noch so spät wach? Hast du Probleme beim Schlafen?“ Shen antwortete nicht, sondern blickte nur weiter geradeaus, was Po gar nicht behagte. „Hab ich etwas falsch gemacht?“, fragte er kleinlaut. „Denkst du an Yin-Yu?“ Wieder erhielt er keine Antwort. „Vielleicht machen wir uns doch unnötig Sorgen“, versuchte Po es erneut. „Oder ist es wegen Shenmi?“ Die Kammfedern des Pfaus spannten sich etwas an, was Po in Verlegenheit brachte. „Ich weiß ja, dass es dir nicht gefällt, dass sie mitkommt“, fuhr Po fort. „Aber was hätten wir denn machen sollen? Okay, tut mir leid, dass ich nicht vorher meinen Rucksack kontrolliert habe. Aber woher hätte ich denn wissen sollen, dass sie da drinnen war? Na gut, vielleicht hätte ich vorher schon etwas essen sollen, obwohl ich anfangs ja nicht immer Hunger habe. Mein Appetit stellt sich meistens etwas später ein. Wenn man auf hoher See ist, dann regt die Luft die Magensäfte erst relativ spät an…“ Po hielt inne. Shen hatte den rechten Flügel gehoben und der Panda verstummte. Wollte der Pfau etwas sagen? Mit Spannung wartete der Panda. Eine Weile passierte gar nichts und Po war nahe daran wieder den Mund aufzumachen, als Shen ihn aus heiterem Himmel zuvorkam. „Panda, wie lange beherrscht du schon das Kung Fu?“ „Äh, wie lange schon? Also, ich…“ Nachdenklich kratzte sich der Panda am Kopf. „Uh, dass muss erst vor ein paar Jahren gewesen sein, wo ich zum Drachenkrieger ernannt wurde. Na ja, davor hab ich auch schon ein kleinwenig was gekonnt. Wenigstens ein bisschen Kung Fu… also, zumindest solange man das als Kung Fu bezeichnen konnte…“ „Wie hat dein Vater darauf reagiert?“, fragte Shen weiter, immer noch den Rücken ihm zugewandt, sodass der Panda sein Gesicht nicht sehen konnte. „Mm, also, anfangs war er nicht allzu sehr davon begeistert gewesen, aber dann war er ganz fasziniert davon und hat sogar das Restaurant umbenannt ‚Zum Drachen…‘“ „Es wundert mich, dass du die Jahre überlebt hast“, unterbrach Shen seinen Redefluss. „Jetzt ist sie schon 4 Jahre alt und kann noch nicht mal den einfachsten Griff.“ Po fühlte sich ein wenig überrumpelt und benötigte ein paar Sekunden, bis er begriff, was Shen eigentlich wollte. „Du meinst Shenmi? Aber Shen. Nur weil sie jetzt noch kein Kung Fu kann, heißt das doch noch lange nicht, dass sie es nie schaffen würde. Ich hab doch gesagt, ich hab es auch erst spät erlernt, und siehe da… Jetzt bin ich der Drachenkrieger.“ „Sie muss es jetzt lernen“, schmetterte Shen Pos Jubel ab. Ernüchtert faltete Po die Hände zusammen und schabte mit dem Fuß über den Boden. „Vielleicht braucht sie einfach mehr Zeit. Warte mal ab, wenn sie in die Pubertät kommt, dann kann sich sehr viel ändern. Ich meine, sieh mich an. Vor meiner Pubertät hab ich nie Tofu gemocht und heute… meine Güte. Heute würde ich dafür sterben.“ „Sie darf nicht warten. Sie muss es jetzt können.“ Po zog die Augenbrauen zusammen. „Warum willst du sie dazu drängen Kung Fu zu lernen? Vielleicht hat sie nun mal andere Fähigkeiten. Vielleicht liegen ihre Stärken irgendwo anders…“ Plötzlich drehte Shen sich zu ihm um. Sein Gesicht zeugte von wilder Entschlossenheit. „Sie muss es lernen!“ „Wieso?!“ „Damit ihr niemand etwas antun kann, wenn sich jemand an mir rächen will!“ Stille trat ein. Po sah den Pfau erschrocken an. Shen atmete heftig. Seine Augen besaßen zwar ein düsteres Antlitz, welches durch das Licht der Lampen verstärkt wurde. Dennoch war es keine Böswilligkeit, die der Panda da sah, sondern eher Verzweiflung. Traurig sah Po ihn an. „Beschäftigt dich das immer noch?“ Doch Shen wandte sich einfach von ihm ab. „Sie muss das Kämpfen lernen“, murmelte er verbittert. „Sie muss es lernen. Und bis dahin, muss ich für sie da sein.“ Po tippte nervös die Fingerspitzen aneinander. „Na gut, aber du kannst auch nicht ewig um sie herum sei. Ich meine, mein Vater musste sich nicht nur um mich kümmern, sondern auch um das Restaurant. Ganz alleine. Und mir geht es dennoch gut.“ „Hatte er auch so viele Todfeinde um sich gehabt und musste er ständig nach Bluträchern Ausschau halten?“, knurrte der weiße Pfau. Po senkte den Blick. „Nein.“ „Dann erkläre ich das Gespräch für beendet.“ Po wollte gerade wieder den Mund aufmachen, hielt es aber dann für das Beste Shen nicht unnötig zu reizen. Mit gesenkten Schultern machte er kehrt, doch dann holte er nochmal tief Luft. „Ich will zwar nicht behaupten, dass ich mir vorstellen kann, dass es jemanden gäbe der Kung Fu oder sonst eine Kampfsportart nicht so gerne mag, aber du kannst es niemanden aufzwingen. Selbst ich kann es niemanden aufzwingen. Jeder hat seinen Platz in der Welt, und jeder hat seine eigenen Interessen und Fähigkeiten. Denk mal darüber nach.“ Damit entfernte sich der Panda und ließ den Pfau allein. Po lag wach, als er Shen in die Kajüte kommen hörte. Der Panda tat so als würde er schlafen. Er lauschte. Shens Schritte waren langsam und leise. Schweigend beobachtete der Drachenkrieger wie der weiße Herrscher ans Bett trat, wo seine Tochter schlief. Sachte schob er die Decke beiseite und nahm das kleine schlafende Mädchen behutsam in die Arme. „Dir wird nie was passieren“, hörte der Panda ihn leise reden. Po spürte wie sich sein Hals zusammenzog. Wenn er daran dachte, wie sie sich vor Jahren noch feindselig gegenübergestanden hatte. Shens vor Kampfwahnsinn überströmendes Gesicht hatte ihm damals richtige Angst eingejagt. Jetzt war nichts mehr davon zu sehen. Nur einen Vater, der nicht mehr wusste, wie er seine Familie von seinen Taten von damals schützen könnte. Po stiegen vor Rührung die Tränen in die Augen. Er wünschte er könnte etwas tun, doch er wusste einfach nicht was. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)