Der Wächter von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 99: Geschenke --------------------- Jake Schon am nächsten Tag kehrte allmählich Ruhe ein. Rein optisch hatte sich La Push nicht verändert. Das Dorf sah wieder so aus, wie vor Morganas Angriff. Jeder Baum, jeder Stein, einfach alles, befand sich an genau der richtigen Stelle. Nur wussten die Leute mehr als zuvor. Anfangs machten alle einen großen Bogen um die Mitglieder der Rudel. Man konnte ja nie wissen, wann sie die Beherrschung verlieren würden. In diesem Punkt hatte Jake vorgesorgt. Um die Akzeptanz für die Rudel zu verbessern, ordnete er an, dass alle sich von ihrer besten Seite zeigen sollten. Die Angst vor den Wölfen legte sich rasch. Alle Quileute waren mit den Mythen und Legenden ihres Stammes aufgewachsen und die Gestaldwandler gehörten eben zu ihrem Erbe. Leider gab es aber viel Getuschel, bei einem anderen Thema. Da die Quileute nichts gegen die beiden Schwulenpärchen in ihrer Mitte unternehmen konnten, zeigten sie ihr Missfallen, in dem sie abfällig hinter vorgehaltener Hand redeten. Wohl wissend, dass die Wölfe mit ihren verbesserten Sinnen alles mitbekamen. Während Embry sich die ersten Tage möglichst rar machte, stolzierte Jake Hand in Hand mit Isaak umher. Wenn Jake an die Zeit kurz nach seiner Prägung dachte, war das bisschen Gerede doch ein Klacks. Die Rudel standen geschlossen hinter ihm. Selbst Paul wagte es kein einziges Mal ihn anzugehen. Allein das war schon ein Grund zum Jubeln. Womöglich hatte aber auch seine Schwester da ihre Finger mit im Spiel, immerhin hielt sie Paul an der kurzen Leine. Etwa eine Woche nachdem alle in ihre Häuser zurückgekehrt waren, begannen die Bauarbeiten an der Zugangsstraße. Davon bekamen die Leute zum Glück nicht viel mit. In Zukunft würden sie noch genug Baulärm ertragen müssen, wenn die anderen Gebäude gebaut werden würden. Zwischen Billy und Jake war es zwar noch nicht wieder so wie vor Jakes Prägung auf Isaak, aber sie waren auf einem guten Weg. Billy lud sie eines Abends sogar zum Abendessen ein. Die Stimmung war angespannt, jedoch hielt sich Billy sichtbar mit bösen Kommentaren zurück. Mittlerweile hatten sie den Unterwasserposten für sich allein. Die Aufstiegsplattform war nach La Push verlegt worden, genau genommen direkt hinter Sams Bude, die immer noch der zentrale Treffpunkt beider Rudel darstellte. Hin und wieder schlief zwar mal einer aus dem Rudel bei ihnen, vor allem wenn sie ausgepowert von einer Nachtpatrouille kamen und keine Lust hatten nach Hause zu rennen, aber im Großen und Ganzen hatten sie ihre Ruhe. Am liebsten hätte Jake sich Isaak geschnappt und wäre mit ihm durch die Welt getingelt. Es gab da nur zwei winzige Probleme. Zum einen war Jake der wahre Alpha der Rudel, sein Platz war demnach in La Push. Zum zweiten hatte Isaak seine Worte wahr werden lassen und die Wölfe, mitsamt Jake, in eine Sommerschule gesteckt. Keiner konnte sich davor drücken, da Isaak fieserweise die Zustimmung aller Eltern eingeholt hatte. Für den Wächter war es ein Leichtes unwiderlegbare Argumente für diese Sommerschule zu finden. Für dieses Unterfangen ließ Isaak John einige Lehrkräfte heranschaffen. Untergebracht wurden diese in kleinen, auf die Schnelle errichteten Bungalows, die anschließend den Bauarbeitern zur Verfügung gestellt werden würden. Die alte Schule im Reservat war zwar noch nicht umgebaut worden, genügte aber den Anforderungen. Mit dem Zugang zur Bibliothek der Wächter und dem Wissen in Isaaks Kopf hielt Jake den Unterricht für vollkommen unnötig. Doch ließ sich sein Freund nicht erweichen. Nicht einmal für ihn machte Isaak eine Ausnahme. Lediglich Sam und Kamden entkamen seinem Freund. Insgeheim war Jake sehr neidisch auf die Zwei, die mussten sich nicht einer solchen Tortur unterziehen. Ein geregelter Alltag stellte sich ein. Von morgens bis zum frühen Nachmittag Sommerschule, anschließend Hausaufgaben und extra Nachhilfeunterricht, nur für Jake, bis zum Abend. Er war selbst überrascht wie viel Stoff er in ein paar Monaten verpasst hatte. Viel Zeit zum Aufholen blieb ihm aber nicht. In wenigen Wochen würde das nächste Schuljahr beginnen. Durch diese Aufteilung hatte Jake mehr zu tun als alle anderen Wölfe, daher bekam er die Nächte frei und musste nicht auf Streife gehen. Immerhin etwas. Isaaks erster Versuch, Jake das entgangene Wissen einzutrichtern, endete damit, dass sie es im Klassenzimmer, aka Holoraum, wild miteinander trieben. Nach diesem Misserfolg musste Jake mit der KI als Lehrer vorlieb nehmen, während Isaak sich in dieser Zeit seinen Forschungen widmete. Genervt biss Jake die Zähne zusammen und fügte sich seinem Schicksal. Er kannte die Strafe fürs Schwänzen. Dann würde sich sein Freund in Luft auflösen und er musste die Nacht allein verbringen. Darauf konnte er gut und gerne verzichten. Da selbst die Wochenenden mit Nachhilfeunterricht vollgepackt waren, sein unbarmherziger Freund gewährte ihm immerhin einige wenige Stunden zur Erholung, verging die Zeit wie am Fließband. Wie Isaak es prophezeit hatte, griff Kamden nicht nach Jakes Krone. Obwohl er ein Alpha war, gab er sich mit der Position des Betas in Jakes Rudel zufrieden. Von seiner Alphastimme machte Kamden nur sehr selten Gebrauch. Meist dann, wenn ihm jemand zu sehr auf die Pelle rückte oder es wagte ihn und Embry zu stören. Hin und wieder legte sich Kamden zwar mit Sam an, den er irgendwie auf dem Kieker hatte, aber bisher musste Jake nie eingreifen. Auch wenn Kamden sein Halbbruder war, verlor er jeden Kampf gegen Sam. Sein hitziges Temperament stand ihm im Wege. Sollte Kamden das in den Griff bekommen, würde es ein Kampf auf Augenhöhe gegen Sam werden. Außer den normalen Rangeleien im Rudel war es ruhig. Seit Wochen schon hatte sich kein fremder Vampir mehr in ihr Revier verirrt. Dennoch trainierten alle hart an sich. Mit Hilfe des Holoraumes standen ihnen unzählige Szenarien und ein Sammelsurium von nie enden wollenden Gegner zur Verfügung. Da Jake mit Lernen schon genug zu tun hatte, überließ er Kamden während des Trainings den Posten als Alpha. Jake fand, dass das eine gute Übung für alle war. So konnte sein Bruder sich seine Sporen verdienen und das Rudel lernte mit verschiedenen Taktiken umzugehen. Alles in allem eine friedliche Zeit. * Erschöpft, aber mit sich selbst zufrieden, betrat Jake eines der vielen Versuchslabore im Unterwasserposten. Die ganze Pauckerei hatte seinen Notenspiegel deutlich angehoben. Schnell sah er sich um und fand seinen Freund vor einer Glasröhre. “Wie geht es Blacky? Schon irgendeinen Durchbruch erzielt?” Isaak sah von seiner Arbeit auf und warf einen Blick über die Schulter. “Nein, und du sollst diesem Ding keinen Namen geben. Das ist ein äußerst gefährliches Wesen und kein Haustier.” Mit den Schultern zuckend trat Jake von hinten an seinen Freund heran. Sich an dessen breiten Rücken schmusend schlag er die Arme um seinen Liebsten. “Keine Sorge. Sollte Blacky jemals ausbrechen, dann leuchte ich ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, ins Jenseits. Ich werde ganz sicher keine emotionale Bindung zu ihm aufbauen.” Er konnte genau spüren, wie Isaak in seinen Armen seufzte. “Es hat wohl keinen Zweck mit dir über diese Thema zu streiten, oder?” “Nein.” Im Grunde waren sie sich ja einig. Dennoch konnte Jake es nicht lassen den Schatten Blacky zu nennen. Das Ding lebt nun schon seit Wochen mit ihnen gemeinsam unter einem Dach. Da hatte es einen Namen verdient. Außerdem hatte Jake gerade anderes im Sinn. Verspielt knabberte er Isaak am Hals. Er hatte alle Aufgaben für heute erledigt und noch etwas Zeit bevor er ins Bett musste. Diese Zeit würde er zu nutzen wissen. “Warte”, sagte Isaak und entwand sich aus seiner Umarmung. “Jetzt schau doch nicht so traurig. Ich habe etwas zu sagen, das dich sicher freuen wird.” Frustriert seufzte Jake auf. Na da war er mal gespannt. Wenn sein Freund ihm den Sex verweigerte, dann sollten das wirklich großartige Neuigkeiten sein. “Ich verweigere dir doch nie den Sex”, meinte Isaak grinsend und stupste Jake gegen die Nase. “Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.” “Es sei denn, ich lerne nicht brav. Denn dann verschwindest du auf ominöse Art und Weise”, moserte Jake und rollte mit den Augen. “Na spucks schon aus.” Neben Isaak erschien ein in der Luft schwebendes Display. “Ich habe deine Fortschritte, sowie die der anderen genau im Auge behalten. Im Allgemeinen sind eure Noten um ein bis zwei Stufen besser geworden. Darauf könnt ihr stolz sein.” Darauf war Jake auch stolz. Immerhin hatte er sich die letzten vier Wochen mächtig den Arsch aufgerissen. Aber war das die frohe Kunde? Kam da noch mehr? “Lange rede kurzer Sinn, die Sommerschule ist zu Ende. Morgen früh verabschieden sich die Lehrkräfte. Die letzten beiden Wochen der Sommerferien habt ihr frei.” “Echt jetzt?”, fragte Jake misstrauisch. So ganz konnte er sein Glück nicht fassen. “Was ist mit meinem Nachhilfeunterricht?” Isaak grinste ihn gutmütig an. “Der ist ebenfalls gestrichen.” Euphorisch sprang Jake in die Luft. Das musste er sofort den anderen sagen. Damit würde die Stimmung im Rudel sicher wieder steigen. Keine Minute später jubelten beide Rudel. Alle Wölfe waren froh über diese Neuigkeit. Einen Moment lang freute sich Jake mit seinen Leuten, dann verschloss er sich vor den Rudeln. Mit den Augen fixierte er seinen Freund, während er sich lasziv über die Lippen leckte. Die frohe Kunde musste doch angemessen gefeiert werden und er wusste auch schon genau, wonach ihm der Sinn stand. “Das wäre eine Option”, sagte Isaak ominös. “Oder aber du lässt dich überraschen. Ich hätte da ein kleines Geschenk für dich.” Jake sprang sofort darauf an. “Was denn für ein Geschenk und wofür?” “KI, bring uns zum Raum 172 in der Zitadelle”, befahl Isaak ohne den Blick von ihm zu nehmen. “Ich weiß genau, wie sehr du dich die letzten Wochen angestrengt hast. Daher dachte ich, eine kleine Belohnung wäre angemessen.” Bemüht ruhig folgte Jake seinem Freund zur Aufstiegsplattform. Innerlich war er vollkommen aufgekratzt. Bis jetzt hatte sein Liebster ihm noch nie etwas geschenkt, mit Ausnahme des Anhängers um seinen Hals. Aber der zählte nicht. Damals waren sie noch nicht zusammen. Er hoffte, dass es keine Blumen oder so etwas waren. “Keine Sorge, so etwas würde ich mich bei dir nicht trauen.” Unschuldig grinste Isaak ihn an. Bemüht gleichmütig griff Jake nach seiner rechten Hosentasche. Seine Finger fuhren über eine kleine Erhebung. Ein Glück, er hatte es dabei. Die kurzen Pausen in den letzten Wochen hatte er dafür benutzt eine Kleinigkeit anzufertigen. Immer auf der Hut, damit sein Freund keinen Wind davon bekam, war er sogar so weit gegangen, sich vor Isaak abzuschotten, während er daran arbeitete. Das war alles andere als leicht, vor allem weil er mittlerweile so sehr daran gewöhnt war, Isaak in seinen Gedanken zu spüren. Vor ein paar Tagen war er mit dem Geschenk fertig geworden, hatte aber auf den rechten Augenblick gewartet. Seitdem lagerte er diese Kleinigkeit in seiner Hosentasche. Der Augenblick schien gerade perfekt zu sein. “Warte kurz.” Mit diesen Worten packte Jake seinen Freund am Arm und hinderte ihn damit die Aufstiegsplattform in der Zitadelle zu verlassen. “Ich habe auch etwas für dich.” “Für mich?” Überrascht weiteten sich Isaaks Augen. “Wieso?” “Einfach nur so. Es gibt keinen bestimmten Grund, außer dem, dass wie zusammen sind”, druckste Jake ein wenig herum. Nun da die Zeit gekommen war, fühlte er sich sehr verunsichert. Was wenn es seinem Freund nicht gefallen würde? Eine Hand legte sich unter sein Kinn und hob es an. Vor seinen Augen lächelte Isaak ihn liebevoll an. “Egal was es ist, wenn es von dir und von Herzen kommt, dann wird es mir gefallen.” Hastig schluckte Jake den Kloß in seinem Hals hinunter. Dann griff er in seine rechte Hosentasche. Die Hand zur Faust geballt hob er den Arm und drehte die Finger langsam nach oben. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Er hatte nicht erwartet derart nervös zu sein. Augen zu und durch, hieß es doch immer. Genau das tat er nun. Er presste die Lieder zusammen, während er seine Faust öffnete. Wie Jake wusste, lag auf seiner ausgestreckten Hand ein schwarzes Lederarmband. Die Lederstreifen hatte er insgeheim in einer Nacht- und Nebelaktion im Dorf gekauft. Anschließend hatte er in mühevoller Kleinstarbeit, nach Art seines Stammes, die Streifen miteinander verflochten. Das Herzstück war eine kleine Holzfigur. Ein Wolf. Jake war nicht so gut im Schnitzen wie sein Vater, aber er hatte sein Bestes gegeben. Unzählige Versuche und blutende Finger hatte es ihn gekostet bis er mit dem Ergebnis zufrieden war. Am Ende hatte er den kleinen hölzernen Wolf wie ein Juwel in das Armband hinein gewoben. Sie waren nun eine Einheit. Damit wich er zwar ein wenig von ihren Bräuchen ab, aber was solls. Ihm hatte die Idee gefallen. Das verflochtene Leder stellte ihre tiefe Bindung zueinander dar. Es symbolisierte ihre ineinander verstrickten Lebenswege. Der Wolf, das war er selbst. Solange Isaak das Armband trug, wäre er somit immer an seiner Seite, egal wo er hinging oder wie weit sie voneinander getrennt sein würden. Soviel zu seinen Hintergedanken. Nun aber war er sich nicht mehr so sicher. Es war kindisch. Wertloser Schrott, nichts weiter. Isaaks Geschenk war bestimmt um Welten besser. “Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll”, stammelte sein Freund unbeholfen. Jake spürte wie die Finger seines Freundes ihm das Armband aus der offenen Hand nahmen. Dann hörte er ein Schluchzen. Entsetzt öffnete Jake die Augen. Er hatte es gewusst. Das war eine saudumme Idee gewesen. Dicke Tränen quollen seinem Liebsten aus den Augen. Seine Arme waren an die Brust gedrückt, während er das Armband in den Fingern hielt. Isaak schien vollkommen aufgelöst zu sein. “Entschuldige, bitte”, stammelte Jake. Er wusste nicht, was er tun sollte. Würde sein Freund es zulassen, wenn er die Hand nach ihm ausstreckte, oder zurückweichen. “Das nächste Mal -” “Danke” Das Wort war nur gehaucht, dennoch verstummte Jake sofort. Im Gesicht seines Liebsten lag ein strahlendes Lächeln. So ganz schien das nicht ins Bild zu passen. “Dummes Wölfchen”, schniefte Isaak. “Meine Tränen entspringen meiner überquellenden Freude.” Bei diesen Worten ging Jake ein Licht auf. “Das heißt, es gefällt dir? Du nimmst mein Geschenk an? Du wird das Band tragen?” Isaak schüttelte erheitert den Kopf. “Ja. Ja. Kommt drauf an.” “Worauf?”, fragte Jake argwöhnisch. So ganz verstand er nicht, was los war. Sein Freund nahm das Geschenk an und es gefiel ihm auch. Soweit so gut. Aber er wollte es nicht tragen? Wieso? Mit ernstem Gesichtsausdruck wurde ihm geantwortet: “Darauf, ob du mir gestattest einige Zauber darüber zu legen.” “Was denn für welche?” Das alles ergab doch keinen Sinn! “Das Armband ist viel zu kostbar, um es zu tragen. Ohne Schutzzauber könnte es beschädigt, verschmutzt oder gar zerstört werden.” “Ach darum geht es.” Ein Stein fiel ihm vom Herz. “Dann mache ich dir einfach ein Neues.” “Nein, ich behalte dieses”, widersprach Isaak vehement. “In jeder Faser steckt dein Herzblut. Und das sprichwörtlich, ich kann dein Blut daran riechen. So etwas ist einmalig und unersetzbar.” Verlegen kratzte sich Jake am Hinterkopf. Damit hatte er jetzt echt nicht gerechnet. Sein Freund tat ja so, als ob das hier der heilige Gral oder so wäre. “Gut, wie du willst. Dann verzaubere das Armband. Mir solls recht sein.” “Danke.” Isaak trat vor und vereinte ihre Lippen. In diesem Kuss lagen all seine Emotionen. Genießerisch schloss Jake die Augen. Er wollte mehr, viel mehr. Am besten jetzt sofort. Eines hielt ihn aber zurück. Sein Liebster hatte ebenfalls etwas vorbereitet. Das wollte er sich doch nicht entgehen lassen. Isaak zog sich schlagartig von ihm zurück und schlug die Augen nieder. “Mein Geschenk ist nicht mal annähernd so viel wert wie deines.” Verunsichert begann er leicht zu stottern. “Ich weiß nicht, ob ich dir damit unter die Augen treten kann.” “Komm schon, das ist nicht fair. Du hast mir ein Geschenk versprochen. Ich bestehe darauf, dass du dich an dein Wort hältst”, moserte Jake. Umgekehrte Psychologie, ob das klappen würde? Isaak seufzte. “Na gut. Komm, es ist nicht mehr weit.” Yes, Treffer und versenkt. Schwungvoll sprang Jake von der Plattform. Solange es keine Blumen waren, konnte es nicht schlecht sein. Bestimmt machte sich sein Freund wieder mal Sorgen um nichts. Etwas vollkommen Normales, an das sich Jake bereits gewöhnt hatte. Das bläuliche Kraftfeld baute sich um sie herum auf. Dann schossen sie die Korridore entlang. Aufgeregt zappelte Jake wie ein Kleinkind an Weihnachten umher. “Bekomme ich einen Tipp?” “Wenn du das willst.” Isaak zuckt mit den Schultern. “Vor knapp drei Wochen war ich bei Bella gewesen und habe sie gefragt, was dir gefallen könnte. Daraufhin habe ich ihre Aussagen mit meinen Beobachtungen verglichen.” Angespannte wartete Jake. Aber es kam nichts mehr. “Das soll ein Tipp sein? Man bist du fies.” Bella war seine beste Freundin. Was würde sie ihm schenken? Ein selbst gemaltes Bild? Aber Bellas Gekrakel konnte man nicht wirklich als Kunst bezeichnen. Eine Phiole mit ihrem Blut? Ne, das würde ihrem Verlobten gefallen. Jakes Gedanken rasten wie wild umher. Was würde ihm gefallen? Eine schwere Frage. Er hatte doch schon alles, was er wollte. Vielleicht ein eigenes Haus mit Isaak? Das wäre unnütz, dafür hatten sie die Zitadelle und die Außenposten. Ein romantisches Candlelight Dinner mit seinem Freund. Ja, das klang doch nicht schlecht. “Gut zu wissen, damit steigt meine Auswahl fürs nächste Mal. Bisher hatte ich angenommen, dass du mir den Kopf abreißt, wenn ich so etwas vorschlagen würde.” Jake sah auf. Also kein romantisches Abendessen, schade. “Solange die Tischdecke oder die Wände nicht rosa sind, hätte ich nichts dagegen.” “Das werde ich mir merken”, sagte Isaak. Er hob den Blick und verkündete: “Wir sind da.” Erwartungsvoll sah Jake sich um. Die KI hatte sie vor einer schwere Mahagonitür abgesetzt. Jake streckte die Hand nach dem Türknauf aus. “Ich nehme an, mein Geschenk ist hinter dieser Tür?” “Größtenteils, ja. Aber einen Teil habe ich bei mir. Den solltest du dir als erstes ansehen.” Bei diesen Worten wandte Jake den Kopf. Isaak griff in seine Hosentasche und zog etwas in der Faust hervor. Wie zuvor Jake es getan hatte, streckte sein Freund ihm die Hand entgegen und öffnete die Finger. Erwartungsvoll warf Jake einen Blick auf die Handfläche. Dort lag ein Schlüssel. Im ersten Augenblick war er verwirrt. Enttäuschung machte sich in ihm breit. Was sollte er denn mit so einem ollen Schlüssel anfangen. Dann fiel es ihm die Schuppen von den Augen. Das war nicht irgendein Schlüssel. Er kannte ihn, hatte ihn sogar schon mal in seinen eigenen Händen gehalten. Neben sich stehend stammelte Jake: “Ich glaub, mein Schwein pfeift.” Auf Isaaks ausgestreckter Hand lag der Schlüssel für einen Aston Martin DBS Coupé. Fassungslos fragte Jake: “Du schenkst mir Johns Auto?” “Teilweise richtig”, sagte Isaak geheimnisvoll. “Es ist nicht John’s Fuhrwerk.” Bei dem Begriff Fuhrwerk zuckte Jake zusammen. Wie konnte sein Freund es wagen ein heißen Schlitten wie den Aston Martin DBS Coupé als Fuhrwerk zu bezeichnen. Was für ein Frefel. Gotteslästerung! Unbeirrte redete Isaak weiter. “Ich würde dir doch nichts Gebrauchtes schenken. Alle Teile sind fabrikneu. Jedoch …” “Jedoch? Jedoch was? Nun sag schon. Ich platze gleich vor Neugier.” Jake konnte es nicht fassen. Ein Aston Martin DBS Coupé für ihn ganz allein. Was konnte es Schöneres geben. Anstelle die Frage zu beantworten schob sich sein Freund an ihm vorbei und öffnete die Tür. “Jedoch musst du es erst noch zusammenbauen.” Jake klappte der Mund auf. Wie in Trance betrat er das Zimmer. Hier sah es aus wie in einer gemütlichen Werkstatt. An den Wänden waren verschiedene Werkbänke und Regale aufgestellt. Jungfräuliche Schraubenschlüssel hingen fein säuberlich sortiert an Wandtafeln. Daneben Schraubendreher aller Größen, verschiedene Greifzangen, Drehmomentschlüssel, Bolzenschneider. Zahnriemen hingen neben Keilriemen. Wie selbstverständlich befanden sich auch die drei wichtigsten Hilfsmittel eines jeden Mechanikers in greifbarer Nähe zueinander: Hammer, WD 40 und Panzertape. Auf einem der Tische lagen Elektrowerkzeuge, wie eine handliche Schleifmaschine oder eine Hängelampe. In einer Ecke stand sogar ein nigelnagelneuer Kompressor mit allem was dazu gehörte. Daneben verschiedene Fässer: Motoröl, Bremsflüssigkeit, sogar ein Fass für Altöl und Schmierfett. Nicht zu schweigen von den großen Geräten. Eine Reifenwuchtmaschine. Ein Motorheber. Eine blau lackierte Hebebühne. Das Highlight in diesem Zimmer war jedoch der Aston Martin DBS Coupé. Dieser lag in Einzelteilen im ganzen Raum verstreut, wobei die nackte Karosserie auf der Hebebühne stand. Jakes Herz setzte einen Schlag aus. Er hatte mit vielem gerechnet, aber doch nicht hiermit. “Ich weiß nicht, was ich sagen soll.” “Ich weiß, gegenüber deinem Armband ist das hier echt armselig.” “Hast du sie noch alle”, hauchte Jake. Er wusste gar nicht, wo er zuerst hinsehen sollte. “Entschuldige bitte. Ich verspreche, das nächste Mal gebe ich mir mehr Mühe.” “Wenn du da noch einen oben drauf legst, dann sehe ich mir die Radieschen von unten an. Das würde mein Herz wohl nicht verkraften.” Durch ihre Verbindung spürte Jake, wie verwirrt sein Freund war. Gut so. Mit diesem Raum hatte Isaak auch den Vogel abgeschossen. Plötzlich fiel ihm etwas ins Auge. Hals über Kopf rannte Jake los. Auf einem der Werkbänke stand ein Radio. Das hier musste der einzige Gegenstand in diesem Raum sein, der nicht neu war - es war alt und sah sehr mitgenommen aus. Mit zitternden Fingern fuhr er über die ganzen Kratzer und Dellen. Jake konnte es nicht glauben, das hier war sein altes Radio. Wann immer er im Schuppen hinter dem Haus seines Vaters an etwas geschraubt hatte, lief genau dieses Radio im Hintergrund. Das war der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. Er stürmte auf Isaak zu und warf ihn zu Boden. “Danke, danke, danke.” Jake konnte gar nicht mehr aufhören sich zu bedanken. Welcher Vollblut-Mechaniker würde bei so einem Geschenk nicht die Fassung verlieren. Und ja, auch er als standhafter Mann musste sich eingestehen, dass er Tränen in den Augen hatte. Beruhigend streichelte Isaak ihm über den Rücken. Es dauerte einige Sekunden bis Jake sich wieder gefangen hatte. Schnell setzte er sich auf das Becken seines Liebsten, nahm dessen Kopf in seine Hände und gab ihm einen überschwänglichen Kuss. Seine Gefühle benötigten ein Ventil. Da musste sein Freund nun durch. Nachdem sich Jake aufgesetzt hatte fragte Isaak: “Es gefällt dir?” “Ich glaube, der Kuss sagt alles oder?” “Also, soll ich nicht alles entsorgen?” “Entsorgen?”, quiekte Jake und sprang auf. “Nur über meine Leiche. Du hast es mir geschenkt. Das ist meine Werkstatt, wehe du fasst hier was an.” “Keine Sorge, das hatte ich auch nicht vor.” Vom Boden her grinste sein Freund ihn an. “Es freut mich sehr, dass ich dir eine Freude bereiten konnte.” Abermals sah Jake sich um. Boden, Decke und Wände. Es gab nur eine Tür, mit normalen Maßen. “Sag mal, wie hast du das alles hier reinbekommen? Und wie bekomme ich das fertige Auto hier wieder raus? Oder ist das hier ein Holoraum?” “Nein, nein. Alles hier drin ist echt. Wobei ich zugeben muss, geplant habe ich dieses Zimmer im Holoraum.” Langsam stand Isaak auf, darauf bedacht seine linke Hand nicht zu benutzen. Jake sah genauer hin und erkannte das Lederarmband zwischen den Finger. Sein Freund hielt das wohl echt für einen Schatz. Er warf einen Blick umher. Irgendwie konnte Jake ihn verstehen. Sollte es jemand wagen Unordnung in seine Werkstatt zu bringen, dann würde er an die Decke gehen. Allein der Gedanke ließ ihn erschaudern. Das hier war sein Reich. “Die meisten Gegenstände in diesem Raum wurden vor Ort von den Naniten gebaut. Diese kleinen Maschinen sind ungeheuer praktisch bei so etwas. Was das Fuhrwerk-” Jake biss sich auf die Unterlippe. Stumm bat er den Aston Martin DBS Coupé um Verzeihung für seinen unwissenden Freund. “- anbelangt, das habe ich mir in Einzelteilen von John liefern lassen. Ich dachte, ein Original würde dir besser gefallen als eine von Naniten angefertigte Kopie.” In dem Punkt musste Jake seinem Liebsten zustimmen. Auch wenn er insgeheim befürchtete, dass er, bei all der Technologie der Wächter, wohl nicht in der Lage wäre eine Kopie von einem Original zu unterscheiden. Dennoch fühlte es sich einfach anders an, wenn man wusste, dass jedes Teil ein fabrikneues Original war. “Und keine Sorge. Die Wände sehen zwar massiv aus, sind aber im Grunde ebenfalls Naniten. KI, vergrößere die Tür auf die doppelte Breite.” Hinter Isaak zog sich die Eingangstür wie angeordnet in die Breite. Jake betrachtete dieses Schauspiel und nickte. Nach allem was er schon mit seinem Freund erlebt hatte, konnten ihn Wände und Türen aus Naniten nicht mehr schocken. Für ihn war nur wichtig, dass er in der Lage sein würde, seinen Aston Martin DBS Coupé unbeschadet hier raus zu bekommen. Jake trat an eine der Werkbänke. Dort lag ein ausgebreiteter, detaillierter Bauplan. “Bleibst du noch ein wenig oder musst du schon wieder los?” “Wenn meine Anwesenheit geduldet wird, dann bleibe ich. Allerdings werde ich selbst beschäftigt sein.” Isaak hob seine linke Hand, woraufhin Jake verstehend nickte. Während er sich sein Geschenk genauer ansah, würde sein Liebster das Armband verzaubern. Sie beide würden im selben Raum sein. Eine Win-Win-Situation. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf Jakes Gesicht aus. Alles was er gerade wollte, war in diesem einen Raum, seiner neuen Werkstatt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)