But sometimes love hurts von Bara-sama ================================================================================ Kapitel 1: ~1~ -------------- Es war an der Zeit, sich vom kalten Wetter zu verabschieden. Man konnte glasklar miterleben, wie die Umgebung in ein neues Leben getaucht wurde, wie die Vögel langsam wieder zurückkehrten und einen jeden Morgen durch ihren melodischen Gesang weckten. Es war eine schöne Zeit, wie ich fand. Schon bald würden wir die Gelegenheit des wärmeren Wetters wieder nutzen können und uns außerhalb treffen, da wir in den letzten, kalten Monaten nie dazu fähig gewesen waren. Wie sehr ich mich schon auf die anderen freute. Es hatte sich nichts zwischen uns allen geändert. Wir waren in einer gewissen Hinsicht noch immer wie kleine Kinder, die es liebten, sich gegenseitig zu ärgern. Genau diese Tatsache zauberte ein Lächeln auf meine Lippen. Ich wischte mir mein schwarzes Haar aus dem Gesicht und drehte mich auf meinem Stuhl herum, um einen Blick durch mein Zimmer schweifen zu lassen. Es hatte sich hier drin so einiges geändert. Und auch wenn es hier nicht mehr wie früher aussah, konnte ich mich dennoch an all die Einzelheiten von damals erinnern. Es kam mir so vor, als wäre es erst gestern gewesen, als Kai und Ruki nebeneinander auf meinem Sofa übernachtet hatten und ich mit Aoi, der wie ein großer Bruder für mich war, mein Bett geteilt hatte. Wie wir ab und an gemeinsam unsere Nächte hier verbracht und gefeiert hatten oder wie ich Reita meine Unschuld geschenkt hatte.. Ah, zu viel Information, das interessierte euch sicher nicht, tut mir leid! Es waren schöne Erinnerungen, die mich meist aufbauten und mir auch klar machten, dass viele weitere Erinnerungen folgen würden, die ich wertschätzen würde. Ich seufzte einmal leise und erhob mich, ging barfuß durch mein Zimmer und verließ es, um hinunter in die Küche zu gehen und nach meiner Mutter zu sehen. Obwohl sie jetzt 39 Jahre alt war, benahm sie sich sehr selten ihrem Alter entsprechend. Sie konnte meist sogar alberner sein als Ruki und Aoi zusammen. Und das musste schon was heißen. Es hatte sich bei ihr also so gesehen nichts geändert, bis auf das Alter eben. Und selbst ihr Aussehen war noch immer so geblieben. Wenn man ihr ins Gesicht sah, dachte man meist, dass man ein junges Mädchen vor Augen hatte. Ich konnte nur allzu gut verstehen, wieso mein Vater sich damals in meine Mutter verliebt hatte. Sie war eine so liebenswerte Person, die einen immer aufzubauen versuchte und einem Mut machte, einfach in jeder Lebenslage für einen da war. Lächelnd betrat ich die Küche und schlich von hinten lautlos auf sie zu. Hatte ich schon erwähnt, dass sie es wahnsinnig toll gefunden hatte, als ich eines Tages aus einer spontanen Laune heraus plötzlich mit schwarzen Haaren nach Hause gekommen war? Sie war nie wirklich Fan meiner blonden Mähne gewesen. Wir sahen uns jetzt noch viel ähnlicher, wie wir auch oft zu hören bekamen, und viele Außenstehende dachten sogar, dass wir Geschwister waren. Und meine Mutter nahm dies natürlich immer als Kompliment. Mir ein Lachen verkneifend, da sie gerade lautstark irgendeinen alten Pop-Song sang und dabei auf ihrer Stelle tanzte, während sie vor dem Herd stand, stellte ich mich dicht hinter sie und schlang dann ohne Vorwarnung meine Arme um ihren Oberkörper, um sie fest an mich zu drücken. Sie quiekte daraufhin erschrocken auf, beruhigte sich aber wieder und ich merkte, wie sie sich in meinen Armen sofort entspannte. „Also wirklich, Schatz.. Wieso erschreckst du mich so?“, fragte sie leise und ich konnte sie lächeln hören. „War nicht meine Absicht, tut mir leid“, redete ich mich raus und drückte ihr von hinten einen Kuss auf die Wange, was sie lächelnd seufzen ließ, und stütze dann mein Kinn auf ihrem Kopf ab, da sie so klein war. „Ich muss später noch einmal zur Arbeit, Papierkram absegnen“, sagte sie, obwohl es nicht nötig war, da ich es ja schon wusste. Sie hatte es mir heute schon mehrmals gesagt. „Ich weiß“, gab ich also von mir und schmiegte mich noch etwas dichter an sie, was sie anscheinend verwirrte. Denn sie drehte sich in meiner engen Umarmung herum und sah fragend zu mir auf. „Stimmt denn etwas nicht?“, fragte sie mit einem Anflug von Besorgnis und lächelte sofort breit, als ich knapp den Kopf schüttelte, ihr eine lange, glänzende Strähne hinters Ohr wischte und schmunzelnd, „Hm, nein, alles bestens. Mir ist gerade nur durch den Kopf gegangen, wie sehr ich dich liebe“, murmelte. Manchmal überkam mich eben das Bedürfnis, meiner Mutter zu sagen und zu zeigen, wie sehr ich sie liebte. War doch wohl nicht verkehrt? Ich bekam von ihr einen Kuss auf die Wange und strich ihr sachte durchs Haar, da sie mich umarmte. Jedoch mussten wir uns aus dieser wärmespendenden Situation lösen, da es plötzlich an der Haustür klopfte. „Machst du bitte auf, Schatz?“, fragte sie mich und wandte sich wieder dem Essen zu. Ich drehte mich gehorsam herum und zog die Hosenbeine meiner Jogginghose dabei leicht hoch, da sie mir etwas zu lang waren und ich nicht stolpern wollte, und trat aus der Küche in den Flur. Ich konnte anhand der Silhouette ausmachen, wer da vor der Haustür stand. Mir grinsend durchs Haar streichend machte ich die Tür auf und sah somit meinem Freund entgegen, der ziemlich fertig wirkte und obendrein einige Ölflecken im Gesicht und auf den Klamotten hatte. „Wie siehst du denn aus?“, fragte ich ihn zur Begrüßung und ließ es nicht zu, dass er mich umarmte, da ich keine Flecken auf meinen Klamotten haben wollte. „Mann, wieso bist du immer so fies?!“, maulte er nur rhetorisch und ging an mir vorbei in den Flur, ohne auf meine Frage zu antworten, grüßte nebenbei meine Mutter, die begeistert zu ihm rüber ging und ihm trotz des schmutzigen Gesichts einen Kuss auf die Wange drückte und ihn fragte, ob er Hunger hatte. Reita zog sich die Schuhe aus und nickte ob dieser Frage hin. Ohne noch etwas anderes zu sagen, ging er einfach die Treppen rauf und ich lächelte stumm vor mich hin, machte dann die Haustür zu und folgte ihm nach oben. „Meine Eltern sind nicht zu Hause und ich habe meinen Schlüssel vergessen“, erklärte er sofort die Situation, als ich mein Zimmer betrat. Er hatte sich im Schneidersitz auf dem Boden niedergelassen, da es auch nicht klug von ihm gewesen wäre, sich auf eines meiner weißen Sofas zu setzen. Immerhin waren seine Klamotten schmutzig. „Oh, armer Akira!“, machte ich sarkastisch und wich ihm sogleich lachend aus, da er sich herumgedreht und schnell nach meinem Bein geschnappt hatte. „Na los, geh dich duschen. Ich lege dir Sachen raus“, bot ich ihm an und kniff lächelnd die Augen zu, da er mir im Vorbeigehen einen Kuss auf die Wange gedrückt hatte. Er verschwand ins angrenzende Bad und ich ging auf meinen Eckschrank zu, um ihm Klamotten rauszusuchen. Da Reita öfter mal bei mir war und umgekehrt, hatten wir Klamotten des jeweils anderen in unseren Schränken liegen, was meist praktisch war. Zwar übernachteten wir nicht mehr so oft bei dem jeweils anderen, wie wir es damals zu Schulzeiten noch getan hatten, aber dennoch sahen wir uns sehr oft. Es sei denn, ich musste auf irgendeine Schulung, wegen meiner Ausbildung. Ich machte eine Ausbildung zum Masseur und Physiotherapeuten, und ehrlich gesagt machte mir die Arbeit sehr viel Spaß. Auch wenn es ab und an ziemlich unangenehm war, wenn ich von älteren Männern und Frauen angeflirtet wurde. Aber insgeheim wünschte ich mir, irgendwann einen eigenen Salon aufzumachen. Ich wollte irgendwann selbstständig sein und ich würde es auch sicher schaffen. Immerhin hatte ich meine Mutter und wunderbare Freunde, die mir beistanden. Und um einen Traum zu verwirklichen, brauchte man ja auch gewissermaßen etwas Hilfe, nicht? Völlig in Gedanken stand ich vor dem offenen Schrank, fasste dann jedoch einen klaren Kopf und kramte Reita einige Sachen raus, um diese auch sogleich ins Bad zu bringen. Ich öffnete leise die Tür und bespitzelte ihn, während er duschte. Die Klamotten legte ich über die Heizung und lehnte mich dann mit vor der Brust verschränkten Armen gegen die Tür, um ihn dabei zu beobachten, wie er sich das ganze Öl und den Schmutz des Arbeitstages wegwusch. Ein Grinsen schlich über meine Lippen, als ich mich daran zurückerinnerte, wie wir damals gerne zusammen geduscht hatten. Jetzt badeten oder duschten wir kaum noch gemeinsam, aber fragt nicht, wieso. Ich wusste es ja selbst nicht. Ich seufzte leise und drehte mich herum, um aus dem Raum zu verschwinden. Er hatte mich nicht einmal bemerkt. Und daraus schloss ich, dass er ziemlich müde war. So war das immer mit ihm. Die Arbeit laugte ihn des Öfteren aus. Ich ging auf die Ecke zu, an der mein neues, rundes Bett stand. Irgendwie wirkte das Bett wie ein Präsentierteller. Das hatte mir zumindest Reita mal gesagt, als er ins Zimmer gekommen war und mich auf dem Bett entdeckt hatte. Ich weiß noch ganz genau, wie hingerissen meine Mutter von dem Bett gewesen war, dass sie sogar die erste Nacht neben mir geschlafen hatte, weil sie wissen wollte, wie es sich anfühlte. Eigentlich war es ja ein ganz normales Bett wie alle anderen, aber das hatte ich ihr dann nicht unter die Nase gerieben, weil sie so aufgeregt gewesen war. Ich wusste ganz genau, dass Reita auf eine Massage bestehen würde. Deshalb schnappte ich mir die Flasche mit dem Massageöl, die neben meinen Kuscheltieren, die ich einfach nicht wegwerfen konnte, stand und setzte mich schon einmal aufs Bett und wartete. Es dauerte noch ein wenig, ehe ich das Rauschen des Wassers in der Dusche nicht mehr vernahm. Ich hatte schon befürchtet, dass er vielleicht im Stehen eingeschlafen war, da man sich bei ihm nie sicher sein konnte. Einige Minuten darauf kam er aus dem Bad, samt tropfenden Haaren und nacktem Oberkörper. Wozu hatte ich ihm überhaupt die Klamotten rausgelegt, also wirklich? Ich wette, er würde sich gleich wieder total bei mir einschleimen, damit ich ihn massierte. Ich hatte meine Ausbildung eigentlich nur wegen und dank ihm angefangen, da er mir damals klargemacht hatte, dass ich fürs Massieren geboren war. Und noch für so einige andere Dinge, die jetzt aber nicht von Belang waren. Ich grinste nur bei seinem Anblick. Tapsend und sich am Nacken kratzend kam er auf mich zu und lächelte dann schief. Bevor er jedoch etwas sagen, geschweige denn tun konnte, klopfte ich neben mich auf die Matratze und sagte, „Na komm her, mein Kleiner!“ Er schob ob dieser Bezeichnung beleidigt die Unterlippe vor, ließ sich aber neben mir nieder und legte sich sofort auf den Bauch. „Du hattest schon damals eigennützige Gedanken was das hier betrifft, nicht wahr?“, vermutete ich scherzend und machte es mir auf seinem Hintern gemütlich. „Hmhm..“, machte er nur gedehnt und brachte mich somit zum Lächeln. Er hatte seinen Kopf auf seine ineinander verschränkten Arme gelegt und die Augen geschlossen. Ich wiederum nahm mir etwas von dem kalten Öl, welches nach Vanille duftete, und verrieb es geübt zwischen meinen Händen, um es zu erwärmen. Und dann folgte der Teil, den sowohl er als auch ich liebte. Ich durfte ihn anfassen. Ich genoss es, während ich jeden Millimeter seiner weichen Haut durchknetete, abtastete und auch abwechselnd streichelte, da ich es mir nicht verkneifen konnte. „Wie war dein Tag heute?“, fragte ich leise, hatte mich zu seinem Ohr vorgebeugt und massierte seine Schultern. „Wie immer.. War anstrengend“, murmelte er und gähnte leise. Ich lächelte nur stumm und richtete mich leicht auf, nur um mich wieder vorzubeugen, ihm mit meiner Nasenspitze das nasse Haar aus dem Nacken zu streichen und ihm einen federleichten Kuss aufzuhauchen, was ihn genießend seufzen ließ. Ich hörte von unten plötzlich meine Mutter rufen. Da ich aber nicht aufstehen und Reita auch nicht unnötig erschrecken wollte, indem ich laut zurückrief, blieb ich einfach still und massierte meinen Schatz weiter, der langsam weg zu dämmern schien. Es wunderte mich nicht wirklich, da es fast immer so ablief, wenn er von der Arbeit sofort zu mir herüberkam. Sachte, so dass er es kaum vernehmen konnte, zeichnete ich mit einem Finger seine ausgeprägte Rückenmuskulatur nach und schmachtete ihn innerlich an. Sein Körper hatte sich unverkennbar geändert, seit er seine Ausbildung zum Mechaniker angefangen hatte. Er war so viel definierter und härter als noch zu Schulzeiten. Und mir gefiel das ungemein. Ich hatte den schönsten Freund auf Erden, kein Zweifel. Mit einem Mal ertönten Schritte auf den Treppen, die näher kamen, und ich wusste, dass meine Mutter gleich klopfen und einfach hereinkommen würde, so wie sie es immer machte, weil Privatsphäre für sie ein Fremdwort war. Und ich behielt Recht. „Schatz, das-“ Sie brach mitten im Satz ab und sah zu uns herüber, lächelte dann jedoch wissend, nickte stumm und schloss die Tür wieder hinter sich. Ich wandte mich wieder meinem schlafenden Freund zu, der angefangen hatte, leise zu schnarchen. Mir war aufgefallen, dass er immer nur dann schnarchte, wenn er richtig erschöpft war. Aber irgendwie war das süß. Ein wenig massierte ich ihn noch, kletterte dann sachte von ihm runter und zog vorsichtig die Bettdecke unter ihm weg, um ihn gleich darauf damit zuzudecken. Immerhin wollte ich nicht, dass er sich erkältete. Ich legte mich neben ihn und betrachtete ihn, während er schlief, spielte dabei mit seinem nassen Haar und entlockte ihm somit ab und an ein Schmatzen. „Du bist so süß..“, murmelte ich und mir war bewusst, dass er wieder herumgestänkert hätte, wenn er wach gewesen wäre. Denn er mochte es nicht, wenn man “süß“ in Zusammenhang mit seinem Namen aussprach. Ich strich ihm das noch immer tropfende Haar aus dem Gesicht und gab ihm einen warmen Kuss auf die Stirn, drängte mich dann seitlich an ihn und schlang einen Arm zwischen seinen verschränkten hindurch. Oh ja, ich war mir sogar sehr sicher, dass ich den schönsten Freund auf Erden hatte. Kapitel 2: ~2~ -------------- „Junger Mann, wenn du nicht endlich aufstehst, zieh ich dich an deinen Beinen aus dem Bett!“ Ich murrte leise und drehte mich in meinem Bett herum. Irgendwie kam es mir so vor, als wäre ich nicht allein in meinem Zimmer. Da war doch noch jemand.. Oder? „Kouyou!“, rief es und ich kniff die Augen fest zusammen und motzte leise, „Seit wann kann mein Wecker reden?!“ Das darauffolgende Schnauben interpretierte ich kurzerhand in meinen Traum, genauso wie ich es vor einer halben Stunde mit dem Klingeln meines Weckers getan hatte, ohne es zu merken. „Ich zähle bis drei!“, ertönte es und ich fragte mich innerlich, ob ich denn nicht wenigstens in meinen Träumen meine Ruhe haben durfte. „Eins-“ Hach Gottchen, mein Bett war so schön weich, da brachte ich es nie übers Herz, aufzustehen. Ich war ein Morgenmuffel und Aufstehen war definitiv die verabscheuungswürdigste Tätigkeit in meinen Augen. „Zwei-“ Konnte dieses Ding denn nicht endlich leise sein? Ich versuchte hier zu schlafen! „Drei!“ Ich gab ein erschrockenes, „Woaaah!“, von mir und gleich darauf folgte ein Schmerzenslaut und ein Rumpeln. Ich war soeben aus meinem Bett gezogen worden. Mit zugekniffenen Augen rieb ich mir den schmerzenden Schädel und öffnete dann blinzelnd die Augen. Oh, das war ja meine Mutter! „Kouyou, hast du eine Ahnung, wie spät es ist?“, motzte sie mit in die Hüften gestemmten Händen und ich gab ein fragendes, „Ähm.. Nein?“, von mir, was sie die Augen zu gefährlich kleinen Schlitzen verengen ließ. „Du gehst ab jetzt um acht ins Bett, Freundchen!“, ordnete sie streng an und ich öffnete entrüstet den Mund und wandte, „Aber Ma!“, ein. „“Aber Ma“ mich nicht an, Kouyou! Keine Widerrede! Jeden verdammten Morgen dasselbe mit dir. Du bist doch kein kleines Kind mehr! Und jetzt, zieh dich an, hopp, hopp. Du kommst zu spät zur Arbeit!“, meckerte sie und war schneller aus meinem Zimmer verschwunden, als ich “Möp“ sagen konnte. Na toll. So fing der Tag ja schon einmal gut an. Ich hatte mich so schnell wie möglich angezogen und fertig gemacht, da ich schon eine ganze Stunde zu spät dran war und nicht noch später erscheinen wollte. Das würde sicher wieder großes Gemecker bei der Arbeit geben, wenn ich erst einmal eingetroffen war. Ich hastete die Treppen hinunter, hatte mein Handy bei dem ganzen Stress oben in meinem Zimmer vergessen, aber daran dachte ich gar nicht. Im Vorbeilaufen schnappte ich mir mein Essen, was meine Mutter für mich liebevoll gemacht hatte und jetzt mit langem Arm aus der Küchentür streckte, damit ich es nicht vergaß. Ich stellte die Bento-Box kurz auf der Kommode im Flur ab und zog mir eilig meine Schuhe und gleich danach meinen dünnen Mantel an. „Bin weg, Ma. Ich werde dann so gegen fünf zu Hause sein!“, verabschiedete ich mich laut von ihr und registrierte mit einem Lächeln, wie sie, „Bis dann, mein Schatz. Ich liebe dich!“, sagte, jedoch, trotzig wie sie war, nicht im Flur erschien. Sie konnte nie lange sauer auf mich sein. Spätestens zum Feierabend hätte sich das gelegt. Ich zog die Haustür hinter mir zu und eilte durch den Vorgarten, der so langsam wieder Grün-Töne annahm. Ich trat die kleine Tür des Vorgartens auf und stolperte auf meinen Hyundai zu, der dieselbe Farbe hatte, wie mein Haar. Ich war stolz auf meinen Wagen, auch wenn er nichts Besonderes war. Ach, was dachte ich hier? Natürlich war mein Hyundai besonders! Reita und ich hatten vor einiger Zeit gemeinsam auf dem Rücksitz dafür gesorgt, dass er besonders wurde. Mit einem dümmlichen Grinsen schloss ich meinen Wagen auf und warf mich auf den Sitz. Das Anschnallen vergaß ich trotz allem Stress nicht. Also schnallte ich mich an, nachdem ich mein Essen auf den Beifahrersitz gestellt hatte, und startete den Motor. Dass mir meine Mutter aus dem Küchenfenster kopfschüttelnd und mit einem Lächeln hinterher sah, bemerkte ich dabei nicht. Es dauerte eigentlich nur ungefähr 25 Minuten mit dem Auto bis zu meinem Ziel. Doch zu meinem Pech hatte sich der Verkehr heute gegen mich gestellt. War anscheinend nicht mein Glückstag heute. Also kam ich mit insgesamt zweieinhalb Stunden Verspätung bei meinem Arbeitsplatz an. Au weh, das war wirklich nicht gut. Das würde mich ganz viel Ärger kosten. Ich parkte in einem der für die Angestellten vorgesehenen Parkplätze hinter dem kleinen Gebäude und lief so schnell ich konnte durch die Hintertür in die so genannte Praxis. Die meisten Leute kamen hierher zu uns, weil sie gesundheitliche Probleme hatten und von ihren Ärzten dazu aufgefordert wurden. Viele andere jedoch waren einfach nur hier, weil sie es sich gut gehen lassen wollten. Ich eilte den langen, beleuchteten Flur entlang und stieß die Tür zu den Angestelltenräumen auf. Und sofort sprang mich Hotaru an und grinste, was ich förmlich fühlen konnte. Eine hübsche, 1,58m große Frau mit braun-blonden Haaren, großen, rehbraunen Kulleraugen und einer überaus nervtötenden Art, wie sie nicht jeder besaß. Außer ihr war keiner im Raum anwesend. „Hach ja, Kouyou. Schön, dass du auch mal vorbeischaust. Hat unser Prinzesschen auf der Erbse wieder verschlafen?“, quäkte sie laut in mein Ohr, was mich dazu brachte, erst aufzuzucken und sie dann murrend von mir zu drücken. „Du hast Glück!“, sprach sie mit einem breiten Lächeln und ich hätte beinahe zynisch aufgelacht. Oh ja, sicher. Hatte ich schon seit heute Morgen. „Wieso?“, murrte ich leise und stellte die Bento-Box weg, zog mir dann die Jacke aus und mein Gesicht erhellte sich sofort hoffnungsvoll, als meine Arbeitskollegin feixend, „Ono-san ist noch nicht da. Auftrag außerhalb der Praxis. Sie wird erst später kommen“, sprach und dabei mit den fein gezupften Brauen wippte. Oh, ok, das verhieß nichts Gutes. „Was genau verlangst du von mir?“, fragte ich kleinlaut, da ich wusste, dass sie wieder irgendwelche Anforderungen hatte, wenn sie mich schon decken sollte. Und ich wollte wirklich nicht, dass Ono-san erfuhr, dass ich wieder zu spät gewesen war. „Hmm..“, machte sie gespielt und tippte sich nachdenklich mit dem Zeigefinger auf die volle Unterlippe, was mich innerlich aufregte. „Jetzt sag halt!“, maulte ich und zog eine Grimasse, als sie, „Ich will eine Gratis-Massage von dir!“, ausrief und mich dabei mit glitzernden Augen ansah. Na, wenn das alles war. „Und gleich kommt jemand, den du übernehmen musst. Hat speziell nach dir verlangt“, sprach Hotaru neben mir, während ich nur zuhörte. Sowas kam öfter vor, da ich mir unter unseren Patienten und Kunden einen Namen gemacht hatte, was mich doch sehr stolz stimmte. Wir gingen gemeinsam den Flur zur Empfangstheke entlang, dessen Wände verspiegelt und hell beleuchtet waren, und ich ließ mir von ihr die heutigen Aufgaben geben. Meine Arbeitskleidung, die aus einer weißen Hose, weißen Schuhen und einem weißen, kurzärmeligen Hemd bestand, hatte ich schon an. Ich nickte immer wieder nur und drehte mich zum Gehen herum, als sie, „Nimm Raum fünf!“, sagte und dann eine schnelle, scheuchende Handbewegung machte. Ich knurrte sie nur ob dieser Geste an, was sie grinsen ließ, und ging in den gewünschten Raum, um diesen für meinen nächsten Termin herzurichten. Leider war es immer so, dass ich schnell dösig wurde, wenn ich arbeitete. Das kam aber auch nur von all den Aromen und der abgedunkelten und rauchigen Atmosphäre, die hier jedes Mal herrschte. Von der beruhigenden Musik im Hintergrund ganz zu schweigen. Nachdem ich mir gründlich die Hände gewaschen hatte, suchte ich mir einige Öle vom Regal heraus und stellte sie vor mir auf den kleinen Tisch, der neben dem Massagetisch stand. Es vergingen nicht einmal fünf Minuten und schon ging die Tür auf und ich drehte mich sofort mit einem breiten Lächeln auf den Lippen herum, um die Person zu grüßen, als mir jedoch alles aus dem Gesicht fiel. „Aoi?!“, krächzte ich überrumpelt, woraufhin dieser lachend die Hand hob, die Tür hinter sich zumachte und auf mich zukam. „Na, Hübscher? Überrascht, mich zu sehen?“, fragte er mit seinem smarten Grinsen, was mich sofort wieder lächeln ließ. Sobald er vor mir stand, zog ich ihn in eine innige Umarmung, die er leise seufzend erwiderte. „Find ich schön, dich mal wieder zu sehen..“, wisperte ich und zog lächelnd eine Schnute, als er sich von mir löste und mir in die Wange kniff. „Geht mir genauso, Großer“, erwiderte er und legte den Kopf lächelnd schief, als ich ihn fragte, was er hier eigentlich machte. Immerhin war noch nie einer meiner Freunde hier erschienen, bis auf Reita. „Ach, weißt du, Totchi hat wieder seine Tage und hat mich aus dem Appartement geschmissen. Er hat gesagt, ich soll erst in drei Stunden wiederkommen. Vorher will er mich nicht sehen“, redete Aoi und ließ geknickt den Kopf hängen. „Oh, armer Aoi. Und da dachtest du dir, dass du deinem Kumpel aus alten Schulzeiten schnell einen Besuch abstatten kannst, ja?“, redete ich lächelnd und tätschelte seine Schulter, doch kräuselte ich sofort die Nase und zog meine Hand beleidigt wieder zurück, als er den Kopf schnell hob und, „Öööy, ich bin doch nicht nur hier, um dir einen Besuch abzustatten. Ich hab‘ dafür bezahlt, von dir verwöhnt zu werden, also bitte ich jetzt darum. An die Arbeit, du faules Stück!“, nörgelte. „Du bist ein Arsch, ehrlich!“, motzte ich und drehte ihm den Rücken zu, um beleidigt an der Verschlussklappe der Handcreme zu spielen, die vor mir stand. „Da hinten ist die Kabine. Auf dem kleinen Regal findest du Handtücher. Zieh dich aus und komm wieder her!“, befahl ich und musste auflachen, als er feixend, „Willst du mir dabei zusehen, wenn ich mich nackig mache?“, fragte und dabei immer wieder mit dem Zeigefinger zwischen meine Schulterblätter piekte. „Nein, danke. Ich verzichte liebend gern auf dieses Angebot!“, wandte ich grinsend ein und schob ihn von mir Richtung Tür, die in die kleine, angrenzende Umkleidekabine führte. Sobald Aoi wiederkam, mit nichts weiter als einem großen Handtuch um die Hüfte gebunden, streckte er die Arme von sich und drehte sich einmal im Kreis, was mich zum Kopfschütteln antrieb. „Bin ich nicht ein Adonis? Los, gib es zu, ich bin einer, nicht wahr?“, säuselte er und fuhr sich mit den Fingerspitzen aufreizend über die gut sichtbaren Bauchmuskeln, jedoch brachte mich seine Aktion nur dazu, wie blöd zu lachen. “Du spinnst ja total. Jetzt komm her, du Adonis. Du bist nicht der Einzige, den ich heute noch massieren muss“, presste ich nach Luft ringend aus mir und klopfte auf den Massagetisch, auf dem er es sich sogleich breit grinsend gemütlich machte. Dass ich damals zu Schulzeiten, bevor Reita und ich zusammengekommen waren, tatsächlich wirklich kurz mit meinem Verlangen nach Aoi gekämpft hatte, hatte ich dem Älteren nie verraten. Es waren für mich sehr verwirrende Zeiten gewesen, da ich mich bis dato nie wirklich mit meiner Sexualität auseinandergesetzt und dementsprechend nicht gewusst hatte, was ich eigentlich gewollt hatte. Mir war damals nie bewusst gewesen, dass ich schwul war. Ich konnte diesen ausschlaggebenden Tag noch immer beinahe bildlich vor meinem inneren Auge sehen, wie der Ältere halbnackt in meinem Bett gelegen hatte, einen Arm fest um mich geschlungen, mich dicht an seinen Körper gezogen und selenruhig schlafend. Mann, waren das wilde Zeiten gewesen. Es war schön, Aoi bei mir zu haben. Irgendwie fühlte ich mich immer in der Zeit zurückversetzt, wenn er anwesend war. Doch nicht nur bei ihm hatte ich das Gefühl, das galt auch für die anderen. Aber besonders Aoi rief dieses Gefühl in mir hervor. Während er leise und abwechselnd stöhnte und seufzte, suchte ich all die Verspannungen, die er hatte, um diese zu lösen, und dachte nebenbei daran, wie wir uns kennen gelernt hatten. Es war eine eigentlich nicht so erfreuliche Situation gewesen. Jedoch konnte ich nur lächeln, wenn ich daran zurückdachte, wie er gemeinsam mit Ruki aus der Klokabine gestolpert und Reita für mich verscheucht hatte, da mir dieser an den Kragen gegangen war. Ja, unsere Schulzeit war eben verwirrend gewesen. Als ich mein Gewicht auf meine Arme verlagerte und somit fest mit beiden Händen, die ich zu Fäusten geballt hatte, gegen einen Punkt unter seinem linken Schulterblatt drückte, unterdrückte er ein gequältes Aufstöhnen. „Musste das sein?“, fragte er mit weinerlicher Stimme und ergab sich murmelnd, als ich, „Ja, musste es. Du bist total verspannt, was treibst du eigentlich?“, fragte. Jedoch bekam ich keine Antwort, was mich aber nicht weiter störte. Nach etlichen Minuten des Durchknetens seufzte Aoi plötzlich, „Ich wäre dir echt dankbar, wenn du das Toshiya auch beibringen könntest..“, und ich lachte, während ich beide Daumen links und rechts von seiner Wirbelsäule hinab streichen ließ und dabei leichten Druck ausübte. „So schwer ist das gar nicht“, sagte ich gedankenversunken und schlug im nächsten Moment hart mit meiner flachen Hand auf seinen blanken Rücken, da er giggelnd, „Reita hat’s verdammt gut. Sicher ist so eine Massage nach dem Sex göttlich!“, gesagt hatte und jetzt leise jaulte. „Als hätte ich danach nichts Besseres zu tun!“, meckerte ich, lächelte aber innerlich. Es war bei der Arbeit ziemlich gut gelaufen, trotz des misslungenen Starts, den ich hingelegt hatte. Meine Kunden waren zufrieden gewesen, Ono-san ebenfalls, und ich konnte jetzt guten Gewissens Feierabend machen. Ich verabschiedete mich von den anderen im Aufenthaltsraum und rollte, bevor ich die Tür hinter mir zuzog, mit den Augen, da Hotaru gezwinkert und, „Vergiss unsere Abmachung nicht!“, geflötet hatte. Von wegen Abmachung! Wir hatten gar nichts abgemacht. Gähnend ging ich zu meinem Wagen rüber und schloss auf, um mich sogleich hinters Steuer zu setzen und den Motor aufbrummen zu lassen. Ich schob kurz meine Hand in meine Manteltasche, doch als ich die Leere fühlte, riss ich die Augen weiter auf und griff entsetzt in die andere Tasche hinein. Als ich dort ebenfalls nichts zu spüren bekam, geriet ich in Panik. Hatte ich mein Handy vielleicht im Aufenthaltsraum gelassen? Das konnte aber eigentlich gar nicht sein, denn ich nahm mein Handy so gut wie nie aus meiner Manteltasche, wenn ich auf der Arbeit war. Dann vielleicht.. Ah, ok. Ich hatte es zu Hause vergessen. Irgendwie war ich ziemlich vergesslich geworden. Über mich selbst den Kopf schüttelnd fuhr ich aus dem Parkplatz und war erleichtert, dass der Verkehr im Vergleich zu heute Morgen nicht mehr so schlimm war. Viertel nach fünf war ich endlich zu Hause angekommen. Erleichtert stieg ich aus dem Wagen, schloss ab und hetzte dann auf die Haustür zu, die sogleich vor meiner Nase aufgerissen wurde, sodass ich meiner Mutter unbeholfen um den Hals fiel. „Irgendwann brichst du dir noch was!“, scherzte sie lachend und ließ mich herein, wo mich schon der wohlige Duft von Essen empfing. Sie nahm mir meinen Mantel und die leere Bento-Box ab, und ich schleuderte meine Schuhe in irgendeine Ecke, um schnell in die Küche zu laufen. „Hey, nicht so schnell!“, rief sie, nachdem sie meine Schuhe schnaubend aufgesammelt und im Schuhschrank verstaut hatte, und drängte mich jetzt vom Herd weg. „Ich glaub, es hackt! Geh dir erst einmal die Hände waschen. Ich tue dir schon was auf einen Teller!“, versicherte sie und meinte noch, „Toshiya hat heute angerufen. Anscheinend hast du dein Handy oben liegen gelassen, hm?“, und ich entschied, ihn nach dem Essen anzurufen. Jetzt wollte ich erst mal meinen Magen füllen. Ich ging schnell rüber ins Gästebad, um mir dort die Hände zu waschen. Und auf dem Weg zurück in die Küche klopfte es plötzlich an der Haustür, was mich unwillig brummen ließ. Verdammt, ich wollte endlich etwas essen. Mein Magen verdaute sich schon förmlich von selbst! Ja, ich weiß, ich war dramatisch. Ich stampfte auf die Tür zu und riss diese auf, um mich sogleich bockig umzudrehen und endlich in die Küche zu gehen. „Kriegt man hier nicht einmal mehr ein “Hallo“ zu hören oder was?“, beschwerte sich Reita, nachdem er ebenfalls in die Küche getreten war, und schnalzte grimmig mit der Zunge, als ich emotionslos, „Hallo!“, sagte, ohne ihn anzusehen, und mich sogleich über das köstliche Essen meiner Mutter hermachte. Meine Mutter hingegen lachte nur kopfschüttelnd und umarmte Reita zur Besänftigung, der sich beleidigt bei ihr beschwerte, dass ihr Sohn so fies zu ihm war. Ich hob nur eine Braue, während ich meine Nudeln schlürfte, und sah ihn dabei abschätzend an. Der Blick von ihm rief eine Gänsehaut bei mir hervor. Ich wusste, dass ich das sicher noch zurückkriegen würde. Auf eine angenehme Art und Weise natürlich. Die beiden setzten sich mit an den Tisch und aßen ebenfalls. Während sie sich leise miteinander unterhielten, hörte ich nur mit einem Ohr zu und genoss nebenbei meine Mahlzeit in vollen Zügen. Gott, ich könnte essen, bis ich es wieder auswürgen müsste. „Wenn deine Mutter nichts zu tun hat, komm ich mal wieder vorbei“, sagte meine Mutter jetzt, während Reita die Teller in die Spülmaschine räumte. „Ach was, sie wird schon nichts dagegen haben. Für dich nimmt sie sich immer gern die Zeit. Komm einfach rüber, wenn dir der Sinn danach steht“, lächelte Reita sie an, was sie hingerissen aufseufzen und ihn in die Wange kneifen ließ. Es machte mich glücklich zu sehen, wie sehr meine Mutter Reita mochte. Ich war derweil schon vorgegangen und beschleunigte meine Schritte, als ich hörte, wie Reita mir die Treppen hinauffolgte. „Bleib stehen!“, sagte er hart, doch ich rannte hastig in mein Zimmer und lehnte mich von innen lachend gegen die Tür, um ihn zu ärgern. Für einige Sekunden passierte nichts, sodass ich neugierig wurde und die Tür einen Spalt breit aufmachte, um hinaus zu lugen. Dies sah Reita als Gelegenheit und schlug die Tür komplett auf, woraufhin ich rückwärts zurücktaumelte und mich noch gerade so gegen die Rückseite des Sofas lehnen konnte, um nicht hinzufallen. Der Kleinere knallte die Tür hinter sich zu, nachdem er eingetreten war, und sprang mich schon fast an, was mir ein heiteres Lachen entlockte. Jedoch brachte er mich schnell zum Verstummen, indem er seine weichen Lippen ungestüm auf meine presste. Hingerissen von seiner Nähe und seinem Kuss ließ ich mich gegen ihn sinken und hielt mich an seinen Oberarmen fest, um nicht umzufallen. Er drehte sich herum, ohne von mir abzulassen, und drückte mich mit leichter Gewalt gegen die Tür in meinem Rücken, um mich nun heftiger zu küssen, was ich mit einem leisen Stöhnen quittierte. Als er jedoch eine freie Hand mit etwas Nachdruck um meinen Hals schloss und die andere vorwitzig unter mein Oberteil schob, während er mit seiner feuchten Zunge meine eigene zurückdrängte, hob ich ein Bein zwischen unsere Körper und drückte ihn somit ein wenig von mir, sodass wir auch den Kuss unterbrechen mussten. Aus halbgeöffneten Augen sah er mich wie in Trance an, leckte sich leicht über die glänzenden Lippen und wisperte dann nahe an meiner Wange, „Ich musste heute bei der Arbeit die ganze Zeit an dich denken“ Ich genoss die Wirkung, die sein Satz auf mich hatte, und blinzelte dann kokett, ehe ich, „Ich aber nicht an dich“, säuselte und ein gemeines Grinsen zeigte, als er beinahe enttäuscht aufseufzte und komplett von mir abließ. Er ging um das Sofa herum und ließ sich wie ein Sandsack darauf fallen, und ich stand noch immer an der Tür gelehnt herum. „Totchi hat mich heute angerufen“, teilte er mir mit und erinnerte mich somit daran, dass ich mich ja noch bei diesem melden wollte. „Ach, dich auch? Und was wollte er?“, fragte ich und ging auf meinen Schreibtisch zu, um mein Handy in die Hand zu nehmen und es zu entsperren. „Keine Ahnung!“, zuckte Reita nur mit den Schultern und sah mich gelangweilt an, als ich mich zu ihm herumdrehte. „Dann werde ich jetzt mal zurückrufen“, überlegte ich leise und schritt auf Reita zu, als er, „Komm her“, sagte und mit seiner Hand neben sich auf das weiße Leder klopfte. Sobald ich neben ihm saß, zog er mich in seine Arme und lehnte sich zurück. Ich streckte indessen meine Beine auf der großen Sitzfläche aus und kuschelte mich weiter in seine Arme, ließ mich von ihm hinterm Ohr kraulen und wählte dabei Toshiyas Nummer. „Du bist manchmal echt fies, weißt du das?“, fragte er leise, während er einige meiner Haarsträhnen um seinen Zeigefinger wickelte und mich dabei verträumt ansah. „Weiß ich. Aber es macht mir eben Spaß, dich zu ärgern“, gestand ich mit einem schiefen Lächeln und hielt mir zeitgleich das Handy ans Ohr. Reita grinste nur kopfschüttelnd und beugte sich erstaunlich tief zu mir runter, um mir einen Kuss auf die Stirn zu geben. Und gerade in dem Moment, in dem Toshiya auf der anderen Seite abnahm und ein fröhliches, „Hallo!“, in den Hörer rief, platzte, „Weißt du, so tief, wie du dich vorbeugen kannst, kannst du dir sicher selbst einen blasen!“, aus mir, was Reita schadenfreudig herumgackern ließ. Mir wiederum stieg die Schamesröte ins Gesicht und ich entschuldigte mich mehrmals peinlich berührt bei Toshiya, der nur, „Wie bitte?!“, gebrüllt hatte und jetzt total herum zickte. Nachdem ich ihm hundertmal versichert hatte, dass ich wirklich nicht ihn gemeint, sondern mit Reita geredet hatte, reagierte er sich ab, und ich boxte sauer in Reitas Bauch, was auch diesen endlich ächzend verstummen ließ. „Ich will echt nicht wissen, was ihr da anstellt, während du telefonierst!“, meinte er abgeneigt und ich entschuldigte mich noch einmal kleinlaut, ehe ich ihn fragte, wie es ihm ging. „Och, ganz gut würde ich meinen. Und dir?“, fragte er und ich teilte ihm mit, dass es mir blendend ging. “Meine Ma hat mir erzählt, dass du heute angerufen hast“, sagte ich und gab einen zustimmenden Laut von mir, als er, „Ja, habe ich. Dein Handy war aus. Und da dachte ich mir, sag ich eben deiner Mutter Bescheid, damit du mich später zurückrufst“, erklärte und zu erzählen begann, als ich wissen wollte, worum es ging. „Weißt du, ich habe mir überlegt, jetzt, wo das Wetter wieder so schön wird, könnten wir ja zusammen was unternehmen. Und außerdem wollte ich euch alle morgen zu uns einladen!“, sprach er und klang wieder gut gelaunt, was mich innerlich beruhigte. Die Idee fand ich sehr gut und auch nahm ich seine Einladung sofort an. „Wir kommen sehr gerne“, lächelte ich, war schon voller Vorfreude, doch verdüsterte sich meine Miene sofort, als Reita leise und dreckig grinsend, „Dass du gerne kommst, wissen wir inzwischen alle“, säuselte und lachend zusammenzuckte, als ich in sein Seitenspeck kniff. „Na gut, ihr beiden. Ich muss mich jetzt ums Essen kümmern. Morgen so gegen sechs?“, brachte er unser Telefongespräch zu Ende und ich stimmte zu und wünschte ihm lachend gutes Gelingen beim Kochen, was er mit einem trockenen, „Ha, ha!“, kommentierte. Sobald ich aufgelegt hatte, hatte ich Reitas Lippen auf meinen. Ich ließ mein Handy rücksichtslos neben mich fallen, schlang meine Arme fest um seinen Hals und ließ mich von ihm hochziehen, sodass ich mich gemütlich auf seinen Schoß setzen konnte. „Weißt du was?“, flüsterte er zwischen zwei Küssen und ich schüttelte den Kopf, um auch sogleich wieder an seiner Unterlippe zu nippen. „Ich schlafe heute hier“, hauchte er grinsend, was mir ebenfalls ein Grinsen entlockte, und drückte mich fest an sich, um sein Gesicht in meiner Halsbeuge zu vergraben. Anscheinend würden wir heute Nacht wieder so einiges nachholen.. Kapitel 3: ~3~ -------------- Ich hatte meinen Wecker vor dem Schlafengehen auf sieben Uhr gestellt, weil Reita früher raus musste als ich. Und da ich wusste, dass er nicht freiwillig aufstehen würde, wachte ich selbst auf, um ihn gemeinsam mit dem Wecker wach zu kriegen. Meine Digitaluhr von damals, die Reita aus Versehen kaputt gemacht hatte, hatte ich schon längst durch eines dieser ratternden Mistteile ersetzt, wofür ich mich manchmal verfluchte. Als mein Wecker zu klingeln begann, schnappte ich ihn mir gähnend und hielt ihn dicht an Reitas Ohr, doch der zuckte nicht einmal mit der Wimper. Wie konnte man nur so tief schlafen?! Na gut, und das von mir. Selig schlummerte er weiter und kuschelte sich tiefer unter die wärmespendende Bettdecke. Ich seufzte leise. So war das doch immer, wenn er hier schlief und am nächsten Tag früh raus musste. Ich brachte den Wecker zum Verstummen und stellte ihn zurück auf meine runde Nachtkonsole. Gleich darauf zog ich die Bettdecke von Reitas Körper, was ihm ein unwilliges Murren entlockte. „Kalt..“, murmelte er und ich kniff ihm fest in die entblößte Pobacke, woraufhin er einen Schmerzenslaut von sich gab. „Rei, steh auf!“, forderte ich laut und schlug ihm dabei sachte immer wieder auf den nackten Hintern, merkte belustigt, wie die blasse Haut schon bald rosa leuchtete. Doch selbst da kam keine wirkliche Reaktion. Er verzog nur immer wieder leicht das Gesicht und drehte sich letztendlich auf den Rücken, um weiterzuschlafen. Ungefähr fünf Minuten lang zwickte und boxte ich ihm in jeden erdenklichen Körperteil und irgendwann reichte es auch mir. Warum war er morgens immer so bockig? Konnte er mir die Arbeit nicht ersparen und einfach aufstehen? Ah, so fühlte sich meine Mutter also. Sauer erhob ich mich und machte Gebrauch von der unkonventionellen Weckmethode meiner Mutter. Ich warnte ihn vor, dass ich ihn aus dem Bett ziehen würde, doch er nuschelte nur schlaftrunken, “Mach doch“, und kratzte sich unberührt im Schritt, was mich mit den Augen rollen ließ. Er dachte wahrscheinlich, dass ich es nicht ernst meinte. Ich knackte laut mit den Fingern. Bei drei zog ich ihn mit einem Ruck an den Beinen aus dem Bett und hüpfte schnell zur Seite, als er sofort hellwach wurde und keifend nach meinen Beinen zu schnappen versuchte. „Schrei hier nicht herum! Meine Ma schläft sicher noch, du Blödmann!“, meckerte ich gedämpft und sprang wieder auf mein Bett, um mich zuzudecken. Immerhin war mir kalt, da ich nichts anhatte und es im Zimmer etwas kühl war. „Geht’s dir eigentlich noch gut, mich einfach so aus dem Bett zu ziehen? Du hast wohl die Pfanne heiß, mein Freund!“, zeterte er, setzte sich ebenfalls aufs Bett und krallte sich in meine nackten Waden, da ich versucht hatte, ihn wieder runter zu treten. „Auauau, lass loooos!“, winselte ich leise und versuchte, um mich zu treten, doch Reita setzte zum Sprung an und schmiss mich um, um mich auch sogleich außer Gefecht zu setzen. Er hielt meine Hände über meinem Kopf fest und presste seinen Körper so fest auf meinen, dass mir die Luft förmlich aus der Lunge gequetscht wurde. Röchelnd versuchte ich zu atmen und ihn von mir runter zu drücken, doch der Ältere grinste nur süffisant und beugte sich vor, um mir in die Wange zu beißen. „Aua!“, rief ich und drehte schnell mein Gesicht zur Seite, als er versuchte, mich zu küssen. „Geh von mir runter, du Fettsack. Du musst zur Arbeit!“, schimpfte ich und zog eine Grimasse, als er trotzig, „Ich will da aber nicht hin. Die belästigen mich!“, maulte und seine Wange unwillig an meine schmiegte, um ein wenig Mitleid zu erringen. Ich entgegnete daraufhin aber nur wie immer, „Wer würde dich schon belästigen? Guck dich doch mal an!“, und er zeigte dieselbe Reaktion wie jedes Mal. Er schob die Unterlippe vor und zog die Brauen dicht zusammen, blies zudem noch die Wangen auf und sah somit aus wie ein Hamster. Es machte mir jedes Mal Spaß, ihn zu ärgern. Aber er wusste ganz genau, dass ich es nie so meinte, und genau das war das Gute an der Sache. Ich brauchte somit also keine Angst haben, dass er etwas falsch verstand und mich wahrscheinlich links liegen ließ, was er sowieso nie tun würde, so wie Toshiya es gerne mal mit Aoi machte. Durch diesen Gedanken musste ich leicht grinsen, was Reita wiederum verwirrte. „Was? Was grinst du so doof?“, fragte er verpeilt und hob eine Braue. Doch ich schüttelte nur den Kopf und spreizte meine Beine unter ihm, um diese sogleich um seinen Rücken zu schlingen und ihn somit fester an mich zu drücken. Er gab nur ein gesäuseltes, „Uuuhh!“, von sich, was mich kichern ließ. „Mir fällt gerade auf, dass..“, fing er leise an und bewegte sein Becken nebenbei leicht gegen meines, was mich zum Schnurren brachte. Ich schloss genießend die Augen und dachte dabei an vergangene Nacht. Es war alles einfach nur herrlich gewesen. Meiner Meinung nach hatten wir einfach nicht genug Sex! „Wir noch nie Guten-Morgen-Sex hatten!“, beendete er, woraufhin ich die Augen wieder aufmachte und ihn somit schief grinsen sah. „Du kommst doch morgens nie in die Pötte, also brauchst du auch gar nicht erst an so etwas denken!“, machte ich seine Fantasien zunichte und nahm sein Gesicht in meine Hände, um ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen zu drücken und ihn dann von mir runter zu schieben. Sein missfallenes Seufzen entging mir keinesfalls. „Zieh dich endlich an, du kleiner Perverser“, befahl ich und zog die Bettdecke erneut über mich, um ihm im Liegen beim Anziehen zuzugucken. Ich brauchte noch nicht aufstehen, da ich ja später losmusste. Der Blonde ging beleidigt rüber ins Bad und kam die nächsten fünfzehn Minuten nicht raus. Ich hatte so das Gefühl, dass er heute mal wieder zu spät kommen würde. Ich hatte den Blonden an der Tür verabschiedet, aber nicht, ehe ich ihm noch etwas zu essen gemacht hatte. So langsam musste auch ich mich ranhalten, denn immerhin wollte ich heute endlich mal pünktlich sein. Vielleicht sollte ich doch früher schlafen gehen. Aber diesmal war es Reitas Schuld gewesen, dass wir erst so spät schlafen gegangen waren! Ich hechtete schnell die Treppe hoch und prallte im Flur mit meiner Mutter zusammen, die anscheinend gerade in die Küche wollte. „Ach, der werte Herr ist schon wach?“, stichelte sie und piekte mir im Vorbeigehen mit dem Finger in die Seite, was mich fiepen ließ. Ich streckte hinter ihrem Rücken nur die Zunge heraus und betrat dann mein Zimmer, um auch sofort ins Bad zu gehen und mich zu duschen. Aufs Schminken verzichtete ich komplett. Das würde ich dann machen, wenn wir später zu Aoi und Toshiya fahren würden. Ich brauchte zehn Minuten im Bad. Als ich wieder draußen war, zog ich mir schnell irgendwelche Klamotten an, bemerkte dann aber erst unten in der Küche, dass ich Reitas Weste trug. Stören tat es mich aber nicht, also behielt ich sie an, da sie so schön warm war und nach ihm roch. „Ich fahre heute Aoi und Totchi besuchen“, informierte ich meine Mutter, während ich nebenbei im Kühlschrank nach dem Multivitaminsaft suchte. „Das ist schön!“, wandte sie abwesend ein und schmierte mir nebenbei meine Brote. „Ma, wo ist der Saft?“, fragte ich verwirrt, während ich noch immer halb im Kühlschrank hing, und seufzte auf, als sie, „Den hast du doch gestern leer getrunken“, verkündete und mich mit schief gelegtem Kopf ansah, als ich wieder aus dem Kühlschrank gekrochen kam. „Dann sollten wir heute Einkaufen fahren“, überlegte ich laut und nickte dankend, als sie sagte, dass sie das später mit Reitas Mutter übernehmen würde. Da heute Freitag war, hatte ich bei der Arbeit etwas mehr zu tun als sonst. Hotaru half mir aber bei allem, wofür ich ihr dankbar war. Und dafür, dass sie für mich immer wieder ein gutes Wort bei Ono-san einlegte, bekam sie in der Mittagspause auch ihre wohlverdiente Massage von mir. Ich zog im Aufenthaltsraum einen weiteren Stuhl heran und setzte mich dicht hinter sie, um mich an ihren Schultern zu vergreifen. Ich merkte wie sie die Massage genoss. Munter redete ich mit ihr, doch sie wandte nichts ein. Irgendwie war sie weggetreten. „Hotaru, pennst du?“, fragte ich und musste lachen, weil sie zusammenhanglos, „Oh verdammt, das ist so gut..“, säuselte und dabei ihren Kopf nach vorne hängen ließ. Beinahe die komplette Mittagspause ging dafür drauf, und so musste ich gehetzt meine Brote runterwürgen, wenn ich nicht hungrig weiterarbeiten wollte. Hotaru grinste nur schadenfreudig und fasste sich mit einem genießerischen Gesichtsausdruck an die eigene Schulter, ehe sie den Aufenthaltsraum verließ. Ich folgte ihr einige Minuten später und wurde von meiner Chefin angewiesen, mich um eine ältere Frau zu kümmern, da diese anscheinend irgendein Problem mit dem Rücken hatte und ich gut mit so etwas auskam. Ja, ich war halt der Beste! „Die Dame liegt bereits im Raum Nummer drei, Takashima-san“, berichtete mir Ono-san, ehe sie sich zur Empfangstheke begab. Ich nickte nur und wollte mich gerade herumdrehen, als ich stehen blieb und Hotaru einen vernichtenden Blick zuschickte, da sie, „Na los, Kouyou. Mach sie so richtig glücklich!“, geträllert hatte und mich breit angrinste. „Ich mach dich gleich mal glücklich!“, meckerte ich gedämpft und hob die Hände resigniert gen Decke, als sie mit großen Augen und hoffnungsvoll, „Jetzt echt?“, fragte und mich mit klimpernden Wimpern anblinzelte. Sie versuchte es auch jedes Mal. Ich mochte Freitage, obwohl ich da immer mehr als sonst zu tun hatte. Das Gute daran war, dass ich dann immer etwas früher Schluss hatte. Ich erledigte also alles, was zu tun war, und machte mich gegen Viertel nach vier auf den Weg nach Hause. „Kouyou, ich habe deinen Lieblingssaft nirgendwo gefunden“, meinte meine Mutter entschuldigend, nachdem sie mich hereingelassen hatte. Ich hatte mir soeben meine Schuhe und meine Jacke ausgezogen und hatte meinen Schlüsselbund an einen der Haken hinter der Haustür gehängt. Mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck sah ich meine Mutter an, sagte dann aber, dass es nicht so schlimm war. Jetzt wollte ich mich erst einmal fertig machen, denn immerhin war ich zu Aoi und Toshiya eingeladen. Ich eilte die Treppe hinauf, um mich umzuziehen und zu schminken. Seit neuestem übertrieb ich es, wenn es um mein Augen Make-up ging. Aber irgendwie gefiel mir dieses ganze Schwarz. Auch meine Klamotten waren überwiegend schwarz, aber was soll’s. Mir gefiel es eben. Sobald ich fertig war, ging ich zurück in die Küche, um schnell etwas zu essen. „Mein Sohn ist ein Grufti.. Wann hören diese Phasen endlich auf?“, hörte ich meine Mutter murmeln, und ich wollte gerade protestieren, als sie mir plötzlich ein Glas mit Multivitaminsaft vor die Nase hielt. „Hä?! Aber ich dachte, du hast keinen gefunden!“, merkte ich verwundert an, schnappte mir das Glas aber, um einige Schlucke daraus zu nehmen. Lecker! „Nein, ich wollte dich nur veräppeln“, sprach sie unberührt und lief lachend aus der Küche, als ich von meinem Stuhl sprang, um ihr hinterher zu hasten. Sobald ich fertig gegessen hatte, eilte ich noch einmal hoch, um mir in meinem Badezimmer die Zähne zu putzen, und verabschiedete mich danach von meiner Mutter. Gegen halb sechs verließ ich das Haus und ging zu Fuß zu Reita. Immerhin brauchte ich ja nicht mehr als fünf Minuten dort hin. Wie immer wurde ich an der Haustür laut von Reitas Vater empfangen, der versuchte, mich mit ins Wohnzimmer zu bugsieren und sich mit mir zu unterhalten. „Tut mir leid, aber wir haben nicht so viel Zeit! Wir müssten eigentlich schon auf dem Weg sein“, entschuldigte ich mich mit einem verlegenen Lächeln und verbeugte mich leicht, als Reitas Vater, „Ah, ok. Verstehe schon“, lächelte, mir auf die Schulter klopfte und mich dann entließ. Bevor ich die Treppen hinaufging, grüßte ich noch seine Mutter, die mich freudig in die Arme schloss und mir dann mitteilte, dass Reita oben auf seinem Zimmer war. Ja, wo denn auch sonst? Lautlos erklomm ich die Treppe nach oben, wobei meine Schritte noch zusätzlich gedämpft wurden, da die Stufen mit einem bordeauxroten Teppich bedeckt waren. Seltsam, dass er mich nicht an der Haustür empfangen hatte. Was tat er denn? Ich ging den Flur entlang und stellte mich vor Reitas Zimmertür, legte dann meine Hand auf die kalte Klinke und öffnete diese leise. Der Blonde, der sich schon komplett angezogen hatte und selbst seine Jacke trug, saß vor seinem PC und starrte wie gebannt auf den Monitor. Seine Sitzhaltung war gekrümmt, sodass man seine Wirbelsäule erahnt hätte, hätte er nicht seine dunkelrote Lederjacke an. Ich räusperte mich laut und hob verwirrt eine Braue, als er hochschreckte, mich mit geweiteten Augen ansah und sich sofort wieder dem Monitor zuwandte, um irgendetwas hektisch weg zu klicken. „Was machst du da?“, fragte ich mit einem bedrohlichen Unterton und ging mit vor der Brust verschränkten Armen auf ihn zu, nachdem ich die Tür hinter mir zugemacht hatte. Der Ältere druckste nur herum, gestikulierte dabei wild mit den Händen und gab es schließlich mit hängenden Schultern auf, als er meinen Gesichtsausdruck sah. „Nichts“, murmelte er leise, und durch das schwarze Bandana, welches seine Nase und seinen Mund verdeckte, klang es nur noch gedämpfter. „Das soll ich dir jetzt glauben?“, schnarrte ich und stellte mich schnell hinter ihn, um auch sogleich die Maus zu ergreifen und auf “Chronik“ zu klicken. Immerhin wollte ich wissen, was er sich da angeguckt hatte. Doch zu meinem Ärger hatte er die Chronik anscheinend mit einer Vorahnung schon vorher gelöscht, denn die Liste war leer. Als hätte er etwas geahnt.. „Rei..“, fing ich leise an, legte meine Arme von hinten um ihn und näherte mich seinem Ohr. „Hm?“, machte er wie weggetreten und sah perplex hinter seine Schulter, als ich gespielt tadelnd, „Hast du dir etwa einen Porno ohne Sound angeguckt?“, fragte und mich schnell auf seinen Schoß setzte. Na ja, eine Beule in der Hose hatte er jedenfalls nicht. „Wie kommst du auf so einen Mist?!“, war seine verwirrte Gegenfrage und sein Blick wurde noch verwirrter, als ich gespielt beleidigt und ohne auf seine Gegenfrage eingehend, „Du musst dich doch nicht schämen, Rei. Ich bin dein Freund! Du kannst es mir ruhig sagen, wenn ich dir nicht mehr genüge und du dir hinter meinem Rücken lieber irgendwelche dreckigen Pornos reinziehst, in denen sich irgendwelche armen Schweine von alten Säcken für ein wenig Geld ficken lassen!“, jammerte und dabei gekünstelt die Unterlippe vorschob. „Junge, du hast echt einen Knall“, murrte Reita, verpasste mir mit zwei Fingern einen leichten Schnipser gegen die Stirn und schüttelte den Kopf. „Steh auf. Wir sollten langsam los!“, befahl er und seufzte, als ich, „Gib mir einen Kuss!“, forderte und dabei beleidigt aus der Wäsche glubschte. „Uruha, du-“ „Ich will jetzt einen Kuss!“, jammerte ich auf seinem Schoß hin- und herwippend und schlang meine Arme fester um seinen Hals. Der Ältere erbarmte sich dazu und packte das Bandana, um es bis unter sein Kinn zu ziehen. Mir entwich ein genervtes Seufzen, als ich das weiße Nasenband darunter erblickte. Wieso konnte er nicht einfach darauf verzichten? Er war doch so schön! „Irgendwann.. Irgendwann verbrenn ich all deine Nasenstrings, mein Freund“, drohte ich leise, ehe ich ihm einen kurzen Kuss auf die warmen Lippen drückte. „Mach das“, säuselte er nur unbeeindruckt und schob mich von seinem Schoß runter, um sich zu erheben und das Zimmer zu verlassen. Ich sah ihm nur kopfschüttelnd nach und drehte mich noch einmal zum Monitor. Ich fragte mich gerade wirklich, was es gewesen war, dass er mir nicht einmal sagen wollte, was er sich angesehen hatte. Grübelnd legte ich mir einen Finger auf die Lippen und verengte die Augen leicht, entschied mich dann aber dazu, den PC einfach herunterzufahren und Reita zu folgen. Aoi und Toshiya wohnten in der belebten Innenstadt Yokohamas. Mir persönlich würde es sicher nicht guttun, jeden Tag so einen Lärm um mich herum zu haben. Ich war ziemlich zufrieden mit unserem Haus. Es stand entfernt von der Innenstadt und war somit etwas abgelegen, wenn man denn von abgelegen reden konnte. Immerhin war unsere Straße voll von Ein-Familien-Häusern. Reita, der für meinen Geschmack etwas zu lebensmüde fuhr, meckerte die ganze Fahrt über, weil er der Meinung war, dass die Fahrer vor, neben und hinter ihm anscheinend ihren Führerschein selbst ausgedruckt hatten. „Weißt du, Schatzi-“, fing ich provozierend an, während Reita sich über die rote Ampel beschwerte und mit den Fingern ungeduldig auf dem schwarz glänzenden Lenkrad trommelte. „Das hier ist nun mal das reale Leben und nicht “Need for Speed“, weißt du? Hier herrschen Verkehrsregeln und-“ „Ach, halt den Mund, bevor ich ihn dir stopfe!“, meckerte er gereizt und schnaubte grinsend, als ich neugierig, „Womit willst du ihn mir denn stopfen?“, fragte und dabei leicht seinen Oberschenkel streichelte. „Ich kann’s dir ja später zeigen, wenn du willst“, sagte er leise mit einem Blick zu mir, der mich total kribbelig werden ließ, und gab dann Gas, als wir wieder grün hatten. „Hm, gern“, schnurrte ich mit halb geschlossenen Augen und unterdrückte dieses aufkeimende Gefühl von Zufriedenheit in mir, welches sich langsam in meinem Körper breit machte und bis zu meinem Herz vorzudringen schien. Ich konnte gar nicht beschreiben, wie sehr ich es genoss, bei ihm zu sein. Und auch wenn wir uns manchmal gegenseitig beleidigten, zum Spaß, verstand sich, war ich trotzdem jedes Mal glücklich und dankbar, dass ich ihn hatte. Was wäre ich nur ohne meinen süßen, herummotzenden Reita.. Es war immer etwas schwer, hier in der Innenstadt einen Parkplatz zu finden. Und es endete damit, dass Reita dreist einen der Parkplätze besetzte, die eigentlich für die Bewohner des großen Gebäudes gedacht waren. „Aber Rei, das darfst du eigentlich nicht!“, meinte ich tadelnd und schnallte mich beleidigt los, als er gereizt, „Quak mir nicht die Ohren voll, du Grufti-Schlampe. Steig lieber aus!“, schnarrte und sogleich selber ausstieg. Ich hatte ja erwähnt, dass wir uns gerne zum Spaß beleidigten, nicht wahr? Na, mal sehen, ob ihm das gleich gefallen würde. Ich knallte die Autotür hinter mir absichtlich mit voller Wucht zu, in dem Wissen, dass er es hasste, weil es “seinem Baby“ wehtat, wenn man die Türen so zuschlug, wie er immer sagte, und ging Hüfte schwingend auf die weiße Haustür des hohen Gebäudes zu, ihn und sein Gekeife dabei völlig ignorierend. Nachdem er mich wütend eingeholt hatte, holte er kräftig aus und schlug mir so heftig auf den Hintern, dass dieser zu zwiebeln begann und ich mir mit einem schmerzverzerrten Gesichtsausdruck darüber rieb. „Du bist ein verblödetes Arschloch!“, machte ich ihm mit Tränen in den Augen klar und schnalzte bockig mit der Zunge, als er unberührt, „Ich weiß“, sagte und mich Richtung Fahrstuhl zog. Immerhin wohnten die beiden im zehnten Stockwerk und ich hatte eher wenig Lust, die Treppe zu nehmen. Den ganzen Weg hinauf schwiegen wir. Reita checkte seine Frisur im Spiegel, welcher an der Fahrstuhlwand befestigt war, und überlegte nebenbei laut, ob er sich die Haare wieder blondieren sollte. Seine jetzige Haarfarbe wich eher ins Brünette. Sein Ansatz wurde auch schon wieder schwarz und er hatte hier und da noch vereinzelte blonde Strähnen. Mir gefiel es jedoch so, also ließ ich es ihn auch kleinlaut wissen. Er nahm daraufhin lächelnd meine Hand und schleppte mich aus dem Fahrstuhl, als dieser endlich stehen blieb. Vor deren Wohnungstür blieben wir stehen und ich besah mir noch einmal die Türklingel, über der auf einem kleinen Silberschildchen “Shiroyama und Hara“ geschrieben stand. Wenn es nach Toshiya ginge, würde da nur “Shiroyama“ stehen. Immerhin hatte er für sich stolz Aois Nachnamen angenommen. Der Tag ihrer inoffiziellen Hochzeit ging mir plötzlich durch den Kopf, und ich musste bei der Erinnerung lächeln. Welch Schande, dass die gleichgeschlechtliche Ehe in Japan verboten war. Toshiya hatte an dem Tag doch tatsächlich ein weißes, gigantisches Brautkleid getragen, obwohl wir nur unter unseren Freunden und der Familie gewesen waren. „Ich fühle mich wie eine Prinzessin!“, hatte er mir aufgeregt stotternd und mit Freudentränen in den Augen gebeichtet, während ich freudig sein Haar frisiert hatte. Der Tag war wirklich schön gewesen. Toshiya hatte überglücklich ausgesehen. Als ich plötzlich in die Seite gepiekt wurde, schreckte ich aus meinen Tagträumen und blinzelte Reita verwirrt an, als dieser, „Träumst du?“, fragte. Anscheinend hatte er schon geklingelt, wovon ich rein gar nichts mitbekommen hatte. „Hmhm“, machte ich nur und hatte sogleich einen breit grinsenden Aoi vor mir, der laut und verzückt, „Uruha, mein kleiner, großer Schatz. Komm her!“, rief, seine Hand schnell in meinen Nacken legte und mein Gesicht somit grob zu sich runterzog, um mir einen Kuss auf die Wange zu drücken. Reita und ich lachten daraufhin nur, und sobald Aoi mich entlassen hatte, um Reita eine feste Umarmung zu geben, hatte ich sogleich Toshiya an der Backe kleben, der mich durchknuddelte und verzückt herumquietschte. „Schätzchen, wir müssen unbedingt mal wieder shoppen gehen! Die haben unten in der Stadt einige neue Klamottenläden eröffnet. Ich bin sicher, sie werden dir gefallen!“, plapperte er aufgeregt und ließ mich gar nicht zu Wort kommen, was mich aber nicht störte. Toshiya war immer so, wenn wir uns eine längere Zeit nicht sahen. Ich lächelte nur, als er mich entließ, und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Lippen. Das taten wir eigentlich immer zur Begrüßung, hatten wir es uns damals in der Schulzeit irgendwann mal zur Angewohnheit gemacht, um unsere beiden Partner damit zur Weißglut zu treiben. Inzwischen war es für uns selbstverständlich. Ich entledigte mich schnell meiner Jacke und meiner Schuhe. Gleich nachdem Toshiya mich entlassen hatte, warf er sich Reita um den Hals und redete ihm entzückt eine Kante ans Bein, während der Blonde nur lächelte und Toshiyas Rücken tätschelte. Aoi machte die Wohnungstür wieder zu und eilte schnell rüber in die Küche. Ich wiederum war im Flur stehen geblieben und bemerkte jetzt mit einem stechenden Blick, wie Reitas Hände plötzlich in einer geschmeidigen Bewegung langsam an Toshiyas Seiten hinabwanderten und auf dessen Hüften ruhten. „Habt ihr Hunger?“, fragte Toshiya breit und glücklich lächelnd, der Situation völlig unbewusst, den einen Arm noch immer um Reitas Hals geschlungen, der den Schwarzhaarigen stetig an den Hüften entlang streichelte und meinen eifersüchtigen Blick mit einem fiesen Grinsen registrierte. Ich riss mich von diesem Anblick los und entgegnete versucht gelassen, „Nein, danke. Ich habe zu Hause etwas zu mir genommen“ Reita wiederum meinte sofort, dass er großen Hunger hatte, und folgte dem anderen in die Küche. Ich schaute ihnen nur mit einer vorgeschobenen Unterlippe nach und entschloss mich dann dazu, ins Wohnzimmer zu gehen. Als ich die dunkle Tür aufstieß, bot sich mir ein ziemlich befremdliches Bild. Kai, der auf der einen Seite des langen, schwarzen Sofas saß, hatte den Kopf zurückgelehnt, die Augen geschlossen und den Mund ganz leicht geöffnet. Ruki wiederum saß am anderen Ende, hatte die Beine übereinandergeschlagen und den Kopf gelangweilt in seiner Handfläche abgestützt. „Was ist denn mit euch los?“, gluckste ich belustigt und hob die Hand zum Gruß, als Rukis Hand unter seinem Kinn wegrutschte und er mit großen Augen und freudig, „Uruha!“, von sich gab. Ich ging auf den Kleineren zu, umrundete dabei den gläsernen Couchtisch und umarmte ihn dann fest, nachdem ich mich zu ihm gebeugt hatte. „Wie geht’s dir?“, fragte Ruki, nachdem er mir eine schwarze Strähne aus dem Gesicht wischte, und mir fiel auf, dass er mich beinahe mit einem mütterlichen Blick bedachte. Unser jüngster war wirklich erwachsen geworden. Seine sanften Gesichtszüge spannten sich leicht an, doch dann lächelte er ein atemberaubendes Lächeln und erwiderte meine Aussage, als ich ihm verkündete, dass es mir gut ging. Er entließ mich und sah mir dabei zu, wie ich neben Kai rutschte, der beim genaueren Hinhören leise schnarchte. Ich tippte ihm auf die Schulter, was dazu führte, dass er sofort die Augen aufriss. Als ich die unzähligen roten Äderchen in seinen Augen erkannte, bekam ich doch ein recht mulmiges Gefühl. Mir ging es plötzlich durch den Kopf, dass ich meinen besten Freund ziemlich vernachlässigte.. Ich rief ihn ja kaum noch an, um einfach mal zu fragen, wie es ihm ging, was er so machte. „Oh, Uruha“, gab Kai heiser von sich und zeigte ein zerknirschtes Lächeln, und als ich meine Arme zur Begrüßung um ihn legte, merkte ich, wie er seinen Kopf in meiner Halsbeuge vergrub und erneut zu schnarchen anfing. Hilfesuchend drehte ich mich zu Ruki herum, dessen Gesichtsausdruck sich leicht verdüstert hatte. „Was ist mit ihm?“, fragte ich besorgt nach und streichelte nachvollziehend Kais Rücken, als Ruki mir sagte, dass Kai nicht mehr genug Schlaf bekam, weil er von einem Ort zum anderen hetzen musste. „Studieren und nebenbei kellnern tut ihm nicht gut. Manchmal bleibt er die ganze Nacht wach, weil er viel zu lange kellnern und nebenbei für sein Studium irgendwelches Zeugs lernen muss“, leierte Ruki tonlos vor sich hin, der seinen Blick wieder abgewandt hatte. Das klang irgendwie nicht gut. Ich hatte gar nicht gewusst, dass es so schlimm um ihre Situation stand. „So Mädels, hier habt ihr was zu trinken!“ Aoi kam, gefolgt von Toshiya und Reita, ins Wohnzimmer und stellte Gläser und Getränke auf den gläsernen Tisch, ehe er sich gemeinsam mit seinem “Ehemann“ gegenüber von uns auf das Sofa setzte und breit in die Runde grinste. Reita, der Ruki lächelnd begrüßt hatte, sah jetzt unschlüssig zu mir und Kai rüber, der noch immer in meinen Armen döste und anscheinend auch nicht vorhatte, aufzustehen. „Was geht’n mit dem?“, fragte der Nasenbandträger grob und setzte sich neben mich, um an mir vorbei zu greifen und gegen Kais Nase zu schnippen. Dieser öffnete dadurch die geröteten Augen und schielte müde, ehe er sich übers Gesicht rieb, sich wieder anständig hinsetzte und sich leise entschuldigte. „Ach, schon gut..“, murmelte Reita verunsichert, als er dessen Anblick sah. Toshiya rettete die verkorkste Situation, indem er uns alle ausfragte. Was wir in letzter Zeit so gemacht hatten, wie es mit der Arbeit und dem Studium lief. Ich fühlte mich verdammt wohl zwischen meinen Freunden. Es war ein tolles Gefühl, hier in dem großen Wohnzimmer der beiden zu sitzen und mit allen zu plaudern. Das schönste war für mich aber immer noch, wenn wir von den alten Zeiten schwelgten. Ruki hatte sich inzwischen neben Kai niedergelassen und sich an ihn gekuschelt. Dieser wiederum hatte einen Arm um seinen Partner seit Schultagen gelegt und bemühte sich, die Augen offen zu halten. Ich saß neben Kai und hielt dessen Hand fest in meiner, streichelte mit dem Daumen über seinen Handrücken, und Reita klebte an meiner linken Seite und hatte einen Arm besitzergreifend um mich geschlungen. „Ich glaube, es wäre das Beste, wenn ich schnell mit der Sprache rausrücke. Dann könnt ihr ja wieder nach Hause fahren, damit sich Kai endlich ausschlafen kann“, begann Toshiya an seinen Fingern spielend und lächelte kopfschüttelnd, als Aoi hoffnungsvoll, „Bist du etwa schwanger, Liebling?“, fragte und seine Hand sanft auf den flachen Bauch des anderen legte. „Erzähl doch keinen Unsinn, Schatz!“, mahnte Toshiya lächelnd, aber ich bemerkte, dass sich trotz des ehrlichen Lächelns auf seinen Lippen Trauer in seinen dunklen Augen widerspiegelte. Was zum Teufel? Gespannt warteten wir darauf, dass Toshiya zu erzählen begann. Aoi hatte sich nur beleidigt an Toshiya geschmiegt und sah jetzt abwesend aus einem der drei großen Fenster, die sich hinter uns befanden. „Ich habe ein Picknick für morgen Mittag geplant. Ich fand die Idee recht gut, im Freien zu sitzen und das jetzige Wetter gemeinsam mit euch zu genießen. Was würdet ihr davon halten?“ Der Schwarzhaarige sah uns alle hoffungsvoll an und lächelte sofort breit, als ich begeistert zustimmte und Reita ebenfalls bejahte. Nur Ruki sah ein wenig geknickt drein, was Kai wiederum bemerkte. Mein bester Freund erhob sich plötzlich mit einem Seufzen, zog somit alle Blicke auf sich, und lächelte müde. „Die Idee finde ich sehr gut. Dann müssen wir jetzt aber auch nach Hause, damit ich morgen beim Essen nicht einschlafe!“, wandte Kai ein und brachte Ruki dazu, freudig zu lächeln. „Wie? Ihr wollt wirklich schon gehen?“, fragten Toshiya und ich gleichzeitig und ich versuchte, nicht so enttäuscht zu gucken, als Kai sich zu mir herunterbeugte und mich umarmte. „Tut mir leid, Ruha, aber ich bin wirklich verdammt müde. Und wenn ich den morgigen Tag genießen und Ruki nicht schon wieder enttäuschen will, muss ich mich halt mal so richtig ausschlafen“, flüsterte er mir ins Ohr und gab mir einen Kuss auf die Wange, als ich verstehend nickte. Dabei hatte ich mich doch so darauf gefreut, mich ununterbrochen mit ihm zu unterhalten. Aber na ja, morgen hätte ich ja die Gelegenheit dazu. Wir erhoben uns ebenfalls, um die beiden an der Tür zu verabschieden. Ich drückte Ruki fest an mich, ehe dieser aus dem Appartement trat und Kai verabschiedete sich noch schnell von den anderen. Als Kai wissen wollte, was sie morgen mitbringen mussten, blockte Toshiya sofort ab und meinte, dass er sich um alles kümmern würde. Toshiya und ich gingen in die Küche, während Reita und Aoi sich wiederum zurück ins Wohnzimmer begaben, um sich dort zu unterhalten. Ich setzte mich an den großen Mosaiktisch, der etwas weiter entfernt von der Küchenzeile stand, und beobachtete Toshiya dabei, wie er sich die langen Nackenhaare zu einem Zopf zuband und sich dann eine Zigarette anzündete. Meine Einstellung gegenüber Zigaretten hatte sich nicht geändert. Und leider war auch Reita noch immer Raucher, jedoch rauchte er nicht mehr so oft und viel, was mich wiederum halbwegs zufrieden stimmte. Auch Toshiya wusste, dass ich nichts fürs Rauchen übrighatte und dass mir von dem Gestank schlecht wurde. Also öffnete er zuvorkommend das Küchenfenster und stellte sich mit seinem Aschenbecher davor, um einen gewissen Abstand zwischen uns zu bringen. Ich stützte meinen Kopf in meinen Händen ab und sah lächelnd zu ihm herüber, was er sofort erwiderte. „Sag, Toshiya“, fing ich an und er gab einen fragenden Laut von sich. „Diese Sache mit dem Picknick, du kannst doch nicht alles alleine vorbereiten. Das ist doch zu viel Arbeit“, sprach ich und neigte den Kopf leicht nach rechts, als er mir abwinkend, „Ach Quatsch, das regle ich schon! Immerhin habe ich doch Aoi, der mir hilft. Du brauchst wirklich nichts mitbringen“, versicherte und mit leicht zusammengekniffenen Augen an seinem Glimmstängel zog. Mir war aufgefallen, dass Raucher oft so aussahen, als hätten sie Verstopfung, wenn sie rauchten. Fand ich jedenfalls. Mir hatte es wirklich gefehlt, mich ausgelassen mit Toshiya zu unterhalten. Fakt war, dass wir einen ganz bestimmten Draht zueinander hatten, wie es mit den anderen nicht der Fall war. Wir hatten gemeinsam schon so einige Dinge erlebt und unternommen, wovon die anderen nichts wussten. Und sie mussten auch definitiv nichts darüber wissen. Jetzt, wo ich genau darüber nachdachte, kam mir der Tag in den Sinn, als Aoi zusammen mit Reita abends in die Stadt gegangen war, weil sich die beiden “unter Männern“ hatten amüsieren wollen. Die freie Zeit hatten Toshiya und ich damit genutzt, aus Trotz miteinander einige Stellungen des Kamasutras nachzuahmen, die wir im Internet entdeckt hatten. Bei den ganzen Verrenkungen, die wir beide vollzogen hatten, hatten wir totale Schmerzen bekommen, aber trotzdem war es lustig gewesen. Gott, wie wir gelacht hatten. Jetzt versteht mich nicht falsch, es war einfach nur zum Spaß gewesen. Und unsere Klamotten hatten wir auch anbehalten. Als Toshiya mich so dämlich grinsen sah, fragte er belustigt, was ich hatte, doch ich schüttelte nur glucksend den Kopf. „Wie läuft’s mit der Ausbildung?“, fragte er interessiert und pustete nebenbei den gräulichen Rauch aus dem Fenster. Ich wog den Kopf überlegend von links nach rechts, ehe ich, „Ich verspäte mich zwar ab und zu mal, aber eigentlich läuft es recht gut!“, sagte und schmunzelte, als er leise lachte und, „Also wie damals in der Schule!“, bemerkte. Das überhörte ich jetzt mal gekonnt. “Und wie läuft es so als Hausfrau?“, wollte ich interessiert und mit einem breiten Grinsen wissen. Toshiya hob daraufhin eine Braue, grinste spitzbübisch, doch gab er gleich darauf ein zufriedenes Seufzen von sich. „Es ist zwar ab und zu anstrengend, aber Aoi ist einfach ein Schatz. Er hilft mir bei allem, aber er gibt sich auch gern mal faul. Und das sind dann immer die Momente, in denen ich ihn verprügeln will. Der Gute weiß aber auch, wie er sich verhalten muss, damit ich sofort erweiche und ihn wieder ins Appartement lasse“, erzählte er leicht verträumt und brachte mich somit zum Lachen. „Du solltest ihn nicht so oft rauswerfen, Totchi!“, nickte ich und prustete, als er schief grinsend, „Wieso? Der Versöhnungssex danach ist immer der geilste, weil er sich so richtig ins Zeug legt!“, von sich gab und dann noch Aoi nachahmte, indem er mit verstellter Stimme, „Vielleicht klappt’s ja diesmal mit der Schwangerschaft, was Liebling?“, aus sich brachte und gemeinsam mit mir zu lachen anfing. „Was ist denn hier los?“, fragte Aoi, der zusammen mit Reita in der Tür erschien, und schaute beleidigt drein, als Toshiya ihm nebenbei, „Nichts, ich mache mich nur über dich lustig“, erklärte und mir danach vielsagend zuzwinkerte. Wir verabschiedeten uns gegen acht am Abend voneinander und machten eine Zeit für das morgige Treffen aus. Aoi sagte noch, dass er Ruki Bescheid geben würde, damit dieser wusste, wann und wo wir uns trafen. Wir hatten als Ziel den kleinen Stadtpark gewählt, der für ein Picknick super geeignet war. Nachdem ich mich mit einem Küsschen von Toshiya verabschiedet hatte, winkten wir den beiden noch einmal zu, ehe wir zum Fahrstuhl gingen und darauf warteten, dass dieser ankam. Den ganzen Weg nach Hause schwiegen Reita und ich, was ich jedoch kein wenig als lästig empfand. Seine Hand, die auf der Gangschaltung ruhte, erweckte meine Aufmerksamkeit. Mit einem leichten Lächeln legte ich meine Hand auf seine und musste leise lachen, als er mich verwundert ansah. „Du hast sicher nichts dagegen, wenn ich noch schnell bei dir vorbeikomme, oder?“, fragte er wispernd und entlockte mir somit einen perplexen Blick. „Du kannst von mir aus gleich über Nacht bleiben, du Blödmann“, lächelte ich und neigte mich zur Seite, um ihm einen Kuss auf die Wange zu hauchen. Er nickte nur und fuhr in einem annehmbaren Tempo, was bei ihm doch ziemlich selten vorkam. Als wir vor der Tür hielten, stieg ich gähnend aus und ging voraus zur Haustür. Ich konnte von draußen meine Mutter erkennen, die in der Küche herumwerkelte. Auch erkannte ich sofort Reitas Mutter, die am Tisch saß und sich angeregt mit meiner Mutter unterhielt. Wie lange hatten die beiden heute schon aufeinander herumgehockt? Schon süß, zu sehen, wie sehr sich die beiden mochten. Ich schloss die Haustür auf und merkte, wie das Stimmengewirr sofort verstummte und ein lautes, „Kouyou?“, ertönte. „Bin da!“, rief ich bestätigend durch den Flur und ließ Reita rein, der mir in die Küche folgte. Das Lächeln, was mir unsere Mütter präsentierten, wirkte irgendwie aufgesetzt, wie mir auffiel. „Ähm.. Wir gehen dann mal hoch“, sagte ich nur etwas verwirrt und zog Reita mit mir mit, der nur wortlos gewunken hatte. Oben angelangt schloss ich die Tür hinter mir und sah Reita dabei zu, wie dieser sich breitbeinig auf mein Bett setzte. Ich folgte ihm und ließ mich vor seinen Füßen auf meinem violetten Flauschteppich nieder, sah somit zu ihm auf. „Weißt du, irgendwie..“, verließ es überlegend meine Lippen und ich schloss genießend meine Augen, als Reita mir leicht über den Kopf streichelte und seine Hand weiter in meinen Nacken wandern ließ, um mich dort zu kraulen. „Hm?“, machte er und ich erzählte ihm, dass mir heute bewusst geworden war, dass ich mich gar nicht mehr um Kai kümmerte, wie ich es damals getan hatte, und dass ich mich deswegen ziemlich schuldig fühlte. „Baby, Zeiten ändern sich nun mal. Schau doch, es kommen Tage vor, da sehen wir uns auch nicht und hören nicht einmal voneinander, weil wir eben nicht die Zeit dazu haben“, sagte er sanft und lächelte, als ich mit einem schlechten Gewissen den Blick abwandte. „Damals war alles anders. Wir mussten nur dafür sorgen, dass wir jeden Tag unsere Hausaufgaben hatten. Danach konnten wir anstellen, was wir wollten. Und jetzt geht das einfach nicht mehr, was aber völlig normal ist. Das gehört zum Erwachsenwerden dazu. Mach dich deswegen nicht selbst fertig“, redete er leise weiter und ich legte meine Hände dankbar auf seine Oberschenkel, um leicht über den Jeansstoff zu kratzen und zu seufzen. „Hast wahrscheinlich Recht..“, gab ich kleinlaut von mir und musste amüsiert grinsen, als ich merkte, wie er, mit seiner Hand in meinem Nacken, plötzlich meinen Kopf leicht zu sich zog, sodass ich genau in seinen Schritt blicken konnte. „Wolltest du nicht noch vor einigen Stunden wissen, womit ich dir den Mund stopfen will?“, hauchte er leise und leckte sich anzüglich über die Lippen, als ich kokett grinsend zu ihm aufsah. „Doch, wollte ich. Willst du’s mir denn noch zeigen?“, fragte ich scheinheilig und musste leise lachen, als er bejahend nickte und meinen Kopf weiter Richtung seines Schritts drückte. Genau in dem Moment, als ich den Reißverschluss seiner schwarzen Jeans öffnete, flog die Tür zu meinem Zimmer auf und meine Mutter stand dahinter. Ihr Lächeln schwand sofort und sie schaute peinlich berührt drein, ehe sie sich mehrmals entschuldigte und mit den Händen auf den Wangen, „Oh Gott, das nächste Mal klopf ich an!“, brabbelte. Genervt legte ich meine Hände wieder auf Reitas Oberschenkel und sah zu meiner Mutter rüber. „Das sagst du jedes verdammte Mal! Und dann klopfst du wieder und reißt die Tür einfach auf, ohne dass ich dich hereinrufe! Langsam reicht’s, Ma!“, meckerte ich angesäuert und rollte mit den Augen, als sie leise, „Tut mir echt leid“, fiepte und sich umdrehte. „Essen ist fertig. A-also kommt bald runter, ja?“, krächzte sie noch und zog schnell die Tür wieder zu. Ich merkte, wie Reitas Körper zitterte. Und ich kannte auch den Grund dafür. Genervt seufzend sah ich zu ihm auf und schüttelte den Kopf, da er rot angelaufen war, weil er sein Lachen unterdrückt hatte. Er prustete auf und lachte laut, ehe er sich wieder beruhigte und erneut seine Hand in meinen Nacken legte. „Na, was ist? Vor oder nach dem Essen?“, fragte er scheinheilig und ich überlegte kurz. „Hm.. Ich bevorzuge vor dem Essen“, beichtete ich dreckig grinsend und öffnete mit einigen schnellen, geübten Handgriffen seine Hose und zog sie ihm sogleich bis unter die Kniekehlen. Kapitel 4: ~4~ -------------- „Wollen wir nicht wenigstens etwas zu trinken mitnehmen?“ Reita machte sich gerade hinter mir die Haare, während ich im Schneidersitz vor meinem Schrank saß und mich davor schminkte, da mein Eckschrank einen großen Spiegel besaß. „Können wir machen. Eigentlich meinte Totchi, dass er das übernimmt, aber ich fände es auch besser, wenn wir wenigstens eine Kleinigkeit zum Picknick beitragen würden. Wir können doch nicht mit leeren Händen dort aufschlagen. Das ist unhöflich“, sprach ich und tuschte mir nebenbei die Wimpern. „Baby, nicht so viel schwarz, ja? Ich kriege langsam Angst vor dir“, meinte Reita, als er mir dabei zusah, wie ich mir nachträglich etwas mehr schwarzen Lidschatten auftrug. „Tut mir leid“, wandte ich ein, legte den Applikator zurück und sah ihm nach, da er ins Bad ging, um sich die Hände zu waschen, weil er seine Haare gerade mit Wachs in Form gebracht hatte. Meine Mutter war längst nicht mehr im Haus. Sie hatte gesagt, dass sie sich ein wenig die Beine vertreten wollte, also hatte ich nicht weiter nachgefragt und hatte sie noch einmal daran erinnert, dass ich heute vielleicht nicht nach Hause kommen würde, da ich mit dem Gedanken spielte, das Wochenende bei Reita zu verbringen. Ich erhob mich also und strich mir den weißen Wollpullover glatt, ehe ich mein Zimmer verließ, um die Treppe hinunter zu gehen und dann unten in unserem Keller nach irgendwelchen Getränken zu sehen, da die Getränkekästen dort standen. Reita war mir natürlich sofort lautlos gefolgt, wovon ich erst nichts mitbekommen hatte, und knipste das Licht absichtlich aus, sodass ich die eigene Hand vor Augen nicht mehr erkennen konnte. Er wusste, dass ich mich in der Dunkelheit nicht wohl fühlte. Kellerräume waren im Allgemeinen schon beängstigend genug, aus dem Alter würde ich nie rauswachsen. „Mach das verdammte Licht wieder an, du Wichser!“, brüllte ich, meine Angst überspielend, hoch und konnte oben im Türrahmen seinen Schatten sehen. Ich musste ja nicht verschweigen, dass ich noch immer Angst hatte, in den Keller zu gehen, oder? Der war einfach unheimlich. Nachdem Reita genug gelacht hatte, machte er das Licht wieder an und hüpfte grinsend die Treppen nach unten, um sich von hinten an mein Gesäß zu drängen. „Verpiss dich bloß!“, fuhr ich ihn sauer an und trat nach hinten aus, damit er meinen Hintern in Ruhe ließ. „Bah, hat die kleine Schlampe wieder ihre Tage oder was?“, provozierte er mich taktlos und machte kehrt, um wieder hoch zu gehen. Also, manchmal könnte ich ihn.. Ich könnte ihn erwürgen, hier und jetzt! Nachdem ich die Getränkeflaschen in der Küche in eine Stofftüte gelegt hatte, warf ich mich in meine schwarze Lederjacke und schlüpfte in meine Stiefel. Reita, der gerade von oben die Treppen runterkam, hatte Schuhe und Jacke schon an. „Habe ich dir nicht tausendmal gesagt, dass du nicht mit deinen Schuhen im Haus herumlaufen sollst?“, schimpfte ich mit einem tadelnden Blick und schnaubte, als er, mich völlig ignorierend, aus dem Haus trat und auf mein Auto zusteuerte. Glaubt ihr’s? Da ärgerte mich dieser Penner erst und schnappte zum Schluss ein?! Ich griff mir die Tüte und meinen Schlüsselbund, um die Haustür hinter mir zweimal abzuschließen. Danach schritt ich auf mein Auto zu und schloss es auf, woraufhin Reita auch sofort einstieg und sich tonlos auf dem Beifahrersitz niederließ. Ich lief einmal um mein Auto und stieg auch ein, drehte mich leicht herum, um die Tüte auf den Rücksitz zu legen, und wandte mich wieder nach vorne, um mich anzuschnallen. Als ich den Motor startete, merkte ich, dass Reita sich noch immer nicht angeschnallt hatte. Ok, Ruhe bewahren. „Schnall dich an, oder du kannst zu Fuß in den Park latschen!“, maulte ich ungeduldiger als gewollt und hielt ihn panisch am Ärmel zurück, als er tatsächlich, ohne mit der Wimper zu zucken, die Tür wieder aufmachte, weil er aussteigen wollte. „Manchmal kotzt du mich sowas von an, echt..“, flüsterte ich wütend, während ich ihn anschnallte. Dass er schadenfreudig grinste, bemerkte ich nicht, da ich meinen Kopf gesenkt hielt. Nachdem auch er angeschnallt war, konnte es endlich losgehen. Es war jetzt viertel nach zwölf, also nicht zu früh und auch nicht zu spät. Wenn nicht schon wieder so ein Verkehrschaos herrschte, würden wir in fünfzehn Minuten dort sein. Wie hätte ich auch nur ansatzweise denken können, dass heute nicht so schlimmer Verkehr war? Es würde sich wirklich nie etwas ändern in dieser Stadt. Ich hatte meinen Wagen einige Ecken weiter weg geparkt, weil es keinen Parkplatz in der Nähe des Parks gegeben hatte. Und jetzt gingen Reita und ich die letzten Meter Hand in Hand zu Fuß. Ich schwenkte die Tüte im Gehen in meiner Hand leicht vor und zurück und genoss die Sonne, die warm auf uns nieder schien. Trotzdem war es ein wenig kalt und auch hing leichter Nebel über der Straße, sodass man die eigenen Füße nicht richtig erkennen konnte. Na hoffentlich froren wir uns dort nicht den Hintern ab. „Ich liebe dich!“, ertönte es plötzlich leise neben mir, weshalb ich auch verwirrt zur Seite blickte und Reita anschaute, der mit einem leichten Lächeln geradeaus sah und meine Hand leicht drückte, während wir weitergingen. Aww, er war so süß! Ich schmiegte mich im Gehen an seine rechte Seite und hauchte ihm, „Ich dich auch.. vielleicht. Manchmal jedenfalls“, ins Ohr, was ihn leise lachen ließ. Ich konnte das große Tor des Parks vor uns erkennen. Wir betraten den Park und ich fing an, mich suchend umzusehen. „Zum Brunnen“, murmelte ich leise und Reita zog daraufhin an meiner Hand und sagte bestimmend, „Komm!“ Der Kieselweg vor uns führte immer tiefer in den Park hinein, der in verschiedenen Grün-Tönen erstrahlte. Verzückt drehte ich meinen Kopf hin und her und nahm den Geruch der Sicheltannen wahr, die hier vereinzelt herumstanden. Auf Reitas Seite lichtete sich der Park dann und man konnte eine riesige Grasfläche mit einem großen Pyramidenbrunnen sehen, in dessen Nähe ein Fächerbaum stand, dessen waagerecht wachsenden Äste so tief hingen, dass man sich sicher mit Leichtigkeit dort rauf ziehen und sich auf einen der Äste setzen konnte. Unter dem Schutz des Fächerbaums konnte ich unsere Freunde erkennen, die sich auf einer großen Decke niedergelassen hatten und sich ausgelassen unterhielten. Doch ließ der Nebel auch alles ein wenig schwummrig wirken. Beinahe wie in einem Märchen. Reita bugsierte mich über den Rasen, hinüber zu unseren Freunden, die schon bald auf uns aufmerksam wurden und freudig zu winken und rufen begannen, als sie uns sahen. „Da seid ihr ja endlich! Was hat denn da so lange gedauert?“, fragte Toshiya neugierig und umarmte mich fest, als ich mich neben ihn auf die schwarze Decke setzte. „Sind wir denn so spät?“, fragte ich verwundert an Reita gewandt, der nur knapp mit den Schultern zuckte und alle nacheinander grüßte. Ich besah mir Kai, der mir sein atomares Grinsen zeigte und richtig frisch wirkte. Gestern hatte er eher wie ein Junkie ausgesehen, aber heute erstrahlte er wieder in seinem guten, alten Aussehen. Das war wirklich beruhigend. Sobald wir mit allen durch waren, machten wir es uns gemütlich und konnten gar nicht so schnell gucken, wie uns Toshiya plötzlich Stäbchen in die Hände drückte. „Wir wollten nicht ohne euch anfangen“, sagte der Schwarzhaarige lächelnd und bat Aoi dann, das ganze Essen rauszuholen, was sich neben dem Ältesten in dem Flechtkorb befand. „Was ist das?“, fragte Toshiya neugierig und griff nach der Stofftüte in meiner Hand, um hineinzusehen. Gleich darauf schlug er mir empört gegen den Oberarm und zeterte, „Habe ich nicht gesagt, ich mach das schon?“, worauf ich nur entschuldigend lächeln konnte. „Jetzt haben wir so viel zu trinken“, seufzte er und presste die Lippen aufeinander, als Ruki wahrheitsgemäß, „Besser zu viel als zu wenig!“, sagte und mit seinen Stäbchen in Kais Seite piekte, was diesen immer wieder fiepen ließ. Bei all den Köstlichkeiten, die uns Toshiya vor die Nase hielt, klappte mir der Mund auf. Der Schwarzhaarige hatte sich wirklich selbst übertroffen, wie ich fand. Er hatte so viele verschiedene Sushi-Sorten gemacht, die sich in einer großen, schwarz glänzenden Bento-Box mit Rosenverzierungen befanden. Zudem hatte er diverse Nachtische vorbereitet, etwas zum Knabbern und es sah alles so unsagbar lecker aus! Wir aßen gemächlich und unterhielten uns dabei lautstark und ich bemerkte nebenbei, wie sich der Nebel endlich verzog und die Sonne plötzlich viel mehr Wärme spendete. Es war nun nicht mehr so kalt. Vorhin waren meine Finger noch taub gewesen vor Kälte. Auch füllte sich der Park mehr und mehr und schon bald spielten kleine Kinder mit ihren Hunden um uns herum und wurden dabei von ihren Eltern beaufsichtigt. Ich schnappte mir noch ein wenig von dem gebratenen Reis und merkte nebenbei, wie mich Reita grinsend von der Seite betrachtete, während er selber im gemächlichen Tempo aß. „Wasch’n?“, fragte ich schmatzend, schob mir gleich darauf eine Maki-Sushi in den Mund und guckte beleidigt drein, als er, „Ich wundere mich gerade nur, dass du so schlank bist, obwohl du andauernd so viel in dich reinspachtelst. Wie machst du das?“, grinste und lachte, da Ruki für mich geantwortet hatte. „Das macht der Sex!“, hatte der Kleine lässig gesagt, der jetzt seine dunkle Designer-Sonnenbrille aus der Tasche seiner zerfetzten Jeansjacke zog und sich diese aufsetzte, um den Kopf genießend und mit geschlossenen Augen in den Nacken kippen zu lassen und leise vor sich hin zu summen. Ich gab daraufhin nichts von mir, sondern kaute beleidigt weiter, während die anderen herzhaft lachten und Kai seinen kleinen Schatz auf den Schoß nahm, um ihn zu kitzeln. Die Zeit verging wirklich sehr schnell, wenn ich unter meinen Freunden war. Es erstaunte mich immer wieder, wie aus einem Augenblick plötzlich drei Stunden werden konnten, daran konnte ich mich einfach nicht gewöhnen. Aber heute würden wir noch etwas länger aufeinander herumhocken, was mich umso mehr freute. Toshiya hatte, nachdem wir fertig gegessen und uns mehrfach bei ihm bedankt hatten, weil es einfach köstlich gewesen war, das ganze Geschirr zurück in den Flechtkorb gepackt, und nur noch unsere Getränke und Knabbereien standen jetzt herum. Die Stimmung war gelassen und fröhlich. Der Schwarzhaarige hatte sich zwischen Aois ausgestreckte Beine gelegt, der mit Toshiyas Haar spielte und dabei ausgelassen mit Kai über dessen Studium redete. Ich fing nur einige Fetzen auf, während Kai redete. Mein eigentliches Augenmerk galt nämlich Reita, der mich die ganze Zeit so seltsam von der Seite betrachtete. Ich reckte leicht mein Kinn in seine Richtung, um zu verdeutlichen, dass ich wissen wollte, warum er so doof guckte. „Alles in allem macht es Spaß, wenn da nicht dieses hektische Hin und Her wegen meinem Aushilfsjob wäre. Manchmal krieg ich einfach nicht alles unter einen Hut!“, erzählte Kai gerade angeregt, während er auf einer Salzstange herumkaute, und ich hörte, wie Aoi einen verstehenden Laut von sich gab. Toshiya spielte währenddessen an seinen manikürten Nägeln herum und Ruki, der sich in Kais Armen befand, betrachtete die ganze Zeit über die Kinder, die von ihren Hunden um den Platz gejagt wurden und dabei lautstark giggelten. Nur Reita stütze sich im Sitzen mit einem Arm nach hinten ab und musterte mich mit verengten Augen, was langsam an meiner Geduld nagte. „Was ist denn?“, fragte ich genervt und zog eine Grimasse, als er gedankenversunken, „Wieso ist mir noch nie aufgefallen, dass dein Mund von der Seite wie ein Entenschnabel aussieht?“, fragte und dabei meine Lippen genauer musterte. „Ich tret’ dich gleich, du Vogel!“, meckerte ich, woraufhin sich die anderen uns zuwandten und neugierig wissen wollten, was los war. Ich wollte Reita gerade zuzischen, dass er schweigen sollte, als dieser seine neue Erkenntnis auch sofort in die Welt hinausposaunte und mich damit nur noch mehr verärgerte. „Warte, lass mich sehen!“, rief Toshiya gehetzt, der sich sofort aufsetzte, seine Hand unter mein Kinn legte und meinen Kopf zur Seite drehte, um sich mein Profil prüfend zu besehen. Hatten die alle irgendwas gesoffen oder was?! „Hast Recht!“, quäkte er und lachte, als ich schnaubend seine Hand wegwischte und beleidigt die Arme vor der Brust verschränkte. „Seid ihr bald fertig mit Lachen?“, fragte ich geknickt und schmollte, als Toshiya erneut zu mir herüberrutschte und in meine Wangen kniff. „Du bist so knuffig, wenn du schmollst, Schätzchen!“, schwärmte er mit großen Augen und drückte mir im nächsten Augenblick einen feuchten Kuss auf die Lippen, was mich wieder munter werden ließ. Die anderen lachten und Reita ging dazwischen, indem er laut, „Hey!“, machte und mich von Toshiya wegzog, damit er seine Arme besitzergreifend um mich legen und mich fest an sich drücken konnte. „Meins!“, zischte der Blonde mit zu Schlitzen verengten Augen, woraufhin Toshiya sich elegant eine dunkle Strähne aus dem Gesicht wischte, sich auf Aois Schoß setzte und unbeeindruckt, „Bleib mal frisch, Kindchen. Ich nehme dir deinen Schatz schon nicht weg. Immerhin habe ich meinen eigenen!“, säuselte. Darauf folgte ein kleiner Kuss, den Aoi verliebt lächelnd auf Toshiyas Wange drückte. Hatte ich schon einmal erwähnt, dass es einfach niedlich war, die beiden zusammen zu erleben? Damals war es mir immer unangenehm gewesen, da sie als Jugendliche nie etwas Besseres zu tun gehabt hatten, als sich gegenseitig in der Öffentlichkeit beinahe flachzulegen, doch jetzt waren sie einfach ein süßes Vorzeigepärchen. Oder inoffizielles Ehepaar, wie man’s nahm. Ich kuschelte mich in Reitas Arme, dessen linke, kühle Hand vorwitzig unter meine Jacke geschlüpft war, um meine Haut zu streicheln. Ich schloss gerade schnurrend die Augen, als ich sie wieder aufriss, da Ruki plötzlich verwundert, „Ruha, ist das nicht deine Mom?“, gefragt und somit unser aller Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Der Kleine deutete unauffällig in Richtung einer kleinen Ansammlung von hohen Scheinzypressen, die ungefähr fünfzehn Meter von uns entfernt standen. Ich schaute genauer hin und mir klappte der Mund auf, als ich tatsächlich meine Mutter erkannte. Das war sie, keine Frage! Ich hatte sie heute Morgen noch in den Klamotten aus dem Haus gehen sehen. Meine Mutter war aber nicht die einzige Person, die neben den Scheinzypressen stand und hingerissen lachte, sodass ich ihre wohlige Stimme sogar bis hierhin hören konnte und dadurch eine Gänsehaut bekam. Ein Mann, ungefähr zwei Köpfe größer als sie, hatte sich an den drei Meter breiten Baumstamm gelehnt, stand meiner Mutter von Angesicht zu Angesicht und lachte ebenfalls dunkel. Mir ging sofort nur eines durch den Kopf. Wer zum Teufel war das? Auch die anderen sahen hin, doch keiner sagte etwas. Es schien plötzlich so, als wären alle nebensächlichen Geräusche im Park verstummt, sodass ich nur die Lache der beiden Personen hören konnte, die voreinander standen und gar keine Notiz von ihrer Umgebung nahmen. Reita hatte schnell dafür gesorgt, dass ich meinen Mund wieder schloss, um mögliche Sabberattacken zu vermeiden. Auch er sah zu dem Gewächs hinüber und mir blieb das Herz schmerzhaft stehen, als ich den großen, schwarzhaarigen Mann dabei betrachtete, wie er beinahe viel zu sanft eine Strähne aus dem Gesicht meiner Mutter wischte. Zu allem Übel schloss diese auch noch verliebt lächelnd die Augen und schmiegte sich in die Berührung. Woah, schämte sich diese Frau denn nicht, so in aller Öffentlichkeit mit einem wildfremden Kerl herumzustehen, zu lachen und sich auch noch von dem anfassen zu lassen!? Ok.. Überreaktion. Ich spürte, wie Reita mir in die Seite zwickte, und ich zuckte zusammen und sah mit offenem Mund zu ihm hoch. „Uruha?“, wiederholte sich Ruki vorsichtig und ich wusste nichts anderes zu tun, als nervös zu lachen und dann abzuwinken. „Nein, nicht doch, niemals! Das ist nicht meine Mutter. Ne, Reita? Ne?“, plapperte ich völlig von der Rolle und lächelte unbeholfen, als Reita sofort nickte und, „Nein, das sieht man doch, dass das nicht Nami ist!“, versicherte. Ruki, der nur perplex in die Runde sah, entschuldigte sich gleich danach kleinlaut für die Verwechslung und blieb still. Nur Kai sah mit zusammengezogenen Brauen zu meiner Mutter rüber und fixierte mich dann, worauf es mir unangenehm den Rücken hinunterkroch. Dann lächelte er jedoch nur und sagte nichts weiter dazu. Aber ich wusste genau, dass auch er gemerkt hatte, dass dort meine Mutter stand. Kannte er sie doch beinahe genauso gut wie ich. Warum, in aller Welt, traf sich meine Mutter mit einem Mann, und das auch noch hinterrücks ohne mein Wissen? Mir war diese Entdeckung den Rest unseres Aufenthalts im Park einfach nicht aus dem Kopf gegangen. Egal wann die anderen einen Witz gerissen hatten, ich hatte nicht lachen können. Egal wann sie mich angesprochen oder mich etwas gefragt hatten, ich hatte sie nicht gehört und war in Gedanken gewesen. Jetzt saß ich in meinem Auto und ließ mich von Reita nach Hause fahren, weil ich nicht die Lust dazu verspürt hatte, mich hinters Steuer zu setzen. Wahrscheinlich wäre ich vor lauter Abwesenheit irgendwo gegen gerasselt. Das konnte ich nicht verantworten. Ich empfand die Stille, die im Inneren des Wagens herrschte, zum ersten Mal als sehr unangenehm und erdrückend. Unbewusst spielte ich an meinen Zeigefingern und kaute auf meiner Unterlippe herum, während ich versuchte, das überglücklich wirkende Gesicht meiner Mutter aus meinem Kopf zu bannen. Wann hatte sie das letzte Mal so ehrlich gelächelt? Ich glaubte, das war damals vor drei Jahren gewesen, bevor mein Vater an dem Autounfall gestorben war. Damals hatte sie immer dieses strahlende Lächeln auf den Lippen gehabt und heute hatte ich genau dieses nach drei Jahren zum ersten Mal wieder gesehen. Irgendwie brach es mir das Herz, wenn ich daran dachte, dass es nicht mein Vater gewesen war, der ihr dieses Lächeln entlockt hatte.. „Das war sie“, bemerkte Reita nur, weil ihm die Stille zwischen uns anscheinend auch nicht bekam. Ich gab ein heiseres, „Ja“, von mir und verfiel wieder dem Schweigen. „Wirst du sie darauf ansprechen?“, fragte er leise weiter und löste somit so etwas wie Unwohlsein in mir aus. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Was sollte ich denn jetzt machen? Ich traute mich nicht, ihr ins Gesicht zu sehen und sie darauf anzusprechen, auch wenn es albern klang. Ich kam mir plötzlich so hilflos vor, weil ich immer gedacht hatte, dass ich meine Mutter genauestens kannte. Aber heute hatte sich das Gegenteil bewiesen. Sie hatte mir verheimlicht, dass sie sich mit einem Mann traf. War ich ihr denn nicht vertrauenswürdig genug? Oder hatte sie Angst gehabt, es mir zu sagen und mich somit vielleicht zu enttäuschen? Und seit wann sahen sich die beiden eigentlich schon? Es hatte wirklich nicht so gewirkt, als hätten sie sich erst vor ein paar Minuten kennengelernt. Es war so vertraut rübergekommen. „Baby?“, kam es leise von Reita, der mich besorgt musterte. „Hm?“, machte ich verwirrt und lächelte hilflos, als er sich wiederholte. „Ich.. Ich weiß es nicht..“, fing ich an und überlegte angestrengt vor mich hin, während Reita darauf wartete, dass es wieder grün wurde. „Ich denke, ich warte, bis sie es mir von selbst sagt“ Ja, ich denke, genau das würde ich tun. Das war immer noch das Beste. Immerhin wollte ich nicht, dass sie sich von mir in die Ecke gedrängt fühlte. Wenn sie noch nicht wollte, dass ich es erfuhr, dann würde ich eben warten. Nach dem heutigen Tag hatte ich wirklich auf nichts mehr Lust, also blieb ich auch zu Hause. Reita hatte vollstes Verständnis dafür gehabt. Er hatte mich an der Haustür verabschiedet und war den Rest bis zu sich nach Hause zu Fuß gegangen. Dass bei meiner Ankunft keiner im Haus gewesen war, hatte mich doch irgendwie nieder gemacht. Bis jetzt hatte mich meine Mutter immer empfangen, wenn ich zurückgekommen war. Wahrscheinlich dachte sie, dass ich gerade bei Reita war. Immerhin wollte ich ja eigentlich bei ihm bleiben. Aber er hatte selbst gesagt, ich solle nach Hause gehen und mir einen klaren Kopf machen. Ja.. Nur wie? Meinen Kopf aufschrauben und mir das Hirn rausnehmen konnte ich ja schlecht, und anders verstand ich das “im Kopf klarmachen“ auch nicht. Hatte ich also Pech, hm? Ich hatte mich nach meiner Ankunft erst einmal ausgiebig geduscht und hatte mich danach warm angezogen, um mich sogleich auf mein Bett zu legen. Ich setzte meine Lesebrille auf, schnappte mir mein Buch über verschiedene Massage-Griffe und deren richtige Anwendung und begann, zu lesen, da ich in dieser Stille sonst noch wahnsinnig werden würde. Ungefähr eine Stunde lang versuchte ich mich mit dem dicken Klotz zu beschäftigen, doch als ich plötzlich hörte, wie unten die Haustür aufging und meine Mutter hereintrat, sank mir das Herz in die Hose und meine Finger wurden schwitzig, worauf ich das Buch schnell zuklappte. Jetzt ja nicht aufregen, Uruha, immer mit der Ruhe. Pah, wenn das mal so einfach wäre! Ich blieb auf dem Bauch liegen und tat wieder so, als würde ich lesen. Die polternden Schritte meiner Mutter waren zu hören. Sie klopfte an und riss sogleich die Tür auf, was mich prusten ließ. Also, das würde sich sicher nie ändern! „Kouyou mein Schatz, was machst du denn hier?“, fragte sie leicht außer Atem und sprintete auf mich zu, um sich sogleich johlend auf mein Bett zu schmeißen und sich auf mich zu legen. „Ich wohne hier, Ma!“, presste ich nach Luft ringend aus mir und nahm schnell meine Brille ab, damit ich mich nicht verletzte. Komisch.. Sie war so gut drauf. Beinahe wie ein verliebter Teenager. „Das weiß ich doch auch, du Scherzkeks! Ich dachte nur, dass du heute bei Akira übernachten willst“, erklärte sie lachend und stutzte, als mir, „Ach, willst du mich etwa nicht hier haben?“, rausrutschte und ich mir sofort die Hand auf den Mund presste. „Was?“, fragte sie verwirrt und hockte sich auf meinen Steiß, beugte sich vor und schielte mich dann von der Seite an. „Ich glaub, du spinnst wohl, Freundchen!“, grinste sie und gab mir einen übereifrigen Kuss auf die Wange. Ok, das war mir wirklich zu viel gute Laune. „Ma, hör auf mich abzuschlabbern!“, protestierte ich und rollte mich herum, sodass sie seitlich von mir runterkippte und vergnügt zu lachen begann. Was hatte dieser dreckige Mann mit meiner Mutter angestellt, dass sie jetzt so aus dem Häuschen war?! Wenn ich den je wieder sehen sollte, würde ich ihn verprügeln! „Wie lief euer Picknick?“, fragte sie lächelnd und sah zur Seite, um mich zu mustern. Ich hatte mich seitlich hingelegt, meinen Kopf in einer Hand abgestützt, und sie lag auf dem Rücken, alle Viere von sich gestreckt. „War schön. Toshiya hat uns mit seinen phänomenalen Kochkünsten so richtig verwöhnt. Und außerdem war der Park für das heutige Treffen wie für uns gemacht“, erzählte ich und wählte meine Worte sorgsam aus. Ich hatte meiner Mutter nicht gesagt, dass wir in einem Park hatten picknicken wollen. Ich merkte, wie sie kurz die Luft anhielt, diese dann jedoch leise und pfeifend entließ und mich anblinzelte, ehe sie, „In welchem Park wart ihr denn?“, fragte und neugierig auf eine Antwort wartete. „Im Yamashita Park, Ma“, gab ich so unberührt wie möglich von mir und entdeckte mit aufkommender Zufriedenheit, wie sie plötzlich nervös wurde, es aber zu überspielen versuchte. „Ach, echt? D-da bin ich auch gewesen, um mir die Beine zu vertreten und sowas“, sagte sie stotternd und grinste mich schief an, was ich leider nicht erwidern konnte. Mir stand wirklich nicht der Sinn nach Grinsen. „Ach, warst du das?“, entgegnete ich gespielt überrascht und fügte im sarkastischen Ton, „Hab dich dort nicht gesehen“, hinzu. Und genau die unscheinbare Reaktion, die sie nach meinem Satz zeigte, verletzte mich wirklich. Sie atmete erleichtert aus, legte sich eine Hand auf die Brust und schloss lächelnd die Augen. Danke, Ma, wirklich. Es war schön zu sehen, wie wenig du mir vertraust.. „Könntest.. Könntest du jetzt bitte gehen? Ich bin ein bisschen müde und würde nun gerne schlafen“, murmelte ich leise, und meine Mutter, die so etwas gar nicht von mir kannte, sah mich perplex an und wirkte plötzlich nicht mehr so erleichtert und fröhlich. „Geht’s dir nicht gut, mein Schatz?“, fragte sie besorgt und rollte sich zur Seite, um sanft meine Stirn zu befühlen. Ich zeigte ein seichtes Lächeln und versicherte ihr, dass alles in Ordnung war und ich nur schlafen wollte. „Aber es ist doch noch so früh“, flüsterte sie und neigte ihren Kopf zur Seite, als ich bedeutungslos abwinkte und sie noch einmal höflich darum bat, mein Zimmer zu verlassen. „Na gut, ich bin ja schon weg!“, ergab sie sich geschlagen und stieg aus meinem Bett, jedoch nicht, bevor sie mir einen Kuss auf die Stirn gab und mir süße Träume wünschte. Sobald die Tür hinter ihr zufiel, gab ich ein trauriges Seufzen von mir und wälzte mich in meinem Bett herum. Kapitel 5: ~5~ -------------- Nach der Entdeckung im Park war alles wieder wie vorher. Wenn ich nicht schon wüsste, dass meine Mutter sich heimlich mit einem Mann traf, würde ich jetzt in der Gewissheit leben, dass sich rein gar nichts geändert hatte. Ihr Verhalten war an dem Tag nach dem Picknick recht auffällig gewesen, doch das hatte sich sofort wieder gelegt. Sie ging wie gewohnt zur Arbeit, besuchte zwischendurch mal meine Tante oder Reitas Mutter und hing den Rest des Tages zu Hause herum, um bei mir zu sein. Vielleicht.. Vielleicht hatte ich das Gesehene ja doch nur falsch aufgefasst und bildete mir jetzt irgendetwas drauf ein? Der Gedanke, dass ich doch nur alles falsch verstanden hatte, beruhigte mich ungemein. Ich ging an diesem Montagvormittag die Treppen nach unten, weil ich meine Mutter an der Tür verabschieden wollte, da sie zur Arbeit musste. Ich wiederum hatte heute frei und durfte den ganzen Tag faulenzen. „Bist du dir sicher, dass ich dich nicht doch fahren soll?“, fragte ich sie und presste missmutig die Lippen aufeinander, als sie den Kopf schüttelte und mir schnell einen Kuss auf die Wange gab. „Es kann sein, dass ich heute etwas länger arbeiten muss und es spät wird!“, informierte sie mich und zog sich dabei ihren schwarzen, taillenbetonten Blazer an, öffnete dann die Haustür und trat hinaus. Och ne, schon wieder Überstunden? Ah.. AH! Augenblick mal! Wieso fiel mir das erst jetzt auf?! Sie hatte schon vor längerer Zeit angefangen, mir immer wieder zu sagen, dass sie vielleicht Überstunden machen musste. Und sie war wirklich jedes Mal später nach Hause gekommen, als üblich. Konnte es etwa sein, dass sie sich nach der Arbeit mit diesem Schnösel traf und Überstunden als Ausrede verwendete?! So oft konnte man doch nicht länger machen! Mein Gesichtsausdruck musste ziemlich verwirrend ausgesehen haben, denn meine Mutter hatte wissen wollen, ob etwas nicht stimmte. „Nein, alles in bester Ordnung! Bis später!“, blockte ich ungewollt kühl ab und schlug die Haustür vor ihrer Nase zu. Gott, ich war so dumm! Wie blind war ich eigentlich? Meine Mutter nutzte die Zeit nach der Arbeit, um diesen Kerl zu sehen. Ah, ich wollte heulen! Wie es zu erwarten gewesen war, kam meine Mutter heute tatsächlich nicht pünktlich um sechs nach Hause. Betrübt musterte ich mein Essen und blickte dann zur anderen Seite des Tisches rüber, auf der der Teller meiner Mutter stand. Ich hatte extra Essen gekocht und den Tisch gedeckt. Und außerdem wollte ich mich bei ihr entschuldigen, weil ich heute Morgen einfach so die Tür vor ihr zugeknallt hatte. Trübsal blasend stütze ich meinen Kopf in meinen Händen ab und schimpfte innerlich mit mir selbst, als ich auch sofort aus meiner Einsamkeit gerissen wurde. Es klopfte an der Tür. In der Hoffnung, dass es meine Mutter war, hastete ich in den Flur und riss die Haustür auf, doch schnell verwehte mein Lächeln, als ich nicht meine Mutter, sondern Reita vor mir sah. Der Blonde schaute verdutzt und schüttelte den Kopf, als ich mich seufzend zum Gehen umwandte. „Wenn du willst, geh ich wieder“, sagte er mit einem abgespreizten Daumen, mit dem er hinter seine Schulter deutete, doch konnte ich hören, dass er schmunzelte. Ich drehte mich herum und winkte ihn herein. „Ach was, schon gut. Tut mir leid, war nicht so gemeint. Komm rein, dann kannst du gleich mitessen“, sagte ich mit ansteigender Lustlosigkeit und schlurfte zurück in die strahlende Küche, die ich vor Stunden sauber gemacht hatte, weil mir langweilig gewesen war. Der Ältere folgte mir nach einigen Augenblicken in die Küche und setzte sich neben mich, um mich eingehend zu mustern. „Hm?“, machte ich nur und sah ihn leicht abwesend an. Er schaute sich kurz in der Küche um, fixierte mich dann wieder und fragte leise, „Müsste Nami nicht schon längst da sein?“ Auf seine Frage hin nickte ich nur. Doch dann entschied ich mich dazu, in einem vorwurfsvollen Ton, „Sie macht Überstunden!“, zu sagen und dabei düster vor mich hin zu starren. Reitas große Hand, die, seit er mit seiner Ausbildung angefangen hatte, viel rauer geworden war, streichelte mir leicht über die Wange und ließ mich erschaudern. Ich liebte es, wenn er mich so anfasste. Er drehte mein Gesicht sanft zu sich und lächelte beruhigend, was mich wohlig aufseufzen ließ. Doch sofort verschwand dieser Ausdruck von Zufriedenheit aus meinem Gesicht, als er blauäugig, „Sie kann doch nichts dafür, wenn sie länger arbeiten muss“, sagte und mir dabei einige Strähnen hinters Ohr wischte. Ich schnippte ihm grob gegen die Stirn, was ihn perplex und leicht angesäuert gucken ließ, und brummte unzufrieden, „Denk doch mal nach, Rei. Ich glaube kaum, dass sie wirklich Überstunden macht!“, woraufhin es auch ihm langsam dämmerte. Seine Augen weiteten sich leicht und er gab ein verstehendes, „Oh!“, von sich, woraufhin ich, „Ja, oh!“, machte und schnaubend die Arme vor der Brust verschränkte. „Weißt du, du hast dich selbst dafür entschieden zu warten bis sie es dir selbst sagt. Also solltest du dich jetzt auch nicht so aufführen!“, meinte er besserwisserisch und regte mich somit unnötig auf. „Verschone mich mit deinem klugscheißerischen Gehabe!“, fuhr ich ihn an und fing an, das Essen murrend in mich hinein zu spachteln. Reita erhob sich tonlos, um sich ebenfalls etwas von dem Essen zu nehmen und dann schweigend zu essen. Nachdem wir fertig waren, entschuldigte ich mich kleinlaut bei ihm, weil ich kein Recht dazu hatte, ihn einfach so anzufahren, nur weil ich schlechte Laune hatte. „Schon gut“, versicherte er lächelnd und scheuchte mich aus der Küche, um für mich aufzuräumen. Nach einigen Minuten öffnete sich meine Zimmertür und der Blonde betrat den Raum, lächelte mir zu und setzte sich neben mich aufs Bett. Ich blickte nur verdutzt auf die Zeitung, die er in der Hand hielt. Hatte er wahrscheinlich aus dem Wohnzimmer mitgehen lassen. Er schnappte sich einige der kleinen Kissen, die auf meinem Bett verstreut waren, und lehnte sich dann an die Kopfseite des runden Bettgestells, faltete die Zeitung auf und räusperte sich laut, ehe er tatsächlich zu lesen anfing. Ich krabbelte neben ihn und neigte mich zur Seite, um ebenfalls in die Zeitung gucken zu können. Keine Frage, das war wirklich eine Zeitung! „Seit wann liest du Zeitung, um Himmels Willen?“, fragte ich verwirrt und sah ihn dementsprechend an. Er grinste mich nur kurz an, widmete sich dann wieder dem Schwarz-Weiß-Druck und antwortete knapp, „Seit eben!“ Ich schüttelte nur den Kopf und zwang ihn dazu, einen Arm um mich zu legen, damit ich mich gemütlich an ihn schmiegen konnte. Nachdem ich bequem neben ihm saß und meinen Kopf auf seiner Schulter ablegte, blätterte er auf die nächste Seite und erntete von mir ein Schnauben. „Reichen dir die Pornos auch nicht mehr, dass du dir jetzt auch noch die Kontaktanzeigen durchlesen musst, um dir hinter meinem Rücken ’ne Vorzeigeschwuchtel zu schnappen und mich mit diesem zu hintergehen, du Schwein?“, fragte ich gespielt vorwurfsvoll, während ich auf eben Genannte deutete, und wurde sofort leicht rot um die Nase, als er die Zeitung weglegte, mich am Kinn packte und mein Gesicht zu sich drehte, um leise, „Jetzt hör mir mal zu, du Trottel!“, zu flüstern. Mit jedem folgenden Wort seinerseits wurde mir nur noch wärmer, was sich in meinem Gesicht widerspiegelte. „Ich bin seit drei spektakulären Jahren mit dem wunderbarsten Mann Japans zusammen, wofür ich wirklich dankbar bin, und werde von diesem geliebt, was für mich noch immer ein Wunder ist. Denkst du, da habe ich es nötig, mir irgendwelche schmutzigen Kontaktanzeigen durchzulesen oder Pornos zu glotzen und mich dran aufzugeilen? Ich habe tagtäglich einen lebenden Porno neben mir sitzen, da habe ich so etwas echt nicht mehr nötig!“, redete er und schüttelte lachend den Kopf, als ich kleinlaut, „Wieso nicht der wunderbarste Mann der Welt?“, fragte, mich aber dichter an ihn kuschelte. Ich konnte nicht leugnen, dass mein Herz ob seiner Worte gerade wie verrückt hart gegen meine Brust hämmerte. Und als ich leicht mit einer Hand über seine Brust streichelte, fühlte ich, dass es ihm nicht anders ging. „Ich liebe dich so sehr, Rei“, flüsterte ich ihm ins Ohr und senkte mein Gesicht verlegen lächelnd in seine Halsbeuge, als er leise, „Siehst du? So ein verkorkster Typ wie ich wird von so jemandem wundervollen wie dir geliebt. Da stimmt doch was nicht!“, meinte, meine Aussage dann aber lächelnd erwiderte und mir einen Kuss auf den schwarzen Schopf hauchte. Und gleich danach schlug er die Zeitung wieder auf, blätterte um und riss eine Seite heraus. Ohne hinzugucken fragte ich, „Was machst du?“, und biss ihm beleidigt in den Hals, als er feixend, „Ich reiße mir die Kontaktanzeigen raus!“, antwortete, dann aber aufjaulte. Sobald er den Papierfetzen in seiner hinteren Jeanstasche verstaut hatte, schubste er mich von sich und kletterte über mich, um mich grinsend zu kitzeln. Während ich so von Reita gequält wurde, merkte ich nicht, wie die Zeit verging. Sie hätte doch schon längst zurück sein müssen.. Als er endlich von mir abließ, holte ich versucht ruhig Luft, da ich nicht genug Sauerstoff bekam. Er hatte sich auf den Bauch gedreht und lag jetzt neben mir, betrachtete mich, während ich angestrengt Luft holend gen Zimmerdecke stierte und an nichts zu denken versuchte. „Meinst du nicht, dass es besser wäre, wenn du sie einfach darauf ansprichst?“, ertönte es plötzlich neben mir und ich sah ihn verwundert an, dachte dann schweigend über seine Worte nach. Ich wusste ja nicht, was das Beste war. Einerseits fand ich es falsch, ebenfalls darüber zu schweigen, aber andererseits war es auch so, dass mich das eigentlich nichts anging. Ah, halt! Natürlich ging mich das was an! Ich war immerhin ihr Sohn! „Ich brauche noch ein wenig Zeit“, sagte ich heiser, hustete kurz und drehte mich dann auf die Seite, um ihn besser ansehen zu können. „Du meinst, du musst dich für das Gespräch, was du so oder so bald mit ihr führen musst, vorbereiten?“, merkte er an und schloss lächelnd die Augen, als ich nickte. Ich betrachtete ihn eine Weile und wurde dann auf seine hintere Hosentasche aufmerksam. Der Papierfetzen lugte leicht heraus, also zog ich mit einer schnellen Bewegung den Fetzen aus seiner Tasche, was ihn die Augen schnell aufmachen ließ, und faltete das Papier auf, um mir die Kleinanzeigen anzusehen, die sich hinter den Kontaktanzeigen befanden. Während er versuchte, mir den Zettel hastig zu entreißen, indem er sich auf mich schmiss, las ich mir schwerfällig die Wohnungsangebote durch und musste unwillkürlich lächeln. Wie gerne würde ich gemeinsam mit Reita in eine Wohnung ziehen. Wir hatten uns schon des Öfteren darüber unterhalten. „Oh, schau mal. Das klingt doch eigentlich nicht schlecht, oder?“, sagte ich aus und deutete mit einem Finger auf die Anzeige, woraufhin sich Reita ergeben auf mich legte und ebenfalls aufs Papier schielte. „Hmhm“, machte er nur desinteressiert, betrachtete dennoch die Anzeige wie gebannt, die ich mir jetzt noch einmal durchlas. Die Wohnung befand sich in der Stadt, in der Nähe von Aoi und Toshiya, hatte Küche, Bad, ein kleines Wohnzimmer und ein Schlafzimmer. Und der Preis stimmte eigentlich auch. Nur war es für mich zurzeit unmöglich, hier auszuziehen. Besonders jetzt, wo ich nicht wusste, was meine Mutter hinter meinem Rücken trieb, wollte ich nicht gehen. Ich wollte Gewissheit über die Situation haben. „Würdest du noch immer mit mir zusammenziehen wollen, auch wenn es noch länger dauert?“, fragte ich Reita einfach mal so, zog dabei einen Schmollmund und legte meine Arme lächelnd um ihn, als er, „Wieso sollte ich es nicht wollen? Ich warte nur auf dein Zeichen. Von mir aus könnten wir jetzt sofort zusammenziehen!“, sagte und seine Stirn gegen meine lehnte. „So würden wir uns wenigstens endlich jeden Tag sehen..“, murmelte er dann in meinen Kragen und presste sich fester auf mich, schnappte mir aber den Ausschnitt aus der Hand und stopfte ihn schwerfällig zurück in seine Hosentasche, um mir gleich danach einen dieser Küsse zu geben, die ich so sehr liebte und nie mehr auf diese verzichten wollte. Ich ließ mich von Reita auf andere Gedanken bringen, gab mich ihm hin und erlaubte es ihm wie so oft, mich zu dominieren. Gerade als ich anfing, seine rauen Finger zu genießen, die unter meinen Hosenbund geschlüpft waren und mich sanft aber dennoch bestimmend streichelten und abzulenken versuchten, hörte ich die Haustür auf- und wieder zu gehen. Dies trug dazu bei, dass ich mich sofort mit flachen Händen gegen seine Brust stemmte, damit er von mir runter ging. Doch der Ältere hatte seinen eigenen Willen. „Steh schon auf, Rei. Wenn sie plötzlich wieder reinplatzt, was dann?“, fragte ich leicht verzweifelt und zappelte unter ihm hin und her, was ihn jedoch nur grinsen ließ. „Wenn sie uns so erwischt, lernt sie vielleicht endlich, anzuklopfen und wieder zu gehen, wenn du sie nicht hereinbittest“, wisperte er mir mit einem erregten Knurren ins Ohr und zeichnete dieses sogleich provokativ mit seiner Zunge nach, was mir ein leises Seufzen entlockte. Als er mir grob in den Schritt griff und sich an meinem Hals festsaugte, entfleuchte mir ein verzücktes Stöhnen und ich krallte mich in seinen Rücken, um ihn fester an mich zu drücken. Nur ging in dem Augenblick auch die Tür auf und meine Mutter blieb mit einem vereisten Gesichtsausdruck vor der Tür stehen. Ihre Gesichtsfarbe veränderte sich schlagartig, und so glich sie jetzt eher einer roten Ampel. Meine Beine, die ich vorher noch fest um Reitas Hintern geschlungen hatte, sackten auf die Matratze zurück und ich erhob mich leicht, so auch Reita. Doch während der Blonde nur verkrampft sein Lachen unterdrückte, versuchte ich mit rot angelaufenem Gesicht nicht zu stöhnen, da der Blödmann noch immer nicht von mir abgelassen hatte und mich weiterhin mit einer Hand in der Hose unauffällig massierte. „M-ma, ich wär’ dir echt dankbar, w-wenn du-“, gab ich zittrig von mir und ließ mich laut keuchend zurück auf die Matratze fallen, da sie wortlos die Tür schnell wieder zugezogen hatte. „Geht doch!“, gab Reita schelmisch von sich und ließ es sich nicht nehmen, meinen Schritt weiter zu massieren. „Wäre das deine Mutter gewesen, hättest du mich schon vorher aus deinem.. Aaaah, Rei.. Aus deinem-“ „Bett gekickt?“, beendete er leise meinen Satz nahe meinen Lippen für mich, und das war nicht das Einzige, was er beendete. Nachdem ich einige Augenblicke später erleichtert in mir zusammensackte, erhob sich der Ältere, um rüber ins Bad zu gehen und seine Hände zu waschen. Gleich darauf kam er mit einigen Tüchern zurück, um mich ebenfalls zu säubern. Ich schnaubte nur mit einem versucht bösen Blick, brachte ihn somit aber nur zum Lachen. „Den Blick musst du noch mal üben, Schönheit!“, stichelte er und verschwand erneut im Bad. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass es kurz vor halb zehn war. Diesmal war sie sogar noch länger weg gewesen! Ich erhob mich von meinem Bett und ging runter in die Küche, um nach meiner Mutter zu sehen, da ich wusste, dass sie dort war. Als ich eintrat, blickte sie kurz auf, senkte ihren Kopf aber sofort wieder über den Teller, weil sie ihre roten Wangen verstecken wollte. Verdammt, wieso geriet immer ich in solche peinlichen Situationen?! Mich verlegen am Nacken kratzend grüßte ich sie kleinlaut und setzte mich gegenüber von ihr an den Tisch. Sie murmelte nur eine kleine Begrüßung und aß weiter. Und in diesem Moment war mein Hirn wie leer gepustet. Unbeholfen schaute ich in der Küche umher und wusste auch nicht, was ich sagen sollte. Doch dann entkam mir leise, „Du hast in letzter Zeit wirklich viele Überstunden, kann das sein?“ Sie hielt daraufhin ihren Atem an, was ich bemerkte. Schnell kaute sie zu Ende, schluckte alles schwerfällig runter und druckste, „Hm, ja, es gibt zurzeit vieles zu tun in der Agentur!“, was für mich kein wenig glaubwürdig rüberkam. Ich konnte mich nur schwer zurückhalten, um nicht verächtlich zu schnauben. Wieso tat sie das? Was wollte sie damit bezwecken? Hatte sie sich denn nicht überlegt, dass ich irgendwann vielleicht herausfinden würde, dass sie sich mit einem Mann traf? Sie müsste doch wissen, dass es für mich noch schlimmer wäre, es auf diese Weise zu erfahren, als wenn sie es mir persönlich sagte. Während ich versuchte, mir das Verhalten meiner Mutter zu erklären, kaute ich auf meiner Unterlippe herum und zuckte verschreckt zusammen, als sich plötzlich zwei starke Arme von hinten um mich legten. Meine Mutter räusperte sich nur verhalten und ich sah leicht hinter mich und hatte sofort das fette Grinsen Reitas vor meinen Augen. „Du bist unmöglich!“, zischte ich ihm so leise wie möglich zu und erhob mich vom Stuhl, um ihn zu verabschieden. Der Blonde winkte meiner Mutter nur gut gelaunt zu, die mit roten Bäckchen und einem beschämten Lächeln zurückwinkte, und ließ sich dann von mir in den Flur ziehen. „Musst du so sehr provozieren?“, fragte ich angesäuert, war aber bedacht darauf, dass meine Mutter uns nicht hören konnte. Immerhin gab es keine Tür, die die Küche vom Flur trennte. Der Blonde schnürte sich gerade die Chucks zu und giggelte dabei leise, wofür ich ihm leicht auf den Hintern schlug und ihn so zum Krächzen brachte. „Lass das!“, maulte er und zog eine Schnute, als ich unberührt, „Wieso? Du machst das auch andauernd bei mir!“, argumentierte und ihm fest an den Po langte. Hatte ich schon mal erwähnt, dass mein Freund einen tollen Hintern hatte? „Ja, aber ich darf das!“, motzte er und entkam meiner Hand, indem er sich einmal im Kreis drehte. Gleich darauf gab er mir einen feuchten Abschiedskuss und lief lachend aus dem Haus, weil ich ihm zeternd hinterher hasten wollte. Ich sah ihm lächelnd nach, wie er pfeifend die matt beleuchtete Straße entlangging, und verschwand wieder zurück ins Haus, nachdem ich ihn nicht mehr in der Dunkelheit erkennen konnte. Meine Mutter trat aus der Küche und lief schnell die Treppen hoch, und es wirkte für mich so, als wolle sie vor mir flüchten. Ich überlegte nicht lange, sondern öffnete schnell den Mund, um etwas von mir zu geben. „Ma!“, fing ich wahllos an, doch sie unterbrach mich, indem sie mit einem nervösen Lächeln, „Tut mir leid, mein Schatz, aber es ist schon so spät und ich bin völlig fertig. Ich werde mich jetzt schlafen legen, ja?“, von sich gab, sich wieder herumdrehte und die letzten Stufen nach oben hopste. Ja, so konnte man sich auch vom Acker machen! Unzufrieden mit der ganzen Situation schlurfte ich später in mein Zimmer, nachdem ich mir vorher einen Tee gemacht und diesen in der Küche ausgetrunken hatte. Ich warf mich rücklings auf mein Bett, faltete die Hände auf meinem Bauch zusammen und schloss die Augen. Ich konnte einfach nicht in Ruhe über die Situation nachdenken. Ich war mir nicht einmal mehr im Klaren, was ich überhaupt für eine Beziehung mit meiner Mutter führte. War ich ihr inzwischen schon so unwichtig, dass sie es nicht für nötig hielt, mir beizubringen, dass sie sich wahrscheinlich neu verliebt hatte? Denn so war es doch, oder nicht? Mit einem abfälligen Laut raufte ich mir die Haare und rollte mich auf der Matratze hin und her. Wenn sie es mir nicht bald selbst sagen würde, würde ich wahrscheinlich platzen! Ich traute mich einfach nicht, sie von allein darauf anzusprechen. Wie würde sie reagieren? Was wenn sie es vielleicht sogar abstreiten würde, auch wenn ich sie selbst gesehen hatte? Oder was, wenn ich mir das alles wirklich nur einbildete und meine Mutter somit ohne Grund beschuldigte? Mir schwirrten plötzlich absurde Folgen eines Gesprächs im Kopf herum. Meine Mutter, wie sie so tat, als wüsste sie nicht, was ich meinte. Wie sie sich empört erhob, mich ohrfeigte und aus dem Zimmer schritt, um tagelang nicht mehr mit mir zu reden. Würde so etwas passieren, würde ich sicherlich innerlich sterben. Allein der Gedanke, dass meine Mutter enttäuscht von mir sein könnte, brachte mich fast um. Ich seufzte laut und lang gezogen und rollte mich zuletzt auf den Bauch, schaltete das Licht aus – ich hatte seit neuestem einen Lichtschalter gleich neben mir an der Wand, damit ich nicht immer aufstehen musste – und versuchte, meine Gedanken zu ignorieren, was mir kein wenig gelang. Ich fand keinen ruhigen Schlaf wegen all der Überlegungen, die mir nacheinander durch den Kopf brausten und mir somit Schmerzen bereiteten. Ich brauchte einfach den ultimativen Beweis, dass meine Mutter sich mit diesem Schnösel traf. Und was war da nicht besser als Stalken? Genau, und zwar gar nichts! Dass sie durch so eine Aktion meinerseits sicher enttäuscht wäre, blendete ich jetzt einfach mal aus. Die Nacht war für mich nicht sehr erholsam gewesen. Immer wieder hatte ich mich im Bett unruhig hin- und hergewälzt, hatte aus dem Fenster den sternenlosen Himmel über mir betrachtet und hatte mir überlegt, wie ich am besten vorgehen sollte, wenn ich meiner Mutter nachspionieren wollte. Es wäre fatal, wenn sie mich entdecken würde. Aber ich hatte beschlossen, dass ich das durchziehen würde, jedoch nicht allein. Reita würde ich mitnehmen. Fragte sich jetzt nur, ob er auch mitmachen würde. Wenn er nicht freiwillig zustimmte, würde ich ihn schon mit anderen Mitteln dazu überreden. Am Morgen wachte ich überpünktlich und voller Tatendrang auf, sodass ich noch eine halbe Stunde in der Küche herumsitzen konnte, weil ich mich schon fertig gemacht hatte. Ich frühstückte in Ruhe und ging in Gedanken den Arbeitstag meiner Mutter durch. Sie würde eine Stunde nach mir das Haus verlassen, würde sicher wie immer keine Pause machen und müsste dann eigentlich um sechs Feierabend haben. Aber wahrscheinlich hatte sie heute wieder “Überstunden“. Ich hätte heute nach fünf Feierabend, und das hieß für mich, dass ich gleich nach der Arbeit rüber in die Agentur fahren würde, um sie dort zu beobachten. Aber wie sollte ich dann Reita mitnehmen? Er würde sicher lieber schlafen wollen, als sich meinem verrückten Entschluss anzuschließen und müde meiner Mutter hinterher zu spionieren. Ich kratzte mich überlegend am Hinterkopf, während ich mit einem Strohhalm meinen Saft trank, und schrak zusammen, als meine Mutter sich hinter mir verwundert zu Wort meldete. „So früh und du bist schon fertig?“, hatte sie überrascht gefragt und machte sich jetzt stumm einen Kaffee, nachdem ich nur genickt hatte. Ich konnte die Spannung, die plötzlich zwischen uns herrschte, förmlich riechen. Sicher fragte sie sich, wieso ich mich so seltsam benahm. Aber irgendwie taten wir es ja beide, oder nicht? Sie verschwieg, dass sie jemanden kennengelernt hatte und ich verschwieg, dass ich darüber Bescheid wusste. Eigentlich waren wir beide doof. Ach, was soll’s. Ich wartete gerade darauf, dass mir meine Mutter mitteilte, dass sie heute wieder länger arbeiten müsste. Doch kam nichts in der Richtung von ihr. Sie setzte sich zu mir an den Tisch, nippte an ihrem heißen Kaffee und sah mich dann direkt an. „Ich werde heute nach der Arbeit noch in die Stadt, weil ich einige Besorgungen machen muss. Brauchst du vielleicht etwas?“, fragte sie aus heiterem Himmel und mir entkam nur ein verwirrtes Blubbern. „Ähm..“, machte ich einfallsreich, nachdem ich aufgehustet hatte, und überlegte kurz, ehe ich verneinte. „Bist du dir sicher?“, wollte sie wissen und verstummte lächelnd, als ich nur verwirrt nickte, um ihr erneut zu verdeutlichen, dass ich nichts brauchte. Ach, wollte sie sich also in der Stadt mit dem Kerl treffen? In aller Öffentlichkeit?! Ja, ich reagierte wieder über. Ich versuchte nicht zu zeigen, dass ich plötzlich ziemlich aufgeregt war. Ich erhob mich entschuldigend, räumte mein benutztes Geschirr weg und schrieb Reita sofort eine Nachricht, als ich aus der Küche raus ging, um mir im Flur Jacke und Schuhe anzuziehen. Nachdem die Nachricht versendet war, verabschiedete ich mich übereilig von meiner Mutter, die mir nur verdutzt nachsah, und verließ eilig das Haus. Es war nicht verwunderlich gewesen, dass mein Handy einige Augenblicke später zu klingeln begonnen hatte. Ich hatte mich in meinen Wagen gesetzt und mein Handy schnell aus meiner Jackentasche gefischt. Dass es Reita war, der mich anrief, wusste ich. „Bist du bescheuert?“, ertönte es sofort in meinen Ohren als ich dranging, und ich entgegnete sarkastisch, „Dir auch einen guten Morgen, mein Schatz. Ich liebe dich auch!“ Ich hörte den Blonden nur am anderen Ende des Hörers schnauben und gleich darauf ertönte im Hintergrund ein Rufen, der sicher von einem seiner Arbeitskollegen abgelassen wurde. „Ich habe dich für etwas erwachsener gehalten, Uruha. Das ist doch wohl nicht dein Ernst, oder?“, sprach er, und ich hörte aus seinem Tonfall, dass er ungläubig die Brauen zusammengezogen und die Stirn in Falten gelegt hatte. „Was soll ich denn sonst tun, Rei? So habe ich wenigstens den Beweis vor Augen, verstehst du? Ansonsten kann ich noch lange warten, bis sie es mir von selbst sagt und ich endlich weiß, was Sache ist!“, rechtfertigte ich mich und Reita fing an zu protestieren, doch plötzlich wurde die Beifahrertür aufgerissen, was mich aufschrecken ließ, und meine Mutter hielt mir breit lächelnd mein Frühstück hin. „Du hast deine Bento-Box auf der Anrichte vergessen, mein Schatz!“, sagte sie und lehnte sich zu mir rüber, um mir einen sanften Kuss auf die Wange zu geben. „D-danke!“, gab ich aufgelöst von mir und hörte Reita gar nicht, der, „Hey, hörst du mir überhaupt zu?“, fragte und laut herummotzte, weil er es nicht mochte, wenn ich mich anderweitig beschäftigte, während wir telefonierten. Nachdem sich meine Mutter von mir mit einem, „Fahr vorsichtig und bis später!“, verabschiedet hatte, schnallte ich mich an, klemmte mein Handy zwischen Ohr und Schulter und startete den Motor. „Jetzt kreisch nicht rum, du Blödmann. Meine Ma war eben da, deshalb habe ich auch nichts gesagt! Sie soll das doch nicht mitkriegen!“, informierte ich ihn meckernd und fuhr aus dem Parkplatz. „Was auch immer. Wenn du das wirklich durchziehen willst, dann tu das. Aber ich werd’ bei so ’ner Sache nicht mitmachen!“, meinte er eiskalt und gab nicht einmal nach, als ich zu schmollen anfing. „Aber Reita!“ „Ehrlich Baby, ich liebe und vergöttere dich, aber bei dem Scheiß mach ich trotzdem nicht mit. Sieh zu, wie du das allein hinkriegst!“ „Ab-“ „Kein Aber! Ich muss auflegen, der Meister kommt gerade um die Ecke. Ich liebe dich, du Vollidiot“ „Hm, ich dich auch, Arschloch“, verabschiedete ich mich liebevoll und schmollend von ihm und hörte sogleich das monotone Tuten. Dann würde ich das halt allein hinter mich bringen, war ja keine große Sache! Von wegen.. Irgendwie bangte es mir davor, ihr zu folgen, sie zu bespitzeln und dann vielleicht von ihr erwischt zu werden. War das wirklich richtig, was ich vorhatte? Aaach, ich hatte die ganze Nacht Zeit zum Überlegen gehabt und jetzt würde ich sicher keinen Rückzieher mehr machen! Entschlossen ging ich alles noch einmal in Gedanken durch, während ich zur Arbeit fuhr. Na, hoffentlich tat ich heute meinen Kunden nicht weh, da ich doch mit dem Kopf ganz woanders war. Die Stunden vergingen nur schleppend, und genau das machte mich wahnsinnig. Warum nur verging die Zeit am langsamsten, wenn man etwas Wichtiges vorhatte? Es war schon immer so gewesen und es würde auch so bleiben, leider. Ich fieberte meinem Feierabend regelrecht entgegen und verfluchte nebenbei die Zeit, weil sie sich wie alter Kaugummi in die Länge zog. Als es aber soweit war, stürmte ich heilfroh aus dem Gebäude, hinaus auf den Parkplatz. Dass Hotaru mir heute besonders auf die Nerven gegangen war, brauchte ich ja nicht erwähnen, oder? Immer wieder hatte sie mich in der Praxis zwischen Terminen abgefangen und gefragt, ob ich nicht doch mal mit ihr in ein Café gehen wollte. Die gute Frau war eben schwer von Begriff. Ich schloss meinen Wagen auf und hetzte hinein. Wenn ich meine Mutter noch rechtzeitig erwischen und nicht im Verkehr stecken bleiben wollte, musste ich mich beeilen. Hier in Yokohama wusste man ja schließlich nie. Während der Fahrt knabberte ich unaufhaltsam auf meiner Unterlippe herum und trommelte dabei nervös mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. Schon zum tausendsten Mal an diesem sonnigen aber kalten Tag fragte ich mich selbst, ob ich das wirklich durchziehen wollte. Und immer wieder redete ich die Sache schön, sagte mir selbst, dass ich richtig handelte. Doch irgendwo in meinem Hinterstübchen herrschte mich dauernd eine Stimme an, die, mal nebenbei bemerkt, Reita gehörte, dass es alles andere als richtig war, was ich vorhatte. Ok, mir war in der Tat bewusst, dass ich kindisch handelte, dass ich mich nicht meinem Alter entsprechend benahm. Aber hey, ich durfte das auch mal. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich vor dem pompösen Gebäude parkte, in dem meine Mutter seit vielen erfolgreichen Jahren arbeitete und so unser Leben finanzierte. Ich zog den Schlüssel aus dem Zündschloss, lehnte mich versucht ruhig im Sitz zurück und überlegte kurz im Stillen. Dass ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen erschien, konnte ich nicht verhindern. Wer weiß, vielleicht wäre ich jetzt ein abgemagertes, drogensüchtiges Model und kein Masseur in der Ausbildung, wenn damals alles anders gelaufen wäre. Meine Mutter erzählte mir manchmal noch heute davon, dass die Leute aus ihrer Abteilung damals sehr enttäuscht gewesen waren, als ich ein Probe-Fitting und Fotoshooting in der Agentur abgelehnt hatte. Aber sie war auch glücklich und stolz auf mich gewesen, da ich mich zu der Zeit gegen diesen Weg entschieden hatte. Ich denke jedoch, hätte ich schon damals mein heutiges Selbstbewusstsein gehabt, hätte ich sicher probeweise zugesagt. Ja, ja.. Ich stieg nicht aus, sondern blieb im Wagen sitzen. Flüchtig und im Sekundentakt blickte ich immer wieder auf meine Armbanduhr, wandte meine volle Aufmerksamkeit aber wieder dem Eingang zu. Immerhin wollte ich nicht, dass sie mir entwischte. Von hier aus konnte ich den großen, goldenen Wasserspeier ausmachen, der in der Mitte der gläsernen Halle prangte. Gerade als ich versuchte, mich daran zu erinnern, wie der Wasserspeier aus der Nähe aussah, trat plötzlich meine Mutter aus der Drehtür und richtete den großen Kragen ihres schwarzen, taillenbetonten Blazers. Automatisch sank ich tiefer in meinen Sitz und krallte meine Hände krampfhaft um das lederne Lenkrad, als ich “ihn“ erblickte. Mr. NoName. Der Grund, weshalb ich mir in letzter Zeit Sorgen um meine Mutter machte und schlaflose Nächte hatte. Er ging neben ihr her, breit lächelnd und mit einer Aktentasche in der Hand. Gott, arbeiteten die etwa zusammen?! Als sie sich immer weiter entfernten, sah ich keinen anderen Ausweg als auszusteigen, den Wagen in Windeseile zu verriegeln und schnell und unbemerkt hinter den Zielpersonen herzuhasten. Woah, ich kam mir wirklich vor wie ein Spion! Zur Sicherheit zog ich die Kapuze meiner Jacke über meinen Kopf und ging leicht gekrümmt, da ich nicht auffallen wollte. Dass ich mit der Aktion das genaue Gegenteil erreichte, war mir in diesem Moment völlig Schnuppe. Gespielt lässig schob ich meine Hände in die Hosentaschen und hielt beim Gehen sicheren Abstand zu den beiden. Jedoch sah es in mir ganz anders aus. Mit jeder verstreichenden Sekunde beschleunigte sich mein Herzschlag und ich merkte, wie meine Hände schwitzig wurden. Von hier konnte ich leider nicht hören, über was sie sprachen, das war völlig unmöglich. Wir gingen eine belebte Einkaufsstraße entlang, da konntet ihr euch ja denken, wie laut es gerade um uns herum war. Ich beschleunigte meinen Gang ein wenig mehr, stockte jedoch und fühlte mich plötzlich so seltsam und hilflos, als ich sah, wie sich meine Mutter bei dem Kerl einhakte und mit rosa schimmernden Wangen zu ihm auf lächelte. Ok, sie hatte zwar nichts angestellt, aber das war für mich gerade trotzdem unerträglich. Ich merkte allein durch ihren Anblick, dass es sie ziemlich erwischt haben musste. Oh Mann.. Was sollte ich jetzt tun? Es mochte durchaus kindisch rüberkommen, aber ich war nicht bereit dazu, jemanden anders an der Seite meiner Mutter zu sehen. Noch immer träumte ich von meinem Vater, wie er neben ihr stand und verliebt lächelnd zu ihr runter sah, als hätten sie sich gerade erst kennengelernt. Ich hatte plötzlich keine Lust mehr, ihnen noch weiter zu folgen. Dabei war ich nicht einmal zehn Minuten hinter den beiden her. Aber mir graute es davor, was ich wohl sonst noch zu sehen bekommen würde, also beschloss ich, kehrt zu machen. Ich blieb stehen und sah, wie meine Mutter mit diesem Mann im Menschengewusel verschwand. Und der Anblick versetzte mir einen harten Stich. Es fühlte sich beinahe so an, als hätte ich meine Mutter soeben an einen anderen verloren. Geknickt und mit gemischten Gefühlen begab ich mich zurück auf den Weg zu meinem Auto. Ich wollte jetzt nur noch nach Hause und mich mit irgendetwas belanglosem ablenken. Ich hatte mich gerade angeschnallt und schloss jetzt die Augen, um etwas klarer im Kopf zu werden und die aufkommenden, nervigen Tränen zu verdrängen, bevor ich losfuhr. Als mein Handy laut zu klingeln begann, fuhr ich zusammen und kramte das schwarze Technikwunder dann aus meiner Jackentasche. Unverwandt schielte ich auf das blinkende Display, auf dem Reitas Foto und Name erschien, und ging kurz darauf dran. „Ja?“ „Wo bist du?“ Ich kratzte mich kurz hinterm Ohr und nuschelte kleinlaut, „Ich mache mich grad auf den Weg nach Hause“ Und somit startete ich auch den Motor und fuhr aus dem Parkplatz, um das große Gelände zu verlassen. „Ach, hat mein kleiner Vollidiot es sich also doch anders überlegt?“, neckte er mich lachend, doch sein Lachen verstummte, als ich ernst, „Nein, ich war bis eben noch hinter ihnen her!“, antwortete. „Aber?“, kam es nur neugierig von der anderen Seite. Ich seufzte leise und versuchte mich aufs Fahren zu konzentrieren. Telefoniert bloß nicht beim Fahren, Leute! Ich machte das gerade nur, weil ich Sonderrechte hatte. „Na ja, ich wollte halt nicht sehen, wie die beiden wie verliebte Teenager aneinander kleben und so..“, war mein kleinlauter Einwand, der Reita hörbar zum Schmunzeln brachte. „Hör auf, dir darüber ’nen Kopf zu machen, hm? Weißt du was? Ich geh jetzt rüber zu euch und warte dort vor der Tür, bis du da bist, ja?“, redete er aufmunternd und ich hob fragend und verwundert zugleich die Brauen. „Aber du bist doch sicher müde“, stellte ich fest, musste aber lächeln, als der Blonde sich räuspernd, „Eigentlich ja. Aber ich kann ja auch in deinem Bett schlafen, nicht?“, murmelte und freudig auflegte, als ich ihm versicherte, dass ich nicht lange brauchen würde. „Das ging aber schnell“, begrüßte mich mein Schatz lächelnd und umarmte mich, als ich durch den Vorgarten schritt und auf ihn zulief, um mich ihm an den Hals zu werfen. Ich vergrub mein Gesicht in seinem Jackenkragen und meinte leise, „Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht lang brauche!“ Nachdem wir uns voneinander lösten, schloss ich die Haustür auf und ließ ihn herein. Ich selbst ging gleich darauf in die Küche, um Tee zu kochen. Reita folgte mir sofort und schmiegte sich stumm von hinten an mich. Leicht lächelte ich, während ich den Wasserkocher an die Steckdose steckte. Als ich genauer über meine Mutter nachdachte, wurde mir klar, dass sie eigentlich nichts falsch machte. Sie verschwieg mir zwar, dass sie verliebt war, aber eigentlich sollte ich ihr deswegen nicht sauer sein. Vielleicht traute sie sich einfach nicht, es mir zu sagen. Genauso wie ich mich nicht traute, sie darauf anzusprechen. Sie war jetzt schon seit drei Jahren allein, ich zählte da nicht, und da war es doch eigentlich vollkommen natürlich, wenn sie sich nach Nähe sehnte. Und ich konnte ihr diese Nähe nicht geben. Es gab da nun einmal gewisse Grenzen. Leise seufzend senkte ich meinen Kopf und schimpfte innerlich mit mir selbst, da ich so misstrauisch gewesen war und sie auch noch verfolgt hatte. Ich hatte gar nicht das Recht dazu. Und wenn meine Mutter sich verliebte, war das auch ihre Sache und ich durfte da nicht dazwischenfunken. Eigentlich sollte ich mich für sie freuen. „Woran denkst du?“, erklang es sanft an meinem rechten Ohr und ich erschauderte, als Reita es küsste und sich fester an mich presste. „An meine Ma..“, antwortete ich wahrheitsgemäß und ließ mich von ihm herumdrehen, sah sogleich in die dunklen, glänzenden Augen meines Freundes, in denen ich mich immer wieder aufs Neue verlieren könnte. „Denkst du immer noch, dass es richtig gewesen war, ihr zu folgen?“, wollte er leise wissen und lächelte schief, als ich geknickt die Lippen schürzte. „Ich wusste von Anfang an, dass es nicht richtig ist, Rei. Hör auf, mich damit aufzuziehen“, murrte ich und legte meine Arme um seine Taille, beugte mich vor und lehnte mich gegen ihn. „Du darfst nicht vergessen, dass sie auch Bedürfnisse hat, hm? Sie ist vielleicht glücklich, aber irgendwas wird ihr immer fehlen, das verstehst du doch?“, waren die gehauchten Worte Reitas, die mich nur ergeben nicken ließen. Ja, ich verstand. Während Reita im Wohnzimmer saß und Tee trinkend fernsehen guckte, trank ich meinen Tee in der Küche und kochte nebenbei eine Kleinigkeit für uns, da wir beide Hunger hatten. Gedankenversunken rührte ich in dem Wok um und schrak auf, als mein Handy, das auf der Anrichte lag, plötzlich fröhlich zu klingeln begann. Mit Verwunderung las ich Kais Namen auf dem Display und schielte noch einmal zur Küchenuhr, die an der Wand neben dem Türbogen hing. Soweit ich wusste, musste er doch jetzt arbeiten. „Ja?“, meldete ich mich und lächelte leicht, als Kai mich grüßte und sofort feststellte, dass ich kochte. „Woher weißt du das schon wieder?“, fragte ich lachend und nickte mit zusammengepressten Lippen, als er hörbar grinsend, „Ich höre es bis hier hin brutzeln!“, anmerkte und leise lachte. Dann wurde es jedoch leise und Kai fragte einige Sekunden später zögernd, „Wie geht’s dir?“ Eigentlich eine normale Frage, aber in diesem Moment fühlte ich mich tatsächlich ertappt damit. „Also ich, ähm, kann nicht klagen. Alles bestens!“, redete ich wirr und fragte ihn, wie es ihm ging. Er erwiderte, dass es ihm blendend ging, was ich ihm nicht wirklich glaubte, und ich unterbrach ihn, indem ich, „Musst du nicht gerade arbeiten?“, fragte. „Ja, ich habe aber gerade Pause. Also bin ich raus aus dem Lokal und sitze jetzt in einem ruhigen Café. Eigentlich wär’ es ja toll, wenn du auch hier sein könntest“, sprach er und machte mich somit perplex. „Wieso denn ich?“, fragte ich verwundert und erinnerte mich unwillkürlich an unser Picknick zurück, als Kai, „Ich würde gerne ein wenig mit dir reden“, sagte und dabei ernst klang. Oh nein, mir schwante nichts Gutes. „Reden? Worüber denn?“, mimte ich den Ahnungslosen und seufzte tonlos, als er tatsächlich auf meine Mutter zu sprechen kam. „Wie geht’s ihr denn so? Ich habe Nami ewig nicht mehr gesehen“, fragte er erst einmal und gab einen überlegenden Laut von sich, als ich sofort sagte, dass es ihr besser nicht gehen konnte. „Ich wollte eigentlich nur wissen, seit wann deine Mutter jemanden an ihrer Seite hat und wieso du mir das nicht eher gesagt hast!“, platzte es endlich aus ihm und mir fiel vor Schreck der Löffel aus der Hand, direkt in den heißen Wok. „W-wie meinst du das?“, fragte ich wirr, fischte zischend nach dem Holzlöffel und schluckte trocken, als er, „Komm schon, Ruha. Wir wissen beide sehr gut, dass das deine Mom gewesen war, als wir picknicken waren“, feststellte und mich somit hilfloser machte, als ich sowieso schon war. „Ich weiß es doch selbst nicht, Kai! Ich wusste bis zu diesem Tag ja nicht einmal, dass sie sich überhaupt mit jemandem trifft!“, warf ich ihm geknickt an den Kopf und hörte, wie er nur ein leises, „Oh..“, von sich gab. Reita hatte mich sicher rufen gehört, denn er stand im Türbogen und sah mit schief gelegtem Kopf zu mir rüber. „T-tut mir leid, das habe ich nicht geahnt“, murmelte es vom anderen Ende und ich winkte nur ab, was Kai natürlich nicht sehen konnte. „Schon in Ordnung. Hör zu, ich muss auflegen, sonst brennt das Essen an“, versuchte ich ungewollt kühl unser kurzes Gespräch zu beenden und hatte auch Erfolg. „O-ok, wir sehen uns doch hoffentlich bald?“, fragte er hoffnungsvoll und ich konnte mir vorstellen, dass er gerade lächelte. Ich bejahte und fügte noch, „Ich hab dich verdammt lieb, Kai“, hinzu, weil ich irgendwie das Gefühl hatte, dass ich zu harsch geantwortet hatte und er jetzt geknickt war. Der Schwarzhaarige erwiderte meine Aussage und legte sogleich auf. Ich legte mein Handy seufzend zurück und starrte Reita eine kurze Zeit an, ehe ich aufschreckte und quiekend im Essen herumrührte. Es roch schon ganz komisch in der Küche. „Was wollte er?“, fragte der Blonde nur und stellte sich neben mich. Ich nahm das Essen vom Herd, schaltete das Gerät aus und drehte mich zu ihm herum, um ihm zu verraten, wieso mich mein bester Freund angerufen hatte. „Hm..“, machte Reita nur. Mehr gab er nicht von sich. Während wir gemeinsam aßen, schwieg ich vor mich hin. Ich konnte einfach an nichts anderes mehr denken, als an meine Mutter. Hatte ich mir nicht immer gewünscht, dass sie jemanden fand, der sich um sie kümmerte, sie liebte und sie glücklich machte? Wieso reagierte ich dann so? Ich sollte mich freuen, verdammt! Ich sollte es gut finden, dass sie anscheinend so einen Jemand gefunden hatte, aber was tat ich? Ich stellte ihr nach und war heimlich wütend auf sie, weil sie mir nichts davon erzählte. Wahrscheinlich erzählte sie mir deswegen nichts, weil sie wusste, dass ich so reagierte. Gott, ich benahm mich echt kindisch. Aber trotzdem.. Dieser Anblick, wie sie völlig verliebt dreingeschaut hatte. Dieser Blick galt doch nur meinem Vater! Nicht irgendeinem Fremden. Mann, mir war wieder zum Heulen zumute. „Baby, denk endlich an etwas anderes oder ich werf’ dir meinen Teller an den Kopf!“, schnarrte Reita neben mir und schnippte mir gegen die Wange, was mich aufschrecken ließ. „Wie würdest du dich in meiner Situation fühlen!?“, fuhr ich ihn laut an, nachdem ich mich zu ihm gedreht hatte, hielt mir aber sofort die Hand vor den Mund und sah ihn entschuldigend aus großen Augen an. „Tut mir leid!“, wisperte ich nur und drückte mich sofort an ihn, als er mich nachvollziehend umarmte und meinen Rücken zu streicheln begann. „Mir tut’s leid“, gab er nur leise von sich und küsste meine Wange. Gegen acht ging Reita nach Hause und ließ mich somit allein zurück. Er hatte mir missmutig mitgeteilt, dass er morgen Unterricht hätte, und das hieß für ihn, dass er noch früher aus dem Bett musste. Nachdem ich das dreckige Geschirr weggeräumt hatte, setzte ich mich so an den Küchentisch, dass ich von hier nach draußen in den Vorgarten sehen konnte. Es war schon dunkel und die Straßen wurden von fahlem Laternenlicht beleuchtet. Was trieb diese Frau nur? Und wieso störte es mich eigentlich, dass sie noch immer nicht da war? Sie war doch erwachsen. Gott Uruha, mach endlich’n Kopf zu. Ich vergrub meinen Kopf unter meinen Armen und lauschte dem Ticken der Küchenuhr. Im nächsten Moment war das Klicken des Türschlosses zu hören und ich riss meinen Kopf hoch, um angespannt in den Flur hinauszusehen. Als meine Mutter mit einem leichten Lächeln im Türbogen erschien, fiel mir ein Stein vom Herzen und ich sprang von meinem Stuhl auf, um mit drei großen Schritten auf sie zuzugehen und sie sofort zu umarmen. Dass mein Verhalten sie verwirrte, merkte ich. Perplex legte sie ihre Hände auf meine Schulterblätter und fragte nuschelnd gegen mein Oberteil, „Was hast du denn, mein Schatz? Ist alles ok?“ Ich drückte sie daraufhin leicht von mir, um sie genauestens zu mustern, und gab ihr sogleich einen Kuss auf die Stirn, zog sie dann wieder fest an mich und murmelte nur, „Hab dich vermisst..“ „Oh, mein Prinzesschen. Ich war doch gar nicht so lange weg!“, lachte sie entzückt und schmiegte sich verschmust an mich, was mich lächeln ließ. In diesem Augenblick waren all meine nervenaufreibenden Gedanken wie weggeblasen und ich fühlte mich pudelwohl. „Ich werde mich nur mal schnell umziehen und dann können wir kuscheln, ja?“, sprach sie freudig und mit glänzenden Augen, was mein Herz erweichen ließ. Ich nickte nur und entließ sie, sah ihr dabei zu, wie sie aufgeregt die Treppen hinaufsprintete und auch sogleich vor meinen Augen verschwand. Den Rest des Abends verbrachten wir eng umschlungen auf dem Sofa im Wohnzimmer und schauten irgendwelche Filme auf Netflix. Es war ein schönes Gefühl, meiner Mutter so nah zu sein. Ich schmiegte mein Gesicht an ihre Brust und schnurrte wohlig auf, als sie ihre kleine Hand durch mein Haar schweifen ließ und somit ein Kribbeln in mir auslöste. „Ma?“, gab ich nach einigen Momenten zögernd von mir und merkte, wie ihre Brust vibrierte, als sie ein, „Hm?“, von sich gab. „Du wirst mich immer lieben, egal was ist, oder?“, fragte ich leise, dachte aber erst darüber nach, was ich von mir gegeben hatte, nachdem ich es schon ausgesprochen hatte. Sie setzte sich daraufhin sofort auf und sah mich fassungslos an, weil ich sie damit unnötig verunsichert hatte, streichelte dann meine Wange und flüsterte mit einem beinahe traurigen Gesichtsausdruck, „Was ist das bitte für eine absurde Frage? Du bist mein Fleisch und Blut, ich würde es niemals wagen, geschweige denn übers Herz bringen, dich jemals zu hassen. So etwas ist gar nicht möglich. Ich liebe dich und werde es immer tun, mein Schatz!“, was mich ebenfalls traurig schauen ließ. Dankbar umarmte ich sie und seufzte langgezogen. Ja, ich wusste ganz genau, dass so ein Tag nie kommen würde. Dazu kannte ich meine Mutter zu gut. Sie hatte immer zu mir gestanden und das würde sich auch nie ändern. Ich sollte mich wirklich glücklich schätzen. Am nächsten Morgen war ich richtig ausgeschlafen und fühlte mich einfach nur gut. Mit einem andauernden Lächeln auf den Lippen machte ich mich für die Arbeit fertig und ging dann in die Küche runter, um mir mein Frühstück für die Arbeit selbst zu machen. Es dauerte auch nicht lange, bis meine Mutter ebenfalls in der Küche erschien und gemeinsam mit mir aß. Wir scherzten miteinander herum und aßen dabei, und ich schaute immer wieder kurz auf die Uhr, da ich nicht zu spät aus dem Haus wollte. Als ich fertig war, erhoben wir uns gemeinsam und meine Mutter begleitete mich bis zur Tür, wo ich mich von ihr verabschiedete. Sie umarmte mich kurz und sagte dann, dass sie heute früher nach Hause kommen würde. Huh? Das war ja etwas, was in letzter Zeit sehr selten bei ihr geworden war. „Und du brauchst nichts zu essen machen, ja? Ich bringe etwas leckeres mit!“, sagte sie noch und schubste mich spielerisch hinaus, wo ich noch verwundert stehen blieb und mich am Kopf kratzte, dann aber lächelnd nickte und mich herumdrehte, um auf mein Auto zuzugehen. Ich fragte mich den ganzen Tag lang, wieso sie früher nach Hause kommen wollte. Eigentlich war es an sich ja gut, dass sie früher erschien, aber wieso so plötzlich? Hatte ich vielleicht irgendetwas verpasst? Ah, wieso machte ich mir schon wieder so viele Gedanken darum?! Ich brachte meinen Arbeitstag wie so oft erfolgreich hinter mich und fuhr gegen halb fünf los, da ich etwas früher raus wollte. Gott sei Dank hatte Ono-san mich gehen lassen. Sie konnte nämlich manchmal ganz schön launisch sein. Pünktlich um fünf war ich zu Hause. Aufgeregt zog ich mir Schuhe und Jacke aus und ging schnell auf mein Zimmer, um mich umzuziehen. Meine Mutter müsste auch gleich da sein. Immerhin wollte sie ja eher nach Hause kommen. Ich entschied, schnell in die Küche zu gehen und etwas zu trinken, da ich Durst hatte. Nachdem dies getan war, verließ ich die Küche und wollte gerade ins Wohnzimmer, um alles für den gemütlichen Fernsehabend vorzubereiten, als es plötzlich hinter mir an der Tür klopfte. Verwundert blieb ich stehen und drehte mich herum. War das vielleicht meine Mutter? Aber wieso klopfte sie dann? Ah, wahrscheinlich konnte sie die Tür nicht aufschließen, weil sie das Essen in der Hand hielt. Aber irgendwie wirkte die Silhouette von hier so komisch, so als wäre sie nicht allein. Ach, was soll’s. Lächelnd hechtete ich auf die Tür zu und zog sie mit einem Ruck auf. Doch sofort erstarb mein Gesichtsausdruck und meine Augen weiteten sich ungläubig, als ich meine Mutter vor mir sah, in Begleitung von diesem Mann. Ich trat reflexartig einen Schritt zurück und brachte es nicht zustande, meinen Mund wieder zu schließen, da mir dieser aufgeklappt war. Das leicht hilflose Lächeln, welches meine Mutter zeigte, schwand sofort und sie sah sorgevoll zu diesem Typen auf, der auch nicht mehr lächelte, sondern mich nur verwirrt anstierte und dann zu meiner Mutter runter sah. Ohne zu wissen wieso, drehte ich mich einfach herum und ging ins Wohnzimmer. Mein Gehirn schaltete ab und mein Körper übernahm die Situation einfach. Dass das unhöflich war, juckte mich gerade herzlichst wenig. Oh Gott, er war hier, er war wirklich hier! Ich konnte hören, wie meine Mutter angestrengt leise, „Ich habe doch gesagt, dass es keine gute Idee ist. Wir hätten noch warten sollen..“, flüsterte und gemeinsam mit dem Fremden eintrat. Ich verspürte plötzlich den Drang, zurück in den Flur zu gehen und diesen Typen aus unserem Haus zu prügeln. Was wollte der hier?! Ah Uruha, komm endlich runter, verdammt! Ich hörte, wie meine Mutter kurz die Küche betrat, um ihre Mitbringsel abzulegen, und gleich danach kam sie zu mir ins Wohnzimmer und setzte sich zögernd neben mich. „Kouyou?“, gab sie stockend von sich und allein der unsichere Ton in ihrer Stimme brachte mich wieder zur Vernunft. Mann, ich wollte meine Mutter mit meinem kindischen Verhalten nicht enttäuschen! „Hm?“, machte ich also und sah ihr dabei in die Augen. Sofort umarmte sie mich und entschuldigte sich leise, doch war das gar nicht nötig. Sie hatte keinen Grund, sich bei mir zu entschuldigen. Sie hatte doch nichts falsch gemacht. Ich müsste es tun. Gleich darauf erschien der Typ im Zimmer und setzte sich zögernd neben meine Mutter. Als sie mich entließ, versuchte ich, so nett wie möglich zu schauen. Er lächelte plötzlich wieder und ich musste zugeben, dass er vom nahen verdammt gut aussah. Sein rabenschwarzes Haar, was er sich hinten zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, hing ihm vorne leicht ins Gesicht, und er wischte es erst zur Seite, ehe er einfach seine Hand ausstreckte und mit fester Stimme und selbstbewusst, „Keisuke Takada. Freut mich, dich endlich kennen zu lernen, Kouyou. Deine Mutter hat mir schon sehr viel von dir erzählt!“, trällerte. Seine tiefe Stimme bescherte mir eine unangenehm angenehme Gänsehaut und brachte mich dazu, zusammenzuzucken. Und es schien mir so, als würden mich seine schwarzen, mandelförmigen Augen, die von langen, dichten Wimpern umrandet waren, in ihren Bann ziehen wollen. Ich griff zögernd nach seiner Hand und verkniff mir ein Quieken, als er fest zudrückte und meine Hand schüttelte. Zugegeben, seine Hand fühlte sich irgendwie behaglich an. „Ach, hat sie das?“, fragte ich mit einem leicht zynischen Ton, biss mir aber sofort auf die Zunge. Er nickte jedoch nur und lächelte noch breiter, präsentierte mir somit seine perfekten, weißen Zähne. Als er meine Hand entließ, legte ich sie mir reflexartig auf den Oberschenkel und wischte sie unbemerkt an meiner Jeans ab. Irgendwie war mir der nicht geheuer. Obwohl ich zugeben musste, dass er wirklich verdammt gut aussah, oh Mann. Was dachte ich hier wieder? Er wirkte noch ziemlich jung und ich hielt mich zurück, um nicht einfach nach seinem Alter zu fragen. „Kouyou, mein Schatz, du kannst dich doch sicher noch daran erinnern, als ich dir vor längerer Zeit gesagt habe, dass mein Chef seinen Job aufgegeben hat, nicht wahr?“, sprach meine Mutter vorsichtig. Sie hatte ihre Hände in ihrem Schoß zusammengefaltet, saß leicht zusammengesunken neben mir, und ich merkte, wie sie lächelte, als Keisuke seine Hände von hinten auf ihre Schultern legte und dabei ebenfalls lächelte. Bah, mir wurde schlecht. „Vor einiger Zeit?“, gab ich mit gehobener Braue von mir und sagte noch, „Das war vor einem halben Jahr, Ma.“ Sie nickte daraufhin betreten und räusperte sich, ehe sie mir offenbarte, dass der Typ hinter ihr ihr neuer Chef war. Bitte was?! Die trafen sich schon so lange und ich erfuhr erst JETZT davon?! „Ich weiß, dass das falsch von mir gewesen war, mein Schatz. Aber ich hatte Angst vor deiner Reaktion.. Und wenn Kei nicht gewesen wäre, dann.. Wer weiß, vielleicht würde dieses Gespräch dann noch nicht stattfinden. Es war nämlich seine Idee gewesen, es dir zu sagen, weißt du?“, sprach sie zögernd und hatte mir somit das Wort abgeschnitten. Ich sah nur fassungslos zwischen den beiden hin und her und nur ganz langsam wurde mir klar, dass ich gerade den Abteilungschef meiner Mutter vor mir hatte. Und sie hatten was miteinander. Argh, Weltuntergang! Jeder normale Mensch wusste doch, dass man nichts mit seinem Chef anfangen sollte! Sowas machte doch nur Probleme! Mühsam schloss ich meinen Mund und fasste kurz einen klaren Kopf, ehe ich stotternd, „A-also, könnten wir jetzt mal Klartext reden? Ich bin nämlich gerade ziemlich verwirrt!“, offenbarte. Ich spürte, wie meine Gesichtszüge entgleisten, als Keisuke, „Ok, dann im Klartext. Deine Mutter und ich führen eine Beziehung, und das schon seit längerem. Und wir sind mehr als glücklich und wollten dich daran teilhaben lassen!“, redete und dabei noch immer so unausstehlich lächelte. Ah, halt dein Maul, Mann, von dir wollte ich das gar nicht hören! Hilfesuchend wandte ich mich an meine Mutter, doch diese nickte nur schweigsam und sandte mir einen scheuen Blick zu. Mir kam es so vor, als würde sich plötzlich alles drehen. Ok, ich hatte ja befürchtet, dass die beiden zusammen waren. Wieso traf mich das dann so? Meine Reaktionen und Gedankengänge waren wirklich widersprüchlich. Aber ich war halt verwirrt, was konnte ich denn dafür? Ich druckste nur herum und senkte den Blick, spielte am Zipfel des Deko-Kissens, welches neben mir auf der Sitzfläche lag, und schaute auch nicht auf, als meine Mutter mich zaghaft ansprach. „Ich.. Ich werde jetzt erst mal in mein Zimmer. Ich wollte Akira noch anrufen“, murmelte ich meine Notlüge in den stillen Raum und erhob mich, drehte mich dann aber noch einmal herum und verbeugte mich knapp. „War mir eine Ehre, Sie kennen zu lernen, Takada-san“, sprach ich gespielt höflich und wollte mich wieder herumdrehen, als er plötzlich mit einem sanften Gesichtsausdruck, „Ach, lass das “Takada-san“ weg, Kouyou. Du kannst mich ruhig duzen. Immerhin spricht man seinen zukünftigen Vater ja anders an, nicht?“, aussagte und ich somit zu Eis gefror. Was- Was zum Teufel hatte der da gerade gesagt? „WIE BITTE?!“, schrie ich nur ungläubig und brachte somit die beiden Personen, die vor mir saßen, heftig zum Zusammenzucken. Ich hatte mich verhört. Nur verhört, mehr nicht! Kapitel 6: ~6~ -------------- Nach dem Schock war ich sofort aus dem Wohnzimmer gelaufen und hatte mich in meinem Zimmer verbarrikadiert, war es mir in dem Moment doch egal gewesen, dass ich für so eine Aufführung eigentlich schon viel zu alt war. Noch immer hallten Keisukes Worte unangenehm in meinen Ohren wider und ließen die Wut und Zweifel in mir aufkochen, wobei erstere den Großteil einnahm. Ich wollte das nicht wahrhaben! Was bildete der sich eigentlich ein? Woher nahm er sich das Recht, sich zu meinem Vater zu erklären?! Ich hatte nur einen Vater und das würde auf immer so bleiben. Punkt. „Immerhin spricht man seinen zukünftigen Vater ja anders an, nicht?“ Mit zusammengekniffenen Augen hielt ich mir die Ohren zu und murmelte immer wieder wie in Trance, „Sei still!“, weil ich diesen schrecklichen Gedanken aus meinem Kopf verdrängen wollte. Als ich dann auch noch bemerkte, dass es leise aber stetig an meiner Tür klopfte, riss mir der Geduldsfaden und ich brüllte mit enormer Lautstärke, „Lass mich in Ruhe, verdammt!“ Nach einigen Sekunden realisierte ich jedoch, dass ich überreagierte. Plötzlich konnte ich die weinerliche Stimme meiner Mutter auf der anderen Seite vernehmen. Anscheinend standen sie beide vor meiner Tür, denn sie fragte wehklagend, „Wieso, zum Teufel, musstest du es ihm so sagen, Kei? Wir wollten es ihm schonend beibringen, das hast du mir doch versprochen!“ Als ich dann auch noch hörte, wie sie plötzlich leise schniefte, traten mir sofort Tränen in die Augen und ich vergrub mein Gesicht in meiner Bettdecke, um gedämpft hineinzukeifen. Ich ertrug es nicht, wenn sie traurig war. „Kouyou, mach doch bitte die Tür auf! Das war nicht so gemeint!“, drang Keisukes dunkle Stimme laut zu mir rüber und ich schüttelte nur den Kopf und krächzte betreten, „Geht endlich weg, alle beide!“ Ich wollte ihm nicht ins Gesicht sehen. Nicht nachdem er so dreist gemeint hatte, dass er mein Vater war. Ja, ok, er hatte es nicht so direkt gesagt, es aber angedeutet. Und genau das war schon dreist genug für mich. Wie konnte er einfach so, ich meine, was.. Ach, ich war gerade selbst nicht mehr klar im Kopf und wollte einfach nur meine Ruhe! Dass meine Mutter anscheinend leise weinte, tat mir im Herzen weh, aber ich brachte es nicht über mich, zu ihr zu gehen. Ich wollte diesen Mann gerade nicht sehen. Ich wusste nicht, ob ich der Grund dafür war, dass sie weinte. Aber ich hatte ja nichts Falsches getan, oder? Während ich die Zähne fest zusammenbiss, um nicht laut zu schluchzen, malte ich mir stumm aus, was wohl als nächstes kommen würde. Sie waren zusammen, schön und gut, aber würde da noch mehr passieren? Ich wagte es nicht einmal, weiter zu denken, wollte ich auch gar nicht. Also verscheuchte ich meine Gedanken, indem ich mich aufsetzte und verzweifelt den Kopf schüttelte. Gleich darauf versteckte ich mein Gesicht in meinen Händen, weil mir verdammt schwindelig wurde. Leise wimmernd legte ich mich wieder der Länge nach hin und langte nach meinem Handy, welches auf der Nachtkonsole lag. Ich brauchte jetzt Reita! Ich wollte, dass er mich in seinen Armen hielt und mir versicherte, dass alles in Ordnung war und ich nur ein wenig verunsichert war, weil ich mich plötzlich in einer völlig neuen Situation befand. Abgehackt schrieb ich ihm eine Nachricht und lauschte zeitgleich in die Stille hinein. Sie standen anscheinend nicht mehr vor meiner Tür, denn ich konnte keine Geräusche vernehmen. Umso besser. Was sie wohl gerade machten? Ob meine Ma noch immer weinte? Innerhalb weniger Sekunden bekam ich eine Nachricht zurück, die nur drei Worte beinhaltete. “Bin gleich da!“ Es dauerte wirklich nicht lange, bis es an der Haustür klingelte, und dies etwas zu stürmisch, wie ich registrierte. Ich wagte mich aus meinem Zimmer und rannte die Treppen hinab. Doch war meine Mutter genauso schnell gewesen. Sie war mit einem perplexen Blick aus dem Wohnzimmer gehastet, um Reita die Tür zu öffnen. Ich war indessen auf der letzten, beziehungsweise ersten Treppenstufe stehen geblieben und hatte aus Reflex von meinem Standort aus ins Wohnzimmer geguckt. Als sich Keisukes und meine Blicke trafen, überkam mich ein unangenehmes Gefühl und ich schaute sofort wieder schluckend weg und sah nur flehend zu Reita, der schnell auf mich zukam, nachdem er meine Mutter kurz umarmt hatte. Der Blonde schloss mich sofort fest in seine Arme und reichte mir gerade mal bis zur Brust, da ich noch immer auf der ersten Stufe stand. Während er an mir hing, sah ich flüchtig zu meiner Mutter rüber, die traurig wirkend den Mund verzog und sofort ihren Kopf senkte, um zurück zu Keisuke zu gehen. Gott, sie sah mir ja nicht einmal in die Augen! Schlagartig fühlte ich mich nur noch mieser, was mir wohl deutlich anzusehen war. „Was ist denn los, Baby?“, drang Reitas sanfte aber sorgevolle Stimme an meine Ohren und ließ mich wieder richtig zu mir kommen. Anscheinend hatte er noch nicht mitbekommen, dass der Typ auch anwesend war. Ich drückte ihn leicht von mir, griff aber sofort seine Hand, um ihn hinter mir her zu bugsieren. „Komm mit!“, flüsterte ich nur verunsichert und konnte dabei genauestens die neugierigen Blicke des Schwarzhaarigen, der im Wohnzimmer saß, in meinem Rücken spüren. Ich fühlte mich nicht wohl und deshalb bevorzugte ich es, mich zurückzuziehen. Was Keisuke bei diesem Anblick von Reita und mir wohl dachte? Mir sollte es jedoch egal sein. Sicher wusste er schon, dass ich homosexuell war, denn immerhin hatte meine Mutter ihm ja so viel von mir erzählt! „Hey, war das nicht-“, fing Reita oben im Flur verwundert an, doch ich unterbrach ihn, indem ich nur leise und mit einer abwinkenden Handbewegung, „Shh!“, machte und ihn ins Zimmer hineinzog. Gleich darauf entließ ich seine Hand und schloss vorsorglich die Tür ab. Das sollte ich vielleicht mal öfter tun. Langsam drehte ich mich zu Reita herum, blickte ihm somit entgegen und lehnte mich mit einem Gefühl von Abgeschlagenheit gegen die kalte Tür in meinem Rücken. „Er heißt Keisuke Takada und ist der neue Chef meiner Mutter..“, hauchte ich nur zusammenhanglos und blickte dabei betrübt zu meinen Füßen hinunter. Im nächsten Moment fand ich mich in Reitas starken Armen wieder. Der Blonde streichelte leicht meine Seiten und hielt mich einfach nur fest, wofür ich ihm wirklich dankbar war. Ich brauchte seine Nähe jetzt mehr denn je. Schweigend legten wir uns in mein Bett und Reita nahm mich zwischen seine Beine, drückte mich fester an sich und spielte mit meinem Haar. Genau wie damals, als er das allererste Mal bei mir übernachtet hatte. Ihm war sicher bewusst, dass ich gerade nicht in der Verfassung war, ihm den Stand der Dinge zu erläutern, zumal ich selbst ja nicht einmal wirklich wusste, was nun Sache war, hatte ich immerhin dafür gesorgt, dass das Aufklärungsgespräch frühzeitig abgebrochen wurde. Und deshalb schwieg er auch. Ich seufzte tief, schmiegte meine Wange verschmust an seine Brust und verhakte unsere Finger ineinander, als er meine Hand ergriff, die ich bis eben noch von mir gestreckt hatte. „Soll ich heute bleiben?“, fragte er in die Stille hinein und ich überlegte kurz. Sicher würde meine Mutter mit mir reden wollen, nachdem Keisuke gegangen war. Aber ich wusste, dass ich ohne Reita an meiner Seite sicherlich nicht gefasst bleiben würde, wenn wir miteinander reden würden. Immerhin wusste ich ja nicht, was mich erwartete, und genau deswegen hatte ich ein wenig Angst vor dem kommenden Gespräch. Also bejahte ich mit kratziger Stimme und drückte sanft seine freie Hand, als er mir liebevoll durch den Schopf wuschelte, um mir zu verdeutlichen, dass er sich denken konnte, was gerade in mir vorging. Ungefähr eine halbe Stunde lang lagen wir einfach nur gemeinsam im Bett und lauschten dem Herzschlag des jeweils anderen. Doch kurz darauf mischte sich mein Magenknurren dazu. Verdammt, ich hatte bis jetzt nichts gegessen und hatte Hunger! Reita lachte leise, als er diesen verräterischen Laut hörte, welcher soeben die ruhige und entspannte Atmosphäre zwischen uns zerstört hatte. Ich schob schmollend meine Unterlippe vor, quietschte aber leise auf, als Reita seine freie Hand in meine schwabbelige Trainingshose schob und mir durch meine Panty hindurch in meine linke Pobacke kniff. „Autsch!“, gab ich murrend von mir und bequemte mich dazu, mich von ihm runter zu rollen, als er, „Es ist halb neun. Lass uns runtergehen, damit du was essen kannst!“, sagte und sich dann erhob, sobald ich neben ihm lag. Ich folgte ihm ergeben nach draußen in den dunklen Flur. Während Reita unbeschwert die Treppen hinab ging, lauschte ich ins Haus hinein und vernahm keine auffälligen Geräusche. Also musste Keisuke schon gegangen sein. Irgendwie fand ich ihn so gar nicht sympathisch und wollte ihn am liebsten auch nie wieder hier sehen. Aber ich konnte mir denken, dass ich ihn von nun an öfter zu Gesicht kriegen würde, als mir lieb war. Oh Ma, wieso hattest du dir gerade so einen Kerl ausgesucht? „Sind dir kalte Instant-Nudeln lieb?“, riss mich Reitas schmunzelnde Stimme aus meinen Gedanken. Da ich vor mich hingeträumt hatte, hatte ich auch nicht bemerkt, wie ich die Küche betreten hatte. Ich drehte mich einmal im Kreis, um zu schauen, ob meine Mutter nicht doch im Wohnzimmer war. Aber das Licht dort war aus. Also nahm ich an, dass sie schon schlafen gegangen war. Ob das jetzt positiv oder negativ war, ließ ich einfach mal außer Acht. „Ist mir recht. Hauptsache ich kriege endlich etwas zu essen. Ich merke nämlich, wie mein Magen sich selbst verdaut!“, sprach ich und legte mir mit einem verzerrten Gesichtsausdruck die Hand auf den Magen, als dieser laut zu brummeln begann. „Oho, ich hör’s!“, scherzte Reita lachend und schnappte sich wahllos zwei Paar Stäbchen aus einer der Schubladen, um mir das eine Paar in die Hand zu drücken und mich dann Richtung Küchentisch zu schieben. Ich setzte mich auf einen der gepolsterten Stühle und bedankte mich leise, als Reita mir die Pappschachtel mit den Nudeln überreichte. „Trinken?“, erkundigte er sich und drehte sich nickend zum Kühlschrank herum, als ich knapp, „Saft“, von mir gab und dann schon einmal anfing, große Mengen an kalt gewordenen Nudeln in mich zu stopfen. Dass ich gerade ziemlich verfressen wirkte, war mir egal und ich ignorierte es auch, als Reita anfing, mich wie immer mit meinem Essverhalten aufzuziehen. Das tat er gerne, wenn ich aß. Aber mir war bewusst, dass es dieses Mal dazu dienen sollte, mich aufzuheitern und auf andere Gedanken zu bringen und nicht, um mich zu verärgern. Unbeteiligt trank ich ein wenig von dem kalten Saft, welchen Reita mir gebracht hatte, und lehnte mich automatisch gegen ihn, als er seinen Stuhl näher an meinen rückte, um dicht bei mir zu sitzen. Auch er stocherte in der Pappschachtel herum, die vor ihm auf dem Tisch stand. Minuten, die mir wie gefühlte Stunden vorkamen, verstrichen, ohne dass einer von uns auch nur etwas sagte. Ich hasste es, wenn solch eine einengende Stille zwischen uns herrschte. Als wüsste Reita, dass mir die Situation missfiel, drehte er sich zu mir herum und öffnete den Mund. Doch genau da, als er etwas sagen wollte, dudelte plötzlich der ansteckende Opening-Song von Jujutsu Kaisen durch die große Küche und Reita kramte seufzend und augenrollend nach seinem Handy. Na, bei den ganzen Taschen wünschte ich ihm viel Spaß dabei. Die Melodie wurde immer penetranter und ich merkte, wie bei mir schon langsam genervt die Gesichtsmuskeln zuckten, doch Gott sei Dank bekam er sein Handy endlich aus der engen Tasche, die sich unpraktischerweise knapp über seiner linken Kniescheibe befand, und ging räuspernd dran. Während ich die letzten paar Nudeln in mich schlang, lauschte ich dem kurzen Gespräch, welches Reita unüberhörbar mit seiner Mutter führte. „Ja Mom, es tut mir leid. Ja, das nächste Mal sag ich vorher Bescheid. Jetzt? Geht nicht, ich bin bei Kouyou. War ein Notfall. Wieso überhaupt um solch eine unmenschliche Uhrzeit? Anständige Leute schlafen doch schon längst. Hm, wenn’s nötig ist. Ja, nein! Ich sagte doch, ich bin bei Kou!“ Während Reita dagegen protestierte, anscheinend mit seinen Eltern irgendwo hinzufahren, wohin auch immer, musterte ich gierig die Pappschachtel vor Reitas Nase, die noch so gut wie unberührt war. Reita legte sich gerade die freie Hand auf die Augen und grunzte gereizt, was ich sofort ausnutzte und mich weiter zur Seite lehnte, um mir ein wenig Nudeln von ihm zu klauen, da ich keine mehr hatte. Ich war nun mal ab und an unersättlich und gerade jetzt war so ein Zeitpunkt, in dem ich am liebsten all meinen Frust und meine Verwirrtheit überfressen hätte. Der Blonde hatte trotzdem bemerkt, dass ich ihm etwas vom Essen stibitzt hatte, aber er lächelte mich nur an, noch immer mit dem Handy am Ohr und diesem müden Ausdruck in den Augen, und streichelte leicht meine Wange, während ich verlegen dreinschauend weiterkaute. „Ist ja gut, Mom. Ich habe es mir zur Kenntnis genommen. Wenn du jetzt bitte so gütig wärst und- Hallo?! Ey! Bah, das gibt’s doch nicht. Da legt die Alte einfach auf! Und so etwas schimpft sich Mutter!“, entrüstete er sich kopfschüttelnd, was mich beinahe dazu brachte, mich an den Nudeln zu verschlucken, da ich geprustet hatte. Er legte sein Handy auf den Tisch und schob mir dann sein Essen zu, was mich noch etwas verlegener machte. „Du hast doch sicher auch Hunger“, protestierte ich kleinlaut, die Schachtel wieder zu ihm rüberschiebend, doch er verneinte nur und sagte, „Iss ruhig. Ich nehm’ mir etwas anderes!“ Und somit stand er auf, um sich wahllos ein Nutellabrot zu schmieren. Wieso sich dieses Zeug in unserer Küche befand, obwohl meine Mutter und ich noch immer nicht der Fan von Süßigkeiten waren, fragt ihr euch? Ganz einfach, weil Reita Süßes liebte. Er setzte sich wieder zu mir und animierte mich zum Weiteressen, indem er mir die Stäbchen aus der Hand nahm und mich fütterte. Ich schüttelte ihn jedoch gleich wieder ab, ergatterte meine Stäbchen zurück und fragte ihn, was seine Mutter gewollt hatte. Ja, ich war halt neugierig. Außerdem wollte ich nicht, dass wir uns wieder anschwiegen. Immerhin gab es dafür keinen Grund. „Na ja, erst hat sie mich angemeckert, weil ich einfach aus dem Haus gerannt bin, ohne sie vorher darüber zu informieren“, sprach er und biss sogleich in sein Brot, kaute dann genüsslich und hob eine Hand, um mir zu verdeutlichen, dass ich warten sollte, weil ich wissen wollte, wieso er seiner Mutter nicht Bescheid gesagt hatte. Er schluckte seinen Bissen runter, sah mich dann an und erklärte, „Nachdem ich deine knappe Nachricht erhalten habe, dachte ich mir, dass etwas nicht stimmt. Deswegen habe ich mir schnell etwas übergezogen und bin überstürzt aus dem Haus gelaufen“, was mich verliebt quietschen ließ. “Du bist so süß“, hauchte ich leise, sein Brummeln ignorierend, da ich ihn als süß bezeichnet hatte, und fügte noch, „Und hast Nutella am Mundwinkel!“, hinzu und wischte sogleich mit einem Finger darüber. Er wiegte seinen Kopf danach nur hin und her und nahm noch einen Bissen, ließ mich somit noch etwas warten. „Und dann hat sie gesagt-“, schmatzte er später weiter und grinste extra breit, als er merkte, dass ich angeekelt das Gesicht verzog, „dass sie zu meiner Tante fahren wollen und ich mitkommen soll. Frag mich aber nicht wieso, ich habe selbst keinen blassen Schimmer! Ich meine, um die Uhrzeit?!“ Ich nickte nur und presste sogleich die Lippen aufeinander. „Könntest du bitte runterschlucken, bevor du redest?“, bat ich ihn angeekelt und gab ein, „Ihhh!“, von mir, als er mir glucksend den Inhalt in seinem Mund präsentierte. Wie ein verspieltes Kleinkind, also wirklich. Ich bediente mich an den restlichen Nudeln und bemerkte dabei, dass mich Reita eingehend musterte. Als er fertig gegessen hatte, erhob er sich, um seinen Teller wegzuräumen. Sobald ich ebenfalls mit Essen fertig war, bedankte ich mich bei ihm, da er den Abfall wegbrachte. Und als er wieder neben mir saß, hakte ich mich bei ihm ein und bettete meinen Kopf auf seine Schulter. Er streichelte mir leicht über den Kopf und meine Befürchtungen traten ein, als er mich fragte, was genau los gewesen war, dass ich ihn zu mir gebeten hatte. „Also, ich-“, fing ich an, hob meinen Kopf dann wieder und löste mich von ihm. „Lass uns erst hoch gehen, ja?“, bat ich, nebenbei nervös an meinen Fingern spielend, damit ich noch ein wenig Zeit gewinnen konnte. Ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte. Würde er es kindisch finden, wenn er den Grund dafür erfahren würde? Reita erhob sich nur und nahm mich bei der Hand, um mich hinter sich her aus der Küche zu leiten. Seine Rückansicht betrachtend folgte ich ihm und verspürte plötzlich den Drang, von ihm huckepack genommen zu werden. „Ähm.. Rei?“, hauchte ich fragend und er machte, „Hm?“ Ich leckte mir flüchtig über die Lippen, da diese unangenehm trocken waren, und fragte dann nuschelnd, „Nimmst du mich huckepack?“ Es mochte ja sein, dass das jetzt kindisch rüberkam, aber ich wollte es gerade so. Leise lachend drehte er sich zu mir herum und gab dann, „Klar, komm her!“, von sich. Im nächsten Moment drehte er sich wieder nach vorne und ging leicht in die Knie, damit ich mich von hinten auf ihn werfen konnte. Sofort kuschelte ich mich an ihn und vergrub mein Gesicht in seinen etwas längeren Nackenhaaren, während er mich die Treppen hinauftrug. Sobald wir wieder im Zimmer waren, ging ich direkt auf mein Bett zu und legte mich darauf. Reita folgte mir, nachdem er die Tür abgeschlossen hatte, und setzte sich neben mich, und ich bettete meinen Kopf auf seinen Schoß und konnte somit zu ihm hochsehen. “Also?“, wollte er leise wissen und spielte dabei an meinem Haar. „Versprich mir, dass du nicht lachst“, bat ich leise und ließ die Lider leicht sinken, da es sich viel zu gut anfühlte, als Reita meine Wange zu streicheln begann. „Werde ich nicht, versprochen“, versicherte er mir und lauschte dann. Ich atmete leise ein und aus und öffnete leicht den Mund, merkte, wie Reita angespannt die Ohren spitzte. „Weißt du, heute Morgen bin ich mit einem guten Gefühl aufgewacht und bin zur Arbeit gefahren. Und beim Frühstück hat mir meine Mutter noch gesagt, dass sie früher nach Hause kommen würde, was mich noch einmal mehr gefreut hat. Du weißt, immerhin schiebt sie seit Ewigkeiten Extraschichten“, redete ich leise und fuhr fort, als er nickte. „Ich bin deswegen auch extra etwas früher raus, damit ich vor ihr da bin, was auch der Fall gewesen ist. Aber sie ist nicht allein angekommen, wie du bemerkt hast. Ok, an sich war das ja nicht so schlimm, na ja, irgendwie schon-“, druckste ich unbeholfen und schob weinerlich die Unterlippe vor, als Reita leise lachend in meine Wange kniff, weil er meine Unsicherheit anscheinend als lustig befand. „Weiter!“, stachelte er mich an und ich gewährte ihm den Wunsch. „Er hat sich mir vorgestellt. Ich fand ihn richtig unausstehlich, aber irgendwie auch wieder nicht. Meine Gefühle waren in dem Moment völlig widersprüchlich, weißt du?“ Der Blonde nickte nur und überlegte kurz, als ich ihn zusammenhanglos, „Weißt du noch, als ich dir davon erzählt habe, dass der alte Chef meiner Mutter in der Agentur aufgehört hat und meine Mutter deswegen ziemlich angeknackst gewesen war, weil sie den Alten doch so gemocht hatte?“, fragte. „Das war ungefähr vor einem halben Jahr, wenn ich mich recht entsinne“, erinnerte er sich und seine Augen weiteten sich ungläubig, als ich mit einem leichten Knurren, „Schon seit dem dieser Typ ihr neuer Chef geworden ist, ist sie mit ihm zusammen!“, hervorpresste. „So lange schon?“, fragte er fassungslos und schien nicht minder geschockt. Ich nickte nur betreten und verflocht unsere Finger ineinander, als er nach meiner rechten Hand griff, um sie mit seiner zu umschließen. „Wieso hat sie dir das erst heute gesagt?“, überlegte er leise, hatte die Frage eigentlich nur sich selbst gestellt, und seine Brauen hoben sich, als ich herablassend, „Sie hätte es mir nicht einmal heute gesagt, wenn Mr. Perfect nicht gewesen wäre. Sie hat mir gesagt, dass es seine Idee gewesen war, es mir “auf schonende Art“ beizubringen!“, schnarrte und verachtend schnaubte. Gerade jetzt stieg erneute Wut in mir auf. Sie hatte es nicht von sich aus gemacht, nein. Dieser Typ hatte es ihr eingeredet! Reaktion hin oder her, sie hätte es mir von selbst sagen müssen. Ich erzählte ihr doch auch alles, das war sie mir also schuldig! „Das passt gar nicht zu Nami. Wie hat sie sich gerechtfertigt?“, wollte er wissen und kräuselte die verdeckte Nase, als ich, „Sie meinte, sie hätte Angst vor meiner Reaktion gehabt“, aussagte und meine freie Hand zur Faust ballte. „Na ja, irgendwie ist es wiederum verständlich. Aber sei doch froh, Baby. Jetzt weißt du wenigstens, was los ist“, versuchte er mich aufzubauen, doch half dies nicht wirklich und seine Gesichtszüge wurden starr, als ich einfach das Thema wechselte und mit aufkommenden Tränen, „Keisuke hat gesagt, dass ich ihn nicht bei seinem Nachnamen anreden muss, weil man seinen Vater so nicht anspricht!“, druckste und schnell die Augen zukniff, damit mir keine Tränen entkamen. „Was hat er?!“, war Reitas laute, rhetorische Frage, die mich schluchzen und zugleich schlucken ließ. Ich drehte mich auf die Seite, sodass ich mein Gesicht an seinen Bauch schmiegen konnte. „Ist der Kerl noch ganz?! So etwas kann er doch nicht einfach so raushauen!“, erbost sich Reita, hielt mich aber fest und drückte mich weiter an sich. „Seine genauen Worte waren “Lass das Takada-san weg. Immerhin spricht man seinen zukünftigen Vater ja anders an“, flüsterte ich, um das Zittern in meiner Stimme zu verbergen. Ja, ich war nun mal nah am Wasser gebaut. Gott, ich fühlte mich einfach nur mies. „Hey, nicht weinen“, nuschelte der Ältere hilflos und drehte mein Gesicht auf seinem Schoß wieder zu sich, damit er mich angucken konnte. „Ich mag es nicht, wenn du weinst. Das weißt du“, flüsterte er mit einem traurigen Gesichtsausdruck und legte seine Arme um meinen Körper, um mich in eine sitzende Position aufzuziehen. Ich nickte nur stumm, während ich mich an Reita schmiegte und meine Arme um seine Schultern legte. Ich war ihm wirklich sehr dankbar, dass er mich gerade festhielt und einfach nur bei mir war. „Du sagtest, ich soll dich nicht auslachen. Wieso hätte ich das überhaupt tun sollen?“, fragte er nahe an meinem Ohr, gab mir einen leichten Kuss auf die Wange und schüttelte stumm den Kopf, als ich kurz die Nase hochzog und dann wimmernd, „Weil, ich weiß nicht, vielleicht denkst du ja, dass ich kindisch reagiert habe oder so..“, von mir gab. „Niemals. Außerdem ist deine Reaktion völlig berechtigt. Ich denke, ich werd’ den Kerl ein wenig bearbeiten müssen!“, murrte Reita, mich fester an sich pressend, und brachte mich somit leise zum Lachen. „Lieber nicht..“, hauchte ich und atmete Reitas angenehmen Duft tief ein, was mich wieder ein wenig zur Ruhe kommen ließ. Wie konnte ein einziger Mensch so eine beruhigende Wirkung auf mich haben? „Am besten ist, du gehst jetzt ins Bad, wäschst dir das Gesicht und kommst wieder zurück, um dich schlafen zu legen!“, schlug Reita vor und schob mich leicht von sich, erhob sich dann und führte mich rüber ins Bad. Ich gehorchte ohne zu widersprechen und tat genau das, was Reita eben noch gesagt hatte. Bevor ich wieder ins Zimmer ging, putzte ich mir die Zähne und wusch mir das Gesicht. Mit einem Seufzen erkannte ich im Spiegel, dass meine Augen leicht gerötet waren, obwohl ich eigentlich nicht so viel geweint hatte. Na ja, was soll’s. Als ich wieder ins Zimmer trat, saß Reita an meinem Rechner und drehte sich auf dem Stuhl zu mir herum. „Ich darf doch kurz?“, war seine überflüssige Frage, die mich nicken ließ. Mir war gerade alles egal, denn ich fühlte mich plötzlich ziemlich müde. Ich fragte gar nicht erst, was er denn machte, sondern zog mich bis auf die Unterwäsche aus und legte mich ins Bett. Mit Reita neben mir würde mir sowieso nicht kalt werden, also von daher. Er würde mich schon noch wärmen. Ich hatte in der Nacht ziemlich unruhig geschlafen und hatte Reita immer wieder ungewollt und brutal geweckt, indem ich ihn entweder hart getreten oder ihm meine Faust ins Gesicht gerammt hatte. Aber es war wirklich nicht absichtlich gewesen. Was ich geträumt hatte, wusste ich nicht mehr. Ich hatte mich nicht daran erinnern können. Gegen acht wachte ich auf und war froh darüber, dass ich heute nicht arbeiten musste. Reita musste es anscheinend auch nicht, denn er schlief noch immer seelenruhig. Irgendwie tat er mir leid, wenn ich ihn mir so ansah. Ich setzte mich richtig auf und blickte dann erneut neben mich. Der Blonde hatte sich zu einer kleinen Kugel zusammengerollt, sich mit dem Rücken zu mir gedreht und fiel auf der anderen Seite schon fast aus dem Bett. War aber auch verständlich, wenn ich ihn im Schlaf schlug. Ich erhob mich so leise wie möglich und ging gähnend rüber ins Bad, um mich zu duschen. Als ich gerade dabei war, mich aus meiner Unterwäsche zu schälen, ging plötzlich die Tür auf und mein verschlafen dreinschauender Schatz lugte schielend herein, grinste aber augenblicklich verschmitzt, gähnte dann jedoch und trat ebenfalls ein. „Lass uns gemeinsam duschen..“, nuschelte er mir mit tiefer, kratziger Stimme ins Ohr, zog mir das letzte Stück Stoff selbst von den Beinen und befreite sich dann auch aus seiner Boxershorts. Nach langer Zeit stiegen wir mal wieder gemeinsam unter die Dusche und ich musste zugeben, dass ich es vermisst hatte, mich so von ihm unter dem Wasser verwöhnen zu lassen. Wir duschten ausgiebig und verließen gemeinsam das Bad, nachdem wir uns dort schnell fertig gemacht hatten. Es war noch still im Haus, also schloss ich daraus, dass meine Mutter noch immer schlief, was eigentlich nie vorkam. Um diese Uhrzeit war sie schon längst wach und machte sich für die Arbeit fertig. Beim genaueren Überlegen fiel mir ein, dass sie heute ebenfalls frei hatte. Aber trotzdem.. Selbst in ihrer freien Zeit saß sie schon morgens in der Küche und trank ihren Kaffee. „Ich werde hiernach erst mal wieder nach Hause und mich auf ’ne Predigt von meiner Mom gefasst machen“, sagte Reita, der gerade im Kühlschrank herumkramte, weil er den Tisch für uns beide decken wollte. „Was meinst du damit?“, hinterfragte ich, da ich mir nicht denken konnte, wieso Reitas Mutter ihn wieder zurechtweisen sollte. Immerhin hatte er ja nichts angestellt. „Na, weil ich heute eigentlich zur Arbeit gemusst hätte!“, grinste er mich knapp über die Schulter hinweg an und stieg dann beinahe in den Kühlschrank und bot mir somit einen lustigen Anblick. „Du sollst dich doch nicht vor der Arbeit drücken, Rei! Geh da weg, ich mach das schon“, meinte ich und zog ihn an dem Kragen seines weiten T-Shirts zurück, um selber nach den benötigten Sachen zu suchen. Sobald der Tisch fertig gedeckt war, setzten wir uns, wobei Reita mich auf seinen Schoß nahm und mich während des Essens immer wieder fest umarmte. „Sprichst du heute mit ihr darüber?“, hinterfragte er nach einer kurzen Zeit des Schweigens - wir hatten nur einige Witze gerissen, damit es nicht so still war und ich nicht so betreten vor mich hin schaute - und biss in den Marmeladetoast, welchen ich ihm hinhielt. Ich biss danach ebenfalls ab und kaute nachdenklich. Natürlich würde ich heute mit ihr reden. Noch einmal würde ich mich sicher nicht davor drücken können. Immerhin lebten wir unter einem Dach, und solche Dinge durfte man nicht unausgesprochen lassen. „Ja, werde ich!“, antwortete ich also und wir richteten beide unsere Blicke in Richtung Flur, weil leise Schritte zu hören waren. Im nächsten Augenblick erschien meine Mutter verschlafen in der Tür und starrte uns beide wie eine Erscheinung an, als sie uns bemerkte. „Guten Morgen!“, rettete Reita die Situation sofort, entließ mich aber nicht, als ich versuchte, von seinem Schoß herunterzuklettern. Meine Mutter sah zuerst unbeholfen drein, lächelte dann aber zögerlich und wünschte uns ebenfalls einen guten Morgen. „Willst du dir die Beine in den Bauch stehen? Setz dich zu uns!“, machte Reita meine Mutter auf ihre Starre aufmerksam und schob mich letztendlich von seinem Schoß runter, um sich selbst zu erheben und meiner Mutter Besteck rauszukramen. Sie ergab sich mit hängenden Schultern und betrat die Küche vollends. Irgendwie konnte ich mir denken, dass sie lieber allein frühstücken würde und nicht bei uns sein wollte. Ich merkte, wie sie es sich verkniff, mich anzusehen. Sie setzte sich auf den Stuhl neben mir, schaute aber nicht auf. Doch als ich sie einfach umarmte, weil ich es nicht ertragen konnte, wenn wir uns so verhielten, seufzte sie sofort erleichtert auf und legte ihre Arme um meinen Hals, um mich näher zu sich zu ziehen. Reita, der gerade nach einem Teller kramte, besah sich die Situation und lächelte knapp, ehe er den Teller rüberbrachte und dann sanft, „Ich werd’ jetzt erst mal nach Hause. Bis später, ihr beiden!“, sagte, was mich zum Aufsehen brachte. Ich wollte gerade etwas erwidern, aber er legte sich nur einen Finger auf die Lippen, zwinkerte mir dann zu und verließ sogleich das Haus. So.. Dann war es jetzt also an der Zeit, ein klärendes Gespräch mit meiner Mutter zu führen. Ohne diesen Keisuke. Würde schon schief gehen, hm? „Ma..“, fing ich unsicher an, wurde von ihr jedoch dazu gebracht, zu schweigen, indem sie mir ins Wort fiel. „Es tut mir wirklich leid, Kouyou. Er hätte so etwas nicht sagen dürfen. Es war einfach nur respektlos von ihm dir gegenüber. Das war alles meine Schuld, dass das so kam. Ich wollte doch nur, dass ihr beide euch kennen und mögen lernt, verstehst du?“, sprach sie leise und ich registrierte, dass ihre Augen wieder zu glänzen anfingen. Bitte, alles nur nicht das! Schnell zog ich sie wieder in eine Umarmung und küsste sie auf den Schopf, was sie dazu antrieb, sich enger an mich zu schmiegen. „Mir tut es leid, dass ich so reagiert habe. Ich hab ein wenig übertrieben“, entschuldigte ich mich, doch entgegnete sie mir genau dasselbe, was Reita gestern gesagt hatte. „Du hattest ein Recht darauf, so zu reagieren. Immerhin war das, was er gesagt hat, wirklich-“ „Ich weiß, ich weiß!“, unterbrach ich meine Mutter mit einem leichten Lächeln und war froh darüber, dass sie ebenfalls lächelte. Ich wollte nicht, dass sie das noch einmal aussprach, schallten die Worte doch seit gestern immer wieder wie ein böser Fluch in meinen Ohren wider. „Wie wär’s, wenn wir erst einmal zu ende frühstücken und du mir später ein wenig von ihm erzählst?“, schlug ich vor und seufzte innerlich, als sie eifrig nickte und anfing, sich ein Brot zu schmieren. Auf in den Kampf! Ich bemerkte, wie sie das Gespräch hinauszögerte, indem sie beinahe wie in Zeitlupe kaute und sich auch langsamer bewegte als sonst. Doch als ich sie darauf hinwies, dass sie schneller machen sollte – ich war schon längst fertig mit essen – nickte sie hastig und beeilte sich dann doch. Sobald sie fertig war, räumten wir zusammen den Tisch ab und ich nahm sie sofort bei der Hand, um sie ins Wohnzimmer rüber zu ziehen, damit wir dort reden konnten. War immerhin gemütlicher. „Also dann, Ma“, gab ich von mir und musste irgendwie lächeln, weil sie gerade wie ein verliebtes, unsicheres Schulmädchen wirkte. Der einzige Unterschied war, dass sie weitaus älter war. Sie zwirbelte den Bindegürtel ihres orangenen Morgenmantels unsicher zwischen ihren Fingern hin und her und sah dabei auf das Sofa, auf dem wir saßen, anstatt in mein Gesicht. „Ma!“, weckte ich sie aus ihrer Träumerei und sie zuckte zusammen und stierte mich mit halb geöffnetem Mund an. Wie schon so oft merkte ich, dass wir beide dieselben Lippen hatten. Diese Ähnlichkeit war einfach erstaunlich. „Ja, also, wo soll ich anfangen?“, druckste sie und lachte nervös auf. Sie fuhr sich mit gespreizten Fingern durchs rabenschwarze Haar und biss sich auf die Unterlippe. Ich entschied, den Anfang zu machen und sie zu fragen, wie alt der Typ überhaupt war. Als sie mir das Alter nach einigem Hin und Her aber nannte, klappte mir die Kinnlade runter und ich war drauf und dran, aufzuspringen. „Ma! Der könnte ja mein älterer Bruder sein!“, entrüstete ich mich und sprang auch nicht auf ihre Beruhigungsversuche ein. 29! Der Typ war 29! „SO ein Altersunterschied!“, rief ich und riss dabei die Arme zur Veranschaulichung weit auseinander. „Schatz, bitte, setz dich“, redete sie auf mich ein und zog mich an meinem Oberteil näher zu sich. Sobald ich aufhörte, herumzukeifen, nuschelte sie mit gesenktem Kopf, „Das sind doch nur zehn Jahre Unterschied..“ „Nur?!“, rief ich ungläubig und sprang dann doch vom Sofa. „Nur?! Mama, du hast doch einen weg! Der Typ ist doch viel zu jung für dich!“, blaffte ich laut und mir wurde erst dann klar, was ich gesagt hatte, als ich es schon längst ausgesprochen hatte. „Junger Mann, ich höre wohl nicht richtig! Ich bin immer noch deine Mutter. Und meines Wissens nach redet man nicht so mit seiner Mutter, hast du gehört?“, schimpfte sie mit zusammengezogenen Brauen und wirkte plötzlich ziemlich einschüchternd. Sie war zwar klein, aber wenn sie so schaute, bekam ich wirklich Angst vor ihr. „Und außerdem verliert niemand auch nur ein Wort darüber, wenn der Mann zehn Jahre älter ist als seine Partnerin, also bitte!“ „Entschuldige, so war das definitiv nicht gemeint“, murmelte ich reuleidig und nahm beschwichtigend ihre Hände in meine. Sie lächelte sofort wieder und neigte dabei den Kopf leicht zur Seite. Anscheinend litt sie jetzt auch noch unter Stimmungsschwankungen. Lag das an den Wechseljahren oder so? „Als ich damals erfahren habe, dass ich einen neuen, jüngeren Chef zugeteilt bekomme, wollte ich das alles nicht wahrhaben und dachte mir sofort “Oh nein, bitte! Das ist sicher ein totaler Schnösel!“ Immerhin hatte ich mehrere Jahre mit meinem alten Chef zusammengearbeitet und er war immer sehr liebenswürdig und fair zu uns allen gewesen. Zumal das Wissen unseres alten Chefs unermesslich und für uns nicht wegzudenken war. Deswegen wollte ich auch keinen anderen akzeptieren. Aber dann, als ich den Neuen am nächsten Tag gesehen und auch etwas besser kennengelernt hatte, dachte ich mir nur Wow!“, fing sie einfach an und blickte dabei äußerst träumerisch durch das große Zimmer. Ich schluckte leicht und verkniff mir jeglichen Kommentar. Dass sie diesen träumerischen Ausdruck nur deswegen aufsetzte, weil sie an jemand anderes dachte, gefiel mir wirklich nicht. Aber unterbrechen wollte ich sie jetzt immerhin auch nicht, da sie schon zu erzählen angefangen hatte. Also konnte sie es ja auch gleich zu Ende bringen und ich hätte somit einige Informationen über seine Person, nicht? „Zuerst verlief alles recht normal. Er erwies sich schnell als sehr guter Chef, hatte sogar erstaunlich gutes Wissen über unsere Agentur gesammelt, und dies innerhalb nur weniger Tage. Zudem hatte er gleich in der ersten Woche einen Riesendeal mit einer bekannten Modemarke ausgehandelt. Wir waren alle sofort hin und weg. Und dann-“ Sie stockte kurz und ich rollte mit den Augen, da sie leise kicherte und dabei leicht auf ihrem Platz hin- und her wippte. War das gerade wirklich meine 39 Jahre alte Mutter? Schien mir eher wie ein kleines, verliebtes Schulmädchen. „Ich hatte eine Akte zu ihm ins Büro bringen müssen, und als ich dann da gewesen bin, hat er mich noch ein wenig bei sich behalten, um sich mit mir zu unterhalten. Es war recht amüsant gewesen, muss ich zugeben. Er hat so einen tollen Charakter und behandelt jeden sehr gut und respektvoll. Noch an diesem Tag haben wir uns verabredet. Er hatte damals gesagt, er wolle mich näher kennenlernen, indem er mich zum Essen einlädt!“, plapperte sie mit leicht geröteten Wangen und ich hob sofort meine Hände und presste, „Die Details kannst du ja für dich behalten!“, aus mir, was sie die Unterlippe vorschieben ließ. „Es ist nichts passiert, du Dummerchen. Ich bin doch kein Teenager mehr, der seine Hormone nicht unter Kontrolle hat. Und Kei genauso wenig!“, entrüstete sie sich und schlug mir mit einem empörten Gesichtsausdruck gegen den Oberarm, als ich augenrollend, „Oh bitte, wer’s glaubt wird selig. Das ist ein Typ. Und Typen haben immer dreckige Hintergedanken, ob nun jung oder alt! Ich muss es wissen, ich bin immerhin auch einer!“, schnaubte und mir gleich darauf mosernd über den Oberarm rieb. „Hör auf zu spinnen und tu nicht so, als würdest du deine eigene Mutter nicht kennen!“, meckerte sie und ihre Gesichtszüge wurden sofort schlaffer, als ich unbewusst und flüsternd, „In mancher Hinsicht ist es so, dass ich dich nicht richtig kenne. Ich habe eigentlich immer gedacht, dass ich alles über dich weiß, aber dem ist offensichtlich nicht so“, von mir gab, dann aber die Augen weitete und direkt in ihre sah. „Ich-“, fing ich hilfesuchend an und legte unsicher meine Arme um ihren Oberkörper, da sie sich schnell an mich geworfen und, „Es tut mir wirklich leid!“, gewispert hatte. Ich streichelte immer wieder leicht über ihren Rücken hinweg und versicherte ihr leise, dass es in Ordnung war. Sie hatte ja keine Schuld. „Ich habe mich innerhalb kurzer Zeit in ihn verliebt und hätte es dir am liebsten sofort gesagt“, flüsterte sie jetzt weiter und ein leichter Schüttelanfall durchzog meinen Körper, weil ihre Lippen ziemlich nahe an meinem Ohr waren und mich kitzelten. Sie zog sich leicht zurück, um mir einen entschuldigenden Kuss auf die Wange zu hauchen, und umarmte mich dann wieder fest. Und dann fuhr sie fort. „Aber dann wurde mir klar, dass das nicht so leicht geht. Ich habe mich einfach nicht getraut, es dir ins Gesicht zu sagen. Mir selbst war es ja auch irgendwie zu früh gewesen, all diese Gefühle und Empfindungen plötzlich für jemanden ganz anderen zu haben. Ich hatte mich anfangs sogar geschämt und hatte richtig schlimme Schuldgefühle, als würde ich deinen.. deinen Vater betrügen. Ändern kann ich es jetzt aber auch nicht mehr..“ Bei ihren Worten wurde mir immer komischer. Ich wusste, worauf sie anzuspielen versuchte. Ob drei Jahre nun viel zu kurz waren, um sich neu zu verlieben, wusste ich nicht. Einerseits dachte ich mir, dass es wirklich zu schnell ging. Aber anders betrachtet war es dann doch wieder eine verdammt lange Zeit. Wisst ihr was ich meinte? Ah, schon gut. Als sie erneut zu reden begann, merkte ich, wie sich Tränen in meinen Augenwinkeln bildeten und ich alles um mich herum nur noch schwummrig wahrnehmen konnte. „Dein Vater hatte immer gewollt, dass ich.. dass wir glücklich sind. Und ich bin sehr, sehr glücklich. Also kann das, was ich mache, doch nicht falsch sein, oder Schatz?“ Eifrig schüttelte ich den Kopf und unterdrückte ein Schluchzen. Ich wollte nicht schon wieder weinen! Herrgott noch mal, musste ich auch so weinerlich sein?! „Nein, ist es nicht“, sprach ich versucht ruhig und lächelte ehrlich, als sie sich komplett von mir löste, um mich anzusehen. „Schatz, ich weiß, dass du ihn nicht als deinen Vater akzeptieren kannst. Das würde ich auch niemals von dir verlangen, hat immerhin nur dieser eine besondere Mensch für immer diesen Platz in deinem Herzen, aber.. Wenn es denn mal soweit kommen sollte, dann wirst du ihn doch wenigstens als ein Familienmitglied akzeptieren können, oder?“, fragte sie mit weinerlicher Stimme und ich konnte hören, wie etwas in mir in tausende Einzelteile zersplitterte. Also würde es wirklich so weit kommen, dass die beiden.. Ich sollte nicht so egoistisch sein! Ich wollte einfach nur, dass sie bedingungslos glücklich war. Und wenn Keisuke diese Person war, die sie glücklich machen konnte, dann würde ich ihn auch akzeptieren, das stand fest. Nicht als meinen Vater, aber immerhin als einen Teil der Familie. Ich verstand mich selbst nicht. Ich war es doch immer gewesen, der sich einen Mann an der Seite meiner Mutter gewünscht hatte, der auf sie aufpasste und ihr die Liebe gab, die sie verdiente. Und jetzt, wo sie anscheinend jemanden gefunden hatte, spielte ich mich so auf. Eigentlich.. war ich doch an allem schuld. Nur wegen mir war es so weit gekommen, dass meine Mutter vor Jahren ihren geliebten Ehemann verloren hatte. Wenn ich nicht geboren wäre, würde mein Vater noch immer glücklich mit meiner Mutter zusammenleben, nicht von ihrer Seite weichen und würde immer für sie da sein. Das alles war nur wegen mir passiert.. Wegen meinem Geburtstag und einem blöden Geschenk, was ich mir gewünscht hatte. Gott, ich hasste mich und meine Gedanken. Ich unterdrückte meine Tränen nicht, sondern ließ sie einfach frei und schluchzte dabei leise, was meine Mutter anscheinend ziemlich irritierte. Mit geweiteten Augen, die von Sorge erfüllt waren, sah sie mich an und nahm mein Gesicht in ihre warmen Hände, um Augenkontakt mit mir zu erzwingen. „Kou, Schatz, was ist los?!“, fragte sie und wirkte plötzlich panisch, da ich einfach nicht aufhören konnte, hektisch zu schluchzen. Wie oft war mir schon klar geworden, dass ich der einzige Schuldenträger an der Situation meiner Mutter war? Nur ich allein war der Grund, weshalb sie einsam war. Und genau diese Tatsache konnte niemand leugnen. Ich schüttelte nur den Kopf, um sie zu beruhigen, doch zog dies nicht bei ihr und sie löcherte mich ununterbrochen mit Fragen, die bei mir zwar in einem Ohr rein gingen, aus dem anderen jedoch nur wieder herauskamen. Ich musste mich jetzt einfach ausweinen. All diese aufgestauten Emotionen waren zu viel für mich. Wie lange ich dort saß, an meine Mutter geschmiegt und leise weinend, weil meine verdrängten Gedanken mich wieder einmal eingeholt hatten, wusste ich nicht. Aber es tat gut zu wissen, dass meine Mutter mich trotz alledem liebte und mich niemals allein lassen würde. Eigentlich hatte ich all diese Liebe nicht verdient. „Wie jetzt? Hat er dich denn nicht angerufen?“ Es waren einige Stunden vergangen, seit ich mich wieder beruhigt hatte. Lustlos saß ich zusammengesunken auf meinem Sofa und sah unbeteiligt zu Reita auf, der sich zurecht gemacht hatte und mich dazu aufforderte, mich zu erheben und mich angemessen anzuziehen. Er war vor zehn Minuten hier aufgekreuzt und versuchte jetzt schon seit dem, mich zum Anziehen zu animieren. „Keine Ahnung. Mein Handy ist aus und auf dem Festnetz hat er auch nicht angerufen“, teilte ich ihm müde mit und legte meinen Kopf zurück. Vom Weinen wurde ich wirklich sehr schnell müde. Der Blonde kratzte sich leicht überfordert am Hinterkopf und umrundete dann das Sofa, um sich neben mich plumpsen zu lassen. „Hey.. Du weißt doch, dass Aoi und Toshiya sich freuen, wenn wir sie besuchen. Also los, sei mal nicht so miesepetrig. Außerdem wird es dir sicher guttun, wenn du bei ihnen bist!“ Nein, Reita wusste nicht, wie das Gespräch zwischen meiner Mutter und mir verlaufen war. Sicher, ich würde es ihm erzählen, aber nicht jetzt. Denn ich hatte keine Lust, schon wieder in Tränen auszubrechen. Gott, ich war zwar schwul, aber keine mosernde Heulsuse! Oder doch? „Rei, ich fühl mich wirklich nicht gut“, murmelte ich meinen Einwand, den Reita jedoch gespielt überhörte. „Kai wird auch da sein!“, wippte er nur grinsend mit den fein geschwungenen Brauen und brachte mich somit dazu, ihn anzusehen. „Sadistisches Schwein“, seufzte ich ergeben und erhob mich letztendlich, um mir das Gesicht zu waschen, damit ich etwas frischer wirkte. Kai zu sehen würde mir sicher guttun. Immerhin hatte er mich damals auch immer mit Leichtigkeit aus solchen Launen herauszerren können. Reita rief mir nur, „Aber für Sie doch immer, der Herr!“, hinterher und wartete, bis ich fertig war. Meine Mutter verabschiedete uns an der Haustür und schenkte mir vorher noch einen vielsagenden Blick, woraufhin ich nur geknickt lächelnd den Kopf senken konnte. Zufälligerweise herrschte heute nicht so viel Verkehr. Vielleicht lag es aber auch nur an der Uhrzeit, da die meisten Arbeitnehmer gerade jetzt noch in ihren Büros saßen und sich einen abschufteten. Reitas Fahrstil ließ wie immer zu wünschen übrig, aber diesmal blieb ich still und beklagte mich nicht. Das brachte mir immerhin so oder so nichts. Als wir endlich vor dem hohen Gebäude parkten, stieg ich aus und wartete auf Reita, der seinen Wagen abschloss und mich dann an der Hand nahm. Ein Blick zur Seite zeigte mir, dass anscheinend auch Kai und Ruki da waren, denn immerhin stand Rukis kleiner Honda etwas weiter weg. Nur zur Aufklärung, Kai hatte keinen Führerschein und missbrauchte somit Ruki als seinen eigenen Chauffeur. Bei dem Gedanken, dass ich die anderen gleich wieder sehen würde, musste ich irgendwie lächeln, was Reita natürlich nicht entging. Als Zeichen dafür, dass er meinen Ausdruck registriert hatte, drückte er leicht meine Hand, schwieg jedoch weiterhin. Selbst im Fahrstuhl sagten wir beide nichts und warteten geduldig, bis wir im zehnten Stock angekommen waren. Hand in Hand und dicht nebeneinander hergehend trotteten wir auf die Tür zu, und ehe Reita zweimal geklopft hatte, flog die Tür auch schon auf und ein breit strahlender Toshiya stand vor uns, um uns auch sofort zu umarmen. „Schön, dass ihr da seid. Kommt rein!“, rief er freudig und zog uns beide ins Innere des hübschen Appartements. Ich entledigte mich meiner Schuhe und meiner Jacke, was Reita mir gleichtat, nachdem er sich von Toshiya befreit hatte, und bekam dann Augen wie Untertassen, als Aoi aus dem Wohnzimmer gehüpft kam, mit einem kleinen Kind im Arm, welches sicher nicht älter als zwei war. „Hä?“, machte ich nur überaus intelligent und wurde sowohl von Aoi, als auch Toshiya ausgelacht. Der Jüngere von beiden erklärte mir, dass das die kleine Tochter seiner Schwester war und er sich bereiterklärt hatte, heute auf diese aufzupassen, weil die Mutter einen wichtigen Termin hatte. „Ach, die Tochter deiner Schwester also?“, wiederholte ich und Toshiya nickte daraufhin. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Toshiyas Schwester eine Tochter hatte. Was war ich bitte für ein Freund? „Ich mache mir nur große Sorgen wegen später“, flüsterte mir der Schwarzhaarige mit vorgehaltener Hand verschwörerisch zu, nachdem er sich dicht neben mich gestellt hatte. „Wieso?“, wollte ich genauso leise wissen und prustete hinter hervorgehaltener Hand, als Toshiya mir offenbarte, dass Aoi, der sich wohl damals bei der Geburt der Kleinen sofort in diese verliebt hatte und ständig nach ihr fragte, sie seit ihrer Ankunft heute nicht mehr runtergelassen hatte. Und sie war meines Wissens nach schon seit halb zwölf hier, was mir der Jüngere noch eben zugewispert hatte. Und gerade jetzt war es viertel nach drei. Das arme Kind. „Was stehen wir hier so rum? Kommt ins Wohnzimmer!“, sprach Aoi gut gelaunt und gab dem kleinen Wesen auf seinem Arm ein Küsschen auf die Wange, was die Kleine zum Giggeln brachte. Hach ja, Kinder waren schon etwas Niedliches. Ich hastete hinter Aoi her, wurde von Reita lächelnd verfolgt, und als ich Kai und Ruki auf dem Sofa sitzen sah, ging es mir automatisch besser. „Heeey!“, rief ich und breitete die Arme aus, was jeden im Raum zum Lachen brachte. Ohne weiter zu warten lief ich auf das Sofa zu und warf mich grinsend auf Kai, der noch immer wie verrückt lachte und mich an sich drückte. Im nächsten Augenblick befand sich Ruki über mir, da er sich auf mich geschmissen hatte, und somit zerquetschten wir gemeinsam Kai, der langsam zu prusten anfing, da er keine Luft bekam. Als sich auch noch Reita und Toshiya als krönenden Abschluss auf uns warfen, lief Kai langsam aber sicher rot an und fing an, sich atemlos zu beklagen. „Ich kriege keine Luft, ihr Fettsäcke. Geht von mir runter!“, druckste er versucht laut und zappelte hin und her, was ihm aber nicht wirklich half. Aoi enthielt sich als einziger und nahm auf einem der vereinzelten Sessel Platz, um uns belustigt zu mustern. Die Kleine saß auf seinem Oberschenkel und sah ziemlich verängstigt zu uns rüber, da sie nicht verstand, was gerade vor ihren Augen ablief. „Runter mit den Klamotten, und zwar alle!“, trällerte Aoi und lachte amüsiert, als wir ihn verpeilt ansahen und selbst Kai kurz zu zetern aufhörte. Freunde waren doch etwas Tolles, nicht wahr? Bis vor kurzem war ich noch dabei gewesen, Trübsal zu blasen, doch jetzt benahm ich mich so, als wäre nichts passiert. Na ja, eigentlich war ja auch nichts vorgefallen. Wir bequemten uns alle nacheinander von Kai runter und setzten uns dann anständig hin. Ich grüßte Kai und Ruki danach angemessen und Reita tat es mir gleich, nahm gleich darauf Toshiya in den Arm und setzte sich etwas bequemer hin, während ich mich an Kai schmiegte und zu ihm hochlächelte, als er an seiner Brust hinuntersah, um mir in die Augen zu schauen und mich ebenfalls anzulächeln. „Ja, und was ist mit mir?!“, beschwerte sich Ruki, der alleingelassen zwischen uns saß und beleidigt die Arme vor der Brust verschränkte. „Komm her, mein kleiner Flummi!“, lachte Kai bei dessen Anblick und klopfte auf seine rechte Seite, die frei war. Ruki ließ sich das nicht zweimal sagen. Er hetzte schnell auf Kais Seite zu und presste sich an diesen, streckte mir dann die Zunge raus und versuchte zeitgleich, mich wegzuschubsen. „Verpiss dich!“, grummelte er zickig, schaute jedoch sofort mit einem Lammblick drein, als Kai sich entrüstete und ungläubig Rukis Namen aussprach. „Tut mir leid“, nuschelte der Kleinere und ich hatte dafür nur ein belustigtes Grinsen übrig. Ab und zu passierte es, dass Ruki seine Eifersucht einfach nicht im Zaum halten konnte, obwohl er wusste, dass Kai und ich seit vielen Jahren beste Freunde waren und keinerlei Hintergedanken hegten, wenn wir so eng umschlungen nebeneinandersaßen. Also hatte er auch nichts zu befürchten. Irgendwie machte es jedoch Spaß, Ruki so zu ärgern und zu provozieren. Ich wippte nur mit den Brauen, was ihn anscheinend noch mehr reizte, denn er presste die Lippen fest aufeinander und klammerte sich immer mehr an Kai, der dies nicht wirklich beachtete, sondern mit Reita redete, der immer wieder automatisch mit dem Kopf leicht zur Seite wegzuckte, weil Toshiya, der sich ebenfalls dicht an meinen Schatz geschmiegt hatte, mit dessen Haaren zu spielen versuchte. Der Blonde mochte es nicht, wenn man sein Haar anfasste. Es sei denn, ich war diejenige Person. Aoi saß noch immer auf dem Sessel und es schien, als sei er in eine andere Welt abgedriftet. Er gab irgendwelche komischen Laute von sich, welche uns allen nicht entgingen, und zog hier und da sanft an der Wange des kleinen Mädchens, welches ihn ununterbrochen anlächelte und sich an seine großen Hände klammerte. Ich denke, Aoi wäre ein sehr guter Vater. „Schatz, hör auf damit. Du machst ihr sonst noch Angst mit deinem komischen Gegluckse!“, redete Toshiya plötzlich und brachte Aoi somit dazu, schmollend die Unterlippe vorzuschieben. „Aber Liebling, Yui versucht mir etwas mitzuteilen, und ich will wissen, was es ist!“, beklagte sich Aoi und sah nur noch beleidigter drein, als wir alle prusteten und ihn auslachten. „Ihr habt doch alle keine Ahnung vom pädagogischen Umgang mit Kleinkindern!“, patzte Aoi beleidigt herum und drückte die Kleine vorsichtig an sich, die mit ihren kleinen Händen auf seine Brust patschte und ihren Kopf sogleich bei ihm anlehnte und die Augen entspannt schloss. „Oh, wie süß!“, fiepten Ruki und ich gleichzeitig entzückt, was Reita und Kai ein Grinsen entlockte. „Seht ihr? Ich bin als Vater total gut geeignet! Also Toto, du weißt was das heißt!“, sprach Aoi mit vor Stolz geschwellter Brust und grinste verschmitzt, als Toshiya die Beine überschlug, seinen Kopf nebenbei auf Reitas Schulter bettete und sarkastisch, „Ach, tue ich das, ja?“, fragte. „Natürlich tust du das. Heute Abend wird im Schlafzimmer schön fleißig weitergeübt. Ich bin mir sicher, dass es diesmal klappen wird!“, wippte der Älteste in der Runde mit den Brauen und brachte Toshiya somit schwer zum Aufseufzen. Ob Aoi jetzt Spaß machte oder es ernst meinte, war ziemlich schwer zu erraten. Man erwartete eigentlich von ihm, dass er realistisch genug war, um zu wissen, dass das, was er vorhatte, niemals klappen würde. Aber in der Hinsicht hatte er anscheinend einen eigenen Kopf und ließ sich nichts einreden. Oder es war einfach nur sein verkorkster Humor, wer wusste das schon? Mir fiel mal wieder auf, wie unterschiedlich und leicht verrückt meine Freunde doch waren. Jeder für sich hatte irgendein beklopptes Merkmal. Bei Aoi war es nun einmal diese Schwangerschaftsgeschichte. Bei Toshiya wiederum seine versaute Ader, die er aber nur noch sehr selten hervorbrachte, weil er uns mit seinen Fetischen keine Angst einjagen wollte. Ruki hatte seinen Eifersuchtsfimmel und Kai.. Ja, das war die Frage. Ich glaube, Kai war perfekt. Und Reita war sowieso eine Sache für sich, also brauchte ich das Thema auch nicht weiter ansprechen. Kapitel 7: ~7~ -------------- „Liebling, machst du Yuis Essen bitte warm?“ „Sicher! Soll ich nebenbei auch noch Staub wischen?!“ Toshiya stand am Herd, weil er uns etwas zu essen machen wollte, und Kai und ich saßen hinter ihm am Mosaiktisch, um Toshiya Gesellschaft zu leisten und ihm ab und an unter die Arme zu greifen. Immerhin sollte er ja nicht alles allein machen. Aoi war soeben mit Yui im Arm in der Tür erschienen und versuchte jetzt, zu flüchten, da Toshiya mit dem Kochlöffel ausgeholt hatte und drauf und dran war, Aoi mit diesem zu bewerfen. „Hey, bleib ruhig, Totchi! Du triffst sonst noch das Kind! Ich mache das schon“, sprang Kai beschwichtigend ein und erhob sich vom Stuhl, um Yuis Essen in der Mikrowelle aufzuwärmen. Aoi hatte sich längst wieder mit der Kleinen verzogen, da er es in Toshiyas Nähe anscheinend als etwas gefährlich empfunden hatte, was faktisch auch so war. Der Schwarzhaarige wirkte irgendwie gereizt und rührte beinahe brutal im Topf herum. Ich konnte es öfter mal zischen hören, als würde immer wieder etwas vom Essen danebengehen und auf dem heißen Herd landen. Jedoch konnte ich nur darüber grinsen. Die beiden waren wirklich wie ein altes Ehepaar. Ich schaute Kai dabei zu, wie der vor der Mikrowelle hin- und herwackelnd darauf wartete, dass das Essen warm wurde, als plötzlich Reita mit Ruki in der Küche erschien und mit grimmiger Miene auf mich zu stampfte. Was war denn nun los? “Baby, Ruki sagt, dass mein Schwanz kein Punk ist!“, motzte er beleidigt und ohne Kontext und sah nur verwirrt drein, da mir daraufhin die Gesichtszüge komplett entgleist waren. „Bitte was?!“, rief ich nur perplex aus und wurde sogleich von Kai, Ruki und Reita ausgelacht, als hätten sie sich gegen mich verschworen. „Na ja, wir haben uns über unsere Schwängel unterhalten und ich habe ihm erklärt, dass meiner ein Schläger ist. Und Reita hat danach behauptet, dass seiner ein Punk wäre, aber das glaube ich ihm nicht! Es sei denn, er zeigt ihn mir!“, sprach Ruki nickend, als wäre dieses Gespräch das Normalste der Welt, während er gleichzeitig Reitas flachen Hand auswich, die nach ihm ausgeholt hatte. Wie gelangweilt mussten die beiden sein, dass sie sich schon über ihre Geschlechtsteile unterhielten?! „Sag ihm, dass es so ist!“, drängte mich Reita dazu und stellte sich zu mir, um an meinen Haaren zu spielen und mir nebenbei immer wieder mürrisch gegen die Schulter zu tippen. Ich sah nur ungläubig zu ihm hoch, fixierte dann verdutzt Ruki und wusste tatsächlich nicht, was ich dazu sagen sollte. Dann tippte ich mir überlegend auf die Nasenspitze und atmete einmal tief durch. Hier musste Wahnsinn mit Wahnsinn bekämpft werden. Konnten die beiden gerne haben. „Also, weißt du, wenn der da unten ein Punk ist, müsste er doch eigentlich bunt gefärbtes Haar tragen, oder? Und außerdem müsstest du mit Spikes in der Hose herumlaufen, und das ist mir bis jetzt auch nicht aufgefallen. Unangenehm wäre es sicher auch. Also kommen wir zu dem Schluss, dass der kleine Reita, der eigentlich gar nicht so klein ist, kein Punk ist!“, erklärte ich überlegend und wurde sofort von Reita angemault, dass ich doch keine Ahnung hätte, was ich da sagte. „Mein Schwanz ist Punk und damit basta!“, grummelte er und verschwand beleidigt aus der Küche. Als ich mir sicher war, dass er mich nicht hören konnte, fing ich an, herzhaft zu lachen. Wie bescheuert musste man sein?! „Ich wusste es doch!“, triumphierte Ruki breit grinsend, verengte die Augen jedoch sofort zu Schlitzen und knurrte auf, als Kai nebenbei unverblümt, „Deiner ist aber auch kein Schläger. Das ist eher ein kleines, weiches Würstchen, was mehr um Aufmerksamkeit bettelt, als ein Straßenhund es tut“, anmerkte und mit Yuis Essen in der Hand nonchalant aus der Küche verschwand. „Das war jetzt mehr oder weniger hart!“, murmelte ich zweideutig und grinste entschuldigend, als Ruki mich sauer anstierte und gleich darauf auf der Hacke herumwirbelte. „WAS HEISST HIER WÜRSTCHEN?!“, brüllte der Kleine durch das gesamte Appartement und lief zurück ins Wohnzimmer. Von hier aus konnte ich Ruki plötzlich jammern hören. Schnell stand ich auf und lief grinsend Richtung Wohnzimmer, weil ich mir das Schauspiel zwischen den beiden sicher nicht entgehen lassen wollte. Der Kleine verschätzte sich sehr gerne, was seine körperliche Überlegenheit anging. Ich blieb in der Tür stehen und sah somit Kai und Ruki vor mir auf dem Boden liegen, wobei erster rittlings auf dem Kleineren saß und ihm mit einem überlegenen Grinsen und nur einer Hand beide Arme über dem Kopf festhielt. „Lass mich los!“, keifte Ruki und stemmte sich vergebens gegen Kai, der sich nur süffisant lächelnd und der Länge nach auf den Kleineren legte, um ihn heftig zu küssen und ihn somit zum Schweigen zu bringen. Ok, sowas kam nicht oft vor, da mein bester Freund eher zurückhaltend war, was öffentliche Zurschaustellung ihrer Zuneigung zueinander anging. „Ich glaube es hackt! Verlegt eure Schweinereien auf später, hier ist ein kleines Kind!“, entrüstete sich Aoi und hielt Yui die Augen mit einer Hand zu, die nur mit leicht geöffnetem Mund und ihrem Augenlicht beraubt auf Aois Schoß saß und leise, „Wuawuawua“, machte. Da Kai nicht so unverschämt sein wollte, löste er sich schnell von Ruki und war im Begriff, von diesem runter zu steigen, doch der Kleinere schlang sofort angetan seine Beine um den unteren Rücken des Schwarzhaarigen und drückte diesen wieder an sich, um erneut über Kais Lippen herzufallen. Ich stand indessen in der Tür und grinste ob dieses Anblicks amüsiert vor mich hin. Als sich plötzlich von hinten zwei Arme um meinen Bauch schlangen und ich schnell an einen festen Körper gezogen wurde, der sich eng an meine Kehrseite schmiegte, zuckte ich vor Schreck zusammen und drehte meinen Kopf so weit wie möglich herum, um hinter mich sehen zu können. „Was machst du denn hier im Flur?“, fragte ich Reita perplex, der seinen Kopf nur auf meine Schulter bettete und mir, „War im Bad“, antwortete und mir gleich darauf einen Kuss auf den Hals hauchte. Wenn ich ehrlich war, war mir gar nicht aufgefallen, dass er nicht anwesend gewesen war. Ups! „Nicht ihr auch noch! Raus hier, die kleine Maus muss etwas essen. Und das, wenn’s geht, ohne eure schweinischen Showeinlagen!“, meckerte Aoi, als er zu uns herübersah und uns so entdeckte, und ließ die Kleine tatsächlich mal los, um sich zu erheben und Kai und Ruki auseinanderzuziehen. Yui hatte er auf das Sofa gesetzt, die interessiert das ganze hier betrachtete und sofort in die Hände klatschte, als Aoi laut, „Ruki, mach die Fliege!“, rief und den Kleineren aus dem Wohnzimmer schubste, der sich nur schwer von Kai gelöst hatte und jetzt schmollend in die Küche watschelte. Ich kehrte lachend gemeinsam mit den anderen dreien zurück in die Küche, wo Toshiya noch immer mit derselben wütenden Miene vorm Herd stand. Was war eigentlich mit ihm los? „Was hast du denn schon wieder?“, fragte Reita den Älteren, nachdem wir eingetreten waren, und ließ meine Hand los, um sich neben Toshiya zu stellen und diesen ein wenig aufzuheitern, weil dieser nur wütend geschnaubt hatte, indem er ihm irgendwelche Sauereien erzählte. Toshiya konnte sich natürlich ein Grinsen nicht verkneifen. Wie immer also. Ich ließ mich mit Kai und Ruki am Tisch nieder und betrachtete das intrikate Muster der Tischplatte. Unbewusst zeichnete ich die Muster mit einem Finger nach und sah verwundert auf, als Kais Stimme ertönte. „Du denkst über etwas nach!“, teilte er mir seine Vermutung mit und lächelte auf seine typisch sanfte Art und Weise, die eine angenehme Wärme in mir auslöste. Seine tiefen Grübchen ließen mich innerlich lächeln. Ruki hatte seinen Kopf auf Kais Schulter gebettet und sah interessiert zu mir rüber, während auch Kai mich abwartend musterte. Ich dachte über etwas nach? Tat ich gar nicht. „Tu ich gar nicht“, sprach ich meinen Gedanken also laut aus und wurde von Kai ausgelacht. „Erzähl das jemandem anders, aber nicht mir“, tadelte er mit einem belehrenden Blick. Ja, der Schwarzhaarige wusste meistens, was in mir vorging, und genau das konnte manchmal ziemlich gespenstisch sein. „Ist es wegen-“, fing er an, stockte jedoch und blinzelte unauffällig zu Ruki hinunter, der nur gespannt darauf wartete, dass der Ältere weiterredete. „Wegen?“, spuckte Ruki nach einigen Sekunden fragend aus und setzte sich wieder aufrecht hin, um Kai abwartend anzusehen. Ich hatte meinen Blick gesenkt, damit ich Ruki entgehen konnte, der jetzt zwischen Kai und mir hin und her sah. „Wegen.. Ähm“, gab Kai hilflos von sich, lächelte entschuldigend und hauchte Ruki einen sanften Kuss auf die halb geöffneten Lippen, der daraufhin verstand und schmollend dreinschauend nickte, ehe er sich erhob und zurück ins Wohnzimmer ging. „Du schon wieder?“, hörte man Aoi bis hierhin empört rufen, und ich lachte zeitgleich mit Kai auf. „Es war nicht nötig, ihn wegzuschicken. Er fühlt sich jetzt sicher ausgeschlossen“, sagte ich leise, da wir wieder verstumm waren, und betrachtete dabei Reitas Rücken. Der Blonde hatte sich hinter Toshiya gestellt und ärgerte ihn jetzt anscheinend, da der Ältere vor sich hin zeterte und meinen Freund von sich wegzuschieben versuchte. Es war wirklich nicht nötig gewesen, Ruki wegzuschicken. Immerhin gab es keinen Grund, sich so geheimnisvoll zu geben, oder? Wer weiß, was Ruki jetzt wohl dachte. „Lass gut sein. Ich bin mir sicher, er versteht das. Außerdem wirst du es uns allen später sowieso noch mitteilen, nicht wahr?“, redete Kai, der die Arme auf dem Tisch ineinander verschränkt hatte, und verwirrte mich damit. „Was mitteilen?“, fragte ich unwissend und schluckte trocken, als er selbstverständlich, „Na, dass deine Mutter jetzt nicht mehr allein ist“, nickte und aufbauend meine Hand ergriff, als er meinen Gesichtsausdruck sah. „Hey, Uruha, mach mal nicht so ein Gesicht. Du solltest dich für deine Ma freuen!“, redete er flüsternd auf mich ein und lächelte anerkennend, als ich, „Tu ich doch auch. Irgendwie..“, einwandte und in seine dunklen Augen stierte. „Ich kann mir vorstellen, dass es dir erst nicht gepasst hat. Ich kenn’ dich doch“, hauchte er und trieb mich dazu an, zu lächeln. „Nun, erzähl mal. Wie ist er so?“, redete Kai sofort munter weiter, um mich ein wenig abzulenken, und ich bemerkte, dass Reita durch dessen heitere Stimme neugierig herumblickte, um uns beide eingehend zu mustern. „Worüber tuschelt ihr da? Und wieso hältst du die Hand, die eigentlich ich halten sollte, Kai?“, meckerte Reita aufgesetzt und verschränkte die Arme vor der Brust, was uns lachen ließ. „Reg dich ab, Kleiner!“ Toshiya war es diesmal, der Reita schadenfreudig angrinste und ihm neckend gegen die Wange schnippte. „Lass das!“, motzte Reita abgelenkt und hielt Toshiyas Hände fest, die frech an dessen Nasenbinde zu zerren versucht hatten. Ich überlegte kurz, weil ich nicht wusste, was ich auf Kais Frage antworten sollte. Immerhin kannte ich Keisuke ja nicht, um ihn und seine Person beschreiben zu können, also konnte ich meinem besten Freund nur von meinem ersten Eindruck berichten. Und der war weder positiv, noch wirklich negativ. Also eher ein Mittelding, würde ich sagen. Das Einzige, was mir zuerst über die Lippen kam, und Reita hatte es natürlich gehört, war, „Er sieht wirklich gut aus!“ Kai lachte kopfschüttelnd, doch Reita zog irritiert eine Braue hoch und sah mich prüfend an. „Ach, tut er das?“, schnarrte er in einem schnippischen Ton und schnalzte bockig mit der Zunge, als ich mich sofort entschuldigte. „Mal im Ernst. Gesehen habe ich ihn selbst, also brauchst du mir sein Aussehen nicht beschreiben. Wie alt ist der Gute?“, grinste Kai, verzog aber sofort ungläubig das Gesicht, als ich mit aufkommender Unzufriedenheit, „Er ist knackige 29 Jahre alt!“, aussagte und dabei missmutig aus dem Fenster sah. Komisch.. Es regnete draußen, und ich hatte es nicht einmal bemerkt. „Ach, verarsch mich doch nicht, Uruha. Jetzt mal ehrlich!“, lachte Kai, nachdem er seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle hatte, doch erneut verzog er das Gesicht, als ich ihm versicherte, dass ich keine Scherze machte. „Ich will ja nicht unhöflich klingen oder so, aber hat Nami einen Knall?“, fragte Kai mit gedämpfter Stimme, über den Tisch hinweg gebeugt, und sah mich beinahe schon mitleidig an. Also, das konnte ich echt nicht gebrauchen! Ich wollte kein Mitleid! Aus Trotz gab ich hochnäsig, „Sie lieben sich, also spielt das Alter da keine Rolle!“, von mir, und genau diese Aussage brachte sowohl Kai, als auch Reita zum Grinsen. „Na, wenn du das sagst!“, flötete Kai mit den Augenbrauen wippend und lächelte entschuldigend, da ich ihn sauer ansah. Ok, da hatte ich mir gerade widersprochen, nicht wahr? Ach, was soll’s. Wir blieben noch einige Stunden und ich kam nicht umhin, Kai zu erzählen, was Keisuke bei unserem ersten Treffen von sich gegeben hatte. Natürlich hatte auch Kai geschockt reagiert, doch hatte er nicht gedroht, Keisuke zu verprügeln, wie es Reita vorher getan hatte. Das passte ja auch nicht zu meinem lieblichen Kai, der aber auch mal aus der Haut fahren konnte, wenn es ihm zu bunt wurde. Er hatte mir nur gesagt, dass er sich sicher war, dass sich Keisuke noch bei mir entschuldigen würde. Na, mal sehen, ob das passierte. „Liebling, Yui wird gleich abgeholt!“, informierte Toshiya, der gerade telefoniert hatte, den Älteren, der zusammen mit Yui auf ihrer Decke saß, die auf dem Boden ausgebreitet lag, und mit ihr spielte. Ich saß wiederum mit Reita und den anderen auf dem Sofa und schwieg, während diese sich unterhielten. „Was?!“, kam es sofort von Aoi und er schob unwillig die Unterlippe vor, als Toshiya sich wiederholte und sich erhob, um Yui schon mal reisefertig zu machen. Doch der Ältere gab nicht nach, sondern nahm die Kleine auf den Arm und rannte sofort ins Schlafzimmer, um sich dort gemeinsam mit ihr einzuschließen. Von hier aus konnten wir hören, wie Toshiya lautstark brüllend drohte, Aoi für mehrere Tage rauszuschmeißen, wenn er nicht sofort herauskam. Auch mir zauberte die jetzige Situation ein amüsiertes Grinsen auf die Gesichtszüge und ich unterdrückte mein Lachen genauso wenig wie Reita, als Aoi die Tür doch noch öffnete und wie ein getretener Hund in der Wohnzimmertür erschien, ohne Yui im Arm, wohlgemerkt. „Dass du in deinem Alter noch so ein Theater machst, ehrlich!“, motzte Toshiya, der mit seiner Nichte auf dem Arm ins Wohnzimmer kam und ihre Sachen schnappte, die auf der Sessellehne bereitlagen. Während er sie anzog, verzog sich Aoi bockig auf den Balkon, trotz des Regenwetters, und rauchte dort mürrisch eine Stresszigarette. „Nein, lass ihn bitte. Der kriegt sich heute sonst gar nicht mehr ein! Ich ertrage seine Laune so nicht!“, nörgelte Toshiya, als Ruki pflichtbewusst aufstehen wollte, um seinen besten Freund wieder reinzuholen. Es dauerte nicht lange, bis es an der Wohnungstür klingelte, und Aoi hatte dies natürlich sofort gehört. Wir konnten gar nicht so schnell schauen, wie der Ältere wieder ins Wohnzimmer und rüber in den Flur gehetzt war, um Yui noch einmal abfangen zu können. Auch dies brachte uns amüsiert zum Lachen. Ich konnte hören, wie Aoi sich angeregt mit Toshiyas Schwester unterhielt und Toshiya bockig meinte, dass sie ihre kleine Tochter in nächster Zeit lieber nicht hierherbringen sollte, weil Aoi sonst auf den Gedanken kommen könnte, zusammen mit der Kleinen ins Ausland auszuwandern. Nachdem sie sich lautstark verabschiedeten und die Wohnungstür ins Schloss fiel, passierte kurze Zeit nichts, und wir warteten alle gespannt darauf, dass die beiden Streithähne zurückkamen. Nach einigen Augenblicken erschien dann zuerst Toshiya in der Tür und Aoi folgte ihm dicht auf den Fersen. Als sei nichts gewesen, nahm der Ältere den Schwarzhaarigen auf den Schoß und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, und ich merkte, wie Toshiya nur schwerfällig ein Lächeln unterdrückte. Musste man die beiden verstehen? Die waren ja beide der Inbegriff von Stimmungsschwankungen! „Wir sollten langsam nach Hause. Ich muss bald ins Restaurant!“, meldete sich Kai jetzt mit einem Blick auf seine Armbanduhr zu Wort und erhob sich, was Toshiya ihm sofort gleichtat. „Na gut..“, ergab sich Ruki schnell und stand ebenfalls auf. Ich entschied kurzerhand, jetzt ebenfalls aufzubrechen, da es schon spät geworden war. Immerhin musste ich morgen früh zum Unterricht und da wollte ich sicher nicht zu spät kommen. „Wollen wir auch?“, fragte mich Reita leise, als hätte er meine Gedanken gelesen, und erhob sich, als ich nickte. „Gebt es zu, ihr wollt mich alle mit dem hier allein lassen, damit es später keine Zeugen gibt, wenn er mich killt!“, entrüstete sich Aoi und kassierte dafür einen schnellen Hieb in die Seite von Toshiyas Ellenbogen. „Seht ihr?! Der fängt ja schon an!“, krächzte er und schloss Toshiya lachend und gegen dessen Willen fest in die Arme. „Ärgere ihn nicht zu sehr, vielleicht kommst du dann mit einigen blauen Flecken davon!“, schlug Kai grinsend vor und wurde zeitgleich von Ruki in Richtung des Flures gezogen. „Ha, ha“, lachte Aoi trocken und schmollte, als Toshiya Kai tonlos Recht gab. „Na los, macht ’nen Abflug!“, murrte Aoi und wartete, bis wir uns angezogen hatten, damit er uns ins Treppenhaus jagen konnte. Wir winkten nur lachend vom Fahrstuhl aus und betraten diesen dann. Als ich wieder zurück im trauten Heim war, empfing mich nichts weiter als ein leeres Haus. Meine Mutter war nicht da, hatte nicht einmal eine Nachricht hinterlassen, geschweige denn, mich angerufen, um mir zu sagen, wo sie steckte. Wieso machte sie so etwas? Deprimiert lief ich in der Küche und im Wohnzimmer umher. Es war jetzt kurz nach acht und meine Müdigkeit war wie verflogen. Hunger hatte ich plötzlich auch keinen mehr, zumal ich sowieso bei Aoi und Toshiya gegessen hatte. Ich erinnerte mich zwischen dem Hin und Her an ihren Blick, als ich heute früh gemeinsam mit Reita das Haus verlassen hatte. Hatte sie mir damit irgendetwas sagen wollen? War sie jetzt vielleicht bei diesem Typen? Argh, ich würde hier noch wahnsinnig werden! Schnaubend raufte ich mir die Haare und warf mich mit einem Satz auf das Sofa im Wohnzimmer, schreckte aber sofort auf, als das Telefon klingelte, welches auf dem Glastisch vor mir lag. Hecktisch nahm ich ab und grüßte schnell die Person auf der anderen Seite des Hörers, blickte aber missmutig drein, als ich Reitas Stimme vernahm. Wieso meldete er sich immer dann, wenn ich es am wenigsten gebrauchen konnte? Nicht falsch verstehen, ich liebte diesen Trottel, aber manchmal, da.. Argh! „Ich wollte dich nur darüber informieren, dass deine Mutter hier ist“, sagte er und mir entkam sofort ein erleichtertes Seufzen, was Reita nicht entging. „Hast du dir Sorgen gemacht?“, fragte er gespielt dümmlich und lachte nur leise, als ich ihn wütend anfuhr. Er machte das mit Absicht! „Wann hat sie vor, zurückzukommen?“, fragte ich nur versucht ruhig und ignorierte ihn, da er noch immer lachte. War das irgendwie witzig? Ich glaubte nicht! „Keine Ahnung. Sie unterhält sich gerade so herzallerliebst mit meiner Mom, das könnte hier also noch ein wenig dauern!“, informierte er mich und redete schnell auf mich ein, als ich genervt schnaubte. „Lass sie doch. Es schadet nicht, ein Gespräch unter Frauen zu führen. Sie wird schon noch früh genug zurück sein. Geh du ins Bett und mach dir einen klaren Kopf“ „Sag mir nicht immer, dass ich mir einen klaren Kopf machen soll, sonst-“ „Sonst was?“, neckte er mich und ich konnte sein Grinsen beinahe vor mir sehen. „Ach, leck mich!“, murrte ich und war kurz davor, aufzulegen, doch Reita flüsterte noch schnell, „Ich liebe dich! Und wenn du willst, komme ich deinem Wunsch später liebend gern nach“, in den Hörer und wickelte mich somit wie immer geschickt um sein Fingerchen. Ich konnte nicht anders, als bei seiner süßlich klingenden Stimme zu erweichen. Verdammt, er konnte so niedlich und gleichzeitig so anrüchig sein! „Ich liebe dich auch. Das großzügige Angebot nehme ich gerne an. Und es tut mir leid..“, murmelte ich in den Hörer und lächelte leicht, als er mir durch die Leitung hindurch einen geräuschvollen Schmatzer gab und mir eine gute Nacht wünschte, ehe er auflegte. Blieb mir also nichts anderes übrig, als mich schlafen zu legen. Ich sollte mich langsam an die neu erworbene Weckmethode meiner Mutter gewöhnen. Denn ich war mir sicher, dass sie diese unmenschliche Methode in Zukunft noch weiter anwenden und sogar weiter ausbauen würde. Bei ihr konnte man echt nicht wissen. Fehlte nur noch, dass sie mir einen Eimer arschkalten Wassers über den Schädel goss, nachdem sie mich brutal aus dem Bett zog. Sie hatte mich auch an diesem Morgen so sanft geweckt, dass mir Tränen der Rührung in die Augen gestiegen waren. Wie schaffte sie es eigentlich mit der mickrigen Körpergröße, mich mit so einem Ruck aus dem Bett zu zerren? War sie insgeheim der Hulk oder was?! Ich würde zu spät zum Unterricht kommen, also wie immer. „Was machst du in der Nacht, sag mal? Das kann doch nicht angehen, dass du so oft verschläfst! Mir reicht es langsam mit dir!“, motzte sie pausenlos und half mir, wieder auf beiden Beinen zu stehen. Ich zeigte ihr nur zickig die Zunge und verschwand wortlos im Bad. Sollte sie ihre morgendlichen Moralpredigten doch meinem Bett halten. Das Ding hörte ihr sicher gerne zu. Als ich fertig war – mit der Welt und meinem Styling – ging ich extrem gelassen die Treppe hinab und schnappte mir wie immer mein Pausenbrot, welches sie mir aus der Küchentür direkt vor die Nase hielt. „Noch etwas langsamer, und du kannst gleich zu Hause bleiben!“, schnarrte sie mit hochgezogener Augenbraue. Hoffnungsvoll blickte ich zu ihr auf – ich hatte mich auf den Boden gesetzt, um mir meine Schuhe anzuziehen – und fragte mit glänzenden Augen, „Ehrlich, ich darf?“, doch sie schnaubte nur ungläubig, zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger Richtung Haustür und sagte herzlos, „Abmarsch mit dir!“, was mir das Herz brach. Theatralisch wimmernd hielt ich mir den Handrücken an die Stirn und fasste mir ans Herz, lehnte mich leicht nach hinten und rief, „Oh du, mein schwaches Herz. Du wurdest erbarmungslos gebrochen!“ Sie verkniff sich ein Grinsen, das konnte ich sehen. „Ich breche dir gleich deine langen Lulatsch-Beine, raus hier!“, lachte sie resignierend und klapste mir verspielt auf den Hintern. Ich schnappte mir meine Sachen, schenkte ihr noch einen Luftkuss, den sie auffing und an ihre Brust drückte – Gott, das war gerade niedlich gewesen! – und steuerte auf mein Auto zu. Ich würde heute viel früher nach Hause kommen und meine Mutter würde mich sicher erwarten, denn sie musste heute nicht arbeiten, da sie endlich auch mal ihren freien Tag hatte. Ich freute mich schon gewaltig darauf, den Unterricht hinter mich zu bringen und wieder nach Hause zu fahren. Die Schule war anstrengend langweilig. Ich hätte so gerne wieder gemeinsam mit Kai und Reita Unterricht, so wie früher. Da hatte der Unterricht wenigstens noch Spaß gemacht. Jetzt saß ich hier in dieser stickigen Klasse und kein einziger im Raum gab einen Mucks von sich. Das war doch total langweilig! Na ja, gut, so gehörte sich das ja auch eigentlich für Leute in unserem Alter. Ich folgte dem Unterricht nur mühevoll, da ich immer wieder andere Sachen im Kopf hatte. Gott sei Dank merkten meine Lehrer das nicht. Mein damaliger Klassenlehrer, Kinoshita-san, hätte es sicher sofort bemerkt. Hach, wie sehr ich diese Klasse doch vermisste. Auch wenn die Schüler mir gegenüber sehr, sehr lange Zeit ziemlich fies gewesen waren. Ich kam trotzdem nicht umhin, träumerisch vor mich hinzulächeln, und Hotaru, die mit mir in einer Klasse war – leider – bemerkte dies natürlich sofort. Sie saß neben mir und hatte sich jetzt leicht über den Tisch gebeugt, damit sie mir besser ins Gesicht sehen konnte. Unsere Lehrerin faselte vorne etwas von heißen Steinen und wie man sie am besten einsetzte, doch das bekam ich weniger mit. Genauso wenig wie Hotaru, die mit den Brauen wippte, als ich sie perplex ansah. „Hä?!“ „Woran denkst du? Oder sollte ich eher fragen, an wen?“, fragte sie mich leise, hatte meinen intelligenten Laut völlig ignoriert. Ich schürzte die Lippen und zischte gedämpft, „Das ist doch dir egal!“ Die hübsche Frau neben mir schüttelte schnell den Kopf, grinste wieder breit und bettelte gleichzeitig, „Komm schon, sag’s mir, biiiitte!“ Ich atmete einmal tief durch, sah flüchtig nach vorne zu unserer Lehrerin und fixierte sie dann wieder. Sie wollte es wissen? Das konnte sie haben! Wie sie mir, so ich ihr. „Also gut, ich habe eben daran gedacht, wie mir mein Tag später versüßt wird, wenn ich wieder zu Hause bin“, flüsterte ich verheißungsvoll mit verengten Augen und verkniff mir ein Grinsen, als sie neugierig, „Wieso denn, was ist denn später?“, hibbelte und mich erwartungsvoll ansah. Aufgeregt zwirbelte sie den schmalen Ring an ihrem Mittelfinger hin- und her und sah mich dabei erwartungsvoll aus großen, glänzenden Augen an. Süß war sie allemal. Ich verstand nicht wirklich, wieso Hotaru noch immer single war, könnte sie doch sicher zweifelsohne jeden Mann, den sie sich in den Kopf setzte, um den Finger wickeln. „Du willst es wirklich wissen?“, hinterfragte ich und mein Grinsen wurde breiter, als sie mit Kulleraugen nickte und zu mir aufblinzelte. „Ich weiß ganz genau, dass mein Freund bei mir zuhause sein wird. Zuerst wird er mich liebevoll begrüßen, wie er es immer mit seinen Küssen tut. Dann serviert er mir sicher auf meinem Zimmer das leckere Essen, was er höchstpersönlich für mich gekocht hat, und nachdem wir beide uns satt gegessen und somit Energie geschöpft haben, verbrauchen wir diese auch schon wieder in meinem Bett, indem wir uns die ganze Nacht lang gegenseitig ins Nirwana bumsen!“ „Boaaaah Kouyou, du Sau!“, rief sie laut mit hochroten Wangen und lenkte somit alle Aufmerksamkeit in der Klasse auf uns. Ich konnte mir nur schwer eine Lachattacke verkneifen. Sie hatte doch gefragt, also hatte ich geantwortet! Hotaru wusste, dass ich schwul war. Und vor allem, dass ich einen Freund hatte. Aber trotzdem ließ sie es sich nicht nehmen, mich immer mal wieder anzuflirten. „Jetzt glaube ich wirklich daran, dass alle hübschen Männer schwul sind!“, hatte sie damals geknickt gesagt, als ich ihr frei von meiner sexuellen Orientierung erzählt hatte. Irgendwie hatte sie mir danach leidgetan, aber nur ein kleines bisschen. „Ogawa-san, ich bitte um Ruhe!“, sprach unsere Lehrerin sofort im strengen Ton, würdigte uns danach aber keines Blickes mehr, sondern sprach weiter ihren auswendig gelernten, öden Text. Während Hotaru nervös an ihren Fingern spielte, grinste ich amüsiert vor mich hin und konnte es mir nicht verkneifen, mir langsam und betont lasziv über die vollen Lippen zu lecken, als sie mich zögernd ansah. Sofort quiekte Hotaru gedämpft, stierte aber wie besessen auf meine Lippen und wurde letztendlich hochrot, als ich mit leiser Stimme, so dass es außer ihr keiner hören konnte, „Oh ja, tiefer, Akira. Du bist so verdammt geil! Bitte, nimm mich härter!“, stöhnte und dabei leicht meinen Hals reckte, um meinen Kopf dezent in den Nacken zu legen. Wären wir in einem Anime, da war ich mir sehr sicher, würde Hotaru jetzt an Nasenbluten verrecken. „Mann, hör jetzt auf!“, meckerte sie leise und boxte mir immer wieder gegen den Oberarm, brachte mich somit aber nur dazu, gedämpft zu hecheln und mir immer wieder “Ah’s“ und “Hm’s“ zu entlocken. Ja, ja, ich hatte es schon immer lustig gefunden, sie zu ärgern. Das machte so Spaß! Besonders weil sie dann immer einer roten Ampel glich und nicht wusste, wie sie reagieren sollte. War das gemein von mir? Nein, oder? Immerhin ärgerte sie mich auch gerne in den unpassendsten Momenten. Ich verschwendete nicht viel Zeit, als es endlich zum Schulschluss klingelte. Ich verabschiedete mich schnell mit einem entschuldigenden Grinsen von Hotaru, die mir nur beleidigt hinterher sah, und lief aus der Klasse, um hastig auf den Parkplatz für Schüler zu gehen und in mein Auto zu steigen. Ich brauchte nicht lange, bis ich zu Hause war. Ungefähr eine viertel Stunde, mehr nicht. Natürlich würde mich Reita nicht empfangen und kochen würde er erst recht nicht, da er es nicht konnte. Dabei wäre es schön, wenn er mich nach der Schule empfangen, mir etwas zu essen servieren und mich danach ohnmächtig vögeln würde, aber ich denke, dass das nie passieren würde. Schade eigentlich. Vielleicht müsste ich es ihm einfach nur beibringen. Also, das Kochen meinte ich. Das mit dem Vögeln klappte wunderbar. Ich schnappte mir meine Schultasche, stieg aus und ging auf die Haustür zu. Doch bevor ich diese überhaupt aufschließen konnte, wurde sie aufgerissen und meine fertig gestylte und hektisch wirkende Mutter stand vor mir. „Da bist du ja, mein Schatz! Ich muss jetzt los, Essen ist gerade eben fertig geworden. Ich komm gegen halb fünf wieder nach Hause, ich liebe dich!“ Und somit war sie an mir vorbeigerast, aber nicht, ehe sie mir einen Kuss auf die Wange gedrückt hatte. „Wo willst du denn hin?!“, rief ich ihr hinterher. Sie war schon auf der anderen Straßenseite. „Ich werde gemeinsam mit Mari deine Tante besuchen!“, rief sie winkend zurück, lächelte ein atemberaubendes Lächeln und ging schnell die Straße entlang. Ok, schön. Genauso hatte ich mir das definitiv gewünscht. Seufzend und beleidigt schloss ich die Tür hinter mir und ließ meine Tasche einfach zu Boden fallen. Da konnte sie jetzt erst mal verweilen, störte ja eh keinen. Ich zog mir die Schuhe aus und legte meine Jacke weg, bemerkte dann aber an der Garderobe eine weitere Jacke. Eine Jacke, die sicher nicht mir gehörte. Und meiner Mutter genauso wenig. Einen Augenblick mal.. Das war eine Herrenjacke! Oh Gott, was machte diese Jacke hier!? Sollte ich sie mal fragen? Das Gespräch wäre sicher sehr informativ. Ich: „Hey Jacke, was machst du hier und woher kommst du!?“ Jacke: „Ach, ich häng’ hier nur ein wenig ’rum und komme aus dem teuren Laden, einige Straßen weiter. Und was machst du so hier?“ Ich unterdrückte ob meiner dämlichen Gedanken ein Grinsen, schob es auf die Müdigkeit, und beeilte mich, erst einmal in die Küche zu gehen. Denn ich hatte Hunger. Dass diese Jacke sicher nicht einfach so dort hing, verdrängte ich erst mal. Ein hungriger Kouyou war nämlich ein aufnahmeunfähiger Kouyou. Bevor ich jedoch in die Küche treten konnte, ertönte plötzlich ein lautes Räuspern hinter mir und ich schrie überaus unmännlich und erschrocken auf und drehte mich genauso schnell herum. Argh, was machte der denn hier?! Mir sprangen beinahe die Augen aus den Höhlen, und zur Sicherheit legte ich mir die Hände auf die Augen. So nach dem Motto, “Bleibt wo ihr seid!“ Ich hörte ein angenehm tiefes Lachen, was mir eine Gänsehaut bescherte. Ungläubig und ein wenig erstarrt nahm ich meine Hände wieder runter und sah zu Keisuke rüber, der auf einem der Sessel saß und mich milde anlächelte. Oh Ma.. Was machte der denn hier? Wieso hatte sie mich mit dem allein gelassen? Hatte sie denn keine Angst, dass ich ihn vielleicht verprügelte oder so?! Ok, das könnte ich gar nicht. Ich wusste in dem Moment wirklich nicht, was ich machen sollte. Der letzte Eindruck, den er von mir hatte, war “kindisches Benehmen“. Immerhin war ich an dem Tag in mein Zimmer gelaufen und hatte ihn auch noch angebrüllt. War doch ein tolles erstes Treffen gewesen, oder? Oh Gott, ich merkte, wie meine Wangen tatsächlich wärmer wurden. Heutzutage wurde ich so gut wie gar nicht mehr rot, aber gerade jetzt musste das ja passieren, nicht? Unsicher bewegte ich meine Lippen, wusste aber nicht, was ich überhaupt sagen sollte, also gab ich keinen Ton von mir und stierte mit heißen Wangen zu Boden. Wieso tat der nichts, außer da herumzusitzen und doof zu lächeln? War der grenzdebil oder was?! „Kouyou..“, fing er plötzlich an und ich hielt erschrocken die Luft zurück, die mir eigentlich entweichen wollte. Ich sah unsicher zu ihm herüber und er winkte mich zu sich in Richtung des Wohnzimmers. Ok, ich würde ja auf ihn zugehen, wenn ich wüsste, wie ich meine Beine benutzen musste. Diese beiden unnützen Stängel trugen mich an meiner Stelle, wollten sich aber keinen Zentimeter weiterbewegen. So, als hätte ich in feuchten Zement getreten und wäre stundenlang darin stehen geblieben. „Ähm..“, machte ich verlegen, kratzte mich dann am Nacken und schaffte es dann doch noch, mich in Bewegung zu setzen. Schön so, Uruha, ich bin ganz stolz auf dich! Immer einen Fuß vor den anderen, das machst du gut! Sobald ich neben ihm stand, packte er einfach mein rechtes Handgelenk und zog mich sanft neben sich auf das Sofa. Ok, wo war mein Reita?! Ich wollte nicht mit diesem Kerl allein sein. „Deine Mutter hat mich heute früh angerufen, weil sie wollte, dass wir uns aussprechen“, redete er einfach, ohne mich zu begrüßen. Wie höflich er doch war. Ach, gerade ich musste so denken. „Hm, aha“, verließ es schwach meine Lippen, und ich konnte nicht anders, als zu lächeln, da er mir gerade auch zulächelte und dabei seine niedlichen Grübchen zeigte. Grübchen.. Süß. Genau wie Kai. „Also, eigentlich bin ich nur hier, weil.. Weil ich mich bei dir entschuldigen will!“, platzte es jetzt zögernd aus ihm heraus und ich bekam große Augen. Oh Kai, du Alleswisser, du hattest mal wieder Recht behalten! Er entschuldigte sich bei mir! „Ich bedauere meine Aussage wirklich, Kouyou. Aber bitte habe Nachsicht mit mir, denn ich war in diesem Moment selbst arg aufgeregt und wusste nicht, was ich sagen und wie ich mich verhalten soll! Das war für mich das erste Mal, dass ich mich in solch einer Situation befand. Auch wenn das mein Verhalten selbstverständlich nicht entschuldigt. Ich hoffe, du kannst es trotzdem ein wenig nachvollziehen“ Beim Reden sah er mir die ganze Zeit über stur in die Augen und hielt den Kopf leicht schief, und ich konnte bei dem Anblick nicht anders, als ihm zu verzeihen. Er war aufgeregt gewesen.. Das verstand ich. Er hatte nicht gewusst, was er sagen sollte.. Ok, das verstand ich ebenfalls. Es war wirklich lieb und vor allem aufrichtig von ihm, sich bei mir zu entschuldigen. Für einen ganz kurzen Moment fing ich an, ihn zu mögen. Doch dann kam mir plötzlich ein Gedanke und meine Miene verfinsterte sich sofort, was Keisuke wiederum ziemlich verwirrte. Meine Mutter hatte ihn angerufen. Das hieß, dass sie ihn sicher auch dazu gezwungen hatte, herzukommen und sich bei mir zu entschuldigen. Also machte er das hier gerade auch nicht freiwillig! Argh, die regten mich hier alle auf! „Was hast du? Du siehst plötzlich so unzufrieden aus“, merkte er an und wagte es doch tatsächlich, seine Hand an meine Wange zu legen, damit ich ihn ansah. Iiiieeehks! Mit immer schneller klopfendem Herzen krampfte ich meine Hände fest um sein Handgelenk, doch er zog seine Hand trotzdem nicht zurück, sondern blieb so, um mich weiter mit seinem unergründlichen Blick zu durchbohren. Ich spürte, wie seine Wärme auf meinen Körper überging. Irgendwie wurde mir gerade schwindelig.. „Ich, äh, es-“, stotterte ich zusammenhanglos und veranlasste ihn somit dazu, zu lachen. Mit vibrierender Stimme lachte er heiter und schüttelte dann knapp den Kopf, ehe er endlich seine Hand zurückzog und mir dann beinahe brüderlich durch das gestylte Haar wuschelte. Durfte ich anmerken, dass das keiner außer Reita durfte?! „Weißt du, wir beide müssen miteinander auskommen, sonst haben wir schon bald ein Problem..“, sagte er leise und lächelte dabei so geheimnisvoll, dass er mich gedanklich dazu trieb, ihm die geraden Zähne aus der Fresse zu schlagen. Der Typ machte mich aggressiv, so richtig aggressiv! „W-wieso?“, fragte ich nur, wusste aber eigentlich, was er meinte. Er gab einen überlegenden Laut von sich und lehnte sich weiter zurück. Ich konnte es nicht lassen, ihn förmlich anzustarren. Sein weißes Hemd, welches er an den drei oberen Knöpfen nicht zugeknöpft hatte, spannte sich leicht um seine muskulöse Brust, wenn er lachte. Seine lässig übereinander geschlagenen Beine steckten in einer verwaschenen Bluejeans, die am linken Knie einen weiten Schlitz aufwies. Sein fast schulterlanges Haar trug er heute offen, hatte sich den längeren Pony aus dem Gesicht nach hinten gestylt und seine dunklen Augen, die von langen, dichten Wimpern umrandet waren, funkelten ungewöhnlich. Irgendwie hatte er etwas Anziehendes an sich und er war alles andere als hässlich. Verdammt, der Kerl war wirklich sexy! Und dennoch wirkte er beinahe gefährlich. Ah, was dachte ich mir hier überhaupt?! Es ging hier um etwas Ernstes und ich dachte an so etwas! „Deine Mutter wird dir das sicher noch erklären. Ich wäre zwar gern dabei, aber das geht nicht!“, offenbarte er mir und machte mich somit überaus neugierig. Wollten die etwa jetzt schon..? Ah, mein armes Herz! Ich nickte nur betreten. Ich sollte das Positive darin sehen. Meine Mutter hätte ihn dann immer bei sich, das war doch schön, oder nicht? Er seufzte auf, weil er wohl gemerkt hatte, dass ich in Gedanken war. „Ich werde mich jetzt mal auf den Weg nach Hause machen. Du hast sicher Hunger und bist fertig von der Arbeit, und ich will dich nicht von deinem wohlverdienten Feierabend abhalten“, kam es von ihm, und ich hörte, dass er lächelte. Gemeinsam erhoben wir uns und ich begleitete ihn höflich in den Flur, wo ich auch wartete, bis er sich fertig angezogen hatte. Gedanklich winkte ich der Jacke hinterher, die er sich gerade überstreifte und dann zumachte, und wünschte ihr alles Gute. Schick war sie allemal. Der Kerl hatte echt Stil. Er öffnete die Haustür, drehte sich dann aber noch einmal herum und grinste plötzlich. Würde ich es nicht besser wissen, würde ich sagen, dass es ein ziemlich draufgängerisches Grinsen war, welches er sicher auch aufsetzte, wenn schöne Frauen anwesend waren. Dreckspenner! „Deine Mutter hat mich nicht dazu gezwungen, mich bei dir zu entschuldigen. Ich wollte es von mir aus, aber ich dachte mir, dass ich erst mal warten sollte, bis ich das tue!“, grinste er und zwinkerte, bevor er sich gänzlich herumdrehte und aus dem Haus verschwand. Oh heiliger Kerzenständer, der Typ konnte entweder Gedanken lesen, was gar nicht vorteilhaft für mich wäre, oder ich hatte eben im Wohnzimmer laut gedacht. Oh mein Gott, das war ja schrecklich! Kapitel 8: ~8~ -------------- Zwei Wochen. Es waren inzwischen schon zwei verdammte Wochen vergangen, und meine Mutter hatte noch immer nicht mit mir über das geredet, was Keisuke mir schon vorher hatte erzählen wollen. Wieso spielten sich hier alle gegen mich auf? Ok, nicht alle. Aber trotzdem. Das machte mich hier wahnsinnig! Wieso waren alle um mich herum solche Geheimniskrämer? Heute war Freitagabend und meine Mutter war wie immer nicht zu Hause. Das kam in letzter Zeit öfter vor, dass sie von Freitag auf Samstag nicht da war. Sie verbrachte ihre Zeit meist mit und bei Keisuke, und irgendwie freute es mich doch für sie, wenn sie jedes Mal am nächsten Tag mit einem strahlenden Lächeln nach Hause kam und mir immer wieder sagte, wie gut Keisuke doch zu ihr war. Dass sie mal wieder nicht da war, machte mir heute eher weniger etwas aus. Ehrlich gesagt konnte ich meine Mutter hier gerade nicht gebrauchen, denn das würde bedeuten, dass wieder irgendetwas peinliches passieren würde. Reita und ich lagen nämlich in meinem Bett, eng aneinandergepresst, und die Tür war natürlich mal wieder nicht abgeschlossen. Wir hatten es einfach nicht mit diesem Abschließ-Kram. Nackt lagen wir nebeneinander, sahen uns ab und an liebevoll lächelnd in die Augen und beschäftigten uns ansonsten damit, den jeweils anderen mit sanften Berührungen und Küssen zu reizen. Es war kein Sex, was hier gerade zwischen uns ablief. Es war einfach nur.. Wie sollte ich das jetzt erklären? Wir heizten einander einfach nur ein, ohne diesen ganzen “Rein-Raus“ Akt durchzuziehen. Es blieb nur bei liebevollem Streicheln, mehr nicht. Und ich fand es schön, wenn wir uns nicht immer besinnungslos in die Ecke vögelten. Das musste nicht sein. Ich konnte hören, wie Reitas Atmung schneller ging, konnte sehen, wie seine nackte Brust sich schneller hob und senkte vor Aufregung, als ich meine Hand ganz leicht in seinen Schritt presste und mit dem Handballen sanften Druck auf seine empfindlichste Stelle ausübte, leicht darüber rieb. Das harte, heiße Fleisch zuckte erwartungsvoll gegen meine Handinnenfläche, was mich zum Lächeln brachte. Ich stupste seine niedliche, freigelegte Nase mit meiner an und er nahm mein Gesicht daraufhin mit einer langsamen, aber fließenden Bewegung in seine warmen Hände, pustete leicht in mein Gesicht, wodurch ich reflexartig die Augen zumachte und leise nach Luft schnappte, und gab mir einen Kuss auf beide Augenlider. Dann wanderten seine Lippen weiter hinab, streiften jedoch weiterhin meine Haut. Er bahnte sich einen Weg von meinen Augen hin zu meiner Nase, dann wieder hoch zu meiner Stirn, runter zu meinen Wangen, meinen Mundwinkeln, meinen Lippen.. Ich seufzte genießend in den harmlosen Kuss, spürte eine seiner Hände in meinem Nacken, die sanft in meinem Haar wühlte, und die andere zwischen meinen leicht gespreizten Beinen. Ich spreizte sie noch ein wenig mehr für ihn, und dies brachte ihn dazu, sich von meinen Lippen zu lösen und leise zu lachen. Glückshormone schossen durch meinen gesamten Körper und hinterließen ein prickelndes Gefühl, als ich seine warme Stimme nahe an meinem Ohr vernahm. Diese tiefe Stimme.. Einfach herrlich. Ich verstärkte den Druck um seine Erregung, um ihn ein wenig zu ärgern. Und tatsächlich ließ er von meinem Ohrläppchen ab, welches er bis eben noch verschmitzt zwischen seinen Zähnen hin- und hergedreht hatte, und vergrub sein Gesicht stattdessen in meinem Kissen, um laut hinein zu stöhnen. Ich gluckste belustigt, stöhnte jedoch ebenfalls auf, als er sich sofort über mich beugte und anfing, mit seiner geschickten Zunge meine rechte Brustwarze zu umspielen. Seine rechte Hand blieb natürlich nicht unbeteiligt. Er hielt mich mit dieser fest im Griff, rieb mal kräftiger, mal schwächer, sodass ich nicht wusste, welchen Laut ich zuerst von mir geben sollte. Gott, ich liebte es, wenn wir so miteinander spielten. „Hmm Rei..“, hauchte ich verlangend und legte meine freie Hand auf seine muskulöse Schulter, ertastete mit meinen Fingerkuppen den sehnigen Körper, der seit drei wundervollen Jahren nur mir allein gehörte. Alles meins. Ich kannte diesen Körper in- und auswendig, kannte all die reizbaren Stellen an diesem wunderschönen, wohlgeformten Körper, und selbst all die Muttermale konnte ich mit geschlossenen Augen wiederfinden. Ich hatte immerhin genug Zeit und Möglichkeit zum Üben gehabt. „Ja?“, wisperte er gegen meine nass geküsste Brust, sodass ich leicht zusammenzuckte. Zuerst wurde mir kalt, doch dann fühlte es sich überall so an, als würde siedend heißes Wasser meinen Körper hinab laufen. Und das alles nur, weil er gegen meine Haut gewispert hatte. „Hmm.. Rei!“, machte ich noch einmal mit verführerischer Stimme und räkelte mich leicht unter ihm, wusste ich immerhin, wie ich mich selbst zur Schau stellen musste, damit er mir aus der Hand fraß. Er wiederum grinste nur ob meines Anblicks und legte sich wieder seitlich neben mich, ganz dicht, sodass ich seine Hitze an meinem eigenen Körper deutlich spüren konnte. „Rei..“ „Hmm!“, ahmte er mich gekonnt nach und ließ es zu, dass ich ein Bein besitzergreifend um seines schlang. Ich drehte mich etwas mehr auf die Seite, konnte ihm somit wieder ins Gesicht gucken. Ich verpasste ihm einen Schmetterlingskuss auf die Stirn, bekam dafür von ihm gleichzeitig einen auf mein Kinn. Ich liebte es, wenn er so friedlich war. Mit einem Finger malte ich kleine Kreise und andere Muster auf seine leicht gerötete Brust und lächelte in mich hinein, als ich das kleine Muttermal auf seiner Haut entdeckte, direkt am Ansatz des rechten Schlüsselbeins. Im nächsten Augenblick krallten sich Reitas Finger in meine Pobacke und ich unterdrückte einen quietschenden Laut, ließ die Luft nur zischend aus meinen Lungen entweichen und presste mich so nah an ihn, dass unsere Körper wie zusammengeschweißt wirkten. Aus Rache biss ich ihm fest in den Hals, zwischen Halsansatz und Schulter. Dort war er meist ziemlich reizbar, es kam immer auf die Situation an. „Ist gut, tut mir leid!“, flüsterte er hastig, nachdem er ein unterdrücktes Keuchen von sich gegeben hatte, und grinste nur, als ich meinen Kopf wieder so weit zurückzog, dass wir uns angucken konnten. Ich streckte naiv meine Zunge heraus und wollte gerade schmollend die Wangen aufblasen, als er mit seiner Zunge nach meiner leckte und mich somit willenlos machte. Hingerissen ließ ich mich von ihm in einen atemberaubenden Zungenkuss ziehen, merkte nebenbei, wie er mit den Fingern zwischen meine Pobacken wanderte, mich jedoch nur ganz kurz reizte und seine Finger auch schon wieder zurückzog. Wir ließen unsere Zungen sanft und ruhig miteinander fechten, rieben unsere Becken dabei ganz sachte aneinander, sodass sich unsere Erregungen aneinanderdrückten, und seufzten und stöhnten leise in den Mund des anderen. Hach, ich könnte noch stundenlang so weiter machen.. Ich hatte vergessen, in der Nacht die Jalousien runter zu lassen, und so wurde ich am nächsten Morgen von schwachen Sonnenstrahlen geweckt. Ich gähnte leise, rieb mir mit einer Hand über die Augen, konnte die andere Hand aber nicht bewegen, da Reita diese fest umschlossen hielt. Er war so eingeschlafen, hatte seine Position kein wenig verändert. Wie süß. Seine Beine waren angezogen, das konnte ich sehen, obwohl die Bettdecke über uns lag. Meinen Arm hatte er ganz nahe an sich gezogen und klammerte mit beiden Händen an meiner Rechten, die er zudem auch noch an seine Brust gedrückt hielt. Wie konnte man überhaupt so schlafen? Ich spürte sofort, dass mein Arm eingeschlafen war. Ekliges Gefühl. Unwillig murrend versuchte ich meine Hand aus seinem Griff zu retten und schaffte es auch nach mehreren Anläufen. Während sich der Blonde auf die andere Seite drehte und dabei leise Schmatz-Geräusche von sich gab, streckte ich meine Beine von mir und merkte sofort, wie es an einigen Stellen auf meiner Haut zog. Besonders an meinem linken Oberschenkel konnte ich spüren, wie sich die Haut wegen des getrockneten Spermas unangenehm spannte. Ja, ja, das kam auch mal vor. Ich erhob mich seufzend, blieb am Rand meines Bettes sitzen und stierte benommen und müde durchs Zimmer. Unsere Klamotten lagen als bunter Haufen auf dem Boden, gleich neben dem Bett. Unwillkürlich musste ich grinsen, fasste mich jedoch wieder und erhob mich, weil ich duschen wollte. „Mhgrml..“, teilte mir Reita informativ mit und ich drehte mich herum, um ihn anzusehen. Er hatte sich auf den Rücken gerollt, die Arme links und rechts von sich ausgestreckt und die Beine angewinkelt. Leise gähnend blinzelte er gen Zimmerdecke, stierte mich dann verschlafen an und nuschelte erneut irgendetwas, was sich ungefähr wie, „Mhbleiphia“, anhörte. „Ja, das finde ich auch“, gab ich ironisch von mir und grinste belustigt, als er, „Hä?“, machte und mich verdutzt ansah. Ich zuckte nur die Achseln und ließ mich breitschlagen, mich wieder zu ihm zu legen, da er so niedlich schaute. „Lass uns noch ein wenig liegen bleiben. Danach können wir ja gemeinsam baden..“, murmelte er mir ins Ohr und merkte anscheinend, wie ich sofort hellhörig wurde. Baden.. Gemeinsam baden, das hatten wir so lange nicht mehr gemacht. „Okay!“, hauchte ich freudig und kuschelte mich schnell an ihn, ließ mir sogleich einen Kuss auf die Schläfe drücken und schnurrte wohlig, während er meinen Rücken streichelte. Von wegen “ein wenig liegen bleiben“. Reita war nach einigen Augenblicken sofort wieder eingeschlafen, hielt mich aber immer noch im Klammergriff, da er wohl nicht wollte, dass ich erneut aufstand und ihn allein zurückließ. Störte mich jedoch nicht wirklich. Ich genoss die Nähe und die Wärme, die er mir gab, und wartete geduldig, bis er endlich wieder aufwachte. Anderthalb Stunden später, wohlgemerkt. Na ja, immerhin war heute Samstag, also ging das noch durch. Gegen halb elf gingen wir gemeinsam runter in die Küche, weil wir etwas frühstücken wollten. Gebadet hatten wir schon längst, und es war wirklich schön gewesen. Er hatte die ganze Zeit über meine Schultern massiert, mal zur Abwechslung. Sonst war ich ja immer derjenige, der seine Massagekünste unter Beweis stellen musste. Wir waren gerade dabei, zu besprechen, ob wir nicht doch Brötchen kaufen wollten, da ging auch schon die Haustür auf und meine Mutter betrat den Flur. Ich eilte schnell hinaus, um sie zu grüßen. Strahlend legte sie ihre Arme um mich und verpasste mir einen Kuss auf die Wange. Auch Reita wurde umarmt und bekam einen Kuss. „Na, hattet ihr beiden gestern Spaß?“, fragte sie gut gelaunt und ohne Hintergedanken und betrat wie üblich die Küche. Ich konnte Reita den Mund leider nicht rechtzeitig zuhalten. Der Ältere hatte, „Oh verdammt, ja. Und wie wir das hatten!“, geschnurrt und grinste jetzt von einem Ohr zum anderen. Während meine Mutter benommen vor sich hin kicherte, schüttelte ich nur kapitulierend den Kopf. Ein Räuspern gefolgt von einem Brummen entkam mir, als Reita mich in die Seite piekte. Als Gegenfrage gab ich, „Und, hattest du gestern auch Spaß?“, von mir, bekam von ihr aber einen empörten Gesichtsausdruck zu sehen und einen Schlag gegen den Unterarm. „Ich bin deine Mutter, du darfst mich so etwas nicht einfach so fragen!“, entrüstete sie sich, Reita indessen lachte deswegen belustigt, und ich meckerte, „Ach, aber du darfst das bei mir oder wie?!“, woraufhin sie mit einem simplen und unbekümmerten, „Ja!“, antwortete und sich herumdrehte, um die Treppen hoch zu hasten. Wahrscheinlich wollte sie sich umziehen. „Hör auf zu lachen, deck lieber den Tisch!“, schmollte ich mit vorgeschobener Unterlippe und vor der Brust verschränkten Armen. Reita nickte schnell, stellte sich vor mich, um mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen zu drücken, und ging dann an die Küchenschränke, um Teller und anderen Kram rauszusuchen. Ich konnte plötzlich meine Mutter von oben rufen hören. Reita ließ ich kurz allein zurück, der würde schon klarkommen. Immerhin war das hier sein zweites Zuhause. Ich eilte die Treppen hinauf und betrat das Schlafzimmer meiner Eltern. Der Schlafanzug meines Vaters lag noch immer feinsäuberlich gefaltet auf der Nachtkonsole.. Der Anblick versetzte mir einen melancholischen Stich ins Herz. Sie saß derweil auf ihrer Hälfte des Bettes und hielt ihr Handy konzentriert ans Ohr. Als sie mich sah, winkte sie mich hektisch zu sich rüber und ich ging mit einer gehobenen Braue auf sie zu. Was war denn jetzt los? „Schatz, Keisuke will mit dir reden!“, sagte sie schnell und lächelte überaus glücklich, was mich nur noch stutziger machte. „Was will er?“, fragte ich im unhöflichen Ton, mir vollkommen bewusst, dass er mich gut hören konnte. „Mit dir reden!“, wiederholte sie sich diesmal mit verengten Augen und fester Stimme und hielt mir auffordernd das Handy hin. Ich seufzte nur augenrollend und nahm das Handy dann doch an, um es mir ans Ohr zu halten und brummig, „Hm?“, zu machen. „Scheinst ja nicht wirklich gut gelaunt zu sein, was?“, schlug mir seine heitere Stimme entgegen, die mich dazu brachte, nur noch grimmiger dreinzuschauen. Ja, er konnte nichts dafür, aber ich hatte jetzt wirklich keine Lust auf ihn und sein Gelaber. „Doch, bin bester Laune!“, säuselte ich sarkastisch und zischte leise auf, da mir meine Mutter wütend in meinen Oberschenkel gekniffen hatte. Ich hatte mich soeben neben sie aufs Bett gesetzt. „Ich werde mal runter in die Küche und Akira helfen“, redete sie sich schnell raus und sagte noch, ich solle Keisuke grüßen, was ich nach kurzem Hin- und Her auch tat. Doch als er mich bat, ihr auszurichten, dass er sie über alles liebte und ihr jetzt am liebsten einen Kuss geben würde, fing ich an, fauchend zu streiken und er lachte nur doof. Der machte das doch mit Absicht! „Mach das doch selber!“, sagte ich kackfrech in den Hörer. Gute Manieren waren bei mir soeben ausgegangen. Meine Mutter hatte das Zimmer schon längst verlassen. Ich konnte das amüsierte Glucksen dieses Penners auf der anderen Seite hören, was mich ziemlich reizte. „Ja, jetzt sag an. Was willst du von mir?“ Ich ignorierte jetzt einfach mal, dass das einfach nur unhöflich von mir war. Und er tat es anscheinend auch. „Wissen, ob du schon gefrühstückt hast“, antwortete er mir und brachte mich dazu, fragend die Brauen zusammen zu ziehen. Kurz stutzte ich, ehe ich wirr, „Ähm, also, nein. Habe ich noch nicht. Ich war gerade dabei, bevor meine Mutter mich zu sich gebeten hat“, sagte und dann in die Stille lauschte. „Okay, das trifft sich sehr gut!“, meinte er jetzt und ich fragte ihn, was daran bitte gut sein sollte, da ich Hunger hatte. „Na ja, ich habe mich gefragt, ob du nicht vielleicht Lust hättest, ins “BlueMoon“ zu kommen, damit wir gemeinsam frühstücken können“, machte er mir jetzt klar und ich überlegte kurz. Wahrscheinlich sollte das so eine Art Kennenlernen sein. Da hatte ich aber keine Lust drauf. Ich wollte jetzt lieber mit meinem Reita frühstücken. Doch als ich verneinen wollte, ging plötzlich die Tür auf und meine Mutter nickte eifrig. „Du gehst hin, nicht wahr?“, flüsterte sie und grinste dabei breit. Woher..?! Woher wusste sie das jetzt?! Wurde ich hier etwa abgehört? Ich seufzte nur kopfschüttelnd, rieb mir mit der freien Hand über die Stirn und fragte dann, „Wann soll ich da sein?“ Dass Keisuke und meine Mutter sich gerade gleichzeitig freuten, ging mir dezent am Arsch vorbei. Ich hatte doch mit Reita frühstücken wollen! „Wie wäre es mit halb zwölf? Das schaffst du doch, oder?“, fragte er und ich schielte schnell zur Uhr, die auf der Nachtkonsole meiner Mutter stand. Da hatte ich ja noch ein wenig Zeit. „Hm, ja. Tue ich“, kapitulierte ich und überreichte meiner Mutter das Handy, nachdem er sich von mir verabschiedet hatte. Ich schlurfte zurück in die Küche, wo Reita schon längst am Tisch saß und mir entgegen lächelte. Doch als er meine Grimasse sah, fragte er sofort, was los war. „Keisuke hat mich ins Café eingeladen. Ich wollte verneinen, aber meine Ma hat mir dazwischengefunkt“ Reitas Miene verdüsterte sich sofort, nachdem ich zu Ende geredet hatte. „Also gehst du jetzt hin, ja?“, fragte er und klang irgendwie sauer. Ich nickte nur betreten und sah zu Boden, woraufhin der Ältere aufseufzte und aufstand, um mich an der Hand zu nehmen und aus der Küche zu führen. „Dann solltest du dich anziehen“, meinte er nur und führte mich die Treppen hinauf. Was ging denn jetzt mit dem? „Tut mir ehrlich leid, Schatz“, flüsterte ich hinter ihm, war mir sicher, dass er mich gehört hatte. Kurz vor meiner Zimmertür drehte er sich herum und lächelte seicht. „Kein Problem. Ist ja nicht deine Schuld. Nutz’ die Gelegenheit und frag ihn ein wenig über seine Person aus, hm?“, schlug er vor, und die Idee war gar nicht mal so schlecht. Genau das würde ich tun. Ich ließ mich von ihm ins Zimmer ziehen, setzte mich aufs Sofa und wartete, während er mir irgendwelche Klamotten zurechtlegte. Mein Outfit bestand aus einem schwarzen, enganliegenden Rollkragenpullover und einer genauso schwarzen, schlichten Hüftjeans, die ebenfalls viel zu eng war. Ich hatte das Teil eigentlich schon längst entsorgen wollen. Ok, wenn ich den Pullover anzog, brauchte ich mir keine Jacke drüberziehen. Frieren würde ich in dem Outfit sicher nicht. Nachdem ich mich angezogen hatte, musterte mich Reita kritisch von oben bis unten. Ich stand nur unbeholfen vor ihm und schlackerte unsicher mit den Armen hin und her. Er verschränkte die Arme vor der Brust, rieb sich dann mit einer Hand das Kinn und murrte, „Nein, das geht nicht!“ Mit großen Augen fragte ich schmollend, „Wieso? Sieht das nicht gut aus?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, eher im Gegenteil. Das sieht verdammt gut aus, deswegen passt es ja auch nicht!“ Wegen dieser Aussage fing ich an, zu lachen. Daher wehte also der Wind! „Ach Gottchen, bist du süß!“, quiekte ich, in seine Wangen kneifend, und machte ihn damit nur noch bockiger. „Bin ich nicht!“, meckerte er und verschwand dann beleidigt ins angrenzende Bad. Während seiner Abwesenheit schminkte ich mir die Augen. Und das wie immer alles in Schwarz. Als Reita wieder hinzustieß, rief er sofort, „Nicht so viel schwaaarz!“, was mich lachen ließ. „Wieso schminkst du dich nicht zur Abwechslung mal wieder so wie früher, hm? So mit sexy Lidstrich und allem?“, fragte er, schüttelte aber plötzlich über sich selbst den Kopf und meinte sofort, „Nein, lass es doch lieber so, sonst wirkt das alles viel zu aufreizend! Vielleicht kriegt er so sogar Angst vor dir und hält Abstand!“ Ich lächelte innerlich wegen seinem Verhalten. Ich drehte mich zu ihm herum und gab ihm einen leichten Kuss. „Hast du dir irgendwas auf die Lippen geschmiert?“, fragte er nuschelnd gegen meinen Mund und bettete seine Lippen erneut auf meine, als ich nur, „Hm..“, machte. Sobald auch mein Haar annehmbar aussah, verließ ich mein Zimmer mit Reita auf den Fersen, der wie ein treues Hündchen an mir klebte. „Ich könnte doch-“ „Hier bleiben!“, unterbrach meine Mutter Reita, der mir beim Stiefel anziehen zusah und sofort beleidigt die Unterlippe vorschob, als meine Mutter sich bei ihm einhakte und ihn bestimmend von mir wegzog. „Wir essen jetzt gemeinsam, Akira!“, redete sie munter und wünschte mir wiederum viel Spaß. Reita zwinkerte nur knapp und schenkte mir einen Luftkuss, und ich tat es ihm gleich. Ich hatte irgendwie keine Lust auf den ganzen Kram. Pünktlich um halb zwölf stand ich vor dem Café, welches von außen gesehen ziemlich gut besucht war, und atmete einmal tief durch, ehe ich eintrat. Ich sah mich um und entdeckte Keisuke, der etwas abseits von den anderen, mittigen Tischen saß und mir fröhlich zuwinkte, als er mich erspähte. Er saß am Schaufenster, hatte somit einen guten Ausblick auf die Straße, die neben dem Café entlangführte. Ich hob leicht meine Hand zum Gruß und ging mit hängenden Schultern auf den Tisch zu, der nur für zwei Personen bestimmt war. Mit einem einfachen, monotonen, „Hi“, setzte ich mich ihm gegenüber und er gab ebenfalls ein „Hi!“ von sich, jedoch viel euphorischer als ich. Unfassbar, jetzt saß ich schon mit diesem Kerl in einem Café und frühstückte mit ihm. Das Erste, was ich wieder tun konnte, war ihn begaffen. Ehrlich, er sah göttlich aus. Und das war noch untertrieben! Gab’s noch etwas Höheres als “göttlich“? Wenn ja, dann traf dies hundertprozentig auf ihn zu. Wieso dachte ich eigentlich sowas?! Das war der Partner meiner Mutter, also wirklich! „Wie geht’s dir?“, fragte er mich, und ich riss mich von dem Anblick seiner nackten Brust los, die immer wieder unter seinem Shirt hervorblitzte, wenn er sich leicht bewegte. Shirts mit V-Ausschnitt waren schon etwas Feines. Ob er regelmäßig trainierte? „Schön!“, druckste ich und wurde sofort von ihm ausgelacht. „Ähm.. Eh, und dir?“, fragte ich schnell, um ihn endlich zum Verstummen zu bringen, und er feixte mit einer gehobenen Augenbraue, „Danke, mir geht’s auch schön!“ „Schön!“, wandte ich ohne zu überlegen ein und brachte ihn erneut zum Lachen. „Hör mal, ich find das nicht wirklich lustig!“, schmollte ich automatisch mit vorgeschobener Unterlippe, presste aber sofort die Lippen fest aufeinander und verengte die Augen, als er verwundert zu lachen aufhörte und, „Oh, wenn du schmollst siehst du schon viel niedlicher aus!“, aussagte. Ich wäre beinahe drauf und dran gewesen, schon wieder, „Schön“, zu sagen, konnte es mir aber noch rechtzeitig verkneifen. „Ok, tut mir leid, ehrlich. Freunde?“ Wie hypnotisiert starrte ich auf seine große Hand, die er mir von der anderen Seite des Tisches entgegenstreckte. Hm.. Wollte ich es ihm so leicht machen? „Kouyou, bitte“, murmelte er plötzlich, mir dabei durchdringend in die Augen sehend, was mir eine unangenehme Gänsehaut bescherte, und ich seufzte geschlagen und nahm seine ausgestreckte Hand kurz in meine, um sie leicht zu schütteln. „Freunde“, gab ich innerlich zweifelnd von mir und konnte nicht anders, als zu lächeln, da er sich über diese simple Geste gerade so freute. Wir bestellten uns erst einmal etwas zu essen. Keisuke gab mir natürlich alles aus, was doch etwas zu großzügig von ihm war. „Ich mag es, Leute zum Essen einzuladen!“, gab er zu und ich notierte mir genauestens im Hinterkopf, was er gesagt hatte. So, so, er mochte das also. Lud er also jede Frau einfach so ein, hm? Ach, Augenblick, ich war ein Mann. Als er meinen zweifelnden Gesichtsausdruck sah, verstand er anscheinend, was in mir vorging. Also, ich mochte es nicht wirklich, wenn man mir alles ansehen konnte. Immerhin war ich kein Buch, was man nach Lust und Laune aufschlagen und lesen konnte. „Es macht mich einfach froh, die glücklichen Gesichter zu sehen, das ist alles“, sprach er leise weiter, jedoch grinste er leicht und selbstgefällig. „Sag mal, kannst du Gedanken lesen oder was?“, fragte ich schnippisch. Er sollte sich daran gewöhnen, dass ich so mit ihm redete. Das würde sich nämlich nicht so schnell ändern. Jedenfalls nicht in Abwesenheit meiner Mutter. „Nein, ich bin kein Hellseher. Aber deine Gesichtsausdrücke verraten dich meist, weißt du?“, erklärte er mir und zwinkerte belustigt, als er meine entgleisten Gesichtszüge sah. Ich schnaubte nur und nahm einen Schluck von meinem Tee, verkrampft versuchend, mir nichts weiter anmerken zu lassen. Wenn ich wieder zu Hause war, würde ich vor dem Spiegel an meinen verschiedenen Gesichtszügen arbeiten, damit man mir nicht alles sofort ansehen konnte. Das war doch scheiße! „Kouyou, mal ehrlich. Was hast du eigentlich gegen mich?“, fragte er plötzlich frei heraus, und ich war drauf und dran gewesen, ihm meinen Tee ins Gesicht zu spucken vor Schock. Ich hustete unterdrückt, hielt mir die Serviette vor den Mund und sah ihn dann mit leicht roten Wangen an. Woher..? Ah ja, mein Verhalten. „Ich verstehe das nicht. Habe ich vielleicht irgendetwas Falsches getan? Bin ich dir auf irgendeine Weise zu nahegetreten?“, wollte er wissen. „Ja, du hast mir meine Mutter weggenommen!“, hätte ich jetzt am liebsten gesagt, tat es aber nicht, da das doch recht kindisch war. Er legte den Kopf schief, lächelte dann plötzlich und sagte leise, „Du brauchst keine Angst haben, wirklich. Ich will dir weder deine Mutter, noch sonst jemanden oder etwas wegnehmen, Kouyou. Ich bin ein friedliebender Mensch und genau deswegen will ich auch mit jedem gut auskommen können. Und gerade bei dir ist mir das sehr wichtig, verstehst du?“ Ich nickte nur. Also hatte ich ein völlig falsches Bild von ihm? Mir war gerade ehrlich gesagt ein wenig unwohl in meiner Haut. „Hat deine Mutter eigentlich schon mit dir geredet?“, fragte er als nächstes kryptisch und seufzte lächelnd, als ich mit gesenktem Blick den Kopf schüttelte. „Das kommt sicher noch. Hab’ ein wenig Geduld und gib ihr die Zeit, die sie braucht“, redete er zuversichtlich auf mich ein und zeigte mir seine niedlichen Grübchen, als ich den Kopf anhob, um ihn anzusehen. „Du bist doch ein Hellseher..“, murmelte ich und musste verlegen grinsen, als er schallend auflachte und sich leicht über den Tisch lehnte, um mein wirres Haar mit seiner Hand noch weiter durcheinander zu bringen. Meine Haare waren tabu, verdammt! Wir frühstückten und unterhielten uns dabei. Und je mehr wir miteinander redeten und er mir sein wahres Gesicht, sprich einen anscheinend wirklich lieben Menschen, zeigte, fing ich an, ihn ein bisschen mehr zu mögen. Meine Zweifel, dass meine Mutter wahrscheinlich den Falschen erwischt hatte, verwehten langsam aber sicher. Er lachte viel und lächelte ununterbrochen, genauso wie meine Mutter. Auch sein Humor ähnelte dem meiner Mutter sehr. Als wir auf ihn und seine Familie zu sprechen kamen, hatte ich sofort Mitleid mit ihm, was ich aber nicht so offensichtlich zeigen wollte. „Hast du Geschwister?“ „Nein, ich hätte gerne welche gehabt, aber meine Eltern waren mit mir als einziges Kind zufrieden gewesen. Für eine Zeit, jedenfalls“, antwortete er mir kryptisch und stocherte leicht lächelnd in seinem Essen herum. Den Kopf schief legend fragte ich ihn, was genau das hieß, und er offenbarte mir mit einem beinahe traurigen Ausdruck, „Wir reden seit zehn Jahren nicht mehr miteinander, haben den Kontakt zueinander abgebrochen“ „Was, wieso?!“, fragte ich verständnislos und dachte nicht daran, dass es vielleicht besser gewesen wäre, hier einen Schlussstrich unter unser Gespräch zu ziehen. Immerhin wurde es jetzt sehr persönlich. Jedoch antwortete er mir trotzdem, indem er mir wie immer durchdringend in die Augen sah. Er hatte mir gesagt, dass er es mochte, den Leuten, mit denen er sich unterhielt, in die Augen zu sehen, da Blickkontakt wohl etwas sehr Wichtiges für ihn war. Anhand der Intensivität des Blickkontaktes konnte er die Menschen besser einschätzen, hatte er gesagt. Der Mann war schon seltsam, nicht? „Ich habe mich damals für einen anderen Job entschieden, als mein Vater mir vorgelegt hatte. Er wollte immer, dass ich einmal genauso erfolgreicher Bankkaufmann werde, wie er. Aber solche Dinge haben mir nie zugesagt, schien mir das alles doch recht monoton, also habe ich ihm widersprochen und meinen Eltern klargemacht, dass ich- Verzeihung?“ Er unterbrach sich selbst, indem er eine Kellnerin an unseren Tisch rief und sich einen weiteren Kaffee bestellte. „Dass du?“, versuchte ich ihn wieder zum Reden zu bringen und er lächelte entschuldigend. „Tut mir leid, ich war in Gedanken“ „Kommt vor!“, warf ich ein, woraufhin er lachte. „Also, ich habe ihnen klargemacht, dass ich Model werden will. Ich hatte selbst schon einen Vertrag in der Tasche, aber mein Vater war strikt dagegen gewesen. Meine Mutter hatte dazu nichts gesagt, denn sie hatte schon immer auf der Seite meines Vaters gestanden. Ob jetzt freiwillig oder nicht“ „Oh“, machte ich hilflos. Doch meine Gedanken drifteten schnell weiter, da mein Gehirn mir heute anscheinend nicht richtig gehorchen wollte. Keisuke als Model? Ja, das konnte ich mir sehr gut vorstellen. Aber dass seine Eltern so dagegen gewesen waren und seine Mutter sich von seinem Vater hatte manipulieren lassen? Eigentlich traurig so etwas. Man sollte doch immer zu seinen Kindern und deren Träumen und Wünschen stehen. „Irgendwann hat mein Vater angefangen, mich so sehr deswegen zu verachten, dass er meine Mutter mit sich genommen hat, um nach Europa zu gehen und dort zu bleiben. Ich war ihm peinlich. Er wollte nicht in der Nähe dieses “schwulen Bastards“ bleiben, hatte er gesagt. Und jetzt weiß weder ich, wo die beiden sind, noch wissen sie, wo genau ich mich befinde“ SCHWUL?! Das war das Einzige, was ich wirklich aufgenommen hatte. Der Rest war flöten gegangen. Keisuke bemerkte meinen alarmierten Gesichtsausdruck und lachte laut, beruhigte sich dann aber wieder und mich nebenbei auch, indem er sagte, „Für meinen Vater war jedes männliche Model in der Branche schwul, keine Sorge. Oder denkst du, ich hätte mich in deine bezaubernde Mutter verliebt, wenn ich schwul wäre?“ Ok, da war was dran. Außer erleichtert auszuatmen brachte ich sonst nichts zustande. Keisuke schüttelte nur lächelnd den Kopf, verfiel dann jedoch wieder in Schweigen. „Also warst du Model, ja?“, fragte ich unbeholfen und sah scheu zu ihm rüber. „Hmhm!“, nickte er bejahend und nahm seinen frischen Kaffee mit einem charmanten Lächeln entgegen, der gerade an unseren Tisch gebracht wurde. „Ich war zwar nicht so ein erfolgreiches Model, welches sie für große Modemarken nach Mailand bestellten, damit die dort auf dem Laufsteg herumwursteln und sich auf die Nase legen konnten, aber ich habe trotzdem sehr gutes Geld verdient. Mal haben sie mich als Unterwäschemodel für irgendwelche teuren Marken gebucht oder einfach-“ Uhhh, Unterwäschemodel! Durfte ich sabbern? „Kouyou, du.. du sabberst“, meinte Keisuke plötzlich leise, presste dann die Lippen fest aufeinander und brach direkt danach beinahe auf seinem Stuhl zusammen vor Lachen, während ich mit hochrotem Kopf und herumzeternd meine Mundwinkel mit der Serviette abtupfte. Ach, so ein Scheiß hier! Nachdem er sich endlich beruhigt hatte und ich nicht mehr so rot im Gesicht war, aßen wir weiter. Mein Tee war schon ganz kalt, weshalb ich ihn auch nicht mehr trinken wollte. Deshalb bestellte mir Keisuke kurzerhand einen neuen, trotz meines Protests. Kurze Zeit war es still und nur die anderen Besucher um uns herum brabbelten munter vor sich hin. „Du modelst nicht mehr, richtig?“, warf ich einfach mal so in den Raum, was ja schon recht einfallslos war – natürlich modelte er nicht mehr - und Keisuke blickte erstaunt auf. Dann lächelte er wie immer und meinte kopfschüttelnd, „Nein, nicht mehr!“ „Wieso denn nicht?“, wollte ich neugierig wissen und er sah mich erst verzückt an, ehe er mir darauf eine Antwort gab. „Oho, danke für dein indirektes Kompliment. Aber ich bin schon zu alt dafür“ Mit ungläubig nach oben gezogenen Brauen musterte ich ihn. Wäre es unhöflich, wenn ich ihn fragen würde, ob er einen Knall hatte? „Wer sagt das denn? Außerdem dachte ich, dass man erst mit über 35 zu alt ist!“ Er zuckte nur die Schultern und sagte mir, dass er mit seinem jetzigen Job sehr zufrieden war. Das sollte für mich wohl heißen, dass das Thema hiermit beendet war. Ok, wenn er es so wollte? Viertel nach eins verabschiedeten wir uns vor dem Café voneinander, doch vorher hielt er mich noch kurz auf. „Du.. hast einen Freund, richtig?“, fragte er und wirkte plötzlich unsicher, als würde er sich nicht sicher sein, ob er das Recht dazu hatte, mich so etwas zu fragen. Ich lächelte bei seinem Anblick aber nur und nickte dann bestätigend. Gleich darauf fragte ich ihn jedoch zurückhaltend, “Stört dich das?“ Sofort schüttelte Keisuke den Kopf und verriet mir, dass sein bester Freund auch homosexuell war. Na, da hatte er ja schon Erfahrung mit Schwulen, was? „Wir könnten doch ein Treffen ausmachen? Also, du, dein Freund, deine Mutter und ich? Einfach, um uns noch mal besser kennenzulernen. Immerhin hatte ich ja noch nicht das Vergnügen. Was hältst du davon?“, fragte er mich und strahlte sofort, als ich ohne zu zögern bejahte. Das war doch mal eine gute Idee! Mich freute es, dass er anscheinend Wert darauflegte, auch meinen Partner kennenzulernen. Doch das breite Grinsen auf meinen Lippen schwand sofort ein wenig, als er eine Diskothek als Treffpunkt vorschlug. Er hatte meine Gemütsveränderung nicht wahrgenommen. War das nicht eher.. ungeeignet für ein Kennenlernen? Bevor ich noch etwas dazu sagen konnte, hob er zum Abschied munter die Hand, ging die Straße entlang und ließ mich wie ein Volldepp dort stehen. Ich und meine Mutter.. Gemeinsam in einer Disco. Ja klar! „Und, wie war’s?!“ Kaum hatte ich die Haustür aufgeschlossen, wurde ich von meiner Mutter und Reita attackiert, die beide wie aus der Pistole geschossen und ohne Luft zu holen, „Wie war’s?“, fragten. „Dürfte ich vielleicht erst einmal reinkommen?!“, fragte ich aufgebracht und kämpfte mich an den beiden Verrückten vorbei, um in die Küche zu gelangen. „Oh.. hi!“, grüßte ich Reitas Mutter schwach lächelnd, die mir strahlend entgegenblickte und hastig winkte. Waren die heute irgendwie alle plemplem? Sofort traten auch meine Mutter und Reita ein, wobei letzterer mich am Handgelenk hinter sich herzog und bestimmend auf einen der Küchenstühle drückte. „Also?“, fragte meine Mutter mit einem überdimensionalen Grinsen und rutschte auf ihrem Stuhl ganz nah an mich heran. Reita tat dasselbe von der anderen Seite und zog grimmig die Brauen zusammen, wartete gespannt auf meine Antwort. Da wurde man ja nervös! „Ja, also.. es war.. nett“, meinte ich nüchtern und schulterzuckend, woraufhin zwei Gesichter entgleisten. „Nett?!“, machten sie beide nur und wirkten ziemlich unbefriedigt. Reitas Mutter lachte nur und wiegte den Kopf dabei amüsiert hin und her. Ok, die hatten in meiner Abwesenheit irgendetwas Illegales zu sich genommen. „Ja, es war sehr nett. Wir haben uns gut unterhalten und so. Und er hat mich um ein weiteres Treffen gebeten“, erzählte ich frei heraus, bemerkte aber viel zu spät, dass Reita neben mir sich ziemlich angespannt hatte. „Dem gebe ich noch ein Treffen!“, grummelte er leise und beinahe unhörbar neben mir, heimste sich aber trotzdem einen warnenden Blick von seiner Mutter ein, die plötzlich nicht mehr so komisch und aufgesetzt lächelte. „Nein also, er meinte, er würde dich auch gerne kennen lernen. Also hat er vorgeschlagen, dass du, Ma, er und ich uns in einer.. ähm.. Disco.. treffen?“ „Disco?! Vorzüglich!“ „Disco?! Auf gar keinen Fall!“ Während der Vorschlag meiner Mutter auf Anhieb gefiel, wollte Reita partout nichts davon hören. Ich schüttelte nur leise seufzend den Kopf und ließ mich von ihm mitziehen. „Das ist wirklich toll. Ich werde ihn sofort anrufen und die Details besprechen!“, konnte ich meine Mutter noch aufgeregt in der Küche sagen hören, ehe ich im oberen Flur ankam. „Ganz nette Idee, mal eben so in einer Disco einen auf Kennenlernen zu machen. Und ich dachte immer, dass nur Aoi so bescheuerte Vorschläge hat!“, moserte Reita herum, schmiss sich auf eines meiner Sofas und verschränkte die Arme unter dem Kopf. Ich lächelte nur ob seines Verhaltens und setzte mich letztendlich neben ihn und legte eine Hand auf seine Brust, was ihn dazu brachte, mich schmollend anzusehen. „Ich hatte ein völlig falsches Bild von ihm, ehrlich. Er ist eigentlich ganz nett und hatte es anscheinend nicht immer leicht in seinem Leben“, erklärte ich Reita nickend, schürzte dann aber unbemerkt die Lippen, als er mich unterbrach und schnippisch, „Was? Hat er als Jugendlicher auf der Straße gelebt und sich für ein wenig Geld pimpern lassen, damit er nicht völlig verhungert oder was?!“, schnarrte, dann aber unwillig das Gesicht verzog, als ich, „Rede doch mal nicht so einen völligen Bockmist! Über so etwas macht man keine Witze!“, meckerte und ihm leicht auf die Brust schlug. Ich erhob mich, um mir bequemere Klamotten anzuziehen. Irgendwie engte mich der Kragen des Pullovers gerade ein. „Lerne ihn einfach selbst kennen, dann verstehst du ja vielleicht, wie ich das meine“, sprach ich gleichgültig und zog mir eine weite Trainingshose über. „Uhhh, ja sicher. Ich wette mit dir, dass ich ihn in der Disco so richtig gut kennenlernen werde! Immerhin kann man sich da bei Zimmerlautstärke wunderbar unterhalten!“, säuselte er und nickte dabei, um seine sarkastischen Worte zu untermalen. Ich drehte mich zu ihm herum und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Soll ich dir in den Arsch treten?“, fragte ich im höflichen Ton, bekam von ihm aber nur ein ebenso gespielt höfliches, „Zu gütig, aber nein, danke!“, zu hören. Sobald ich fertig war, gesellte ich mich wieder zu ihm und schmiss mich einfach auf seine Brust, entlockte ihm somit einen überrumpelten Gesichtsausdruck. Er prustete die Luft nur geräuschvoll aus seinen Lungen und fing an, zu krächzen. Um ihn nicht mit meinen 130kg umzubringen, setzte ich mich lieber auf seine Hüften, was ihm wohl auch nicht so recht passte. „Was ist los? Du schaust so unzufrieden“, merkte ich unschuldig an und wippte nebenbei auf seiner Hüfte auf und ab, wodurch er immer wieder keuchte. „Hör auf!“, befahl er und biss die Zähne stark zusammen, als ich schwungvoll und fest auf seinem Becken vor- und zurückrutschte und lachend, „Aber wieso? Das macht doch Spaß!“, rief. Knurrend griff der Blonde in mein Haar und zog meinen Kopf grob zu sich herunter. Ich zischte vor Schmerz auf, schnurrte jedoch sofort angetan, als er seine Lippen ungestüm auf meine presste und sofort mit seiner Zunge dazwischen glitt. Während ich mein Becken noch immer gegen seins bewegte und uns somit langsam aber sicher ziemlich anheizte, verkrallte er alle zehn Finger in meinen Haaren und hielt mein Gesicht somit nahe bei sich, um mich weiter in den Wahnsinn zu küssen. Dieses altbekannte Schwindelgefühl übermannte mich, als er seine Zunge hart an meiner rieb und ungeduldig mit ihr zu spielen begann. Ich konnte nicht anders als benommen zu stöhnen, als er von sich aus sein Becken immer wieder ruckartig anhob und somit seine langsam wachsende Erregung gegen meine stoßen ließ. Ok, ich hatte eigentlich nicht gewollt, dass das so ausartete, aber was soll’s. Gerade als ich hemmungslos aufstöhnte, da er eine Hand aus meinem Haar gelöst und sie grob auf meinen Hintern gelegt hatte, um mich noch weiter an seine Körpermitte zu drücken, flog die Zimmertür krachend auf und meine Mutter trällerte, „Kooouuuyouuu, weißt du waaaas?“ Erschrocken riss ich mich von Reita los, der sich ebenfalls ruckartig aufsetzte. Ich war mir sicher, dass meine Haare in alle Himmelsrichtungen abstanden. Über die Rückenlehne des Sofas hinweg sahen wir meine Mutter erschrocken an und versuchten gleichzeitig, unsere gehetzte Atmung unter Kontrolle zu kriegen. „Oh, ich, oh-“, haspelte sie nur, hielt sich eine Hand beschämt vor den Mund und ich verkniff es mir, sie anzumaulen. „Was?“, fragte ich versucht ruhig und kämmte mir nebenbei das Haar mit zittrigen Fingern zurecht. Würde mir jetzt aber sowieso nichts mehr nützen. Ich konnte Reita unterdrückt wimmern hören. Der arme Kerl hatte gerade ein ziemlich großes Problem in der Hose. „Ma?!“, weckte ich sie aus ihrer verdammten Starre und fragte sie gezielt, was sie von mir wollte. „Ähm.. äh. Freitag. Treffen mit Keisuke?“, fiepte sie nur und schlug hastig nickend die Tür hinter sich zu, als Reita und ich gleichzeitig, „JA!“, riefen, damit sie endlich verschwand. Kurz herrschte Stille zwischen uns. Oh, ich hasste es, wenn meine Mutter so etwas machte. „Vielleicht sollten wir es uns doch endlich angewöhnen, diese beschissene Tür abzuschließen!“, grummelte Reita und warf mich mit einem Satz herum, sodass er nun über mir lehnte und ich der Länge nach unter ihm auf dem Rücken lag. Doch noch bevor er irgendetwas mit mir machte, stemmte er sich auf die Knie und schloss von seinem Sitzplatz aus die Tür ab. Dazu musste er sich zwar ein wenig strecken, aber er schaffte es trotzdem. „So!“, grinste er mit den Brauen wippend und öffnete mit einem erleichtert klingenden Seufzen seine Hose. Nachdem Reita und ich geschafft auf dem Sofa liegen blieben, verbrachte ich die stille Zeit damit, ein wenig vor mich hin zu überlegen. Reita hatte sich an meine Brust gekuschelt, hielt die Augen geschlossen und seufzte dann und wann auf, was mich zum Lächeln antrieb. Es passierte nicht oft, dass er sich so verhielt. Ich dachte indessen an Kai und unser Gespräch. Er erwartete von mir, und das zu Recht, dass ich den anderen von Keisuke erzählte. Immerhin waren sie ein Teil meiner Familie und hatten das Recht, es zu erfahren. Das würde ich auch tun, keine Frage. Nur wann sollte ich das machen? Es musste immerhin ein günstiger Zeitpunkt sein, ich durfte das nicht einfach so bei einem Zwischentreff herausposaunen. Immerhin war das ja ein wichtiges Thema. Ich zog eine Schnute und grübelte in Gedanken vor mir hin. Plötzlich hatte ich einen Spontaneinfall. Da ich mich heute so gut mit Keisuke unterhalten hatte, konnte ich mich doch später mit meinen Freunden treffen und mich mit ihnen über ihn unterhalten, oder nicht? Einfach, um alles brühheiß weiterzuerzählen und ja keine Details aus dem Gespräch zu vergessen! Und welcher Ort war dafür nicht geeigneter als das Restaurant, in dem Kai arbeitete? Ha, ich war ja so gut! „Schatz, Schatz, Schatz!“, rief ich aufgeregt und wackelte unter Reita hin und her, der die Augen schnell aufriss und erschrocken, „Hä?“, machte. „Lass uns heute essen gehen!“, trällerte ich mit zusammengekniffenen Augen und einem Lächeln auf den Lippen, und mein Lächeln wurde breiter, als Reita mir liebevoll durchs Haar strich und, „Alles was du willst“, wisperte, ehe er mir einen Kuss auf die erhitzte Wange drückte. Reita und seine Mutter waren nach Hause gegangen. Der Blonde würde aber gleich wieder zurückkommen, er wollte sich nämlich nur frisch machen und umziehen. Eigentlich hätte er das auch hier machen können, da sich ja einige seiner Klamotten in meinem Schrank befanden, aber er hatte immer wieder, „Sieht scheiße aus!“, gemosert und war schlussendlich abgezischt. Ich hatte die Idee verworfen, noch einmal schnell unter die Dusche zu hüpfen. Irgendwie wollte ich die Spuren von Reita auch nicht wegwaschen, die er auf mir hinterlassen hatte. Das fand ich viel zu schade. Ich entschied mich also für ein etwas schickeres Outfit, legte alles auf dem Sofa zusammen und besah mir die Auswahl dann noch einmal prüfend. Doch, das war gut so! Ein weinrotes Hemd und dazu eine schwarze Stoffhose. Reita sagte immer, dass mein Hintern in dem Teil göttlich aussah. Die teure Kette, die mir Reita vor einem Jahr aus einer Laune heraus geschenkt hatte, legte ich mir um, da es gut aussah, wenn der hübsche Kristallanhänger unter dem leicht aufgeknöpften Hemd glitzernd hervorblitzte. Sobald ich fertig angezogen und frisch gestylt war – ich hatte auf Reitas Wunsch hin meine Augen mal wieder wie früher geschminkt. Er sagte, dass ich durch diesen Lidstrich den ultimativen “Fick-mich“ Blick hatte und er darauf stand. Ob das nun aber wirklich so war, wusste ich nicht – schnappte ich mir mein Handy. Immerhin wollte ich die anderen auch einladen. Ich hoffte nur inständig, dass Ruki längst zu Hause war, weil man bei ihm nie wissen konnte. Unser Jüngster trieb sich immer irgendwo draußen herum, weil ihm zuhause ohne Kai langweilig wurde. Dass Aoi und Toshiya zu Hause waren, war offensichtlich. Also rief ich erst einmal bei den Shiroyamas an, um sie einzuladen. Dass sie einwilligen würden, war mir von vornherein klar gewesen. Es tutete einmal, zweimal, dreimal, viermal.. Hatte ich mich doch geirrt? „Shiroyama am Apparat, wer wagt es?“, meldete sich Toshiyas leicht bockige Stimme am anderen Ende des Hörers und ich konnte es mir nicht verkneifen, zu lachen. „Uruha Schätzchen, bist du das?“, fragte der Ältere sofort mit erfreuter Stimme und ich bejahte gut gelaunt und fragte, woher er das denn schon wieder wusste. „Na, ich bitte dich. Wir kennen uns schon so lange. Und außerdem bist du der Einzige, den ich kenne, dessen Lache eher wie ein hysterisches Stöhnen klingt“, erzählte er mir und brachte mich somit zum Stutzen. „Jetzt ehrlich?“, fragte ich verwundert und lachte erneut los, als er mit einem aufreizenden Schnurren in der Stimme, „Oh ja, Schätzchen. Wenn du nur wüsstest, wie geil du mich mit deinem Lachen machst“, in den Hörer säuselte und ebenfalls in Gelächter ausbrach. Ich konnte plötzlich Aoi vom weiten hören, der ziemlich wütend klingend, „Komm sofort wieder her, Totchi! Wir waren noch nicht fertig!“ rief. „Ja, ja, komm’ ja gleich“, winkte Toshiya anscheinend ab. Gleich darauf fragte er mich, wo der Schuh drückte. „Der drückt nicht, der passt einwandfrei. Ich wollte eigentlich nur wissen, ob ihr mit ins “ThreeCrowns“ kommt, einfach mal gemeinsam essen und quatschen“, brachte ich ihm meinen Vorschlag bei und grinste breit, als er sofort zusagte und Aoi Bescheid rief, dass sie essen gehen würden. „Toshimasa, ich hab’ hier ’nen fetten Ständer und du redest vom Essen gehen!?“, hörte ich Aoi im Hintergrund zetern und lachte sofort laut. „Wann treffen wir uns?“, fragte Toshiya, unberührt Aoi ignorierend, und ich sagte ihm, dass sie um sechs vor dem Lokal sein sollten. „Ruki hast du noch nicht angerufen, oder?“, wollte der Ältere als nächstes wissen und übernahm die Aufgabe für mich, den Kleinsten und auch Jüngsten von uns anzurufen und ihn ebenfalls einzuladen. Kai mussten wir nicht benachrichtigen, der arbeitete gerade sowieso im Restaurant. „Also gut, bis dann!“, verabschiedete ich mich von dem Schwarzschopf und bekam von ihm einen hörbar feuchten Schmatzer durch den Hörer. Grinsend legte ich auf und schnappte mir aus meinem Schrank einen dünnen Mantel, der mir bis zu den Knien reichte. Immerhin war es noch nicht warm genug und zu späteren Stunden wurde es auch kühler. „Schatz, Akira wartet!“, rief meine Mutter von unten, und ich schnappte mir noch mein Handy, meine Geldbörse und meinen Schlüsselbund, an dem ein Anhänger mit einem Foto von Reita und mir baumelte, und stopfte alles in meinen Mantel. Eilig ging ich hinunter, verabschiedete mich von meiner Mutter mit einem Kuss auf die Stirn und ließ mich von Reita an der Hand hinausführen. „Ich habe Aoi und Totchi angerufen. Um sechs treffen wir uns vor Ort!“, informierte ich Reita, der einfach nur zum Anbeißen aussah. Die enge Hose, die tief um seine Hüften saß und von einem breiten Gürtel mit Strasssteinen an ihrem Platz gehalten wurde, schmückte seinen Hintern so gut, dass ich mir ein dreckiges Grinsen nicht verkneifen konnte. Seine eng geschnittene Lederjacke hatte er offengelassen, so dass man das dünne, weiße Top, welches fast durchsichtig schimmerte, darunter sehen konnte. Um den Hals trug er eine silberne Kette mit dem Anfangsbuchstaben meines Namens. Ich zupfte beim Gehen leicht an dem glitzernden “K“ und lächelte nur, als er murrend meine Hand ergriff, damit ich damit aufhörte. Das Einzige, was mich an seinem hinreißenden Styling störte, war diese beknackte Nasenbinde. Er würde es niemals seinlassen. „Um sechs.. Es ist doch gerade mal viertel nach fünf“, meinte er überlegend und hatte anscheinend nichts dagegen, als ich ihm sagte, dass wir ja mal zur Abwechslung zu Fuß gehen könnten. Das würde zwar ein wenig dauern, aber das machte mir nichts aus. Hand in Hand, unsere Arme immer wieder leicht vor- und zurückschwingend, gingen wir nebeneinander her und ignorierten die Leute, die mit schiefen Blicken an uns vorbeigingen und hinter unserem Rücken zu tuscheln begannen. Na ja, fast. Es war in dieser Gesellschaft nun mal nicht gern gesehen, wenn zwei Männer Händchen hielten. Die Leute könnten ja bei dem Anblick erblinden oder so. Anscheinend kam die Menschheit noch immer nicht mit gleichgeschlechtlicher Liebe klar. Traurig, so etwas. „Sind sie nicht süß? Haben nichts Besseres zu tun, als sich das dreckige Maul über andere Leute zu zerreißen!“, grölte Reita drohend und laut, sodass sich das kleine Grüppchen vor uns, bestehend aus zwei jugendlichen Mädchen und drei Jungs, schnell mit zusammengezogenen Schultern entfernte. „Rei!“, mahnte ich ihn gedämpft und piekte ihn mit meiner freien Hand in die Seite, und er konnte nichts anderes tun, als mit den Schultern zu zucken. Es war noch recht hell, was auch daran lag, dass es zu solch sommerlichen Jahreszeiten nun mal langsamer dunkel wurde. Störte mich aber nicht, ich fand die Dunkelheit immerhin nicht wirklich prickelnd. Völlig belanglos laberte ich vor mich hin und Reita hörte zu und nickte immer wieder. Also, manchmal tat er mir schon leid. Während wir die Straße überquerten, kam mir plötzlich das in den Sinn, was mir Toshiya gebeichtet hatte. „Hm du, Schatz..“, begann ich also mit zuckersüßer Stimme und erlangte somit seine volle Aufmerksamkeit. „Hm?“, brummte er und ich fragte ihn mit Unschuldsmiene, „Sag mal, klingt mein Gelächter eigentlich wie hysterisches Stöhnen?“, woraufhin er den Mund komisch verzog und mir ein amüsiertes Glucksen entlockte. „Von wem hast du denn den Scheiß?“, fragte er perplex und hielt mich an der Hand zurück, da ich sonst ohne hinzusehen über die rote Ampel gegangen wäre. „Hat mir Totchi am Telefon gesagt“, erklärte ich ihm nickend und schickte dem Pärchen auf der anderen Seite der Straße sogleich einen stechenden Blick zu, da sie Reita so komisch anglotzten. Als die Ampel auf Grün umsprang, setzten wir uns in Bewegung, und Reita wirkte mit einem Mal nachdenklich. „Lach mal“, bat er mich dann gedankenversunken und ich hob die Brauen missmutig an. „Du willst mir doch jetzt nicht erzählen, dass du nicht weißt, wie mein Lachen klingt, oder?“, schnauzte ich ihn ungehalten an, bekam aber sofort heiße Wangen, als er mit absichtlich gehobener Stimme und einem unverschämten Grinsen auf den Lippen, „Soeben kann ich mich nicht dran erinnern, nein. Liegt aber auch nur daran, dass gerade dein Stöhnen von vorhin in meinen Ohren widerhallt. Und das ist verdammt geil!“, sagte und das Pärchen, das gerade an uns vorbeiging, somit angeekelt das Gesicht verzog. „Boah, Reita!“, meckerte ich beschämt, musste dann aber belustigt lachen, als ich die Gesichter von diesen Schnöseln sah. „Oh, Toshiya hat Recht!“, warf Reita plötzlich zusammenhanglos ein und heimste sich von mir einen Schlag gegen den Oberarm ein. Es war ein doch recht langer Fußweg zum “ThreeCrowns“ Restaurant. Jedoch beschwerte sich Reita nicht und ich erst recht nicht, da ich es nicht für nötig befand, jedes Mal ins Auto zu steigen, wenn ich irgendwo hinwollte. Es tat gut, auch mal zu Fuß unterwegs zu sein. Die belebten Straßen waren rammelvoll von Leuten, die gerade aus der Arbeit kamen oder noch irgendwo hinwollten. Dass Reita und ich Händchen hielten, fiel hier keinem auf. Von unserem Standpunkt aus konnte ich schon das Restaurant sehen, über dessen Eingang drei pompös wirkende Kronen prangten. Würde sicher wehtun, wenn eine davon herunterfiel, oder? „Wollen wir drinnen warten?“, drang Reitas Stimme an meine Ohren und sofort sah ich mich suchend um. Als ich fand, wonach ich Ausschau hielt, sagte ich nur grinsend, „Wir brauchen nicht warten. Sie sind längst da!“, und deutete mit meinem Finger – ja, man zeigte nicht mit nackten Fingern auf angezogene Leute, na und? – zu Aoi, Toshiya und Ruki rüber, die knapp drei Meter von der Eingangstür entfernt standen und allesamt rauchten. „Vielleicht sollte ich auch schnell eine rauchen, bevor wir rein-“, fing Reita an, doch unterbrach ich ihn mit einem scharfen Blick und sagte mit leicht gereckter Nase, „Nein, solltest du nicht!“, und zog ihn mit mir. Dass er hinter meinem Rücken die Augen verdrehte, merkte ich nicht. „Oh, da seid ihr ja!“, rief Toshiya erfreut aus und schnippte seine halb aufgerauchte Kippe von sich, um uns beide auch sogleich zu umarmen. Ich hatte Reita noch dramatisch wimmern hören, als er der Zigarette hinterher gesehen hatte. „Mein Gott, dann rauch halt. Aber beschwer dich in einigen Jahren nicht, wenn du im Gesicht Falten hast wie eine Oma an ihrem Arsch!“, motzte ich ihn an und ließ seine Hand los, um Aoi und Ruki ebenfalls zu umarmen. „Pfft!“, machte der Blonde nur unbeeindruckt, kramte sich aber sofort eine Zigarette aus seiner Jackentasche und ließ sich von Aoi Feuer geben. Allein der Anblick, wie er begierig an diesem Krebserzeuger nuckelte, machte mich innerlich sauer und auch irgendwie traurig. Ja gut, er hatte mir zu Liebe aufgehört, an einem Tag gleich fünf Schachteln zu quarzen, aber ich fand es trotzdem nicht schön, dass er noch immer rauchte. Auch wenn sich die Anzahl der Kippen rapide gesenkt hatte. „Das beeinträchtigt auch die Potenz, du weißt?“, mischte sich unser kleiner Gartenzwerg einfach mal heuchlerisch dazu, während er nebenbei den grauen Dunst auspustete, und alle außer mir lachten, als Reita gleichgültig, „Früher oder später kriege ich sowieso keinen mehr hoch, also scheiß ich drauf!“, schnarrte und mit zusammengekniffenen Augen am Glimmstängel sog. „Ihr könnt mich alle mal. Ich geh rein und such’ uns einen Tisch!“, zickte ich eingeschnappt und wirbelte auf dem Absatz herum, um das Restaurant zu betreten. Eigentlich war ich nur wütend auf Reita, die anderen konnten nichts dafür. Es machte mich einfach traurig und sauer zugleich, dass er so gleichgültig mit seiner Gesundheit umging, so als würde es ihm völlig egal sein, was in den kommenden Jahren sein würde. Was würde wohl in den folgenden Jahren auf uns zukommen? Seufzend blickte ich mich im Inneren um. Hier drin war es echt angenehm. Auf den ersten Blick wirkte alles sehr gemütlich. Aber trotzdem war mir die Lust zu diesem Treffen hier irgendwie vergangen. Dennoch blickte ich mich suchend um und wurde auch schnell fündig. Die in Rot gehaltenen Sitzecken weiter hinten gefielen mir am meisten und zu unserem Glück fand ich eine Ecke, die nicht besetzt war. Schnell ging ich in die Richtung, lief aber jemandem in meiner Unaufmerksamkeit in den Rücken. Sofort erkannte ich, wen ich da gerade angerempelt hatte. „Kai!“, sagte ich leise, und der sich laut entschuldigende Kai drehte sich aufgelöst herum, strahlte aber sofort, als er mich erkannte. Er wirkte richtig frisch und ausgeschlafen. Ein toller Anblick! „Ach, du warst das, Ruha! Ihr seid also schon da? Wo sind die anderen?“, bombardierte er mich sofort mit seiner Fragerei und gab mir schnell eine herzliche und vor allem feste Umarmung. „Du, ich muss jetzt erst mal hier weitermachen. Nimm du Platz, ich komm dann gleich!“, sprach er einfach weiter und ließ mich einfach so stehen. Na ja, ich konnte es ihm nicht verübeln. Immerhin musste er arbeiten. Aber so wie es schien, hatte Ruki ihm Bescheid gesagt, dass wir hierherkommen würden. Und auch konnte man ihm ansehen, dass es ihm besser ging als sonst. Er wirkte kein wenig übermüdet. Das freute mich wirklich sehr. In den nächsten fünf Minuten kam endlich der Rest der Bande herein und ich konnte sehen, wie Ruki eifrig Ausschau hielt. Als er mich erblickte, winkte ich ihn hektisch rüber, doch er machte nur eine wegwerfende Handbewegung, was mich verdutzt glotzen ließ, und sah weiter umher. Und da begriff ich, nach wem er eigentlich suchte. Nach Kai, wem sonst? Als er nicht fündig wurde, schlurfte er unwillig auf den Tisch zu, an dem wir alle längst saßen, und ließ sich auf einen der gepolsterten Sessel fallen. Reita war natürlich ganz dicht an mich herangerückt. Er zog sich eilig die Jacke aus, legte sie neben sich auf den Sitzplatz und war kurz davor, mir einen Kuss auf die Wange zu drücken. Ich schob ihn jedoch schnell von mir und moserte mit gekräuselter Nase, „Geh mir weg, du stinkst!“ Ich merkte danach, dass er sich nur schwer zurückhielt, um nicht beleidigend zu werden. Er massierte sich mit einer Hand unbemerkt die Schläfe, sah mich dann durch seinen langen Pony leicht zornig an, wodurch ich sofort devot die Augenlider senkte, und seufzte nur. „Tut mir leid..“, murmelte ich als schwache Wiedergutmachung, schob ihn trotzdem erneut leicht von mir, als er sich noch einmal zur Seite neigte. „Aber du miefst wirklich nach diesem Scheiß und du weißt, dass mir davon schlecht wird!“, nuschelte ich trotzig, entlockte ihm diesmal aber nur ein leicht genervtes Lachen. Egal wie sehr ich ihn liebte, dieser Gestank bekam mir nicht. Und wenn er nach Rauch roch, wollte ich ihn einfach nicht küssen, geschweige ihn überhaupt in meiner Nähe haben. Im nächsten Moment erschien Kai mit einem kleinen Notizblock in der Hand an unserem Tisch und zeigte uns sein schönstes Grübchen-Lächeln, welches jedes Herz schwach werden ließ. „Herzlich willkommen im “ThreeCrowns“, werte Gäste! Schön, dass Sie sich heute für uns entschieden haben. Haben Sie sich schon für etwas entschieden oder brauchen Sie noch etwas Zeit?“, meldete sich Kai mit einem überaus höflichen Ton zu Wort, woraufhin Aoi kurz davor war, ihm einen der silbernen Serviettenhalter an den Kopf zu werfen. „Hör auf mit dem formellen Scheiß, du Schwachkopf!“, lachte Aoi und entlockte uns somit auch ein heiteres Lachen. „Ich wünschte, ich könnte hier mit euch sitzen“, schmollte Kai sogleich und erntete dafür Mitleid von seinem kleinen Flummi, der mit leuchtenden Augen zu dem Stehenden aufsah. Wie niedlich und unterwürfig Ruki manchmal wirkte. Wenn man es ihm aber unter die Nase reiben würde, würde er sicher in die Luft gehen. „Kannst du dich denn nicht dazusetzen? Wenn du Pause hast vielleicht?“, wollte Aoi wissen, nickte aber nur verstehend, als Kai verneinte und uns dazu aufforderte, in die Speisekarten zu sehen und endlich etwas zu bestellen. „Vom blöden Herumstehen verdien’ ich kein Geld!“, meckerte er uns leise an und lächelte sofort träumerisch, als Ruki seinen Kopf im Sitzen an Kais Hüfte lehnte und so unauffällig wie möglich seine Hand an dessen Seite legte, um drüber zu streicheln. Wir teilten ihm unsere Bestellungen mit und blickten Kai dann hinterher, der in der Küche des Restaurants verschwand, jedoch einige Augenblicke später wieder aus der großen Tür herauskam, um sich um einige neu eingetroffene Gäste zu kümmern. Ich überlegte indessen, wann ich mit der Neuigkeit herausrücken sollte. Während wir aßen? Oder doch lieber davor? Danach? Irgendwie machte das doch keinen Unterschied und ich hatte auch wirklich keine Lust, so ein großes Brimborium darum zu machen. Also holte ich tief Luft und gab spontan, „Leute, wir sind heute eigentlich nur hier, weil ich euch was mitteilen will!“, von mir. Ich hatte diese Information immerhin nun lange genug für mich behalten. Sofort sahen mich acht Augenpaare wie gebannt an und ich merkte, wie mir unter den musternden Blicken warm wurde. „Hau raus, Schnucki!“, grinste Aoi, worauf ich auch leicht grinsen musste. Ich musste nur einen klaren Kopf bewahren, da war doch nichts dabei! „Wisst ihr, also..“ Ich räusperte mich und spürte sogleich Reitas kraftspendende Hand auf meinem linken Oberschenkel. Anscheinend wusste er, was ich sagen wollte, und als ich ihn flüchtig ansah, lächelte er auf eine so niedliche Art und Weise, dass ich mich sofort in meinem Vorhaben bekräftigt fühlte. „Also, meine Ma hat einen Freund!“, fiel ich mit der Tür ins Haus und bekam nicht wirklich die Reaktion, die ich mir eigentlich vorgestellt hatte. „Super!“, hatte Toshiya verzückt gerufen. Von Aoi war, „Ach, was du nicht sagst!“, gekommen und Ruki hatte aufgeregt, „Und wie ist er so? Wie alt ist er? Wie sieht er aus?“, gefragt. Ich hätte eigentlich damit gerechnet, dass sie mich alle entrüstet ansahen und dann den Kopf schüttelten. Doch jetzt zeigten sie reges Interesse an dem neuen Partner meiner Mutter. Na ja, immer noch besser als die Reaktion, die ich eigentlich erwartet hatte. „Wisst ihr noch, der Tag, an dem wir ein Picknick im Park gemacht hatten?“, fragte ich und spielte dabei mit dem Salzstreuer, der vor mir auf dem Tisch stand. Alle nickten sofort und horchten neugierig weiter, bis auf Reita. Der hatte sich im Sitz zurückgelehnt und spielte an meinem langen Nackenhaar, so wie immer, wenn er seiner Meinung nach zu wenig Aufmerksamkeit von mir bekam und wollte, dass ich mich mit ihm beschäftigte. „Als Ruki diese Entdeckung gemacht hatte? Das war wirklich meine Ma gewesen. Und der Typ, der bei ihr gestanden war, ist Keisuke Takada. Chef ihrer Abteilung und ihr Auserwählter“, erzählte ich ihnen frei heraus und zog schief lächelnd die Augenbrauen zusammen, als Toshiya, „Ui, wie romantisch! Eine Arbeitsplatz-Beziehung, wie in einem Drama!“, aussagte und von den anderen seltsame Blicke abbekam. „Was ist daran bitte romantisch?!“, hatte Aoi meinen Gedanken laut ausgesprochen und Toshiya zum Schulterzucken gebracht. „Hübsch ist er allemal!“, haute Toshiya dann noch raus und quiekte unterdrückt, da ihn Aoi anscheinend unter dem Tisch gekniffen hatte. Ja, ja, der eifersüchtige Ehemann. „Ich würde ihn gerne kennenlernen. Immerhin ist mir deine Mutter in den Jahren sehr ans Herz gewachsen. Zumal Nami für mich wie eine zweite Mutter ist. Da will ich schon wissen, wie ihr neuer Macker so ist!“, verwunderte mich Ruki mit seinen lieben Worten, der sein Kinn lässig in seiner Handfläche abstütze und lächelnd zu mir rüber sah. „Hm, klar, wieso nicht?“, stotterte ich ein wenig überfordert und sah Reita mit offenstehendem Mund an, als dieser einfach ungefragt, „Nächsten Freitag gehen wir zu viert in irgendeine Disco. Wie wäre es, wenn ihr mitkommt?“, fragte und dabei interessiert in die Runde sah. Ruki dachte anscheinend darüber nach und rief sich Kais Arbeitsplan gedanklich in Erinnerung, und Toshiya klatschte sofort verzückt in die Hände und gurrte dann Aoi zu, dass es sicher Spaß machen würde und sie mal wieder ausgehen sollten, da dieser sich nicht so freiwillig zeigte. „Kai hat an dem Abend frei und ich habe auch nichts vor. Wir kommen gerne mit!“, bestätigte mir Ruki mit einem vorfreudigen Lächeln und ich brachte es nicht übers Herz, ihn jetzt zu enttäuschen. Eigentlich hatte ich versuchen wollen, die anderen davon zu überzeugen, dass sie nicht mitkommen sollten, aber da hatte mir Reita wohl einen Strich durch die Rechnung gemacht. Was fiel ihm eigentlich ein? Mit leicht zu Schlitzen verengten Augen sah ich den Übeltäter drohend an, der selbstgefällig grinste und dann seine Lippen in meine Richtung spitzte, um Knutschgeräusche zu erzeugen und mich damit zu provozieren. Also, manchmal würde ich ihn gerne.. „Na gut, dann nächsten Freitag, ja? Welche Uhrzeit?“, informierte sich Aoi und gab sich damit zufrieden, dass ich selbst noch nichts Genaues wusste. „Ich gebe euch allen dann rechtzeitig Bescheid, wenn’s soweit ist“, versicherte ich und sah unser Essen auch schon kommen. Sehr schön, da hatten sich meine Freunde also selbst eingeladen. Aber hey, was störte mich daran? Wir waren schon lange nicht mehr zusammen in irgendwelchen Clubs gewesen, da traf sich diese Gelegenheit doch sehr gut. Und zudem konnte Keisuke somit gleich meinen ganzen Freundeskreis kennenlernen, denn außer Aoi, Toshiya, Kai, Ruki und Reita zählte ich sonst niemanden zu meinen wirklichen Freunden. Meine Laune hob sich etwas und ich fiel gierig und vor allem hungrig über mein Essen her. Mal sehen, wie der Freitag ablaufen würde. Kapitel 9: ~9~ -------------- Die Tage waren wie im Fluge vergangen. Das Treffen mit Keisuke war jetzt eine Woche her, und ich hatte ihn seitdem nicht mehr gesehen, was mich aber nicht sonderlich traurig stimmte. Unschlüssig stand ich vor meinem Kleiderschrank. Geduscht hatte ich, gleich nachdem ich von der Arbeit nach Hause gekommen war. Zwar musste ich morgen früh wieder in die Praxis, um Bestandsaufnahme unserer Produkt-Bestellungen zu machen, aber da ich sowieso keinen Alkohol anrührte, würde das Aufstehen für mich also kein Problem darstellen. Vielleicht würde ich nicht genug Schlaf bekommen, aber immerhin war das allemal besser, als verkatert aufzuwachen und wie eine Leiche auszusehen. Das konnte ich mir nicht erlauben. Zumal ich morgen sowieso keinen Kontakt zu Patienten haben würde, also musste ich mir darüber keine unnötigen Gedanken machen. Ich tippte mir gerade grübelnd mit einem Finger auf die Unterlippe, als meine Tür plötzlich aufging. „Kouyou, mein Schatz, bist du dir sicher, dass du mit Akira vorfahren willst? Fahrt doch einfach bei Keisuke und mir mit!“, sprach meine Mutter mit zur Seite geneigtem Kopf, doch konnte ich gerade nicht auf das Gesagte eingehen. Nicht einmal, dass sie wieder nicht geklopft hatte, konnte ich ihr übelnehmen. Oh mein Gott, war das meine Mutter? „Ma..“, hauchte ich verstört und starrte ihr auf die hübschen Beine, die sie ziemlich freizügig präsentierte. Außer einem, meiner Meinung nach, viel zu knappen, schwarzen Minirock hatte sie nichts an. Darüber trug sie ein silbern glänzendes, an den Trägern mit großen Kristallen verziertes, rückenfreies Top, welches für meinen Geschmack viel zu viel Dekolleté präsentierte. Und als wäre das nicht schon genug, trug sie auch noch eine lange Kette um den Hals, die genau in ihrem Ausschnitt endete. So nach dem Motto “Augen bitte hier hin!“. Seit wann besaß sie überhaupt solche Klamotten? „Was ist denn?“, fragte sie mit unsicherer, schwankender Stimme und fummelte nervös an ihren Fingern herum. „Ma!“, sagte ich jetzt viel gefasster, schüttelte knapp den Kopf und starrte ihr ins Gesicht. Ihre dunkel geschminkten Augen glänzten mich an und sie klimperte mit den extrem langen Wimpern, was mich einen Deut mehr verunsicherte. „Ma, wie siehst du aus?!“, krächzte ich jetzt und war mir gar nicht mehr so sicher, ob das wirklich meine Mutter war. Sie sah aus wie meine ungeborene Schwester! „Nicht gut?“, fragte sie leicht zittrig, verunsichert durch meine Reaktion, und wickelte sich mit geröteten Wangen eine künstlich geformte Locke um den Zeigefinger, da sie immer mit ihrem Haar spielte, wenn man sie verunsicherte. Es war nicht meine Absicht gewesen, sie so aus der Reihe zu bringen. Ich kam nur nicht mit diesem Anblick klar. „Nein, nein, ganz im Gegenteil. Du.. Du siehst hervorragend aus, das ist es ja!“, platzte es aus mir und sie lächelte sofort breit und sprang mir um den Hals, um meine Wangen mit ihrem schimmernden Lipgloss zu verkleben. „Hey, ist ja gut, lass das. Ich muss mich noch fertig machen!“, lachte ich und wischte mir mit einer Hand über beide Wangen. Meine Mutter wiederum stand nahe bei mir und blinzelte die ganze Zeit über mit einem überaus breiten Lächeln zu mir auf, was mich doch leicht verwirrte. Ich sah perplex zu ihr runter, lächelte dann jedoch und nuschelte leise, „Du siehst so verdammt scharf aus. Wir werden heute besonders gut auf dich aufpassen müssen. Würde ich es nicht besser wissen, würde ich bezweifeln, dass du älter bist. Du wirkst wie frische 20..“, während ich ihre warme Wange tätschelte und von ihr für meine lieben Worte eine innige Umarmung bekam. „Danke, mein Schatz! Das freut mich, dass du das so siehst“, hauchte sie erneut errötend und fuhr sich mit einem milden Lächeln durch das schwarze, gelockte Haar. „Das muss doch gedauert haben, die so hinzukriegen!“, äußerte ich meine Vermutung und fasste ebenfalls nach ihrem Haar, um dabei zuzusehen, wie es beinahe wie Seide zwischen meinen Fingern hindurch glitt. „Ach, so schwer war’s gar nicht!“, winkte sie ab und quiekte auf, als es an der Haustür klingelte. Wer war denn das jetzt? Es war doch noch viel zu früh. Anscheinend fragte sie sich das auch, denn sie sah mich unwissend an und drehte sich dann herum, um hinunter zu gehen. Ich folgte ihr bis zum Treppenabsatz und staunte nicht schlecht, als sie die Haustür öffnete und einen perplexen, aber verdammt lecker aussehenden Reita empfing. Dass er schon ausgehfertig war, war ein Wunder. „Nami!“, machte mein Freund genauso fassungslos und umarmte sie erst einmal. Meine Mutter lachte beschämt und dankte Reita strahlend, als er ihr unverblümt mitteilte, dass sie zum Anbeißen aussah. „Was man von dir nicht behaupten kann!“, neckte er mich sogleich und starrte offensichtlich auf meine nackte Brust und gleich danach auf meine verstrubbelten, nassen Haare. Ich sagte ja, ich hatte eben erst geduscht! „Ha, ha“, lachte ich trocken und drehte mich herum, um wieder hochzugehen. Reita folgte mir und meine Mutter eilte hinterher, verzog sich dann aber ins Schlafzimmer, weil sie das “Schlachtfeld“ jetzt aufräumen musste, wie sie uns laut mitgeteilt hatte. „Du hast noch knapp zwei Stunden, Kouyou!“, informierte sie mich noch und schlug dann ihre Zimmertür zu. Na ja, dann würden Reita und ich eben bei den beiden mitfahren. Als ich in mein Zimmer trat, war das Erste, was ich machte, auf die Uhr schauen. Es war halb acht, also hatte ich ja noch genug Zeit, nicht? Mit vorgeschobener Unterlippe drehte ich mich zu Reita herum, der mir anscheinend die ganze Zeit auf den Hintern gestarrt hatte, da sein Blick noch immer in tieferen Regionen verweilte, als ich ihm ins Gesicht sah. „Reita!“, sagte ich laut, worauf er aufschreckte und mich aufgelöst ansah. „Hä?“, machte er wie immer dümmlich und kam auf mich zu, als ich ihm gestand, dass ich nicht wusste, was ich anziehen sollte. Ich hatte mir ein Outfit rausgelegt, was ich mir vor einiger Zeit mal gekauft hatte, als ich mit Toshiya shoppen gewesen war. Und ihr wisst ja sicher, wenn Toshiya und ich shoppen gingen, kam nichts Gutes bei raus. Na ja, also eigentlich schon, aber.. Ach, schon gut. „Ich hab’ mir überlegt, das da anzuziehen!“, schniefte ich gekünstelt und deutete mit einem Finger auf mein Bett rüber, wo ein kleines Häufchen Stoff lag, das ganz in Schwarz gehalten war und irisierend glitzerte. Sicher würde ich dieses Outfit nicht anziehen. Ihn ein klein wenig ärgern war das Einzige, was ich wollte. Ich wusste, wenn ich nur genug schmollte und jammerte, würde Reita mir schon etwas Anständiges rauslegen. Immerhin hatte er einen wunderbaren Geschmack, was Klamotten betraf. Und ich brauchte mir auch nicht weiter den Kopf darüber zerbrechen. „Was ist das?!“, fragte er ungläubig und eilte auf das Bett zu, um die enge Shorts hochzuhalten, die mir knapp bis unter die Pobacken reichte. „Willst du mich zum Morden animieren?!“, fragte er gleich schrill weiter, ohne auf eine Antwort von mir zu warten. Ich zuckte nur amüsiert mit den Schultern und nickte ergeben, als er mir sofort verbot, die Sachen anzuziehen. „Das ist nur für private Angelegenheiten“, murmelte er bockig und stellte sich vor meinen Kleiderschrank, um darin zu kramen. Währenddessen legte ich mich relaxt aufs Sofa und sah ihm zufrieden dabei zu. Doch als er mich anfuhr, dass ich mein Haar endlich trocknen und in Form bringen soll, sprang ich schnell auf und lief ins Bad. Kurz vor neun war ich endlich fertig geschminkt, gestylt und angezogen. Reita fummelte noch ein wenig an meinen einzelnen abstehenden Haarsträhnen, die ich zusätzlich toupiert hatte, und sah an meiner Schulter vorbei in den Spiegel vor uns. „Du siehst verdammt heiß aus“, nuschelte er mir ins Ohr und blies gleich danach provozierend hinein, sodass ich angenehm erschauderte und in den Spiegel grinste. „Nicht so sehr wie du!“, schmeichelte ich ihm und merkte, wie er leicht den Kopf schüttelte. Gleich danach moserte er leise, dass er es hasste, kleiner als ich zu sein. „Ach Schatz, so groß ist der Unterschied nun auch wieder nicht. Und wenn es dich so sehr stört, krieche ich für dich eben auf allen vieren auf dem Boden herum, damit du größer wirkst!“, grinste ich mit einem arroganten Blick und leckte mir anzüglich über die Lippen, als er verrucht lächelnd, „Das kannst du ja machen, wenn ich das passende Halsband dazu besorgt habe!“, zwinkerte und sich zur Tür drehte, da man Schritte im Flur hörte. Im nächsten Moment öffnete meine Mutter vorsichtig die Tür. Wow, sie besserte sich! „Seid ihr beiden- Oh, Kouyou, du siehst super aus!“, unterbrach sie sich selbst quietschend und blickte mit geöffnetem Mund an mir auf und wieder ab. Ich glättete die violette Weste, die aus einem weichen Stoff bestand, mit meinen Händen, sodass die unzähligen, kleinen Silber-Anhänger und perlmuttfarbenen Kettchen daran zu klirren begannen. Reita richtete mir gleich danach grinsend den abstehenden Kragen und zog mich an der Hand mit sich aus dem Zimmer, als meine Mutter uns mit einem Fingerzeig hinter sich herwinkte. Beim Gehen sah ich ihm auf den Hintern, an dessen hinteren Hosentaschen falsches Schlangenlederimitat entlanglief und in einer schmalen Linie nach vorne wanderte, um an seinen vorderen Hosenbeinen bis zum Saum hinab zu fließen. Sah wirklich gut aus! Die Hosentaschen waren mit kleinen Nieten verziert und er trug einen passenden Nietengürtel, damit die tiefsitzende Hose nicht rutschte. Auch seine Jacke passte zu der schwarzen Hose. Viele große Knöpfe waren daran befestigt und auch an der Jacke fand sich dasselbe Schlangenleder wieder. Und genau wie ich hatte er einen weiten Stehkragen, der zusätzlich mit einem Reißverschluss-Verlauf geziert war. Das Einzige, was nicht sein musste, war dieses doofe Nasenband, welches er farblich an sein Outfit angepasst hatte. Dass er nach all den Jahren noch immer nicht darauf verzichten wollte, obwohl er so ein schönes Gesicht hatte, wollte mir einfach nicht in den Kopf. „Erde an Takashima, ich rede mit dir!“, drang plötzlich eine Stimme vom Weiten zu mir herüber und ich schaute blinzelnd auf. Ich war anscheinend gedanklich abgedriftet. Reita legte seine Hand mit einem leichten Lächeln auf meine Wange, nahm sie jedoch gleich danach weg und verpasste mir einen leichten Klaps auf die rechte Wange, was mich diese empört aufblasen ließ. „Was sollte das denn jetzt?“, fuhr ich ihn gekünstelt an und er schnarrte, „Das hast du verdient. Ich rede mit dir und du wagst es, mich zu ignorieren und vor dich hinzuträumen!“, was mich die Arme vor der Brust verschränken ließ. „Pah!“, machte ich und ging an meiner lachenden Mutter vorbei in die Küche, weil ich noch schnell etwas trinken wollte. Reita folgte natürlich sofort und drückte mich plötzlich mit seinem gesamten Körpergewicht der Länge nach an die geschlossene Kühlschranktür, sodass ich das kalte Metall an meiner Wange fühlen konnte. „Halloho?!“, versuchte ich, an sein verstörtes Hirn vorzudringen, und japste im selben Moment entzückt auf, als er sich meinen Kragen so weit wie möglich aus dem Weg hielt und mir dominierend in den Nacken biss. „Ich habe eben gesagt, dass du in dieser beschissenen Disco nicht von meiner Seite weichen sollst, hast du gehört? Wenn ich irgendwen sehe, der dir hinterher lechzt oder dich anfasst, prügle ich ihm die Scheiße aus dem Leib!“, knurrte er mir dunkel ins Ohr und jagte mir somit einen Schauer nach dem anderen den Rücken hinunter. Ich nickte und nahm sofort eine devote Haltung ein, als er mich an den Schultern packte und herumwirbelte, um mich ansehen zu können. Er wusste doch, dass ich ihn niemals links liegen lassen würde, da musste er mich nicht ermahnen. Aber irgendwie gefiel es mir, dass er mir seine Eifersucht so sehr verdeutlichte. Was war heute nur los mit ihm? So manch einer würde sich jetzt völlig eingeengt fühlen. Aber für mich war das nicht so. Ehrlich gesagt liebte ich es, wenn er so etwas sagte und sich eifersüchtig gab. Um ihn dennoch ein klein wenig zu ärgern, fragte ich kleinlaut, „Und was ist, wenn mir eine Frau hinterher lechzt?“, und er sah erst stutzend drein, verzog dann jedoch den Mund und flüsterte in einem unpassend sanften Ton, „Das interessiert mich nicht. Du gehörst mir. Punkt!“ Ich lächelte nur und schloss die Augen, als er seine Lippen mit Nachdruck auf meine presste. Jedoch dauerte der Kuss nicht lange, da es an der Haustür klingelte. Meine Mutter rief, „Ich geh’ schon!“, und gleich darauf begrüßte sie Keisuke lautstark, dessen tiefes Lachen bis hierher zu hören war. Na, bei der Stimme war das ja auch kein Problem, die blieb sicher nirgendwo ungehört. Reita ließ von mir ab und hob übellaunig eine Braue, während er mit leicht zur Seite gedrehtem Kopf in den Flur sah. Ich schob mich an dem Blonden vorbei und ging hinaus in den Flur, weil ich Keisuke aus Höflichkeit grüßen wollte, und Reita folgte mir natürlich. Der Schwarzhaarige lächelte mir auch sofort entgegen und hob die Hand zum Gruß, doch mein eigentliches Augenmerk galt der Person neben ihm, die ebenfalls breit lächelte und mich mit einem beinahe verzückten Glanz in den Augen ansah. Wer- Nein, WAS war das!? „Hey Kouyou, du weißt doch, ich habe dir von meinem besten Freund erzählt. Nun, das ist der Gute. Sui, das ist Kouyou! Namis Sohn.“, stellte er mich dem Typen vor, der sogleich sein ultralanges, gewelltes Haar in einer eleganten Bewegung in den Nacken warf und mir seine manikürte Hand mit einem selbstbewussten Augenaufschlag entgegenstreckte. Seine rot leuchtenden, vollen Lippen, die zu einem leichten Lächeln verbogen waren, zogen mich magisch an. Schöne Lippen hatte er. Und diese Augen. So geheimnisvoll und dunkel. Der Schönheitsfleck an seinem Kinn sah aus wie gemalt und stand ihm höllisch gut. Gott hatte anscheinend seine Lieblinge. Heiliger Himmel, und ich hatte immer gedacht, dass ich vom Typ her übertrieben androgyn war. So genannter Sui nahm meine Hand und schüttelte sie fest. Und als er sprach, fühlte ich sofort die aufkommenden Zahnschmerzen, da er so zuckerig klang. „Freut mich sehr, dich kennenzulernen, Kouyou!“, lächelte er nur und zwinkerte sogar knapp, und ich konnte hören, wie meinem Freund hinter mir ein leises, kurzes Knurren entwich. Schnell ließ ich die Hand Suis los, von dem ein ziemlich süßlicher, benebelnder Duft ausging, und presste mich sofort lächelnd an Reitas Seite, der seinen Arm besitzergreifend um meine Hüfte legte, um zu zeigen, dass ich längst an jemanden gebunden war. „Ähm, Keisuke, Sui? Das ist Akira, mein Freund!“, sagte ich schnell und sah Reita die Verbissenheit an, als er Sui mit einem beinahe angeekelten Blick die Hand reichte, gleich darauf aber etwas lockerer nach Keisukes Hand griff, um diese knapp zu schütteln. „Freut mich, Akira. Tolle Haare!“, machte ihm Keisuke ein Kompliment und ich sah, wie Reitas Mundwinkel kurz hochzuckten, als würde er lächeln wollen. Doch dann blickte er wieder eisig drein und bedankte sich knapp. Sui schien es gar nicht für notwendig zu halten, überhaupt etwas zu sagen. Wie unhöflich. „Na gut, wenn wir dann so weit wären, könnten wir doch los, oder?“, meldete sich Sui zu Wort, der sein rechtes Bein leicht angehoben und an seinen Körper gezogen hatte, um den Reißverschluss seiner extrem langen, weißen Stiefel in einer lasziven Bewegung komplett zuzuziehen. Mit der anderen Hand hielt er sich am Oberarm Keisukes fest, der deswegen nur mit den Augen rollte. „Ich hole nur schnell meinen Mantel!“, lächelte meine Mutter erfreut in die Runde, hetzte los und ich schenkte Keisuke einen warnenden Blick, als er mit einem, „Und ich-“, ansetzte. Er brach seinen unvollständigen Satz sofort ab, als er meinen Blick registrierte, und presste pfeifend, „Warte hier unten im Flur auf dich“, aus sich, was mich zufrieden und anerkennend nicken ließ. Als wenige Minuten später ein Klackern hinter mir zu hören war, drehte ich mich um und stierte auf die monströsen High-Heels, die meine Mutter trug. Na, wenn sie darin laufen konnte, bitte! Keisuke bot ihr verliebt lächelnd den Arm, woraufhin meine Mutter sich bei ihm unterhakte, und Sui neben ihm trällerte vergnügt, „Also dann, auf ins “Juice“!“, doch Reita stockte sofort und quietschte beinahe, „Juice?!“ In dem Moment ging mir ein Lichtlein auf und ich rief unpassend zum Thema, „Ach, siehste? Ich habe vergessen, meinen Saft zu trinken!“, in die Runde. Ich wirbelte schnell herum, die perplexen Blicke ignorierend, und trank gelassen meinen Saft in der Küche aus, und als ich wieder im Flur erschien, sah Reita ziemlich miesepetrig drein und weigerte sich, sich zu bewegen. „Ich dachte, wir wollen ins “Atmosphere“!“, motzte mein Freund und sah Keisuke dabei anklagend an. Mir war es eigentlich völlig Wurst, wo wir hinfuhren, kannte ich mich mit den Clubs der Gegend auch nicht aus. Hauptsache, wir hatten gemeinsam einen tollen Abend. Doch dann fiel mir ein, dass Toshiya und die anderen ja nicht wussten, dass wir nun doch in einen anderen Club gehen würden. Knapp schickte ich Toshiya und Kai eine Sprachnotiz, dass wir uns doch woanders trafen. „Ach, tut mir leid. Ich habe anscheinend vergessen, es euch zu sagen..“, sagte meine Mutter jetzt entschuldigend und erntete von Reita einen ungläubigen Blick. „Nami!“, machte mein Freund nur fassungslos und sah mich dann mit einem undefinierbaren Blick an, als ich aussagte, dass es doch egal war, wo wir hinfuhren. Als Reita jedoch entrüstet, „Das ist aber eine Schwulendisco!“, aussagte, klappte auch mir die Kinnlade runter. „Hä?!“, machte ich jetzt verwirrt. Woher sollte ich denn das wissen!? „Ja sorry, das war meine Idee. Der Club wurde neulich fertig renoviert und wiedereröffnet, und ich wollte unbedingt wissen, wie’s jetzt da drinnen ausschaut. Ich hatte eigentlich erwartet, dass es eher Nami stören würde als euch. Aber sie fand die Idee ganz lustig! Also ging ich davon aus, dass alles in Ordnung ist.“, sprach Sui mit Unschuldsmiene und neigte dabei den Kopf zur Seite, sodass sein brünettes Haar ihm in Wellen ins Gesicht fiel und ihn noch niedlicher und unschuldiger aussehen ließ. Wobei ich mir ganz genau denken konnte, dass letzteres kein wenig auf ihn zutraf. In seiner Aufmachung kam er eher wie jemand rüber, der in seiner Freizeit zum Spaß mehrere Leute gleichzeitig ritt. Sorry, Vorurteil! Nachdem er zu ende geredet hatte, sahen Reita und ich automatisch zu meiner Mutter, die verlegen, „Ehehe“, machte und sich grinsend hinterm Ohr kratzte. Ich stellte mich nach kurzem Überlegen vor Reita und senkte die Stimme, damit keiner uns belauschen konnte. „Komm schon, Schatz. Das macht sicher Spaß, hm?“, versuchte ich ihn umzustimmen, doch er brummelte nur und nuschelte, „Schwul..“, vor sich hin. „He, vergiss nicht, du bist auch schwul!“, piekte ich ihn in die Wange und er reagierte so schnell, dass ich überrumpelt zusammenzuckte. Er hatte mein Handgelenk gepackt und, „Darum geht’s mir nicht!“, gezischt. „Worum dann?“, fragte ich eingeschüchtert und merkte, dass die anderen drei uns wie gebannt anstarrten und versuchten, unserem Gezische zu lauschen. „Die Kerle dort! Die werden dir alle hinterherlaufen! Da komm’ ich gar nicht dazu, Spaß mit dir zu haben, weil ich damit beschäftigt sein werde, sie von dir fernzuhalten!“, nörgelte er jetzt ungewollt laut und ich hörte, wie Keisuke und Sui hinter mir ungläubig zu prusten begannen. Mit zusammengezogenen Brauen drehte ich mich herum, um die beiden Herrschaften – wobei man Sui eigentlich nicht als Herren bezeichnen konnte – tadelnd anzusehen. „Mach dir keine Sorgen, Akira. Wir werden doch alle zusammenbleiben, da passiert Kouyou schon nichts!“, versuchte Keisuke, Reita zu beruhigen, schaffte es jedoch nicht so ganz. Im nächsten Augenblick klingelte mein Handy und meine Mutter nutzte diesen Vorwand aus, schob uns alle in den Vorgarten und schloss die Haustür ab. „Schääätzchen!“, trällerte mir Toshiya ins Öhrchen und ich säuselte im selben Ton grinsend, „Toootchi!“, woraufhin ich einen fragenden Seitenblick von Sui kassierte. Meine Mutter und Keisuke standen schon vor dessen silbernem Mercedes und stiegen ein. Sui nahm auf der Rückbank Platz und Reita sah unentschlossen erst ins Auto, dann zu seinem Auto rüber und dann wieder ins Innere des teuren Wagens. Als meine Mutter ihn dazu aufforderte, sich endlich zu setzen, erbarmte sich Reita dazu und nahm widerwillig neben Sui Platz, der seine langen Beine, die in einer extrem engen, beigen Lackhose stecken, übereinandergeschlagen hatte. Er sah desinteressiert aus dem Fenster und alle warteten darauf, dass ich auch endlich einstieg. Tat ich dann auch. „Anschnallen!“, schallte es vom Fahrersitz und ich hörte Reita neben mir gereizt knurren. Befehle befolgen war definitiv nicht seine Lieblingsbeschäftigung. Ich wusste, dass er lieber derjenige war, der sie erteilte. Während ich mich mit einer Hand anschnallte, redete ich weiterhin mit Toshiya, der gerade, „Bist du dir da aber auch wirklich sicher, Schätzchen?“, fragte. „Ja, ich habe es auch erst eben erfahren. Meine Ma hat vergessen, mir Bescheid zu geben!“, erklärte ich und grinste nur kopfschüttelnd, als meine Mutter sich laut entschuldigte, damit Toshiya es auch hörte. „Na ja, aber im “Juice“? Die sind da alle ein wenig, wie soll ich sagen, seltsam“, machte mir Toshiya ein schlechtes Gefühl und gab sogleich, „Ups!“, von sich. „Weißt du was, Schätzchen? Vergiss einfach, was ich gesagt habe, der Abend wird toll! Kai und Ruki sitzen schon ganz aufgeregt hinter uns, wir sind in ungefähr einer Viertelstunde vor Ort!“, sprach er schnell, um mich nicht weiter zu verunsichern, und gab mir einen hörbaren Kuss durch die Leitung. Ich legte lächelnd auf und drehte mich zu Reita herum, der mich anscheinend die ganze Zeit über beobachtet hatte. „Hm?“, gab ich von mir und unterdrückte ein belustigtes Prusten, als Reita mit gesenkter Stimme, „Die macht mir Angst!“, in mein Ohr hauchte und unbemerkt in Suis Richtung nickte, der gerade seine glänzenden Nägel betrachtete und dann die unzähligen Ringe an seinen schlanken Fingern richtete. „Mit der Tatsache, dass „die“ ein „Der“ ist!“, grinste ich leise und hielt mir die Hand vor den Mund vor Belustigung, als Reita abschätzend, „Das ist niemals ein Kerl!“, murrte, sich dann jedoch versteifte, als ein Räuspern zu hören war. „Sag mal, Akira. Wir hatten ja noch nicht die Gelegenheit. Darf ich fragen, wie alt du bist?“, fragte Keisuke interessiert, während er seinen teuren Schlitten im langsamen Tempo durch die proppenvollen Straßen lenkte. Na, als Abteilungschef einer erfolgreichen Modelagentur konnte man sich so eine Karre durchaus mal leisten. „21“, antwortete Reita wortkarg. Als Keisuke wissen wollte, was er für eine Ausbildung machte, antwortete Reita auch da nur einsilbig, „Mechaniker“, und blieb unkommunikativ, und Keisuke gab die eintönige Konversation recht schnell auf. Das konnte ich aber auch irgendwo nachvollziehen. „Kouyou?“, wandte er sich etwas hoffungsvoll klingender an mich und lächelte hörbar, als ich höflich, „Ja, bitte?“, von mir gab. „Deine Mutter hat mir gesagt, dass einige deiner Freunde auch da sein werden. Find ich toll!“, sprach er und nickte anerkennend, als ich voller Vorfreude, „Ja, stimmt. Jedoch nicht einige, sondern all meine Freunde!“, antwortete und sofort an guter Stimmung verlor, als ich von meinem Sitzplatz aus die große Hand Keisukes sehen konnte, die sich auf den nackten Oberschenkel meiner Mutter gelegt hatte und kontinuierlich darüber streichelte und immer mal wieder fest zupackte, dass die Venen auf seinem Handrücken nur so hervortraten. Sie hatte ihren Mantel offengelassen, sodass er gemütlichen Zugriff auf ihre Beine hatte. Sie wiederum lächelte nur und nahm Keisukes Hand in ihre eigene, um dessen Handrücken abwesend zu tätscheln, während sie geradeaus schaute. Argh, ich wollte hier raus! „Ui, all deine Freunde? Wie viele sind das denn?“, wollte Sui mit zuckersüßer Stimme wissen und hob sofort mit einem arroganten Lächeln eine akkurat gezupfte Augenbraue, als ich, „Das sind vier Leute. Wir sind seit Schulzeiten miteinander befreundet, und sie sind mir die liebsten und wichtigsten Menschen in meinem Leben!“, antwortete und ihm aufgrund seiner Reaktion gehässig entgegenblickte. „Ach, nur vier?“, säuselte er und wandte sich kichernd ab. Ich war kurz davor, etwas Unhöfliches zu antworten, doch Reita legte mir beruhigend eine Hand auf den Oberschenkel und schüttelte unbemerkt und knapp den Kopf, so als wolle er sagen, „Lass den Deppen schwafeln!“ Ich sah ihm schweigend in die Augen und wusste sofort, dass er dasselbe wie ich dachte. Was war das für ein eingebildeter Penner? „Sui!“ Keisukes Stimme klang irgendwie bedrohlich und mir gefiel das gar nicht. Ich kuschelte mich schnell näher an Reita, der einen Arm um mich legte und mich fester an sich drückte, weil es im Inneren des Wagens gefühlt ganze zehn Grad kühler wurde. „Ja, ja!“, schnarrte Sui schnippisch und schnalzte bockig mit der Zunge. Also, ich kam mir vor wie im falschen Film. „Wir gehen vor!“, gab Reita Bescheid und drückte meiner Mutter einen schnellen Kuss auf die Wange, ehe er Keisuke knapp zunickte, mich an der Hand nahm und quer über den Parkplatz verschleppte. Vor uns stand ein riesiges Gebäude, an dessen Wänden bunte Lichter angebracht waren und die Stimmung schon im Vornherein anheizten. An der Wand des rot gestrichenen Gebäudes lehnten mit einigem Abstand zueinander irgendwelche Pärchen und interessierten sich anscheinend nicht dafür, dass man sie von allen Seiten beobachten konnte, während sie sich gegenseitig auf die erotischsten Arten und Weisen die Luft zum Atmen nahmen. In aufblinkenden, bunten Lettern war der Name des Clubs zu lesen. Obwohl wir nicht einmal Ansatzweise in der Nähe des Eingangs waren, hörte ich die tiefen Bassklänge bis hierhin in meinen Ohren wummern, und allein dadurch spielte mein Magen automatisch verrückt vor Aufregung. Verdammt, wie lange war ich nicht mehr mit Reita und unseren Freunden tanzen gewesen? Ich freute mich unheimlich darauf! Der wiederum anscheinend nicht so wirklich, wie ich aus seinem harten Gesichtsausdruck herauslesen konnte. „Uruha, Schätzchen! Reita! Hier drüben, ihr beiden!“, schallte es plötzlich von links und ich blieb abrupt stehen, wodurch auch Reita seine energischen Schritte einstellte. Mir klappte die Kinnlade runter, als ich einen auffällig geschminkten und vor allem provokativ angezogenen Toshiya vor mir sah, der auf seinen schwarzen Plateauschuhen auf mich zulief und dabei so laut klirrte und klingelte, dass er jeder Kirchturmglocke Konkurrenz gemacht hätte. Er breitete seine Arme aus und umarmte mich herzlich, gab mir sogleich einen klebrigen Kuss auf den Mund und wandte sich dann an Reita, der nur ungläubig, „Oh mein Gott. So lässt Aoi dich aus dem Haus?! Ist er denn wahnsinnig?“, fragte und diesen auch sofort schief anglotzte, der unberührt, „Ich werd’ schon auf meinen Toshiya aufpassen, keine Sorge!“, versicherte und mich innig umarmte. Ich blickte noch einmal verunsichert auf Toshiyas nackte Beine. Er präsentierte uns sein gewagtes Outfit jetzt von hinten. Und das war bei weitem nicht das Einzige, was er uns somit präsentierte. Sein halber Hintern hing aus den Hotpants raus, an denen Strapsbänder mit Spitzenverzierung und Kettchen befestigt waren. Ok, die Figur dazu hatte er allemal. Selbst ich fand seinen Körper anziehend, aber.. Ähm.. „Totchi, das ist schon dezent nuttig, muss ich sagen!“, lachte ich scherzend, woraufhin er mir grinsend die gepiercte Zunge rausstreckte, und umarmte Ruki, der heute Abend von uns allen am umwerfendsten aussah. Sein schulterlanges, brünettes Haar hatte er gescheitelt und an der einen Seite zu mehreren Cornrows geflochten. Die andere Seite war toupiert und einige Strähnen standen ab, wie bei mir. Er gab mir lächelnd einen Kuss auf die Wange und fragte auch sofort, „Und, wo ist er, wo ist er?“ Reita entriss mir Ruki spielerisch, um ihn auch zu umarmen, und ich schlang meine Arme lachend um Kais Hals, der mich breit angrinste und mir dann einen freundschaftlichen Kuss auf die Stirn drückte. „Alles klar bei dir?“, fragte mich mein bester Freund leise und streichelte mir stetig über den Rücken, als ich lächelnd nickte und mich ebenfalls nach seinem Wohlbefinden erkundigte. „Könnte nicht besser sein“, gestand er grinsend und bändigte dann Ruki, der wie ein glitzernder Hüpfball um uns herumsprang und wissen wollte, wo meine Mutter und ihr “Macker“ war. „Guten Abend, die werten Herren!“, drang Keisukes heitere Stimme zu uns herüber und Reita rollte verächtlich mit den Augen. Ok, bis jetzt konnte er Keisuke also nicht leiden, war ja unschwer zu erkennen. Wer mir aber viel mehr auf den Nerv ging, war dieser Sui. Wer hatte den überhaupt eingeladen?! Er stellte sich bei jedem lächelnd und händeschüttelnd vor und blieb zuletzt an Toshiya hängen, dessen Tucken-Radar anscheinend Alarm schlug. Ich wusste ganz genau, gegen unseren Toshiya hatte Sui nicht die geringste Chance. Die Stimme, mit der Sui sprach, war zuckersüß, doch seine Augen strahlten reinste Arroganz aus. Da war wohl jemand eifersüchtig! „Ach, Toshiya also? Das ist aber ein komischer Name. Ich wusste gar nicht, dass so ein Name überhaupt existiert!“, sagte er überheblich, nachdem er die schlanke Hand Toshiyas losgelassen hatte, und dieser konterte überaus höflich, „Anscheinend bin ich nicht der Einzige, der einen ungewöhnlichen Namen hat. Immerhin kommt Sui wirklich nicht oft vor! Schon gar nicht bei Männern. Ich habe bisher noch niemanden mit diesem Namen kennengelernt. Aber hey, wenn ich genauer darüber nachdenke.. Gab’s da nicht mal einen Toilettenreiniger, der so hieß?“ „Totchi!“, murrte Aoi seinem Mann leise ins Ohr und zog ihn näher zu sich, woraufhin sich Toshiya natürlich sofort in Szene setzte und sich überaus lasziv an Aoi schmiegte. Er hatte nämlich die prüfenden und vor allem interessierten Blicke gesehen, die Sui unserem Ältesten vorhin noch zugeworfen hatte. Reita und ich lachten uns leise ins Fäustchen und Kai klapste peinlich berührt gegen Rukis Hinterkopf, da der es gewagt hatte, in unverschämtes, lautes Gelächter auszubrechen. Manchmal konnte sich der Kleine einfach nicht kontrollieren, aber genau das war so niedlich an ihm. Er besaß eben keinen Filter. Unser liebstes Plappermaul eben. „Na, das fängt ja schon mal super an. Wie ich sehe, können sich alle im Bunde gut leiden!“, lachte Keisuke und stellte sich dann ebenfalls bei jedem vor. „Ohoho Uruha, der sieht vom nahen ja noch viel leckerer aus! Nami hat wirklich Geschmack!“, zischte mir Ruki grinsend ins Ohr, jaulte dann jedoch, da Kai ihn anscheinend gehört und daraufhin seine Hand als Warnung fest zusammengedrückt hatte. Ich gab leise, „Er ist ehemaliges Model. Verständlich, oder?“, von mir und grinste Ruki vielsagend zu. „Ich würde sagen, wir gehen jetzt rein!“, mischte sich Sui dazu und blies sofort die Wangen auf, als Toshiya graziös mit den Hüften schwingend an ihm vorbeiging und den Brünetten fies angrinste. Der Typ hatte aber auch einen Hintern! Da wurde selbst ich neidisch. „Ich zahle!“, rief Keisuke noch, der meine Mutter diesmal fest an die Hand genommen hatte. Irgendwie sah sie neben dem großen Schönling ziemlich verloren aus, wie ich fand. Ob sie sich nicht wohl fühlte? Ich stellte mich im Gehen schnell neben sie, wobei mir Reita natürlich folgte, und hakte mich bei ihr unter. „Alles in Ordnung, Ma?“, fragte ich sie leise zur Sicherheit und fing Gesprächsfetzen von Keisuke und Ruki auf, die sich miteinander über Keisukes aktuellen Job unterhielten. Es sah einfach urkomisch aus, da Ruki seinen Kopf weit in den Nacken zurücklegen musste, um Keisuke überhaupt ins Gesicht sehen zu können. Meine Mutter lehnte ihren Kopf im Gehen an meine Schulter und bestätigte mir, dass sie sich wohl fühlte und sich auf den gemeinsamen Abend mit uns allen freute. Ich nickte, wich jedoch nicht von ihrer Seite. Immerhin hatte ich mir ja auch vorgenommen, heute Abend auf sie aufzupassen, wie ein gut erzogener Sohn das nun mal tat. Als wir das Gebäude halb umrundeten, blieb mir die Spucke weg. Ok, wie lange mussten wir an dieser 100-Meter Warteschlange anstehen, um in den Club zu gelangen?! Das würde ja ewig dauern! „Sui? Dein Einsatz, würde ich meinen!“, grinste Keisuke nur verschwörerisch und der Angesprochene zwinkerte kokett und schwebte Hüfte schwingend voran, direkt an der langen Warteschlange vorbei, in der zum Großteil männliche Teilnehmer standen und uns empört anstierten, da wir uns gerade offensichtlich vordrängelten. Der größte Teil von den Kerlen sah wirklich zum Anbeißen aus! So viele schöne Menschen auf einem Haufen hatte ich noch nie gesehen. Anscheinend hatte Reita meine musternden Blicke bemerkt, denn er kräuselte die Nase und hob eine dünne Augenbraue, um mir einen tödlichen Blitz zu schicken. Ich zuckte zusammen und sah dann brav nach vorne, mir das Grinsen gerade noch so verkneifend, während Sui gerade dabei war, einen der Kleiderschränke am Eingang, auch Türsteher genannt, zu bezirzen. Entweder, die beiden kannten sich sehr gut, oder das zwei Meter große Monster ließ sich leicht um den Finger wickeln. Ich konnte mitbeobachten, wie der beste Freund Keisukes verspielt von einem auf das andere Bein trat, die Hände beim Gespräch erst in die Hüften stemmte und sie dann aufreizend am Oberkörper des Türstehers hinaufwandern ließ. Doch als Sui sich leicht auf die Zehenspitzen stellte, um dem Muskelprotz grinsend einen Kuss auf den Mundwinkel zu drücken, war mir klar, dass die sich irgendwie kennen mussten. Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, dass man so mit Fremden umging. „Ui, da hat sich wohl jemand bekannt gebumst!“, trällerte Toshiya gedämpft, so dass nur wir ihn hören konnten. Wir fingen amüsiert an zu lachen, was meine Mutter und Keisuke recht irritierte. Sui winkte uns in dem Moment grinsend zu sich rüber und wir folgten ihm in den Club hinein. Na, immerhin wurde uns die Wartezeit erspart. Sofort schlug mir unangenehm stickige Hitze, gemischt mit Zigarettenrauch, Aftershave und Schweiß entgegen und ich hielt mich an Reita fest, der zusätzlich einen Arm um meine Hüfte schlang, damit ich nicht verloren ging. Unsere Eintritte waren auch schnell bezahlt. Keisuke war mal wieder spendabel gewesen und hatte uns allen zur Feier des Tages den Eintritt ausgegeben. Er ließ uns an sich vorbeiziehen und wir folgten Suis schlanker Figur, die uns durch einen engen Türbogen führte, auf dessen anderer Seite sofort eine enorme Tanzfläche zu sehen war. Ich schob die Perlenketten aus meinem Gesicht, die an der Decke hinabbaumelten und blinzelte mehrmals, da ich wegen den zuckenden Lasern und der Nebelmaschine, die dichte Schwaden in den Bereich pustete, zuerst nicht viel erkannte. Überall blitzten helle Stroboskoplichter, sodass mir kurzzeitig schwindelig wurde und ich mich fester an Reita krallte, der mich sofort ob dieser Aktion besorgt ansah. Der Bass dröhnte so stark in meinen Ohren, dass ich mich selbst nicht mehr hören konnte und die Klänge sich in meinem Magen zu sammeln schienen. Fasziniert starrte ich auf die halbnackten, schweißnassen Körper hinunter, die sich unten auf der Tanzfläche aneinanderschmiegten, rieben und herumhopsten. Beim genaueren Hinsehen konnte ich erkennen, dass es bei vielen dort unten nicht gerade jugendfrei zuging. Meine Mutter lachte hinter mir verzückt und aufgeregt, was ich seltsamerweise hören konnte. Ich drehte mich schnell herum und grinste, als ich meine Mutter sah, die völlig aus dem Häuschen zu sein schien. Mit vor der Brust zusammengefalteten Händen schaute sie aufgekratzt von links nach rechts, hatte dabei den Mund fasziniert geöffnet. Jetzt, wo ich darüber nachdachte, wurde mir klar, dass es ewig lange her sein musste, dass meine Mutter zum Tanzen ausgegangen war. Ich freute mich für sie, und noch schöner war die Tatsache, dass wir das zusammen erleben konnten. Sui winkte uns mit sich und führte uns die breiten, leuchtenden Treppenstufen hinunter, die zur großen Tanzfläche führten. Ich merkte, wie ich in der dichten Menge der tanzenden Meute leicht hin- und hergeschoben wurde. Sui ging voran, dicht gefolgt von Aoi, Toshiya, Kai und Ruki. Ich hielt mich weiterhin an Reita fest und hinter uns bildeten Keisuke und meine Mutter den Schluss der Gruppe. Ich war gerade dabei, mich ein wenig zu entspannen und das Herumgeschubse nicht so eng zu sehen, als ich plötzlich unangenehme Hitze in mir aufsteigen spürte und einen verzerrten Laut des Ekels von mir gab. Irgendjemand hatte mir an den Hintern gefasst, und als wäre das nicht schon zu viel gewesen, hatte dieser Jemand auch noch kräftig zugedrückt und meinen Hintern kurz und knapp geknetet. Panisch drehte ich den Kopf blitzschnell im Gehen herum, sah aber nur Keisuke dicht hinter mir, der lächelnd zu meiner Mutter runter sah, während sie aufgeregt durch die Lautstärke hindurch mit ihm zu reden versuchte. Er hätte doch irgendetwas merken müssen! Niemals hätte sich jemand zwischen uns stellen und das durchziehen können, ohne dabei bemerkt zu werden. Meine Fresse, ich war nicht mal fünf Minuten hier und musste mich schon von Fremden begrapschen lassen! Reita fiel meine Versteifung natürlich sofort auf, und er neigte sich nahe an mein Ohr und fragte besorgt, „Hey, was ist los?“ Ich zwang mich zu einem Lächeln, schüttelte dann den Kopf und zog ihn bestimmend mit mir. Er sollte sich nicht unnötig Gedanken machen. Sonst würde er gleich wieder ausrasten. Ich mochte nicht von irgendjemandem Fremden angefasst werden.. „So!“, machte Sui selbstzufrieden und drehte sich einmal im Kreis, während er ausladend die Arme von sich streckte. Er hatte uns in eine Art VIP-Nische geführt, die in sanften Rot-Tönen gehalten war. An den Wänden waren Leuchtstoffröhren angebracht, sodass alles einmal mehr schwummrig wirkte. Wieso mussten diese Clubs immer derart an irgendein Porno-Set erinnern? „Wow, Sui. Als du gemeint hast, dass du uns einen VIP-Bereich reservieren würdest, hatte ich nicht erwartet, dass du so etwas meinst!“, sprach Keisuke beeindruckt und wir konnten ihn alle problemlos verstehen, da die gläsernen Wände hier anscheinend die Laute, die außerhalb dieses Raumes erzeugt wurden, abprallen ließen. Schallgedämpfte Privaträume. So, so. Ich konnte von hier aus problemlos auf die Tanzfläche blicken. Hier gefiel es mir! Meine Freunde und auch meine Mutter entledigten sich sofort ihrer Jacken und ließen sich alle auf den samtenen Sofas und Sesseln nieder. „Da kannst du mal sehen, was ich nicht alles für meinen besten Freund mache. Es war nicht gerade leicht, diese Nische zu ergattern! Der Club wurde gleich in den ersten Stunden mit Reservierungen bombardiert“, schmollte Sui mit vorgeschobener Unterlippe und grinste zufrieden, als Keisuke ihm lachend knapp durch die langen Haare wuschelte und ihm erneut dankte. Das war anscheinend seine Angewohnheit, Leuten ungefragt durch das gestylte Haar zu grabbeln. „Ich musste dafür mehrmals die Beine breit machen. Das war total anstrengend!“, flüsterte Toshiya mit verstellter Stimme in unsere Richtung, was uns an diesem Abend einmal mehr aufglucksen ließ. Gut nur, dass der Betroffene das nicht gehört hatte. „So Leute, ich würde sagen, die erste Runde geht auf mich! Wer möchte etwas trinken?“, meldete sich dann Keisuke großzügig zu Wort und wurde sofort von Aoi, Toshiya und Ruki mit Bestellungen bombardiert. Meine Mutter, Kai, Reita und ich hielten uns derweil noch zurück. Und eigentlich wollte ich auch nicht, dass Reita trank. Denn immerhin musste er morgen ebenfalls arbeiten. Ich setzte mich zu meiner Mutter und Reita drängte sich sofort neben mich und legte einen Arm über die Rückenlehne, sodass er mich halb umarmte. „Ich versuch’s mir zu merken. Und ihr?“ Keisuke sah uns fragend an und Reita meinte trocken, „Ich nehm’ nur ein Bier, danke.“ Kai bestellte sich denselben Cocktail wie Ruki und auch meine Mutter bestellte irgendetwas Alkoholisches, was ich nicht wirklich guthieß. Der Gedanke bekam mir nicht wirklich. „Und du, Kouyou?“, wollte Keisuke lächelnd wissen. Ich senkte leicht den Kopf und murmelte, „Ich trinke keinen Alkohol. Also.. Vielleicht eine Cola?“ Im nächsten Augenblick wäre ich Sui gerne mit aller Kraft an die Gurgel gesprungen, der gerade, mich offensichtlich auslachend, seine knappe Jacke ausgezogen hatte und uns somit seinen halben, nackten Oberkörper präsentierte. Und ich hatte gedacht, der Ausschnitt meiner Mutter sei gefährlich! Sein Ausschnitt reichte ihm bis zum Bauchnabel, und ich konnte von hier aus den rot funkelnden Kristall seines Bauchnabelpiercings sehen. Da hätte er das kleine bisschen Stoff doch gleich weglassen können, oder? „Ist ja niedlich. Du trinkst also nichts?“, hatte er gesäuselt und sah mich jetzt von oben herab an, eine Hand in die Hüfte gestemmt. Ich wette, wenn ich dem Typen einen Tritt verpassen würde, wäre er nicht mehr so gehässig. Es gab einen triftigen Grund, wieso ich dieses Teufelsgebräu nicht anfasste. Sollte ihn jedoch nicht kümmern. Meine Freunde wussten, wieso ich mich davon fernhielt. „Die haben hier auch alkoholfreie Cocktails, keine Sorge. Wenn du möchtest, such’ ich dir einen richtig leckeren raus!“, sprach er jetzt weiter, wirkte aber sofort beleidigt, als Keisuke sich in das Gespräch einmischte und lachend, „Das überlasse ich lieber nicht dir. Bei dir kann man echt nicht wissen!“, aussagte. Dann verabschiedete er sich schnell von uns und nahm Sui mit, da er Hilfe beim Getränke tragen brauchte. Toshiya war der Erste, der irgendetwas von sich gab. Er lachte herzhaft. Und wie herzhaft er lachte. Meine Mutter sah den Schwarzhaarigen nur fragend an, doch wir anderen grinsten, da wir wussten, wieso er sich gerade so köstlich amüsierte. „Also, es mag ja durchaus sein, dass ich falsch über diesen Sui urteile, aber-“ Toshiya unterbrach sofort, da er meine Mutter anscheinend doch noch wahrgenommen hatte, die ihn jetzt schmollend anblinzelte, und räusperte sich nur. „Also, Keisuke scheint mir bis jetzt ein ganz Netter zu sein, Nami. Ich find’s toll, dass ihr einander gefunden habt!“, sagte Ruki mit schief gelegtem Kopf und lächelte sofort breit, als meine Mutter sich glücklich bei ihm bedankte und ihm einen Kuss auf die Wange gab. „Es ist doch sicher etwas Ernstes?“, stellte Kai eher fest, als dass er fragte, und meine Mutter nickte sofort heftig. Da hielt ich mich wohl lieber raus. Während meine Freunde sich mit meiner Mutter über Keisuke unterhielten, Sui dabei bedacht nicht erwähnten, lehnte ich meinen Kopf gegen Reitas Schulter, der mit meinem etwas längeren Nackenhaar spielte und dabei meine Gesichtszüge verträumt musterte. „Ich mag diesen Pfui-Sui nicht“, murmelte er mir ins Ohr, gluckste gemeinsam mit mir auf und nickte zufrieden, als ich seine Aussage zweifelsohne bestätigte. „Aber es geht ja nicht um ihn, sondern um Keisuke. Scheiß auf den Typen. Was interessiert uns der schon“, murmelte ich und küsste kurz seinen hellen Hals, der sich mir gerade so verführerisch anbot. Ich verspürte plötzlich die dringende Lust, aufzustehen und mit Reita zu tanzen. Die poppigen Klänge, die mit Elektromusik unterlegt waren und gedämpft zu uns in den Raum herüberdrangen, ließen mein Herz rhythmisch mitschlagen und meine Sinne schärfen. Es kam mir so vor, als könnte ich Reitas Duft mit einem Mal intensiver riechen und seine Wärme durchdringender an meinem eigenen Körper spüren. Und ganz plötzlich erregte mich die gesamte Situation so sehr, dass ich leichte Panik bekam. So war ich doch sonst nicht! „Rei!“, hauchte ich fest in sein Ohr und erlangte seine ganze Aufmerksamkeit. „Was ist los, Baby?“, fragte er leise und grinste überaus breit und verzückt, als ich beinahe flehend, „Ich glaub’ ich werd’ geil“, flüsterte und ihn dementsprechend aus großen, glänzenden Augen ansah. „Beruhig dich mal, sonst bist du doch auch nicht so“, nuschelte er in mein Ohr, aber ich konnte hören, dass er es ziemlich amüsant fand. Ich fand das aber nicht so lustig! Ich wusste nicht, was in mich gefahren war, denn ich konnte mich plötzlich nicht beherrschen. Ich überrumpelte Reita und setzte mich halb auf seinen Schoß, um ihn verlangend zu küssen. Und natürlich ging er direkt darauf ein, da er sowieso liebend gerne seine Umgebung provozierte, egal, wer nun dabei war. Er zog mich gänzlich rittlings auf seinen Schoß, sank tiefer in das Sofa, um immer wieder unauffällig mit seinem Becken hochzucken zu können, und legte seine Hände besitzergreifend auf meinen Hintern, um mich während unseres Kusses fest an sich zu drücken. Ehe ich wirklich realisierte, was wir hier eigentlich taten, plärrte plötzlich eine unerträglich süß klingende Stimme, „Na, na, was ist denn hier los? Haben die Kleinen etwa ohne mich Spaß?“, durch den Raum und ich entnahm daraus, dass es Sui war. Anscheinend waren er und Keisuke mit all unseren Getränken zurückgekehrt, ohne dass ich es bemerkt hatte. Ich riss mich schnell von Reita los, der sich nur verzückt über die Lippen lecken und mich aus verengten Augen anstarren konnte, und entschuldigte mich kleinlaut in der Runde, ehe ich mich wieder anständig hinsetzte und meine Hände nervös in meinem Schoß knetete. Meine Freunde sahen mich alle mit offenstehendem Mund an, und selbst meine Mutter hatte wegen unserem vorherigen Anblick rote Wangen bekommen und wirkte überaus peinlich berührt. Ok, was hatte ich mir gerade dabei gedacht?! Sonst war ich doch immer so bedacht darauf, meine Mutter so etwas nicht sehen zu lassen! Einzig Sui schien deswegen amüsiert und Keisuke ließ sich gar nicht erst davon aus der Fassung bringen. Gott, wie peinlich. „Also, zweimal Red Kiss für euch beide!“, sagte Keisuke und reichte Kai und Ruki zwei Cocktailgläser mit einem rötlichen Inhalt, worauf die sich höflich bedankten und direkt daran nippten. „Dann der Asian Dream für die bezaubernde Schönheit hier!“, zwinkerte Keisuke Toshiya charmant grinsend zu, der ein anzügliches Lächeln zeigte und sich mit einem leichten Nicken bedankte, ehe er nach dem Glas griff und den Strohhalm zwischen seine Lippen führte. Sui hatte bei der Anmerkung leise geschnaubt, das hatte selbst ich gehört. Während Keisuke weiterhin die Getränke verteilte, kam Sui mit einem etwas kürzeren Glas in der Hand, dessen Rand mit einer Ananas verziert war, zu Reita und mir rüber und quetschte sich entschuldigend zwischen meine Mutter und mich, was meinem blonden Schatz so gar nicht gefiel. „Hier, der ist für dich, mein Kleiner!“, schnurrte mir Sui beinahe anzüglich ins Ohr und hielt mir das Glas unter die Nase, welches ich misstrauisch musterte. Kleiner? Der war doch genauso groß wie ich. Vollidiot. „Und was ist das?“, fragte ich irritiert und verzog sofort verdattert das Gesicht, als er verführerisch, „Bambi“, hauchte, mich aus halbgeschlossenen Augen anblinzelte und dabei schief grinste. „Hä?“, machte ich genauso intelligent, wie es Reita manchmal tat, und wurde dann von dem Brünetten belustigt aufgeklärt. „Der Cocktail heißt so. Keine Sorge, der ist alkoholfrei. Da sind Kokosnusssirup und ein wenig Bananen- und Himbeersaft drin. Außerdem wurden Sahne und ein wenig pürierte Melone hinzugefügt. Glaub mir, das schmeckt unglaublich lecker! Ich nehme den auch mal gerne, wenn ich keine Lust auf Alkohol habe!“, versicherte er mir und stand wieder auf, um zurück an den niedrigen Tisch zu gehen, jedoch nicht ohne dabei aufreizend mit dem runden Hintern zu wackeln, und sich seinen eigenen Drink zu schnappen, der beinahe giftgrün leuchtete. Gerade als ich das Glas an die Lippen setzen wollte, riss mir Reita das Besagte beinahe aus der Hand, schnupperte misstrauisch dran und nahm dann selbst einen kleinen, prüfenden Schluck. Ich starrte ihn nur verdattert an, musste dann aber lächeln, als er versucht unberührt, „Ist kein Alkohol drin“, bestätigte und dann seine eigene Flasche an die Lippen führte. Wie gut es sich anfühlte, jemanden aufrichtigen wie ihn an meiner Seite zu haben, der immer auf mich aufpasste und ein Auge auf alles hatte. Ich trank ein wenig von der Pampe und merkte, wie sich mein Gesicht schlagartig erhellte. Das schmeckte ja wirklich super! Suis Lächeln auf der anderen Seite des Raumes entging mir nicht, und aus reiner Höflichkeit erwiderte ich die Geste mit einem gehobenen Glas und zuckendem Mundwinkel. Der Cocktail schmeckte süßlich und klebte angenehm am Gaumen. Genau nach meinem Geschmack. Was würde ich nicht alles dafür geben, um den Geschmack jetzt mit Reita zu teilen. Unsicher sah ich zu den anderen rüber, die Keisuke und meine Mutter gerade förmlich mit Fragen bombardierten. Eigentlich sollte ich dem Gespräch Gehör schenken, denn immerhin ging es hier um meine Mutter und ihren neuen Partner. Aber die waren alle im Moment so schön abgelenkt und ich konnte einfach nicht widerstehen. Ich nahm einen weiteren Schluck von meinem Cocktail, schluckte aber keinen Tropfen runter und packte die Schlaufe von Reitas Nasenband, damit er seinen Kopf zu mir herumdrehte. Sobald er dies getan hatte, legte ich meine Hand in seinen Nacken und zog ihn grob näher zu mir, um ihm unangekündigt die Zunge in den Hals zu schieben und ihn somit an dem süßen Geschmack teilhaben zu lassen. Der Blonde gab nur einen undefinierbaren Laut von sich, krallte seine Finger beinahe schmerzhaft in meinen Oberschenkel und leckte im nächsten Augenblick wie ein Verrückter an meinen Lippen. Was war eigentlich los heute? Sonst war ich doch auch nicht so unverschämt und knutschte wie ein Weltmeister mit meinem Freund herum, während meine Mutter dabei war! Reita interessierte so etwas meist nicht, also war das nichts Außergewöhnliches bei ihm. Erst als ein Johlen zu hören war und ich plötzlich ein Prickeln am ganzen Körper verspürte, welches mir verdeutlichte, dass ich angestarrt wurde, riss ich mich heute schon zum zweiten Mal widerwillig von Reita los, der anscheinend auch langsam in Stimmung kam. Er stierte mich mit durchdringenden, dunklen Augen an und leckte sich wie in Zeitlupe über die gehobenen Mundwinkel. Ich wiederum wischte mir mit dem Handrücken über die Lippen und entschuldigte mich kleinlaut bei den anderen. „Schatz, lass uns tanzen gehen!“, trällerte Toshiya jetzt, um die peinliche Situation zu lockern, erhob sich und strich sich das dünne Oberteil glatt. Dann nahm er Aoi bei der Hand, der ihm bereitwillig und verträumt lächelnd folgte, und verließ die Nische. „Ja, vielleicht sollten wir alle tanzen gehen, damit die beiden hier ein wenig Zeit für sich selbst haben“, scherzte Keisuke lachend, was mich ebenfalls beschämt lächeln ließ. Ruki, der die ganze Zeit aufgeregt herumbrabbelte, riss Kai hinter sich her, der ergeben grinste und sogleich in der tanzenden Meute verschwand. „Nun denn. Ich werde mir jetzt erstmal jemanden zum Tanzen suchen!“, verkündete Sui nonchalant und zwinkerte mir noch einmal zu, ehe auch er hinausging und somit Keisuke, meine Mutter, Reita und ich im Raum zurückblieben. „Ich will auch tanzen“, murmelte ich leise und schreckte auf, als ein heftiger Ruck durch meinen Körper ging und ich somit beinahe meinen Cocktail über mich selbst kippte. „Dann lass uns tanzen, Baby!“, raunte Reita verführerisch und nahm vorher noch einen großen Schluck von seinem Bier. Ich wiederum trank meinen Cocktail übereilig in einem Zug bis auf den letzten Tropfen aus und ließ mich dann von Reita hinter diesem aus dem Raum und auf die Tanzfläche ziehen. Keisuke und meine Mutter folgten natürlich. Trotz der dünnen Weste, die ich trug, wurde mir während des Tanzens unerträglich heiß und meine sowieso schon zu enge Hose klebte nur noch mehr an meinen Beinen, was nicht gerade angenehm war. Ich überspielte das Unwohlsein jedoch, war ich gerade zu sehr in diesem Moment gefangen, den mein Freund und ich miteinander teilten. Ich presste mich fest an Reita, spürte somit, dass auch ihm ziemlich warm war. Ich konnte sogar sehen, dass bereits einige seiner hellen Strähnen feucht an seiner Stirn und seinen Wangen klebten. Und die Götter wussten, wie sehr ich diesen Anblick liebte! Er sah so verdammt sexy aus. Als hätte er gerade wilden Sex hinter sich. Kontinuierlich keuchte er mir heiß ins Ohr, da ihm das Atmen anscheinend genauso schwerfiel wie mir, und machte mich somit beinahe wahnsinnig. Meine Lunge brannte wegen der abgestandenen Luft, die sich, ähnlich wie eine Glut, in meinen Körper drängte und mich von innen zerkochen ließ. Wir klammerten uns fast schon verzweifelt aneinander, wie zwei Ertrinkende auf hoher See, und boten anscheinend einen interessanten Anblick, da sich eine immer größer werdende Menschentraube um uns bildete und uns verzückt beim Tanzen zusah. Wobei man das, was wir hier taten, meiner Meinung nach nicht mehr als nur Tanzen bezeichnen konnte. Außenstehende konnten es zwar nicht ahnen, aber mir selber war bewusst, dass wir beide gerade an Sex dachten. Allein die Art, wie er sich immer wieder hart gegen mich bewegte und meinen Körper somit einnahm, sprach Bände. Und als er mir leise, aber mit deutlicher Erregung in der Stimme, „Du machst mich wahnsinnig, Baby. Genauso bewegst du dich auch im Bett!“, ins Ohr raunte, wurden meine Gedanken von ihm bestätigt und ich lächelte ein wenig. Wir waren nun einmal ein Herz und eine Seele. Ich ließ mich völlig von der schnellen, dröhnenden Musik mitreißen, spürte sogleich Reitas feuchte Zunge an meinem Hals und legte den Kopf weit in den Nacken, um ihm mehr Spielraum zu gewähren und mich ihm devot anzubieten. Mein Blut pulsierte heiß in meinem Körper und machte die Situation für mich so langsam unerträglich. Dass ich beobachtet wurde, merkte ich gar nicht mehr. Nicht weit von uns tanzten meine Mutter und Keisuke, und sie beide schienen ebenfalls äußerst interessiert an unserem Anblick zu sein. Die Traube um uns herum löste sich auch nur mäßig, und einige Schaulustige brüllten sogar irgendetwas, was sich ganz nach, “Ausziehen“, anhörte. Reita, der davon nichts mehr mitbekam, stieß sein Becken immer härter gegen meins, während er sich im Takt der Musik mitbewegte, und biss mir immer wieder kräftig in den Hals, was mich schier wahnsinnig werden ließ. Ich hatte in der Zeit ein Bein fest um Reitas Rücken geschlungen, damit ich nicht umkippte, und ließ mich jetzt hintenüber gleiten, sodass ich nur noch von seinen Händen in meinem Rücken gestützt wurde. Ich wusste nicht, wie ich mich derart gehen lassen konnte, wenn meine Mutter mit ihrem Partner keine zwei Meter von mir entfernt war und so gut wie alles beobachten konnte. Aber ich fühlte mich so frei, wie schon lange nicht mehr. Als hätte man mir jegliche Last von den Schultern genommen. Fühlte sich wunderbar an. Als ich leicht meine Augen öffnete, schlagartig unerwartet schwach, um den Kopf zu heben, sah ich, dass sie jetzt auch ungestört mit Keisuke tanzte und allen Anschein nach ihren Spaß hatte. Und ganz so jugendfrei waren ihre Bewegungen auch nicht, wenn ich das mal erwähnen durfte. Meine Mutter so tanzen zu sehen, machte mich ziemlich verlegen. Das war dann jetzt definitiv etwas, was ich nicht mit ansehen wollte. Ich wollte meine Augen gerade wieder schließen, mich auf Reita konzentrieren und genüsslich aufstöhnen – würde hier ja eh keiner hören – doch konnte ich es nicht, weil ich ganz plötzlich die durchbohrenden Blicke Keisukes bemerkte. Wie gebannt er mich anstarrte.. Seine großen Hände hielten die Hüften meiner Mutter fest vor seiner Körpermitte, die unaufhörlich zur Musik kreisten, doch weiter schien er sie gar nicht wahrzunehmen. Seine schwarzen Augen, so kam es mir in dem Moment vor, leuchteten mir gefährlich entgegen und bohrten sich tief in mein Hirn. Er bewegte sich schlangenartig und rhythmisch an der Kehrseite meiner Mutter, während er den Blickkontakt zwischen uns beiden nicht ein einziges Mal unterbrach. Als ich, überfordert ob der Situation, peinlich berührt versuchte, den Blick abzuwenden, weil ich es als extrem unangenehm empfand, so von ihm angestarrt zu werden, während mein Freund anzügliche Trockenübungen an mir ausführte, schaffte ich es nicht, da Reita sein Gesicht hungrig in meiner Halsbeuge vergraben hatte und an dem warmen Fleisch zu saugen begann. „Rei..“, stöhnte ich überaus erregt, aber auch verwirrt, wandte meine Augen jedoch nicht von dem großen Schwarzhaarigen ab, der plötzlich bedrohlich und breit grinste und es sich auch nicht nehmen ließ, sich lasziv und schleppend über die vollen Lippen zu lecken, sich dabei noch dichter an die Kehrseite meiner Mutter zu schmiegen und mich mit der Aktion wütend zu machen. Der Anblick bekam mir überhaupt nicht. Sie hob daraufhin ihre Arme über den Kopf und schlang sie, soweit es ging, von hinten um seinen Hals und blinzelte zu ihm auf. Und genau da brach der intensive Blickkontakt ab, der sicher einige Minuten zwischen uns angedauert hatte. Ok, was war hier los?! „Rei.. Rei!“, gab ich nun etwas lauter von mir und merkte, wie mir schlagartig immer schwindeliger wurde. Lag sicher an dieser ekelhaften, stickigen Luft, die im Club herrschte, und den Epilepsie auslösenden Stroboskoplichtern. „Rei..“, hauchte ich noch einmal, diesmal schwächer, und er ging anscheinend davon aus, dass ich ihn anstacheln wollte. Wollte ich aber nicht! Mir ging es plötzlich richtig mies und ich wollte so schnell wie möglich von der Tanzfläche runter und an die frische Luft. Ich konnte fühlen, wie sich mein Magen im schnellen Takt der Musik immer wieder zusammenzog und sich wieder entkrampfte. Keine Ahnung, was plötzlich los war. Ich zerrte zuckend an seinem Oberteil und schloss dabei krampfhaft die Augen, um mich nicht zu übergeben. Und endlich merkte er, dass etwas nicht stimmte. Völlig von der Rolle löste er sich leicht von mir, von der vorherigen Erregung plötzlich nichts mehr übriggeblieben, zog mich in eine stehende Position hoch und sah mir besorgt ins Gesicht, befühlte dieses sogleich und zerrte mich dann schnell hinter sich her, weil auch er endlich gemerkt hatte, dass ich hier rausmusste. Doch wurde ich schlagartig aufgehalten, da sich wie aus dem Nichts zwei kräftige Arme von hinten um meine Hüfte gelegt hatten und ich mit Nachdruck an einen extrem muskulösen Körper in meinem Rücken gezogen wurde. Oh Gott, was war hier nur los? Reita strauchelte wegen dem Widerstand verwundert einige Schritte zurück, da er meine Hand reflexartig nicht losgelassen hatte, und drehte sich verwirrt herum. Ich sah noch gerade so mit einem Schrecken, wie sich sein wunderschönes Gesicht plötzlich in eine wutverzerrte Fratze verwandelte, die jedem Angst einjagen würde, und er auch schon gezielt an mir vorbei mit voller Wucht und der geballten Faust in das Gesicht des Unbekannten hinter mir schlug. Dieser sah es anscheinend nicht für nötig an, mich loszulassen, denn als er heftig zu Boden ging, zerrte er mich mit sich und hielt mich noch immer fest, und ich merkte, wie mir dadurch nur noch schlechter wurde, da der Typ mir mit dem klammernden Griff den Magen quetschte. Er riss mich mit sich runter, jedoch landete ich im Gegensatz zu ihm nicht so hart auf dem Boden. Stöhnend, weil ich schreckliche Magenkrämpfe und Schweißausbrüche durchlitt, wand ich mich kraftlos über dem harten Körper hin und her und hörte diesen ekligen Typen unter mir auch noch verzückt stöhnen. Anscheinend gefiel es ihm, was ich hier veranstaltete. Vielleicht stöhnte er aber auch vor Schmerz. Mal sehen, ob es ihm auch gefiel, wenn ich ihn gleich von oben bis unten vollkotzte! Ich war wirklich kurz davor, zu würgen. Reita, der vor Wut überschäumte, riss mich von dem dreisten Typen los und zurück auf die Beine und trat dann immer wieder schwungvoll nach diesem, während er mich gleichzeitig beschützend an sich presste. Die Leute, die um uns herumstanden, fingen an, umherzuraunen, und einige hielten Reita sogar schwerfällig fest, der unfreiwillig von mir abgelassen hatte, aber noch immer wie wildgeworden nach dem Kerl zu treten und greifen versuchte, während er sich die Seele aus dem Leib brüllte. Ich konnte jedoch nicht ausmachen, was er da schrie. Ich hatte einfach nur Schwierigkeiten, überhaupt gerade zu stehen. Im nächsten Augenblick kamen Keisuke und meine Mutter mit besorgten Gesichtern auf uns zu gerannt. Meine Mutter nahm mich sofort in den Arm und ich heulte ihr ins Ohr, dass mir extrem schlecht war und ich hier raus wollte. „Shh Schatz, ich bin ja da!“, flüsterte sie mir beruhigend ins Ohr. Keisuke wiederum kümmerte sich um Reita, der noch immer wie wild um sich schlug und somit auch Keisuke einige Kinnhiebe verpasste. Dieser ließ sich jedoch nicht davon beirren und winkte meine Mutter hastig hinter sich her. Dann hielt er Reita grob und mit ungeahnter Kraft an den Armen fest und dirigierte diesen vor sich her aus dem Club, als wäre mein Freund ein kleines Kind. Sicher würde es gleich Stress mit einigen dieser Schränke geben. Ob Keisuke sich wohl deswegen zurückzog? Der Abend endete in einem einzigen Chaos. Während ich mit meiner Mutter auf dem Parkplatz stand und sie mir besorgt die Haare aus dem Gesicht hielt, weil ich mir die Seele aus dem Leib kotzte, wieso, das konnte ich mir in dem Moment selbst nicht erklären, schrie Reita Keisuke aus voller Lunge an, weil dieser ihn daran gehindert hatte, dem Typen in der Disco eine gehörige Abreibung zu verpassen. „Akira, hey, beruhige dich doch bitte. Der Kerl hat doch schon am Boden gelegen! Mehr hättest du nicht tun können. Du willst doch keine Schwierigkeiten mit so jemandem haben, oder?“, redete Keisuke mit gehobenen Händen beruhigend auf meinen Freund ein, aber der schrie aufgebracht, „Ach, fick dich doch! Der hat Kouyou einfach nicht loslassen wollen, obwohl’s ihm scheiße ging! Was laberst du mich hier jetzt eigentlich von der Seite voll?! Verpiss dich!“, und drehte sich keifend vom Größeren weg, um mit einer Hand verzweifelt in sein eigenes Haar zu greifen. Keisuke rieb sich mit beiden Händen über die Schläfen, während Reita nach herumliegenden Steinen trat, um somit seiner Wut Luft zu machen. „Hör zu, Fluchen hilft da nun wirklich nicht. Hör auf, dich so zu verhalten. Das ist niveaulos und nicht deinem Alter entsprechend.“, sprach Keisuke jetzt schnarrend und machte Reita somit nur noch rasender. „Alter, sprech’ ich Thai oder was?! Du sollst die Fresse halten!“, brüllte er den Größeren mit geballten Fäusten an, und erst, als meine Mutter mit unterdrückten Tränen und einem hörbaren Kloß im Hals rief, dass sie beide sofort die Klappe halten sollen, wurde es ganz still um uns herum und nur noch mein angestrengtes Würgen war über den gesamten Parkplatz zu hören. Leise auf mich einflüsternd streichelte sie meinen Rücken und ich wischte mir nebenbei die Tränen mit meinem Handrücken von den Wangen. Ich heulte, weil erstens, der Abend einfach beschissen und viel zu früh geendet hatte, zweitens, weil es irgendwie meine Schuld gewesen war, dass mich dieser Kerl da drin betatscht hatte, drittens, weil Reita sich sicher nicht mehr drauf einlassen würde, Keisuke besser kennen zu lernen und viertens, weil mir vom Kotzen automatisch Tränen in die Augen traten. Es war alles scheiße, ich wollte nur noch nach Hause! Reita, der sich soweit wieder gefangen hatte, dass er nicht sofort explodierte, wenn man ihn ansprach, kam nun auch aufgelöst auf mich zu und übernahm die Situation, während meine Mutter nach Keisukes Autoschlüssel verlangte und aus dem Inneren des Wagens eine Wasserflasche entwendete. Schnell kam sie damit zu mir, hatte sich vorher noch ein Taschentuch geschnappt, und wischte mir damit vorsorglich über den Mund, ehe sie mir die Flasche an die Lippen hielt und, „Hier Schatz, spül deinen Mund gründlich aus, ja?“, flüsterte und dann mit großen, kreisenden Bewegungen über meinen Rücken streichelte. Ich tat wie mir geheißen und spuckte das Wasser sofort wieder aus, direkt auf die kleine Grünfläche vor mir, auf der ich bis eben noch meine letzte Mahlzeit hinterlassen hatte. Als ich diesen ekelhaften Geschmack nach Magensäften nicht mehr so deutlich schmeckte, nahm ich gierig weitere Züge aus der Flasche und merkte, wie mir die kühle Flüssigkeit und auch die frische Luft guttat. Ich konnte spüren, wie sich sämtliche Muskeln in meinem Körper immer wieder in unregelmäßigen Abständen zusammenkrampften, als wäre ich eine lange Strecke gelaufen und hätte somit meinen Körper übermüdet. Alles in mir schien zu pochen und zu glühen. Reita hielt indessen meine Hand und streichelte meinen Handrücken mit seinem Daumen. Wieso nur war mir so schwindelig? Meine Sicht schien schon beinahe verschleiert, als würde ich schielen. „Da seid ihr ja endlich!“, rief Keisuke plötzlich erleichtert und übertönte das Wummern der lauten Musik kurzzeitig, die noch immer im Inneren des Gebäudes ertönte. Ich wünschte, ich wäre nie hierhergekommen.. So hatte ich mir den Abend definitiv nicht vorgestellt. Sui hielt die Jacken von Keisuke, meiner Ma, Reita und mir in den Armen und rannte allen voraus panisch auf uns zu. Er wirkte besorgt, und als er mein blasses Gesicht sah, übergab er die Jacken in einer hektischen Bewegung an Keisuke weiter, kam eilig auf mich zu und nahm dieses in beide Hände, um mein Gesicht prüfend im Schein der Straßenlaterne hin- und herzudrehen. „Kouyou, geht’s dir wieder besser? Hast du irgendwelche Schmerzen?“, fragte der Ältere vorsorglich – Sui war Arzthelfer, wie mir vorher mitgeteilt worden war - gab jedoch nichts von sich und hielt lieber den Mund, als Reita ihn gereizt von mir wegstieß und, „Ja, die frische Luft hat ihm gutgetan!“, zischte und mich dabei fester an sich drückte. „Schatz, bitte!“, stöhnte ich deswegen heiser, weil ich mir so eingeengt vorkam. Er ließ sofort etwas locker, hatte mich aber dennoch im Arm. Meine Freunde redeten alle sofort wild durcheinander, besorgt ob der Situation, und Reita redete sich direkt wieder in Rage. Er machte eine bedeutungsschwangere Pause und blickte Keisuke zornig an, als er fertig erzählt hatte. Der Ältere beachtete ihn jedoch nicht weiter und nahm meine Mutter kurz in den Arm, da diese anscheinend kurz davor war, in Tränen auszubrechen, und streichelte beruhigend über ihren Rücken, während er ihr etwas zu murmelte. Toshiya, der mich mitleidig anblinzelte, streichelte leicht meine Wange, befühlte meine klamme Stirn und flüsterte, „Mein armes Baby. Wir sollten dich schnell nach Hause bringen, damit du dich ins Bett legen und ausruhen kannst“, und ich nickte nur und biss die Zähne fest zusammen. Die Tatsache, dass ich alles und jeden um mich herum doppelt sah, brachte meinen Magen wieder durcheinander. Ich brauchte jetzt wirklich mein Bett, hatte ich immerhin Schwierigkeiten, zu stehen. Mir war nämlich immer noch schwindlig, aber woher das kam, konnte ich mir wirklich nicht erklären. So etwas passierte mir zum ersten Mal. Schwach lehnte ich mich gegen Reita, der bestimmend auf Aoi zuging und ihn darum bat, uns mitzunehmen. „Ich steig’ sicher nicht noch mal bei dem ein!“, knurrte Reita gereizt und schickte Keisuke noch einen letzten, tödlichen Blick über die Schulter. Aoi nickte verständnisvoll, und die anderen verabschiedeten sich noch schnell von meiner Mutter, Keisuke und Sui, damit es nicht zu unhöflich wurde. Obwohl Reita dafür gesorgt hatte, dass alles andere als ein guter Eindruck zurückblieb. Meine Mutter sah uns noch hilflos und mit zitternder Unterlippe hinterher, doch Toshiya beruhigte sie, zog sie in eine innige Umarmung, und sie nickte ergeben, bevor sie gemeinsam mit Sui und Keisuke in dessen Mercedes stieg. Wir wiederum folgten Aoi, der seinen schwarzen Lancer vom Weiten entriegelte und Kai und Ruki zuerst hinten einstiegen. Mein bester Freund nahm den Kleineren zuvorkommend auf den Schoß und ich setzte mich mit Reita neben die beiden. Plötzlich kam mir das alles so vertraut und gewohnt vor. Zu unseren Schulzeiten hatten wir hier auch immer so gesessen, weil sonst nicht genug Platz für uns auf der Rückbank gewesen wäre. Ich lächelte abwesend und hörte es in meinen Ohren rauschen, als würde ich am Strand liegen und den tosenden Wellen dabei zusehen, wie sie aufeinanderprallten. Was für ein schöner, beruhigender Gedanke. Reita flüsterte leise auf mich ein und tätschelte andauernd meine klamme Stirn. Ich wiederum gab nichts von mir, ließ mich einfach von ihm halten und merkte nicht, wie Aoi den Wagen schon bald vor unserer Haustür hielt. Auch der Mercedes stand schon vor der Tür, Keisuke war uns anscheinend gefolgt. Meine Mutter, die vor dem Vorgartentor gewartet hatte, half Reita dabei, mich aus dem Wagen zu hieven, da ich mich wie ein Sack Kartoffeln hängen ließ und dadurch nur unnötig schwer wurde. Mein gesamter Körper fühlte sich so an, als gehörte er nicht mir. Als wäre ich ferngesteuert, nur dass die Funktion komplett ausblieb. Meine Mutter schloss die Haustür auf und brachte mich gemeinsam mit Reita in mein Zimmer, wo sie mich dann allein ließ und der Blonde dafür sorgte, dass ich meine Schlafsachen anzog. Er half mir dabei und legte mich dann bequem ins Bett, kniete sich daneben und sah mir prüfend ins zuckende Gesicht. „Du bist ganz blass..“, hauchte er und klang irgendwie aufgelöst. Ich versuchte es mit einem Lächeln, aber meine unruhig zuckenden Muskeln gehorchten mir nicht. Also schloss ich die Augen und verdrängte das immer noch bestehende Schwindelgefühl. Dass meine Mutter meine Freunde und Keisuke vor der Haustür verabschiedete, wusste ich nicht. War mir im Moment auch egal. Leise seufzend drehte ich mich komplett auf die Seite und atmete immer ruhiger, bis ich in einen traumlosen Schlaf fiel und nicht merkte, dass sich Reita erst eine halbe Stunde später auf den Weg nach Hause machte. Meine Mutter blieb in der Nacht bei mir, nur für den Fall. Kapitel 10: ~10~ ---------------- Ich hörte ein leises Rascheln neben mir, was tausendfach in meinen Ohren widerhallte, und das viel lauter, als es eigentlich war. Stöhnend legte ich mir beide Hände auf die Augen, stieß dabei aber mit dem Ellenbogen versehentlich gegen etwas Weiches, was neben mir lag und sich leicht bewegte, womit wir wieder beim Rascheln waren. Ich öffnete zaghaft ein Auge, blinzelte durch das verdunkelte Zimmer, Jalousie sei Dank, und sah den gelockten Schopf meiner Mutter neben mir, welcher unter der Decke hervorragte. Ich richtete mich vorsichtig auf, bedachte meine Bewegungen, da jede einzelne Faser in meinem Körper unangenehm zuckte, wenn ich mich regte. Mich auf die Unterarme stützend sah ich auf meine Mutter hinab, die sich erneut bewegte, sich dann herumdrehte und mit ihren dunklen Augen zu mir aufsah. Wieso war sie hier? „Du bist wach. Ist alles gut?“, krächzte sie mit heiserer Stimme. Anscheinend hatte sie gestern Abend im Club zu viel geschrien, damit man sie überhaupt hören konnte, und jetzt war ihre Stimme so gut wie futsch. Gestern Abend.. Wenn ich daran dachte, wurde mir wieder schlecht. Jedoch hatte ich das Gefühl, als hätte ich einen Filmriss. Was genau war passiert? Ich schloss die Augen, ließ den Kopf unbedacht in den Nacken kippen und merkte sofort, dass das keine gute Idee gewesen war. Schmerzerfüllt aufstöhnend nahm ich die heftigen Schmerzen in meinem Schädel wahr, die sofort auftraten und dafür sorgten, dass ich die Brauen zusammenzog und mir den Kopf hielt. Meine Schläfen pochten unangenehm und mein Herz schien in unregelmäßigen Abständen zu schlagen. „Mehr oder weniger“, flüsterte ich und ließ mich angeschlagen zurück auf den Rücken gleiten. Doch gleich darauf fuhr ich sofort wieder hoch, was mich erneute Schmerzen kostete, und starrte entsetzt meinen Wecker an, der mir zehn Uhr in der Früh anzeigte. Ich hätte schon vor Stunden auf der Arbeit sein müssen! „Verdammt, ich bin zu spät!“, jaulte ich und kämpfte mich trotz Widerwillen aus meinem Bett, schaffte es jedoch nicht ganz, weil ich gefühlt verlernt hatte, mich zu bewegen. Meine Mutter hielt mich am Arm zurück und sagte leise, „Leg dich wieder hin, Schatz. Es ist in Ordnung!“ Ich befolgte einfach was sie sagte und sah ihr im Liegen ins Gesicht. „Aber ich kann doch nicht einfach zu Hause bleiben“, wandte ich trotz dessen leise ein und war ihr sofort dankbar, als sie mir erklärte, dass sie längst im Salon angerufen und mich entschuldigt hatte. „Ich mach’ dir gleich Frühstück. Dann isst du erst einmal was und danach fahren wir zum Arzt, ja?“ „Zum Arzt?“, wiederholte ich stutzend, überlegte dann jedoch und nickte ergeben. Ich wusste zwar nicht, was mir der Arztbesuch bringen sollte, aber ich wollte mich nicht gegen den Willen meiner Mutter stellen. Zumal das vielleicht gar keine so schlechte Idee war, fühlte ich mich immerhin immer noch fiebrig und kraftlos. Einige Minuten schmiegte sie sich noch an mich und ich spielte abwesend mit ihrem Haar, nahm den Duft von Zigarettenrauch und Haarspray wahr, der von ihren Haaren ausging. Dadurch wurde mir wieder schlecht. Sie löste sich eine kurze Zeit später von mir los und erhob sich, um aus meinem Zimmer zu tapsen und mir Frühstück zu machen. Sie hatte in der Nacht anscheinend nicht einmal Zeit gehabt, sich umzuziehen, denn sie trug noch immer die Klamotten von gestern. Die Tür fiel leise ins Schloss und ich streckte alle Viere von mir. Ich wusste zwar nicht, wie es sich anfühlte, wenn man zu viel getrunken hatte und am nächsten Morgen verkatert wieder aufwachte, aber ich konnte wetten, dass meine Situation gerade passte. Ich fühlte mich wortwörtlich beschissen, und das obwohl ich nichts getrunken hatte, was auch nur annähernd hochprozentig gewesen war. Kurz stockte ich in meinen eigenen Gedankengängen. Ja.. Ich hatte nichts getrunken, bis auf diesen einen.. „Bambi?!“, blubberte es aus mir heraus, worauf ich mich an meinem eigenen Speichel verschluckte und hustete. Ich röchelte kurz und setzte mich auf, damit ich wieder genug Luft bekam. Mir fest vornehmend, gleich im Internet nach diesem Cocktail zu suchen, schwang ich die Beine vorsichtig aus dem Bett und mein Blick blieb sofort an meinem lautlos gestellten Handy hängen, welches auf der Nachtkonsole lag und immer wieder vibrierte. Ich nahm es in die Hand und sah sofort mit einem gerührten Lächeln, dass sich meine Freunde offensichtliche Sorgen um mich gemacht hatten. Jedoch musste ich mich ziemlich anstrengen, um die Texte richtig lesen zu können, da ich immer noch alles verschwommen sah. Was war nur los mit mir? Von jedem meiner Freunde waren mehrere Nachrichten gekommen, worin ich ausgefragt wurde, ob es mir schon wieder besser ging. Ich schickte jedem gleichzeitig eine knappe Sprachnotiz zurück, in der ich den Stand der Dinge knapp erklärte und auch den bevorstehenden Arztbesuch erwähnte. Es dauerte wirklich nicht lange, bis mein Handy zu klingeln anfing und ich sofort zähneknirschend abnahm, da das Geräusch meine Gehörgänge unerträglich penetrierte. Ich saß gerade an meinem Schreibtisch in der Ecke, als ich den Anruf entgegennahm. „Baby?“, sagte Reita sofort leise und mein Gesichtsausdruck erhellte sich schlagartig. „Hey..“, nuschelte ich lächelnd und führte dann unbewusst meinen Daumen an die Lippen, um auf dem Nagel herumzubeißen. „Wie geht’s dir?“, wollte er wissen und ich bemerkte, dass er seine Stimme senkte, als würde er nicht wollen, dass man ihn hörte. Also war er sicher auf der Arbeit und hatte sich anscheinend davongeschlichen, um in Ruhe mit mir zu telefonieren. Ach, er war so süß. „Meine Muskeln zucken immer noch so komisch, mein Mund ist staubtrocken und ich habe ein wenig Kopfweh“, berichtete ich ihm, merkte als Bestätigung, wie es kurz heftig in meinem rechten Oberarm zog, und hörte ihn am anderen Ende seufzen. „Hör zu, ich werde hier gleich Schluss machen und dann fahr ich rüber. Ich will dabei sein, wenn du zum Arzt gehst“, sprach er und duldete keine Widerrede. „Du hast doch erst um-“, ich drehte mich kurz zu der Uhr über dem Stofftier-Regal herum, „-um fünf Uhr Feierabend, oder nicht?“, gab ich zögerlich von mir und nickte nur, als er meinte, dass es ihm egal wäre und er sich jetzt auf den Weg machen würde. Wieso nickte ich überhaupt? Er sah mich doch eh nicht. Leise verabschiedete ich mich, legte auf und seufzte langgezogen. Dann streckte ich meine Glieder von mir und legte das Handy neben die Tastatur. Bevor ich meinen PC überhaupt hochfahren konnte, wurde die Tür leise aufgeschoben und meine Mutter kam mit einem Tablett herein. „Was machst du denn da?“, fragte sie mit ungläubig geweiteten Augen und befahl mir im strengen Ton, mich unverzüglich wieder ins Bett zu legen. „Aber ich wollte im Netz nach etwas gucken“, war mein kleinlauter Protest und trotzdem stand ich auf und setzte mich brav wieder aufs Bett. Sie stellte das Tablett weg, richtete die Kissen und stopfte sie mir hinter den Rücken, damit ich angenehmer saß, und fragte nebenbei, „Nach was willst du suchen?“ „Ich möchte nach diesem Cocktail gucken, den ich gestern getrunken habe. Vielleicht war da doch Alkohol drin und dieser Pfui-Sui hat mich verarscht! Ich hab’s erst auf dem Handy versucht, aber ich habe Schwierigkeiten, die Schrift auf dem Display zu lesen, da ich alles noch immer gefühlt doppelt sehe“, plapperte ich zerknirscht und merkte, dass ich etwas zu laut gesprochen hatte. „’tschuldigung“, murmelte ich leise und bemerkte das Lächeln nicht, was sich auf ihren Lippen ausbreitete. „Du brauchst nicht danach suchen. Akira hat das noch erledigt, bevor er gestern nach Hause gegangen ist. Und als er mir hundertprozentig versichert hat, dass da wirklich kein Alkohol drin ist, zumindest nicht nach dem allgemeinen Standardrezept, kam mir sofort die Idee, dass da vielleicht.. etwas Anderes drin gewesen sein könnte“, redete sie ruhig und kryptisch auf mich ein, während sie meinen Kopf streichelte, und drängte mir nebenbei das reich belegte Brot auf. Ich biss hinein, kaute zu Ende und schluckte die Masse schwerfällig hinunter, bevor ich, „Wie meinst du das mit „da war vielleicht etwas Anderes drin“?“, fragte, einen großen Schluck vom Wasser nahm und sie dabei skeptisch und leicht naiv beäugte. Sie schüttelte jetzt lächelnd den Kopf, beugte sich vornüber, um meine Stirn zu küssen, und wich weit vom Thema ab. „Ich gehe mich mal schnell duschen! Dass du mir ja im Bett bleibst!“ Ich blieb zurück, mit dem vollen Tablett auf dem Schoß und dem belegten Brot in der Hand. Von der Verwirrung wollte ich gar nicht erst sprechen. Okay, auch gut. Schulterzuckend machte ich mich daran, mich über die Köstlichkeiten her zu machen, wenn es mir auch schwerfiel. Ich merkte erst nachdem ich satt war, wie hungrig ich eigentlich gewesen war. Blöd nur, dass mir direkt wieder schlecht wurde. Das Tablett stellte ich auf meiner Nachtkonsole ab und erhob mich leicht schwankend, ließ die Jalousien zu, da ich jetzt wahrscheinlich kein helles Licht ertragen konnte. Schleichend ging ich auf die Badezimmertür zu und öffnete diese, und als ich eintrat, war meine erste Reaktion ein verwundertes, „Hä?“ Waren diese rosa Flecken schon immer an den Wänden gewesen? Und am Duschvorhang? Und in meinem Gesicht? Was zum?! Ich schaute genauer in den Spiegel und sah zusätzlich lauter kleine und große Flecke, die rosa schimmerten. Warum war mir das eben im Zimmer nicht aufgefallen? Bildete ich mir gerade irgendetwas ein? Wie um es zu testen eilte ich ins dunkle Zimmer zurück und tatsächlich, es war nichts Ungewöhnliches hier drinnen. Doch als ich zurück ins Bad ging, wo die Jalousie nicht zugezogen war und leichtes Licht durch das gekippte Fenster hereinschien, waren plötzlich wieder überall diese hässlichen Flecken. Okay, schön ruhig, das kam sicher vom.. ja, von was kam das?! Ich betatschte mein Gesicht, beugte mich dann näher zum Spiegel vor und konnte mir ein belustigtes Glucksen nicht verkneifen, weil ich genau an der Nasenspitze einen rosafarbenen Fleck hatte. Sah süß aus. Ah, Augenblick mal, war ich bescheuert? Als ich Schritte hörte, rief ich laut und wie ein verschreckt klingendes Kleinkind, „Ma?!“ Meine Mutter kam in ihrem Bademantel hereingestürmt und sah mich ob meiner Tonlage besorgt an. „Schatz?“, machte sie fragend und zog die Brauen dicht zusammen, als ich, mir erneut ein Glucksen verkneifend, weil zwischen ihren Augen ein kleiner rosa Fleck zu sehen war, „Ich sehe überall rosa Flecke!“, klagte. Ihr Blick wurde sofort besorgter, was noch viel witziger aussah, da der Fleck auf ihrer Stirn das alles ein wenig ins Alberne zog. Ich musste grinsen. „Am besten ist, du ziehst dich schnell an und wir fahren sofort zum Arzt, damit du dort einen Drogentest machen kannst!“, sprach sie hektisch, während sie mich zurück in mein Zimmer schob, und ich rief entrüstet, „Um Gottes Willen, versuchst du mir hier etwas zu unterstellen? Ich nehm’ doch keine Drogen!“, aus, worauf sie aber nicht einging. Also ehrlich, sah ich etwa aus wie ein Junkie? Fertig angezogen stand ich im Bad und wusch mir das Gesicht, um ein wenig “klar im Kopf“ zu werden, wie Reita immer gern sagte. Blinzelnd sah ich in den Spiegel und lachte ungehalten und laut auf, als ich hinter mir an der Wand jetzt nicht nur rosa, sondern auch blaue Flecke sah. Wie absurd das alles war, entfiel mir völlig. Der Anblick erinnerte mich an.. an Bonbons! Ich mochte Bonbons. Ah, eigentlich mochte ich keine Süßigkeiten, oder? Egal, Bonbons waren toll. Meine Mutter rief nach mir, sah dann, dass ich im Bad stand und mir grinsend das Gesicht trocknete, und hetzte herein, um mir irgendetwas zu verkünden. „Ich mag Bonbons. Du auch, Ma?“, fragte ich sie interessiert und wurde von ihr am Arm mitgezogen. Völlig irritiert antwortete sie knapp, „Ähm, ja!“, und sprach dann weiter, woraufhin sich mein Gesicht erhellte. „Akira wartet unten vor der Tür, er fährt uns jetzt zum Arzt“, redete sie irgendwie viel zu laut, aber darauf ging ich nicht ein. Ah ja, mein Reita war da, um mich auf seinem rosa-blau gefleckten Pferd mitzunehmen und mit mir in die Karibik zu reiten. War mein Schatz nicht romantisch? Selig lächelnd berichtete ich meiner Mutter, dass ich meinen Reita über alles liebte und mich schon auf unseren Karibikaufenthalt freute, und sie bejahte einmal mehr verwirrt und half mir unten im Flur, mich anzuziehen. Ich trat hinaus in den Vorgarten, atmete die frische Luft tief ein und aus und drehte mich mit ausgestreckten Armen einmal um mich selbst, ehe ich grinsend auf Reita zu hüpfte, der mir mit einem verwirrten Blick bei meiner Aktion zugesehen hatte. Ich sprang in seine ausgebreiteten Arme und schmiegte mich schnell an ihn. Hm.. Er roch gut. Irgendwie nach Motoröl. Hach, ich stand total auf Motoröl! „Du riechst gut“, murmelte ich in sein Ohr und grinste hingerissen, als er im verdatterten Ton, „Ich hab’ geschwitzt wie Sau und hab mich nicht duschen können, weil ich mich beeilt habe!“, aussagte und mich leicht von sich drückte, um mich skeptisch zu mustern. Er blickte hilfesuchend zu meiner Mutter, während ich ihm unentwegt ins Gesicht lächelte. Dass meine Mutter ihm hinter meinem Rücken einen Vogel zeigte, welcher mir galt, bekam ich nicht mit. Während der Fahrt zählte ich all die rosa und blaue Flecke. Und stellt euch vor, es war Grün hinzugekommen! Völlig fasziniert von den Farben sah ich aus dem Fenster und fühlte mich einfach nur wohl. So habe ich mich ja noch nie gefühlt! Hach, wie schön bunt das Leben doch war! Jetzt noch eine Tüte Bonbons und ich wäre vollauf zufrieden. „Als er aufgewacht ist, war er noch nicht so“, sprach meine Mutter besorgt nach vorne, die neben mir saß, und Reita brummte überlegend. Wer war nicht was gewesen? „Mama, Grün ist eine hinreißende Farbe, oder?“, fragte ich an meine Mutter gewandt, die gequält lächelte und meinen Kopf tätschelte, als wäre ich ein kleines Kind. „Ja Schatz, wirklich entzückend“, haspelte sie und sah angestrengt nach draußen, als ich mit dem Zeigefinger gegen die Fensterscheibe drückte und, „Bist du auch der Meinung, dass sich rosa und blau besser verträgt als rosa und grün?“, fragte. „Ähm.. also, eigentlich finde ich, dass beide Versionen gut zusammenpassen“, gab sie ihre Meinung überfordert ab, was mich zum Kopfschütteln antrieb. „Also echt, Ma! Rosa und blau sieht zusammen viel leckerer aus. Das sieht man doch!“, hielt ich dagegen und lachte auf, als sie mir mit einem wehleidigen Blick mitteilte, dass sie überhaupt keine Farben sah. Dann erstarb mein Lachen jedoch und ich tätschelte mitfühlend ihren Unterarm. „Es muss schrecklich für dich sein, farbenblind zu sein“, schniefte ich schon fast und bettete meinen Kopf auf ihre Schulter, um ihr ein wenig Beistand zu leisten. Arme Ma.. „Oh mein Gott..“, hauchte Reita beinahe entsetzt und ich warf, „Oh mein Reita!“, ein, was ihm einen komisch klingenden Laut entlockte. Er hatte wie ein kleines Schweinchen geklungen, wie süß! Ich kicherte entzückt, wurde aber nicht weiter beachtet. Meine Mutter streichelte kontinuierlich meinen Arm und bat mich dann irgendwann, aus dem gemütlichen Fortbewegungsmittel zu steigen. Hey, war das nicht Reitas Auto? Ich wurde von meinen beiden Liebsten neben mir in irgendein Gebäude dirigiert, was mich jedoch nicht weiter interessierte. Ich starrte viel lieber auf den Boden, wo mir viele kleine blaue Männchen in knallgelben Latzhosen und mit einem breiten Lächeln im Gesicht zuwinkten. Ich winkte zurück und sagte verzückt, „Hallo da unten!“, und erhielt im piepsigen Chor ein nett gemeintes, „Du hast total einen an der Klatsche!“. Ich bedankte mich höflich und drehte mich im Gehen zu Reita herum, der verwirrt, „Sag mal, mit wem redest du?!“, gefragt hatte und mich jetzt perplex anstierte. „Na, mit denen!“, antwortete ich selbstverständlich und deutete mit dem Zeigefinger zu Boden, wo die Männchen, mit dem Rücken zu mir, mit ihren kleinen Hinterteilen wackelten und dabei laut lachten. „Aha!“, machte Reita verwirrt, der meinem Fingerzeig gefolgt war. Meine Mutter eilte uns voraus und Reita hielt mich an der Hand zurück, um mich ganz nah an seinen Körper zu ziehen. Ich ließ daraufhin erwartungsvoll die Lider sinken und spitzte leicht meine Lippen, woraufhin er, „Uruha, was wird das?“, fragte. Schmollend riss ich die Augen wieder auf und wollte gerade zum Sprechen ansetzten, als er mir auch schon ins Wort fiel. „Hör zu, wenn wir da drinnen sind, sagst du am besten gar nichts, wenn du nicht gefragt wirst, ja?“, sprach er und nickte leicht in Richtung des Gebäudes hinter uns. „Hm.. Okay?“, machte ich überlegend und ließ mich dann von ihm reinziehen, wo eine Frau ganz in Weiß uns hinter sich herwinkte. „Ich habe ihr gesagt, dass wir dringend zu Tanaka-sensei müssen!“, sagte meine Mutter angeregt und nahm mich an der freien Hand, um mich durch irgendwelche Gänge zu bugsieren. Wo waren wir hier eigentlich? Und was noch viel wichtiger war, wieso existierten keine rosa Bonbons mit blauen Flecken? Ich wurde durch eine breite Tür geschoben, die hinter mir laut zugeschlagen wurde. Zusammenzuckend drehte ich mich herum und sah abwechselnd Reita und meine Mutter an, die mir verdeutlichten, dass ich mich auf einen der drei Stühle setzen sollte. Aber ich wollte mich vielleicht nicht setzen? „Guten Tag Nami, guten Tag Kouyou!“, wurden wir plötzlich von einem kahlköpfigen Mann mit weißem Vollbart begrüßt, der auf seinem Drehstuhl hinter einem großen Schreibtisch saß. Oh cool, der Weihnachtsmann ohne Haare! Aber wir hatten Weihnachten doch schon lange hinter uns. Auch Reita wurde lächelnd begrüßt, und die beiden setzten sich vor den Alten, der sie dazu gebeten hatte. Irgendwoher kannte ich den.. Hey, das war ja mein Hausarzt! Ich wurde letzten Endes von Reita mit auf den Stuhl gezogen, und jetzt lächelte ich Dr. Soundso breit an, der mich leicht musterte, dennoch höflich lächelte und an meine Mutter gewandt fragte, was unser Anliegen war. “Es tut mir leid, dass wir Sie mit unserem Besuch so überrascht haben, ganz ohne Termin. Ich hoffe, Sie verzeihen uns das, Sensei“, redete meine Mutter schnell und sich verbeugend und schien erleichtert, als der dicke Glatzkopf im lieben Ton, „Das geht in Ordnung. Dafür bin ich immerhin da, nicht?“, sagte und noch einmal nachfragte, was denn los war. „Also, es war so-“, fing meine Mutter an und erzählte dem Arzt, Dr. Med. Was-weiß-ich aufgewühlt, dass wir gestern Abend in einer Disco gewesen waren. Und schlagartig erinnerte ich mich an eine überfüllte Tanzfläche, hüpfende, halbnackte Körper, die sich aneinander rieben, an blitzende, schwarze Augen, die mich auszusaugen schienen, Reitas heißen Körper an meinem, Keisukes finsteres Grinsen, die plötzlichen Magenkrämpfe.. Das hatte ich mir sicher nicht eingebildet.. Oder? Ich hörte gar nicht mehr, was meine Mutter alles sagte. Aber ich konnte Reitas warme Hand auf meinem Oberschenkel spüren. Also ehrlich, kein Schamgefühl der Draufgänger. Wollte der mich jetzt mitten in diesem Raum befummeln? „Rei, wir können jetzt nicht!“, sagte ich also bestimmend und schob seine Hand von meinem Oberschenkel runter, woraufhin ich verwirrte Blicke erntete. „Na, wo sind wir denn hier?“, zuckte ich mit den Schultern und schaute fragend drein, als Dr. Ich-hab-den-Analyse-Blick sofort, „Ah, ich sehe schon“, sagte und sich erhob, um den Tisch zu umrunden und sich hinter mich zu stellen. „Kouyou?“, sprach er mich freundlich an und erlangte meine Aufmerksamkeit. „Ja, Sensei?“, gab ich überschwänglich und voller Tatendrang von mir, überhörte Reitas leises Schnauben und sah an die Wand gegenüber, als der Doktor mich genau darum bat. „Was siehst du dort?“, fragte er mich im väterlichen Ton und deutete an die Wand gegenüber von uns allen. Ja, was sah ich denn wohl? Doofe Frage. Einige Bilderrahmen, eine bunt gepunktete Wand, ein Regal mit komischen Gegenständen darauf, bunte Punkte, ein Kalender, eine Urkunde, bunte Punkte. Und all das hatte ich laut aufgezählt. Er sah mich nur abschätzend an, drehte sich dann zu meiner Mutter herum und meinte, dass er sofort den Test durchführen würde. „Test?“, fragte ich, wurde aber komplett ignoriert. „Es könnte natürlich sein, dass da Alkohol drin war. In manchen Clubs kann das schon mal vorkommen, dass man die Standards nicht einhält. So etwas habe ich schon des Öfteren erleben müssen, aber das-“, er setzte kurz aus, während er mit einer kleinen Taschenlampe in meine Augen leuchtete und mich somit zum Wegzucken brachte, und rieb sich dann übers Doppelkinn, während er mich eingehend ansah, “Kommt nicht vom Alkohol. Seine Pupillen sind trotz Lichteinstrahlung extrem erweitert und reagieren in keiner Weise. Dass er überhaupt geradeaus schauen kann, ist ein Wunder.“, folgerte er, und ich merkte, wie sich Reita anspannte. Was hatten die denn alle? „Ich würde gerne wissen, was-“, setzte ich an, wurde aber von Reita unterbrochen. „Also, wenn das wirklich der Einfluss von einer Droge ist, dann.. Das vergeht doch, oder?“, fragte er und sah dabei so kläglich aus, dass meine vergrabenen Mutterinstinkte erwachten und ich ihm von hinten die Arme um den Hals legte, um ihn im Sitzen hin- und herzuwiegen und, „Aww, mein armer, armer Rei. Alles wird gut, keine Sorge“, zu säuseln. „Ich halt’ das nicht aus“, war das Einzige, was Reita wehleidig flüsterte. „Kein Grund zur Sorge, Suzuki-san, das vergeht.“, sagte der Doc zuversichtlich und bat mich dann, ihm zu folgen, was ich völlig enthusiastisch tat. Der Rest ging irgendwie viel zu schnell. Ich bemerkte gar nicht, was mit mir gemacht wurde. Immer wieder wuselte eine Schwester um mich herum, redete mit dem Arzt, der ihr Anweisungen gab, und am Ende saß ich wieder im Gesprächszimmer bei Reita und Ma, die beide jeweils meine Hand hielten und angespannt wirkten. Ok, anscheinend hatte ich irgendetwas verpasst. Ob mir die kleinen Männchen, die mir gefolgt waren und zu mir hoch lächelten, verraten würden, was los war? „Woher sollten die das überhaupt wissen?“, fragte ich mich leise und sah verwundert auf, als Reita und meine Mutter zeitgleich, „Was?“, einwarfen und mich verstört ansahen. Im nächsten Augenblick kam der dicke Arzt mit einigen Blättern in der Hand wieder herein. „Candyflip!“, war das Einzige, was er zusammenhanglos von sich gab. Selenruhig legte er seine Blätter auf den Tisch, nachdem er wieder hinter dem Schreibtisch Platz genommen hatte. Ich legte den Kopf schief, doch meine Mutter hatte die Brauen zusammengezogen und Reita kaute nervös auf seiner Unterlippe herum, wie ich es sonst meist tat. „Der Test ist so gut wie auf alle getesteten Stoffe positiv ausgefallen. So etwas hatten wir hier auch noch nicht. Nami, er steht tatsächlich unter dem Einfluss von einer Rauschmittel-Zusammensetzung. Und diese wird „Candyflip“ genannt. So eine Art Modedroge. Sie befindet sich zurzeit vermehrt im Umlauf und ist besonders in Nachtclubs angesagt. Die eigentlichen Begriffe-“ „Was ist das für ein Zeug?“, unterbrach Reita den Älteren, der nur nachsichtig lächeln konnte. „Reita, das ist nicht höflich von dir, weißt du?“, tadelte ich den Blonden leise, der mich nur mitleidig ansah und dann den Kopf schüttelte, ehe er vorbildlich den Mund hielt, damit der Ältere weiterreden konnte. „Dazu wollte ich gerade kommen. Candyflip ist zurzeit weit verbreitetet. Es ist ein Mischkonsum von MDMA und LSD. Einige mischen weiß Gott noch was für Mittel dazu, um das Gemisch zu strecken oder sogar die Wirkung noch weiter zu beeinflussen, was durchaus gefährlich werden kann. Was diese beiden Stoffe sind und was sie anstellen können, muss ich Ihnen ja nicht erklären!“, laberte der Arzt und sah dabei immer wieder abwechselnd von Ma zu Reita. Meine Mutter, die immer noch ihre Brauen so stark zusammenzog, dass eine Falte auf ihrer glatten Stirn entstand, sah bedrückt aus. Was sie wohl hatte? „MDMA.. Ecstasy?“, hauchte Reita fast schon fassungslos und sah den Arzt immer ungläubiger an, als der nickte und weiterredete. „Ich bin mir sicher, dass diese beiden Stoffe zu Pulver zerkleinert und unter das Getränkt von ihm gemischt worden sind“, teilte er den beiden wichtigtuerisch mit, doch mich interessierte das gar nicht. Wovon redete dieser Typ eigentlich? „Ma, können wir wieder nach Hause? Ich bin ein wenig müde“, murmelte ich ihr ins Ohr und löste in ihr seltsamerweise pure Panik aus. „Sei bitte unbesorgt, Nami. Das ist völlig normal. Er sollte sich jetzt ausruhen. Ihm wird nichts passieren, solange ihr ein Auge auf ihn habt. Ich verstehe zwar nicht, wieso die Wirkung erst so spät eingesetzt hat-“, der Arzt stoppte in seinem Geschwafel, was meine Mutter anscheinend noch mehr durcheinanderbrachte. „Himmel, was soll ich denn jetzt bloß tun?!“, kreischte sie fast und wurde von Reita ruhig gestimmt. „Wie gesagt, ihn ausruhen lassen. Und lasst ihn am besten nicht aus den Augen. In ein paar Stunden müsste es vorüber sein. Mehr können wir leider nicht für ihn tun. Er muss den Rausch aussitzen“, versuchte nun auch Doktor Dickwanst, meine Mutter zu beruhigen. Ich wurde mit Reita vorausgeschickt, während meine Mutter noch kurz mit dem Arzt redete. Irgendwie fand ich es doof, dass Reita mich anschwieg. Er zog mich an der Hand hinaus aus der Praxis – ja, ja, wir waren in einer Praxis – und wirkte ziemlich bedrückt. „Rei?“, gab ich fragend von mir und blinzelte treudoof, als er sich zu mir herumdrehte und sich mit dem Rücken gegen seine Autotür lehnte. Mir wäre das gefleckte Pferd lieber gewesen.. „Was ist los mit dir?“, fragte ich ihn und versuchte gleichzeitig die Gedanken an die Karibik zu verdrängen. Ging aber schlecht, da ich plötzlich Wellenrauschen vernehmen konnte. Ich drehte mich einmal um mich selbst, um nach dem Meer Ausschau zu halten, fand aber nichts. So eine Verarsche! „Uruha!“ Ich wurde grob an den Schultern gepackt und leicht durchgeschüttelt. Verschreckt und mit geweiteten Augen sah ich Reita an, in dessen Gesicht die verschiedensten Emotionen zu sehen waren. Und bunte Flecke. „T-tut mir leid?“, hauchte ich fragend, obwohl ich nicht wusste, was ich getan hatte und wieso ich mich überhaupt entschuldigte. Mein blonder Prinz seufzte nur angeschlagen und zog mich schnell an sich, um mich fest zu umarmen und mir den Nacken zu kraulen. Oh, ok, darauf stand ich. „Nein, mir tut es leid..“, nuschelte er mir leise ins Ohr und brachte mich damit dazu, zusammenzuzucken. Das hatte gekitzelt. „Hm..“, machte ich nur und kuschelte mich schnurrend näher an ihn, doch die Stimme meiner Mutter brachte Reita dazu, mich leicht von sich zu drücken und den Störenfried anzusehen. Ich beachtete jetzt einfach mal nicht, dass hier überall Leute um uns herumlungerten und genauso sehr als Störfaktor anzusehen waren. „Wir müssen Kouyous Attest noch bei der Praxis vorbeibringen“, wedelte sie mit dem kleinen Papier vor unseren Nasen herum und schob mich dann bestimmend auf die Rückbank, nachdem Reita bejaht und das Auto aufgesperrt hatte. Wir fuhren ziemlich lange, jedenfalls kam es mir so vor. Reita hatte für einen kurzen Moment den Wagen verlassen, weil er diesen Zettel irgendwo hatte abgeben wollen. Aber wirklich mitkriegen tat ich eigentlich nichts, da ich halb auf meiner Mutter lag und mit leicht geöffneten Augen träumte. War dieses penetrante Summen in meinem Ohr eigentlich normal? Mit verzogenem Gesicht rieb ich mir über das rechte Ohr und beklagte mich sogleich laut, dass Reita dieses Gesumme abstellen sollte. „Wer bringt so einen Mist überhaupt im Radio?! Wer will das schon hören?“, rief ich aufgebracht nach vorne und kam mir ziemlich veralbert vor, als Reita so überzeugend wie möglich zu erklären versuchte, dass das Radio gar nicht an war. „Ma, ich rast’ gleich aus!“, presste ich zwischen meinen Zähnen hervor und merkte sofort, wie mein ruhiges Gemüt sich langsam verabschiedete. Eben war doch noch alles so schön friedlich gewesen. Jetzt könnte ich mich wirklich über alles aufregen. Meine Mutter streichelte nur unbeholfen meinen Kopf, doch auch das ging mir nach einigen Augenblicken so ziemlich auf den Sack. „Hör doch endlich auf damit, das nervt!“, maulte ich sie an und schob sie sogleich von mir, bemerkte dabei nicht, dass sie mich geschockt und mit zitternder Unterlippe ansah. „Nami, keine Sorge, lass ihn einfach machen. Du weißt, er meint es nicht so“, murmelte Reita, während er erneut Gas gab, da wir bis eben an einer Ampel gestanden hatten. Hatte ich schon erwähnt, dass die bunten Flecke verschwunden waren? Sie hatten Platz geschaffen für irgendwelche winzigen Sternchen, die vor meinen Augen herumflogen. Das störte mich. Und als wäre das nicht genug, war meine Sicht noch immer so ekelhaft verzerrt, dass ich das Gefühl hatte, mich gleich übergeben zu müssen. „Hhnn“, stöhnte ich leise und hielt mir die Schläfen, als Reita eine Linkskurve zu stark nahm und ich somit auf dem Rücksitz hin- und herwankte. Gleich, ja gleich würde ich mich wirklich übergeben! „Akira, mach bitte die Fenster auf!“, bat meine Mutter panisch, während sie mich wieder halb im Arm hielt, und Reita verriegelte sofort die elektrischen Fensterheber und öffnete alle Fenster, damit ein wenig frische Luft hereinkam. Das hatte ich anscheinend gebraucht. Mit meiner Mutter dicht an meinem Rücken lehnte ich mich ein wenig aus dem Fenster und ließ die kühle Luft in mein Gesicht peitschen. Tat wirklich gut. Ich atmete ruhig durch den Mund ein und aus, um mich selbst zu beruhigen, da ich Panik gerade nicht gebrauchen konnte. Was ich jetzt brauchte war mein Bett. Und vielleicht wilden, hemmungslosen Sex mit Reita. Hey, keine schlechte Idee! „Wir sind gleich da, mein Schatz“, sprach meine Mutter beruhigend auf mich ein, während sie besänftigend meinen Arm tätschelte. Ich wiederum hörte sie kaum noch und malte mir lieber aus, was Reita und ich jetzt alles anstellen könnten. Ach, wäre doch nur meine Mutter nicht hier! „Wir sind da. Nami, geh du am besten vor und koch einen Tee!“, sagte Reita bestimmend, der sich abschnallte, und ich spürte, wie mich seine tiefe, vibrierende Stimme angenehm erregte. Meine Mutter hastete schnell aus dem Auto und Reita öffnete mir derweil die Hintertür und fragte mich vorsorglich, „Geht’s wieder?“ Sein Blick wurde perplex, als ich mit schmalen Augen zu ihm aufblickte, mir nachdrücklich über die Lippen leckte und seine ausgestreckte Hand packte, um ihn sogleich zu mir ins Innere des Wagens und somit auf mich zu zerren. „Uruha, was machst du?“, fragte er leise und verwirrt, versuchte aber nicht, sich gegen mich zu wehren, als ich meine Arme um seinen Nacken schlang und sein Gesicht tiefer zu mir zog, um ihm Küsse auf beide Wangen zu hauchen. Komisch.. Gerade eben hatte ich noch das Gefühl gehabt, gleich meinen Magen leeren zu müssen, doch jetzt verspürte ich nur noch den Drang, Reita die störenden Klamotten vom Leib zu reißen und ihn tief in mir aufzunehmen. Verdammt, mir wurde gerade ziemlich heiß bei dem Gedanken. „Reita“, hauchte ich leise gegen seine geschlossenen Lippen und als er mir ein verzückt klingendes, „Hm?“, entgegenbrachte, küsste ich ihn kurz und verlangend, schlang meine Beine um seinen Unterkörper, um ihn fester an mich zu pressen, und flüsterte fordernd, „Fick mich!“ Sein Einwand war ziemlich schwach, wie ich fand. „Aber doch nicht hier“, hatte er leicht zögernd gesagt, sich aber gleichzeitig weiter gegen meine Hand geschmiegt, die schwerfällig in die Vorderseite seine Hose gewandert war. Was interessierte es mich, dass wir hier auf der Rückbank von Reitas Auto lagen, der Blonde mit den Beinen noch halb aus dem Auto hing und uns jeder beim Vorbeigehen betrachten konnte? Hier bekamen sie einen kostenlosen Schwulenporno zu sehen, war doch Klasse! Also, wäre ich ein Außenstehender, würde ich am Straßenrand stehen bleiben und zusehen. „Komm, ich bring’ dich jetzt erst mal rein. Deine Mom fragt sich sicher, warum das hier so lange dauert“, sprach er diesmal mit fester Stimme, doch so schnell aufgeben wollte ich nicht. „Ma kann warten, ich aber nicht. Komm schon, Rei!“, zerrte ich an ihm und presste meine Lippen forsch auf seine, als er sich erheben wollte. Ich merkte, dass der Ältere mit sich selbst rang. Und ich wusste, dass er liebend gern darauf eingehen würde. Ich kannte doch meinen Reita. Nur schwer schaffte ich es, in seinen Mund vorzudringen, da er mich nicht hatte einlassen wollen. Der Ältere mochte es nicht, wenn ich ihn so stürmisch küsste. Seiner Meinung nach war das seine Aufgabe. Er drängte meine Zunge also wie gewohnt zurück und ein tiefes Grollen entkam seiner Kehle, als ich ihm grob in den Schritt packte und meine Hand dort eilig bewegte. „Uruha!“ „Reita!“, ahmte ich ihn mit demselben mahnenden Ton nach und setzte noch schnurrend, „Los, ich will dich reiten!“, hinterher, was ihn gegen seinen Willen belustigt lachen ließ. „Du darfst mich drinnen reiten. Jetzt steh endlich auf!“, versprach er mir und ich nahm ihn ganz beim Wort. Brav schnappte ich nach seiner Hand und ließ mich von ihm ins Haus führen, wo mir sofort der Geruch von Kräutertee entgegenschwebte. Und anscheinend machte meine Mutter auch Essen, denn man konnte sie wie gewohnt in der Küche herumwirbeln hören. Sollte mich nicht stören, ich wollte mich jetzt endlich auf Reita setzen! Der Ältere half mir aus meinen Schuhen und meiner Jacke, und als er aus seiner eigenen geschlüpft war, zog ich ihn ungeduldig mit mir, wankte jedoch plötzlich kurz vor der Treppe, weshalb er mich auch sofort fest an seine Brust zog. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich eine Treppenstufe verpasst und wäre in die Tiefe gesackt. Schreckliches Gefühl! „Nami, ich bringe ihn erst mal hoch, ja?“, rief er beim Vorbeigehen in die Küche und ich hörte, dass meine Mutter hastig bejahte. Vor lauter angestauter Erregung bekam ich Kopfschmerzen. Ich hielt mir den nun deutlich wummernden Schädel und ließ mich von Reita rüber zum Bett dirigieren. Oh, mein Bett war so schön gemütlich, ich könnte jetzt problemlos einschlafen. Aber vorher wollte ich Sex! „Rei!“, murrte ich mit vorgeschobener Unterlippe, als er sich einfach herumdrehte, um die Jalousie hochzuziehen und das Fenster zu öffnen, und breitete meine Arme in seine Richtung aus, als er sich herumdrehte, um mich anzuschauen. Der Kleinere seufzte schwer und tapste auf mich zu, ließ sich in meine Arme gleiten und ließ den Kuss über sich ergehen, den ich ihm ungeduldig auf den Mund presste. „Uruha, du solltest lieber-“, er stockte und schien zu überlegen. „Reita, ich halte das nicht aus, fick mich endlich!“, heulte ich schon fast und zerrte an seinem Shirt herum, während ich seinen verzweifelten Gesichtsausdruck völlig außer Acht ließ. „Sieht aber nicht danach aus!“, folgerte er schließlich mürrisch, hob sich leicht an, da er komplett auf mir lag, und starrte mir zwischen die Beine. Ich sah ebenfalls an mir runter, weil ich nicht wusste, was er meinte, und stockte kurz verwirrt. Ich fragte mich, wie ich nur so erregt sein konnte, mein Körper es sich aber nicht anmerken ließ. In meiner Jeans herrschte wortwörtlich tote Hose. Jedoch tobte innerlich alles in mir und ich war wirklich kurz davor, Reita bei lebendigem Leibe aufzufressen, das meinte ich ernst! Oh Gott, mutierte ich zu einem Kannibalen?! „Baby, du musst dich definitiv ausruhen, das ist sicher sehr anstrengend für dich. Das sind die Nachwirkungen von dem Mist“, murmelte er fürsorglich, während er sich wieder auf mir langlegte und sanft meine Wange streichelte. Allein sein Körpergewicht auf mir geilte mich nur noch mehr auf. Ich spreizte sofort meine Beine unter ihm und sah ihm flehend in die Augen, worauf ich ein Seufzen von ihm kassierte. Ich wollte kein Seufzen hören, verdammt! Wenn er mich nicht gleich fickte, würde ich ihn ficken, darauf konnte er Gift nehmen! „Rei!“, knurrte ich und fing erneut an, an seinem Oberteil zu zupfen und es ihm schlussendlich grob über den Kopf zu ziehen. Der Ältere gab daraufhin ein tiefes, animalisches Grollen von sich, was mir doch ein wenig Angst einjagte und Gänsehaut bei mir auslöste, und riss mich plötzlich hoch, sodass ich verschreckt schauend vor ihm auf der Matratze saß. Die leuchtenden Sternchen, die sich vor meinen Augen auftaten, und das heftige Schwindelgefühl ignorierte ich gekonnt. Übereilig befreite er mich aus meinem Pullover und öffnete ungeduldig meine Hose, worauf mir ein zufriedenes Schnurren entkam. Halleluja! Da hätte er auch früher draufkommen können. Grinsend legte ich den Kopf in den Nacken, als er mich rittlings auf seinen Schoß zog und anfing, an meiner Kehle zu knabbern und gleichzeitig seine Hand in meine Hose zu schieben. Würde ich es nicht besser wissen, würde ich behaupten, dass ich gerade einen harten Ständer in der Hose hatte. Es war aber nicht so, was ich noch immer nicht verstand. Selbst als Reita mit groben Handgriffen meinen Schritt massierte, richtete sich nichts auf, jedoch zerging ich auf seinem Schoß und wünschte mir nichts mehr, als dass er mich endlich nahm. Ich stöhnte ungehalten, als er fester zupackte und simultan mit seiner Zunge meinen Hals hinableckte, um sich dann schmerzhaft an meiner Halsbeuge festzusaugen. Und ganz plötzlich, es war nur ganz kurz gewesen, hatte Reita seine andere Hand von hinten in meine Hose geschoben, um mit seinen trockenen Fingern meinen Eingang zu reizen. Eigentlich war es das gewesen, worauf ich die ganze Zeit gewartet hatte, aber mit einem Mal wollte ich das alles nicht mehr. Der Unwille schlug genauso wie die Müdigkeit blitzartig auf mich ein und ich stemmte mich mit aller Kraft gegen Reitas Brust, der mich nur verständnislos anfunkelte. „Was ist los?!“, murrte er stinkig und brachte mich somit dazu, zusammenzuzucken und mich vor ihm kleiner zu machen. „Tut mir leid..“, flüsterte ich, stemmte mich aber erneut gegen ihn, nachdem er knapp schnaufte und wieder anfing, mich zu befummeln. Oh Gott, was stimmte nicht mit mir?! „Uruha, das war doch deine Idee. Was soll das?“, fragte er ungeduldig und klang dabei irgendwie wütend. Verdammt, ich wollte nicht, dass er sauer auf mich war! „Ich.. Ich weiß nicht, es tut mir leid, Rei. Aber ich will nicht mehr“, flüsterte ich zerknirscht und merkte, wie ich zu zittern anfing, als er leicht meinen Oberschenkel streichelte. Meine innere Erregung war in Sekundenschnelle abgeebbt. Stimmungsschwankungen.. So etwas hatte ich noch nie gehabt, und ich wollte sie auch nie wieder haben. Das Gefühl war richtig unangenehm. In einer Sekunde etwas zu wollen, nur um in der Nächsten plötzlich etwas ganz anderes zu verlangen. Der Ältere schloss mich sofort mitfühlend in seine Arme und streichelte beruhigend meinen Rücken auf und ab. Ich merkte, wie mich diese Berührung besänftigte und auch spürte ich, wie ich plötzlich immer dösiger wurde und es kaum noch schaffte, die Augen offen zu halten. Ich legte meine Arme schwerfällig um den Blonden und versteckte mein Gesicht in seiner warmen Halsbeuge, versuchte meine wirren Gedanken zu ordnen und merkte dabei nicht, wie ich immer weiter abdriftete und mich Reita irgendwann bequem ins Bett legte und mich zudeckte. Eins war mir klar. Heute war ein verdammt beschissener Tag. Als ich das nächste Mal die Augen öffnete, war es schon nach vier. Wie lange hatte ich geschlafen? Reita saß, ohne einen Mucks zu machen, vor meinem PC und schaute sich irgendeine Seite an, die ich von hier nicht erkannte. Seit wann war er bitte schön hier? Ich blinzelte mehrmals, ächzte tonlos und rieb mir über den noch leicht pochenden Kopf. Einen Augenblick mal.. Ich war heute nicht bei der Arbeit gewesen, oder? Sonst würde ich doch nicht im Bett liegen. Und was war eigentlich mit dem Arztbesuch? Hatte meine Mutter es sich doch anders überlegt? „Ähm..“, gab ich leise von mir und erweckte somit Reitas Aufmerksamkeit. „Oh, du bist wach?“, fragte er, gleich nachdem er hastig die Seite geschlossen und den PC heruntergefahren hatte, und erhob sich, um zu mir ans Bett zu kommen. „Hm, scheint so“, murmelte ich und schmiegte mich leise seufzend an ihn, als er sich sofort neben mich legte und mich in seine Arme nahm. „Geht’s dir gut, Baby?“, fragte er und ich merkte, dass er irgendwie verunsichert klang. „Ja, bis auf leichte Kopfschmerzen, aber es ist erträglich“, beruhigte ich ihn, sah aber perplex in sein Gesicht, als er zusammenhanglos, „Du siehst keine bunten Punkte, oder?“, fragte. Als ich verdattert verneinte und wissen wollte, was er meinte, ging er gar nicht erst darauf ein und fragte gleich hinterher, „Und du verspürst auch nicht plötzlich die Lust, mich umzuwerfen und zu reiten, ja?“, worauf ich ihn erst ungläubig anstarrte und dann ungehalten zu lachen anfing. „Was redest du für ’nen Mist?“, fragte ich belustigt, verstummte jedoch sofort verwirrt, als Reita mir sagte, dass ich mich heute ziemlich danebenbenommen hatte. „W-wie meinst du das?“, stotterte ich und mir klappte fassungslos der Mund auf, als mir mein Freund alles erzählte. „Habe ich das alles wirklich gemacht?“, fragte ich entsetzt, als Reita mir erklärte, dass ich ihn vor der Haustür ins Auto gezogen hatte, damit er sich an mir verging, und er nickte nur mit einem Grinsen, welches er sich zu verkneifen versuchte. Das würde er mir noch ewig vorhalten.. „Oh nein“, seufzte ich schwer und versteckte mein Gesicht peinlich berührt an seiner Brust. „Deine Ma und auch ich, wir haben uns echte Sorgen gemacht“, fing der Blonde an zu sprechen und ich konnte spüren, wie seine Brust dabei leicht vibrierte. Ich liebte dieses Gefühl. „Erinnerst du dich denn noch an den Arztbesuch?“, wollte er wissen und merkte, dass mich diese Frage ebenso perplex machte. „Aber ich bin doch gar nicht dort gewesen!“, hielt ich dagegen, doch Reita bestätigte mir das Gegenteil. „Doch, wir waren gemeinsam dort. Der Drogentest, den du gemacht hast, ist positiv ausgefallen“, klärte mich der Ältere auf, woraufhin meine Gesichtszüge entgleisten. „Aber das- Wie? Das geht doch gar nicht, Rei! Du- Ich.. Wie kann das denn sein? Ich würde so etwas nie im Leben anrühren, das wisst ihr!“, versuchte ich ihn zu überzeugen, doch das musste ich gar nicht. Ich bekam nur ein leichtes Lächeln von ihm zu sehen, welches mir verdeutlichte, dass er mir glaubte. „Weißt du, Nami hat gesagt, sie würde warten, bis du aufgewacht bist. Danach würde sie Keisuke anrufen, um mit diesem zu reden“, erzählte er mir und ich wollte wissen, was das bringen sollte. „Sie hegt den Verdacht, dass dir dieser Sui die Drogen in den Cocktail gemischt hat, was ich ebenfalls in Erwägung ziehen würde. Immerhin hat dir der Penner gestern das Teil unter die Nase gehalten und so anzügliche Kommentare gemacht. Und jetzt will Nami, dass Keisuke Sui zur Rede stellt, und ich finde ebenfalls, dass das eine gute Idee ist“ Wow, ich kam irgendwie nicht mehr mit. Sollte es wirklich Sui gewesen sein, was ich jedoch nicht verstehen konnte, was waren seine Absichten gewesen? Was hätte er denn davon gehabt? Immerhin hatte mir Reita klar gemacht, dass ich in diesem Rauschzustand zu nichts zu gebrauchen gewesen war. Vielleicht hatte er sich aber auch nur noch mehr über mich lustig machen wollen, indem er mich in diesen Zustand versetzte. So ein Drecksack! „Bei Gelegenheit sollte ich mich bei Keisuke entschuldigen. Immerhin hab ich den Typen gestern ziemlich angefahren..“, murmelte Reita in Gedanken, was mich aufhorchen ließ. Stimmt ja, Reita war so wütend gewesen, dass er diese Wut an Keisuke ausgelassen hatte. Ich konnte ja verstehen, dass Reita in diesem Moment rasend gewesen war, aber ich war auch dafür, dass er sich bei dem Älteren entschuldigte. Immerhin hatte der Schwarzschopf ihm nichts Böses gewollt. „Ich schwöre dir, hätte Keisuke mich gelassen, hätte ich diesem Kerl von gestern die Fresse eingeschlagen!“, knurrte Reita gleich darauf leise und bedrohlich, was ich ihm nur zu gern glaubte. Ich an seiner Stelle hätte aber genauso reagiert, wenn ihn irgendjemand auf so eine dreiste Weise angegangen hätte. „Ich denke, wir sollten einfach nicht mehr in irgendwelche Schwulendiscos“, murmelte ich kleinlaut und lächelte unmerklich, als Reita mir zufrieden zustimmte und anscheinend Gefallen daran fand. Im nächsten Augenblick klopfte es an der Tür und meine Mutter kam rein, nachdem ich sie hereinbat. Oh Allmächtiger, sie hatte es endlich begriffen! Diesen Tag würde ich in meinem Kalender markieren. „Schatz, wie geht es dir?“, fragte sie sofort und ließ sich einfach zu mir und Reita aufs Bett fallen, um mich halbliegend, halbsitzend zu umarmen. „Leichte Kopfschmerzen“, antwortete Reita für mich und erhob sich sofort, mit den Worten, er würde mir jetzt etwas zu essen bringen. Ja, das könnte ich gerade gut gebrauchen. Mein Magen rumorte schon. Die Stille, die augenblicklich herrschte, nachdem Reita das Zimmer verlassen hatte, wurde sofort von meiner Mutter unterbrochen. „Ich werde jetzt Kei anrufen“, gab sie Bescheid und zückte auch schon ihr Handy aus ihrer weiten Hosentasche, welches ich bis eben nicht bemerkt hatte. „Ich bezweifle, dass es Sui gewesen ist“, blubberte ich sofort ohne Zusammenhang und unterbrach meine Mutter beim Wählen. Verwundert sah sie mir in die Augen, schaute dann irgendwie traurig und meinte, „Wer sonst sollte es gewesen sein, Schatz? Ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht. Für mich kommt nur er in Frage. Zumal seine Vergangenheit auch nicht die Reinste ist, wie mir Kei einmal anvertraut hat“ Das ließ mich neugierig aufhorchen. Ich wollte am liebsten sofort wissen, was genau sie damit meinte, und während sie sich das Telefon ans Ohr hielt und dem Freizeichen lauschte, sagte sie nur knapp. „Er hat damals anscheinend in falschen Kreisen verkehrt und regelmäßig gedealt und konsumiert, hat laut Keisuke aber heute nichts mehr damit zu tun, weil der ihm früher aus diesem “Tief“, wie Sui es wohl nennt, geholfen hat“, und presste sich dann einen Finger auf die Lippen, weil ich dazu etwas sagen wollte. Ok, das war doch schon ziemlich harter Tobak. Ich wog in Gedanken ab, ob es denn nun Sui gewesen sein konnte oder doch jemand anders. Ok, er war der einzige Verdächtige, aber nur weil er früher Drogen konsumiert hatte, hieß das ja nicht gleich, dass er es heute immer noch tat oder überhaupt Zugriff auf solche Sachen hatte. Das war ein schlechtes Vorurteil. „Liebling? Ich bin’s. Ja.. Ja, ihm geht es wieder besser, danke der Nachfrage. Hör mal, kannst du vielleicht.. Was? Oh, dann bring ihn doch bitte gleich mit. Weil es wichtig ist, Kei. Bitte. Ich will mit dir und besonders mit ihm reden, deshalb. Ja, definitiv heute. Ok, ist gut. Bis später!“ Schnelles und vor allem abgekühltes Telefonat, wie ich fand. Daraus hatte ich entnommen, dass Sui anscheinend schon bei Keisuke war, warum auch immer. Und gleich würden sie gemeinsam hier erscheinen. Plötzlich kam ich mir so schrecklich hilflos vor. Wie sollte ich mich denn nun den beiden und besonders Sui gegenüber verhalten, wenn es wirklich er gewesen war? Na, das konnte ja heiter werden. Kapitel 11: ~11~ ---------------- Nervosität. Genau das war das unangenehme Gefühl, welches sich gerade in mir breit machte. Das Essen, welches mir Reita vor ungefähr zwanzig Minuten ans Bett gebracht hatte, hatte ich nur mühevoll hinunter gekriegt. Er hatte mich zwingen müssen, überhaupt den Mund aufzumachen. Nun saß ich hier auf meinem Bett und bewegte mich nicht von der Stelle, während meine Mutter unten im Flur die Neuankömmlinge ins Haus ließ. Sie waren da oder besser gesagt, er war da! Der Übeltäter, der es doch tatsächlich wagte, nach der gestrigen Aktion noch hier zu erscheinen. Innerlich sträubte ich mich dagegen, Sui gegenüberzutreten, obwohl es genau andersherum sein sollte. Er sollte sich dafür schämen, dass er versucht hatte, mich mit so einem hinterhältigen Trick wie den letzten Idioten darzustellen. Und da traute er sich auch noch einfach so hierher. Abgesehen davon, dass er sich gestern auch noch so scheinheilig um mein Wohlbefinden gesorgt hatte. Aber auch wenn ich innerlich auf Rache aus war, so würde ich dennoch nichts Unüberlegtes tun oder sagen, da ich mich nicht auf Suis Niveau herablassen wollte. Soweit kam’s noch! Dass ich vielleicht zu schnell und zu Unrecht davon überzeugt war, dass es Sui gewesen war, kam mir gar nicht erst in den Sinn, hatte ich mich immerhin von meiner Mutter beeinflussen lassen. Wie denn auch, wenn sie so verbissen darauf bestand, dass er es gewesen war? Reita, der neben mir auf dem Bett hockte und meine Hand in seiner hielt, wartete ebenso stumm darauf, dass endlich Bewegung in meine Glieder kam. Doch da musste ich ihn leider enttäuschen, denn ich hatte nicht vor, mich in den kommenden Minuten zu erheben. Oder Stunden. Oder auch Tagen. Er wollte gerade den Mund aufmachen, um mich anscheinend sanft dazu zu zwingen, endlich runter zu gehen, als es sachte an der Tür klopfte. Noch ehe ich die Person hereinbitten konnte, tat es Reita für mich, und mein Blick wurde leicht verwundert, als ein müde wirkender Keisuke dahinter erschien und mich milde anlächelte. Ich hatte eigentlich gedacht, dass es meine Mutter war, die uns herunterbitten wollte. Was wollte er hier in meinem Zimmer? Und wo war Sui? Bei seinem Anblick zogen unverzüglich Bilder von gestern Abend vor meinem inneren Auge vorbei und mir wurde schlagartig komisch. Sein Gesichtsausdruck.. Der Blickkontakt. Jetzt konnte ich mich wieder daran erinnern! Irgendetwas stimmte nicht und ich musste Reita definitiv davon erzählen! Wie hatte ich das auch vergessen können? „Hey, ihr beiden“, grüßte er uns unbeholfen und wartete anscheinend darauf, dass ich ihm einen Platz anbot, da er verloren in der Tür herumstand und sich nicht rührte. Hey, ich hatte zwei Sofas im Zimmer, da konnte es ja nicht so schwer sein, einen Sitzplatz zu finden. Ich half ihm nach, indem ich beinahe mechanisch, „Komm doch rein und setz dich“, sagte. Meine monotone Stimme verwirrte mich selbst. Der Ältere nickte dankend und trat vollends ein, die Türe leise hinter sich schließend. Sobald sich Keisuke zögernd gesetzt hatte, fragte er mich, wie es mir ging. „Du wirkst blass“, merkte er noch an und nahm anscheinend keine Notiz von Reita, dem das wieder gehörig auf den Nerv ging. Er hatte dem Blonden nicht mal Ansatzweise Beachtung geschenkt. „Er wäre nicht so blass, wenn-“, fing Reita gewohnt angriffslustig an, doch kam er nicht weit, da ich ihm in einer hektischen Bewegung die freie Hand auf den Mund presste. Die andere hatte er immer noch fest umschlossen. Er sollte jetzt bloß nicht plappern, das würde meine Mutter schon übernehmen! Keisuke sah verwundert zwischen uns hin und her. Wie musste das wohl auch für ihn aussehen, wie ich hier saß und Reita den Mund zuhielt? Ich nahm meine Hand schnell wieder runter, obwohl ich schon längst Verdacht geweckt hatte, räusperte mich verhalten und wollte gerade etwas sagen, als es erneut an der Tür klopfte. Diesmal war es meine Mutter, die sich hereinbitten ließ. „Kommst du bitte runter?“, fragte sie nur mit einem eindeutigen Blick zu Keisuke, der stockend nickte, mir und Reita noch einmal einen misstrauischen Blick zusandte und meiner Mutter dann gehorsam aus dem Zimmer folgte. Ich starrte den beiden nur mit Sorgenfalten auf der Stirn nach. Sollte ich denn nicht auch mit runter? „Deine Mutter sollte erst einmal mit ihnen reden. Allein“, sprach Reita sofort, dem anscheinend nicht entgangen war, das mich etwas beschäftigte. „Hm“, machte ich daraufhin und nickte, ehe ich mich gegen seine Schulter lehnte, damit er mich in seine Arme nahm. Gott, wie war ich nur froh, dass er bei mir war. Der Ältere tat dies sofort, zog mich noch etwas weiter zwischen seine Beine und fing an, meinen Nacken zu kraulen. Genau diese Zuwendung brauchte ich jetzt. Er wusste eben, wie er mir die Nervosität etwas nehmen konnte. Wie würde das Gespräch wohl ausgehen? Und was mich noch mehr interessierte. Was hatte Sui sich dabei eigentlich wirklich gedacht? Ich hatte gerade den Entschluss gefasst, Reita von der gestrigen Sache mit Keisuke zu erzählen, doch hatte ich die Chance erneut verspielt. Es dauerte nicht lange und wir wurden von meiner Mutter heruntergebeten. Mein noch immer zerzaustes Haar verkrampft mit den Fingern kämmend folgte ich Reita aus meinem Zimmer. Ich sah sicher richtig fertig aus. Dies sollte aber nicht meine Sorge sein. Zwar war mir Gott sei Dank nicht mehr so schlecht und Kopfschmerzen hatte ich so gut wie keine mehr, nebenbei waren die bunten Flecke auch verschwunden und meine Sicht hatte sich normalisiert, dennoch fühlten sich meine Augenlider so verdammt schwer an und meine Augen brannten, als hätte ich die ganze Nacht durchgemacht. Wie dem auch sei, kühlen Kopf bewahren, Uruha! Der Ältere ging vor mir her und hielt dabei trostspendend meine klamme Hand. Ich war ihm wirklich dankbar, dass er mir nicht von der Seite wich. Ich konnte mich eben auf meinen Reita verlassen. Mich von ihm mitziehen lassend, rieb ich mir mit einer Hand über die müden Augen und verspannte mich sofort am ganzen Körper, als wir das Wohnzimmer betraten und aller Aufmerksamkeit schlagartig auf Reita und mich gelenkt war. Sui, eben noch zusammengekauert auf dem Sofa sitzend, hatte sich sofort erhoben und schaute mich mit gespielter Sorge an. Oder war es doch aufrichtige Sorge um mich, die mir aus seinen blutunterlaufenen Augen entgegenblitzte? Wie sah er denn bitte aus? Hatte er gerade geweint? Allein sein Anblick löste Mitleid in mir aus, was ich aber so gut wie möglich nicht zu zeigen versuchte. Oh Gott, ich war zu gutherzig. „Setzt euch bitte, Jungs“, bat meine Mutter uns, und Reita war schon dabei, mich zu einem freien Platz auf dem langen Sofa zu bugsieren. Wir nahmen den anderen gegenüber Platz und ich merkte sofort, wie selbst Reita etwas nervös wurde. Er spielte unaufhaltsam an seinen Fingern herum, was er nur dann tat, wenn er aufgewühlt war. Beruhigend legte nun ich eine Hand mit Nachdruck auf seine zusammengefalteten Hände und wagte es, einen kurzen Blick in die Runde zu werfen. Diesmal war ich an der Reihe, ihm zu zeigen, dass alles in Ordnung war. Mehr oder weniger. „Keisuke, Sui, schön, dass ihr da seid. Ich möchte jetzt auch gar nicht lange um den heißen Brei reden, also komme ich gleich zur Sache. Wir waren heute Morgen mit Kouyou beim Arzt, weil er sich immer noch nicht besser gefühlt hatte und es teilweise sogar schlimmer war, als gestern“, fing meine Mutter das Gespräch einfach an und ich merkte, wie Sui und Keisuke sich verstohlene Blicke zuwarfen, was meiner Mutter wiederum nicht auffiel. Was sollte das denn? Sie machte eine bedeutungsschwangere Pause, eine Chance für einen der beiden, das Wort zu ergreifen, doch da beide schwiegen, fuhr sie einfach fort und verriet ihnen, dass ich einen Drogentest hatte machen lassen, an den ich mich wirklich gar nicht mehr erinnern konnte. Wie konnte das sein, dass ich so eine riesige Gedächtnislücke hatte? Fühlten sich so also Filmrisse an? So alt war ich doch noch gar nicht. „Der Test ist positiv ausgefallen!“, fiel sie nun mit einem ernsten Blick mit der Tür ins Haus. Ich konnte sehen, dass sie ihre Zähne fest zusammenbiss, weil sich ihr Kiefer komplett verspannte und ihre sonst so weichen Gesichtszüge plötzlich hart wirkten. Das tat sie nur, wenn sie wirklich wütend war. Und meine Mutter war so gut wie nie wütend, da sie die Personifizierung eines Regenbogens war. Immer am Strahlen und gute Laune verbreiten. Auf ihr Wort hin weiteten sich Suis Augen und er wirkte plötzlich überaus nervös, wie mir auffiel. Auch Reita bemerkte die Veränderung des anderen, und er flüsterte es mir flüchtig zu, da er mich darauf aufmerksam machen wollte. „Das soll heißen, dass-“, murmelte Keisuke in Gedanken und schreckte auf, als meine Mutter ungewohnt hart und laut, „Ja, irgendjemand hat ihm gestern Drogen in den Drink gemischt!“, sagte und versuchte, Sui nicht so auffällig und beschuldigend anzusehen. Und als hätte der Brünette dies gemerkt, versuchte er sofort sich unnötig zu rechtfertigen. Oder war es doch nicht so unnötig wie ich glaubte? „Ich war es nicht, ehrlich. Das müsst ihr mir glauben!“, heulte der Brünette fast und knetete dabei ununterbrochen seine Hände in seinem Schoß, dass es beinahe so aussah, als wolle er sich selbst sämtliche Finger brechen. Der Brünette sah flehend zwischen meiner Mutter und seinem besten Freund hin und her, beachtete Reita und mich gar nicht. Meine Mutter hob auf diesen Gefühlsausbruch hin eine Braue und schnarrte ungewohnt kühl und anspielend, „Ich habe dich niemals beschuldigt, Sui. Wie kommst du also darauf, dass ich die Schuld dir zuschiebe?“ So kannte ich meine Mutter nicht. Das war wirklich gruselig. Wie in die Ecke gedrängt saß Sui zusammengekauert auf seinem Platz, und ich merkte, wie sich meine Brust schmerzhaft zusammenzog, weil mir dieser Anblick gar nicht gefiel. Es war unfair, ihn hier vor allen so hinzustellen, auch wenn er vielleicht nicht ganz unschuldig war. Konnten wir das nicht auf eine etwas schonender Art regeln? „Ich weiß, dass Keisuke dir von meiner Vergangenheit erzählt hat, Nami. Er hatte mich um Erlaubnis gefragt und ich bin damit einverstanden gewesen. Aber dass du mich hierher bittest und mir dann so etwas Schreckliches zu unterstellen versuchst, finde ich wirklich.. Es ist wirklich nicht fair von dir! Das tut verdammt weh!“, krächzte Sui mit heiserer Stimme, den Kopf dabei demütig gesenkt haltend, als würde er sich schämen, uns anzusehen. Und erneut, mit einem vorwurfsvollen Ton in der Stimme, fragte meine Mutter abwertend, „Wie kommst du bitte darauf, dass ich dir hier etwas unterstellen will?“, worauf Sui beinahe verachtend schnaubte und sie jetzt schneidend ansah. „Dein Ernst? Denkst du etwa wirklich, dass ich so dumm bin?!“, brach es diesmal forsch aus ihm, was Keisuke endlich aus seiner Starre lockte. Bevor meine Mutter etwas erwidern konnte, und sie war kurz davor gewesen, stand der Größte im Raum auf, hob beschwichtigend die Hände und sagte laut, „Hey, hey, Leute. Wir bleiben jetzt erstmal alle auf dem Teppich, holen tief Luft und durchdenken die Sache noch mal!“ Und auf diese Worte hin zog der Brünette die Stirn fassungslos in Falten und kreischte fast, „Wie wäre es, wenn du auch mal etwas dazu sagst, Kei? Ich bin dein bester Freund, schon vergessen?!“, woraufhin sich Keisukes Augen ungläubig weiteten und er, „Wie bitte? Warum sollte ich dich verteidigen, wenn du dir das alles doch selbst zuzuschreiben hast? Ich habe dir schon immer gesagt, lass die Finger von dem Mist, verdammt noch mal!“, rief, was mich dazu brachte, die Augen zuzukneifen und die Hände auf die Ohren zu legen. Um Himmels Willen, war ich hier im falschen Film oder was? „Was?!“, schrie Sui nun wirklich aufgebracht und selbst meine Mutter wusste nicht, wie sie den femininen Mann wieder beruhigen sollte, der kurz davor war, in Rage zu geraten. Reitas Mund war nur aufgeklappt und er sah hilflos zwischen den Anwesenden hin und her, als würde er ein Tennismatch mitverfolgen. Mit Tränen in den Augen und einem verletzten Gesichtsausdruck wütete Sui, „Du willst mir jetzt auch noch die Schuld in die Schuhe schieben?! Was bist du eigentlich für ein Freund? Du bist gestern doch selbst dabei gewesen, als ich die Drinks bestellt habe! Du hast gesehen, dass da nichts war! Ich würde so etwas niemals tun, ich bin doch kein verdammtes Monster!“, und meine Mutter, bis vorhin noch mit geordneten Gedanken, hatte nun anscheinend vollends den Faden verloren und sich zu Sui gesetzt, um tröstend einen Arm um den schmächtigen Mann zu legen, der jetzt erbarmungslos in seine Hände schluchzte und dabei von ihr wegzurutschen versuchte. Bei Tränen konnte meine geliebte Mutter nun mal nicht standhalten. Und ich wollte noch einmal erwähnen, dass es bei mir genauso war. Diese Eigenschaft hatte sie mir mit Sicherheit vererbt. „Oh Sui, es.. Es tut mir so aufrichtig leid. Ich dachte, weißt du, ich meine. Das war zu dem Zeitpunkt der einzig logische Gedanke, immerhin.. Also-“, begann meine Mutter hilflos, und Sui unterbrach sie mit zittriger Stimme und Tränen im Gesicht. „Ja, ja, ich weiß. Die alte, drogensüchtige Schlampe. Immerhin kann man der ja alles in die Schuhe schieben, weil die ja niemals davon wegkommt, was? Und weil ich als junger Mensch einen Fehler begangen und Kontakt zu irgendwelchen Dealern gehabt hatte, kann ich ja immer noch mit Leichtigkeit an so etwas herankommen. Das willst du mir sagen, richtig?!“ Es musste schwer für Sui sein, dies überhaupt zuzugeben, und dass, wenn es mich und erst recht Reita eigentlich nichts anging. Mit einem Mal kam ich mir so fehl am Platz vor, als hätte ich gar nicht hier sein dürfen, da diese Information doch so intim war und niemanden etwas anging. Mit einem beleidigten und doch durchschauten Gesichtsausdruck senkte meine Mutter beschämt den Kopf, während sie immer noch den Rücken des Brünetten tätschelte, der noch immer von ihr wegzurutschen versuchte. Völlig verständlich. Keisuke hatte sich indessen wieder hingesetzt, die Miene kühl und abwertend und ein langes Bein über das andere geschlagen, während die Arme abweisend vor der Brust verschränkt waren. Er machte einen ziemlich herzlosen Eindruck, was nur durch den Anblick von Sui weiter bestärkt wurde. Er hatte seinem eigenen besten Freund so derart wehgetan und befand es nicht einmal für nötig, sich zu entschuldigen? War er doch nicht so gutherzig, wie ich anfangs gedacht hatte? Weiter mit meinen Gedanken kämpfend, merkte ich nicht, dass Reita sich längst wieder gefasst hatte. Mein Freund räusperte sich laut, womit er immerhin die Aufmerksamkeit meiner Mutter und Keisuke bekam. Sui war noch immer damit beschäftigt, sich zu beruhigen, da er vom Weinen schon Schluckauf bekommen hatte. „Da man hier anscheinend kein klärendes und geordnetes Gespräch führen kann, werde ich das jetzt mal übernehmen!“, sagte er mit klarer Stimme, und ich hätte beinahe breit gegrinst vor Stolz. Da das aber nicht in diese Situation hineinpasste, verkniff ich es mir kurzerhand. Seine Reaktion war so pflichtbewusst. Hach ja, man wurde eben erwachsen. Keisuke hob zweifelnd eine Braue und starrte Reita durchdringend an, was dieser mit demselben Blick und einer gehobenen Braue erwiderte. Oh, wenn Blicke töten könnten. „Wir fassen jetzt mal in Ruhe zusammen. Ihr wart gestern gemeinsam an der Bar, Getränke holen“, summierte Reita und erntete ein stockendes Nicken von Sui und ein hartes, „Ja!“, von Keisuke. „Was bedeutet, dass wir nicht nachvollziehen können, was genau gestern beim Bestellen vorgefallen ist. Wie genau lief das ab? Ich meine.. Wer von euch hat die Bestellung abgegeben?“, wollte der Brünette streng blickend wissen, und verwundert sahen er, meine Mutter und ich den Schwarzhaarigen an, als der unberührt und auf die selbstverständlichste Art und Weise, „Ich“, antwortete und nonchalant in die Runde blickte. „Jedoch wurde ich gleich darauf von einem Bekannten angesprochen und habe mich von der Theke abgewandt, um mich mit diesem zu unterhalten. Sui war derjenige, der darauf gewartet hat, dass die Getränke fertig gemixt werden“, redete er weiter und gab uns erneut einen Grund, verwundert aus der Wäsche zu schauen. Es kam mir beinahe so vor, als versuchte Keisuke, sich ungeschickt zu rechtfertigen. Sui hatte auf diese Worte hin nur verzweifelt aufgestöhnt und hatte den Kopf erneut geschlagen zwischen die Schultern sinken lassen. „Stimmt das, Sui?“, fragte Reita ganz in Verhörmanier und erhielt ein schwaches Nicken von dem Älteren. „Aber ich war es wirklich nicht! Ich habe mir damals geschworen, dieses Zeug nie wieder auch nur anzusehen, da ich doch weiß, was der Mist mit einem anstellen kann. Wieso sollte ich also Kouyou so etwas antun? Der einzige Sohn der Partnerin meines besten Freundes? Ich bitte euch!“ Der traurige und zeitgleich flehende Blick Suis galt diesmal nur mir persönlich und ging mir durch Mark und Bein. Ich wusste nicht wieso, aber mein inneres Gefühl sagte mir, dass Sui ganz bestimmt die Wahrheit sagte. Und wenn mein Inneres mir das sagte, dann konnte ich mich auch darauf verlassen! Konnte ich schon immer! Na ja, meistens jedenfalls. Trotzdem konnte ich einfach nicht meinen Mund aufmachen, um etwas zu sagen und dem Brünetten somit das Gefühl zu geben, dass ich ihm nichts vorwarf. Auch Reita erweichte anscheinend langsam und fing an, Mitgefühl zu zeigen, von meiner Mutter ganz zu schweigen. Sie war schnell aufgestanden, um dem Brünetten, der noch immer leise vor sich hin hickste, ein Wasser und Taschentücher zu bringen, und nun saß sie wieder neben ihm und konnte es sich nicht verkneifen, mit ihren Daumen den verschmierten Eyeliner von seinen Wangen zu wischen. Sui wiederum sah sie nur verschüchtert und gekränkt an. Nur Keisuke sah irgendwie wütend zu Boden, die Brauen dabei so sehr zusammengezogen, dass sich tiefe Furchen auf seiner sonst so glatten Stirn bildeten und ihn somit unsympathisch und streng aussehen ließen. „Trotzdem erklärt das immer noch nicht, wie die Drogen da hineingekommen sind!“, fuhr Reita jetzt fort, der eine Hand an sein Kinn geführt hatte und sich überlegend den nicht vorhandenen Bart zwirbelte. Leicht nickend stimmte ich dem zu und drängte mich näher an meinen Freund, hakte unsere Arme ineinander und warf zurückhaltende Blicke in die Runde. Allein der Gedanke, dass dieses Theater hier nur wegen mir veranstaltet wurde, ließ mich ziemlich unwohl in meiner Haut sein. Und ich brachte es nicht einmal über mich, den Mund zu öffnen und etwas zu sagen. Ich konnte nicht einmal ansatzweise beschreiben, wie verloren ich mir gerade vorkam. Reita allein war der Grund, wieso ich nicht schon völlig in mich zusammengesunken war. “Ich möchte niemanden beschuldigen, weil ich nicht das Recht dazu habe-“, Sui warf Keisuke einen anschuldigenden und sehr bedeutungsschwangeren Blick zu, was dieser jedoch gekonnt ignorierte, und redete weiter, „Aber ich kenne den Barkeeper von gestern persönlich. Ich will ihm nicht vorwerfen, dass er die Drogen da hineingemischt hat, aber ich weiß, dass er noch immer in solchen Kreisen verkehrt“ „Wie?! Und da lassen sie diese Person noch dort arbeiten?!“, regte sich meine Mutter sofort auf und konnte sich nur schwer wieder abregen, als Sui, „Er wird sicher nicht so unüberlegt mit dem Fakt hausieren gehen und seinem Arbeitgeber und seinen Kollegen mal so nebenbei stecken, dass er zum Spaß Drogen nimmt und gerne mal benebelt bei der Arbeit erscheint, Nami. Du wärst überrascht, wie viele Etablissements dieser Art sowas sogar zulassen oder gar gekonnt ignorieren, Liebes“, murmelte und nervös mit dem Zeigefinger in dem Loch seiner ausgewaschenen Jeans herum pulte. „Haben du und der Barfutzi irgendeine Beziehung zueinander, die von Belang wäre, Sui?“, wollte Reita direkt wissen, und wir alle konnten sofort sehen, wie Sui leicht rot um die Nase wurde und die Situation anscheinend Unbehagen in ihm auslöste. Beschämt kratzte sich der feminine Mann am Hinterkopf und brachte somit seine hochgesteckte Frisur weiter durcheinander. „Wie soll ich sagen.. Mir fällt das jetzt nicht leicht, aber.. Wir haben damals während meiner Suchtphase oft unter Einfluss miteinander geschlafen. Er steht noch immer auf mich und hat auch schon öfter versucht, mich um seinen Finger zu wickeln, aber ich habe jedes Mal abgelehnt, weil ich mich nicht erneut in so etwas hineinreiten lassen wollte“, verriet er uns und Reita dachte ein wenig weiter und meinte anschließend triumphierend, „Und da dachte er vielleicht, dass der Bambi für dich ist und hat deswegen die Pillen reingeschmissen als du nicht hingesehen hast!“ „Völliger Quatsch!“, unterbrach Keisuke das Gejubel Reitas und das erlöste Lächeln meiner Mutter mit einem ungeduldigen Schnauben und sah durchdringend zu seinem besten Freund rüber, der den Blick nur mit einem erschlafften Gesichtsausdruck erwiderte. Aller Augen waren wieder auf den 29-Jährigen gerichtet. „Was meinst du damit?“, wollte meine Mutter zweifelnd wissen und legte die Stirn überfordert in Falten, als Keisuke schnarrend an den Brünetten gerichtet, „Eiji weiß ganz genau, dass du niemals ein Getränk ohne Alkohol trinken würdest! Warum also sollte er gedacht haben, dass der Drink gerade für dich bestimmt war?“, fragte. Täuschten mich meine Ohren oder beharrte Keisuke immer noch darauf, dass Sui der Übeltäter war? Ich fasste einen Entschluss und sagte endlich auch mal etwas dazu. „Sag mal, Keisuke. Versuchst du gerade wirklich deinen besten, ich wiederhole, besten Freund schlecht zu reden?“ Diesmal waren alle Augenpaare verwundert auf mich gerichtet, da ich bis eben nicht ein Wort gesagt hatte und mich nun so zu Wort meldete. Ja, hallo? Das war ja wohl eine berechtigte Frage! Doch der 29-Jährige war am meisten überrascht und wusste wohl nicht so recht, was er nun dazu sagen sollte. Diese simple Frage meinerseits hatte ihn so sehr aus dem Konzept geworfen, dass er nur herumdruckste und nichts zu sagen wusste. Ich konnte an Suis Blicken, die er mir zuwarf, sehen, dass er sich aufrichtig bei mir bedanken wollte. Der Kerl tat mir echt leid.. So heruntergemacht zu werden aufgrund einer Vergangenheit, die zugegebenermaßen nicht so blumig gewesen war, fühlte sich sicher schrecklich an. Und dass Keisuke so ein Arschloch zu ihm war, konnte ich nicht nachvollziehen. Was einmal passiert war, war passiert und gehörte nun der Vergangenheit an. Wieso also andauernd das Thema erneut aufwirbeln? Vor allem, wenn Keisuke doch anscheinend derjenige gewesen war, der Sui aus diesem Loch herausgeholt und ihn unterstützt hatte und nur zu gut wissen musste, wie Sui sich bei solchen Anschuldigungen fühlte? „Woher soll dieser Eiji wissen, was Sui macht und was nicht? Kennt der Typ seinen Lebenslauf? Sui hat Kouyou und mir gestern Abend noch selbst erzählt, dass er besagten Cocktail mag und ihn manchmal selber gerne trinkt, wenn er eben keine Lust auf Alkohol hat!“, war es nun auch Reita, der noch einmal grundlegend dafür sorgte, dass Keisuke sich nicht mehr in Worte fassen konnte und entrüstet, wie ein Fisch nach Wasser, nach Luft schnappte. „Ich weiß nur so viel. Als Kei gestern abgelenkt wurde, habe ich akribisch aufgepasst, dass Eiji alle bestellten Getränke anständig für uns mixt. Und kurz nachdem ich ihn bezahlt habe, wurde auch ich von jemandem angesprochen, den ich aber nicht kannte. Ich habe natürlich versucht, das Gespräch sofort zu beenden, da ihr unsere Priorität wart, und habe dann nur gesehen, wie Kei überfordert versucht hat, alle Gläser auf einmal in die Hände zu nehmen. Daraufhin habe ich ihm natürlich geholfen und hab den Bambi und zwei weitere Gläser geschnappt, um beim Tragen zu helfen. Und das war‘s auch schon gewesen“ Und dieses Geständnis Suis rückte Keisuke in ein völlig neues Licht, was der Schwarzhaarige, mit ihm deutlich anzusehenden Unwohlsein, wohl auch bemerkte. „Was schaut ihr mich jetzt so an? Wollt ihr mir etwa damit sagen, dass ihr denkt, ich war‘s?“, fragte er versucht unbefangen, die Arme ausgebreitet, als wollte er verdeutlichen, dass die direkte Anschuldigung an ihm vorbeiging. „Nein, nein, wollen wir nicht.. Und ich würde sagen, das reicht erst einmal für heute. So kommen wir nicht weiter“, versuchte meine Mutter, die Versammlung zu beenden, was auch wunderbar klappte. Sui entschuldigte sich noch einmal kleinlaut und ließ sich von meiner Mutter umarmen, die sich ebenfalls reuleidig bei ihm entschuldigte, bevor er aufstand, gefolgt von Keisuke, der direkt auf meine Mutter zuging, um sie in den Arm zu nehmen und ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Ich konnte sehen, wie meine Mutter verstehend nickte und dabei die Umarmung so innig erwiderte, wie Keisuke selbst sie begonnen hatte. Um dem Anblick nicht ausgesetzt zu sein, stand ich auch auf, worauf auch Reita reagierte und sich erhob. Hätte ich doch nur etwas zu dem Vorfall von gestern gesagt.. Jetzt war es erneut zu spät dafür. „Ich weiß nicht, aber mir kommt die ganze Sache ziemlich faul vor“, tat er leise kund. Und wieder einmal teilte er mit mir denselben Gedanken. Wir beide begleiteten Sui in den Flur, der es bis eben nicht gewagt hatte, mich direkt anzusprechen. „Es tut mir wirklich aufrichtig leid, was dir gestern widerfahren ist, Kouyou. Das hätte niemals passieren dürfen. Wäre es nicht nach meiner Nase gegangen, hätten wir wahrscheinlich doch noch einen schönen Abend gehabt. Aber ich wollte ja unbedingt in diesen verkorksten Laden..“ Ich erinnerte mich an Toshiyas gestrigen Worte. „Na ja, aber im “Juice“? Die sind da alle ein wenig, wie soll ich sagen, seltsam!“ Wie recht er gehabt hatte. Der selbstsichere und eingebildete Sui von gestern Abend war wie weggepustet, und vor mir stand plötzlich ein Häufchen Elend, was sich nicht einmal traute, mir richtig ins Gesicht zu schauen. Um es ihm zu erleichtern, überwand ich mich einfach und zog ihn in meine Arme, was ihn perplex die Augen weiten ließ. So sehr er mich gestern mit seiner Art noch auf die Palme getrieben hatte, konnte ich nicht anders, als ihn jetzt fest an mich zu drücken und darüber hinwegzusehen, um ihm zu zeigen, dass ich an seine Unschuld glaubte. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie viel dieser Mann schon durchgemacht haben musste. Gleich darauf konnte ich seine schwachen Arme um meinen Rücken spüren. „Das war ganz sicher nicht deine Schuld und ich bin dir auch nicht mehr böse. Wobei ich ehrlich sein will. Ich hatte dich genauso verdächtigt, wie meine Mutter. Mir tut es leid, dass ich so oberflächlich war, dich nach deiner Vergangenheit zu beurteilen, die mich bei weitem nichts anging“, nuschelte ich beschämt und konnte förmlich das dankbare Lächeln spüren, was sich auf Suis schönen Lippen ausbreitete. „Ich wünschte, wir könnten noch einmal von vorne beginnen, ohne diesen schrecklichen Zwischenfall. Ich glaube, wir würden uns gut verstehen, wir beide“, äußerte der Brünette seinen Gedanken leise, was mir ebenfalls ein Lächeln auf die Lippen trieb. Ob wir uns denn nun wirklich gut verstehen würden, war ein anderes Thema. Ich glaubte, wir beide passten vom Charakter her eher nicht wirklich zueinander. Nur Reita sah ratlos zwischen uns hin und her und ergriff dann das Wort. „Da wir die Sache nun mehr oder weniger geklärt haben und ich anscheinend einen Barkeeper zur Strecke bringen muss, würde ich sagen, wir verabschieden uns vorerst voneinander. Ich will nicht unhöflich sein, aber immerhin muss Kouyou noch etwas essen und ein wenig Schlaf nachholen“ Hellhörig sah Sui Reita an, traute sich aber anscheinend nicht wirklich, etwas gegen dessen Wort einzuwenden. Der Brünette verbeugte sich noch einmal respektvoll und dann kamen auch schon meine Mutter und Keisuke um die Ecke. Man verabschiedete sich eher kleinlaut voneinander, und Keisuke drückte mich noch einmal kurz an sich, reichte Reita mit überaus kalter Miene die Hand und folgte Sui wortlos aus der Tür. Sobald die Haustür ins Schloss fiel, atmeten wir drei synchron auf und mussten deswegen leise lachen. „Verdammt, war das anstrengend..“, seufzte meine Mutter, sich die Schläfe massierend, und wurde sogleich von Reita gehänselt. „Mit den Nerven am Ende, Nami? Weißt du, was das bedeutet? Das bedeutet, du wirst alt!“ Empört, doch gleich darauf lachend ließ meine Mutter einen Arm von Reita um ihre Schulter legen und ging mit dem Blonden Richtung Küche. Ich rief nur hinterher, dass ich mich noch ein wenig hinlegen würde, da die ganze Aktion an meinen Nerven gezehrt hatte. Mir die noch immer müden Augen reibend erklomm ich die Treppen nach oben und stieß die Tür zu meinem Zimmer auf. Beinahe leblos ließ ich mich vornüber auf mein Bett fallen und blieb so liegen, hatte nicht einmal die Lust, mich zuzudecken, obwohl es durch das offene Fenster doch recht frisch im Zimmer wurde. Doch dies übernahm Reita für mich, der eine Viertelstunde später ebenfalls in mein Zimmer kam, bewaffnet mit zwei Tellern dampfender Suppe. „Baby, schläfst du?“, hauchte er mir zärtlich ins Ohr und küsste sogleich mein Ohrläppchen, was mich wohlig aufatmen ließ. „Nein, bin noch wach..“, murmelte ich und kuschelte mich tiefer in die Decke und somit auch in seine Arme, da er sich neben mich gelegt hatte. „Nami hat Suppe aufgewärmt, wenn du willst“, murmelte er und verteilte dabei leichte Küsse auf meinem Gesicht, was mich selig lächeln ließ. Der heutige Tag war mit Sicherheit der merkwürdigste und auch anstrengendste Tag in meinem bisherigen Leben gewesen, und ich hoffte, dass dies eine einmalige Erfahrung blieb. Jetzt hatte ich also offiziell einen Drogenrausch hinter mir, und ich konnte mir bei bestem Willen nicht erklären, wie sich einige Menschen diesen Mist freiwillig antun konnten. Ich ließ mir von Reita hoch helfen, setzte mich aufrecht hin und nahm den Teller, den er mir reichte. Gemeinsam löffelten wir unsere Suppe und wechselten dabei vielsagende Blicke untereinander, da wir nicht reden konnten, was sowieso nicht nötig war. Wir verstanden uns auch so. Sobald wir beide fertig waren, legten wir uns wieder gemeinsam hin, Reita unter mir, ich über ihm. „Schlaf dich jetzt noch mal schön aus, Baby. Da du morgen sowieso krankgeschrieben bist und ich mir deswegen Urlaub genommen habe, können wir gemeinsam etwas unternehmen“, säuselte mein Schatz, während er mein Haar mit seinen Fingern kämmte und dabei gen Zimmerdecke schaute. Stimmt ja, ich war für morgen von der Arbeit befreit. Das kam mir sehr gelegen. Ich könnte ja morgen gemeinsam mit Reita unsere Freunde besuchen und ihnen erzählen, was heute alles passiert war. Immerhin wollten sie sicher auch wissen, was sich hier abgespielt hatte. Und ich denke, ich müsste von nun an Keisuke besser im Auge behalten. Eine Person, die den eigenen besten Freund versuchte, ins schlechte Licht zu rücken, konnte doch nicht so rein sein, wie ich es mir vorher gedacht hatte, oder? Mit wirren Gedanken ließ ich die Augen zu driften und schlummerte schon bald ein. Mal sehen, was mir der morgige Tag so bringen würde. Kapitel 12: ~12~ ---------------- „Das finde ich wirklich sehr zuvorkommend von Ihnen. Wenn Sie nichts dagegen hätten, würde ich sie gleich abholen kommen!” Murrend vergrub ich mein Gesicht tiefer in der warmen Halsbeuge unter mir und keuchte mangels Sauerstoffs heiß hinein, was dazu führte, dass der Körper, der bis eben bewegungslos unter mir gelegen hatte, plötzlich zu zucken anfing und Gänsehaut bekam. Träumte ich nur oder redete hier wirklich jemand? Wie spät war es eigentlich? Und warum zum Teufel konnte ich nie wirklich in Ruhe ausschlafen, wenn ich denn mal die Gelegenheit dazu hatte? Immer wurde ich von irgendjemandem aus meinem Schlaf gerissen. Ich war es leid! Wenn ich nicht so schlaftrunken wäre, würde ich mir die Mühe machen, aufzustehen, als Reita einen halbherzigen Versuch startete, mich von sich herunterzuschieben. Ich klammerte mich auf dessen Versuch aber aus Trotz nur noch fester an ihn, weil ich jetzt nicht von ihm runter wollte, da er so schön warm war. „Ja, die Adresse ist mir bekannt, danke. Nicht nötig. Ich denke, ich kann in einer halben Stunde dort sein“ Diesmal redete Reita leiser, was es mir noch schwerer machte, seinen Worten zu lauschen. Ehrlich gesagt war ich nicht einmal darauf aus, ihm zuzuhören. Zu sehr war ich noch zwischen Schlaftrunkenheit und Wachzustand gefangen. Nicht einmal als er sich aufzusetzen versuchte, war ich so nett, ihn zu entlassen. Er sollte jetzt hierbleiben! „Aber sicher. Das ist sehr nett, dass Sie für uns eine Ausnahme machen. Das weiß ich sehr zu schätzen. Ja, danke sehr. Bis dahin!“, sprach der Traum von Mann unter mir noch immer gedämpft und legte sogleich auch sein Handy mühevoll weg. Zufrieden, dass er endlich still war und aufgehört hatte, sich zu regen, schmatzte ich genüsslich auf und ließ mir die Finger in meinem Haar gefallen, die spitzbübisch an meinen Strähnen herumspielten und mich damit noch dösiger machten. „Baby”, hauchte Reita leise, was mich die Augen fester zukneifen ließ. Vielleicht musste ich ja nur so tun, als würde ich immer noch tief und fest schlafen, damit er endlich aufhörte, unter mir hervorkommen zu wollen. Denn der Ältere hatte erneut angefangen, zu zappeln. „Hey, bist du wach?”, fragte er jetzt leise und dümmlich und piekte mir dabei mit dem Zeigefinger in die Wange. „Hhhm!”, grummelte ich missmutig zum Schluss und schlug die Augen vollends auf, stütze mich links und rechts von Reita auf meine Ellenbogen und sah anklagend zu ihm runter. Reita wiederum lächelte mir entgegen und nuschelte mir ein niedliches, „Guten Morgen, Schönheit!”, zu, was mich sofort breit grinsen ließ. „Guten Morgen, schöner Mann”, erwiderte ich leise und ließ es zu, dass er mein Gesicht in seine Hände nahm und mir mehrere Küsse auf die Lippen hauchte. Gott, diese Lippen.. Ich würde niemals genug von ihnen kriegen. „Gut geschlafen?”, fragte er, die Hände unter der Decke an meinen Seiten hinabführend, bis sie auf meinen Hüften ruhten und mich fester an sich drückten. Ich nickte auf die Frage hin und hob nur eine Augenbraue, da ich merkte, wie er plötzlich erneut versuchte, unter mir hinwegzukommen. Ich ließ mich doch nicht so verarschen! „Was ist denn los? Wie spät ist es eigentlich, dass du hier versuchst, aus dem Bett zu flüchten? Du bleibst jetzt hier und damit basta!”, meckerte ich gedämpft, da ich mir der Uhrzeit immer noch nicht bewusst war und es sein konnte, dass meine Mutter noch schlief. Ich wollte sie an ihrem freien Tag immerhin nicht wecken, auch wenn sie sowieso sicher schon wach war. Reita sah mich nur bittend an und wollte mich erneut von sich runterdrücken, aber ich klammerte mich immer noch an ihm fest. „Oh Baby, bitte. Wir können doch nicht den ganzen Tag im Bett liegen, wir haben doch noch so viel vor. Und außerdem muss ich jetzt erst mal los!”, sprach mein Freund jetzt wehleidig und fing an, sich mit mir zu raufen. Spielerisch hatte ich einen kleinen Kampf angefangen, dessen Sieg natürlich Reita mit sich trug. Letztendlich lag ich mit vorgeschobener Unterlippe unter ihm, während er über meinem Schoß hockte und überlegen und dennoch versucht unschuldig dreinblickte. „Wohin musst du?”, wollte ich beleidigt wissen und hob nur ungläubig beide Brauen, als er stotternd, „Zu ‘nem Arbeitskollegen, der heute ebenfalls frei hat”, sagte und mich gequält anschaute, als ich ihn weiter ausfragte. Hatte ich schon einmal erwähnt, dass Reita immer dann zu stottern anfing, wenn er mich ungewollt anlog und mir einfach nicht die Wahrheit sagen konnte? Das war irgendwie süß, und außerdem konnte ich ihn wunderbar damit aufziehen. „Und warum musst du dahin?” „Weil.. Weil er sein Fachbuch in der Schule hat liegen lassen und es dringend zum Üben braucht. Und deswegen leihe ich ihm meins!”, stammelte er sich einen zurecht und wusste genau, dass ich ihm kein Wort glaubte. „Ach ja. Und du brauchst dein Buch also nicht”, machte ich langgezogen und bildete kurz ein Hohlkreuz, um ihn von mir runterzuwerfen, doch da war der Ältere einfach viel stärker. Und fetter anscheinend auch. „Wenn er es so dringend braucht, warum kommt er dann nicht selbst hierher, um es sich abzuholen, Rei? Du bist immerhin kein Postbote!” Ja, es war vielleicht fies von mir, ihn so in die Ecke zu drängen, aber ich wollte wissen, was er wirklich im Schilde führte. Früher oder später würde ich es so oder so erfahren, warum also nicht gleich? „Hier, ähm, Dings. Weil er nicht weiß, wo ich wohne!”, warf er ein und dachte wahrscheinlich, dass das für mich zufriedenstellend war. War es aber nicht. Dennoch ließ ich es sein, da ich ihm nicht weiter auf die Pelle rücken wollte. Wenn er es mir vorerst nicht sagen wollte, dann verstand ich das.. Irgendwie. „Ist gut, dann fahr eben zu deinem Arbeitskollegen. Aber tut mir doch bitte den Gefallen und benutzt ein Kondom. Ich hoffe, dass er wenigstens hübsch ist. Ich könnte es niemals verkraften, wenn du mich mit einem Kerl betrügen würdest, der hässlich ist!”, sagte ich in einer dramatischen Tonlage, die Reitas Gesicht wie sooft entgleisen ließ. Ich liebte es, wenn er so schaute. „Was zum?! Du hast sie echt nicht mehr alle!”, murrte er und stieg beleidigt von mir runter, um sich anzuziehen. Während ich ihm dabei zusah, wie er sich seine weite Jeans über die Beine zog, dachte ich noch einmal kurz an das Telefonat von eben, konnte mich aber nicht wirklich dran erinnern, was Reita geredet hatte. Also gab ich es schulterzuckend auf und horchte hin, als Reita sagte, ich solle schon einmal aufstehen und mich fertig machen. „Wieso?”, wollte ich neugierig wissen und strahlte sofort übers ganze Gesicht, als er mir sagte, dass wir frühstücken fahren und gleich danach unsere Freunde besuchen würden. Na, das war doch mal eine gute Idee! Das hatten wir schon ewig nicht mehr gemacht, auswärts frühstücken. Zumal ich den Jungs sowieso noch vom gestrigen Tag erzählen wollte. Allein der Gedanke daran machte mich irgendwie müde. Das Gespräch hatte uns zu nichts geführt. Insgeheim hoffte ich ja, dass wir dieses Thema noch einmal aufgreifen würden, um endlich die Wahrheit herauszufinden. Doch nach der gestrigen Situation und dem Verhalten von Keisuke und Sui glaubte ich kaum, dass wir jemals erfahren würden, wer nun dieses widerliche Zeug in meinen Drink gemischt hatte. Wer weiß, vielleicht würde meine Mutter noch einmal das Gespräch mit Keisuke aufsuchen, allein. Denn immerhin glaubte ich, dass er sich gestern von Reita provoziert gefühlt hatte, da dessen direkte Fragen angriffslustig geklungen hatten. Ach, ich war nur froh, dass ich mich heute wieder wie immer fühlte. Einfach nur gut, wenn auch noch etwas schläfrig. Und außerdem hätte ich es doch gerngehabt, wenn Reita noch ein wenig mit mir gekuschelt hätte, aber der Herr musste ja zu seinem Arbeitskollegen und diesem ein Fachbuch überliefern. Jaaa klar! So schnell, wie Reita mir einen Abschiedskuss aufhauchte, konnte ich gar nicht gucken. „Brauchst nicht bis zur Tür kommen, geh lieber duschen. Wir sehen uns in ‘ner halben Stunde, also beeil dich, Baby!”, plapperte er noch und eilte auch schon aus meinem Zimmer. Gott, wieso hatte er es so eilig?! Miesepetrig stieg ich aus meinem gemütlichen Bett und schlurfte ins Bad rüber, um meiner morgendlichen Routine nachzugehen. Duschen, Zähne putzen, Haare machen und so weiter und so fort. Als ich mich abwesend im Spiegel betrachtete, flammte kurz der spontane Gedanke auf, mein Haar wieder zu blondieren, doch sofort verwarf ich den Gedanken wieder, da ich mir so einfach mehr gefiel. Ich wusste aber auch, dass Reita sicher nichts dagegen hätte. Ich sah mit meinem schwarzen Haar jedoch erwachsener und viel seriöser aus, was sich auch positiv auf meine Arbeit auswirkte. Reita schwärmte manchmal immer noch von meiner damaligen blonden Mähne. Ich wollte aber nicht auf meine Haarfarbe reduziert werden, also beließ ich es eben bei schwarz. Meinem Spiegelbild trotzig die Zunge rausstreckend drehte ich mich herum und verließ das Bad und gleich darauf auch mein Zimmer. Dass meine Mutter wirklich schon wach war, hatte ich mir schon gedacht. Es war jetzt kurz nach neun, und sie saß in ihrem Morgenmantel in der Küche, las Zeitung und trank gemächlich ihren morgendlichen Kaffee. „Morgen Ma!”, grüßte ich sie und ging direkt auf die kleine Frau zu, um ihr einen herzhaften Schmatzer auf die Wange zu geben, was sie sofort glücklich lächeln ließ. Es war schön zu wissen, dass allein solch kleine Gesten reichten, um ihr so ein Lächeln auf das hübsche Gesicht zu zaubern. „Gut geschlafen?”, fragte ich sie, während ich zum Kühlschrank ging, um mir meinen Saft zu schnappen. „Hmhm”, machte sie nicht sehr überzeugend und fragte mich ebenfalls, worauf ich wahrheitsgemäß antwortete. Sicher war sie überrascht, dass ich an einem freien Tag so früh schon auf den Beinen war. Als ich einen Schluck von dem Multivitaminsaft nahm, rümpfte ich sofort die Nase. Nach dem Zähneputzen sollte ich echt die Finger von so etwas lassen. Das schmeckte ja grauenvoll! Meine Mutter lachte mich auf diesen sauren Gesichtsausdruck hin nur aus und wollte gleich darauf wissen, wo Reita hingegangen war. „Er ist eben wie von einer Tarantel gestochen aus dem Haus gelaufen und hat mich nicht einmal bemerkt!”, fügte sie noch mit großen Augen hinzu und legte die Stirn verwirrt in Falten, als ich eher zu mir selbst, „Sicher muss er sich beeilen, weil sein Arbeitskollege sehnsüchtig auf ihn wartet..”, murmelte. Natürlich meinte ich das nicht ernst, was meine Mutter ja wiederum nicht wissen konnte. Ich setzte mich zu ihr an den Küchentisch und unterhielt mich mit ihr, machte aber geschickt einen Bogen um das Thema “Keisuke und Sui”. Wir beide hatten beschlossen, den gestrigen Tag innerlich und im Stillen zu verarbeiten, da es wohl der einzig beste Weg war. Stattdessen erzählte ich ihr jetzt, was ich heute noch vorhatte. „Er meinte, wir würden erst frühstücken fahren. Und danach wollen wir die Jungs besuchen”, redete ich gedankenversunken an meinem Ring spielend, den ich an meinem Zeigefinger trug. „Klingt schön. Ich hatte heute eigentlich nicht viel vor. Himari hat vorhin geschrieben, dass sie in die Stadt wollte. Vielleicht gehen wir gemeinsam”, verriet mir meine Mutter ihre Pläne. Ich wusste jedoch, dass sie nicht nur mit Reitas Mutter in die Stadt gehen würde, um dort durch die Straßen zu bummeln. Sicher würde sie sich mit Keisuke noch einmal allein und in Ruhe aussprechen. Sollte sie das nur tun. Vielleicht war es sogar besser, wenn nur die beiden miteinander redeten, ohne dass Sui, Reita oder ich daneben hockten. Nickend zeigte ich ihr, dass ich ihr ganz Ohr war. Ich hatte vorher mit Toshiya telefoniert, dass wir heute zu Besuch kommen würden. Und er hatte mir daraufhin verraten, dass er heute eh vorgehabt hatte, uns alle zusammenzutrommeln. Umso besser. Da Reita gesagt hatte, ich solle in einer halben Stunde ausgehfertig sein, stand ich jetzt bereit zum Aufbruch in der Küche am Fenster und sah seit fünfzehn Minuten in den bunten Vorgarten. Weit und breit kein Reita. Was dauerte denn da so lange? Missmutig zog ich mein Handy aus meiner luftigen Jacke und wählte sofort Reitas Nummer. Ich ließ es klingeln, bis das Freizeichen schon zum vierten Mal zu hören war, was mich langsam aber sicher wirklich wütend machte. Er brauchte doch sonst nie so lange, um abzunehmen. Gerade als ich aufgebracht auflegen wollte, ertönte ein abgehetztes, „Ja?“, am anderen Ende des Hörers. „Akira Suzuki, du bist mir eine Erklärung schuldig!”, murrte ich gespielt verärgert in den Hörer, das Kichern meiner Mutter hinter mir grinsend ignorierend, die jetzt die Küche verließ, um sich ebenfalls umzuziehen. „Tut mir leid, ich bin schon auf dem Weg!“, hörte ich ihn hastig und außer Atem sprechen und gleich darauf konnte ich genauestens hören, wie er seine Autotür zuschlug und den Motor startete. Dann sollte ich wohl besser auflegen. „Ist gut, aber fahr bitte vorsichtig, ist das klar?”, befahl ich ihm gebieterisch und konnte ihn lachen hören. „Klar. Bis gleich, Schönheit!“ Kam es mir nur so vor oder klang er mit einem Mal wirklich erfreut? Ich konnte seine plötzliche gute Laune beinahe durch die Leitung hindurch spüren. Der Gedanke, dass ich dafür verantwortlich war, dass er so gute Laune hatte, machte mich ungemein stolz. Woher sollte ich aber wissen, dass diesmal nicht ich dafür zuständig war? Winkend verabschiedete ich meine Mutter an der Haustür, die ihre Tasche schulterte und durch den Vorgarten ging, das glänzende, glatte Haar dabei auf- und abwippend. Ich lächelte ihr zu, da sie sich beim über die Straße gehen noch einmal zu mir herumdrehte, um mir einen Luftkuss zu schicken. Tief einatmend, da das Wetter so schön und die Luft so klar war, drehte ich mich wieder herum, um das Haus zu betreten, als ich eine mir sehr bekannte Hupe hörte, die mich erneut herumfahren ließ. Reita grinste mir aus seinem Wagen entgegen und winkte mich herüber. Ich verschränkte aber nur mit zusammengepressten Lippen die Arme vor der Brust und schaute ihn herausfordernd an. Der Ältere sah sich dadurch gezwungen, den Gang rauszunehmen, die Handbremse zu ziehen und aus dem Wagen zu steigen. Mit erhobenen Händen, die symbolisieren sollten, dass er unschuldig war, kam er auf mich zu und säuselte meinen Namen, was mich aber nur dazu brachte, ihm den Rücken zuzukehren und wirklich ins Haus zurückzugehen. Jedoch musste ich grinsen, da er sich so süß anstellte, um mich wieder zu beschwichtigen. Er hatte von hinten seine Arme um meine Taille geschlungen, stützte sein Kinn auf meiner Schulter ab und entschuldigte sich leise. „Warum hast du so lange gebraucht?”, fragte ich gespielt beleidigt und ließ mich von ihm herumdrehen. Ehe ich mich versah, legten sich seine Lippen fest auf meine. Reita, der seine Hände an meinen Hintern gelegt hatte, um so unsere Unterleiber fest aneinanderzupressen, nippte abwechselnd an meiner Unterlippe und küsste mich wie schon so oft geübt um den Verstand. „Ach.. Ist ja auch egal..”, hauchte ich wie benebelt zwischen zwei Küssen und schnappte noch einmal nach diesem süßen Mund, der sich aber nur zu einem schiefen Grinsen verzog und mir auswich. Der Herr wusste eben, wie er mich geschickt um den Finger wickeln konnte. „Schuhe anziehen und mitkommen. Ich habe eine Überraschung für dich!” Bei diesen Worten wurde ich sofort hellhörig. „Überraschung?”, fragte ich verwundert und war schneller aus dem Haus und im Wagen, als Reita blinzeln konnte. Der Ältere kam kopfschüttelnd und mit einem weiten Lächeln herüber zum Wagen und stieg ein. Die Handbremse lösend und den Blinker betätigend, sagte er, „Wir fahren jetzt erst mal was essen. Du hast hoffentlich noch nicht gefrühstückt?”, worauf ich nickend, „Hab auf dich gewartet!”, sagte und ihn dazu brachte, mich verwundert anzusehen. „Warum plötzlich so guter Laune?”, fragte er schelmisch und lachte auf, als ich aufgeregt, „Du hast eine Überraschung für mich, also habe ich gute Laune!”, sprach und es mir nicht verkneifen konnte, wie ein kleines Kind freudig in die Hände zu klatschen. Das geheimnisvolle Gespräch von heute Morgen und den ominösen Arbeitskollegen mit dem verlegten Fachbuch hatte ich schon längst vergessen. Jede Überraschung, die von Reita kam, war wunderbar. Ich liebte es, von dem Kleineren überrascht zu werden, da seine Kreativität keine Grenzen kannte. Ich beließ es jetzt aber dabei und zählte euch mal lieber nicht auf, was das alles für Überraschungen waren. Der Verkehr war wie immer proppenvoll und nervenaufreibend. Ungeduldig auf meinem Platz hin- und herwackelnd wartete ich darauf, dass Reita mir wenigstens einen kleinen Hinweis gab. Doch der Herr schwieg nur und lächelte breit, was mich wiederum nur noch hibbeliger werden ließ. Ich drehte die Anlage leiser, damit er mich besser hören konnte. „Können wir nicht-” „Nein, wir müssen erst frühstücken. Ich sterbe vor Hunger und du sicher auch”, blockte Reita ab, während er seinem Ziel anscheinend näher zu kommen schien, da er jetzt schon nach einem Parkplatz Ausschau hielt. Wenn ich ehrlich war, starb ich eher vor Neugier als vor Hunger, und das war doch sehr selten, da ich ziemlich verfressen war. Dennoch gab ich schlussendlich nach und stieg aus, als er vor einem Laden anhielt, der alle Arten von Sandwiches anbot. Hey, vielleicht könnte ich ihn ja dazu überreden, einfach etwas zu kaufen und weiterzufahren, ohne hier Zeit mit Herumsitzen zu verschwenden? Ja, was denn? Ich war nun mal verdammt neugierig. Bedeutungsvoll sandte ich ihm einen Blick zu, was ihn nur geschlagen zum Kopfschütteln brachte. Wir verstanden uns eben auch ohne Worte. Er schnappte geschlagen nach meiner Hand und meinte resignierend, „Ist gut, lass uns etwas kaufen und weiterfahren. Aber du fütterst mich während der Fahrt!”, worauf ich sofort nickend einstimmte und ihn in den Laden zog. Ein ungeduldiger Kouyou bekam eben immer das, was er wollte. Beladen mit Leckereien und etwas zu trinken stiegen wir wieder in den Wagen und ich machte mich sofort über mein Sandwich her, während Reita aus der Parklücke zu kommen versuchte. Als er sich auf gerader Strecke befand, packte ich sein Essen für ihn aus und hielt es ihm unter die Nase, worauf er nur konzentriert auf die Straße schauend immer wieder einen großen Bissen nahm und genießend kaute. Während ich so vor mich hin kaute und Reita ab und an sein Sandwich hinhielt, überlegte ich, was sich mein Schatz wohl für mich ausgedacht hatte. Es war sicher etwas sehr Besonderes, wenn er mich heute Morgen schon deswegen hatte anlügen müssen. Jedenfalls dachte ich mir, dass die Aktion von heute Morgen mit der Überraschung zu tun hatte. Als mir die Straßen, durch die Reita fuhr, bekannt vorkamen, entgleiste mir sofort das Gesicht. Wir waren auf dem Weg zu Aoi und Toshiya?! Ich wollte aber endlich meine Überraschung haben! „Reitaaa!”, nörgelte ich sofort ungeduldig, was den Älteren verwirrt zur Seite und somit zu mir herüberschielen ließ. „Was?!”, fragte er und schwieg, als ich ihn darauf aufmerksam machte, dass wir gerade auf dem Weg zu unseren Freunden waren. „Ja.. Und?”, wollte er nun nonchalant wissen, was mich wiederum tierisch aufregte. „“Und“ mich nicht so an, ich will endlich meine Überraschung haben!”, patzte ich egoistisch und verschränkte die Arme vor der Brust, als er mir sagte, ich solle mich gedulden. Ich war noch nie gut im Geduldig-sein gewesen, das wusste er. „Ich habe immer noch Hunger, du Zicke”, machte er mich geschickt darauf aufmerksam, dass ich ihn weiter füttern sollte. Seufzend reichte ich ihm sein Essen und schüttelte nur den Kopf, als er blind nach seinem Kaffeebecher griff und daran zu nippen versuchte. Manchmal wurde mir klar, dass Reita gerne mal das sadistische Schwein mimte. Und ich könnte ihn dafür schlagen. Gott, ich hörte mich ja schon an wie Toshiya. Vielleicht sollte ich diese Art an mir ändern. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich bemerkte, dass Reita auf einen Parkplatz speziell für die Gebäude um uns herum fuhr und auch sofort einen Platz beschlagnahmte. Ich sah mich um, verwirrt darüber, dass wir hier hielten. Wir waren umgeben von hohen Gebäuden, doch drum herum war eine wunderschöne Grünanlage, die völlig fehl am Platz wirkte. „Reita”, fing ich an und erhielt von ihm ein, „Hm?”, und erschreckte mich, da er grob nach dem Sandwich in meiner Hand langte, um es ungeduldig zu verputzen. „Bis zu Aoi und Toshiya sind es von hier aus noch gut fünfzehn Minuten Fußweg. Ist das Benzin knapp oder warum halten wir hier?”, fragte ich patzig und sah nur unzufrieden drein, als er kryptisch meinte, er müsse mir etwas zeigen. „Ich bin heute Morgen hierhergefahren, darum hat es ein wenig gedauert”, verriet er mir zwinkernd beim Verriegeln seines Wagens, und meine Alarmglocken schlugen schrill. Ach, hielt sich sein Arbeitskollege also hier auf? Und er war auch noch so unverschämt, mich hierher zu fahren? Einen Augenblick mal, wollte er jetzt etwa einen Dreier?! Ach Quatsch, was dachte ich hier? Das mit dem Arbeitskollegen war doch eine Notlüge gewesen. Oder? Ehe ich mich versah, hatte mich der Ältere an der Hand gepackt und führte mich, viel zu eilig für meinen Geschmack, zu einem der hohen Gebäude, mit denen ich einfach nichts anzufangen wusste. Still und im Dunkeln tappend folgte ich ihm durch die breite Haustür und ließ mich von ihm sogleich in den edel wirkenden Fahrstuhl ziehen. Während er auf den Knopf für die fünfte Etage drückte, drehte ich mich einmal um mich selbst, nur um mich in einem verspiegelten Kasten wiederzufinden. So ein verspiegelter Raum hatte manchmal seine Vorteile, ging es mir schlagartig durch den Kopf. Ah, ich hatte soeben einige verlockende Ideen, aber ich glaubte nicht, dass das Gebäude genug Etagen für diese Aktion hatte, die mir im Kopf herumschwirrte. „Komm her, Baby”, hauchte es plötzlich verführerisch hinter mir, und verzückt blinzelnd drehte ich mich herum. Ich war mir fast schon sicher, dass er Gedanken lesen konnte. Reita lehnte an der Spiegelwand hinter seinem Rücken und grinste mir kokett entgegen, die Arme einladend ausgebreitet und sich mit einem Fuß an der Wand in seinem Rücken abstützend. Ich verschwendete keine Zeit und stürzte mich sofort auf ihn, mich nicht mehr darum kümmernd, was wir hier eigentlich taten und warum wir uns überhaupt in diesem Fahrstuhl befanden. Er brachte mein Haar wild durcheinander, während er mich so hart küsste, dass es fast schmerzte und ich meinte, Blut zu schmecken. So brutal wurde er sonst nur, wenn er es wirklich nötig hatte, aber ich konnte mir kaum vorstellen, dass er nicht genug Sex bekam. Ich bitte euch, Reita und zu wenig Sex bekommen? Abwesend presste ich eine Hand auf seine Brust und konnte fühlen, wie sein Herz raste. Was war so plötzlich los mit ihm? Es kam mir fast so vor, als hätte er soeben ein Marathon hinter sich gebracht, so sehr spielte sein Puls verrückt. Ich verstand es ja, dass sein Körper reagierte, wenn wir uns näherkamen, war es bei mir ja nicht anders, aber dass sein Herz so extrem schlug, war noch nie vorgekommen, soweit ich mich erinnern konnte. Höchstens damals in der Nacht, als wir unser gemeinsames erstes Mal hatten. Verwirrt über die momentane Lage trennte ich abrupt unsere Lippen voneinander und sah ihn fragend an, doch er schlang nur seine Arme um mich, um mich herumzuwirbeln, sodass nun ich mit dem Rücken fest gegen den Spiegel hinter mir gepresst wurde. „Schatz, was-” Ehe ich überhaupt meinen Satz richtig beginnen konnte, schob er mir so hastig die Zunge in den Hals, dass mir beinahe schwindelig wurde. Nur schwer kam ich gegen das feuchte Sinnesorgan an, was rastlos in meinem Mund umhertanzte und mir somit alle rationalen Gedanken aus dem Hirn pustete. Gott, ich liebte es, wenn er mich besinnungslos küsste! Ich hatte gar nicht gemerkt, dass die Fahrstuhltür mit einem leisen “Pling“ aufgeglitten war. Ich hatte mich nur schwer unter Kontrolle und krallte mich mit allen Fingern in Reitas Schulterblätter. Mit panisch umherwandernden Augen versuchte ich auszumachen, ob sich jemand im Gang befand. Händchenhalten in der Öffentlichkeit war für mich völlig in Ordnung, nicht aber das hier, was wir gerade anstellten. Gott sei Dank waren wir allein. Reita sah es noch immer nicht für nötig, von mir abzulassen. Irgendwie nahm er gerade sowieso nichts weiter wahr. Ich konnte ihn nur mit aller Kraft von mir drücken. Schwer keuchend leckte sich Reita über die feucht glänzenden Lippen und schenkte mir nur ein entschuldigendes Lächeln, was mich einmal mehr verwirrte. Was zum Geier war plötzlich los mit ihm? „Reita, du sagst mir jetzt sofort, was-” „Komm mit!” Und wieder hatte er mich unterbrochen. So etwas mochte ich ganz und gar nicht! Zeternd ließ ich mich von ihm hinterher durch das Treppenhaus ziehen. Wir blieben vor einer hellen Wohnungstür stehen und ich besah mir die Klingel, konnte aber keinen Nachnahmen ausmachen. Okay. Langsam wurde ich wirklich ungeduldig. Da ich so verwirrt war, konnte ich mein Gehirn nicht wirklich einschalten. Eigentlich hätte ich jetzt längst draufkommen müssen, was hier vor sich ging, doch ich war im Moment nun mal ziemlich begriffsstutzig. Ich sah ihm nur in die Augen und war perplex über den Ausdruck in seinem Gesicht. Er lächelte plötzlich überglücklich, seine dunklen Augen funkelten mir förmlich entgegen und ich merkte, wie er langsam seine Hand Richtung Hosentasche wandern ließ. Was zum Teufel? Mit stockendem Atem sah ich auf den mir unbekannten Schlüsselbund, den er soeben aus der Hosentasche herausgefischt hatte. Einen Augenblick mal.. War das etwa.. „Rei?”, hauchte ich unglaubwürdig und meine plötzlich eintretenden Gedanken bestätigten sich von selbst, als er, immer noch strahlend vor Aufregung, den Schlüssel ins Türschloss steckte und ihn zweimal herumdrehte, bis ein erlösendes Klicken zu hören war, welches noch Sekunden später laut in meinen Gehörgängen widerhallte. Er stieß die Tür schwungvoll auf und ließ mir den Vortritt. Ich hatte mir völlig überrumpelt die Hand auf den Mund geschlagen und schritt nun atemlos über die Türschwelle. Oh mein Gott, träumte ich? Ich betrat den hell erleuchteten Flur und konnte links von mir die strahlende Küche sehen, da die Sonne durch das große Fenster direkt in den Raum knallte. Um Himmels Willen, war das nun meine Küche?! Rechts befand sich ein kleines Badezimmer. Mit geweiteten Augen und der Hand noch immer fest auf die Lippen gepresst ging ich geradeaus durch den Flur, merkte dabei nicht einmal, dass Reita die Tür zugeschoben hatte und mir nun von einem Ohr zum anderen grinsend folgte. Der nächste Raum war groß und ich konnte sehen, dass rechts eine weitere Tür war. Ohne weiter nachzudenken, hastete ich darauf zu und riss sie auf. Das Schlafzimmer! Dieser Raum war unser gemeinsames Schlafzimmer! Vor lauter sich überschlagender Gedanken und plötzlich vor meinem inneren Auge aufflammenden Einrichtungsideen sammelten sich Tränen in meinen Augen, die Reita sofort sah. Ich wirbelte halb herum und fiel ihm lachend um den Hals, was ihn diesmal überrumpelte. Doch sofort fing er sich, legte seine Arme ebenfalls lachend fest um meine Taille und hob mich an, um sich gemeinsam mit mir um sich selbst zu drehen. Wenn ich beschreiben sollte, was ich jetzt gerade fühlte, musste ich zugeben, dass ich dafür unfähig war. Nicht einmal ansatzweise konnte ich die Gefühle in Worte fassen, die durch jede einzelne Zelle meines Körpers zu strömen schienen. Es kam mir so vor, als würden meine Knie immer schwächer werden vor lauter Aufregung. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und es fühlte sich so an, als würde mir gleich der Atem abgeschnitten werden. Diese Überraschung war wohl die Gelungenste, die er mir je gemacht hatte. War das alles nur ein Traum oder standen wir gerade wirklich in dieser leeren Wohnung, uns innig küssend und uns zwischendrin leise Liebesgeständnisse zuflüsternd? Ich ging langsam zu Boden, Reita über mir lehnend. Der Ältere wurde mit jeder verstreichenden Sekunde immer zärtlicher und ich genoss den Kuss, den er mir gab, nachdem wir es uns auf dem kalten Boden gemütlich gemacht hatten. Nebenbei konnte ich förmlich das frische Parkett unter mir riechen. Ich glaubte noch immer nicht, dass wir wirklich hier waren. Oh, es war alles so wunderbar! Dennoch war die Vorstellung, dass diese Wohnung nun uns gehörte, ein wenig abwegig. Und deswegen fragte ich Reita leise, ob wir nun hier wohnen würden. Irgendwie hatte ich Angst vor der Antwort, hatte Angst, dass sie mich enttäuschen würde. Und das tat sie auch irgendwie. „Nein..”, hauchte er und küsste sanft meine Nasenspitze. Anscheinend merkte er meine Gemütsveränderung. Ungewollt schmollend spielte ich an den Schlaufen seines Nasenbandes in seinem Nacken, doch blickte ich sofort hoffnungsvoll auf, als er verständnisvoll lächelnd, „Aber sie könnte in Sekunden uns gehören. Ich brauche nur ein “Ja“ von dir, und ich rufe sofort bei dem Vermieter an und mache einen Termin für den schriftlichen Kram und die Übergabe aus!”, wisperte und mir immer wieder kleine Küsse auf mein Gesicht hauchte. Ich schloss die Augen und begann sofort hitzig zu überlegen. Es lag also alles in meiner Hand? Ich musste rational bleiben! Zuerst einmal müsste ich die Mietkosten kennen, gleich darauf würde ich eh noch etwas warten müssen, da noch immer nicht klar war, wie es mit meiner Mutter und Keisuke weitergehen würde. Ich wollte sie nur sehr ungern in der jetzigen Situation alleine lassen, auch wenn sie sehr wohl in der Lage war, auf sich selbst aufzupassen. Aber genauso wenig wollte ich noch länger warten, bis ich endlich mit Reita zusammenziehen konnte. Ich beneidete unsere Freunde so sehr. Sie waren täglich 24 Stunden, sieben Tage die Woche zusammen, auch wenn es bei Ruki und Kai ein wenig problematisch war, was die Mietkosten anbelangte. Und dass das Zusammenleben manchmal seine Nachteile haben konnte, wusste ich genauso sehr. Aber in einer Beziehung konnte nun einmal nicht immer alles super laufen. Friede, Freude, Eierkuchen gab’s nur in diesen schnulzigen Liebesfilmen. Und außerdem fand ich, dass kleinere Streitigkeiten die Beziehung nur noch weiter festigten und dazugehörten. Was sollte ich also tun? Reita sah es anscheinend in meinem Hirn hitzig arbeiten, denn er sagte leise, sich seitlich neben mich legend und sich auf seinem Ellenbogen abstützend, „Überfordere dich nicht, Baby. Das ist nicht die einzige Wohnung hier in Yokohama. Wenn es jetzt noch nicht klappt, ist das auch nicht so schlimm. Wir können uns noch viele andere Wohnungen anschauen, hm?” Ich danke dir vielmals, dass du mir so einen verständnisvollen, liebenswürdigen und einfach nur unbeschreiblich tollen Freund geschenkt hast, lieber Gott. Und wenn wir schon mal dabei sind, möchte ich mich bei Reitas Eltern bedanken. Überglücklich legte ich meine Arme um seinen Hals, drehte mich dabei ebenfalls auf die Seite und vergrub mein Gesicht lächelnd in seiner warmen Halsbeuge. Wir hatten uns wieder aufgerichtet. Während Reita mir mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck und den Händen in den Hosentaschen folgte, lief ich noch immer aufgeregt durch die Wohnung und besah mir jeden einzelnen Winkel. Als ich die Küche betrat, schwoll meine Brust beinahe stolz an. Ich stellte mich an die weiße Küchenzeile und fuhr mit meinen Fingern darüber, mir dabei vorstellend, wie ich später hier für meinen Schatz und mich kochte. Sicher war die Wohnung teuer, denn hier war alles neu und frisch saniert. Die Wände, der Boden, das Bad, die Küche. Das könnten wir uns mit Sicherheit nicht leisten. Also sollte ich mich auch nicht so in den Gedanken hineinsteigern, dass dieses Heim bald unser Eigen sein könnte. Meine Unterlippe schob sich schon beinahe automatisch vor. Mit gesenktem Kopf und den Händen auf der Theke stand ich da und merkte nicht einmal, dass Reita mich mit schief gelegtem Kopf betrachtete. Der Ältere kam auf mich zu geschlichen und presste sich von hinten an mich, sein Gesicht dabei gegen meine rechte Schulter drückend. „Was ist los, hm?”, wollte er wissen und drehte mich zu sich herum, als ich ihm nicht sofort antwortete, sondern weiter vor mich hin grübelte. Reita hob mein Gesicht mit einem Finger unter meinem Kinn an, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. „Du brauchst dir keine Gedanken machen, Uruha. Wenn die Zeit gekommen ist, werden wir uns so eine Wohnung wie diese hier mieten und endlich Tag für Tag nebeneinander aufwachen”, sprach er im sanften Ton, was mir Gänsehaut bescherte. So schön das auch klang, ganz so einfach war das sicher nicht. „Ich will aber nicht, dass wir so enden wie Kai und Ruki..”, nuschelte ich und sprach somit endlich meinen Gedanken aus, während ich an dem Reißverschluss seiner Jacke spielte, und sah erneut auf, als er verwirrt, „Wie meinst du das?”, fragte. „Na, schau doch mal”, begann ich überlegend und wandte mich von ihm ab, um ans Fenster zu schreiten und das hektische Treiben auf den Straßen Yokohamas unter mir zu beobachten. Was für eine schöne Aussicht.. „Kai hat fast so gut wie keine Zeit mehr für Ruki und auch uns, weil sein Nebenjob ihn völlig auslaugt. So eine Wohnung wie diese können wir uns sicher nur dann leisten, wenn wir beide jeweils einen Nebenjob nehmen, und das will ich nicht. Ich möchte nicht, dass wir uns in Zukunft kaputtarbeiten und somit unsere Freizeit opfern, nur um eine schicke Wohnung zu haben. Im Endeffekt würden wir dadurch nicht viel erreichen und nur mehr verlieren, als dazugewinnen” Ganz meiner Meinung nickte nun auch Reita und stellte sich neben mich. Sein folgender Satz ließ jedoch jedes einzelne Härchen an meinem Körper zu Berge stehen vor Freude. „Zugegeben, die Miete von dem Prachtstück hier ist verdammt teuer, aber ich war ehrlich gesagt bereit dazu, gleich mehrere Nebenjobs dafür anzunehmen!” Mein Mund war aufgeklappt und ich konnte ihn nur ungläubig anblinzeln, während er wiederum nun völlig stolz mit den Brauen wippte und aufgluckste, als ich ihm gerührt gegen die Schulter schlug. „Blödmann. Als ob ich das zulassen würde!”, entrüstete ich mich gespielt und lehnte mich grinsend zu ihm hin, da er seine Lippen spitzte und mich bittend ansah. Ich gab ihm einen Kuss und hakte mich bei ihm ein, um gemeinsam mit ihm die hübsche Wohnung zu verlassen. Wir würden sicher noch genug leerstehende Wohnungen finden, doch vorerst brauchten wir uns keine Gedanken darüber machen. „Im Ernst jetzt? Wie romantisch unser Held doch ist. Er liest nicht zufällig irgendwelche Romane?” Ich saß gemeinsam mit Toshiya, Ruki und Yui, die sich auf dem Schoß ihres Onkels befand und zwischendurch an seinen langen Nackenhaaren zog, in der Küche und unterhielt mich ein wenig mit den “Mädels”, während unsere Männer im Wohnzimmer saßen und dort mit der neu erworbenen Konsole Aois spielten. Bis jetzt hatte noch keiner von uns den Tag nach dem Discobesuch erwähnt, und das war auch gut so. Das hatte noch ein wenig Zeit. Ich wollte mich erst einmal auf meine Freunde konzentrieren. Ich konnte hören, wie Reita immer wieder jubelnd aufbrüllte, wenn er die anderen beiden anscheinend besiegte. Ich hatte meinen Jungs soeben erzählt, wo Reita mich hingebracht hatte und Ruki hatte es so romantisch gefunden, dass er noch immer wie weggetreten grinste und dabei sein Gesicht in seinen Händen abstützte. „Ruki, du sabberst mir noch den Tisch voll. Eine sabbernde Windelscheißerin genügt mir hier!”, schnarrte Toshiya fies grinsend, dabei harsch gegen Rukis Stirn schnippend, was diesen aufschrecken ließ. Yui hatte dafür nur ein entzückendes Lachen übrig. Wie kam es eigentlich, dass Aoi im Wohnzimmer herumtollte, wenn Yui sich ebenfalls in der Wohnung aufhielt? Als hätte der Älteste in unserem Kreis meine Gedanken lesen können, erschien er plötzlich im Türrahmen. „Liebling, ist Yui fertig mit Essen?”, wollte das Riesenbaby wissen und als Toshiya kalt verneinte, konnte ich genauestens sehen, wie der Feminine fies grinste, während Aoi schmollend auf uns zu stampfte. „Wie lange braucht sie noch?”, wollte er wissen und sah dabei auf den Teller vor Toshiya, auf dem nicht mehr viel vom beschmierten Brot übrig war. „Könnte noch ein wenig dauern!”, erwiderte der Befragte provokativ und rollte dabei mit den Augen. Trotzig langte Aoi an Toshiya vorbei, nach dem halben Brot auf dem Teller, der nicht einmal die Zeit zum Reagieren hatte, stopfte es sich missmutig mit einem Mal in den Mund und schmatzte, „Wo, jetft ift wie fertig. Gip wie mir!” Nur schwer einen extrem lauten Lachkrampf unterdrückend, da Toshiya sonst an die Decke gehen würde, sahen Ruki und ich uns kurz und bedeutungsvoll an, ehe wir unsere Köpfe beide in eine andere Richtung drehten und ruhig durch unsere Nasen zu atmen versuchten. Der Schwarzhaarige seufzte nur genervt, drückte der Kleinen noch einen Schmatzer auf die Stirn und reichte sie dann an Aoi weiter, der sofort riesige Augen bekam und breiter grinste als die Grinsekatze bei “Alice im Wunderland“. „Was willst du überhaupt mit ihr? Ihr spielt doch sowieso dein komisches Spiel da!”, regte sich die Hausfrau auf und war längst aufgestanden, da sie auf diese nervenaufreibende Aktion von Aoi hin erst einmal eine rauchen musste. Toshiya öffnete wie üblich das Küchenfester, stellte sich davor und zündete sich gleich eine Kippe an. Gott, wie unerotisch dieser Anblick war. Irgendwann würde ich sie alle dazu bringen, mit dem Rauchen aufzuhören. Das meinte ich ernst! „Jaha, aber vielleicht will sie ja auch spielen?!”, motzte Aoi und zeigte Toshiya dabei seine Zunge, was dazu führte, dass sich der Jüngere von beiden eine Hand vor die Stirn schlug. „Klar, eine Zweijährige hat auch nichts Besseres zu tun, als mit einem riesigen, unbehaarten Affen wie dir “Super Mario Brothers“ zu spielen, Aoi!”, meckerte der Schwarzhaarige kopfschüttelnd und jagte Aoi schlussendlich mit einem erhobenen, drohenden Finger aus seiner Küche, als der Ältere frech, „Manchmal stellst du dich echt garstig an, Toshimasa. Werd’ mal locker in der Hose!”, moserte, und mit der Kleinen im Arm rannte er so schnell er konnte hinaus. Ruki entkam ein Kichern und Toshiya daraufhin ein Todesblick vom Feinsten. „Wo waren wir stehengeblieben?!”, fuhr der Ältere von uns dreien dann schrill fort, als wären wir nie unterbrochen worden. Ruki hatte sich nur steif hingesetzt und zuckte mit den Schultern, während ich ihn leicht grinsend, „Bei der Wohnung”, erinnerte und es erneut Kommentare von Ruki und Toshiya regnete. Ich vertraute ihnen noch an, was Reita mir während der Fahrt hierher grinsend erzählt hatte. Er hatte sich schon länger nach Wohnungen umgesehen und sich einige Angebote, die in Frage gekommen waren, auch interessehalber angesehen. Beim genaueren Überlegen hatte ich auch die Erkenntnis gehabt, dass ich ihn oft dabei erwischt hatte. Das hatte all die seltsamen Momente erklärt, in denen ich ihn am PC erwischt hatte. Das hastige Wegklicken von Seiten und Löschen von Suchanfragen. Wahrscheinlich hatte ich es Reita somit unnötig schwerer gemacht, als ich gewollt hatte. Es erwärmte mein Herz, zu wissen, wie viel Mühe er sich für unsere gemeinsame Zukunft gab. Ich hatte den Jungs noch nichts vom Gespräch mit Keisuke und Sui erzählt, aber das würde ich noch tun. Jetzt wollte ich erst noch mal abschalten, bevor ich ihnen etwas davon verriet. Hatte mich das ganze Theater gestern immerhin zu genüge ausgepowert. „Also nehmt ihr die Wohnung nicht, ja? Eigentlich schade, wenn sie doch in unserer Nähe ist. Wir hätten damit die Möglichkeit gehabt, uns öfter zu sehen!”, nuschelte Toshiya gedankenversunken, während er an seinem Glimmstängel nuckelte. „Da ist was dran, aber ich denke nicht, dass Uruha wollen würde, dass Reita dafür ackern geht wie ein Bekloppter!”, mischte sich Ruki erfahren ein und ich nickte nur zustimmend. Daraufhin konnte Toshiya auch nur ein verstehendes Geräusch von sich geben, während er seine Zigarette entspannt aufrauchte und Ruki ebenfalls einige Züge davon nehmen ließ. Während die beiden ihre Gespräche weiterführten, erhob ich mich, um mal eben im Wohnzimmer vorbeizuschauen. Ich lehnte mich an den Türrahmen, und die kleine Yui tat mir beinahe leid zwischen den grölenden Trotteln, die sich vor dem großen Fernseher versammelt hatten. Breit grinsend beobachtete ich Reita dabei, wie er sich von hinten auf Kai warf, um seinen Arm um dessen Hals zu legen und ihn halb zu würgen, während Kai sich röchelnd kaputtlachte, weil er Reita soeben dazu gebracht hatte, in die Lava zu springen. Diese Information konnte ich aus ihren wirren Gesprächsfetzen entnehmen. Ich wusste zwar nicht genau, was sie da spielten, aber wissen wollte es auch nicht wirklich. Ein Spiel, welches die Spieler dazu bewegte, einander fast zu erdrosseln, konnte ja nicht so empfehlenswert sein. „Sei froh, dass Ruki das nicht sieht”, grinste ich und brachte Reita bei diesem Namen sofort dazu, alarmiert von meinem besten Freund abzulassen, der jetzt zur Seite kippte, um in dieser Position weiterzuglucksen, während er den Controller immer noch fest umschlossen hielt. „Ich war‘s nicht!”, redete sich Reita unnötig mit gehobenen Händen raus und grinste breit, schickte mir einen Luftkuss und begann das Spiel von vorne. Ja, ich liebte meine Freunde, auch wenn sie allesamt nicht mehr alle Latten am Zaun hatten. Jetzt musste ich nur noch den richtigen Zeitpunkt abwarten, um meine Freunde in das eigentlich wichtige Gespräch zu verwickeln. Kapitel 13: ~13~ ---------------- Toshiyas Schwester war gegen vier gekommen, um die kleine Yui wieder mitzunehmen, und somit war es jetzt wieder etwas ruhiger in der Wohnung geworden. Besonders Aoi war nicht mehr so aufgedreht und hielt sich nun eher unauffällig im Hintergrund, während Toshiya, der auf dem Schoß unseres Ältesten saß und guter Laune wirkte, lautstark mit Ruki redete, obwohl der Kleinere nur einen Meter von ihm entfernt auf der anderen Seite des Couchtisches saß. Jetzt, wo wir alle hier versammelt waren, könnte ich meinen Freunden doch auch gleich erzählen, wie das Gespräch verlaufen war, nicht? Immerhin sollten sie es auch erfahren. Und außerdem waren wir doch auch aus eben diesem Grund hierhergekommen. Ich räusperte mich leise und hatte somit sofort Reitas Aufmerksamkeit, der sich bis eben noch mit Kai unterhalten hatte. Soweit ich es mitbekommen hatte, hatte Reita von meinem besten Freund wissen wollen, wie dieser es schaffte, Studium und Nebenjob unter einen Hut zu kriegen. Es hatte fast so geklungen, als hätte Reita versucht, sich Tipps einzuholen. Aber ich blieb bei meiner Entscheidung. Ich würde es niemals zulassen, dass Reita sich neben seiner Ausbildung noch anderweitige Tätigkeiten auflastete, nur um unseren Traum von einer gemeinsamen Wohnung zu verwirklichen. Außerdem musste es zu Anfang nicht einmal so eine große Wohnung sein, wie die, die wir uns heute angesehen hatten. Ich würde mit allem zufrieden sein, solange ich nur Reita an meiner Seite hatte. Doch noch war nicht die Zeit für uns beide gekommen, aus unseren Elternhäusern auszuziehen, fand ich jedenfalls. Ich konnte und wollte meine Mutter nicht mit Keisuke allein lassen. Ich musste diesen Typen im Auge behalten. „Was ist los?”, wollte Reita neugierig wissen und auch Kai sah mich fragend an. Dadurch, dass die beiden aufgehört hatten, sich zu unterhalten, erstarb auch Toshiyas Stimme, und der Schwarzhaarige spitzte fragend die Lippen, ehe er, „Stimmt etwas nicht?”, wissen wollte. Aller Augen im Raum waren mit einem Mal auf mich gerichtet. Ich atmete ob der Fragen kurz aus und lächelte dann knapp, ehe ich die Stimme erhob und ihnen einfach erzählte, was mir auf dem Herzen lag. „Meine Mutter und Reita haben mich gestern Morgen zum Arzt gebracht. Ich kann mich zwar nicht mehr daran erinnern, wann genau das gewesen sein soll, aber-” „Uruha war völlig durch den Wind, hat nur Stuss gebrabbelt und sich danebenbenommen. Und der Grund, weshalb es ihm in der Disco so schlecht ergangen war, war, weil ihm irgendjemand Drogen in den Drink gemischt hat, den Sui vorher für ihn ausgewählt hatte”, unterbrach mich der Ältere und sah mir dabei durchdringend in die Augen, ohne auch nur zu blinzeln. Irgendwie bekam ich gerade Gänsehaut. „Was?”, brüllte Toshiya so laut, dass selbst Aoi unter ihm zusammenzuckte und ihm geschockt auf den schmalen Rücken stierte, ehe er ihm beruhigend auf eben diesen klopfte. Kai sah mich nur ungläubig an, und ich registrierte, wie er knapp den Kopf schüttelte, als könne er das eben Gesagte nicht wahrhaben. „Dieser eingebildete, widerwärtige-” „Wir wissen nicht zu hundert Prozent, wer es war, Totchi. Aber wir, nein, ich weiß, dass Sui es ganz bestimmt nicht gewesen ist”, beruhigte ich den Schwarzhaarigen, der nur wie vor den Kopf gestoßen die Lippen bewegte, aber keinen Ton aus sich brachte. „Wieso bist du dir da so sicher?”, hinterfragte Ruki mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck, die Beine überschlagen und die Arme verschränkt auf einem Oberschenkel abstützend. Gute Frage. Wieso war ich mir so sicher? „Pfui-Sui hat allen Grund, Uruha so etwas nicht anzutun. Er hat uns gestern einen wichtigen Teil seiner Vergangenheit anvertraut, die keine Zweifel aufkommen lässt”, beantwortete mein Schatz die Frage für mich und Ruki wagte es daraufhin nicht, noch weiter nachzuhaken. Alle schienen jedoch plötzlich sehr interessiert in Reitas kryptischer Aussage zu sein, nur traute sich niemand, genauer nachzufragen. Dass weder Reita, noch ich die Details der Vergangenheit Suis erwähnten, war gut so. Immerhin ging sie meine Freunde wirklich nichts an. „Ihr habt euch also bei euch zu Hause unterhalten? Und Keisuke und Sui waren auch dabei, ja?”, platzte es diesmal aus meinem besten Freund, der sich vorgelehnt hatte, um mich besser ansehen zu können. In diesem Moment erhob sich Toshiya und schritt auf die Balkontür zu, um diese aufzumachen und sich dabei mit der flachen Hand Luft zuzufächeln. „Das wird mir gerade zu viel. Ich glaube, ich platze gleich!”, knurrte er wütend und sorgte dafür, dass Aoi eines der vielen Gläser auf dem Tisch mit kühlem Wasser füllte und es ihm dann brachte. „Danke, Liebling”, nuschelte der Jüngere von beiden und nahm das Glas entgegen, um einen großen Schluck daraus zu trinken. Während Aoi und Toshiya an der Balkontür standen, drängte ich mich etwas näher an Reita und fühlte mich gleich viel wohler in meiner Haut. „Ja”, kam es knapp von mir und Kai spitzte die Ohren, da es an ihn gerichtet gewesen war. „Und wie haben die beiden reagiert, als ihr ihnen erzählt habt, dass du-” „Der eine war völlig angeschlagen, während der andere sich gar nicht dafür interessiert hat. Oder er hat nur so getan, als hätte es ihn nicht interessiert. Wie man‘s eben nimmt. Das war gestern jedenfalls die reinste Freakshow gewesen”, übernahm Reita wieder das Antworten für mich und zuckte nur unberührt mit den Schultern, als ich ihm mit aufeinandergepressten Lippen beleidigt entgegenstierte, da er ohne meine Bitte für mich sprach. Durfte ich denn auch mal etwas sagen? „Okay, warte. Wer war der eine und wer der andere?!”, war es diesmal der Älteste in der Runde, der sich verwirrt zu Wort meldete, und Reita beantwortete ihm auch diese Frage. „Nun ja, wir kennen die beiden nicht wirklich. Von daher können wir jetzt auch nicht weiter urteilen und irgendwelche Schlüsse ziehen. Das würde uns eh zu nichts bringen. Blöd ist die Gesamtsituation aber allemal”, murmelte Ruki sich am Nacken kratzend und erhob sich dann, streckte sich kurz und verkündete, dass er kurz ins Bad gehen würde. „Ruki, setz dich wieder!”, mahnte Kai streng, doch ich ließ den Jüngeren gewähren, indem ich ihm mit gerecktem Kinn andeutete, dass er gehen konnte, da ich vorerst nichts weiter zu sagen hatte. Recht hatte Ruki definitiv. Ein leises Seufzen war von meinem besten Freund zu vernehmen. Mir ging eine ganz wichtige Sache noch immer nicht aus dem Kopf. Hatte ich den ganzen Tag noch den Gedanken gehabt, es heute vor all meinen Freunden auszusprechen, war ich mir mit der Entscheidung nun doch nicht mehr so sicher. Vor allem vor Reitas Reaktion hatte ich etwas Angst. Er war zurzeit wirklich nicht gut auf Keisuke zu sprechen, da wollte ich mir nicht ausmalen, wie er reagierte, wenn ich ihm von dem Zwischenfall in der Disco erzählte. Das würde die Gesamtsituation zwischen meinem Freund und dem Partner meiner Mutter definitiv noch weiter verschlechtern. Vielleicht interpretierte ich aber auch mehr in das Geschehene hinein, als eigentlich nötig war. Und dennoch brauchte ich Gewissheit. Und niemand anders als mein bester Freund konnte mir diese jetzt geben. Er war in solchen Fällen schon damals immer mein Fels in der Brandung gewesen. Auch wenn das Reita gegenüber gerade vielleicht ein wenig unfair war. In Sachen Rat und Tat konnte keiner meiner Freunde Kai das Wasser reichen. Ich musste meinen besten Freund einfach für einen Moment entführen, um mit ihm allein zu sein, ganz egal, wie das auf die anderen wirken würde. Mir war bewusst, dass Reita diese Aktion missfallen würde, weil er zu Recht nicht wollte, dass ich etwas vor ihm geheim hielt, aber er war zurzeit einfach unberechenbar und leicht auf 180 zu bringen, wenn der Name des großgewachsenen Schönlings auch nur fiel. Kai musterte mich noch immer mit diesem durchdringenden, fragenden Blick, da er anscheinend gemerkt hatte, dass mir noch etwas am Herzen lag. Unsere Blicke trafen sich flüchtig. Er zuckte wortlos, aber fragend mit beiden Augenbrauen, ich wiederum schürzte, unbemerkt für alle anderen im Raum, die Lippen und machte eine knappe Kopfbewegung Richtung Wohnzimmertür. Und natürlich verstand er. Der Schwarzhaarige schaute kurz und unauffällig durch die Runde, ehe er sich leise räusperte. „Hey, uns geht hier die Cola aus. Ich werde mal eben in die Küche und uns Nachschub holen“, meldete sich Kai nebensächlich zu Wort und stand auf, um aus dem Raum zu schreiten. Toshiya bejahte nur. Reita, dessen Hand auf meinem Oberschenkel ruhte, nickte, als ich mich aufrichtete und, „Und ich verschwinde mal eben auf Klo!“, log. Und zu meinem Glück kam Ruki in diesem Moment gerade wieder zurück und verwickelte meinen Freund auch gleich in ein belangloses Gespräch, was diesen wunderbar ablenkte. Aoi und Toshiya nahmen auch wieder Platz und mischten sich, dankbar, dass die momentane Stille wieder gebrochen war, in das Gespräch der beiden ein, um auf andere Gedanken zu kommen, da der Fakt, dass mir so etwas widerfahren war, für sie alle anscheinend schwer zu schlucken gewesen war. Ich ging derweil geradewegs in die Küche, in der Kai mit vor der Brust verschränkten Armen schon auf mich wartete und, „Du sagst mir jetzt sofort, was los ist, Uruha!“, flüsterte. Dieser Mann konnte mich lesen, wie andere ein dickes Buch. Aber anscheinend war das bei mir ja auch nicht unbedingt schwer, wie mir schon mal von einem großgewachsenen Schönling gesagt worden war. Eilig ging ich auf ihn zu, packte ihn wortlos am Arm, mir gar nicht bewusst, wie gehetzt ich mit dieser Aktion auf ihn wirken musste, und zog ihn in Richtung Fenster, um dieses wieder aufzumachen, mich davor zu stellen und erst einmal zur Beruhigung einen tiefen Atemzug zu nehmen. Das bunte Treiben Yokohamas unter mir blendete ich völlig aus. Wie sollte ich nur anfangen? War es überhaupt eine Erwähnung wert? Ich war plötzlich einfach nur verwirrt und fühlte mich hilflos und verloren in dieser Situation. „Hey.. Was ist los?“, kam es diesmal sanfter von meinem besten Freund. Er legte zwei Finger unter mein Kinn und drehte mein Gesicht zu sich, damit ich ihn ansah. Derweil liefen meine sich überschlagenden Gedanken wieder auf Hochtouren. Ich versuchte, die wirren Überlegungen in meinem Kopf zu ordnen, die Bilder, die an meinem inneren Auge vorbeizogen, zu ignorieren. „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll“, murmelte ich auch sogleich und bekam von Kai ein sanftes, „Wie wäre es mit “von vorn“? Ich weiß zwar nicht, was dich so bedrückt, aber da ist definitiv etwas und du musst mir davon erzählen, sonst kann ich dir nicht weiterhelfen, Ruha“, zu hören. Wie recht er doch hatte. Ich nahm mich endlich zusammen und fing an, zu erzählen. Und ich begann ab dem Zeitpunkt, als Reita und ich, versunken in unsere hitzigen Gedanken und nur mit Augen für den jeweils anderen, auf der Tanzfläche getanzt hatten. „Reita war in dem Moment wie weggetreten gewesen. Ich meine, mir war es ja nicht anders ergangen. Ich hatte mich sowieso von Anfang an ganz komisch und aufgekratzt gefühlt, sobald wir den Laden betreten hatten“, gab ich zu und kassierte von Kai ein nachdenkliches, „Das ist mir definitiv aufgefallen. Ihr seid immerhin andauernd wie Wilde aufeinander losgegangen. So kenne ich dich eigentlich gar nicht. Bei Reita ist das wiederum eine ganz andere Geschichte! Der war ja schon immer so“ Seine Worte führten dazu, dass ich beschämt den Blick senkte und peinlich berührt auf meiner Unterlippe herumkaute. Er legte einen Arm um meine Hüfte und zog mich näher an sich, damit wir weiterhin in der jetzigen leisen Lautstärke miteinander reden und den jeweils anderen somit besser verstehen konnten. Sein Arm wich jedoch keine Sekunde, hielt mich noch immer fest an sich gedrückt. Würde man uns beide nicht besser kennen, würden Außenstehende die Situation sicher falsch auffassen, da die Art, wie wir hier engumschlungen herumstanden, sehr vertraut und intim wirkte. Meine Freunde scheuten sich eben nicht vor engem Körperkontakt, und auch ich hatte damit noch nie Probleme gehabt. Mir gefiel das sogar. Der Einzige, der bei dem Anblick wahrscheinlich trotzdem an die Decke gehen würde, wäre sicher Ruki. Ich hatte ja schon einmal erwähnt, dass er seine Eifersuchtsphasen haben konnte, wenn es um seinen Partner ging. „Wie dem auch sei. Während wir getanzt haben, kam plötzlich die Übelkeit und auch der Schwindel, was ich aber nicht sofort wahrgenommen hatte. Immerhin hatte ich so etwas vorher noch nie erlebt. Aber da war definitiv etwas, was mir in dem Moment ins Auge gesprungen ist, und ich schwöre dir, Kai. Ich weiß inzwischen nicht mehr, ob es wirklich passiert ist oder ob ich mir das alles im Rausch nur eingebildet habe!“, redete ich mit losgelöster Zunge und merkte, wie mein Herzschlag mit jedem Wort schneller ging und ich auch lauter wurde vor Nervosität. Mir war das Thema so unangenehm, ich zweifelte schon wieder an mir selber. Sollte ich es nicht einfach dabei belassen? Er nickte wiederum nur ermutigend, lauschte meinen Worten und strich mir dabei eine dunkle Strähne hinters Ohr, um mich sogleich zum Weiterreden zu animieren. „Was immer es war, Uruha, du musst es mir sagen. Spann mich nicht so auf die Folter!“, murmelte Kai, der nun wahrlich ungeduldig klang, mir aber dennoch mit der freien Hand über den Rücken strich, um mir Mut zu machen, während die andere mich noch immer festhielt. „Keisuke!“, fiel ich nichtssagend mit der Tür ins Haus und nickte verschwörerisch, erwartete tatsächlich, dass Kai verstand, worum es ging. Mein bester Freund wiederum zog nur eine verwirrte Grimasse und wiederholte den Namen fragend. „Er hat sich so komisch benommen! Nochmal, ich weiß nicht, ob ich es mir nur eingebildet habe, aber er hat mich so komisch angesehen. Das Timing war erschreckend perfekt gewesen, Kai. Mir war es so vorgekommen, als hätte er mich absichtlich provozieren wollen!“, vertraute ich ihm endlich an und merkte, wie jegliche Aufregung und Unsicherheit von mir abfielen. Das hätte ich schon eher tun sollen! Das fühlte sich wirklich gut an. Kai machte einen überlegenden Laut, schüttelte kurz den Kopf und wusste wohl nicht wirklich etwas mit meinem Gerede anzufangen. „Definiere “komisch“. Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, was du meinst. Du musst schon genauer sein! Lass mich dir doch nicht alles aus der Nase ziehen, bitte. Du bist doch sonst nicht so!“, bat er mich, und ich bemerkte sofort die Veränderung in seinen Gesichtszügen, den Anflug von Fassungslosigkeit, als ich ihm im Detail beschrieb, was vorgefallen war. Dass wir uns ungewöhnlich lange aus dem Wohnzimmer zurückgezogen hatten, blendeten wir beide kurzerhand aus. Es musste den anderen aber sicher schon aufgefallen sein. Zu meinem eigenen Unglück machte ich mir darüber aber gerade wenig Gedanken, da ich zu sehr mit meinen eigenen Gedanken zu kämpfen hatte. „Ich kam mir in dem Moment so.. widerlich vor, aber ich hatte nichts unternehmen können. Er hat meine Mutter in dem Moment gefühlt nicht wahrgenommen, und das, obwohl sie ganz dicht an ihm geklebt und mit ihm getanzt hatte, wohlgemerkt! Das hättest du mal sehen müssen! Es war mir so vorgekommen, als wollte er mich mit seinen Blicken.. Oh Gott, ich kann’s gar nicht aussprechen, Kai. Er hat mich so seltsam angestarrt und dabei so beunruhigend gegrinst. Mir geht dieser widerliche Gesichtsausdruck einfach nicht aus dem Kopf. Als hatte er irgendetwas andeuten wollen.. Wie soll ich nur meiner Ma in die Augen schauen, ohne daran denken zu müssen?“, schluckte ich hart und lehnte meinen Kopf resignierend an seine Brust, während Kai verloren die Wand hinter mir anstarrte und seine Gedanken in Worte zu fassen versuchte, während er weiterhin mit einer Hand beruhigende Kreise auf meinen Rücken malte. Doch noch bevor er auch nur einen Mucks von sich geben, geschweige denn irgendwie reagieren konnte, gefror mir das Blut in den Adern und mein Kopf schoss entsetzt in die Höhe, als ich Reita aus der Stille heraus kühl, „Er hat was?“, schnarren hörte. Mein Freund, der, weiß Gott wie lange schon, in der Küchentür gestanden und uns anscheinend belauscht hatte, hatte mit verzerrten Mundwinkeln die Arme abweisend vor der Brust verschränkt und sah mich jetzt entgeistert an. Genau das hatte ich doch verhindern wollen! Oh Gott, nein.. „Schatz-“ „Nein, nein, komm mir jetzt nicht auf die Tour. Es hat sich gerade “ausgeschatzt“. Wann wolltest du mir davon erzählen, verdammt noch mal?!“, wütete er auch schon los und ließ meine Befürchtung wahr werden. Genau aus diesem Grund hatte ich nicht gewollt, dass er davon etwas mitbekam. Kai, der nur, „Reita, warte. Lass ihn bitte ausreden!“, gesagt hatte, ließ mich aufgrund dieses Ausbruchs sofort los und ging eiligen Schrittes und mit gehobenen Händen auf Reita zu, um die Situation zu beruhigen, doch der Blonde drückte ihn nur grob und wortlos mit einem ausgestreckten Arm zurück und fixierte mich weiterhin wutentbrannt, während ich automatisch zurückrutschte und somit das Fenstersims gänzlich im Rücken hatte. Da hatte ich uns ja in eine wunderbare Situation hineingeritten. Ich hätte ich mich mit Kai irgendwo außerhalb treffen sollen. Wie war ich auch nur Ansatzweise darauf gekommen, dass es eine gute Idee gewesen war, das Thema hier anzusprechen, wenn faktisch jeder hereinplatzen konnte, ich Idiot?! Durch die Lautstärke in der Küche und unsere ungewöhnlich lange Abwesenheit alarmiert, standen plötzlich auch unsere Freunde in der Tür und sahen verwirrt zwischen uns dreien hin und her, während zwischen Kai, Reita und mir die Spannung beinahe zum Greifen nah war. „Was ist hier los?“, fragte Ruki entgeistert und sah hilfesuchend zu seinem Freund, der noch immer versuchte, Reita mit ruhigen Worten zu beschwichtigen. Reita wiederum schnaubte kurz zur Beruhigung, sah Kai entschuldigend an und sagte dann aber, „Bitte, geh mir aus dem Weg, Kai. Ich will dir nicht aus Versehen wehtun“ Meinem besten Freund schnappte daraufhin hilflos der Mund zu und er legte sich ob des Gesagten entsetzt die eigene Hand auf die Brust. „Ich glaube, ich habe mich nur verhört. Hier tut niemand irgendjemandem weh, habt ihr das verstanden? Kommt mal alle wieder runter!“, meldete sich diesmal Aoi zornig zu Wort und schob Reita beiseite und somit weiter in die Küche hinein. Während des kleinen Aufstands schob nun auch Toshiya jeden aus seinem Weg und kam zielstrebig auf mich zu, um mich auch direkt in die Arme zu schließen, da ich anscheinend ein ziemlich erbärmliches Bild bot. Wieso wich ich überhaupt von meinem Freund weg, als wäre er mir gegenüber jemals handgreiflich und gefährlich gewesen? Ich hatte meine eigene Reaktion viel zu spät bemerkt. Doch an Reita war sie nicht vorbeigegangen. Der Blonde sah mich dementsprechend verletzt an und machte einige Schritte auf mich zu, doch gebot ihm Toshiya mit einem gehobenen Finger in seine Richtung und einem schneidenden, „Ah, ah. Stehenbleiben!“, Einhalt, ehe er sich mit weicheren Gesichtszügen wieder zu mir wandte und mich leise fragte, ob alles in Ordnung war. Ich nickte nur betroffen. „Alle Mann raus hier“, sprach Toshiya dann ruhig, doch als Reita aufgebracht, „Wollt ihr mich gerade alle verarschen, oder was!? Macht euch nicht lächerlich! Ich will jetzt mit Uruha reden!“, rief, wurden auch Toshiyas Gesichtszüge erschreckend hart und er knurrte beinahe zwei Oktaven tiefer, „Ich sagte raus hier! In deinem Zustand wird’s wohl nicht nur beim Reden bleiben, Reita. Du wirst jetzt erst mal ins Wohnzimmer gehen und dich dort gefälligst beruhigen. Und ich wiederhole mich nicht noch mal!“, was uns allen einen sichtlichen Schauer über den Rücken jagte. Einzig Aoi ließ sich von der Drohung nicht beirren, wusste er immerhin mit seinem Mann und dessen Launen umzugehen. Er schnappte sich meinen Freund und redete beruhigend auf ihn ein, weil dieser zu zetern begann und sich von ihm losreißen wollte. „Zwing mich nicht dazu, dich über die Schulter zu werfen und rüber zu tragen, Reita“, drohte Aoi spielerisch, ließ sich dennoch nicht umstimmen und zog meinen meckernden Freund hinter sich her aus der Küche, befahl den anderen beiden ebenfalls, ihm zu folgen, und ließ Toshiya und mich alleine in der Küche zurück. Da hatte ich ja eine Lawine losgetreten.. Ich war auf dem Stuhl in mich zusammengesunken, die Arme auf dem Mosaiktisch abstützend und mein Gesicht wiederum in meine Hände gebettet. Toshiya saß derweil schweigend neben mir, streichelte mir nur über den Rücken und ließ all das Gesagte von eben anscheinend in Gedanken Revue passieren. Ich hatte ihm, genau wie Kai, alles erzählt, was an unserem gemeinsamen Abend vorgefallen war, und der Ältere hatte mir zugehört und mich ermutigt, weiterzureden. Mir war nichts anderes übriggeblieben. Toshiya hatte es so gewollt, ohne Widerworte. Auch hatte er größtenteils seine Reaktionen unterdrückt, um mich ungestört ausreden zu lassen und nicht damit zu beeinflussen. Nur war mir aufgefallen, dass auch er, genau wie mein bester Freund, mit zuckenden Gesichtszügen reagiert hatte, als ich ihm von dem intensiven Blickkontakt und dem verheißungsvollen Grinsen Keisukes erzählt hatte. Anscheinend hatte ich mir doch nicht nur grundlos den Kopf darüber zerbrochen. „Wir bitten jetzt Reita herein, ok? Und ja, ich weiß, dass Kai als dein bester Freund einen besonderen Platz in deinem Herzen hat, aber ich weiß auch, dass Reita mit der Gesamtsituation zurechtgekommen wäre, hättest du ihm von Anfang an die Chance dazu gegeben, Schätzchen“ Ich schnaufte bei dem Gesagten bedrückt in meine Hände und sagte einfach gar nichts dazu, wusste aber, dass Toshiya Recht hatte. „Ich will dir damit kein schlechtes Gewissen machen. Himmel, wir haben immerhin alle miterlebt, wie er gerade reagiert hat. Und ich weiß, dass du das umgehen wolltest. Kann dir auch keiner verdenken. Aber in Zukunft solltest du auf jeden Fall direkt zu ihm gehen, wenn so etwas passiert!“ Toshiya zwang mich sanft dazu, ihm ins Gesicht zu sehen. Seine Hände hatten nach meinen Handgelenken gegriffen, um diese bestimmend nach unten zu ziehen. Im nächsten Moment nahm er mein Gesicht in seine Hände und streichelte sanft über meine Wangen, ehe er mir einen kleinen Kuss auf die Lippen hauchte, was mir ein zerknittertes Lächeln entlockte. Toshiya richtete meine verstrubbelte Frisur, lächelte mir beinahe mütterlich zu und sagte dann, „Er liebt dich. Und wenn es um dich und dein Wohl geht, hat er Schwierigkeiten damit, rational zu reagieren. Nimm es ihm also nicht übel, wenn er nicht weiß, wohin mit all der Sorge, aber sorge auch dafür, dass er in Zukunft der erste ist, der es erfährt, wenn dich etwas bedrückt. Kai und auch wir anderen sind immer für dich da, das weißt du. Aber Reita sollte immer dein Anlaufpunkt Nummer eins sein. Ihr seid immerhin Partner fürs Leben. Okay?“ Toshiya nickte mir zu, als wolle er mich ebenfalls zum Nicken animieren. Der Ältere hatte so recht. Und ich kam nicht umhin, vor lauter schlechtem Gewissen und Scham erneut das Gesicht in den Händen zu verstecken. „Oh, was habe ich mir nur dabei gedacht..“, waren meine genuschelten Worte, und Toshiya klopfte mir mitfühlend auf die Schulter, ehe er im nächsten Moment laut nach Aoi und Reita rief. Die beiden erschienen auch direkt in der Tür, was ich jedoch nicht sofort mitbekam, da ich mein Gesicht wieder wie ein verängstigtes Kleinkind in meinen Händen versteckt hielt. Ich wagte es einfach nicht, aufzusehen. Erst als ich spürte, wie Reita mich liebevoll in seine wärmespendenden Arme zog und einfach nur festhielt, lockerte sich mein gesamter Körper und alle aufgestaute Anspannung wich mit einem Mal aus meinen Zellen. Ich krallte mich sofort in seinem Rücken an sein Shirt und flüsterte ihm zu, dass es mir unendlich leidtat. Dass ich ihm seit zwei Tagen diese Details verschwiegen und nicht eher etwas gesagt hatte, weil ich nicht gewusst hatte wie, und er schüttelte wortlos den Kopf, drückte mich leicht von sich, um mich liebevoll anzusehen, nur um mich gleich darauf wieder näher an sich zu ziehen und mich entschuldigend zu küssen. „Ich glaube, wir können euch jetzt erst mal alleine lassen. Aber wehe, hier wird’s wieder laut. Dann verdresche ich euch beide mit einem Nudelholz, ich meine es ernst!“, drohte Toshiya lachend, der sich schon längst bei dem grinsenden Aoi eingehakt hatte, mir noch einmal versichernd zuzwinkerte und dann gemeinsam mit diesem aus der Küche verschwand, um Reita und mir die gemeinsame Zeit zu geben, die wir jetzt brauchten. Ich hatte auf die leere Drohung hin nur lächelnd schnauben können. Wobei man bei Toshiya doch nie wissen konnte, wann er es ernst meinte und wann nicht. „Erzähl mir jetzt bitte von Anfang an, was passiert ist“, flüsterte mir die Liebe meines Lebens bittend zu und musterte mich aus besorgten Augen, und ich gab mir einen Ruck, nahm sein Gesicht in meine Hände, um ihm einen weiteren Kuss zu geben und erzählte heute zum dritten Mal von dem Abend im “Juice“. Kapitel 14: ~14~ ---------------- Der Sommer war nun endlich in Yokohama eingekehrt. Die Tage wurden inzwischen länger, die Temperaturen stiegen stetig und blieben auch über Nacht relativ hoch, dass es einem langsam aber sicher wieder schwerfiel, bei der Wärme einzuschlafen. Aber man machte eben das Beste draus. Blieb einem ja immerhin auch nichts anderes übrig. Wobei ich mich nicht beschweren konnte, ich besaß immerhin eine Klimaanlage, haha! Seit dem Vorfall in der Wohnung unserer Freunde waren inzwischen schon drei ganze Wochen vergangen. Wir hatten uns, nachdem Reita und ich uns in Ruhe ausgesprochen hatten, später alle noch einmal im Wohnzimmer zusammengesetzt und stundenlang miteinander diskutiert. Jeder hatte seine eigene Meinung und Theorie zu dem Vorfall an jenem Abend geäußert. Es wurde spekuliert und überlegt, was uns am Ende aber wie erwartet zu nichts geführt hatte. Reita hatte mir an dem Tag dennoch Sorgen bereitet. Er hatte nach unserem klärenden Gespräch in der Küche den gesamten Tag über bedrückt gewirkt, als würde ihn das Thema unaufhörlich beschäftigen. Zugegeben, mir ging es genauso. Und ich konnte seine Gefühle immerhin auch nachvollziehen. Auch wenn mir seine versucht ruhigen Worte an dem Tag trotzdem Sorgen bereitet hatten. „Beim nächsten Mal wird er mir definitiv nicht so einfach davonkommen“, hatte er mir leise an die Lippen gewispert, ehe unsere Freunde erneut in die Küche gestürmt waren, um die Lage im Raum zu checken. Ich hoffte inständig, dass es kein nächstes Mal gab. Meiner Mutter hatte ich nichts von alledem erzählt, und die Jungs und ich hatten uns auch gemeinsam darauf geeinigt, dass es so wahrscheinlich besser war. Meine Freunde hatten mir angeordnet, von nun an noch ein wenig genauer draufzuschauen, wenn Keisuke dabei war, einfach nur um sicher zu gehen und ja keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Natürlich bedrückte mich der Gedanke, wenn man bedachte, dass er der neue Partner meiner Mutter und somit unweigerlich auch ein neuer Teil meines Lebens war. Dass ich in seiner Anwesenheit von nun an mit Bedacht agieren musste, setzte mich enorm unter Druck, und ich war ziemlich froh darüber, dass ich ihn nicht so oft sehen musste. Meine Mutter traf sich selbstverständlich noch immer regelmäßig mit ihm, übernachtete jetzt auch öfter in seinem Penthouse, von dem sie mir manchmal beeindruckt berichtete, woraufhin mir innerlich immer nur das Kotzen kam, und schien auch sonst völlig unbeschwert und glücklich. Ich freute mich für sie, hatte aber dennoch meine eigene Meinung, was die Gesamtsituation betraf. Hatten sie sich über den Vorfall noch einmal miteinander unterhalten, dann verschwieg meine Mutter mir diese Information gekonnt. Es war nicht einmal mit auch nur einer Silbe gefallen. Ich wusste nicht, ob sie sich noch mal darüber unterhalten hatten, ob sie Sui erneut zur Rede gestellt hatten oder ob sie das Thema einfach unter den Tisch hatten fallen lassen. Irgendwie enttäuschte mich das fehlende Ergebnis, aber ich konnte, was das Thema anbelangte, eh nicht viel ausrichten. Also ließ ich es schweren Herzens in der Vergangenheit zurück und konzentrierte mich auf das Hier und Jetzt. Das Hier und Jetzt war in diesem Fall eine völlig aus dem Häuschen scheinende Hotaru, die mir von ihrer neuen Bekanntschaft erzählte, die sie neulich kennengelernt hatte, während wir beide unser Frühstück im Pausenraum zu uns nahmen. Ich verschluckte mich an meinem Essen, als sie mir ihr Handy aufgeregt vor die Nase hielt und mir ein Foto von einem überaus gutaussehenden Exemplar von Mann zeigte, den sie, wie sie beschämt zugegeben hatte, über Tinder kennengelernt hatte, wie sie mir vorher beichtete. „Und ihr wart aus?“, fragte ich noch einmal mit prüfendem Blick, um wirklich sicherzugehen, und sie nickte, seufzte entzückt und erklärte mir dann, dass er während ihres Dates überaus höflich zu ihr gewesen war, sich aber seitdem noch nicht zurückgemeldet hatte. Und das war jetzt wohl schon drei Tage her. „Hey Ogawa..“ „Nenn mich nicht so!“ „Schon gut, patz‘ doch nicht gleich so herum, Hotaru! Also sorry, dass ich deine kleine Wunschblase jetzt zerstören muss, aber der Typ ist mit hundert prozentiger Sicherheit schwul. Der ist niemals auf eine Partnerschaft mit dir aus. Schau ihn dir doch mal genauer an“, machte ich ihr ihren Traum zunichte und warf mir eine kleine Tomate in den Mund, um diese sogleich genießend zu kauen. Ich hatte ein Auge für sowas. Immerhin war ich selber schwul! „Erzähl doch nicht so einen Schwachsinn!“, entrüstete sich meine Arbeitskollegin jetzt, sah aber kurz verunsichert zurück auf ihr Display, wie um sicherzugehen, und fixierte mich dann mit einem wütenden Gesichtsausdruck. „Nicht mal das Schwarze unter den Fingernägeln gönnst du mir, du Wanst!“, meckerte sie und versuchte wütend mit ihren Stäbchen in meine Wangen zu pieken, während ich sie schadenfreudig lachend davon abzuhalten versuchte. Wir rangelten kurz miteinander, und zum ersten Mal, seit ich angefangen hatte, hier zu arbeiten, war ich wirklich froh, dass ich sie als Arbeitskollegin an meiner Seite hatte. All die anderen Kollegen hier waren natürlich auch sehr umgänglich und freundlich, jedoch nicht ansatzweise so nervig und trotzdem herzlich, wie Hotaru es war. Natürlich provozierte und ärgerte sie mich gerne, aber das tat sie nur, weil sie mich mochte, nahm ich jedenfalls an. Und ich musste zugeben, ich mochte sie inzwischen auch sehr. Nur würde ich es ihr niemals sagen, weil sie mir das sonst ewig mit ihrer selbstgefälligen Art vorhalten würde. Wir stritten uns noch immer schmatzend und gedämpft über die sexuelle Orientierung ihres vermeintlich neuen Mackers und ihre eigene Unfähigkeit, schwule Männer zu identifizieren, sodass sie ihnen stattdessen immer wieder verfiel, als die Tür zum Pausenraum aufging und Ono-san plötzlich in der Tür stand, um uns beide beinahe tadelnd zu mustern. Sofort erstarben unsere Stimmen, als unsere Chefin zu sprechen anfing. „Freut mich, dass Sie beide so viel Spaß haben. Ich würde auch nicht stören, wenn es nicht dringend wäre. Takashima-san, ich weiß, Sie haben noch ungefähr zehn Minuten Pause, aber wir haben soeben einen Patienten reinbekommen, der dringend Ihre Kenntnisse nötig hat. Bitte haben Sie aufgrund der aktuellen Situation Nachsicht, ja? Ich würde Ihnen die Minuten selbstredend gutschreiben“, wandte sich meine Chefin an mich, und ich sprang unverzüglich von meinem Stuhl auf und schüttelte entwaffnend den Kopf. „Selbstverständlich, Ono-san. Das ist doch nicht der Rede wert!“, stammelte ich beschämt und folgte ihr sogleich aus dem Raum, warf jedoch noch einen kurzen Blick hinter meine Schulter und schnitt eine Grimasse, die Hotaru nur allzu gekonnt erwiderte. Frecherweise präsentierte sie mir dazu noch den Mittelfinger und grinste dann so geheimnistuerisch, doch ich ließ mich nicht dazu verführen, die nette Geste zu erwidern, da unsere Flure hier verspiegelt und gut beleuchtet waren und Ono-san mich somit vielleicht durch diese sehen könnte. Das würde mir ja noch fehlen, dass meine Chefin mich bei so etwas erwischte! Na, immerhin konnte ich mich jetzt weiter mit Arbeit ablenken. Während ich also der zierlichen, strengen Frau vor mir, die mir manchmal doch schon dezent Angst einjagte, folgte, erzählte sie mir kurz etwas zu den Beschwerden des Patienten, teilte mir einen freien Behandlungsraum zu und drückte mir dann das Rezept des Patienten in die Hand. Wie vorprogrammiert wanderte mein Blick sofort zum Befund, und ich ging in Gedanken die einzelnen Schritte zu dieser Therapie schon einmal durch, folgte ihr zum Empfang und war so in Gedanken, dass ich weder aufsah, noch mir den Namen auf dem Zettel durchlas. „Takada-san, begeben Sie sich doch bitte schon einmal in den Raum Nummer drei. Takashima-san wird in Kürze bei Ihnen sein! Die Unterschrift können Sie nach der Behandlung leisten!“, redete die Frau im höflichen Ton und mir wiederum fiel sämtliche Emotion aus dem Gesicht. Moment mal.. Mein Kopf schoss ruckartig in die Höhe und ich sah augenblicks in Keisukes Gesicht. Mir wäre beinahe die Kinnlade aufgeklappt. Was zum Teufel wollte der denn hier?! Stalkte er mich jetzt auch noch am Arbeitsplatz? Keisuke verbeugte sich knapp ob der Worte meiner Chefin und schritt an mir vorbei, jedoch nicht, ohne mich vorher belustigt aus dem Augenwinkel zu mustern, und verschwand sogleich im Behandlungsraum. Ich wiederum hyperventilierte innerlich beinahe. Wieso zum Geier passierte immer nur mir so etwas? War ich denn verflucht?! Ich wollte nicht mit diesem Mann alleine in einem Zimmer sein! Ich hatte seit drei Wochen nichts mehr von ihm gehört, geschweige denn, ihn gesehen. Und das war so auch gut gewesen! Was sollte ich denn jetzt sagen und wie sollte ich mich verhalten? Ach, was dachte ich hier? Das war der Partner meiner Mutter! Ich musste mich jetzt definitiv zusammenreißen. In dieser Situation war höchste Professionalität gefragt, und die würde er schon noch bekommen. Ono-san hatte von meiner Gemütsänderung nichts mitbekommen, redete sie immerhin noch immer stoisch auf mich ein und ließ mich mit dem Papierkram dann vorerst allein. „Vergessen Sie nicht, den Patienten unterschreiben zu lassen, ja?“, mahnte sie lächelnd, nickte knapp und drehte sich herum, um im Aufenthaltsraum zu verschwinden, in denen wir sämtliche Akten aufbewahrten. Ich wiederum holte so tief Luft, dass sich meine Brust beinahe schmerzhaft spannte, legte das Rezept auf den Schreibtisch und ließ nervös die Finger knacken, während ich langsam Richtung des Behandlungszimmers ging. Ich kam mir vor wie eine armselige Kuh auf dem Weg zur Schlachtbank. Himmel, ich wollte hier so schnell wie möglich weg. Wem machte ich hier denn etwas vor? Auf diese Situation war ich nicht einmal ansatzweise vorbereitet gewesen. Beim Gehen schaute ich noch einmal neben mich in den Spiegel, der sich über den gesamten Flur erstreckte, und nahm hastig und fluchend die vielen kleinen, pinken Haarspangen aus meinem Haar, die Hotaru mir vorhin noch im Pausenraum zum Spaß eingeklipst hatte, damit mir mein Pony beim Essen nicht ins Gesicht fiel, und stopfte sie wütend in meine Hosentasche. „Süß siehst du aus!“, hatte sie mich gehänselt. Verdammt, jetzt hatte er mich so gesehen! Argh! Ich blieb unschlüssig vor der Tür stehen, die Hand zögernd auf der Klinke und der Herzschlag bis zum Hals. Ich verdrängte die Bilder von Keisuke aus meinem Kopf, war ich es immerhin leid, sie jedes Mal sehen zu müssen. Bestimmend schüttelte ich den Kopf, klopfte mit der freien Hand an die Tür und drückte dann die Klinke runter, als von innen ein tiefes, „Herein!“, zu hören war. Auf in den Kampf! Keisuke saß mit dem bekleideten Rücken zu mir auf dem Massagetisch, wodurch mir der erste Blick in sein Gesicht zum Glück verwehrt wurde. „Hallo!“, sagte ich äußerst trocken und von ihm kam ein ebenfalls ziemlich monotones, „Hallo.“, ohne, dass er sich zu mir herumdrehte. So ein.. „Was kann ich für dich tun?“, fragte ich gefasst, obwohl ich auch ohne seine Hilfe wusste, was los war, hatte ich mir immerhin den Befund durchgelesen. Auf die Frage hin drehte er sich endlich herum und sah mich undefinierbar an. Sein langes Haar war heute leicht zurückgewuschelt, sodass es ihm nicht so ins Gesicht hing, und ich verfluchte mich im Inneren selbst, da ich diesen Kerl trotz allem verdammt attraktiv fand und nicht umhinkonnte, ihn neugierig zu mustern. Meine Augen verirrten sich kurz zu dem Bereich, an dem man die freigelegte, helle Brust sehen konnte, da sein Hemd halb aufgeknöpft war, und ich riss mich zusammen und sah ihm wieder in die dunklen Augen, wodurch mir nicht entging, dass er amüsiert mit dem Mundwinkel zuckte. „Wo sind die Spangen hin? Ich fand sie recht schick. Steht dir auf jeden Fall“ Drei, zwei, eins, ich gehe dem gleich an den Hals! Ich musste mich wirklich endlich beherrschen! Ich wollte nicht, dass er sich auch noch auf meine Kosten amüsierte. Ich räusperte mich also und schnarrte, ohne auf das Gesagte einzugehen, mit einer gehobenen Augenbraue, „Und?“ Keisuke lachte dunkel und drehte sich wieder von mir weg, straffte dabei die breiten Schultern, wodurch ich die Muskelkontraktionen unter seinem engen Hemd von hier aus genauestens nachverfolgen konnte, und sagte dann, „Ich habe seit ein paar Tagen höllische Schmerzen in der rechten Schulter. Ich habe Nami davon erzählt und sie hat mir direkt empfohlen, zu dir zu kommen. Also keine Sorge, ich stalke dich nicht! Ich wollte ihr nur nicht widersprechen, weil sie mir sonst die Hölle heiß gemacht hätte! Du kennst ja deine Mutter“ Und schon wieder gab mir dieser Kerl das Gefühl, dass er Gedanken lesen konnte. Ich hasste es einfach nur. Konnte er nicht mal damit aufhören?! Und so war das also, meine eigene Mutter, ja? Jetzt trieben sich die Verräter auch noch in den eigenen Kreisen der Familie herum! Ok, Überreaktion, wie immer. Meine Mutter konnte ja nichts von alledem ahnen, da ich ihr immerhin nichts erzählt hatte. Und in jeder anderen Situation wäre ich sicher stolz gewesen, da sie meiner Arbeit anscheinend so sehr vertraute, dass sie Empfehlungen für mich aussprach. Wie dem auch sei, ich musste hier meinen Job machen, also würde ich das auch tun. „Irgendwelche außergewöhnlichen Bewegungen, die du gemacht hast, die den Schmerz ausgelöst haben könnten?“, fragte ich im professionellen Ton und ging kurzerhand mit trockenem Hals auf ihn zu, umrundete den Massagetisch und griff einfach ohne Vorwarnung nach seiner rechten Hand, um sie mit meiner zu fixieren. Die andere Hand griff geübt nach seinem Ellenbogen, und gemeinsam mit meiner Führung und meinem vorgegebenen Tempo hob ich seinen Arm mit Vorsicht vor seine Brust und bis zu seinem Kinn hoch, ehe er vor Schmerz laut aufjaulte und wegzuckte, nur um mich ebenfalls damit zu verschrecken. „Verzeihung“, murmelte ich beschämt und nickte knapp, als er mit der linken Hand abwinkte und auf meine Frage schmerzverzerrt mit, „Nein, eigentlich nicht. Ich bin eines Morgens aufgewacht und der Schmerz war plötzlich da. Ich dachte erst, dass der Arm nur taub ist und dass das Gefühl wieder vergeht, aber seitdem sind jetzt schon Tage vergangen!“, antwortete. „Bist du Seitenschläfer?“, wollte ich erneut im knappen Ton wissen und verwunderte ihn anscheinend mit der Frage, denn er sah mich kurz verwirrt an und sagte nickend, „Ja, wieso?“, ehe er sich sichtbar wieder zusammennahm. Ich wiederum machte nur einen überlegenden Laut, griff noch einmal mit der rechten Hand nach seinem Arm und hielt diesen zu mir hin, ehe ich mit der linken wissend an seinen Oberarm griff, um diesen vorsichtig, aber dennoch mit Nachdruck abzutasten. Meine Fresse, hatte der Typ breite Oberarme. Ob er viel Sport trieb? Mann, konzentrier dich, Uruha, verdammt! „Schläfst du nur auf der Seite oder wechselst du auch mal die Schlafposition?“, fragte ich weiter, ohne dabei auf seine Frage von eben einzugehen, und verwirrte ihn damit anscheinend noch mehr. Endlich saß ich mal am längeren Hebel. Dass ich seine Fragen ignorierte, gefiel ihm anscheinend nicht. „Ich schlafe generell nur auf der Seite, sei es jetzt links oder rechts. Auf dem Rücken schlafen fällt mir eher schwer, weshalb ich schon seit ich denken kann auf der Seite liege. Wieso fragst du?“, patzte er jetzt schon fast, und ich verkniff mir ein Grinsen und sagte gespielt höflich mit einer ausladenden Geste, „Dort hinten ist die Umkleidekabine. Mach bitte einmal den Oberkörper frei, zieh deine Schuhe aus und komm zu mir zurück!“, ehe ich mich einfach ohne weiteren Kommentar von ihm wegdrehte und ans Waschbecken ging, um mir demonstrativ die Hände zu waschen. Keisuke tat mir nicht den Gefallen, etwas von sich zu geben. Stattdessen stand er wortlos auf und verließ kurz den Raum, nur um dann sich räuspernd wieder einzutreten. Und wieder war leider ich derjenige, der kurz davor war, eine unpassende Reaktion von sich zu geben. Heilige Scheiße.. Dieser durchtrainierte Oberkörper.. Und das Tattoo! Der hatte tatsächlich ein Tattoo! Jetzt gab sich meine Mutter schon mit Delinquenten ab, nicht zu fassen. Ich konnte einfach nicht anders, mir fiel es schwer, den Blick abzuwenden. Das detaillierte Tattoo wanderte von der äußeren Hälfte seiner rechten Brust aus hoch und entlang seiner rechten Schulter, um dann an seinem rechten Oberarm hinunterzufließen. Das Motiv reichte knapp bis über seine Ellenbeuge, was anscheinend auch der Grund dafür war, weshalb mir nie aufgefallen war, dass er solchen Körperschmuck besaß, obwohl er meist seine Hemdärmel hochgekrempelt trug. Gut durchdacht, würde ich meinen. Ob er auch noch an anderen Stellen seines Körpers irg- Ok, Schluss! „Ist alles in Ordnung?“, fragte er selbstgefällig und ich konnte ein Zucken seines rechten Brustmuskels ausmachen, als hätte er diesen absichtlich angespannt. Ich wollte ihm die Genugtuung nicht geben, also antwortete ich, nachdem ich mich wieder gesammelt hatte, knapp, „Ja, auch wenn es mich schon ein wenig entsetzt, dass meine Mutter jetzt anscheinend in Verbrecherkreisen verkehrt“, und verkniff mir ein sarkastisches Schnauben, als er, „Ach komm schon, so schlimm ist das jetzt auch wieder nicht“, säuselte und sich auf meinen Fingerzeig hin auf den Massagetisch legte. Ich steckte ihm zur Entlastung der Wirbelsäule ein Kissen unter die Knie und knackte laut mit den Fingern, bevor ich mich ihm zuwandte. Doch ehe ich mit der eigentlichen Behandlung anfangen konnte, nuschelte er ob meiner Aktion, „Muss ich jetzt Angst haben?“ Ich blieb stoisch, als ich, „Kommt drauf an, wie sehr du mich provozierst“, sagte, mich im nächsten Moment jedoch dafür verfluchte. „Hmm“, machte Keisuke nur mit einem überlegenden Laut und dem undurchschaubaren Blick auf mich gerichtet, doch jaulte er im nächsten Moment erneut laut auf, da ich seinen Arm gepackt und etwas zu grob zur Seite weggedrückt hatte. „Verdammt, ich habe doch noch gar nichts gemacht!“, jaulte er beleidigt und versetzte mich somit beinahe in eine Starre, aus der ich mich fast nicht hätte lösen können. Noch gar nichts gemacht, wollte der mich eigentlich verarschen? „Also, ob du willst oder nicht, du musst dir angewöhnen, auf dem Rücken oder dem Bauch zu schlafen. Idealerweise Rücken. Du hast dir wahrscheinlich über die Jahre hinweg durch die einseitige Belastung auf Dauer die Schulter kaputt gemacht!“, redete ich mit einem unüberhörbar wütenden Unterton, was ihm anscheinend jedoch völlig entging. Ich musste zugeben, die Art, wie ich mich ihm gegenüber verhielt, war vielleicht ein wenig unfair und auch verwirrend für ihn. So war ich aber nun mal. Ich hatte so viel angestaute Ungewissheit und Unzufriedenheit in mir, dass ich mir nicht anders helfen konnte. „Und was habe ich für Optionen, wenn ich das nicht kann, Kouyou?“, fragte er mich und ich konnte genauestens die Stichelei aus seiner Tonlage heraushören. „Deine erste Option ist genau diese hier“, ich deutete mit einer ausladenden Geste durch den Raum, ehe ich erneut nach seinem Arm griff und anfing, leichte Übungen mit ihm durchzuführen. „Locker lassen!“, befahl ich barsch, da ich merkte, dass er den Arm verspannte. Wenn Ono-san mich so hören würde, würde sie mir definitiv die Hölle heiß machen. Gut, dass ich aus der Phase raus war, in der sie manchmal während der Behandlungen mit im Raum gesessen hatte, um sich zu Schulungszwecken Notizen zu meinen Behandlungstechniken zu machen. „Es bieten sich unterschiedliche Schmerzmittel und Physiotherapien an, gegebenenfalls sogar Übungen, die du alleine zu Hause durchführen kannst, um die Schulter mit Bewegung zu stärken. Aber nicht zu viel, denn zu sehr über den Schmerz hinweg zu trainieren kann dauerhafte Schäden auslösen. Womit wir bei der zweiten und auch letzten Option für dich wären!“, ratterte ich beinahe wie auswendig gelernt runter und forderte ihn zwischendurch erneut auf, den gesamten Arm locker zu lassen, da ich gemerkt hatte, dass er seine Hand fest um meinen Handrücken geklammert hatte, dass seine Fingernägel schon beinahe weiß schimmerten, während ich seine Hand der Übung wegen festhalten musste. Ich hob schnippisch eine Augenbraue und erwiderte seinen konzentrierten Blick knapp. „Ich versuch’s ja, aber du tust mir weh. Ich mache das nicht mit Absicht, weißt du?“, beschwerte er sich gespielt wehleidig und störte sich offensichtlich daran, dass ich nicht auf seine kindische Aussage reagierte. Er presste kurz die Lippen fest aufeinander und entspannte seine Gesichtszüge danach direkt wieder. Ich besah mir derweil das Tattoo genauer, während ich durch bestimmte Massagegriffe seine Sehnen im Oberarm zu verschieben versuchte, ehe ich weiterredete. Auch da jammerte er leise wegen des Schmerzes. Fünf rosa schimmernde, große Wasserrosen zierten seine Brust, seine Schulter und seinen Arm. Die Haut war an vielen Stellen komplett ausgeschwärzt und ließ schnörkelige Wolken erahnen, die in Spiralform von seiner Brust aus nach außen zogen. Über seine Brust hinweg wand sich außerdem ein großer Koi-Karpfen, in unserer Kultur das Symbol für Ausdauer und Stärke. Ob er sich dieses Motiv selbst ausgesucht hatte? Hatte das etwas zu bedeuten? Die Wasserrosen und auch der Koi-Karpfen waren mit Farben ausgearbeitet, hoben sich somit von dem vielen Schwarz auf seiner Haut ab. Ich hätte nie erwartet, dass ein Snob wie er sich tätowieren lassen würde. Und durften Models eigentlich Tattoos haben? Er war doch damals eins gewesen, hatte er doch selber erzählt, oder nicht? Ok, genug gestarrt und gegrübelt. Ich fuhr in meinem Monolog fort. „Kausale Therapie folgt für gewöhnlich nach der konservativen Therapie, wenn zweitere nicht anschlägt. Wir werden aber möglichst versuchen, die kausale Therapie zu umgehen. Glaub mir, du willst nicht an der Schulter operiert werden. Immerhin hast du danach eine extrem lange Heilungszeit vor dir und es ist nicht immer garantiert, dass nach der Operation alles wieder einwandfrei fun-“ „Hey, ist ja gut, ich habe verstanden! Können wir bitte endlich das Thema wechseln?“, schnarrte Keisuke, der mich mit dieser absurden Frage tatsächlich in meinem Monolog unterbrochen hatte. Was bildete dieser Typ sich hier eigentlich ein? Ohne von ihm abzulassen, fragte ich wirr, „Willst du mich denn völlig veräppeln? Du bist hier, weil du behandelt werden musst. Worüber soll ich sonst mit dir reden? Ich muss dich aufklären, das ist mein Job!“, und er schnalzte daraufhin abfällig mit der Zunge, was mich beinahe dazu gebracht hätte, seinen Arm mitten in der Bewegung sauer loszulassen. „Kouyou, hör mir bitte zu..“, nuschelte er jetzt und sah im Liegen aus halb geöffneten Augen zu mir auf. Seine Hand klammerte sich erneut fester um meinen Handrücken, was bei mir langsam aber sicher an meiner Geduld zu nagen begann. Ich stierte ihn mit vor unterdrückter Wut bebenden Nasenlöchern an, ignorierte dabei die Art, wie seine schwarzen Haare beinahe wie ein dunkler Heiligenschein um seinen Kopf herum lagen, seine vollen Lippen, die sich leicht teilten, ehe eine vorwitzige Zunge hastig über eben diese leckte, um sie nervös zu befeuchten, dass sie mir beinahe verführerisch entgegenglänzten. Gott, waren das lange 25 Minuten. Was waren das nur wieder für schreckliche Gedanken, die mir durch den Kopf sausten?! Wieso erwischte ich mich jedes Mal dabei, wie ich ihn viel zu interessiert musterte? Am liebsten würde ich ihn jetzt einfach aus dem Raum werfen. Aber ich wusste leider auch, dass ich ihn weitere sechs Male auf diese Art und Weise ertragen musste, da Ono-san es vorzog, dass wir unsere Patienten, mit denen wir die erste Therapiesession durchführten, auch bis zum Ende des verschriebenen Rezeptes durch die Therapie begleiteten. „Wir hatten noch nicht die Gelegenheit, in Ruhe und unter vier Augen über diesen Vorfall zu reden“, sprach er jetzt und löste in mir Panik aus. Nein, ich wollte das jetzt definitiv nicht! „Keisuke, im Ernst, das geht alles von deiner Behandlungszeit ab. Wir müssen dafür sorgen, dass-“ „So kann das mit uns beiden doch nicht weitergehen, Kouyou. Wir machen einen Schritt vor, nur um drei zurückzugehen. Ich merke, dass noch immer irgendetwas zwischen uns steht!“, sprach er völlig scheinheilig und ließ endlich von meiner Hand ab, ich wiederum fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen. Das irgendwas zwischen uns steht, wirklich? Ich schnappte wütend nach Luft und wirbelte herum, da ich nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte, hörte, wie er sich aufsetzte und mir anscheinend folgen wollte, doch ich drehte mich direkt wieder zu ihm zurück und herrschte ihn unüberlegt an, dass er gefälligst sitzenbleiben sollte. „Pass ja auf, wie du mit mir redest, verstanden?“, drohte er mir jetzt beinahe und ich riss fassungslos die Augen weiter auf und legte den Kopf schief, während er sich mit beiden Händen in die Kante der Liege krallte, dass ich die Verkrampfung seiner Finger förmlich sehen konnte. „Bitte, was?“, zischte ich ebenso gefährlich und ging einen Schritt auf ihn zu, hatte dabei nicht bemerkt, dass ich meine rechte Hand vor Wut zu einer Faust geballt hatte, dass die Venen an meinem Handrücken nur so hervortraten und pulsierten. Er wiederum hatte diesen Zustand wahrgenommen. Tatsächlich stand Keisuke plötzlich auf, sodass er jetzt direkt vor mir stand und mich mit seiner Körpergröße bei weitem übertürmte, weil er sich durch meine abwehrende Haltung anscheinend provoziert fühlte. In was für eine Situation hatte ich mich jetzt schon wieder reingeritten? Das hatte ich doch gar nicht gewollt. Wie sollte ich mich aus der Sache wieder rausreden? Meine Mutter wäre so traurig und enttäuscht, wenn sie von der Sache hier irgendetwas mitkriegen würde. Mit einer gehobenen Braue sah er überheblich von oben auf mich herab, ich wiederum konnte förmlich nicht vor dem herben Duft seines Parfüms flüchten, welcher von seiner nackten Haut ausging und mein Gehirn unfreiwillig zu einem wabbeligen Haufen Matsch verschrumpeln ließ. Ich hatte seine nackte Brust regelrecht direkt vor der Nase. Er war mir tatsächlich viel näher, als mir gerade lieb war. Ich wagte es nicht, zu ihm aufzusehen, da mir diese devote Haltung ihm gegenüber nicht schmeckte, also sah ich verbissen zur Seite, doch versagten mir heute zum unzähligen Mal die Gesichtsmuskeln, als ich plötzlich seine große Hand unter meinem Kinn spüren konnte. Er zwang mich mit seinem festen, fordernden Griff und einer ruckartigen Bewegung seiner Hand dazu, zu ihm aufzusehen. Auch bemerkte ich, wie er in einer kurzen, fahrigen Bewegung mit seinem Daumen meine Kieferkontur entlang strich und auf meine Lippen zu starren schien. Es war nur ganz knapp gewesen, aber mir war es sicher nicht entgangen. Meine Hände, die links und rechts von meinem Körper waren, bebten vor angestauter Wut. Und meine Lippen, da war ich mir sehr sicher, waren inzwischen zu zwei schmalen, blutleeren Strichen verzogen. „Haben wir uns endlich wieder beruhigt?“, fragte er langsam und geduldig, als wäre ich ein bockiges Kleinkind, das gerade einen Tobsuchtsanfall hinter sich hatte, und legte dabei den Kopf leicht schief, wodurch ihm einige lange Strähnen ins Gesicht fielen. Die Dreistigkeit und der herabwürdigende Ton Keisukes legten in mir einen gefährlichen Schalter um, ließen mich nur noch schwarzsehen. Ohne wirklich darüber nachzudenken, schlug ich seine Hand grob von mir weg, hob drohend den Zeigefinger vor sein Gesicht und zischte leise, damit er das leichte, nervöse Zittern in meiner Stimme nicht hörte, „Glaub ja nicht, dass ich mich weiter so von dir behandeln lasse, nur weil meine Mutter mit dir zusammen ist und ich sie glücklich sehen will. Ich bin kein kleiner Junge, dem man einfach so Befehle erteilen kann. Zumal du sowieso nicht das Recht dazu hast, überhaupt etwas von mir zu verlangen. Ich kenne meine Grenzen, also kenne du auch deine!“ Um meine Worte zu untermalen, piekte ich ihm mit meinem Zeigefinger hart in die Brust und schob ihn dann mit der flachen Hand von mir weg, weil ich Angst hatte, dass ich ihn sonst aus Wut noch ohrfeigte. Keisuke stolperte zwei Schritte zurück und wollte mir gerade aufgebracht etwas entgegnen, als ein leichtes Klopfen an der Tür uns beide erschrocken und ertappt herumfahren ließ. „Entschuldigung für die Störung, Kouyou. Ich bräuchte-“ Hotaru war es, die mit einem perplexen Blick in der Tür stand und uns beide fragend anglotzte, die Hand noch immer um die Türklinke geschlungen und mit einem Fuß im Raum stehend. Keisuke stand mir derweil noch immer gegenüber, der Gesichtsausdruck erst verwirrt, dann jedoch riss er sich schnell zusammen und nahm die Haltung eines erfahrenen Geschäftsmannes ein, der sich von nichts und niemandem aus der Ruhe bringen ließ. Er wischte sich einige lange Strähnen mit einer fahrigen Bewegung aus der Stirn und lächelte nur charmant, als Hotaru ihn überaus interessiert musterte und sofort mit hochroten Wangen den Blick sinken ließ, nur um dann beschämt lächelnd, „I-ich müsste mir mal eben deine Faszienrolle ausleihen. Meine ist unauffindbar und meine Patientin ist gleich hier“, zu stammeln. In mir herrschte wiederum ein tosender Wirbelsturm, der sich aus mir heraus zu kämpfen versuchte. Ich könnte mich gerade vor Wut übergeben. Noch immer waren meine Hände zu Fäusten geballt, und ich merkte, dass auch sie es sah, weshalb ich mich sofort zu entspannen versuchte. Versucht unauffällig schüttelte ich meine Hand aus. Gott sei Dank war sie es, die hereingekommen war. Hotaru konnte ich definitiv leichter aus dem Weg gehen, was die Situation hier betraf. Schwieriger wäre es mit Ono-san gewesen. „Klar, einen Moment!“, löste ich mich aus meiner Starre und griff gezielt an Keisuke vorbei, zur Ablage unter dem Massagetisch, und hielt ihr den besagten Gegenstand dann mit einem überschwänglichen, „Hier, bitte!“, hin. Sie bedankte sich knapp bei mir, entschuldigte sich bei uns beiden dann noch einmal für die Störung, indem sie eine übertrieben tiefe Verneigung vollzog, und ließ die Tür dann leise hinter sich ins Schloss fallen. „Das tut mir leid, wirklich!“ Keisuke war es, der die schlagartig eingetretene Stille zwischen uns direkt durchbrach. Ich griff mir nur müde ins Gesicht, fühlte mich extrem ausgelaugt, und rieb verzweifelt darüber, versteckte es halb in meiner Hand und sah auch nicht auf, als er weiterredete. „Soweit wollte ich es nicht treiben. Ich habe die blöde Angewohnheit, zu provozieren, wenn ich verunsichert bin und nicht weiterweiß. Zugegeben, das ist verdammt kindisch von mir und ich gelobe Besserung. Ich habe das alles nicht so gemeint, Kouyou“, sprach er jetzt viel sanfter und ließ es sich nicht nehmen, erneut nach meiner Hand zu greifen, um mir diese dominant aus dem Gesicht zu ziehen, damit er mich ansehen konnte. Ehe er aber wieder nach meinem Kinn greifen konnte, schüttelte ich seine Hand bestimmend mit einer wegwischenden Bewegung ab und sagte nur, „Bitte, fass mich einfach nicht an, ja? Ich brauche gerade Abstand“ Wieso musste der mich überhaupt andauernd anpacken?! Der Größere seufzte, fuhr sich, für ihn völlig untypisch, nervös durchs Haar und fragte, „Wird sie dir Probleme machen deswegen?“ „Wer?“, wollte ich irritiert wissen, sah ihn mit vor der Brust verschränkten Armen an und winkte dann seufzend ab, als er auf Hotaru anspielte. „Alles gut. Sie wird mich zwar mit Fragen löchern, aber nichts, womit ich nicht klarkomme“, versicherte ich ihm monoton und drehte mich halbwegs von ihm weg, um mein noch immer schnell klopfendes Herz zu beruhigen, da mir durch den ganzen Stress schon leicht schwindelig zu werden schien. Er nahm wiederum erneut auf der Liege Platz und sah betreten zu Boden. Wieder herrschte Stille im Raum, die ich als sehr unangenehm empfand. Die gesamte Situation schien mir einfach nur absurd, beinahe wie ein schlechter Film. Meine Gedanken sprudelten unüberlegt aus mir heraus. „Ich habe es definitiv so gemeint“, gab ich trocken von mir, versuchte mein rasendes Herz zu ignorieren, was mir nach meinen eigenen Worten förmlich aus der Brust springen wollte. Mir war klar, dass das hier gerade wieder in eine sehr riskante Richtung einschlagen könnte. Keisuke sah nur betroffen zu mir hoch und fragte, „Wie meinst du das?“, und sah auch gleich wieder geknickt zu Boden, als ich es ihm erklärte. „Ich mache das alles hier nur meiner Mutter zuliebe mit. Wenn sie nicht wäre, dann.. Du musst dich in gewissen Situationen einfach zurücknehmen, wenn du wirklich willst, dass wir miteinander auskommen, sonst sehe ich für uns beide schwarz. Ich bin kein kleines Kind, Keisuke. Ich bin ein erwachsener Mann. Und ja, ich weiß, du bist viel älter als ich. Das versetzt dich aber trotzdem nicht in eine überlegenere Position als mich. Du stehst nicht über mir. Behandle mich auf Augenhöhe. Mehr will ich gar nicht“, sprach ich ruhig und merkte, wie ich mich auf einen steinigen Pfad begab, den ich vielleicht nicht zurückgehen konnte. Aber mir reichte es einfach nur. Ich wollte nicht mehr mit diesen beklemmenden Gedanken leben müssen, nur um es anderen um mich herum recht zu machen. Ich hatte auch Bedürfnisse. „Es.. Es mag im Augenblick vielleicht zu viel verlangt sein, aber ich würde mir wünschen, dass wir beide uns noch einmal in Ruhe zusammensetzen und über alles reden, Kouyou. Ich respektiere deinen Wunsch, aber ich möchte ebenso mit Respekt behandelt werden. Lass uns reden, lass uns Grenzen aufstellen und dann versuchen, wirklich miteinander auszukommen. Für Nami“, trug er ruhig vor, dabei kontinuierlich seine Hände aneinanderreibend, und ich schaute ihn an, nickte knapp und atmete laut aus, ehe ich, „Abgemacht“, sagte, damit er mich endlich in Ruhe ließ. Kurz herrschte erneut Stille im Raum und nur das leise Ticken der Wanduhr war zu hören. Ich schaute auf die Uhr und merkte, dass er noch knappe zehn Minuten Anspruch auf Therapie hatte, was mich unbemerkt mit den Zähnen knirschen ließ. Ich wollte, dass er endlich verschwand! Und für dieses Theater war meine Frühstückspause zu kurz gekommen. Herrlich. Ich machte mit einem verzerrten Laut auf mich aufmerksam, was dafür sorgte, dass Keisuke den Blick leicht hob, den Kopf dabei aber immer noch gesenkt hielt, und mich somit aus leicht verengten Augen ansah. Der Anblick provozierte mich erneut unnötig, doch ich atmete diese Empfindung einfach weg und fragte im versucht höflichen Ton, „Wir haben noch zehn Minuten. Möchtest du weitermachen?“, woraufhin er nur dankbar nickte und sich so hinsetzte, wie ich es von ihm verlangte. Keisuke und ich waren so verblieben, dass wir uns zusammensetzen würden, wenn sich die Gelegenheit bot. Ich hatte Hotaru an diesem Arbeitstag nur schwer abwimmeln können. Sie hatte wissen wollen, was in meinem Behandlungsraum vorgefallen und wer der “schöne Mann“ gewesen war, doch ich hatte ihr kurzerhand meine Hand ins Gesicht gedrückt und grob von mir weggeschoben, was sie erbost zum Jammern gebracht hatte. „Muss los, hab noch was vor!“, hatte ich gelogen und war pünktlich zum Feierabend aus der Praxis und rüber zu meinem Wagen gestürmt, weil ich heute keine weiteren Konfrontationen durchstehen konnte und auch besseres zu tun hatte, ihr den Vorfall zu erklären. Ich brauchte für ein paar Stunden meine Ruhe. Nein, am besten für ein paar Tage. In diesem Moment befand ich mich in meinem Zimmer, hatte mich entkräftet auf mein rundes Bett geworfen, es nicht einmal geschafft, mich aus meinen Alltagsklamotten zu pellen, und hielt die Augen entspannt geschlossen, während ich in die Stille im Haus hineinhorchte. Meine Mutter war nicht da. Sie war nach der Arbeit mit Keisuke ausgegangen, hatte sie mir geschrieben. Umso besser für mich. Ich drehte mich auf die Seite und kuschelte mich gerade in eine gemütlichere Liegeposition, als mein Handy auf dem Nachttisch zu vibrieren begann und mich sauer vor mich hin murren ließ. Eine Minute! Ich wollte nur eine Minute lang meine Ruhe, verdammt! Ein Blick aufs Display zeigte mir eine eingehende Videokonferenz an, die mich verwirrt die Augenbrauen zusammenziehen ließ. Das war selten. „Hey ho! Na, was geht, ihr Süßen?“, trällerte mir Aois fröhliche Stimme direkt entgegen, und ich konnte insgesamt vier geteilte Bildschirme sehen. Aoi grinste mir aus der oberen linken Ecke entgegen, während Ruki direkt unten links nur mürrisch in die Kamera stierte und so wirkte, als hätte man ihn gerade wach geklingelt. Kai wiederum sah oben rechts so aus, als hätte er sich während der Arbeitszeit panisch in eine ruhige Ecke geflüchtet und auch Reita wirkte völlig überrumpelt, als er mir von rechts unten entgegenblinzelte, unverblümt und auf seine eigene charmante Art und Weise, „Was soll’n der Scheiß?“, fragte. Sein Gesicht war schon wieder völlig mit Schmutz beschmiert. „Wieso “Scheiß“? Ich find’s gut. Sollten wir vielleicht öfter tun, wenn wir uns schon nicht so oft persönlich sehen können“, trötete Aoi gutgelaunt und ließ sich im selben Augenblick von Toshiya aus dem Bild drücken. „Na, meine kleinen Lieblinge, was treibt ihr so?“, war es diesmal der Feminine, der breit in die Kamera grinste und winkte. Kai meldete sich mit einem, „Gerade jetzt müsst ihr die Videofunktion für euch entdecken, oder was? Es gibt Menschen, die arbeiten müssen. Ich muss los, ihr Pappnasen. Melde mich später zurück!“, zu Wort, ehe er ohne weiteres aus der Konferenz austrat. Auch Ruki, der sich jetzt verschlafen über die Augen rieb, murrte mit kratziger Stimme, „Meine Fresse, keine Ruhe in diesem Irrenhaus!“, ehe auch er patzig auflegte. „Da wir ja alle anscheinend sehr von dieser spontanen Aktion begeistert sind, möchte auch ich mich verzückt anschließen. Ich habe zu tun. Man sieht sich!“, sprach jetzt auch Reita, der gegen laute Sägegeräusche im Hintergrund anredete, ehe er noch einmal in die Kamera sah, breit grinste und, „Bis später, Baby. Ich liebe dich!“, an mich wandte, was mich lächeln ließ. „Ich liebe dich auch, Rei“, hauchte ich mit einem Anflug von besserer Laune und war im nächsten Moment mit den beiden Älteren alleine in der Leitung. „Ist alles gut, Schätzchen? Du wirkst so fertig“, merkte Toshiya aufmerksam an, was Aoi dazu animierte, neugierig an dessen Schulter vorbei aufs Display zu schielen, weil er mich anscheinend auch ansehen wollte. Ich überlegte nicht einmal eine Millisekunde, ehe ich schamlos log. „Ach, nur die Arbeit. Hatte heute viel zu tun und wollte mich jetzt ein wenig ausruhen, das ist alles. Und, bei euch beiden alles ok?“ Mir war bewusst, dass ich, besonders nach unserem letzten, ausführlichen Gespräch, solch wichtige Geschehnisse nicht für mich behalten, sondern meinen Freunden mitteilen musste, aber ich hatte verständlicherweise nicht mehr die Kraft und Lust dazu, die heutigen Vorkommnisse jetzt noch einmal durchzukauen. Abhaken, neu anfangen. Das war der Plan. Als ich mich knapp mit den beiden unterhalten und diese sich verständnisvoll nach kurzer Zeit verabschiedet hatten, legte ich mein Handy laut ausatmend weg und drehte mich erneut auf die Seite, um mich diesmal wirklich auszuruhen. Kapitel 15: ~15~ ---------------- Die Tage zogen sich wie zäher Kaugummi in die Länge. Meine Freunde und ich hatten uns für den kommenden Freitag mal wieder im “ThreeCrowns“ verabredet, da wir einander vermissten, und Kai hatte rumgemurrt, dass er es unfair fand, dass wir uns seltsamerweise immer dann zum Essen verabreden wollten, wenn er arbeiten musste. Das war natürlich völliger Quatsch. Das taten wir nicht mit Absicht. Also hatten wir ihn kurzerhand als Gruppe dazu gezwungen, seine wohlverdienten Überstunden einzureichen, damit er an dem Tag freinehmen und seine Zeit mit uns verbringen konnte. Gemein, ich weiß, aber wenn jemand einen freien Tag verdiente und auch nötig hatte, dann war das Kai. Reita hatte zurzeit Sommerurlaub, weshalb er die meiste Zeit auch bei mir blieb, da es jetzt noch öfter vorkam, dass ich tagelang alleine zu Hause war, weil meine Mutter jede freie Minute mit Keisuke verbrachte. Irgendwo konnte ich ihre Gefühle und Absichten ja nachvollziehen. Aber gleichzeitig gab es mir das Gefühl, als würde sie mich vernachlässigen. Ja, ich weiß, diese Denkweise von mir war kindisch. Aber ich war ihr einziger Sohn. Ich konnte gar nicht anders, als mich mit solchen Gedanken herumzuschlagen. Ich ignorierte den Fakt, dass wir seit drei Jahren tagein, tagaus aufeinander hockten und alles gemeinsam unternahmen. Natürlich traf es mich da schwer, wenn diese Tätigkeiten plötzlich ausblieben und sie ihre Zeit anderweitig verbrachte. „Bedrückt dich etwas? Du wirkst so abwesend“, war es Reitas sanfte Stimme, die mich ins Hier und Jetzt zurückkatapultierte. Ich lag bäuchlings zwischen seinen Beinen auf dem Sofa im Wohnzimmer, hatte den Kopf auf seine sich ruhig hebende und senkende Brust gebettet und stierte unbewusst vor mich hin, während nebenbei irgendeine belanglose Serie leise im Fernseher lief. Draußen war es schon dunkel. Ich zupfte gedankenversunken an dem silbernen Armband, welches sein Handgelenk zierte, und murmelte munkelnd, „Quatsch, nein. Ich genieße einfach nur..“, was ihn leise lachen ließ. Der Ältere griff mir mit einem Satz unter die Arme und zog mich mit ungeahnter Kraft zu sich hoch, nur um gleich darauf seine Hände besitzergreifend an meine Wangen zu legen und mein Gesicht an seins zu führen. Im nächsten Moment verlor ich mich in seinem atemberaubenden Zungenkuss, ließ mich auf der Stelle fallen und schloss schnurrend die Augen, während seine Zunge mit stetig wachsender und spürbarer Erregung in meine Mundhöhle drang. Der Vorteil der dauernden Abwesenheit meiner Mutter war, dass Reita und ich uns endlich in andere Räume wagen konnten, um dort miteinander Sex zu haben. Immerhin schadete uns ein wenig Abwechslung ja nicht. Und wer wurde denn nicht auch mal gerne erbarmungslos über den Küchentisch gezogen, ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass jederzeit jemand hereinplatzen könnte? Durch den appetitlichen Gedanken angestachelt rappelte ich mich hoch, ohne die intime Bindung unserer Lippen zu trennen, hockte mich über Reitas Schoß und öffnete mit geübten Fingern seine Hose, was ihn dunkel in den Kuss lachen ließ. „So ungeduldig!“, sprach er und zwickte mir spielerisch in die Seite, was mir ein amüsiertes Fiepen entlockte. Kurz trennte er sich von mir, aber auch nur, weil er mich meines weiten Shirts entledigen wollte. Er pfefferte den Stoffknäuel von sich in Richtung Flur, schlang einen Arm besitzergreifend um meinen nackten Rücken, um mich wieder auf sich zu ziehen, während er mit der anderen Hand von hinten quälend langsam in meine Hose schlich, um mich um den Verstand zu fummeln. Genau diese Art von Ablenkung brauchte ich jetzt. Mit verschnellertem Atem presste ich mich fester auf ihn und ließ meine Hände über seinen Körper fahren, was ihm wundervolle Geräusche entlockte. Seine genießenden Seufzer waren wie Musik in meinen Ohren. Um ihn ein wenig zu ärgern, ließ ich erst eine Hand in sein weiches, blondes Haar wandern, um es um meine Finger zu zwirbeln, während sich die andere beim Küssen frech an seinen Hals schlich, um sich dominierend um diesen zu legen und leicht zuzudrücken. Wie auf Knopfdruck schnappten seine Augen auf und er stierte mich mit vor Lust überschwappenden, schwarzen Iriden an, ehe er unseren Kuss ein weiteres Mal löste und mit gefährlich grollender Stimme fragte, was ich da machte. Seine Pupillen waren vor Erregung so extrem erweitert, dass es tatsächlich so wirkte, als hätte er tiefschwarze Augen. Ich biss mir bei dem Anblick verzückt auf die Unterlippe, die Hand noch immer in einem gelockerten Griff an seinem pulsierenden Hals, ehe ich mir angetan über die Lippen leckte und ohne Worte ein weiteres Mal zudrückte, was ihn diesmal den Hals devot auf die erotischste Art und Weise recken ließ, dass ich beinahe durch den Anblick allein gekommen wäre. Ihm war sicher nicht einmal ansatzweise bewusst, wie unterwürfig er gerade wirkte. Seine Lider drifteten zuckend zu und ich konnte mitverfolgen, wie seine Augen hinter seinen Lidern unruhig hin- und herzitterten. Auch hob und senkte sich seine Brust mit einem Mal hektisch, als würde ihm das Atmen schwerfallen. Mir hatte es für einen Moment die Sprache verschlagen. In diesem Zustand sah ich Reita nur sehr selten, da er in unserer Beziehung schon immer den dominanten Part übernahm. Und von einer Sekunde auf die andere fiel ihm dieser Fakt anscheinend auch wieder ein, denn seine Augen schnappten ein weiteres Mal auf und glänzten mir bedrohlich entgegen. „Ich glaube, wir beide wissen ganz genau, dass meine Hand viel besser um deinen schönen Hals passt, Baby“, flüsterte er mir zu, ehe ein plötzlicher Ruck durch meinen Körper ging, der mich gehörig erschreckt hatte. Ich keuchte überrascht, als ich rücklings auf das Sofa zurückgedrückt wurde, während Reita grinsend zwischen meinen gespreizten Beinen kniete und diese bestimmend mit seinen Händen noch weiter auseinanderschob, um sich näher an mich heran zu drängeln. In einer eleganten Bewegung entledigte er sich seines Tanktops, beugte sich wieder über mich, und ich sah die vielen silbernen Ringe an seinen Fingern im gedimmten Licht aufblitzen, als er die rechte Hand hob, um sie spielerisch zu mustern, ehe er sie mir verheißungsvoll präsentierte. Er wackelte langsam mit den Fingern, ehe er sie nacheinander sanft einrollte und die Hand kurz zur Faust ballte, dass die Venen an seinem Handrücken und seinem Unterarm nur so hervortraten. „Na, was sagst du?“, fragte er gespielt unschuldig und zeigte mir im nächsten Augenblick ein verkommenes Grinsen, als ich genauso unschuldig, „Keine Ahnung, was du meinst!“, antwortete und ihm voller Vorfreude meinen Hals entgegenreckte, dabei den Kopf leicht in den Nacken legte, soweit es mir die Sitzfläche des Sofas ermöglichte. Reita schnalzte abwertend mit der Zunge, machte eine verneinende Bewegung mit seinem Zeigefinger und sah mich fordernd an, als ich ihn aus halbgeöffneten Augen anschmachtete und mir dabei verlangend über die Lippen leckte. „Was bist du nur für ein verwöhntes, kleines Miststück? Du musst lernen, dass nicht jeder auf Knopfdruck nach deiner Pfeife tanzt, Schönheit. Ich habe dich anscheinend zu sehr verzogen“, sprach er so leise, dass ich Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen. Mir fiel gerade so einiges ziemlich schwer. Es schien in meinen Ohren förmlich zu klingeln vor angestauter Lust. Wenn er nur wüsste, wie scharf er mich gerade mit unserem kleinen Spiel machte. Ich reckte ihm ungeduldig meinen Körper entgegen, doch er zuckte nur mit dem Mundwinkel, grinste gefährlich und drückte mich bestimmend mit einer Hand auf meiner Brust zurück aufs Sofa. Endlich beugte er sich zu mir runter, doch erbarmte er sich nicht dazu, mich zu küssen, selbst als ich ihn gespielt höflich darum bat. „Ich will, dass du mich darum bittest und mich anflehst, wie das kleine, notgeile Miststück, das du bist!“, zischte er mir diesmal hart ins Ohr, verbiss sich sogleich in meinem Ohrring und zerrte mit seinen Zähnen daran, was mich die Luft scharf und geräuschvoll einatmen ließ, da mir der ziepende Schmerz direkt in den Unterleib zu schießen schien. Wenn er unbedingt wollte, dass ich frühzeitig kam und somit den Moment ruinierte, musste er nur so weitermachen. Der Typ machte mich fertig! Ich merkte, wie meine Hose ob seiner herabwürdigenden Worte unerträglich eng geworden war, seit wir unsere kleine Spielerei angefangen hatten. Auch Reita hatte das bemerkt. Nur verwehrte er mir absichtlich die Art von Berührung, die ich mit meinen flehenden Blicken von ihm verlangte. „Ich wiederhole mich nicht gerne, Baby“, waren seine honigsüßen Worte, die durch meine Gehörgänge drangen, mein Hirn vernebelten und mir so viele schöne, sündige Dinge versprachen. In einer unscheinbaren Bewegung versuchte ich ihm meinen Unterleib entgegen zu recken, und er erbarmte sich flüchtig dazu, sich mit Nachdruck dagegen zu bewegen, ehe er sich wieder leicht aufrichtete und mich beinahe gebieterisch anstarrte. Ich schlang daraufhin verlangend meine Beine um seine Hüfte und versuchte, ihn wieder auf mich zu zerren, doch wollte es mir nicht so richtig gelingen. Meinen offenstehenden Lippen entkam ein verzweifeltes Seufzen, was ihn umso breiter und zufriedener grinsen ließ. „Schatz..“, flüsterte ich geschlagen, was ihn die Augenbrauen hochzucken ließ. „Bitte..“, murmelte ich jetzt mit einem leisen Anflug von Scham, was meinen Freund nur noch breiter grinsen ließ. Er wirkte wie eine Hyäne auf Beutefang. Würde ich ihn nicht in- und auswendig kennen, würde ich jetzt sicher Angst vor ihm haben. Seine Augen blitzten mir erregt entgegen, was mir einen Schauer über den Rücken jagte. Ich liebte dieses Spiel, welches wir spielten. Reita gab mir das Gefühl von Sicherheit, wie ich es noch nie bei jemandem gespürt hatte. Bei ihm konnte ich mich sorglos gehen lassen, ohne Angst haben zu müssen, dass ich dafür verurteilt werden könnte. Dafür liebte ich ihn einfach. Auch, wenn er manchmal ein extrem provokatives und gemeines Arschloch sein konnte. Aber was soll’s, ich konnte es immerhin genauso gut. „Ich will-“, fing ich zögernd an und merkte, wie er erregt die Ohren spitzte. Seine Augen verengten sich nur noch mehr, während er sich fahrig über die Lippen leckte und sich zu mir vorbeugte, um gespannt meinen zögernden Worten zu lauschen. „Ich will, dass du deine Hand fest um meinen Hals legst und mich an meinem vorgesehenen Platz festpinnst, während-“ „Während?“, flüsterte Reita gefährlich leise, und eine seiner rauen Hände wanderte an meinem Oberkörper hinab, um in quälend langsamen Bewegungen meine Hose zu öffnen und mir somit ein wenig Erlösung zu verschaffen. Ich verkniff mir daraufhin ein erleichtertes Seufzen. „Während du mich so hart fickst, wie es mein Körper unter dir noch gerade so verkraftet“, beendete ich den Satz nun ebenfalls mit einem verruchten Grinsen und rosa schimmernden Wangen, leckte mir über die Lippen und reckte ihm erneut devot meinen Hals entgegen, als er knurrend aufstöhnte und beinahe geistesgegenwärtig die Zähne so fest zusammenbiss, um sich selbst zu beruhigen, dass seine Kiefermuskeln sichtbar hervortraten. „Bitte, Rei. Ich will deinen harten Schw-“ Er ließ mir keine Zeit, meinen Satz überhaupt zu Ende zu denken. Unsere Lippen stießen beinahe brutal zusammen, dass es schon etwas schmerzte. Seine rechte Hand griff geübt und kontrolliert zugleich nach meinem Hals und drückte an den Seiten fest zu, sodass ich sofort merkte, wie meine Sicht innerhalb von Sekunden verschwamm und ich schlagartig eine wunderbare Leichtigkeit in meinem Kopf verspürte, wie sie mir anders nie gewährt wurde. Entzückt legte ich meine Finger um sein Handgelenk, konnte nicht verhindern, dass meine Augen angetan nach hinten rollten und ich gierig in unseren brutalen Kuss stöhnte, während sich mein Rücken kräftig durchbog und somit seinem festen Körper hungrig entgegenkam. Ich liebte diese Art von Ablenkung so sehr. Der Blonde war mit seinem hart zuckenden Becken gerade dabei gewesen, mir voller Elan vorzuführen, was er gleich alles mit mir anstellen würde, als ich plötzlich das Gefühl hatte, einen Schlüssel zu hören, der sich verheißungsvoll und laut im Türschloss herumdrehte. Kein Zweifel, die Haustür würde gleich aufgehen! Ich riss entsetzt die Augen weit auf, konnte aber nicht klar sehen, geschweige denn überhaupt sprechen, da mir jegliche Luft zum Atmen genommen wurde. Mir traten automatisch Tränen in die Augen, die sogleich an meinen Wangen hinabrannen, weil ich angestrengt die Augen weitete, um etwas erkennen zu können, da alles auf einmal so schwummrig wirkte. Ich schnappte panisch nach Luft, was Reita nicht direkt bemerkte, da er zu sehr damit beschäftigt war, sich wie ein wildes Tier an mir zu reiben und mir dabei heiß ins Ohr zu stöhnen, während er mich beinahe bewusstlos würgte. Prickelnde Gänsehaut überzog meinen gesamten Körper, doch genießen konnte ich diesen wundervollen Zustand leider nicht. Meine Fingernägel krallten sich ungeduldig in sein Handgelenk und ich fing an, daran herumzuzerren, was ihn alarmiert hochrucken ließ. Er löste sofort seinen klammernden Griff und hörte im nächsten Moment, genauso wie ich, dass anscheinend meine Mutter gerade zurückkam. Verdammte Scheiße! Hier war einem wirklich nichts gegönnt! Nun ebenfalls mit einem entsetzten Gesichtsausdruck richtete er sich auf, sah panisch Richtung Flur und griff dann nach meinen Händen, um mich ebenfalls in eine sitzende Position hochzuziehen. „Fuck, Fuck, Fuck!“, zischte er gehetzt und sah sich vergebens nach etwas um, womit wir uns wenigstens ein wenig Sichtschutz verschaffen konnten. Ich kauerte derweil unnütz vor ihm und sah mit offenstehendem Mund entsetzt in Richtung des Geräusches. Es bestand für Außenstehende kein Zweifel, was hier gerade vor sich gegangen war. Wir saßen beide heftig atmend und halbnackt mit weit geöffneten Hosen und schmerzhaft deutlichen Beulen im Schritt auf dem Sofa und warteten auf den unvermeidbaren Einschlag. Und obwohl der Blonde sein Umfeld oft sehr gerne mit Schamlosigkeit provozierte, war diese Situation selbst ihm eine Nummer zu hoch. Reita stand, wie auch mir, die blanke Panik ins vor Erregung errötete Gesicht geschrieben, aber es war inzwischen viel zu spät, noch irgendetwas zu unternehmen. Meine Mutter betrat den dunklen Flur und knipste das Licht an, was ich von hier wunderbar mitverfolgen konnte, machte ein paar Schritte in den Raum und schaute über ihre Schulter hinweg zu Keisuke, der jetzt nach ihr ebenfalls in den Flur trat und dabei laut lachte. Oh, um Himmels Willen! War ich in meinem früheren Leben so ein schlechter Mensch gewesen, dass ich jetzt andauernd so gestraft wurde?! Sie schnatterten laut und amüsiert miteinander und bemerkten uns gar nicht, da sie in ihrer eigenen Welt zu sein schienen. Doch da das Wohnzimmer, genauso wie die Küche, keine Tür, sondern nur einen breiten Türbogen hatte und somit alle Räume offen miteinander verbunden waren, waren wir dem Moment gnadenlos ausgeliefert. Ich konnte entsetzt und beinahe wie in Zeitlupe mitverfolgen, wie meine Mutter einen weiteren Schritt machte, dabei auf mein Shirt trat und beinahe mit ihren High-Heels darauf ausrutschte. Keisuke war es gewesen, der, nachdem er die Tür hinter sich zugezogen hatte, sie reflexartig an der Taille gepackt und stabilisiert hatte und jetzt, genau wie meine Mutter, irritiert zu Boden sah, um den Grund für diese Rutschpartie ausfindig zu machen. Ich verfluchte derweil innerlich Reita, da er derjenige gewesen war, der mich ausgezogen und das Oberteil in Richtung Flur befördert hatte. Boden, tu dich auf! „Was zur-“, sprach meine Mutter verdutzt, kniete sich seitlich hinunter, um mein Shirt zu packen und es mit zwei Fingern vor ihren Augen hochzuhalten, nachdem sie wieder sicher stand. Ich konnte förmlich mitverfolgen, wie sich ihr verwirrter Gesichtsausdruck langsam verwandelte, da sie anscheinend eins und eins zusammenzählte. Ihr komplettes Gesicht entgleiste und sie sah wie in Zeitlupe in unsere Richtung, als sie erkannte, was sie in der Hand hielt. Keisuke folgte ihrem Blick und konnte nicht verhindern, dass seine Augenbrauen überrumpelt in die Höhe schossen, während sein Mund aufklappte. Reita und ich sanken zeitgleich in uns zusammen, doch während mir durch die Rückenlehne noch ein wenig Schutz geboten wurde, war der Blonde den Blicken der beiden völlig ausgeliefert, da er noch immer über mir kniete. „Ach du meine Güte!“, proklamierte meine Mutter entsetzt, ehe sie sich die Hände mitsamt Shirt vor dem Gesicht zusammenschlug und gegen Keisukes Brust zurückstolperte. Der Größere wiederum sah mich plötzlich mit geweiteten Augen an und rief bestürzt, „Kouyou, ist alles in Ordnung?“, ehe er meine Mutter sanft zur Seite schob und tatsächlich einige Schritte auf uns zu wagte. Was zum Teufel meinte er?! Reitas grollendes, „Nicht!“, erschreckte uns alle. Selbst ich war heftig zusammengezuckt. Er hatte einen Arm abwehrend in Keisukes Richtung ausgestreckt, da er verhindern wollte, dass uns der Ältere viel zu nahe kam und somit die intimen Reaktionen unserer beider Körper füreinander sah. Und tatsächlich blieb der Schwarzhaarige ertappt stehen, ehe er die linke Hand peinlich berührt vor Augen hob, mit dieser seinen Blick abschirmte und sich wieder herumdrehte, um bestimmend auf meine schockstarre Mutter zuzueilen und diese still in Richtung Küche zu bugsieren. Im nächsten Moment drehte sich Reita zu mir herum, um mich mit einem besorgten Blick zu mustern. „Es tut mir so leid, Baby. Ich wollte dir nicht wehtun“, nuschelte er kryptisch, während er mir in einer vorsichtigen Bewegung mit dem Daumen erst über die Unterlippe und dann übers Kinn wischte, und just in dem Moment begriff ich, worauf Keisuke vorhin hinausgewollt hatte. Das brennende Ziehen, was durch Reitas Berührung entstand, sprach Bände. Meine Unterlippe war beim Küssen anscheinend aufgeplatzt und blutete, was ich durch meine ekstatische Verzückung gar nicht mitbekommen hatte. Ich konnte mein eigenes Blut schmecken, als ich mir über die Lippen leckte und das Gesicht verzog. Und die feuchten Tränenspuren in meinem Gesicht taten wohl auch ihr Übriges. Ich wollte gar nicht wissen, was ich hier gerade für einen erbärmlichen Anblick bieten musste. Ich sah sicher aus wie ein gerupftes Huhn, das quer durch den Stall gejagt worden war. „Verfickte Scheiße!“, knurrte ich völlig untypisch, was Reita nervös und leise lachen ließ. „Komm, wir schleichen uns vorbei“, murmelte er knapp und schnappte sich meine Hand, um mich auf die Beine zu ziehen. Wir verdeckten beide jeweils unsere bekleideten Körpermitten mit unseren Händen, während wir, mit dem Rücken zur Küche, losliefen und dann erleichtert die Treppen hochpolterten, als wir in Sicherheit waren. Reita folgte mir laut ausatmend in mein Zimmer und schloss die Tür hinter sich vorsorglich ab. Wieso nur wurde ich dauernd in solche Situationen katapultiert, wenn ich sie am meisten zu verhindern versuchte? Was zum Geier hatte ich verbrochen? Und wieso zum Teufel waren die beiden gerade heute zurückgekommen? Erneut hatte ich unfreiwillig für Angriffsfläche gesorgt, hatte mich in meinem verwundbarsten Moment gerade von Keisuke erwischen lassen und der Gedanke machte mich so wütend, dass ich nicht wusste, wohin mit dem exzessiven Gefühl. Also nahm ich den leichtesten und für mich momentan logischsten Ausweg, zerrte den verwirrten Reita aggressiv hinter mir her in Richtung meines Badezimmers und zwang ihn dazu, unser vorhin angefangenes Spiel hier zu beenden, bevor wir uns herrichteten und den beiden endgültig entgegentraten. Es war alles sehr schnell gegangen, da wir beide, aufgewühlt und angestachelt ob der absurden Situation, rasch an unsere Grenzen gekommen waren. Sogar so schnell, dass ich die Tür im Bad überrumpelt eingesaut hatte, weil ich Reitas erbarmungslosen Stößen hilflos ausgeliefert gewesen war. In jeder anderen Situation hätte mir dieser Zustand sicher eine Schamesröte ins Gesicht gezaubert, aber ich war zu aufgebracht gewesen, um überhaupt darüber nachzudenken. Reita hatte mich mit einem bestimmenden Kuss und den Worten, „Dusch dich schnell ab, ich mach das schon“, in Richtung Duschkabine gedrückt und sich dann schnell daran gemacht, das Desaster wegzuwischen. Tief durchatmend und mit schneller klopfendem Herzen betrat ich jetzt nach Reita die Küche, der nur eine knappe Begrüßung in den spärlich beleuchteten Raum warf und direkt in Richtung Küchentheke schritt, um sich mit vor der Brust verschränkten Armen dagegen zu lehnen und anklagend in die Runde zu schauen. Ich eilte auf ihn zu, stellte mich neben ihn und räusperte mich leicht, ehe ich trocken, „Hi“, sagte und den beschämten Blick meiner Mutter leicht verärgert erwiderte. Keisuke lehnte mit vor der Brust verschränkten Armen am Küchentisch, direkt neben meiner Mutter, die auf einem der Stühle saß und verloren den Henkel ihrer bauchigen Tasse befummelte. Wir hatten ihr leises Getuschel unterbrochen. Es wusste niemand so recht, wie er die peinliche Stille verscheuchen sollte. Der unangenehme Moment von vorhin schien wie dichter Nebel im Raum umher zu wabern und zwischen uns zu stehen. Ich nutzte die Stille und besah mir die beiden knapp. Anscheinend waren sie schick essen gewesen, denn sie sahen alle beide hinreißend aus. Sie hatten ihre Outfits höchstwahrscheinlich farblich zueinander abgestimmt. Während meine Mutter, die ihr langes, schwarzes Haar in sanften Wellen elegant auf einer Seite trug, ein trägerloses, schwarzes Kleid anhatte, welches ihre schöne Figur wunderbar in Szene setzte, und funkelnden Schmuck an den Ohren, dem Hals und ihrem Finger trug, war Keisuke ebenfalls komplett in Schwarz eingekleidet. Die Anzugjacke hatte er aufgeknöpft und auch die schwarze, schmale Krawatte um seinen Hals war gelockert. Seine Anzughose spannte sich so extrem um seine breiten Oberschenkel, dass es beinahe so wirkte, als würden die Nähte gleich reißen. Ich wendete mich hektisch von dem Anblick seiner langen Beine ab und räusperte mich, ehe ich den Mut fasste und, „Was treibt euch hierher, Ma? Ich dachte, du wolltest für ein paar Tage wegbleiben?“, fragte, was dafür sorgte, dass beide überrascht auf- und zu mir herübersahen. Und dann brach ein kleines Chaos aus. „Es.. Es tut mir leid, Schatz. Wenn ich gewusst hätte, dass-“ „Nami hat ihre Unterlagen für die Planung unserer nächsten Kampagne im Arbeitszimmer liegen lassen. Und weil wir in der Nähe waren, haben wir uns gedacht, dass-“ „Wir wollten nur schnell vorbeikommen, und ich war davon ausgegangen, dass du schon schläfst, weil du heute so früh auf Arbeit warst. Wir haben auch nichts gesehen, wirklich! So schlimm ist das also gar nicht!“ Überfordert hatte ich von links nach rechts gesehen, weil sie beide sich immer wieder gegenseitig unterbrochen hatten. Reita machte ob dieser Situation ein abfälliges Geräusch, worauf alle Augen im Raum diesmal verwirrt auf ihn gerichtet waren. „Und genau diese Momente sind der Grund, wieso ich dafür bin, dass wir uns endlich schnellstens eine gemein-“ Ich rammte Reita meinen Ellenbogen vor Panik so hart in die Seite, dass er vor Schmerz aufjaulte und mich dann entrüstet anstierte, aber brav den Mund hielt. Dass unser Verhalten höchst suspekt auf die anderen beiden wirken musste, war mir in diesem Augenblick völlig egal. Ich hatte meiner Mutter gegenüber nicht mit einer Silbe erwähnt, dass ich mit Reita zusammenziehen wollte. Und das hier war auch definitiv nicht der richtige Augenblick, um dieses Thema aufzugreifen. Ich erwiderte seinen Blick nur mit verzogenen Lippen und murrte im selben Augenblick selber auf, da ich mir durch die Aktion einen Schmerz durch die Unterlippe gejagt hatte. Während Reita und ich uns gegenseitig mit bösen Blicken traktierten, sprach meine Mutter erneut. „Schon verstanden. Ich bin ja gleich wieder weg. Ich wollte euch euren gemeinsamen Abend sicher nicht ruinieren..“ Ihre Stimme klang mit einem Mal so todtraurig, dass ich Reita einen weiteren vernichtenden Blick zusandte und dann auf sie zugehen wollte, doch sie hielt mich mit einer schwach gehobenen Hand davon ab, ihr näher zu kommen, erhob sich und ging geknickt aus der Küche. Das laute Klackern ihrer Schuhe hallte durch den gesamten Raum. Sie hatte sich in der Hektik nicht einmal die Schuhe ausgezogen. Sowas kam bei meiner Mutter sonst nie vor. Eher würde sie mich mit dem Wischmopp durch das gesamte Haus jagen, als mir so etwas zu erlauben. Keisuke sah ihr nachdenklich hinterher, ehe er grübelnd sein Kinn in seiner linken Hand abstützte und mich und Reita plötzlich anschuldigend fixierte. „Tat das Not?“, fragte der Schwarzhaarige jetzt ruhig, der sich damit direkt an Reita gewendet hatte, und ich machte mich schon auf eine Explosion der Extraklasse auf meiner rechten Seite gefasst, doch mein Freund murrte nur sauer und sah grimmig zu Boden, als würde er wirklich darüber nachdenken. „Hört zu, Jungs. Das war wirklich keine Absicht. Wir verschwinden auch gleich wieder. Wir haben uns nur schnell aus der Promo-Party weggeschlichen, weil die Unterlagen sehr wichtig für die morgige Konferenz sind. Wenn wir gewusst hätten, dass ihr beschäftigt seid, hätten wir vorher angerufen, um uns vorsichtshalber anzukündigen!“ Keisukes Stimme war ruhig, seine Körpersprache beinahe überlegen, als er Reita und mir die Situation erklärte. Doch mir gefiel die Art nicht, wie er bestimmte Worte in seinem Satz betonte. Als würde er uns Vorwürfe machen, dass Reita und ich uns nahe gekommen waren. Der Größere sah diesmal zu mir, sein Blick zuckte kurz hinunter zu meiner versorgten Unterlippe, und ich hatte das Gefühl, als würden sich seine Gesichtsmuskeln für einen kurzen Moment zusammenziehen, als hätte ihn der Anblick verärgert. Nicht aus der Ruhe bringen lassen, Uruha. Zufall, mehr nicht. „Vergessen wir das Ganze einfach, ja?“, sprach der Ältere jetzt und richtete seine Anzugjacke, fuhr sich durchs gestylte Haar und wir horchten alle auf, als meine Mutter die Treppen wieder hinunterkam. „Kommst du, Liebling? Wir sind schon zu lange weg. Ich will nicht, dass Satō-buchou merkt, dass wir beide zur gleichen Zeit fehlen“, richtete sich meine Mutter direkt an ihren Partner, hielt ihre Aktentasche fest in der einen Hand, während sie die andere bittend in Richtung Keisuke ausstreckte, der auch sofort auf sie zuging, um diese zu ergreifen und ihr einen Kuss auf den Handrücken zu verpassen. Schleimer. Sie würdigte Reita und mich keines Blickes. Die Gesamtsituation hatte sie anscheinend ziemlich verletzt, da sie mich sonst niemals so strafend ignorieren würde. Das hatte ich doch gar nicht gewollt. Ja, es machte mich wütend, wenn meine Mutter uns jedes Mal auf diese Art und Weise in unseren intimsten Momenten erwischte, aber so war sie nun mal. Und immerhin machte sie es ja nicht mit Absicht. Der Schwarzhaarige lachte nur, ehe er, „Was soll schon passieren? Ich habe immerhin mehr zu sagen als er. Mach dir keine Sorgen“, sprach und meiner Mutter zur Beruhigung einen knappen Kuss auf die Schläfe presste. Dann drehte er sich noch einmal zu uns herum und richtete seine nächste, unerwartete Frage direkt an mich. „Ist es ok, wenn ich mir von Nami deine Handynummer geben lasse?“ Ich sah nur verwirrt drein, nickte dann aber knapp und ging gemeinsam mit Reita in den Flur, um mit ihm die beiden Älteren an der Haustür zu verabschieden. Wahrscheinlich wollte er meine Handynummer nur, damit er nicht andauernd über meine Mutter mit mir kommunizieren musste. Wir wollten uns ja immerhin noch zusammensetzen und reden. Oh, ich konnte es schon kaum abwarten. Sarkasmus Ende. Dass Reitas Blick sich wegen der Frage des Älteren verfinstert hatte, hatte ich nicht mitbekommen. Bevor meine Mutter das Haus verlassen konnte, griff ich entschlossen nach ihrem Arm, zerrte sie somit grob von Keisuke weg und zog sie kommentarlos in meine Arme, wodurch sich ihre gesamte Körpersprache direkt wandelte. Sie ließ die Aktentasche sorglos neben sich auf den Boden fallen und schlang erleichtert ausatmend beide Arme fest um meinen Rücken, ehe sie sich erneut leise bei mir entschuldigte. „Ich liebe dich, Ma. So sehr“, hauchte ich ihr nur reuleidig ins Ohr, ehe ich ihr einen Kuss auf die Wange presste, und fügte noch, „Ich wollte dich nicht verletzen. Du musst aber auch zugeben, dass du ein Talent dafür hast, uns andauernd in solchen Momenten zu erwischen!“, hinzu, was ihr ein beschämtes Grummeln entlockte. Keisuke lächelte nur lobend ob unseres Anblicks, zeigte mir seine tiefen Grübchen und deutete nur ein knappes Nicken an, welches ich höflich erwiderte. Dann drehte er sich zu Reita, nickte auch diesem mit einem knappen, „Akira“, zu und verabschiedete sich kurz angebunden von uns, ehe er die Aktentasche meiner Mutter schnappte und auch schon losmarschierte, um schon mal den Motor seines Mercedes zu starten. „Also dann, ihr beiden“, sprach meine Mutter liebevoll, als sie mich losließ und uns beide noch mal anlächelte. „Tut mir leid, Nami. Das war nicht so gemeint. War blöd von mir. Sei mir bitte nicht böse, ja?“, murmelte mein Freund nur beschämt und ließ sich bereitwillig einen Kuss von meiner Mutter auf die Wange drücken, wodurch sie einen roten Abdruck ihres Lippenstiftes auf der Wange des Blonden hinterließ. Sie verzieh ihm, ohne mit der Wimper zu zucken, hob die Hand zum Abschied und sagte noch schelmisch, „Und seid ja nicht zu grob zueinander. Sonst kriege ich irgendwann noch einen Herzinfarkt wegen euch!“, ehe sie leise kichernd auf dem Absatz kehrt machte und elegant auf Keisukes Wagen zuschritt. Ich hatte mir ob ihres Kommentars nur geräuschvoll und peinlich berührt die Hand vor die Stirn geschlagen, ehe ich mit Reita zurück ins Haus gegangen war. Na, immerhin hatten wir jetzt endlich unsere Ruhe! Doch wenn ich dachte, dass wir unseren gemeinsamen Abend nun endlich ungestört dort weiterführen würden, wo wir unterbrochen wurden, hatte ich die Rechnung definitiv ohne Reita gemacht. Ehe ich überhaupt zurück ins Wohnzimmer gehen konnte, fragte er hinter mir leise, „Was sollte das eben?“, was mich aufhorchen ließ, und ich drehte mich mit einem Fragezeichen im Gesicht zu ihm herum. „Was sollte was?“, fragte ich verwirrt und zog die Brauen irritiert zusammen, als er mit beiden Armen eine ausschweifende Bewegung vollzog und, „Das alles!“, knurrte. Da ihm mein noch immer verwirrter Blick anscheinend auffiel, fuhr er fort. „Die Sache in der Küche, die Frage nach deiner Handynummer? Wieso weiß deine Mutter immer noch nichts von der Sache mit dem Umzug? Willst du überhaupt noch mit mir zusammenziehen?“ „Oh bitte, Schatz-“, redete ich dazwischen, machte ihn aber aus irgendeinem Grund damit noch wütender, denn er unterbrach mich direkt. „Hör auf, andauernd so ausweichend zu reagieren, wenn ich dich etwas frage. Was soll der Scheiß? Wieso redest du nicht mit Nami?“, rief er jetzt, dass ich glaubte, ich sei erneut im falschen Film gelandet. „Wieso wirst du jetzt so laut?! Ich habe dir doch gesagt, dass ich es einfach noch nicht übers Herz bringe. Du weißt, wie sie ist. Natürlich möchte ich mit dir zusammenleben, was ist das für eine dämliche Frage?! Und wie oft muss ich noch sagen, dass ich mir erst Gewissheit verschaffen muss, dass sie bei Keisuke sicher ist, bevor ich überhaupt an einen Umzug denken kann?“ „Keisuke hier, Keisuke da! Mir kommt’s zu den Ohren raus! Ich kann den Namen dieses Flachwichsers langsam echt nicht mehr hören, Mann! Willst du vielleicht zur Abwechslung mal an dich und mich denken und nicht an andere?“, keifte er jetzt und stieß dabei die geballte Faust heftig in die Luft, was mich leicht an meinem Platz zurückzucken ließ. Das waren also seine wahren Gefühle? So sah er das Ganze also? Ich hatte von ihm etwas mehr Verständnis erwartet. Wie vor den Kopf gestoßen sah ich ihn entsetzt an und schüttelte wortlos den Kopf, was ihn schier wahnsinnig werden ließ. Was war nur los mit ihm? Wieso wütete er hier jetzt so herum? Völlig überfordert machte ich einen Schritt zurück und verteufelte mich flugs selbst dafür, als sich seine Augen verletzt und ungläubig weiteten, wie vor einigen Wochen in Toshiyas Küche. „Du machst es schon wieder..“, flüsterte er plötzlich und seine Stimme klang so gekränkt, dass es mir ruckartig die Brust zuschnürte. „Rei, es-“, fing ich an und machte einen Schritt auf ihn zu, doch der Ältere hob abwehrend die flache Hand, griff sich mit dieser dann an den Kopf und raufte sich verzweifelt das Haar. Wieso war ich nur so dumm? „Bitte, komm her zu mir. Lass uns erst mal Platz nehmen, ja?“, redete ich jetzt ruhig auf ihn ein und ging beschwichtigend auf ihn zu und er ließ mich tatsächlich nach seiner Hand schnappen und tapste mit hängenden Schultern hinter mir her ins Wohnzimmer, um sich neben mir wie ein nasser Sandsack aufs Sofa fallen zu lassen und in sich zusammenzusinken. Es herrschte Stille zwischen uns, die nur vom leisen Fernseher unterbrochen wurde, der noch immer im Hintergrund lief. „Wozu braucht der Typ deine Handynummer?“ Die Frage warf mich so aus der Bahn, dass Reita bei meinem ertappten Gesichtsausdruck abfällig schnaubte und kurz davor war, erneut an die Decke zu gehen. Dass ich mir auch immer alles anmerken lassen musste! Was sollte ich jetzt machen? Toshiya hatte mir zurecht einflößen wollen, dass ich zukünftig meine Probleme mit Reita teilen sollte, doch ich hatte es wieder nicht getan, hatte ihn somit erneut enttäuscht und er wusste nicht einmal etwas davon. Und das Resultat aus meinem wiederholten Fehler war die Situation, in der wir momentan steckten. Wie würde er reagieren, wenn ich ihm jetzt erst von der Sitzung in der Praxis mit Keisuke erzählen würde? Er hätte unumstößlich das Recht dazu, auszuflippen. Sollte ich es vielleicht doch für mich behalten, um Frieden zwischen uns einkehren zu lassen? Ich wollte nicht, dass wir unsere Freizeit damit verbrachten, uns wegen diesem Snob zu streiten. Aber wenn ich jetzt log, hätte das bestimmt noch schlimmere Folgen. Mal abgesehen von der Tatsache, dass ich ewig ein schlechtes Gewissen haben würde, wenn ich Reita ins Gesicht blickte. Ich atmete ruhig ein und aus, um mich selber ein wenig zu entspannen, sah meinem Freund dann entschlossen in die Augen und griff, als wäre es eine beiläufige Geste gewesen, nach seiner linken Hand, um unsere Finger spielerisch ineinander zu verweben. Ich schluckte trocken und meldete mich dann zu Wort. „Ich gehe mal davon aus, dass er nicht mehr über Umwege mit mir kommunizieren will. Ist ja auch irgendwo verständlich, wenn er mal mit dem Sohn seiner Partnerin quatschen will, oder?“ Es sollte beiläufig und unbeschwert klingen, doch anhand Reitas stechender Augen sah ich, dass ich kläglich in meinem Versuch versagt hatte. „Wieso tust du das, Kouyou?“ Meinen bürgerlichen Namen in diesem Moment aus seinem Munde zu hören, zerrte mir den Boden unter den Füßen weg. Ich fiel aus allen Wolken. So hatte er mich noch nie angesprochen! Nicht ein einziges Mal in den drei Jahren, in denen wir nun schon zusammenwaren. Er nannte mich nur bei meinem richtigen Namen, wenn es formelle Umstände so verlangten. Und selbst die waren recht selten. Ich stierte ihn entsetzt an, doch er ließ sich dadurch nicht beirren, riss seine Hand beinahe hasserfüllt aus meinem Griff und drehte sich mit dem gesamten Oberkörper zu mir, um meinen Blick verärgert zu erwidern. Stimmt ja, Lügen war nicht meine Stärke und ich war auch sonst ein offenes Buch, was man nach Herzenslust aufschlagen und lesen konnte. Verdammt! „Nenn mich bitte nicht so..“, wisperte ich gekränkt, und mein Kopf schoss perplex hoch, als er mich diesmal ohne Vorwarnung ruckartig am Kragen meines Shirts packte und mich ganz nahe und grob an sein Gesicht zerrte. „Ich flippe hier gleich aus! Hör auf, meinen Fragen so offensichtlich aus dem Weg zu gehen, verdammt nochmal! Wieso lügst du mich an?!“, keifte er jetzt so laut, dass ich entsetzt, ob der Situation und der Surrealität wegen, die Augen fest zukniff und mich in seine geballte Hand krallte, die mich immer noch mit eisernem Griff am Kleidungsstück festhielt, um selber daran zu zerren und somit blutige Kratzspuren auf seinem Handrücken zu hinterlassen. „Spinnst du oder was?! Du schnürst mir die Luft ab! Lass mich los! Ich bin dein Freund und nicht dein Feind, du Idiot!“ Es schien, als hätte jemand daraufhin einen Schalter in Reita umgelegt. Ich konnte den Umschwung förmlich mitverfolgen. Der wilde Ausdruck in seinen Augen erlosch instantan. Plötzlich sah er mich entsetzt an, als wäre nicht er, sondern ich handgreiflich geworden. Wie vom Blitz getroffen ließ er von meinem Oberteil ab und rutschte verschreckt auf seinem Platz zurück, um Abstand zwischen uns beide zu bringen und mich wie ein verschrecktes Reh anzublinzeln. Was war denn nur los mit ihm? Ich verstand die Welt nicht mehr. „Oh Gott.. Ich-“ „Reita.. Ich weiß nicht, was los ist, aber du hast anscheinend auch irgendetwas, was dich beschäftigt. Wie kannst du mir vorwerfen, dass ich dich anlüge, wenn du doch offensichtlicherweise auch irgendetwas vor mir verbirgst?“, war es meine beleidigte Frage, die ihn aus seiner Trance schnappen ließ. Ich war noch dabei gewesen, mir schnaubend den Kragen zu richten, als mich ein schwerer Körper auf das Sofa zurückdrückte. Ich hatte laut aufgeschrien vor Schreck und lag jetzt verdutzt auf dem Rücken, während Reita über mir lag, das Gesicht in meiner Halsbeuge versteckt und stetig am gesamten Körper zitternd. Ich würde lügen, wenn ich jetzt sagen würde, dass ich nicht verwirrt und überfordert war. Meine Sorgen stiegen ins Unermessliche, als ich plötzlich spürte, wie er verkrampft seine Schluchzer zu unterdrücken versuchte, während sich seine heißen Tränen in meiner Halsbeuge sammelten. Alarmiert schlang ich meine Arme fest um ihn, um seinen Körper fest an meinen zu drücken. Dass der Abend so laufen würde, hätte ich mir im Traum nicht ausgemalt. Das hatte ich mir alles ganz anders vorgestellt. Reita hatte noch nie in meinem Beisein geweint. Das war das erste Mal, dass er vor mir seinen Tränen freien Lauf ließ. Ich hatte mir darüber nie Gedanken gemacht, hatte es so hingenommen, dass ich in unserer Beziehung die Heulsuse und er die tröstende Schulter war. Es kostete mich enorm viel Kraft, nicht in sein Schluchzen miteinzustimmen. Ihn so zu hören, brach mir förmlich das Herz. Beruhigend machte ich immer wieder, „Shh!“, während ich seinen Rücken sanft streichelte und dabei den Fakt ignorierte, dass er mir mit seiner festen Umarmung die Atmung förmlich abschnürte. „I-ich komme m-mit dem ganzen S-scheiß ni-nicht mehr klar!“, weinte er leise und ich hätte es beinahe überhört. „Schatz, bitte, hör auf. Alles ist gut, es gibt keinen Grund, traurig zu sein. Ich liebe dich und ich bin dir nicht böse, ok?“, murmelte ich gespielt ruhig auf ihn ein, merkte, wie meine eigene Stimme zu zittern angefangen hatte. Nahe am Wasser gebaut und so. „Seit der Typ aufgetaucht ist, ha-habe ich dauernd Angst um dich. Irgendwas ist mit dem, a-aber ich weiß nicht, w-was!“, hickste er jetzt und klang extrem nervös, was mich verwundert aufhorchen ließ. Was meinte er bitte damit? Dass Reita so über Keisuke dachte, hätte ich nicht mal im Traum erahnt. Ich hatte immer gedacht, dass es nur eine allgemeine, oberflächliche Abneigung gewesen war. Der Ältere hickste, richtete sich auf und sah mich aus verschwommenen Augen an, was mir augenblicks selber Tränen in die Augen trieb. Er sah so verdammt verletzt und aufgelöst aus, so wollte ich ihn nie wieder sehen müssen! Allein der Anblick schmerzte. Ich legte meine Hände an seine Wangen und streichelte darüber, um seine Tränen wegzuwischen, und der Ältere schmiegte sich zahm in meine Berührung, griff nach meiner Hand und führte sie an seine zitternden Lippen, um meine Handfläche in einer solch zärtlichen Geste zu küssen, dass ich die Lippen zusammenpressen musste, um nicht loszuflennen. Natürlich schmerzte dabei die kleine Platzwunde, doch ich ignorierte das Stechen in meinem Gesicht gekonnt. Wir hatten uns in mein Zimmer zurückgezogen. Die Tür war provisorisch abgeschlossen, obwohl wir alleine zuhause waren. Nur die Nachttischlampe erhellte den großen Raum, ließ alles um uns herum schemenhaft wirken. Das Fenster war weit geöffnet, damit die klare Nachtluft ins Zimmer dringen konnte. Ich konnte von hier aus den dunklen, sternenlosen Himmel sehen. Reita und ich lagen nebeneinander in meinem Bett, unsere nackten Körper einzig von einem dünnen Laken bedeckt. Ich lag halb auf ihm, hatte ein Bein über ihn geschlungen, mich an seine Seite gepresst und hielt besitzergreifend seine Hand in meiner, während der Blonde in die Stille hineinerzählte, während er dabei einen Arm fest um mich geschlungen hielt. Reita hatte mir verschwiegen, wie sehr ihn die Sache in der Diskothek wirklich mitgenommen hatte, weil er mir keine Sorgen hatte bereiten wollen. Dadurch hatte er sich selbst aber so sehr unter Druck gesetzt, dass es in letzter Zeit immer öfter zu Ausrastern seinerseits gekommen war, und ich hatte nie wirklich hinterfragt, wieso. Es war mir nicht einmal aufgefallen, wofür ich mich schämte. Dabei sollte ich meinen Freund doch am besten kennen. Er hatte mir anvertraut, dass er tagelang gegrübelt hatte, dass, egal wie er es gedreht und gewendet hatte, die Ursache für ihn immer wieder zu Keisuke zurückgeführt hatte. Er hatte sich sogar Rat bei seinen Arbeitskollegen geholt, weil er sich nicht getraut hatte, sich mit unseren Freunden darüber zu unterhalten und diese womöglich unangebracht zu alarmieren, hatte er mir anvertraut. Seine Worte hatten mich überrascht. Zugegeben, ich hatte aufgehört, mich noch weiter mit diesem Thema zu befassen, da ich genug davon gehabt hatte. Aber seine Ansicht zu erfahren, ließ auch mich erneut zweifeln. Dabei wollte ich das doch gar nicht mehr! Ich wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden und mein Leben genießen, verdammt! „Ich dachte, der Sport würde mir dabei helfen, dass ich meine innere Aggression besser abbauen kann, aber ich habe mich wohl geirrt“, sprach der Blonde gedankenversunken, während er meinen nackten Rücken sanft mit seinen Fingerspitzen streichelte. Ich horchte auf. Im Liegen sah ich in sein Gesicht, konnte sehen, wie er mürrisch die Lippen schürzte und dann seufzte. „Wenn ihr beide euch noch einmal aussprecht, sorge bitte dafür, dass es an einem öffentlichen Platz passiert. Ein Café oder ein Park. Hauptsache es sind genug Leute drumherum. Mir bekommt der Gedanke nicht, dich mit dieser Pfeife alleine zu lassen!“, redete Reita jetzt bestimmend und sah aus dem Augenwinkel zu mir. Ich lächelte ihm nur beruhigend zu. Ich hatte ihm von den Behandlungen erzählt, die Keisuke jetzt regelmäßig bei mir haben würde. Auch hatte ich ihm von dem Vorfall im Behandlungszimmer erzählt, und wie ihr euch denken konntet, war er nicht sehr erfreut gewesen. „Wird schon schief gehen, keine Sorge. Versprich mir einfach nur, dass du in Zukunft deine Gedanken mit mir teilst, statt sie in dich hineinzufressen. Lass mich dir helfen und dir beistehen“, waren meine heuchlerischen Worte, die Reita genau die Reaktion entlockten, wie ich es schon beinahe geahnt hatte. Er hob eine fein geschwungene Augenbraue und grinste skeptisch, ehe er im sarkastischen Ton, „Dein Ernst? Und das aus deinem Munde? Wenn du mir noch einmal so etwas verschweigst, egal ob es sich jetzt um diesen Schwanzlurch handelt oder um Hotaru, die dir wieder an den Arsch will, dann ziehe ich dir deine Ohren lang! Hast du verstanden?“, schnarrte und dann gemeinsam mit mir in ausgelassenes Gelächter ausbrach. So gefiel mir das schon eher! Der Abend war sehr kräftezehrend für uns gewesen. Wir hatten uns noch nie so gestritten, geschweige denn, war er mir gegenüber jemals handgreiflich geworden. Reita und ich hatten uns noch ein wenig über die Geschehnisse unterhalten, über die Zukunft spekuliert und auch das Thema Umzug kurz angeschnitten. Er hatte sich mit einem atemberaubenden Kuss bei mir entschuldigt, weil er sich im Flur so verhalten hatte. Ich nahm es ihm aber nicht übel, wusste ich ja jetzt immerhin, was der Auslöser gewesen war. Doch so sehr mich die Sache schmerzte, es musste einfach noch warten. Der Umzug würde ein großer Schritt für uns werden, der vorher anständig durchdacht und geplant werden musste. Und dafür hatte ich zurzeit einfach nicht den Kopf. Wenn Reitas Befürchtungen auch nur ansatzweise stimmten, hatten wir alle nämlich ein viel größeres Problem, als eigentlich angenommen. Konnte es wirklich sein, dass Keisuke mich unter Drogen gesetzt hatte? Und wenn ja, wieso? Was hatte er damit bezwecken wollen? Reita hatte zähneknirschend zugehört, hatte immer wieder entrüstet, „Siehst du?!“, gerufen, als ich von Keisukes anzüglichem Verhalten mir gegenüber und seinen Kommentaren geredet hatte. War doch irgendetwas dran? Das Donnerwetter, was auf uns niederkrachen würde, sollte es wirklich in diese Richtung gehen, würde definitiv verheerend werden. Kapitel 16: ~16~ ---------------- „Das wäre nie passiert, wenn du damals in der Schule aufgepasst hättest!“ Wir saßen gemeinsam an unserem Stammplatz, der roten, gemütlichen Sitzecke im “ThreeCrowns“, und brachen in schallendes Gelächter aus, dass einige Gäste uns sogar interessiert musterten. Wir alle lachten, bis auf Aoi, der beleidigt die Arme vor der Brust verschränkte, Ruki missmutig mit zusammengezogenen Brauen anstierte und, „Du hast mindestens genauso oft gefehlt, wenn nicht sogar öfter, also halt‘ den Ball flach, du Giftzwerg!“, schnarrte und danach direkt hinter Toshiyas schmalem Rücken in Deckung ging, da Ruki wegen dem unschönen Spitznamen über den Tisch hinweg nach ihm schlagen wollte. „Stimmt gar nicht! Kai hat zu der Zeit dafür gesorgt, dass ich jeden Tag im Unterricht erschienen bin. Deswegen war und bin ich ja auch besser als du!“ „Ist gut jetzt, ihr beiden. Es reicht mir schon vollkommen, dass mich meine Kollegen so anklagend angucken. Da müsst ihr beiden nicht noch einen draufsetzen, indem ihr so eine Szene schiebt und jeden mit eurem Gebrüll auf uns aufmerksam macht!“, meckerte Kai jetzt verlegen im gedämpften Ton, während seine braunen Augen unruhig durch das Lokal streiften und er immer wieder beschämt lächelnd auf seinem Platz halbe Verneigungen vollzog, wenn seine Arbeitskollegen mit verachtenden Blicken an unserem Tisch vorbeigingen, was uns alle mit den Augen rollen ließ. „Diese nichtsgönnerische Arbeitsmoral hier, also wirklich. Du hast eben frei. Die sollen nicht so herumpatzen. Wird Zeit, dass die mal alle ein bisschen locker in der Hose werden!“, klagte unser Ältester in der Runde und erntete dafür einen Seitenhieb von Toshiya, der nur bockig mit der Zunge schnalzte und sich dann weiter mit uns darüber ausließ, dass Aoi anscheinend noch immer regelmäßig und vergebens versuchte, ihn „zu schwängern“. „Alter, ehrlich mal. Inzwischen weiß ich gar nicht mehr, ob du scherzt oder das ernst meinst, Aoi!“, lachte Reita, der mit übereinander geschlagenen Beinen neben mir saß, entspannt in seinem Platz eingesunken war und einen Arm besitzergreifend um meine Rückenlehne gelegt hatte, um abwesend an meinen langen Haarsträhnen im Nacken herum zu spielen. Mir jagte die sanfte Berührung immer wieder einen angenehmen Stromstoß durch den Körper und ich merkte, dass ich sogar Gänsehaut an den nackten Armen bekam. Das Rumgealbere meiner Freunde war wie Balsam für meine Seele. Sie schafften es immer wieder, mich aus meinen Gedanken zu reißen und mir gute Laune zu machen. Ich war froh, dass ich sie auf meiner Seite hatte. Was wäre das Leben nur trostlos ohne loyale Freunde. „Ich weiß es genauso wenig. Wird auf Dauer auch irgendwie anstrengend! Ich bin schon ganz wund“, platzte es nonchalant aus Toshiya, der unschuldig nach seinem Getränk griff und süffisant an seinem Strohhalm nuckelte, während wir alle erneut lachten und Aoi ihn nur entrüstet ansah. „Ihr könnt mich alle mal kreuzweise, ihr treulosen Arschgeigen! Und komm du mir noch mal an mit, “Liebling, hast du Lust auf ‘ne Runde Twister?“, Totchi! Ich twiste hier bald gar nichts mehr! Mach’s dir doch selbst!“, meckerte der Älteste bockig und schlug mit der flachen Hand reflexartig nach der Serviettenkugel, mit der Ruki ihn quer über den Esstisch bewarf. Das war hier ja gerade wie damals in der Mensa, wenn wir unsere Pausen immer gemeinsam verbracht hatten! Wie ein Haufen Kleinkinder. Toshiya verschluckte sich überrumpelt auf die Aussage Aois hin und verteilte prustend sein Getränk in seiner Handinnenfläche, da er diese noch schnell schützend vor die Lippen gehalten hatte. „Ruki!“, zischte Kai ermahnend und kniff den Jüngsten im Bunde anscheinend unter dem Tisch in den Oberschenkel, da Betroffener nur aufjaulte und sofort beleidigt die Unterlippe vorschob und meinen besten Freund dabei verurteilend anglotzte. Reita schickte mir nur einen vielsagenden Blick und grinste schief, was ich kopfschüttelnd und lachend erwiderte, ehe wir unser Augenmerk auf die Kellnerin richteten, die plötzlich mit einem höflichen Lächeln an unserem Tisch stand und unsere Bestellungen verteilte. „Wenn Sie noch etwas brauchen, rufen Sie doch bitte einfach nach mir. Ich helfe Ihnen gerne weiter!“, sprach das junge Mädchen im euphorischen Ton in die Runde und lächelte dann noch speziell Kai zu, was bei Ruki zu unkontrollierten Gesichtszuckungen führte. „Wenn ich dir noch was bringen kann, sag bitte Bescheid, Kai. Lass es dir schmecken!“, himmelte sie unseren Strahlemann an und verschwand beinahe hüpfend hinter den Schwingtüren, die in die Restaurantküche führten. Ein verächtliches Schnauben war in der Runde zu hören. „Lass es dir schmecken, Kai! Ich will Kinder von dir, Kai! Wann checkt die endlich, dass du kein Interesse hast?!“, grunze Ruki wütend, während er beinahe psychopathisch auf sein Steak einstach und es sogleich energisch zu zerschneiden begann. „Reg dich ab, Ruki, da ist doch nichts bei. Du benimmst dich, als hätte sie ihm einen Antrag gemacht!“, lachte ich laut, während auch ich mich ans Essen machte, und alle am Tisch, bis auf unseren Kleinsten, fanden die Situation ziemlich amüsant. Kai schüttelte nur liebevoll lächelnd den Kopf, zeigte uns somit wie immer seine wunderschönen Grübchen und wuschelte Ruki durch das gestylte Haar, was diesen sofort wieder zahm werden ließ. Versucht diskret hauchte der Braunhaarige unserem Giftzwerg noch einen Kuss auf den Schopf, ehe auch er anfing zu essen. Es wurde gespeist und sich ausgelassen unterhalten. Etwas, was wir häufiger zu tun gelobten, da es doch zu oft vorkam, dass wir uns manchmal ewig nicht sahen. Wir merkten, wie wir einander einfach guttaten, egal wie schlecht es uns ging. Ich sagte ja, Balsam für die Seele und so. Die Gewissheit, dass es Menschen in meinem Leben gab, die zu jeder Stunde sofort vor meiner Tür stehen würden, wenn ich ihre Hilfe oder einfach nur ihre Anwesenheit brauchte, war für mich herzerwärmend und gleichzeitig bekräftigend. Wir hatten gerade unsere dritte Runde Getränke bestellt. Ich schlürfte genießend meinen kühlen Eistee, der wunderbar gegen das warme Klima hier drin half, und unterhielt mich dabei ausgelassen mit Toshiya, der mir hitzig von seiner Shoppingtour von neulich erzählte, derweil Aoi gewähren ließ, der ihm immer wieder verspielte Küsse auf den Hals hauchte und zufrieden grinste, wenn der Feminine mit den Augen rollend den Hals reckte, um ihm mehr Angriffsfläche zu bieten. Reita unterhielt sich wiederum neben mir ausgelassen mit Ruki und Kai über Motorräder und dass er gerne eins hätte, während er nebenher meinen Nacken sanft kraulte und es mir somit teilweise schwer machte, mich auf das Gespräch mit Toshiya zu konzentrieren. Ich wollte ihm gerade sagen, dass er mich damit dösig machte, als ich überrascht zur Eingangstür des Restaurants sah und wie angewurzelt auf meinem Sitzplatz weilte. Die Glastür schwang auf und niemand anders als der beste Freund Keisukes betrat die Räumlichkeit. Ihn hatte ich ja ewig nicht mehr gesehen! Es schien, als würden alle Augen plötzlich zu dem schönen Mann rüber blitzen, der sich seines Auftretens definitiv bewusst war. Das lange Haar war zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden und das Outfit wirkte, als wäre es einem Modemagazin entsprungen. Der Typ sah aus, als wäre er einem Laufsteg entlaufen. Sui sah sich knapp um, übersah dabei glücklicherweise meine Freunde und mich und drehte mir den schmalen Rücken zu, um mit schwingendem Pferdeschwanz von einem Kellner an einen freien Tisch geführt zu werden, der sich auf der anderen Seite des Restaurants befand. Mit wem er sich hier wohl traf? Ich beobachtete ihn dabei, wie er sich setzte und sofort sein Handy zückte, um energisch darauf herumzutippen, während einige Gäste ihn interessiert musterten. Durch meine plötzliche Unachtsamkeit irritiert, drehte auch Toshiya sich neugierig herum und fragte, „Was ist denn? Wohin schaust du so?“, und reagierte direkt mit einem hemmungslosen, „Ew!“, als ich ihm sagte, dass Sui gerade hier aufgetaucht war. „Im Ernst?!“, rief Ruki jetzt beinahe aus und wollte tatsächlich aufstehen, um besser sehen zu können, doch Kai zerrte panisch an seinem Arm und hielt den Kleineren an dessen Platz zurück. Ein Seitenblick zu Reita zeigte mir, dass auch er neugierig wurde. Er hatte dem Brünetten gegenüber inzwischen eine gewisse Empathie entwickelt, vor allem nach dem verkorksten Verhör, welches vor vielen Wochen in unserem Wohnzimmer stattgefunden hatte. „Mit wem er sich hier wohl trifft?“, stellte mein Freund gedankenversunken dieselbe Frage, die ich mir innerlich gestellt hatte, und es dauerte wirklich keine fünf Minuten, ehe ihm diese Frage wie durch Zauberhand beantwortet wurde. Als hätte das Universum ihn gehört. Niemand anders als der großgewachsene Schönling Keisuke trat durch die Tür, eine Hand lässig in der Hosentasche seiner zerfledderten Jeans, während er charmant lächelnd auf die Kellnerin einredete, die ihn in Empfang genommen hatte und äußerst verzückt zu ihm hochsah, als er sich das Haar in einer eleganten Bewegung in den Nacken zurückstrich. „Na sieh mal einer an! So ein Schleimbeutel!“, schnalzte Ruki abwertend mit der Zunge, und wir alle sanken simultan in unseren Sitzen zusammen, als Keisuke seinen stechenden Blick kurz durch das Restaurant schweifen ließ. Auch er hatte uns nicht bemerkt, war es hier drin immerhin proppenvoll. Freitags war dieses Restaurant besonders gut besucht. Vor allem um diese Uhrzeit. Nun gut, es war definitiv nicht verwerflich, wenn er sich mit seinem besten Freund traf. Daran war nichts falsch oder verdächtig. Und trotzdem war das wirklich ein unschöner Zufall, dass sie beide sich gerade hier und gerade heute trafen. Wir konnten von unserer Sitzecke aus den gesamten Laden überwachen. Natürlich war ein Belauschen unmöglich, aber immerhin hatten wir Eins-A Sitzplätze, um die beiden Männer zu beobachten. Während wir uns weiter unterhielten, sahen wir alle also immer wieder nach hinten zu den beiden, die jetzt gemeinsam am Tisch saßen und sich gelassen miteinander unterhielten, während sie sowohl einige Frauen, als auch Männer auf sich aufmerksam machten. Die beiden boten im Doppelpack eben ein ziemlich ungewohntes Bild. So außergewöhnlich schöne Menschen sah man immerhin meist nur im Fernsehen oder im Netz. Völlig verständlich also, dass einige Gäste sich gegenseitig die Ellenbogen in die Rippen rammten und unauffällig in Richtung Keisuke und Sui deuteten, nur um dann beschämt grinsend wieder wegzusehen, wenn einer der beiden Betroffenen aufsah und wissend die Braue hob. Anscheinend hatten sie sich nach der ganzen Eskapade versöhnt. Details zu der ganzen Sache kannte ich natürlich nicht, da ich Sui nach dem Tag bei uns zu Hause nicht mehr gesehen hatte und mich auch nicht noch mal mit meiner Mutter oder Keisuke über den Brünetten unterhalten hatte. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich deren aktuelles Gesprächsthema nicht interessierte. Wie sehr ich mir gerade wünschte, unsichtbar zu sein, konntet ihr euch gar nicht vorstellen. Und ich war anscheinend nicht der Einzige, der so dachte. „Mich würde echt mal interessieren, was die da quatschen“, blaffte Aoi mit einem traktierenden Blick hinter seine Schulter, ehe er sich wieder zu unserem Tisch herumdrehte und einige Schlucke von seinem Getränk nahm. „Niederträchtige Pläne schmieden wahrscheinlich!“, plärrte Toshiya feindselig und stütze sein Gesicht in seiner Hand ab, ehe er mich entschuldigend ansah. Ich schüttelte bloß entwaffnend den Kopf, ein Wink an ihn, dass mich seine Aussage nicht störte, und griff nach der Menükarte, da mir der Sinn plötzlich nach etwas Süßem stand, als Reita neben mir entgeistert, „Was zum Teufel, Alter?!“, aussagte und uns alle somit erneut zum Glotzen animierte. Was ich diesmal vor mir sah, ließ mich überfordert die Augen weiten. Die beiden hielten über den Tisch hinweg Händchen, Suis Blick verlegen auf den Tisch gerichtet, während Keisuke energisch auf ihn einzureden schien und dabei den Kopf schief legte, wie als würde er versuchen, den Jüngeren von etwas zu überzeugen. Im nächsten Moment langte der Größere rüber zu dem Brünetten, hob dessen Gesicht mit zwei Fingern unter dessen Kinn an, wie er es auch immer wieder zu gerne bei mir gemacht hatte, und zwang den Jüngeren dazu, ihn anzugucken. Der Partner meiner Mutter streichelte seicht über die Wange des Brünetten, während er eindringlich auf ihn einzureden schien, wodurch dieser ein beschämtes Lächeln zeigte und sich dann angetan auf die Unterlippe biss. Was war denn da los? „Beruhigt euch, Jungs. Das hat sicher nichts zu sagen. Wenn man bedenkt, wie oft und herzlich wir alle miteinander rumkuscheln, ist das da noch harmlos“, versuchte Kai, die eisige Atmosphäre in unserer Ecke etwas zu erwärmen, doch es wollte keiner so recht darauf reagieren. Noch immer sahen wir alle wie gebannt zu den beiden Freunden rüber. Sui schob plötzlich im Sitzen seinen Stuhl vom Tisch weg und stand auf, nur um den besagten Tisch herumzugehen und sich direkt neben Keisuke zu setzen, der den schmalen Mann schief grinsend in den Arm nahm und an sich drückte. Kai hatte Recht, so verhielt man sich nun mal unter Freunden, die eine innige Freundschaft miteinander führten. Oder? Mir wurde trotzdem mulmig, als ich von hier aus mitbeobachten konnte, wie Sui, als er das eine lange Bein über das andere schlug, sein Bein beinahe halb auf Keisukes Schoß bettete und sich im Sitzen in die Umarmung des Älteren lehnte, der diesen wiederum fest an sich gedrückt hielt, während er sich weiter mit ihm unterhielt. Und das mitten in einem gut besuchten Restaurant. Dieser Umstand schien die beiden Älteren aber anscheinend nicht zu stören. Auch, dass sie jetzt von vielen Gästen mit offenstehenden Mündern angestarrt wurden, ging gekonnt an ihnen vorbei. Sie schienen sich in ihrer eigenen Blase zu befinden. „Ich weiß nicht.. Das scheint mir alles nicht koscher“, war es diesmal Toshiya, der unsere Blicke mit der Aussage auf sich zog und gefühllos die Schultern zuckte, als er unsere verwirrten Blicke bemerkte. Wie musste das wohl auf meine Freunde wirken? Insgeheim hatte ich Angst, dass ich wie eine Lachnummer dastehen würde, weil der Partner meiner Mutter sich so ominös verhielt. Dieser Umstand und meine eigenen Gedanken machten mich wie so oft ziemlich wütend. Ich würde es nicht zulassen, dass dieser Snob meine gemeinsame Zeit mit meinen Freunden trübte. „Wisst ihr was, Leute? Heute ist unser Tag. Wir lassen uns das nicht nehmen - von niemandem! Wir haben sowieso so wenig Zeit miteinander, da sollten wir diese nicht mit Belanglosigkeiten verschwenden!“, sagte ich jetzt bestimmend aus und erntete zustimmendes Nicken. Nur Reita war es, der mich prüfend von der Seite musterte und seine Hand beruhigend auf meinen Oberschenkel legte, um stetig darüber zu streicheln, als hätte er meine anderen Gedanken gelesen. Der Ältere wusste, dass mir das wieder Kopfzerbrechen bereiten würde. Wir einigten uns darauf, uns nur noch aufeinander zu konzentrieren, was nach einigen Anläufen auch endlich klappte. Gemeinsam verbrachten wir noch eine gute Weile in dem Restaurant, ehe wir uns entschieden, weiterzuziehen. „Habt ihr Bock auf Karaoke? Das letzte Mal ist so ewig her!“, fragte mein bester Freund in die Runde und erntete sofort begeisterte Zustimmung seines kleinen Flummis, der die geballte Faust in die Luft stieß und, „Oh ja! Das letzte Mal haben wir sowas in unseren Schulferien gemacht, wisst ihr noch? Wir haben definitiv Nachholbedarf! Und danach können wir ja noch beim Starbucks vorbeischauen!“ Reita war der Einzige, der anscheinend keine wirkliche Lust darauf hatte, da er schon immer kein Fan vom Singen war, doch wir alle redeten gut gelaunt und lachend auf ihn ein und stimmten ihn letzten Endes dann doch noch um. „Ich werde definitiv nichts singen!“, meckerte er noch, wurde aber gekonnt von uns allen ignoriert. Kai rief die Kellnerin von vorhin an unseren Tisch, was Ruki missmutig die Lippen schürzen ließ. Wir bezahlten gemeinsam und erhoben uns, um das Restaurant zu verlassen und unseren gemeinsamen Tag woanders weiter zu genießen. Doch wie es der Zufall leider so wollte, kreuzten sich Keisukes und meine Blicke plötzlich, als ich meine Freunde gerade durch das Restaurant Richtung Ausgang führte, und ich merkte, wie mir unangenehm warm wurde, als der Ältere verwundert die Augenbrauen hob und sogleich versucht unbemerkt etwas aus dem Mundwinkel zu sagen schien. Denn daraufhin zuckte Sui so heftig von dem Schwarzhaarigen weg, dass es so ausgesehen hatte, als hätte der Brünette einen Stromstoß von Keisuke abbekommen. Unauffällig sein musste der Brünette definitiv noch üben. Dieses Verhalten war mir einfach nur zuwider. Wieso mussten die beiden mich so verwirren? Sie hatten doch nichts zu verbergen, das war doch völlig ok, wenn sie sich trafen! Unsicher hob ich die Hand zum Gruß, worauf Sui verlegen lächelnd winkte und Keisuke den Gruß selbstbewusst erwiderte. Sollte ich jetzt rübergehen oder sollte ich es lassen? Auch meine Freunde hatten diesen verqueren Austausch bemerkt, denn Toshiya sagte sofort schnippisch, „Also, ich gehe da nicht hin. Ich habe den beiden gerade nichts zu sagen!“, und zerrte Aoi einfach hinter sich her aus dem Lokal, der nach Worten schnappend hinter seinem Geliebten herstolperte und mich nur entschuldigend ansah. Auch Kai und Ruki entschuldigten sich gekonnt unbemerkt. Mein bester Freund hatte mir nur knapp, „Wir warten draußen auf euch, Uruha. Das ist alles halb so wild, mach dir keine Sorgen!“, zugeflüstert und Ruki hatte mir diskret über den Arm gestreichelt, ehe er mit Kai hinausgegangen war. Da stand ich nun also, unfähig, mich zu bewegen mit meinem Freund an meiner Seite, der mindestens genauso verunsichert zu sein schien. Doch Reita war es dann, der mich plötzlich bestimmend an der Hand gepackt hatte und sich jetzt, mit mir im Schlepptau, zielstrebig an den Tischen vorbeischlängelte, während er die beiden mit einem schneidenden Blick traktierte. Mit heftig klopfendem Herzen in der Brust schluckte ich den Kloß in meinem Hals hinunter und sah den beiden sitzenden entgegen. Sui hatte sich kerzengerade aufgesetzt und war mit seinem Stuhl etwas weggerutscht, damit er nicht mehr so an Keisuke klebte. Der wiederum schien wieder völlig gelassen und redete sogar noch hitzig mit seinem besten Freund, ehe er etwas zu überschwänglich, „So ein Zufall aber auch! Na, ihr beiden? Wie geht’s euch?“, fragte, als wir vor dem Tisch zum Stehen kamen und sie beide ansahen. Mir war so, als hätte ich das Reden verlernt. Wieso ich mich immer wieder so unfähig benahm, konnte ich mir selbst nicht erklären. Ich war nur froh, dass ich nicht allein war, sondern Reita bei mir hatte, der die Situation direkt übernahm. „In der Tat. Können nicht klagen. Und wie geht’s euch so?“, fragte mein Schatz gespielt höflich, was ich sofort bemerkte. Ich hoffte inständig, dass es jetzt nicht zu unnötigen Provokationen kam. Keisuke zeigte auf die Entgegnung hin seine blendend weißen Zahnreihen und flötete beinahe, „Uns geht’s bestens!“ Sui sah derweil unsicher zu mir auf, machte eine einladende Bewegung zu den freien Stühlen am Tisch und sagte, „Setzt euch doch zu uns!“ Doch Reita warf nur knapp ein, dass wir gleich weiterwollten, da unsere Freunde schon auf uns warteten. „Wir wollten nur schnell “Hallo“ sagen“ „Das ist nett von euch. Dann wollen wir euch auch nicht weiter aufhalten. Lieben Gruß an die Jungs da draußen. War schön, euch zu sehen!“, redete Keisuke ruhig, während er erst Reita und dann mich fixierte und seine Grübchen präsentierte, was in mir ein unbeschreibliches Unwohlsein auslöste. Bevor wir uns herumdrehen konnten, fügte er noch, „Ich werd‘ mich die Tage bei dir melden, Kouyou!“, hinzu und ich schluckte trocken, als ich nickte und die Hand zum Abschied hob. Reita hatte sich ein Augenrollen nur schwer verkniffen und biss stattdessen die Zähne fest zusammen, dass sie fast knirschten. Ich hatte nicht ein Wort gesagt, worüber ich selber verwirrt war. Es gab Momente, da wollte alles ungehalten aus mir heraussprudeln und dann gab es Momente wie diese, wo ich einfach nichts mit mir anzufangen wusste, obwohl ich so viel zu sagen hatte. Bevor Reita und ich auch nur einen Schritt tun konnten, hörte ich das unerträglich schräge und laute Quietschen von Stuhlbeinen hinter mir, die scharf über den Boden kratzten, und wurde auch sogleich an der Schulter gepackt und hektisch herumgedreht, was mir einen völlig überrumpelten Gesichtsausdruck entlockte. „Huh?!“, machte ich nur verwirrt, und Reita schnarrte, „Können wir dir helfen?“, während er Sui mit einer gehobenen Braue anstarrte, der sich wiederum nicht davon irritieren ließ. Keisuke saß noch immer an seinem Platz und fixierte jetzt mit einer sichtbaren, tiefen Zornesfalte zwischen seinen Augenbrauen seinen besten Freund, der mir gegenüberstand und mich aus großen, leuchtenden Augen ansah. Was hatte der denn jetzt wieder für ein Problem? Er wirkte fast so, als hätte er unüberlegt gehandelt und wüsste jetzt nicht mehr so richtig, wie es weitergehen sollte. Als hätte sein Körper noch vor seinem Hirn reagiert. „Ich.. Ich wollte nur sagen, dass es schön ist, dich mal wiederzusehen, Kouyou. Ich hoffe, dir geht es gut“, redete Sui so leise, dass ich Schwierigkeiten hatte, ihn zu hören. Reita und auch Keisuke sahen beide aufgelöst zwischen dem Brünetten und mir hin und her, ehe ein Ruck durch meinen Körper ging. Reita hatte mich von dem Brünetten weggezogen, hob schnippisch die Hand zum wortlosen Abschied und wollte mich gerade hinter sich her bugsieren, als ich auch schon reflexartig nach Suis Hand griff und diese kurz, aber versichernd drückte. Ich wusste nicht wieso, aber es schien, als hätte er gerade Angst. Fragen wollte ich nicht direkt, aber ich wollte ihm auch nicht das Gefühl geben, dass ich ihn dieser Situation wegen auch nur auf irgendeine Weise verdächtigte. Tat ich nämlich wirklich nicht. Wegen mir sollte er sich keine Sorgen machen. Also nickte ich knapp, schenkte ihm ein Lächeln, was mir erst nicht richtig gelingen wollte, und sprach dann freundlich, „Ich find’s auch schön, dich zu sehen, Sui. Bei mir ist alles ok. Ich hoffe, bei dir auch?“, was dafür sorgte, dass dem Älteren vor mir dadurch die gesamte Verkrampfung am Körper schlagartig genommen wurde und er geräuschvoll ausatmete, da er sichtlich in sich zusammenfiel und nervös zu lächeln begann. „Bei mir auch. Danke dir, Kouyou“ Es klang für mich so, als wäre sein Dank für etwas ganz anderes gedacht. Ich ließ es mir aber nicht anmerken, nickte noch einmal und drückte versichernd seine Hand, bevor ich sie dann losließ und ohne weitere Umschweife mit Reita das Restaurant verließ. Schlau war ich aus der Gesamtsituation trotzdem nicht geworden. „Was, in Gottes Namen, war das wieder für eine Szene?“, platzte es ungläubig aus Reita, der mit diesem Ausbruch dafür sorgte, dass unsere Freunde sich verwundert zu uns umdrehten. Sie alle hatten vor dem Eingang gewartet, jeder von ihnen mit einer qualmenden Zigarette zwischen den Lippen, was in mir einen Würgereiz auslöste. Kai hatte durch Ruki ebenfalls das Rauchen angefangen, was mich todtraurig gestimmt hatte. Schlechter Einfluss, würde ich meinen. Mich innerlich darauf gefasst machend, dass auch Reita gleich mitlaufen und sich eine anzünden würde, ließ ich seine Hand vorsorglich los, doch der Blonde glotzte mich nur beleidigt an und griff sofort nach meiner Hand, um sie eingeschnappt festzuhalten. Das war mir auch neu. „Was meinst du, was ist passiert? Details, bitte!“, forderte Ruki sofort neugierig, und auch die anderen sahen uns ungeduldig an, während sie um uns herumschwärmten. Wir setzten uns entschlossen in Bewegung, um unser nächstes Ziel für den heutigen Tag anzusteuern, und ich ließ Reita das Gespräch übernehmen, da ich meine Gedanken nach diesem skurrilen Zusammentreffen erst mal sortieren musste. Während mein Schatz unsere Freunde hitzig aufklärte, warf ich noch einen letzten, verstohlenen Blick ins Lokal und weitete irritiert die Augen, als ich von hier aus noch gerade so sehen konnte, wie Keisuke mit einem gehobenen Zeigefinger scheinbar drohend auf Sui einzureden schien, der jetzt nicht mehr neben ihm saß, sondern vor ihm am Tisch stand und den Größeren angriffslustig angiftete. Was war denn jetzt wieder passiert? Wie konnten zwei erwachsene Menschen nur so von Stimmungsschwankungen geplagt sein? Gerade eben hatten sie noch förmlich miteinander herumgekuschelt und jetzt schien es, als würden sie streiten. Bevor ich meine Freunde aber auch nur mit einer Silbe auf diesen Umstand aufmerksam machen konnte, war Sui davongestürmt und kam kurze Zeit später ebenfalls aus dem Restaurant, um eingeschnappt in die entgegengesetzte Richtung zu hasten. Es brauchte nicht lange, ehe ich seinen brünetten Pferdeschwanz in der Menschenmenge nicht mehr ausfindig machen konnte. Was sollte ich dazu sagen? Mir war das einfach alles eine Nummer zu hoch. „Was sagst du da?“ Wir waren sehr spät nach Hause gekommen, da wir es nicht übers Herz gebracht hatten, uns so früh von unseren Freunden zu trennen. Der restliche Tag war super verlaufen. Und obwohl der Blonde rumgezickt hatte, hatten wir ihn doch noch dazu gebracht, uns in der Karaokebar ein Ständchen vorzusingen. Auch wenn Reita danach ziemlich muckelig gewesen war. Doch insgeheim wusste ich, dass es auch ihm Spaß gemacht hatte und er nur vorgespielt hatte, beleidigt zu sein. Zur Abwechslung war ich heute mal zu Reita nach Hause gegangen, da meine Mutter jetzt wieder zurück war und ich nicht über ihren Partner reden wollte, während sie anwesend war und uns vielleicht hören könnte. „So hab ich’s gesehen!“, nickte ich nur verschwörerisch und faltete die Hände auf dem Bauch zusammen, während ich entspannt auf dem Bett lag und Reita interessiert dabei zusah, wie der in seinem Zimmer auf und ab ging und seine auf dem Boden verstreuten Habseligkeiten halbherzig wegräumte. Ja, er war noch immer nicht gerade der ordentlichste Mensch auf diesem Planeten. Das müsste ich ihm noch austreiben. Ich hatte ihm von meiner letzten Beobachtung vor dem Restaurant erzählt, die ihn sichtlich irritiert hatte. „Und er ist aufgestanden und einfach rausgerannt?“, wollte er jetzt wissen, während er mit einem vollen Arm an Schmutzwäsche ins Bad verschwand und sofort wiederkam. „Ja!“, nickte ich erneut, noch immer dieser verschwörerische Ausdruck in meinem Gesicht. Keine Geheimnisse mehr, das hatten wir uns versprochen. Also war es selbstverständlich gewesen, dass ich es ihm erzählt hatte. Immerhin wollte ich wissen, wie er über die Situation dachte. „Nun, was soll ich sagen, Baby.. Die beiden haben sich heute definitiv suspekt verhalten. Ich werde nicht schlau aus denen. Aber mehr kann ich dazu auch nicht sagen“, murrte er und entledigte sich seiner Klamotten, um diese sogleich wieder auf den Boden fallenzulassen. Hatte er nicht gerade eben noch aufgeräumt? Ach, was soll’s. Er ging an seinen Schrank, um sich eine lockere Shorts und ein Top rauszusuchen, bevor er sich zu mir legte. „Weißt du, du hättest die Klamotten doch auch gleich rübertragen können, wenn du eh an deinen Schrank gehst, Rei!“, merkte ich jetzt augenrollend an und schürzte die Lippen, als er unbekümmert, „Nö, kein Bock!“, schnarrte und sich anzog. Ich himmelte derweil innerlich seine leicht hervortretenden Bauchmuskeln an und breitete meine Arme in seine Richtung aus, als er auf mich zukam. Der Blonde holte Anlauf und sprang lachend in meine Arme, was ich mit einem Prusten quittierte, da er mir jegliche Luft aus dem Körper gedrückt hatte. Ich wischte ihm das wirre Haar aus dem Gesicht und hinters Ohr, streichelte dann über seine Wange und besah mir seine weichen Gesichtszüge. Ohne das störende Nasenband hatte ich endlich wieder Zugriff auf seine süße, kleine Stupsnase, in die ich auch direkt verzückt hineinkniff. Er quittierte diese Aktion nur mit einem Mucken. „Ich warne dich, Freundchen. Wenn wir zusammenziehen, wirst du nicht mehr so herumschlampen“, wisperte ich in sein Ohr und küsste es sogleich, was ihn angetan zusammenzucken ließ. „Ach, und was willst du dagegen tun, wenn ich’s doch mache?“, provozierte er mich leise und grinste amüsiert, als ich schäkernd, „Dann mache ich von Totchis Bewältigungstherapie gebrauch und werfe dich gnadenlos aus der Wohnung. Du wirst erst dann wieder reingelassen, wenn du Besserung gelobst“, sagte und seinem Kuss bereitwillig entgegenkam. Ich merkte, dass der Blonde keine weiteren Worte an Keisuke und Sui verschwenden wollte, was ich ihm in keiner Weise übelnahm. Wir beide hatten dieses Wochenende frei und wollten unsere kostbare Zweisamkeit definitiv nicht mit unnötigen Gedanken an die beiden verschwenden. Der Ältere drückte meine Beine weiter auseinander, um im Liegen gemütlich dazwischen Platz zu nehmen. Ich schlang derweil meine Arme besitzergreifend um seinen Hals und winkelte meine Beine an, während er mich um den Verstand küsste. Wir durften uns aber auf keinen Fall zu sehr gehen lassen, da seine Eltern zuhause waren. Ich sprach meine Sorge auch direkt aus, was ihn beleidigt murren ließ, da ich somit unseren innigen Kuss unterbrochen hatte. „Die beiden schlafen schon längst. Hier könnte eine Bombe einschlagen und die würden das nicht mitkriegen, das weißt du doch. Mach dir also keine Sorgen“, hauchte er gegen meinen Mund, ehe er die Konturen meiner Lippen auch schon erwartungsvoll mit zwei Fingern nachzeichnete, was ein ahnungsvolles Kribbeln in meinem Unterleib auslöste. Bevor ich etwas sagen konnte, schob er meine Ober- und Unterlippe mit Zeige- und Mittelfinger auseinander, um diese sogleich sanft hineinzuschieben. Das harsche Kommando, welches er mir wiederum gab, passte nicht einmal ansatzweise zu der sanften Art, wie er seine Finger in meinen Mund einführte. „Lecken!“, befahl er nur leise und ich kam seiner Forderung bereitwillig und nickend nach. Meine Augen rollten erwartungsvoll nach hinten, während ich meine Zunge energisch um seine Finger tänzeln ließ, um sie zu befeuchten. Reitas Lippen hingen derweil verheißungsvoll an meinem Hals. Der Ältere trieb seinen bekleideten Unterleib im sanften Takt ganz leicht gegen meinen, während er sich immer fester an meinem Hals verbiss, um seine Bissspuren an mir zu hinterlassen, und seine Finger immer wieder bestimmend in meine Mundhöhle stieß, als wir beide auch schon vor Schreck erbärmlich zusammenzuckten und sofort voneinander abließen, da mein Handy, welches ich anscheinend nicht stummgeschaltet hatte, in voller Lautstärke durch das stille Zimmer plärrte und uns so in unserem hitzigen Tun unterbrach. Wir sahen uns nur überrumpelt an. Wieso zum Teufel wollte uns das Universum keine ungestörte Minute gönnen?! Noch ehe ich mich von Reita losreißen konnte, um das verdammte Ding zum Verstummen zu bringen, da es so unsagbar laut klingelte, machte er mit einem ausgestreckten Arm einen Satz nach links, um es sich vom Nachttisch zu schnappen. Der Blick des Älteren wurde mit einem Mal grimmig, und ich merkte, wie seine Lust schlagartig abebbte. Oh nein, ich ahnte böses. Er schaltete mein Handy mit einem Finger stumm und drehte das Display dann zu mir herum, damit ich den Namen lesen konnte, der auf dem schwarzen Bildschirm angezeigt wurde. Mir sank das Herz in die Hose. Wir hatten es jetzt kurz vor eins in der Nacht. Wie kam Keisuke auf die hirnverbrannte Idee, mich um diese Uhrzeit noch anzurufen? War der denn völlig von der Rolle? Und hatte er gestern nicht gesagt, dass er sich in den kommenden Tagen melden würde? Bevor ich nach meinem Handy greifen konnte, zog Reita es mir außer Griffweite und ignorierte mein hektisches Kopfschütteln, ehe er trotzig mit steifer Miene dranging und monoton, „Hallo?“, in den Hörer murrte. Er hatte mit einem Handgriff das Telefonat auf Lautsprecher gestellt, sodass ich jetzt problemlos mithören konnte. „Kouyou?“ „Nein, Akira. Kouyou ist gerade.. verhindert“, knurrte er und sah mit einer gehobenen Braue zu mir hinunter, da er über mir kniete. Der Blonde machte es sich kurzerhand breitbeinig auf meinem Schoß bequem und ignorierte gekonnt meinen verwunderten Blick, da ich sonst derjenige war, der so auf seinem Schoß saß. Reita zog es eher vor, zwischen meinen Beinen zu liegen, da alles andere an seiner Männlichkeit kratzte. „Oh, nun, ich kann warten!“, sprach der Schwarzhaarige tatsächlich unbeirrt, was mich dazu trieb, mir geräuschvoll die flache Hand vor die Stirn zu schlagen. Er musste es definitiv gehört haben. Wie blöd war der Typ eigentlich, dass er den Wink mit dem Zaunpfahl nicht verstand?! „Ich habe mich anscheinend zu unverständlich ausgedrückt. Kouyou kann heute nicht mehr mit dir reden. Er schläft schon längst. Es ist immerhin ein Uhr morgens. Anständige Leute schlafen um diese Uhrzeit, weißt du?“, patzte Reita jetzt leicht, um den Älteren auf dessen Unverschämtheit aufmerksam zu machen, doch der ließ sich davon nicht beirren, denn er entgegnete nur, „Damit hätte ich nicht gerechnet. Ich dachte, ihr jungen Leute seid um die Uhrzeit an Wochenenden noch unterwegs und treibt in irgendwelchen Bars euer Unwesen!“, worauf Reita unbeeindruckt, „Du redest immer so, als wärst du so viel älter. So ein großer Altersunterschied liegt gar nicht zwischen uns, Keisuke“, antwortete. Es herrschte kurze Stille am anderen Ende, bevor der Partner meiner Mutter erneut zu sprechen anfing, ohne auf das eben Gesagte einzugehen. „Wie dem auch sei, könntest du Kouyou bitte ausrichten, dass ich angerufen habe? Er möchte mich doch bitte zurückrufen, sobald er kann!“, bat Keisuke und ignorierte Reitas leises Schnauben. „Klar, das mache ich doch gern!“, säuselte mein Freund sarkastisch, ehe er dem Älteren noch zuckersüß eine angenehme Nacht wünschte und auflegte, ohne auf dessen Erwiderung zu warten. „Der Spasti spinnt doch, ehrlich! Hatte er nicht gesagt, er meldet sich die Tage?“, keifte er sofort und pfefferte mein Handy auf die Matratze, um sich genervt mit zwei Fingern fest ins Nasenbein zu kneifen und massierend zuzudrücken. Ich wusste nicht, mit welcher Absicht der Partner meiner Mutter angerufen und woher er sich erdreistet hatte, es gerade um diese Uhrzeit zu tun, aber ich würde den Teufel tun und es jetzt zulassen, dass durch dessen unverschämte Art die aktuelle Laune zwischen Reita und mir darunter litt. Nicht noch einmal! Der Tag war so schön verlaufen, er sollte definitiv genauso schön enden. Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, legte ich meine Hände an Reitas schmale Hüften, packte fest zu und stieß mit meinem Becken hart nach oben, was ihm einen verschreckten Laut entlockte. Er sah mich verwirrt und mit geweiteten Augen an, was mich dazu trieb, mir provokativ über die Lippen zu lecken und ihn dann zweideutig anzugrinsen, weil mir der Sinn danach stand, ihn durcheinanderzubringen. „Ich weiß ja nicht, wie du das siehst, aber der Anblick gefällt mir! Vielleicht sollten wir mal etwas Neues ausprobieren, Rei!“, raunte ich lasziv grinsend, was den Älteren anscheinend in leichte Panik versetzte. Das Telefonat hatte ihn wohl so aus der Bahn geworfen, dass er vorhin anscheinend nicht wirklich registriert hatte, wie er sich hingesetzt hatte. Er griff sichtbar angsterfüllt nach meinen klammernden Händen, die angefangen hatten, ihn so zu führen, dass er rittlings kreisende Bewegungen über meinem Schritt machte. „Hörst du wohl auf damit? Du bist wohl verrückt geworden!“, motzte mein Schatz, was mir unverzüglich ein herzhaftes Lachen entlockte, welches mir jedoch gleich im Hals stecken bleiben sollte. Er warf sich beinahe dramatisch von mir runter, nur um mich an den Schultern zu packen und übereilig auf den Bauch zu drehen. Und ehe ich mich versah, griff er nach meinem rechten Arm und verdrehte diesen so hinter meinem Rücken, dass ich mich nicht mehr bewegen und wehren konnte, ohne dass es ziemlich wehtat. „Aua, du Blödmann. Kein Grund, hier den großen, unberührten Macker zu mimen! Ich hätte dir schon nichts reingeschoben, also komm wieder runter! Auch wenn ich zugeben muss, dass du über mir ziemlich hübsch ausgesehen ha- AUA!“, schnarrte ich entrüstet und stieß sogleich ein überrumpeltes Stöhnen aus, als er meine Beine grob mit seinem Knie auseinanderstieß und schwer auf mich niedersackte. Bevor ich mich versah, war ich mit schnellen Griffen meiner Sporthose entledigt worden und lag nun halbnackt und hilflos unter ihm, während er mir im drohenden Ton und leise anrüchige Versprechen ins Ohr flüsterte und dabei mein Gesicht seitlich ins Kissen reindrückte, sodass ich ihm aussichtslos ausgeliefert war. Und somit war das Telefonat vorerst vergessen. Kapitel 17: ~17~ ---------------- Es war schön, zur Abwechslung mal nicht erbarmungslos von einem Wecker wachgerüttelt zu werden, sondern in Ruhe ausschlafen zu können. Ich kräuselte die Nase, da mich etwas zu kitzeln schien. Widerwillig öffnete ich nur ein Auge und brauchte kurz, um mich an die Helligkeit im Zimmer zu gewöhnen. Reita hatte am Vorabend anscheinend mal wieder vergessen, seine Vorhänge zuzuziehen, und so wurde ich jetzt von den sanften Sonnenstrahlen geweckt, die ihren Weg hineinfanden und das Zimmer in schimmernden Goldtönen wärmten. Ich wusste nicht, wie spät es war, wollte es aber auch nicht wirklich wissen, da ich lieber weiterschlummern wollte. Immerhin musste ich meinen freien Tag vollends ausnutzen. Es kam in letzter Zeit nicht oft vor, dass ich ausschlafen konnte. Gerade als ich das Auge direkt wieder schloss, reizte irgendetwas meine Nase erneut, was mich zum Niesen antrieb. Mir gähnend über diese reibend öffnete ich das Auge erneut und erkannte den blonden, weichen Schopf, der mir entgegenglänzte. Reita hatte sich im Schlaf ganz dicht an mich herangeschmiegt, sodass er sein Gesicht in meiner Halsgrube versteckte. Der Ältere atmete mir immer wieder heiß gegen den Hals, da er mit leicht geöffnetem Mund schlief, und bescherte mir so ein wohliges Kribbeln am ganzen Körper. Ich grinste in mich hinein, schlang einen Arm um seine schmale Taille und merkte, wie er sich weiter gegen meinen Körper presste, als wolle er unsere beiden Körper miteinander verschmelzen. Es war schön, wenn Reita sich so an mich herankuschelte und ich ihm zur Abwechslung mal die schützende Schulter bieten konnte, da er sich sonst immer in dieser Rolle wiederfand. Immer darauf aus, mich zu beschützen und auf mich aufzupassen. Die Situation weckte in mir so eine Art Mutterinstinkt und mir wurde regelrecht warm ums Herz. Mein rechter Arm, der zuvor teilnahmslos zwischen uns gelegen hatte, schlich sich unter seinem Kissen hindurch. Ich legte meine rechte Hand von hinten auf seinen Hinterkopf und streichelte ihm seicht durchs Haar, was ihn im Schlaf genießend vor sich hin schnurren ließ. Glücklich lächelte ich in mich hinein und stützte mein Kinn auf seinem Kopf ab, unterdrückte einen weiteren Nieser und blieb mit geschlossenen Augen so liegen, bis er von allein wach wurde. Durch seinen Job musste er noch früher aufstehen als ich. Und da ich wusste, dass ihn der frühe Schichtbeginn im Laufe der Woche immer so auslaugte, wollte ich, dass er an seinen freien Tagen seinen wohlverdienten Schlaf bekam. Doch mein Schatz hatte anscheinend andere Pläne. Es kam nicht oft vor, dass er von allein so früh wach wurde. Der Blonde regte sich leicht, kitzelte mich ein weiteres Mal mit seinem seidigen Haar und drehte den Kopf so, dass er seine Lippen an die Unterseite meines Kiefers pressen konnte. Also wirklich, kaum wach und schon wieder auf Schweinereien aus! Während ich noch immer fahrig durch sein Haar streichelte und dabei das Gefühl seiner Lippen genoss, die mir immer wieder hauchzarte Küsse auf die Haut drückten, schlich seine Hand ebenfalls von hinten in mein Haar, und er fing an, mit meinen vereinzelten Strähnen zu spielen, wie er es aus Angewohnheit schon immer tat. „Guten Morgen, Baby“, flüsterte er leise mit rauer Stimme und fuhr dann mit seiner Zunge die Kontur meines Kieferknochens nach, was mir einen genießerischen Laut entlockte. Es gab nichts erotischeres als Reitas tiefe Stimme nach dem Aufstehen. Er klang so noch viel kratziger als sonst. Ich hatte eben eine Schwäche für tiefe Stimmen. „Morgen, Schatz“, hauchte ich lächelnd und zuckte knapp mit den Schultern, als er wissen wollte, wie spät es war. „Wie geht’s dir?“, fragte er fürsorglich und ich verstand erst nicht, worauf er hinauswollte, ehe mir auch schon einfiel, worauf er anspielte, da sich bewegliche Bilder vor meinem inneren Auge abspielten, die mir die Hitze ins Gesicht trieben. Anscheinend hatte ich in der Nacht mit meiner Aktion nach dem Telefonat gehörig an seinem Männerego gekratzt, denn er war nicht sehr zärtlich mit mir umgegangen. Beschweren würde ich mich aber definitiv nicht! Mir hatte es immerhin genauso gefallen, wie ihm. „Hm, alles gut, glaube ich“, warf ich ein und kümmerte mich nicht weiter darum. Reita seufzte tief und richtete sich plötzlich auf, drehte mich vorsichtig auf den Rücken und stützte sich mit beiden Armen links und rechts von mir ab, ehe er sich tief zu meinem Gesicht hinunterbeugte und mir einen hauchzarten Kuss auf die Stirn gab. Ich schloss sofort verträumt die Augen und lächelte selig vor mich hin, was ihm ein leises Lachen entlockte. „Es ist kurz vor zehn.. Hm. Meine Eltern sind sicher schon wach. Wollen wir runter? Wir könnten gemeinsam frühstücken“, schlug er vor und grinste verschmitzt, als ich unersättlich, „Wir könnten aber auch noch ein wenig hierbleiben und da weitermachen, wo du in der Nacht aufgehört hast?“, vorschlug, was ihn jedoch den Kopf bestimmend schütteln ließ. Er wirkte, als würde er keine Widerrede dulden. Ich schmollte nur und verdrehte die Augen, als er vorsorglich, „Ich glaube kaum, dass das eine gute Idee ist. So laut, wie du immer bist, hören die das noch. Wenn sie schlafen, ist das zwar ein anderes Thema, aber jetzt? Nein. Und außerdem hast du fürs erste genug durchgemacht!“, sprach und mir einen vielsagenden Blick zusandte. „Ich bin nicht aus Zucker, weißt du?“, empörte ich mich nonchalant, und mir entkam tatsächlich ein überraschter Schmerzenslaut, als Reita demonstrativ in einer schnellen Bewegung sein Knie gegen meine tiefere Region presste und mir somit den dumpfen Schmerz bewusst machte, der die ganze Zeit in meinem Unterleib geschlummert hatte. Das war mir wohl dezent entgangen. „Was musst du mich denn auch wie ein wildgewordenes Tier ficken? Jetzt mal im Ernst! Wo bleibt deine Selbstbeherrschung?“, motzte ich gespielt beleidigt und ignorierte sein herzhaftes Lachen. „Letzten Endes wolltest du es doch so, Schönheit. Und außerdem darfst du mir so etwas nicht vorwerfen. Bei deinem Anblick kann ich gar nicht anders“, säuselte er süffisant und zwinkerte mir kokett zu, was mich dazu trieb, mir frech grinsend auf die Unterlippe zu beißen. Der erste Blick in den Spiegel hatte mich entsetzt. Was hatte der Kerl bitte mit mir angestellt?! Ich war übersäht von hellen und dunklen Knutschflecken, die verschieden groß waren. Die Flecke waren sporadisch verteilt, von meinem Hals, bis hinunter zu meinen Schlüsselbeinen. Wie sollte ich die denn auf der Arbeit kaschieren, um Himmels Willen? Das sah doch unprofessionell aus! „Spinnst du, Rei?! Bist du über Nacht zum Staubsauger mutiert oder was?“, meckerte ich und zog dabei den Kragen meines schlabberigen Shirts weiter runter, um mir den Schaden genauer zu besehen. Selbst meine Brust war mit Flecken besprenkelt. Während ich laut und verzweifelt rätselte, wie ich gleich seinen Eltern in diesem Zustand entgegentreten sollte, ohne vor Scham zu zergehen, putzte sich Reita gackernd die Zähne und schien meine Sorge nicht ernst zu nehmen. Schön, dass sich hier wenigstens einer amüsierte. Wir hatten uns im Bad für den Tag fertig gemacht und gingen jetzt Hand in Hand die Treppen zur Küche hinunter, und tatsächlich stand Reitas Mutter schon am Herd, während sein Vater Zeitung lesend am Tisch saß und aufmerksam aufsah, als er uns wahrnahm. Hoffentlich waren Reitas Schandtaten nicht direkt sichtbar. Ich wollte nicht wissen, was die beiden von mir denken würden, sollten sie die Flecke sehen. Das war doch peinlich! „Guten Morgen, ihr zwei. Setzt euch doch zu mir!“, grüßte er uns sofort mit einem warmen, väterlichen Lächeln und ich musste wie schon so oft das schmerzhafte Klopfen meines Herzens in meiner Brust ignorieren. Das passierte so gut wie jedes Mal, wenn ich den Älteren sah. Was würde ich nicht dafür geben, um meinen Vater wieder so in unserer Küche sitzen zu sehen.. Ich vermisste ihn so sehr. Sie hätten sich sicher gut verstanden, mein Vater und er. Reita hatte anhand meiner Körpersprache gespürt, dass ich gedanklich in der Zeit zurückgesprungen war, denn ich merkte, wie er bekräftigend meine Hand drückte, ehe er mir ein tröstendes Lächeln schenkte und mich dann bestimmend hinter sich herzog. „Dad!“, grüßte der Blonde munter und legte kurz seine Hand auf die Schulter seines Vaters, um fest zuzudrücken, was dieser mit einem zufriedenen Lächeln quittierte. Während Reita auf seine Mutter zuging und diese von hinten umarmte, um ihr zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange zu geben, verbeugte ich mich leicht vor Reitas Vater, der irritiert eine abwinkende Handbewegung machte. „Wie oft denn noch, Kouyou? Es gibt keinen Grund mehr, so formell zu mir zu sein. Eure Kennenlernphase ist doch längst durch!“, witzelte der Ältere und brachte uns alle zum Lachen. Ich kratzte mich beschämt grinsend am Hinterkopf und gab mir einen Ruck, als er die Arme in meine Richtung ausbreitete und herzlich, „Jetzt komm her und gib mir eine anständige Umarmung, mein Junge!“, sprach. Gesagt, getan. So von Reitas Vater umarmt zu werden, war einfach noch zu ungewohnt. Mir fiel es schwer, ihm gegenüber so informell zu sein. Während mir der Ältere lachend auf den Rücken klopfte, stand Reita neben seiner Mutter, die Arme locker vor der Brust verschränkt, den Kopf leicht zur Seite geneigt und mit einem liebevollen Lächeln auf den Lippen, welches mir allein galt. Allein dieser Ausdruck machte mich so glücklich, dass ich meine Zurückhaltung über Bord warf und den Mann vor mir so fest es ging umarmte, was diesen prusten ließ. „Na, das nenne ich mal eine Umarmung. In Zukunft bitte mehr davon!“, lachte er und schob den Stuhl neben sich zurück, damit ich mich zu ihm setzen konnte. Ich war Reitas Vater wirklich dankbar dafür, dass er mich so behandelte. Wir hatten gemeinsam gefrühstückt, dabei ausgelassen geredet und gelacht und zum Schluss noch gemeinsam abgeräumt. Reita und ich hatten seine Mutter daran gehindert, auch nur einen weiteren Finger zu krümmen. Sie hatte immerhin ein Festmahl für uns gezaubert. Da musste sie nicht auch noch saubermachen. Reitas Eltern waren schon immer respektvoll gewesen, was Reitas und meine gemeinsame Zeit anging. Und sie versuchten, uns so wenig wie möglich dazwischenzukommen, da sie wussten, dass unsere gemeinsame Zeit durch unsere Jobs manchmal recht limitiert war. Ich schätzte es sehr, dass sie so rücksichtsvoll waren. Das konnte man von meiner Mutter nicht wirklich behaupten, platzte die Frau immerhin gerne zu jeder Stunde einfach in mein Zimmer, wenn mein Freund bei mir war. Bei dem Gedanken an sie und ihre Art musste ich innerlich lächeln. Sie war schon eine Nummer für sich. „Wir sind oben, wenn ihr uns braucht!“, machte Reita eine klare Ansage, erntete ein Nicken seines Vaters und ein, „Ist gut, Schatz!“, von seiner Mutter, und packte mich an der Hand, um mit mir gemeinsam aus der Küche zu schreiten. Ich wusste, dass sie uns nicht stören würden. Die beiden Älteren saßen noch gemeinsam am Tisch und genossen gemeinsam ihren Tee, während sie leise und verliebt miteinander tuschelten. Wie schön.. „Was gedenkst du wegen diesem dämlichen Schwanzlurch zu tun?“, war Reitas Frage an mich, die mich erst ziemlich verwirrte. Wir hatten uns gerade erst hingesetzt und schon überrannte er mich mit so einem Schwachsinn. Seine poetische Art, sich auszudrücken, war immer wieder wie Musik in meinen Ohren. „Wie meinen?“ „Keisuke“, murrte Reita nur vielsagend und mir fiel das Telefonat von letzter Nacht ein. „Ah, ja. Hm, keine Ahnung“, murmelte ich lethargisch, kratzte mich an der Wange und zuckte mit den Schultern. Ich hatte keine Lust, mit ihm zu telefonieren. Mein Tag hatte nicht einmal richtig angefangen, da wollte ich nicht, dass er so früh schon einen Teil davon für sich beanspruchte, egal wie lang oder kurz es sein würde. „Ihr wolltet euch aussprechen. Es wäre gut, es so schnell wie möglich hinter dich zu bringen, damit er dich mit dem Scheiß endlich in Ruhe lässt“, schlug mein Schatz vor und rutschte im Sitzen an die Kopfseite seines Bettes, um sich gegen den Rahmen zu lehnen. Er klopfte neben sich auf die Matratze und ich folgte ihm missmutig. Der Fakt, dass es Keisuke war, um den es ging, saugte mir jegliche Energie förmlich aus dem Körper. Ich wusste nicht, was es war und wieso, aber der Typ war mir einfach zu anstrengend. Ich war jemand, der sonst gut mit jedem auskam, aber der war mir definitiv ein Rätsel. Ein sehr unangenehmes Rätsel obendrein. Reitas Arme ließen mich aus meinen Gedanken schrecken. Der Ältere hatte mich bestimmend zwischen seine Beine gezogen, sodass ich mich entspannt mit dem Rücken gegen seine Brust zurücklehnen konnte. Ich ließ den Kopf in den Nacken kippen, sodass dieser auf seiner Schulter ruhte, schloss dabei die Augen und grübelte still vor mich hin, während Reita es sich anscheinend zum Ziel gemacht hatte, meinem Hals noch weitere Flecke zu verpassen und mich somit gut sichtbar als sein Eigentum abzustempeln. Ich verzog mürrisch das Gesicht. „Lass das. Ich sehe sowieso schon total misshandelt aus..“, klagte ich leise und griff hinter mich und somit in seinen Schopf, um sanft daran zu zerren und ihn damit zum Knurren zu bringen. Reita hörte jedoch nicht auf mein Klagen, setzte seinen Willen unbeirrt durch und saugte schmatzend und genießend an meiner warmen Haut, während ich seufzend mein Handy aus meiner Jogginghose kramte und mit schiefgelegtem Kopf unverwandt auf das große Display starrte. Ich hatte einige Nachrichten von unseren Freunden und auch von Hotaru. Was sie wohl wieder von mir wollte? Kleine Nervensäge. Gelangweilt löschte ich alle unnötigen Emails und antwortete dann den Nachrichten, ehe ich mich kurzerhand dafür entschied, dem Partner meiner Mutter ebenfalls eine kurze Nachricht zu schicken, in der ich anfragte, was er in der Nacht von mir gewollt hatte. Denn ich wollte jetzt einfach nicht telefonieren. Ich ließ das Handy gleichgültig zwischen meine Beine gleiten, um dann mein Gesicht so zur Seite zu drehen, dass ich Reitas volle Unterlippe einfangen und mit meinen Zähnen leicht zwicken konnte. Doch bevor ich den angefangenen Kuss intensivieren konnte, vibrierte es aufdringlich zwischen meinen Beinen, was mich ungeduldig schnauben und Reita gereizt stöhnen ließ. Ich gab’s auf, das gesamte Universum war ein einziger, verräterischer Cock-blocker! Irgendetwas Übernatürliches wollte uns anscheinend nicht zusammen sehen. Zeternd schnappte ich nach dem Gerät und ging mit einem scharfen, „Hallo?“, dran. Ich hasste es, wenn man den ersichtlichen Wink einfach nicht verstand. Das universelle Zeichen für “Ich will gerade nicht mit dir telefonieren“ war nun mal eine Textnachricht. Wieso musste er da so aufdringlich sein und trotzdem anrufen? Solche Leute waren mir schon immer unsympathisch. „Ah, Kouyou. Schön, dass es diesmal funktioniert hat. Ich hatte vor einigen Stunden angerufen, aber du hast scheinbar geschlafen“, faselte Keisuke, was mich mit den Augen rollen ließ. Reita machte derweil hektisch und stumm irgendwelche körperlichen Verrenkungen, da er anscheinend wollte, dass ich das Telefonat auf Lautsprecher stellte, was ich für ihn auch sofort tat. Ich legte das Handy auf meinem Oberschenkel ab und führte das Gespräch so fort, während Reita mich besitzergreifend an sich zog und mitlauschte. Meine Hände streichelten derweil fahrig über seine Arme. „Als du sagtest, dass du dich die Tage bei mir meldest, hatte ich nicht erwartet, dass du es nach nur einigen Stunden, mitten in der Nacht machst“, warf ich ihm vor und ignorierte das heitere Lachen am anderen Ende des Hörers. Ich fand das jetzt nicht wirklich lustig. Ich merkte, wie Reita eine genervte Grimasse schnitt und den Älteren kindisch und lautlos nachahmte, was mich beinahe belustigt zum Grunzen gebracht hätte. „Das war keine Absicht gewesen. Ich habe nicht auf die Uhrzeit geachtet. Ich hoffe, Akira ist mir da nicht böse. Er klang nicht sehr begeistert“, kam es jetzt entschuldigend von der anderen Seite des Hörers und Reita hob daraufhin mit trockener Miene den Mittelfinger und hielt ihn demonstrativ in Richtung meines Handys, was mich grinsend zum Kopfschütteln antrieb. Ich versuchte, das Telefonat so kurz wie möglich zu halten, da ich damit keine Zeit verschwenden wollte. Der Ältere hatte wissen wollen, ob ich heute Abend etwas vorhatte, und Reita hatte diese Frage nicht im Geringsten gefallen. Aber es war sein Vorschlag gewesen, das Treffen mit Keisuke endlich hinter mich zu bringen. Wir hatten uns nach einem knappen Blickaustausch wortlos darauf geeinigt, dass ich Keisuke zusagen würde. Also sagte ich dem Schwarzhaarigen, dass ich Zeit hatte und verabredete mich mit ihm in demselben Café, in dem wir noch vor einigen Wochen gemeinsam gefrühstückt und uns etwas besser kennengelernt hatten. Wenn ich daran zurückdachte, schien mir der Tag völlig weit und unwirklich, als wäre das alles nie passiert. Wir hatten uns in dem Moment definitiv gut verstanden. Jetzt herrschte definitiv eine unangenehme Atmosphäre zwischen uns, wenn wir aufeinandertrafen. „Ich freue mich. Dann bis heute Abend!“, trällerte Keisuke und legte auf, nachdem ich, „Bis dann!“, sagte. Es herrschte kurz Stille zwischen Reita und mir. „Der Typ ist zum Kotzen!“, würgte er übertrieben herum und munterte mich mit seiner gespielt überspitzten Art auf. Ich schüttelte grinsend den Kopf und drehte mich im Sitzen zu ihm. Ich bemerkte, dass Reita seine Unsicherheit mit Albernheit zu überspielen versuchte, um mir so meine Sorge zu nehmen. Der Blick des Älteren wurde mit einem Mal schelmisch, und ehe ich mich versah, nahm er mein Gesicht sanft in seine Hände, grinste und sagte, „Da sind noch ein paar freie Stellen an deinem Hals!“, und ehe ich mich überhaupt beschweren konnte, hatte er mich fest an sich gezogen und hing wieder wie ein Putzerfisch an meiner Haut, während ich hilflos lachend meine Hände auf seinen Schultern platzierte und ihn angestrengt auf Abstand zu halten versuchte. Ich hatte mich am Mittag auf den Weg nach Hause gemacht. Reita hatte mir versprochen, später vorbeizukommen, da er plötzlich einen dringenden Anruf seines Arbeitskollegen bekommen hatte, der seine Hilfe bei irgendwas brauchte. Ich hatte nicht genau hingehört. Mich hatte es einfach nur beleidigt, dass wir die Zeit, die uns blieb, nicht gemeinsam verbringen konnten. Gedankenversunken lief ich den kurzen Weg von Reita zu mir, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben und den Blick gen Himmel gerichtet. Heute war definitiv ein schöner Tag. Umso ärgerlicher, dass ich ihn nicht vollends mit Reita verbringen konnte. Seufzend schloss ich die Haustür auf und trat hinein, verwundert darüber, dass laute Popmusik durch das Haus fegte. Nanu? Was war denn hier los? Mich meiner Schuhe entledigend lugte ich um die Ecke und somit in die Küche. Meine Mutter tänzelte vor der Arbeitsplatte herum, lautstark mitsingend und mit diversen Küchenutensilien herumwerkelnd. Anscheinend kochte sie. Wie immer also. Fies, wie ich war, schlich ich auf sie zu und sie bemerkte mich nicht, da sie in ihrer eigenen Welt zu sein schien. Als ich dicht hinter ihr stand, plärrte ich ihr ein lautes, „Ma!“, ins Ohr, was sie gefühlt zwei Meter in die Luft springen ließ vor Schreck. Schadenfreudig und mit leichten Gewissensbissen lachte ich sie aus und umarmte sie sogleich fest, um sie anständig zu begrüßen, während sie, eine Hand krampfhaft auf ihre linke Brust gepresst, vor sich hin keifte. „Undankbares Balg. Sowas muss ich hier mit mir machen lassen. Ich glaube, ich spinne!“, zeterte sie, hielt mir aber wie immer bereitwillig ihre Wange hin, als ich ihr einen Kuss geben wollte. Verträumt die Augen schließend schnupperte ich den wohligen Duft von herzhaftem Essen ein und sah dann neugierig an ihr vorbei, da es so köstlich roch. Ja, ich weiß, ich hatte eben erst gefrühstückt. Ich hatte eben einen gesunden Appetit, na und? „Was machst du denn schönes?“, wollte ich wissen und sie antwortete kurzangebunden, „Sukiyaki!“, und schnaubte nur eingeschnappt, als ich irritiert, „Zu dieser Jahreszeit?“, fragte. „Ich hatte eben Lust darauf, also lass mich!“, mäkelte sie und scheuchte mich von sich, was mich nur belustigt lachen ließ. Neugierig erkundigte ich mich nach ihrem Wohlbefinden. Wir unterhielten uns ausgelassen, hatten wir immerhin Nachholbedarf. Wir hatten uns gefühlt wochenlang nicht wirklich austauschen können, da sie immer auf Achse gewesen war. Während sie weiter ihrer Tätigkeit nachkam, saß ich am Küchentisch und hörte zufrieden ihren begeisterten Erzählungen zu. „Oh, und die Promo-Party der Agentur und die darauffolgende Konferenz war ein voller Erfolg. Und stell dir mal vor, es wird schon überall gemunkelt, dass wir für unsere nächste Kampagne unter anderem Kiko Mizuhara bekommen!“, redete meine Mutter völlig aufgeregt vor sich hin, während sie Gemüse schnippelte, was mir ein Lächeln auf die Lippen trieb. „Das ist ja der Wahnsinn!“, sprach ich begeistert, wollte ich ihr immerhin zeigen, dass ich ihr aufmerksam zuhörte und mich einfach nur für sie freute, woraufhin sie sich strahlend zu mir herumdrehte und beinahe, „Nicht wahr?! Sie ist zurzeit eines der international berühmtesten, japanischen Models!“, rief. Im nächsten Moment wurde ihr Blick jedoch verwirrt, dann entsetzt und hinterher peinlich berührt. Bei dem emotionalen Gesichtskarussell wurde mir beinahe schwindelig. So ein Wechselspiel der Emotionen bekam auch nur meine hyperaktive Mutter hin. Und vielleicht Ruki. Die Frau war der Wahnsinn. „Äh, alles gut?“, wollte ich zögernd wissen und grinste beschämt, als sie fassungslos wissen wollte, wieso mein Hals so aussah wie er eben aussah. „Na ja, weißt du, wenn zwei Menschen sich lieben-“, fing ich an, wurde aber empört von ihr unterbrochen. „Du frecher Wanst, hör mir bloß auf! Dass ihr beiden immer so aufeinander losgehen müsst!“, rief sie aus und drehte sich gedämpft murrend wieder zum Herd und ich konnte sie nur herzhaft auslachen. Ich hatte mich geräuspert und überlegte jetzt still vor mich hin. Bevor ich aber überhaupt etwas sagen konnte, sprach meine Mutter erneut, doch diesmal gefasster. „Keisuke ist begeistert von deiner Therapie“, kam es von ihr und ich konnte förmlich den Stolz aus ihrer Stimme vernehmen. Ich sah von der Seite, wie ihre Brust vor Stolz beinahe anschwoll. „Was meinst du?“, fragte ich, da ich mir nicht erklären konnte, wie nur zwei Behandlungen bei so einem schwerwiegenden Problem schon so zufriedenstellend sein konnten. „Er hat’s mir demonstriert. Einen Tag nach der letzten Behandlung hat er den Arm viel weiter heben können als davor. Die Schmerzen sind zwar noch da, aber er kann sich etwas besser bewegen. Was immer du machst, du machst es richtig, mein Schatz. Ich bin so stolz auf dich!“ Sie drehte sich mit einem atomaren Lächeln zu mir herum, den Kochlöffel dabei begeistert hin- und herwedelnd, dass sie dabei lauter Essensspritzer auf dem Küchenboden verteilte. Ich konnte mir bei dem Anblick nur die Hand vor die Stirn schlagen und benommen lachen. Während meine Mutter neben mir schmatzend ihr Essen genoss, hatte ich mich auf dem Sofa im Wohnzimmer langgelegt und sah jetzt mit ihr fern. Sie fing immer wieder an, aufgeregt von ihren letzten Ausflügen zu erzählen und ich hörte ihr stumm zu und gab ihr an den passenden Stellen die passenden Reaktionen. Ich merkte, wie mich ihre verliebten und begeisterten Erzählungen über Keisuke müde machten. Es schmerzte mich selbst, dass es so war, aber ich konnte nichts daran ändern. Trotzdem versuchte ich so gut es ging, ihr etwas vorzumachen und Neugier zu heucheln. Ich wollte immerhin nicht, dass sie irgendetwas an den falschen Hals bekam. Und genau deswegen hielt ich es auch vor ihr geheim, dass ich ihren Partner heute ein weiteres Mal treffen würde, um mich mit diesem über unsere Differenzen auszusprechen. Das war etwas, was ich ihr ersparen wollte. Sie sollte sich nicht unnötige Sorgen machen. Während sie sich lautstark mampfend über eine Szene aufregte, die gerade in der Serie stattfand, schreckte ich auf, da mein Handy in meiner hinteren Hosentasche vibrierte und mich somit aus meiner Apathie geweckt hatte. Es war Reita. Ich hatte eine böse Vorahnung. „Ja, Schatz?“ „Baby, ich schaffe es leider nicht, früher von hier wegzukommen. Tut mir wirklich leid. Wird wohl etwas später werden. Goro, der Depp, hat beim Schrauben seinen Motor geschrottet, und wir versuchen hier gemeinsam, das Ding wieder zum Laufen zu bringen. Ich werde aber rechtzeitig da sein, um dich in die Stadt zu fahren, ok?“, redete mein Schatz hektisch und ich konnte im Hintergrund Stimmengewirr und gereiztes Keifen hören. Dann folgten ein lautes Knallen und schallendes Gelächter, ehe jemand lauthals beleidigt wurde. Das waren sicher seine Arbeitskollegen. Na, da hatte er sich ja was eingebrockt. Es wäre für mich auch ein Wunder gewesen, wenn er es zeitig geschafft hätte, doch ich hatte mich schon darauf eingestellt. Immerhin war das Universum in letzter Zeit strikt gegen unsere Zweisamkeit. Ich atmete laut aus und sagte, „Alles gut, Rei. Mach dir keinen Stress. Ich kann auch einfach selbst fahren!“, doch Reita unterbrach mich und versprach mir, dass er vorbeikommen würde, damit ich mir die Suche nach einem Parkplatz ersparen konnte. Wie zuvorkommend er doch war. Ich verabschiedete mich dankend von ihm und legte auf. Meine Mutter war derweil noch immer in ihre Serie vertieft und fragte daher nur beiläufig, „Wohin geht’s denn?“ Mein Hirn brauchte keine Millisekunde, um sich eine gescheite Lüge auszudenken. „Ach, nur ein wenig runter in die Stadt mit Toshiya!“ Ah, ich würde jetzt am liebsten einfach nur schlafen und meine Verpflichtungen ignorieren. „Wann sollte das nochmal losgehen?“ „19:30Uhr“, entkam es mir knapp. Reita hatte es nicht einmal für nötig gehalten, sich vorher umzuziehen. Er war an einigen Stellen seiner Klamotten ölbeschmiert, und langsam glaubte ich, dass dieser Zustand zu seinem Styling dazugehörte. „Also ehrlich, selbst an deinem freien Tag musst du arbeiten!“, meckerte ich, was den Älteren nur herzhaft lachen ließ. Wir saßen gemeinsam in seinen Wagen und unterhielten uns leise über das bevorstehende Treffen. „Ich wäre am liebsten dabei“, schmollte er beleidigt, und ich konnte mitbeobachten, wie ihm anscheinend plötzlich eine glorreiche Idee kam. Mich darauf vorbereitend, dass es nur Schwachsinn sein konnte, rollte ich wirklich mit den Augen und lachte leise, als er völlig aufgeregt und ohne Kontext, „Ich könnte dir mein Handy zustecken!“, brabbelte und mein Lachen gekonnt ignorierte. „Was soll ich bitte mit deinem Handy? Ich habe mein eigenes!“, grinste ich verwirrt und schlug innerlich die Hand vor die Stirn, als er, „Ich gebe dir mein Handy, verbinde aber vorher meine AirPods per Bluetooth damit und halte mich in der Nähe auf. So kann ich eurem Gespräch lauschen, ohne dass er weiß, dass ich es tue! Du musst es nur vor dir auf den Tisch legen!“, triumphierte und tatsächlich die Faust in die Luft stieß, als hätte er den Durchbruch erlangt. „Lassen wir das lieber, Inspector Gadget!“, gackerte ich und schüttelte ob seines beleidigten Anblicks nur grinsend den Kopf. Manchmal kam er auf Ideen, also ehrlich. Der Blonde ließ mich bei rot leuchtender Ampel vor dem Café aussteigen, aber nicht, ohne mich vorher innig zu küssen und mir eindringlich, „Wenn irgendetwas ist, ruf mich bitte an. Ich komme dich sofort holen, ja?“, zuzuflüstern. Ich hatte genickt, ehe ich schluckend ausgestiegen war. Dass er und auch unsere Freunde direkt vom Schlimmsten ausging, war für mich nicht sehr aufmunternd. Aber zugegeben, ich dachte ja auch nicht wirklich anders. Mit den anderen hatte ich im Laufe des Tages telefoniert und von dem bevorstehenden Treffen erzählt. Ich hatte ein flaues Gefühl im Magen. Doch meine Freunde hatten versucht, mir letzten Endes gut zuzureden. Ungeduldiges Hupen hinter mir riss mich zurück ins Hier und Jetzt. Reita schenkte mir entschuldigend ein herzerwärmendes Lächeln, bevor er weiterfuhr, und ich hob nur schwach die Hand zum Abschied. Laut und tief einatmend drehte ich mich dann auf dem Absatz herum und besah mir das Café von außen. Das “BlueMoon“ war heute besonders gut besucht, was für einen Samstagabend nicht ungewöhnlich war. Ein Vorteil also, da ich mich so viel sicherer fühlte. Gewiss würde Keisuke nichts Merkwürdiges sagen oder tun und somit eine Reaktion meinerseits provozieren, wenn ein Haufen fremder Leute um uns herumsaß. Oder? Ein kurzer Blick auf meine Armbanduhr zeigte mir, dass er noch knappe fünfzehn Minuten Zeit hatte. Ich entschied mich, draußen auf ihn zu warten, da ich nicht reingehen und alleine an einem Tisch sitzen und warten wollte. Während ich also Toshiya eine knappe Nachricht zurückschickte, da der Ältere wissen wollte, ob es denn schon losgegangen war, wartete ich auf die Ankunft des Älteren. Doch das flaue Gefühl von vorhin sollte mich schon bald zurecht einholen. Inmitten meines Textes wurde mein Display schwarz und zeigte mir einen eingehenden Anruf von niemandem anders als Keisuke an. Was war denn jetzt los? Ich ging mit einem irritierten, „Ja, hallo?“, dran und mir fiel sofort alles aus dem Gesicht, als Keisukes tiefe Stimme am anderen Ende zu hören war. So ein Szenario hatte ich schon erahnt. „Kouyou, es tut mir aufrichtig leid. Ich werde mich wohl verspäten. Ich habe kurzfristig im Café angerufen und unsere Reservierung gekänzelt. Mir kam ein Meeting dazwischen, über das ich zu spät informiert wurde!“, sprach er energisch, während ich im Hintergrund mehrere Stimmen hörte, die hektisch durcheinanderredeten. Wirklich großartig. Jetzt stand ich hier wie bestellt und nicht abgeholt und hatte nicht einmal ein Auto. Musste ich also mit der Bahn nach Hause, was? Reita würde ich damit nicht belasten, der war gerade erst losgefahren. Ich wollte nicht, dass er sich wieder unnötig aufregte. Mir an den eigenen Hemdkragen fassend, da mir dieser plötzlich zu eng vorkam, obwohl die ersten Knöpfe nicht zugeknöpft waren, murmelte ich verstimmt, „Das weißt du doch sicher nicht erst seit, fünf Minuten, oder? Wieso hast du denn nicht eher Bescheid gesagt? Dann wäre ich zu Hause geblieben und würde hier jetzt nicht unnötig herumstehen. Ich wurde hier gerade erst abgesetzt!“, was den Älteren fassungslos die Luft geräuschvoll einziehen ließ. „Du bist schon vor Ort?!“, krächzte er mit hörbar schlechtem Gewissen und unterbrach mich in meinem Satz. Natürlich war ich schon da, das nannte man Pünktlichkeit, verdammt noch mal! Ich hatte gerade zerknirscht bejaht und wollte sagen, dass es schon in Ordnung war und wir das wann anders nachholen könnten als er auch schon, „Gib mir bitte eine halbe Stunde. Ich komme dich holen, sobald ich fertig bin!“, sprach und einfach auflegte, ohne auf meine Einwilligung zu warten. Bitte was?! Er kam mich holen? Um Himmels Willen, nein! Überfordert auf- und abgehend und mir dabei die Unterlippe grübelnd zerkauend, kratzte ich mich hinterm Ohr und ignorierte die neugierigen und teils skeptischen Blicke der Passanten um mich herum. Ich wirkte wahrscheinlich wie ein eingesperrter Tiger, der in einem viel zu kleinen Käfig auf und ab schritt. Sollte ich Reita vielleicht doch anrufen? Oder einen unserer Freunde? Vielleicht Kai? Immerhin wusste der ebenfalls, dass ich mich heute mit dem Partner meiner Mutter traf. Er würde sicher wissen, was jetzt zu tun war. Während ich nervös mein Handy herauskramte, ging ich auf einen der Fahrradlehnbügel am Straßenrand zu, um mich kurzerhand draufzusetzen. Es mochte womöglich auch sein, dass ich mir gerade ungerechtfertigt das Hirn zermarterte, da ich generell nicht so gut auf Keisuke zu sprechen war. Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, rief ich Kai an, der aber auch nach dem fünften Freizeichen nicht ans Handy ging. Verdammt! Sicher arbeitete er wieder. Ich hatte seinen Arbeitsplan nicht im Kopf. Ich wog in Gedanken ab, wie sauer Toshiya auf mich sein würde, wenn ich ihn, statt Reita, anrief, und tat es dann trotzdem. Der Ältere ging auch sofort mit einem, „Uruha, Schätzchen?“, an den Hörer und schwieg erst, als ich kryptisch, „Er verspätet sich und holt mich später von hier ab. Ich weiß aber nicht, ob ich überhaupt zu ihm ins Auto steigen will, Totchi. Wenn Rei das hört, flippt er sicher wieder aus! Das scheint mir doch alles wie ein abgekartetes Spiel!“, plapperte und jetzt stumm auf meiner Unterlippe kaute, während sich mein gesamter Körper so anfühlte, als würde alle Spannung schlagartig aus ihm weichen. Es war ein Wunder, dass ich hier noch sitzen konnte, ohne wie ein Kartenhaus in mich zusammenzusacken. „Okay, nun mal langsam. Keisuke verspätet sich?“, fragte Toshiya und fuhr fort, als ich knapp, „Ja!“, in den Hörer murrte. „Und du ziehst es mal wieder vor, jeden, außer Reita, anzurufen?“, war die anschuldigende Frage, die mich beschämt die Hand vor Augen halten ließ. Woher wusste er das schon wieder? „Kai und Ruki sind zu Besuch. Ich habe dem Sonnenschein befohlen, nicht ranzugehen, als dein Anruf durchkam. Ich konnte es mir schon beinahe denken. Uruha, du bist erwachsen. Im Endeffekt kannst du tun und lassen, was du willst. Nimm meinen Rat als dein Freund an, oder lass es bleiben, Schätzchen. Entweder, du rufst Reita jetzt an und klärst ihn über die kommende Situation auf, oder du lässt es bleiben, lässt alles auf dich zukommen und riskierst vielleicht ein Donnerwetter. Wahrscheinlich machst du dir aber auch nur grundlos Sorgen!“ Toshiya war gut darin, mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Der Ältere unterhielt sich noch eine ganze Weile mit mir und tadelte mich, was mir das Gefühl gab, etwas Falsches zu tun, was ich wiederum ziemlich unfair fand. Ich hatte in meiner Ratlosigkeit doch nur seine Hilfe gewollt! Mich grob und überfordert am Nasenbein massierend, hatte ich den Blick gen Boden sinken lassen, während ich das Handy noch immer ans Ohr hielt und der Rüge meines guten Freundes betroffen lauschte. Ich wusste nicht, wie viel Zeit schon vergangen war. Gerade, als ich mich aufgerichtet hatte, da ich merkte, wie mein Hinterteil wegen der unbequemen Sitzmöglichkeit schon zu schmerzen angefangen hatte, registrierte ich, wie mir plötzlich etwas Großes in den Weg trat und die Lichtquelle vor mir abschirmte. Irritiert schaute ich an den langen Beinen, die in einer schwarzen, akribisch gebügelten Anzughose steckten, hinauf und direkt in Keisukes markantes Gesicht, der mich nur entschuldigend anlächelte und, „Tut mir leid, dass du auf diese unbequeme Weise auf mich warten musstest!“, sprach. Der Teufel persönlich! Ich verabschiedete mich knapp von Toshiya, nickte Keisuke wortlos zu und ließ mich von diesem die belebte Straße entlangführen. Ich hatte ihn nicht einmal bemerkt. So sehr war ich in mich gekehrt gewesen. Er hatte mir gesagt, dass er seinen Wagen etwas weiter weg abgestellt hatte, da die Parkmöglichkeiten in diesem Teil der Stadt katastrophal waren. Zwischen uns herrschte peinliche Stille. Es war jedoch eine Genugtuung, zu sehen, dass er anscheinend mindestens genauso verunsichert war, wie ich selbst. Er wirkte leicht nervös, was ich durch das unruhige Fummeln seiner langen Finger an den Knöpfen seiner Anzugjacke ablesen konnte. Ich hoffte nur, dass er sein Wort halten und meiner Mutter nichts hiervon erzählen würde. Während ich so in meinen Gedanken versunken war, merkte ich nicht, wie er seine Hand mit Nachdruck auf meinen unteren Rücken legte, um mich so bestimmend an den Leuten vorbeizudirigieren. Wir brauchten nicht lange, bis wir bei seinem Wagen ankamen. Und als er seine warme Hand zurückzog, merkte ich erst, dass er mich die ganze Zeit auf diese Art und Weise geführt hatte. Meinen Kommentar dazu verkniff ich mir. Mir war aufgefallen, dass Keisuke jemand war, der anscheinend viel auf Körpersprache und Berührung setzte. Es wäre schöner, wenn er einen vorher warnen oder einfach nur um Erlaubnis fragen würde. Die Idee, ihn zu fragen, wohin es ging, kam mir erst, als ich in seinem teuren Mercedes saß. Während er den Motor laut aufheulen ließ und dann langsam anfuhr, um in den hektischen Verkehr einzuscheren, schnallte ich mich schluckend an und überspielte das flaue Gefühl im Magen, was sich langsam aber stetig wieder bemerkbar machte, als ich das laute Klicken der Türverriegelung vernahm. Ich musste damit aufhören, mich selbst wahnsinnig zu machen. Das war hier immerhin der Partner meiner Mutter. Was sollte denn schon passieren? Er würde mich ja nicht entführen und irgendwo gefangen halten. Oder mich an die Yakuza verkaufen. „Das lief alles leider nicht nach Plan heute“, fing er belanglos an, während er aufmerksam von links nach rechts sah, da er anscheinend die Stille zwischen uns brechen wollte. Nachdem ich einen fragenden Laut von mir gab, sprach er unbekümmert, „Die PR-Abteilung hat nicht rechtzeitig mit mir kommuniziert. Daher ist mir das für heute anstehende Meeting leider entgangen. Verschieben konnte ich es aber auch nicht, da es ziemlich wichtig war. Ich hoffe, du bist mir nicht allzu böse“, und ich schüttelte nur den Kopf, ehe ich ihn endlich fragte, wohin wir denn nun fahren würden. „Oh, ich dachte mir, da es Samstagabend ist und wir geringe bis keine Chancen haben, jetzt noch ohne Reservierung irgendwo einen Tisch zu bekommen, dass wir einfach zu mir nach Hause fahren. Ist das für dich in Ordnung?“, fragte er mich im nonchalanten Ton und ich sah ihn nur flüchtig aus dem Augenwinkel an. „Wenn ihr beide euch noch einmal aussprecht, sorge bitte dafür, dass es an einem öffentlichen Platz passiert. Ein Café oder ein Park. Hauptsache es sind genug Leute drumherum. Mir bekommt der Gedanke nicht, dich mit dieser Pfeife allein zu lassen!“ Das waren Reitas bittenden Worte an jenem Abend gewesen, an dem wir uns zum ersten Mal in unserer dreijährigen Beziehung in den Haaren gehabt hatten. Würde ich Reitas Vertrauen missbrauchen, wenn ich das hier durchziehen würde? Und wieso zerbrach ich mir eigentlich den Kopf so sehr darüber? Ich wusste, wieso. Insgeheim ging mir die Nacht in der Diskothek noch immer wie ein Stummfilm durch den Kopf, und ich glaubte, dass das der Grund war, wieso ich dem Älteren gegenüber so abgeneigt und misstrauisch war. Dasselbe galt auch für Reita. Er sah das alles genauso. Ich senkte den Blick, schloss kurz die Augen und sah wieder auf, als Keisuke mich fragte, ob bei mir alles in Ordnung war, da ich ihm nicht auf seine vorherige Frage geantwortet hatte. „Ja, ist okay“, resignierte ich und merkte nicht einmal, wie der Ältere freudig vor sich hinlächelte, während er uns im gemächlichen Tempo an unser Ziel brachte. Er wohnte mitten in der Stadt Yokohamas, in einem dieser pompösen, luxuriösen Hochhäuser, die man schon von mehreren Kilometern Entfernung problemlos am Horizont ausmachen konnte. Das große, abgesicherte Tor der Tiefgarage vor uns fuhr automatisch hoch und legte die Einfahrt in das Gebäude frei, sodass Keisuke direkt hineinfahren konnte. Beim Einfahren nickte er noch einer Wache zu, die in ihrem kleinen Wachposten neben der Schranke stand und knapp zurücknickte. Ich konnte lauter kleine Bildschirme hinter ihm sehen, die anscheinend mit Überwachungskameras gekoppelt waren. Was war das denn hier für eine Hochsicherheitsburg? War das alles denn nötig? Nachdem er in der riesigen Tiefgarage geparkt hatte, in der lauter teure Schlitten standen, die ich sonst nur aus Filmen und Fotos kannte, führte er mich zu einem Aufzug, den er mit einer kleinen Chipkarte betätigte, und ich fragte mich insgeheim, wie ich hier später ohne seine Hilfe wieder rauskommen sollte. Die Tür öffnete sich sofort mit einem leisen “Pling“, und vor mir befand sich eine unscheinbare Aufzugkabine, die links, rechts und an der Decke verspiegelt war. „Dieses ganze Prozedere ist leider notwendig, weil hier einige wichtige Berühmtheiten residieren. Ich hatte nur das Glück, etwas Preiswertes zu ergattern, als es darauf ankam“, sprach er plötzlich, als hätte er mal wieder meinen wirren Gedanken gelauscht, und ich merkte, wie seine Stimme einige Oktaven tiefer gerutscht war. War das überhaupt möglich? Der Klang seiner tiefen Stimme hallte vibrierend durch den Fahrstuhl und löste in mir eine Gänsehaut aus. Misstrauisch sah ich ihm dabei zu, wie er die Knöpfe seiner Anzugjacke aufknöpfte und den Jackensaum mit der rechten Hand in einer fließenden Bewegung nach hinten wischte, um seine Hand sogleich tief in seiner Hosentasche zu vergraben und unruhig an dem darin liegenden Autoschlüssel zu fummeln. Wenn man sich das aus dem Augenwinkel besah, wirkte es so, als würde er an etwas ganz anderem fummeln. Weg mit dem Gedanken, weg! Die andere Hand hielt seine Aktentasche fest umklammert. „Ah ja“, machte ich gespielt interessiert und folgte dann der rotleuchtenden Stockwerkanzeige. Der Aufzug fuhr ungewöhnlich schnell für meinen Geschmack. Ich merkte, wie mir durch die einwirkenden G-Kräfte instantan schwindelig wurde, was ich erfolglos zu überspielen versuchte, indem ich mich am Handlauf in meinem Rücken krallte und stur geradeaus starrte. „Gleich vorbei. Ich habe ewig gebraucht, bis ich mich an die Geschwindigkeit gewöhnt habe! Ich weiß, wie du dich gerade fühlst“, verriet Keisuke mir ungefragt, als hätte er meine Körpersprache lesen können. Mich nervte es ungemein, dass er das andauernd tat. Wir kamen mit einem Signalton im 70ten Stockwerk an und ich staunte nicht schlecht. „Wie viele Stockwerke hat das Gebäude?“, wollte ich interessiert wissen und hörte seine Antwort nicht einmal mehr, da die Tür vor mir langsam aufging und somit einen prachtvollen Anblick freigab, der mich nicht mehr aus dem Staunen herauskommen ließ. Anscheinend waren wir mit seiner Karte direkt in sein Penthouse gefahren. Er hatte nur grinsend, „70!“, geantwortet, seine Jacke ausgezogen und folgte mir jetzt, während ich überfordert in den Empfangsraum trat. Dass Keisuke hinter mir seine Aktentasche direkt neben der Aufzugtür stehen ließ, bemerkte ich nicht. Zu beeindruckt war ich von der breiten Marmortreppe mit dem verglasten Treppengeländer, die links neben mir ins zweite, offenstehende Stockwerk führte. Verdammt, wie viel Geld verdiente dieser Kerl?! Bevor ich einen weiteren Schritt machte, um mir die riesigen Deko-Vasen näher anzusehen, die links und rechts neben der Treppe standen und aus denen exotisch wirkende Pflanzen rankten, fielen mir meine Manieren wieder ein, und ich wollte gerade vorbildlich meine Schuhe ausziehen, doch der Größere winkte mit einem knappen, „Lass sie ruhig an!“, ab, was mich nur gehorsam nicken ließ. Kurzerhand folgte ich Keisuke, der mich die dunklen Treppen mit einem lockeren, „Hier entlang, bitte!“, hinaufführte, und ich war kurz davor gewesen, einen ungläubigen Laut von mir zu geben. Der weite Raum vor mir bot einen wunderschönen 180 Grad Ausblick über ganz Yokohama, da die Wände hier komplett verglast waren. Mir war der Mund aufgeklappt. Das war anscheinend das Wohnzimmer, wobei man hier nicht mehr von einem Zimmer reden konnte. Der Raum glich eher einer kleinen Halle. Hier stand sogar ein Billardtisch herum, mitten im Raum! „Darf ich?“, fragte ich zögernd mit einem Fingerzeig zu den Fenstern und biss mir aufgeregt auf die Unterlippe, als er grinsend eine ausschweifende Handbewegung machte und mich dabei beobachtete, wie ich an seiner riesigen Sofalandschaft und dem Billardtisch vorbeischritt, um nahe an die Glaswand zu treten und auf die Lichter hinunterzuschauen, die man von hier oben nur noch knapp erahnen konnte. Der Anblick löste einen leichten Schwindel in mir aus, doch das ignorierte ich gekonnt. Ich konnte kilometerweit gucken, da der heutige Abend recht klar war. Der Wahnsinn! Jetzt verstand ich, wieso meine Mutter andauernd von Keisukes Penthouse schwärmte! „Sind wir hier ganz oben?“, fragte ich jetzt, da mir die Erkenntnis plötzlich gekommen war, und Keisuke bejahte knapp. Ich hätte mir nie auch nur im Traum eingebildet, dass ich so etwas mal persönlich sehen würde. Meine Sorge und das Misstrauen war für den Moment wie weggeblasen, was, zugegeben, schon ziemlich naiv von mir war. Anscheinend war ich leicht zu beeindrucken. Das leise Räuspern hinter mir hielt mich davon ab, meine Nase und meine flachen Hände wie ein Vollidiot gegen das saubere Glas zu pressen und nach unten zu glotzen. Ich drehte mich fragend herum und erwischte Keisuke dabei, wie dieser sich gerade den letzten Knopf seiner schicken Anzugweste, die seine schmale Taille perfekt zur Geltung brachte, aufknöpfte und abstreifte und jetzt mit zwei Fingern in den Knoten seiner schwarzen Krawatte griff, um diese in einer geübten, langsamen Bewegung zu lockern und mich mit dieser Aktion leicht zu verunsichern. Peinlich berührt, da mein Gehirn mir wieder irgendwelche Bilder in den Kopf zu setzen versuchte, wandte ich mich von diesem Anblick ab und schaute erneut auf, als der Schwarzhaarige fragte, ob es für mich in Ordnung war, wenn er sich eben frisch machen würde. Ich bejahte und dankte ihm, als er mir einen Sitzplatz anbot. „Wasser und Gläser findest du unter der Tischplatte. Du musst die Platte nur zur Seite schieben!“, bot er mir an und machte kehrt, um durch den langen Flur zu schreiten und dann um die Ecke zu verschwinden. Verdammt, wie groß war dieses Penthouse eigentlich? Mir juckte es in den Fingern, auf Erkundungstour zu gehen, aber das würde ich mir verkneifen. Vielleicht würde mir Keisuke eine Rundführung anbieten? Während ich mir etwas zu trinken einschenkte, sah ich mich um und staunte nicht schlecht. Der Fernseher vor mir, der frei an der beigen Steinwand angebracht war, war vermutlich so groß wie das Garagentor, durch das wir bis noch vor wenigen Minuten hindurchgefahren waren. Plötzlich kam ich mir so winzig vor, als mir bewusstwurde, wo ich mich hier aufhielt. Solche Dinge sah man für Gewöhnlich nur im Fernsehen. Und mit einem Schlag waren diese übertriebenen Lebensverhältnisse plötzlich Realität. Mit keiner Silbe wollte ich jetzt behaupten, dass wir in ärmlichen Verhältnissen lebten. Meiner Mutter und mir ging es sehr gut, und wir hatten ein wundervolles Haus, welches mit viel Liebe für uns erbaut wurde, aber das hier spielte definitiv in einer ganz anderen Liga. Verunsichert nippte ich an meinem Glas und zuckte zusammen, als mein Handy in meiner Hosentasche plötzlich vibrierte. Fragend nahm ich das Gerät heraus, und mir sank das Herz in die Hose. Es war jetzt kurz vor halb neun und Reita wollte per Text wissen, wie es so weit lief. Oh Gott, das hatte ich tatsächlich der Aufregung wegen vergessen! Verunsichert sah ich den hell erleuchteten Gang hinter mir hinunter, in dem Keisuke verschwunden war, und entschied mich, meinen Freund einfach per Facetime anzurufen und in den sauren Apfel zu beißen. Es dauerte auch nicht lange, ehe das verwirrte Gesicht des Blonden auf dem Display erschien. „Was ist los, Baby?“, fragte er irritiert und verengte sofort die Augen, als ich verlegen die Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen verzog, mich am Hinterkopf kratzte und mich somit verriet. Wo sollte ich jetzt nur anfangen? „Lange Geschichte, Rei. Ich wollte mich nur eben melden und dir sagen, dass alles in Ordnung ist“, murmelte ich und schluckte trocken, nahm dann einen weiteren Schluck von meinem Wasser, als Reita wissen wollte, wo ich war, da ihm aufgefallen war, dass das nicht das Café war, vor dem er mich abgesetzt hatte. Ich schwenkte die Ansicht zögernd auf meine Rückkamera und zeigte ihm den großzügigen Wohnraum, ehe ich ihm beschämt antwortete. „Uruha.. Dein Ernst? Es war nur die eine Sache, die ich von dir wollte, und du gehst zu ihm nach Hause? Wirklich?“ Er hatte die Stirn in tiefe Falten gelegt und sah mich missmutig an. „Ich sagte ja, lange Geschichte. Es kam etwas dazwischen. Er hat mich angerufen und sich entschuldigt. Bitte, Schatz. Mach dir keinen Kopf, ja? Ich werde mich zwischendrin einfach immer wieder melden, okay? Mir geht’s gut. Hier ist so weit alles in Ordnung!“ „Ja, Akira. Hier ist alles in Ordnung, also keine Sorge. Ich werde ihn schon rechtzeitig zu Hause absetzen!“ Mir gefror das Blut in den Adern und anscheinend konnte man es mir im Gesicht ablesen. Ich hatte den Älteren gar nicht bemerkt, der plötzlich hinter mir aufgetaucht war. Keisuke stützte sich mit beiden Armen auf der Rückenlehne des Sofas ab und hatte sich weit nach vorne gelehnt, sodass sein Gesicht dicht neben meinem in der Kamera erschienen war. Der körperlich Größere zeigte ein beinahe arrogantes Lächeln. Oh, bitte nicht! Alles, nur keine Provokationen! „Verdammt, erschreck mich doch nicht so!“, zeterte ich und brachte ihn damit nur zum Lachen. Einzig Reita schien sehr wenig begeistert von der Situation, denn ich konnte sehen, wie sein Mundwinkel gefährlich zuckte, während er in die Kamera starrte. „Ich verlasse mich auf dein Wort, Keisuke!“, schnarrte mein Freund dann, leckte sich nervös über die Lippen und ich konnte ihm ansehen, dass ihm die Umstände überhaupt nicht zusagten. Und plötzlich hatte ich ein überaus schlechtes Gewissen. Das hatte ich definitiv nicht gewollt. Nach seiner Beichte hätte ich etwas nachsichtiger sein müssen. Aber wir konnten nicht ewig so reagieren, wenn es um Keisuke ging. „Verlass dich drauf. Hier ist alles im Lot!“, sprach Keisuke nur, weil er die Situation anscheinend entschärfen wollte. Ich würde den heutigen Abend sinnvoll ausnutzen und all unsere Differenzen und die ungeklärten Fragen ein für alle Mal ansprechen und hinter mich bringen. „Ich liebe dich, Rei!“, sprach ich jetzt fest und musste lächeln, als mein Freund sich dadurch anscheinend wieder beruhigte, denn sein Gesicht erhellte sich plötzlich. Er wischte sich mit gesenktem Blick das Haar zurück in den Nacken und erwiderte meinen Liebesschwur, ehe er auflegte. „Ah, junge Liebe. Ihr beiden seid niedlich“, redete der Ältere heiter, während er sich mir gegenüber auf einen Sessel schmiss und das eine Bein gelassen über das andere schlug. Ich gab nur ein Murren von mir, was ihn sichtlich amüsierte. Der Ältere hatte anscheinend schnell geduscht. Das lange, feuchte Haar war in den Nacken zurückgekämmt. Er machte mir gegenüber auch kein Geheimnis mehr aus seinem Tattoo, da ich es ja schon gesehen hatte. Dementsprechend trug er ein ärmelloses, weißes Shirt. Und die schwarze Jogginghose, die er trug, hing gefährlich tief um seine Hüften. Der Typ war eine wandelnde Provokation, wie ich fand. „Hast du Hunger, Kouyou? Möchtest du etwas essen?“, holte er mich mit seiner Frage wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Ihm war sicher aufgefallen, dass ich ihn wieder zu lange gemustert hatte, doch ließ er sich nichts anmerken. „Ein wenig, ja. Aber willst du jetzt noch etwas kochen?“, war mein Einwand, der ihn nur grinsen ließ. Essen war definitiv eine gute Idee. Ich konnte besser denken, wenn ich einen vollen Magen hatte. „Ich und kochen? Eher weniger. Am Ende brennt mir noch die Küche ab. 20 Stockwerke unter uns befindet sich ein Restaurant. Wir können uns etwas bringen lassen“, verriet er mir und beeindruckte mich damit. Ja, ich war heute leicht zu beeindrucken, ich gab’s ja schon zu. „Hast du vielleicht eine Menükarte für mich?“, war meine kleinlaute Frage. Ich hatte bemerkt, wie mein Magen schon wieder zu knurren angefangen hatte, also kam mir sein Angebot gelegen. Wer wäre ich denn, wenn ich diese Großzügigkeit ausschlagen würde? Wäre Reita hier, würde er sich wieder über meine Verfressenheit lustig machen. Ich hatte nämlich noch vor kurzem etwas gegessen. „Natürlich!“, sprach der Größere entgegenkommend, der sich direkt aus seinem Sessel schwang und um die Sitzlandschaft herumging, um aus einem der Sideboards eine Karte hervorzuzaubern. Hüfte schwingend kam er auf mich zu und ließ sich diesmal schwungvoll neben mir nieder, ehe er mir mit einem, „Hier!“, die Karte unter die Nase hielt. Ich kräuselte diese ob der Situation nur, bedankte mich jedoch knapp und besah mir diese neugierig. Ich merkte gar nicht, wie Keisuke den Kopf schief gelegt hatte und mich jetzt eingehend musterte, während ich konzentriert die Fremdwörter zu lesen versuchte. Der Ältere hatte den linken Arm locker von sich gestreckt, sodass dieser auf der Rückenlehne ruhte, die Beine wieder übereinandergeschlagen und der Blick wie paralysiert auf mich gerichtet. Ich war viel zu beeindruckt von den Angeboten und eingeschüchtert von den Preisen auf der Speisekarte, dass ich nicht einmal merkte, wie sich seine rechte Hand meinem geschundenen Hals näherte, an dem all die hellen und dunklen Knutschflecke nur so vor sich hin leuchteten. Ich hatte schon längst vergessen, dass sie überhaupt da waren. Der Größere hakte wortlos seinen Finger in meinen Hemdkragen und zog diesen leicht hinunter, was mich erschrocken hochfahren ließ, da er somit meine Schulter halb entblößt hatte. Ich hatte die Karte vor Schreck auf meinen Schoß fallen lassen. Ehe ich jedoch fragen konnte, was das verdammt noch mal werden sollte, fragte er mit einem undeutbaren Blick, „Selbstbeherrschung ist wohl nicht Akiras Stärke, was?“, während er diesmal meine langen Strähnen mit seinen Fingern dreist zur Seite strich und sich meinen Hals von der Seite besah. „Bitte?!“, krächzte ich perplex und war wie versteinert, als er im Sitzen plötzlich näher an mich heranrutschte, mein Gesicht packte und es grob zur anderen Seite drehte, um mich genauestens zu mustern. „Wow, selbst hier? So etwas sieht man auch nicht alle Tage!“, ließ er sich jetzt ungläubig aus und starrte ungeniert in meinen Ausschnitt, was mir die Röte auf die Wangen trieb. War ich hier im falschen Film, oder was?! „Hast du sie noch alle?!“, fuhr ich ihn an und schlug seine Hand hastig aus meinem Gesicht, da er mich noch immer im Klammergriff hielt. Ich hatte hier gerade ein sehr unangenehmes Déjà-vu. Was erdreistete sich dieser Trottel eigentlich? Ich versuchte hier, der ganzen Sache eine zweite Chance zu geben, und da vergeigte dieser sie so schnell? Wir hatten nicht einmal anständig miteinander geredet! Was war in seinem Kopf nicht richtig, dass er überhaupt auf die Idee kam, mich so etwas zu fragen, geschweige denn, sich darüber auszulassen und mich anzupacken? „Ich glaube kaum, dass meine Beziehung und die Art, wie mein Partner mich behandelt, dich etwas zu kümmern hat, Keisuke!“, giftete ich ihn an und stand jetzt mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihm, da ich aufgebracht hochgesprungen war. „Warte, tut mir leid, du hast ja recht! Ich war nur ziemlich überrascht von dem Anblick und konnte es mir einfach nicht verkneifen. Ehrlich, ich nehme alles zurück!“, hob der Schwarzhaarige beschwichtigend die Hände und bat mich, mich wieder zu setzen. Widerwillig ließ ich mich eine Armlänge von ihm auf den Sitz plumpsen und verschränkte verstimmt die Arme vor der Brust. „Es tut mir leid. Ich muss mir dieses Gegrabsche abgewöhnen. Ich habe mich schon oft selbst in Schwierigkeiten gebracht deswegen“, seufzte der Größere und wandte den Blick beschämt ab. „Du musst dir auch dringen abgewöhnen, dich in Sachen einzumischen, die dich nichts angehen. Ernsthaft!“, murrte ich gereizt und hob irritiert eine Augenbraue, als er nur leise lachte. Doch schnell fing er sich wieder. „Hast recht, ich sehe es ein. Na gut, Neustart! Von nun an keine blöden Kommentare meinerseits!“, versprach er mir und hielt mir seine geballte Faust seitlich hin, von der sich der kleine Finger erwartungsvoll abspreizte, um mir zu verdeutlichen, dass er mir das Gesagte mit einem Fingerschwur versprechen würde. „Der Fakt, dass du Namis Sohn bist, bringt mich immer wieder dazu, in die informelle Schiene abzurutschen. Ich wünsche mir nur, dass wir formlos miteinander umgehen können, wie gute Freunde es tun würden!“ Tief seufzend verwob ich unsere kleinen Finger ineinander und nickte bei dem Gesagten, um zu verdeutlichen, dass ich ihm eine weitere, letzte Chance gab. Mit einem immer lauter werdenden, unguten Gefühl in meinem Inneren lauschte ich dem Älteren, während dieser wenig später mit einem schnellen Anruf unser Essen für uns hochbestellte. Ich verstand ihn zwar, aber seine Herangehensweise war bis jetzt jedes Mal fragwürdig gewesen. Ich schob es auf die für ihn und auch mich fremde Situation. Er hatte mich in seine Küche geführt, die dafür gesorgt hatte, dass mir heute zum unzähligen Mal die Kinnlade aufgeklappt war. Abgesehen davon, dass das bestellte Essen himmlisch war, war die Küche der Wahnsinn. Was würde ich nicht alles dafür geben, um in solch einer gut ausgestatteten Küche einmal etwas zu kochen! Die freistehende Kochinsel, die aus einer massiven, ellenlangen, dunklen Marmorplatte bestand, diente zeitgleich als Esstisch. Er hatte sich mir gegenüber auf einem der vielen silbernen Barhocker niedergelassen und genoss gerade mit geschlossenen Augen seinen Rotwein, während ich misstrauisch das Glas in seiner Hand beäugte und dabei grübelnd kaute. Würde ich also doch mit dem Taxi nachhause fahren, alles klar. Der Ältere bemerkte meinen zögernden Blick, und er fragte verwirrt, während er in seinem Essen stocherte, „Stimmt etwas nicht?“, und als ich ihm meinen flüchtigen Gedanken nahebrachte, lachte er nur abwinkend und sagte, „Keine Sorge, von einem Glas passiert schon nichts. Selbstverständlich fahre ich dich nach Hause. Du nimmst um diese Uhrzeit definitiv kein Taxi mehr!“ Wie taktlos ich das Gesagte von ihm fand, hätte ich eigentlich nicht erklären müssen. „Ernsthaft? Ich weiß nicht, aber ich finde das ziemlich rücksichtslos von dir“, äußerte ich enttäuscht und entlockte ihm tatsächlich einen fragenden Blick. War der Typ denn so schwer von Begriff? „Keisuke.. Es ist mir egal, ob du nur ein Glas oder eine ganze Flasche austrinkst. Ich fühle mich definitiv nicht sicher damit, dass du dich ans Steuer wagst, wenn du Alkohol zu dir genommen hast! Ich will mich mit dem Wissen nur ungern in deinen Wagen setzen!“, sprach ich aus und ballte dabei die linke Hand, die auf meinem Oberschenkel ruhte, zur Faust, sodass er es nicht sah. Schreckliche Bilder, die mich auf ewig traumatisiert hatten, und Erinnerungen von vor drei Jahren, die mich noch immer nachts aus meinem Schlaf schrecken ließen, holten mich ein und sorgten dafür, dass ich die Brauen dicht zusammenzog und unverwandt auf meinen halbvollen Teller starrte, während ich die Tränen krampfhaft hinunterzuschlucken versuchte. Nicht hier, nicht jetzt! Meine Mutter hatte ihm doch sicher erzählt, was passiert war. Er wusste sicher, was wir durchgemacht hatten. Wie konnte dieser Snob da nur so taktlos sein? Der Autounfall war so schrecklich gewesen, dass es meiner Mutter und mir verwehrt geblieben war, meinen Vater ein letztes Mal zu sehen und uns angemessen von ihm zu verabschieden. Der heftige Zusammenstoß hatte die Front unseres Wagens schier pulverisiert. Dieser Fakt war der Grund, wieso ich Alkohol noch heute verfluchte und nicht anrührte. Daher war für mich der Anblick von besoffenen Menschen ekelerregend und löste bei mir unter anderem auch Aggressionen aus. Ich würde es niemals über mich bringen, einem Rauschmittel zu verfallen, welches den frühen Tod meines Vaters herbeigeführt hatte. Die Nachrichtensender waren damals voll davon gewesen, und selbst die Zeitungsausschnitte hatte meine Mutter mit gebrochenem Herzen aufbewahrt. Mein Vater hatte an diesem verheerenden Abend von der Arbeit zurück nach Hause gewollt. Es war an meinem 17. Geburtstag gewesen. Er hatte mir vorher noch ein Geschenk gekauft, weil er mich überraschen wollte, und war von einer Landstraße aus in Richtung Innenstadt gefahren. Ein kompletter Umweg also. An einer unübersichtlichen Kreuzung hatte er abbiegen wollen und hatte das Auto, welches sich rasend schnell auf ihn zubewegt hatte, nicht bemerkt, denn der verdammte Fahrer war betrunken gewesen und hatte vergessen, die Scheinwerfer anzumachen. Was mein Vater in diesem letzten, schrecklichen Moment seines viel zu kurzen Lebens gefühlt haben musste, konnte und wollte ich mir nicht einmal ansatzweise ausmalen. Die Angst, die er verspürt haben musste. Die Gewissheit, dass er uns womöglich nie wiedersehen würde. Die Schuldgefühle würde ich mit ins Grab nehmen. Gott, wieso musste ich gerade jetzt daran denken? Ich ließ das Besteck geräuschvoll aus meiner Hand in meinen Teller fallen und hob beide Hände gebrochen vors Gesicht, um dieses darin zu verstecken, um wenigstens einen Funken Würde zu bewahren, während ich bitterlich weinte. Dass ich Keisuke mit meinen Tränen überforderte, merkte ich nicht einmal. Zu sehr war ich in Gedanken in die schmerzhafte Vergangenheit zurückgereist, konnte es gerade noch so verhindern, laut und krampfhaft zu schluchzen. Stattdessen vergoss ich meine Tränen stumm in meine Hände und hielt angestrengt die Luft an. Ich hatte das Gefühl, dass meine Brust von innen nach außen zerriss. Zum Teufel mit diesem ignoranten Vollidioten! Ich hörte, wie die Beine des Barhockers plötzlich schrill über den Boden kratzten, und im nächsten Moment vernahm ich die hektischen, barfüßigen Schritte Keisukes auf dem kalten, glatten Marmorboden. Trocken schluckend richtete ich den verschwommenen Blick auf und sah verwundert, wie der Ältere sowohl den Inhalt seines halbvollen Glases als auch die noch volle Rotweinflasche konsequent in den Abfluss goss und sich dann zu mir herumdrehte. „Kouyou, es tut mir so unendlich leid. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich wollte die Situation weder abwerten, noch herunterspielen. Deine Ansicht ist völlig nachvollziehbar. Ich habe nicht mitgedacht!“, redete der Schwarzhaarige reuleidig und ging um die Kochinsel herum, um sich mir zögernd zu nähern. Ich konnte mir nur stumm mit einer Hand über die nassen Wangen wischen, während ich stumm weiter weinte und ihn unsicher aus leicht geschwollenen, blutunterlaufenen Augen ansah. Hoffentlich würde die Schwellung zurückgehen, bevor Reita mich so sah. „Darf ich?“, wollte der Ältere zögernd wissen und breitete die Arme unsicher aus, um mich fragend zu mustern. Ich überlegte gar nicht, als ich ihn mit einem knappen Nicken gewähren ließ und mich zaghaft in die unbekannte Umarmung schmiegte. Es war ein völlig befremdliches Gefühl, da Keisuke so viel größer und auch breiter war als Reita und ich mir plötzlich so viel kleiner vorkam. Er war beinahe hart wie eine Wand, jedoch trotzdem warm und biegsam. Ich wusste nicht, wieso mir das Blut warm in die Wangen schoss, als ich meine Stirn kapitulierend gegen seine harte Brust lehnte und sein Oberteil mit meinen Tränen befeuchtete. Keisuke schlang derweil seine Arme wortlos um mich und drückte mich fest an sich, während er mich in meiner sitzenden Position beruhigend von links nach rechts wiegte und sogar anfing, meinen Schopf zu kraulen, während ich mich allmählich beruhigte und meine Hände beiläufig von hinten an seinem Rücken hochgleiten ließ, um diese auf seinen muskulösen Schulterblättern ruhen zu lassen. Die gesamte Situation war vollkommen befremdlich, doch trotzdem war ich dem Schwarzhaarigen gerade dankbar, dass er mir wortlos Trost spendete. Ganz so übel war der Vollidiot wohl doch nicht. Es waren einige Minuten auf diese Art und Weise verstrichen. Meine Tränen waren versiegt. Plötzlich war mir die Situation extrem unangenehm, aber ich wusste nicht, wie ich mich aus der festen Umarmung Keisukes lösen sollte. Er hatte sein Kinn problemlos auf meinem Kopf abgestützt, so wie ich es meist bei meiner Mutter machte, und streichelte mir stätig mit einer Hand über den oberen Rücken. „Geht’s wieder?“, fragte der Größere, als hätte er meine Gedanken gelesen, und ich bekam eine unangenehme Gänsehaut, da seine tiefe Stimme in seiner Brust vibriert und ich dies somit in meinem Gesicht gespürt hatte. Gott, wie unbehaglich. Ich nickte nur wie ein verschrecktes Kleinkind, da ich mich nicht traute, den Blick anzuheben. Ich wollte gar nicht wissen, wie ich gerade aussehen musste. Immerhin hatte ich mich vor dem Treffen geschminkt. Sicher war alles verlaufen. Im nächsten Moment ging ein plötzlicher Ruck durch meinen Körper, der mir einen verzerrten Angstlaut entlockte, da der Ältere mir einfach ohne Vorwarnung unter die Arme gegriffen und mich mit einer beiläufigen Bewegung vom Hocker gehoben hatte, als würde ich nichts wiegen. Mir war fassungslos der Mund aufgeklappt. Ich war doch kein kleines Mädchen! Auch wenn ich manchmal wie eins heulte.. Und was war eigentlich mit seinem rechten Arm? Ich dachte, er hatte Schmerzen! Ich stand bedröppelt vor ihm und sah aus verheulten Augen zu ihm hoch, was ihm ein mildes Lächeln entlockte. „Komm mit, ich führe dich ins Badezimmer. Nimm dir die Zeit, dich zu sammeln und herzurichten. Und danach will ich dir etwas zeigen!“ Dass das Badezimmer so groß war, wie unsere Küche, hatte mich schon gar nicht mehr überrascht. Abgesehen davon, dass ich durch das Weinen mit plötzlich aufkommender Müdigkeit kämpfte, wie es meist der Fall war, hatte ich mich dabei erwischt, wie ich verzückt von links nach rechts gesehen hatte, während Keisuke mir den Weg zum Badezimmer gezeigt hatte. Ich hatte mich frisch gemacht, was bitternötig gewesen war, und ging jetzt wieder hinter dem Größeren her, der irgendwelches belangloses Zeug von sich gab, da er sich anscheinend nicht anders zu helfen wusste. Ich musste aber zugeben, dass ich seine Bemühung, mich auf andere Gedanken zu bringen, nett fand. Auch wenn seine ignorante Art erst der Grund dafür gewesen war, dass ich überhaupt angefangen hatte, zu weinen. Er wies mich an, kurz zu warten, und schritt dann in eines der Nebenzimmer, kam gleich darauf mit zwei flauschigen Decken zurück und drückte mir eine davon in die Hand, was mich irritiert dreinblicken ließ. Was sollte ich denn bitte damit? Wir hatten Hochsommer! „Mitkommen!“, ordnete er an und ich tat, wie mir geheißen. Wäre ich nicht so übermüdet, hätte ich sicher wieder patzig auf seinen Befehl reagiert. Wir gingen den Gang entlang und erklommen tatsächlich eine weitere, schmale Wendeltreppe, die in eine Art Lounge führte. Wie viele Treppen nach oben gab es hier? Und wozu brauchte ein einziger Mensch so viel Wohnraum? Als Keisuke mich auf eine Balkontür zuführte, fiel ich aus allen Wolken. Er hatte einen Balkon?! In dieser Höhe? Wollte ich da überhaupt raus? „Nach dir!“, sprach der Ältere überschwänglich und öffnete mir die Tür und sofort peitschte mir ein harter Wind durchs Haar und brachte meine sowieso schon wirre Frisur noch weiter durcheinander. Deshalb also die Decken. Brav legte ich mir diese über die Schultern, hielt sie vorne zu und machte zwei zögernde Schritte nach draußen. Das robuste Geländer war brusthoch und verglast, was trotzdem ein mulmiges Gefühl in mir auslöste. Doch der Ausblick war der Wahnsinn. Hier oben hörte man das laute, hektische Treiben, was ganz weit unter uns stattfand, schon längst nicht mehr. Nur der Wind, der sich immer wieder laut zischend ankündigte und um meine Strähnen tänzelte, war zu vernehmen. „Keine Sorge, das ist Panzerglas. Da geht nichts kaputt“, lachte der Größere, da er mein Zögern registriert hatte, und ging mutig auf das Geländer zu, um die Arme darauf zu verschränken und runterzuschauen, als würde er den lieben langen Tag nichts anderes machen. Die Decke hing locker um seine Schultern. Ich fasste all meinen Mut zusammen und trat neben ihn, krampfte aber nur zögerlich meine rechte Hand um das Geländer. Die andere hielt noch immer die Decke vor meiner Brust fest, während ich einen Schritt vom Geländer entfernt stand. Ich brauchte den Nervenkitzel gerade definitiv nicht. „Hier verbringe ich meine Abende meistens, wenn ich den Kopf freibekommen möchte“, hauchte Keisuke neben mir so leise, dass es mir schwerfiel, ihn zu hören. Der Wind peitschte so laut um meine Ohren, dass es beinahe schmerzte. „Muss schön sein. Sowas hier für sich allein zu haben, meine ich..“, nuschelte ich und unterdrückte einen Schüttelanfall, da mir doch etwas kalt war hier oben. Es herrschte zum ersten Mal eine angenehme Stille zwischen uns. Ich hatte nicht das Gefühl, etwas sagen zu müssen, um die Atmosphäre zu lockern. „Noch schöner ist es, wenn deine Mutter dabei ist, um das hier mit mir zu genießen“, waren seine leisen Worte, die ich gekonnt ignorierte. „Weißt du, Kouyou.. Sui und ich haben auf die Bitte von Nami hin Eiji vor einigen Wochen gemeinsam zur Rede gestellt, nachdem wir mehrere unschöne Diskussionen miteinander geführt haben“, redete Keisuke plötzlich ohne Vorwarnung und sorgte dafür, dass meine Gesichtszüge überfordert entgleisten. Wie war das? Das war mal ein Themawechsel! „Der Barkeeper aus dem Club “Juice“. Du erinnerst dich?“, frage er überflüssigerweise und biss die Zähne sichtbar fest zusammen, als ich im sarkastischen Ton, „Wie könnte ich das vergessen?“, schnarrte und dabei den Blick unverwandt abwandte. Weit und breit keine Sterne am Himmel zu sehen. Nur der Mond, der voll und rund vor sich hin leuchtete. Was war das bitte für eine Frage? Diesen schrecklichen Abend würde ich nie vergessen. Immerhin hatte er uns allen eine unschöne Erinnerung ins Hirn gebrannt. „Sui hat viel durchgemacht. Und ich gebe zu, ich habe mich an dem Tag ihm gegenüber wie ein herzloses Arschloch benommen und weiter dazu beigetragen, aber erneut mit so einer Situation konfrontiert zu werden, war kräftezehrend für mich. Vor allem, da ich das alles schon einmal mit meinem besten Freund durchgemacht habe. Sowas ist auch für den Außenstehenden nicht leicht“, erklärte der Ältere sich und richtete sich jetzt auf, drehte sich zu mir und lehnte sich seitlich ans Geländer. „Ich bin untröstlich. Was dir an dem Abend widerfahren ist, hätte niemals passieren dürfen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was du und Nami durchgemacht haben müsst!“, waren seine entschuldigenden Worte, die mich aufhorchen ließen. Es war mir sehr unangenehm, über diesen Abend zu reden. Aber umso dankbarer war ich, dass er von sich aus dieses Thema aufgegriffen hatte, denn wir hatten schon lange Redebedarf gehabt. Ich nahm seinen Wink dankend an. „Du sagtest, ihr hättet Eiji zur Rede gestellt.. Was kam dabei raus?“, sprach ich die Frage aus, die seit Wochen innerlich wie verrückt an mir genagt hatte. Würde ich endlich meine Antwort bekommen? Keisuke schnaubte abfällig, ignorierte erst gekonnt meinen verunsicherten Blick und sah mir dann doch stur in die Augen, als er, „Er hat uns gebeichtet, dass er es gewesen ist. Sein mickriger Stolz hat die klare, wiederholte Abfuhr Suis einfach nicht vertragen. Und deshalb hat er kurzerhand den Cocktail mit Drogen versetzt, weil er davon ausgegangen war, dass dieser Sui gehört. Durch die Reservierungsinfos hatte er genug Zeit gehabt, alles zu planen und vorzubereiten. Immerhin hatte er Einsicht auf die Namen auf der Gästeliste gehabt. Sei aber versichert, dass ich gründlich dafür gesorgt habe, dass dieser Typ nie wieder irgendwo Fuß fassen wird, Kouyou. Und womöglich habe ich auch dafür gesorgt, dass man ihm.. Manieren beigebracht hat“, schnarrte mein Gegenüber bedrohlich, was mir unangenehme Gänsehaut bescherte. Es war eine deutliche Veränderung in seiner Aura zu spüren, die mir gar nicht gefiel. Ich wollte lieber nicht nachfragen, was genau er damit meinte. Auch wenn mir diese kryptische Aussage Sorgen bereitete. Jetzt hatte ich meine Antwort auf die Ungewissheit, die mich seit Wochen geplagt hatte. Aber irgendwie war sie ziemlich ernüchternd und nicht zufriedenstellend gewesen. Es schien mir beinahe so, als hätte ich mir selbst mehr erhofft. Ich wusste nicht, wie ich dieses leere, unbefriedigte Gefühl in mir beschreiben sollte. „Weiß Ma davon?“, wollte ich innerlich kapitulierend wissen und gab einen überlegenden Laut von mir, als der Ältere knapp nickte. „Wir haben dich damit nicht weiter belasten wollen, weshalb wir dir auch nichts davon erzählt haben. Nimm es ihr nicht übel, ja?“, bat er mich und legte eine Hand auf meine Schulter, um aufmunternd draufzuklopfen. Ich verzog die Lippen zu zwei dünnen Strichen und nickte. Eine brennende Frage sauste mir noch immer ungehalten durch den Kopf, doch ich wusste nicht, wie ich sie stellen sollte. Ich hatte mir immer wieder ausgemalt, wie ich es wohl anstellen würde, wenn es soweit war. Doch jetzt stand ich hier, hatte zum unzähligen Mal die Chance und traute mich einfach nicht, sie zu formulieren. Wie würde der Ältere reagieren? Würde er es abstreiten? So tun, als wüsste er nicht, wovon ich redete? Ich würde es nur dann herausfinden, wenn ich jetzt meinen Mut zusammennahm und endlich fragte. Meinen leicht geöffneten Lippen entwich ein zaghaftes, „Keisuke?“, und der Größere starrte mir wie gebannt auf eben diese, ehe er sich weiter zu mir vorbeugte, um meine unsicher geflüsterte Frage besser zu verstehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)